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Angel of Ashes

Wenn Engel die Welt beherrschen
von

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Sturm der Gedanken

Konnte man einen Engel dafür hassen, was er war, wenn er gleichzeitig mit einem Kind auf dem Schoß eine Wasserrutsche hinunter sauste und dabei genauso jauchzte?

Skeptisch beäugte Sheena einen blond gelockten Mann namens Castro, der mit seinen Söhnen und zwei Jungs aus Sheenas Familie in den heißen Quellen spielte.

Sie ärgerte sich, dass sie der siebenjährigen Charlie in die vielgelobten Höhlen gefolgt war. Doch wie konnte man warmen, glücklichen, braunen Augen widerstehen?

Gar nicht, wie sie trocken feststellte und lehnte sich mit verschränkten Armen gegen die leicht feuchte Wand der Grotte. Sie war froh, dass sie heute nur ein ärmelloses, weißes und leichtes Baumwollkleid trug, denn hier waren mindestens 40° Celcius und sie spürte auch jetzt schon, wie ihr der Schweiß zwischen den Brüsten hinunterlief.

An letztere wollte sie im Moment nicht denken, denn nicht nur ihr Bauch hatte deutlich an Umfang gewonnen. Das Kleid versteckte nichts, aber warum auch?

Seitdem das Kind sie mehrmals täglich durch verschiedenste Tritte daran erinnerte, dass es existierte, sollte es halt auch jeder sehen.

Natürlich war es komisch etwas zu spüren und zu akzeptieren, was man nicht wollte. Aber sie hatte sich angewöhnt, mit dem kleinen Etwas zu sprechen. Wie der einzige Freund zwischen all den Feinden.

„Irgendwie bizarr, dass ich ausgerechnet dich als meinen Freund in Not erwählt habe!“, flüsterte Sheena und strich über ihren Bauch. Sie wurde mit einem vermeintlich aufmunternden Tritt belohnt.

Sie lächelte und schaute wieder in die Grotte, die von einer unterirdischen Quelle gespeist wurde und somit vier unterschiedlich große Becken, sowie eine scheinbar natürliche Steinrutsche versorgte. Wie viel davon wirklich schon bestanden hatte oder von den Engeln erschaffen worden war, würde Sheena sowieso nicht erfahren. Persönlich faszinierte sie jedoch mehr die sehr hohe Decke der Höhle, die wie ein Sternenhimmel funkelte.

Sheena legte den Kopf in den Nacken und versuchte die Ursache für das irisierende Licht zu erkennen, doch der Wasserdampf ließ alles vor ihren Augen verschwimmen. Waren das Diamanten, die das Licht der vielen Wandfackeln wider spiegelten?

„Tatsächlich ist es Sternenstaub, den wir beim Bau der Grotte benutzt haben.“

Sheena zuckte zusammen und auch das Kind beschwerte sich. Mit laut klopfendem Herzen drehte sie sich zu ihrem persönlichen Albtraum um.

„Hör endlich auf in meinen Gedanken rum zu fuschen!“ stieß sie zwischen zusammen gepressten Zähnen hervor.

Sem hob eine Augenbraue. Seine eisblauen Augen machten Sheena schwindelig und es ärgerte sie, dass sie zu ihm aufgucken musste. Sie war selber nicht klein, aber Sem maß sicher 1.80m. Musste er sie immer in allem übertreffen?

„Wehe du antwortest jetzt!“, sagte sie genervt und versuchte, ihren Kopf auszuschalten.

Sem hob abwehrend die Arme und schmunzelte.

Geschockt riss Sheena die Augen auf: „Das ist nicht wirklich ein Lächeln, oder? Der dunkle Engel kann lächeln!“

„Der dunkle Engel also. Interessant!“

Hatte er schon immer so eine tiefe, äußerst Gänsehauterzeugende Stimme gehabt? Sheena schloss verzweifelt die Augen.

„Auf die Gefahr hin, dass du sowieso schon alles weißt.“ Sie baute sich vor ihm auf und blickte ihm trotzig ins Gesicht. Er schien noch immer amüsiert.

„Du bist anders als die anderen. Nicht dieser typische Engelstyp. Strahlend, hell und so ekelhaft gut drauf.“

Sems Augen verdunkelten sich leicht.

„Dafür bist du immer schlecht gelaunt, brutal und gemein.“ Sie verzog das Gesicht. „Ich mochte dich von Anfang an nicht. Du erinnerst mich zu sehr an die Gefallenen.“

Ein Schatten zog über das Gesicht des Engels, doch statt etwas dazu zu sagen wandte er sich einfach um und verließ die Grotte.

Irritiert schaute sich Sheena nach den anderen Engeln um, die ihr jedoch nur einen kurzen Blick schenkten und sich dann wieder mit den Kindern und ihren Müttern beschäftigten. Am Rand der Becken erblickte sie einige Frauen aus ihrer Gruppe, die mit weiteren Engeln flirteten. Sheena hatte alle Mühe nicht zu würgen, weil sie diese Szenen so surreal empfand. Trotzdem wunderte es sie, dass sie plötzlich der einzigen Person folgte, die sie eigentlich am wenigsten mochte.
 

Sheena holte Sem auf der engen Wendeltreppe ein, die zurück in die große Halle führte. Auch sie war feucht und vor allem sehr glatt und als Sheena die ersten Stufen auf einmal nahm, rutschte sie ab und fiel vorne über.

Fast augenblicklich schlossen sich Arme um ihren Oberkörper und verhinderten, dass sie auf die scharfen Kanten stürzte. Überrascht sah sie in das so bekannte eisige Blau.

„Wie hast du das gemacht?“, wisperte sie außer Atem.

Sem ließ sie sofort los, als habe er sich die Finger verbrannt. Trotz allem kam sie sehr sanft auf den Stufen zum Sitzen.

Ohne ein Wort setzte der Engel seinen Weg fort.

„Sturer Mistkerl!“, brummte Sheena und machte sich daran ihm zu folgen.

Seine Flügel waren flackernde, lange Schatten auf die glatte steinerne Wand und sie fragte sich, wie er es schaffte, nicht überall anzuecken. Es wäre sicher amüsant gewesen, wenn er seine Flügel an einer der Fackeln, die wie in der Grotte an der Wand befestigt waren, in Brand gesteckt hätte.

Ein abfälliges Schnauben sagte ihr, dass er ihre Gedanken gehört hatte.

Gut, wenn er da oben gerne drin war, konnte sie ihm das mit Gleichem vergelten.

Zunächst rief sie sich alle ihre negativen Emotionen ins Gedächtnis, die sie mit ihm in Verbindung brachte. Über sich hörte sie, wie sich seine Schritte beschleunigten.

Sheena stöhnte leise. Wie viele Stufen waren das denn. Sie konnte sich nicht erinnern, dass sie vorher auch so lange gebraucht hatte. Die steinernen Wände wurden jedoch allmählich trocken.

Sem entfernte sich zunehmend.

„Als wäre er auf der Flucht.“, sagte Sheena mit einiger Genugtuung.

Dann dachte sie an die Nacht in der Wüste. Der Gedanke war ihr spontan gekommen und weil sie außer Atem war, verlangsamte sie ihre Schritte. Vielleicht hörte er sie nicht mehr, trotzdem versuchte sie sich zu erinnern.

Es war alles sehr verschwommen und trotzdem fühlte sie die Emotionen, die sie damals für einen höchst seltsamen Traum gehalten hatte. So merkwürdig, dass er sie noch im wachen Zustand verfolgt hatte. Vor allem weil alles so intensiv gewesen war.

Und gut, wie sie sich selbst eingestehen musste. Das Kind erinnerte sie just in diesem Augenblick daran, dass es das Ergebnis des Ganzen war.

Sheena tätschelte ihren Bauch und erklomm die letzten Stufen. Sie konnte es nicht dafür hassen.

Plötzlich packte sie etwas hart an den Schultern und presste sie gegen die felsige Wand. Das war so schnell gegangen, dass ihr ein wenig schummerig wurde und es dauerte, bis sie wieder klar sah.

Sem hielt sie mit beiden Händen fest und sein attraktives Gesicht war eine Maske des Zorns. Ein Schweißfilm lag auf seiner Stirn und sein Mund war zu einer blutleeren Linie zusammen gepresst. Erstaunt beobachtete Sheena, dass er kurz davor war, seine Fassung zu verlieren und es ihr überhaupt keine Angst machte. Ganz im Gegenteil, sie sehnte sich nach einer Auseinandersetzung mit ihm und ihr Herz schlug schneller bei dem Gedanken daran, sich mit ihm streiten zu können. Sie wollte ihn bluten lassen für das, was er ihr angetan hatte. Wieder schossen die Bilder der Nacht durch ihren Kopf.

„Hör sofort auf damit!“, presste er hervor.

„Du hast da oben nichts zu suchen, also bist du selbst schuld, wenn dir meine Gedanken nicht passen.“, giftete sie ihn an. Sie sandte ihm Verachtung und Hass.

Sem schloss angestrengt die Augen.

„Ich kann dich nicht aussperren, Sheena. Also bitte hör auf damit.“

Konnte er nicht? Das war ihr neu.

„Du hast mich nie gefragt!“, sagte er, noch immer sehr wütend.

Sheena wollte trotzdem nicht nachgeben: „Das ist sehr schade, für uns beide. Aber ich werde trotzdem denken, was ich will. Und wenn ich an bestimmte Dinge aus der Vergangenheit denken will, dann tu ich das auch.“

Das war wirklich kindisch, aber Sem war so schön sauer und das war wie Balsam auf Sheenas Seele. Wieder kamen Gefühle aus der Wüstennacht auf.

Sem knirschte mit den Zähnen und schloss erneut die Augen. Sein Griff an ihren Schultern wurde zunehmend schmerzhafter.

„Du weißt nicht…. was du anrichtest.“, brachte er stammelnd hervor.

„Ich hoffe es tut weh.“

Sie stellte sich vor, wie ihm die Ohren sausten oder er Magenschmerzen bekam. Vielleicht einen Tinitus? Das hatte er verdient.

Er öffnete seine Augen und Blau traf auf Grün.

„Ich spüre dasselbe wie du, nur ist es wie ein Echo, das tausendmal zurückgeworfen wird.“, flüsterte er.

Fasziniert beobachtete sie sein Gesicht, das sehr exotisch wirkte, während er sich unter dem Echo ihrer Gefühle wand.

„Schau mich nicht so an.“

„Du hältst mich fest. Ich kann nirgendwo sonst hin gucken.“

"Ich ertrag es nicht länger." Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.

Plötzlich kam sein Gesicht schnell näher und seine Lippen pressten sich fast schon brutal auf ihre. Sheena hatte erwartet, dass sie kalt wie Marmor waren, doch stattdessen waren sie weicher und…warm.

Eine Hand fuhr von ihrer Schulter an ihr Gesicht und umfasste ihren Hinterkopf. Sheena konnte ein schmerzhaftes Stöhnen nicht unterdrücken, als das Blut in ihrem rechten Arm wieder zu zirkulieren begann.

Sie wollte sich gegen Sem wehren, aber sie fühlte sich paralysiert wie ein verängstigtes Tier. Wobei sie nicht wusste, ob dies ihre oder seine Gefühle waren.

Sein Kuss spiegelte seine Wut wieder und Hitze sprang wie ein Funken von seinen Lippen auf ihre über und wärmte ihr Gesicht. Seine Zunge stieß vor wie eine giftige Schlange und verursachte, dass ihr ganzer Körper taub wurde. Alles bis auf ihr Mund, der zu glühen schien und elektrische Pulse durch ihre tauben Glieder sandte. Sheena wusste, dass Sem das auch spürte und sie merkte, dass ihm die Situation zunehmend entglitt. Sternenstaub tanzte vor ihren geschlossenen Lieder.

Er war es, der sich hektisch keuchend von ihr löste und von einem auf den anderen Moment mehrere Meter von ihr entfernt an der gegenüberliegenden Mauer lehnte. Er stützte sich mit einer Hand am Felsen ab und sah aus, als wäre er einen Marathon gelaufen. Sheena wusste, dass sie kein anderes Bild abgab.

Sie presste die feuchten Handflächen gegen den kalten Stein und starrte ihn entsetzt an.

Was war da eben geschehen? Es hatte sich angefühlt, als wäre sie besessen gewesen. Sie hatte keinen Groll oder Hass verspürt, sondern war einfach gefangen gewesen von dieser Situation, diesem Gefühl.

Als ihr Kopf diese Bilder wie automatisch reflektierte, stöhnte Sem schmerzerfüllt auf.

„Bitte hör auf damit!“, er lehnte seine Stirn gegen der kalten Felsen.

„Was passiert mit dir?“, stieß sie erschrocken hervor. Sem wich ihrem Blick aus.

„Jeder deiner Gedanken hat eine andere Wirkung auf mich. Weckt andere Gefühle.“ Er fuhr sich mit einer Hand über das Gesicht.

„Ich werde dir nie wieder zu nahe kommen!“

Sem stieß sich von der Wand ab, breitete die Flügel aus und flog in einer unglaublichen Geschwindigkeit durch die Halle und das Tor. Verdattert sahen ihm einige schwangere Frauen hinterher.

„Man fliegt nicht im Haus.“, brachte Sheena vollkommen perplex hervor.

Was, in Gottes Namen, ging hier vor?



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