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Angel of Ashes

Wenn Engel die Welt beherrschen
von

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Der dunkle Engel

„Du wirst es mir nicht erklären oder?“

Sheena stand mit Ignatius auf der Mauer der Felsenburg und überblickte die karge Wüstenlandschaft, welche sich bis zum Ende der Welt zu erstrecken schien. Nach dem Vorfall gestern Abend, war der Rotschopf nur so lange geblieben, bis er sicher war, dass Sheena nichts fehlte. Dann war er wie Japhet eilig aus dem Zimmer gestürmt, vermutlich um Sem abzufangen. Sheena hatte lange wach gelegen um das Gespräch zu verstehen, welches sie mit bekommen hatte.

Sem war ein eiskalter Bastard und der Vater ihres Kindes. Er war dazu auserwählt, mit ihr eine neue Dynastie zu gründen, nach Gottes Plan. Und sie wollte, dass er dafür elendig verreckte.

Auch wenn sie keinen anderen Mann akzeptiert hätte, so war der Eisengel so etwas wie der Witz der Natur. Sie waren wie Gegenpole, die gezwungen wurden, miteinander zu arbeiten. Unfassbar ironisch!

Aber Sem hatte gestern Abend den Eindruck gemacht, als wäre er selbst gegen diese Verbindung. Sheena war erst wenige Tage hier gefangen, doch sie hatte gesehen, dass alle Engel absolut für dieses Vorhaben waren. Sie kümmerten sich um die Frauen und die Kinder und trugen stets einen zuvorkommenden und freundlichen Ausdruck zur Schau. Nur eben dieser eine nicht. Sem war der erste Engel, der sich zu sträuben schien.

Ignatius wandte seinen Blick vom Horizont ab und musterte Sheena lange. Er schien abzuwägen, wie lange er ihren Fragen standhalten konnte. Sie würde nicht klein bei geben, dass ahnte er wahrscheinlich bereits.

„Was genau von all den Dingen, die gestern passiert sind, willst du von mir erklärt haben?“

Er schindete nur Zeit. Sheena lehnte sich gegen die Hüfthohe Mauer und ließ den Engel nicht aus den Augen. Keine noch so kleinste Gefühlsregung würde ihr entgehen.

„Sem ist nicht wie ihr. Er ist nicht einverstanden mit eurer Mission.“

Dies waren keine Fragen gewesen und als Ignatius nicht widersprach, fuhr Sheena fort: „Wenn er jedoch gegen dieses Projekt ist, wieso ist er dann nicht bei den Gefallenen und hilft ihnen, die Menschheit endgültig zu vernichten.“

Der Rotschopf suchte mit seinem Blick noch einmal den Horizont ab, da er zurzeit Wache stand, dann wandte er sich ihr seufzend ganz zu.

„Sem will die Menschheit nicht vernichten. Ganz im Gegenteil. Er war Gott immer treu und hatte stets Verständnis für dessen Schwäche für seine liebste Schöpfung.“

Er fuhr sich scheinbar müde durch seine dichten Haare.

„Doch er hat ein Problem mit der Art unserer Machenschaften.“

Da waren sie ja schon einmal zu zweit, dachte Sheena. Obwohl sie sich Sem nicht als glühenden Verfechter der Menschheit vorstellen konnte und wollte. Sie fand es angenehmer, ihn als das personifizierte Böse zu betrachten.

„Und trotzdem ist er ein Teil davon!“, entfuhr es ihr wütend.

Sheena sah Ignatius an, dass ihm nicht wohl bei diesem Gespräch war, denn er wich ihrem Blick immer wieder aus.

„Sem hat seine Gründe für sein Verhalten. Für dich sollte nur wichtig sein, dass er Gott nie enttäuschen würde. Wenn du mehr über seine eigentlichen Motive wissen willst, wirst du ihn fragen müssen.“

Sie stieß ein verächtliches Geräusch aus.

„Weder will ich mit ihm sprechen, noch will ich ihn in meiner Nähe haben. Er hat genug angestellt.“

Dabei sah sie an ihrem sich wölbenden Leib hinab.

Als Ignatius liebevoll eine Hand auf ebendiesem legte, wäre Sheena beinahe zurück gezuckt. Sein zärtlicher Blick und die federleichten Berührungen bewiesen einmal wieder, wie anders er war und wie gerne sie ihn hatte.

„Es ist ein kleines Wunder, Sheena. Bitte vergiss das nicht. Es ist immer noch ein Teil von dir und es will geliebt werden.“

Er hob sein hübsches Gesicht und lächelte sie herzlich an.

„So wie jeder von uns.“

Es war, als hätte sie die Sprache vollends verloren. Vollkommen entgeistert starrte Sheena in die grünen Augen dieses Engels, ihrem Feind, und sie sah so viel Liebe, Glück und… Menschlichkeit, dass sie sich all ihrer Grolls entwaffnet fühlte.

„Ihr seid ein seltsames Volk.“, flüsterte sie und bei ihrem Gesichtsausdruck musste Ignatius herzhaft lachen.

„Und du ein störrisches Weibsbild, mit einem großen Herzen.“

Immer noch lachend wich Ignatius einem empörten Schlag aus.
 

Wenige Meter entfernt stand Sem unter einem Türsturz, welcher auf die Brustwehr führte und beobachtete seinen Bruder, der amüsiert mehreren Hieben seiner Auserwählten auswich.

Er hatte nicht gehört, worüber sie gesprochen hatten und das Chaos an Gefühlen in dem Kopf der jungen Frau half Sem wenig weiter. Doch dort war auch ein neues Gefühl. Es prickelte wie Wassertropfen und schmeckte süßlich auf Sems Lippen und er glaubte, dass es mit dem Lachen gekommen war, welches Sheena in genau diesem Moment mit Ignatius teilte.

Der Engel fuhr sich mit einer Hand über das Gesicht und wünschte sich einmal mehr, dass diese Gedanken wieder verschwanden. Es war wie ein permanenter Reiz, Tag und Nacht, der ihn nicht los ließ. Überall und ständig war sie um ihn herum, selbst wenn sie sich nicht im selben Raum aufhielten.

Als er Sheena und ihre Gruppe aufgespürt hatte, war es ihm vorgekommen, als eile ihm sein Innerstes voraus, nur um sie zu finden. Und als er sie gefunden und ihre tief verwurzelte Abneigung gespürt hatte, war es ihm wie ein persönlicher Affront erschienen, auch wenn sie nicht wusste wer er war. Sie dann in Trance zu versetzen, um mit ihr etwas zu tun, was ihm als Engel bisher verwehrt und stets heilig gewesen war, brachte das Fass zum Überlaufen.

Sheenas gestriger Wutausbruch war zwar vorhersehbar gewesen, machte ihm das ganze jedoch auch nicht leichter.

Sem hatte nur ein einziges Mal an Gott gezweifelt und das war der Tag der Apokalypse gewesen. Die Menschheit kollektiv für das Verbrechen anderer zu strafen, war ihm nicht richtig vorgekommen und der Rückzug der Engelsscharen hatte ihn so unendlich erleichtert.

Doch jetzt stand er hier und wurde von dem Echo einer Frau, eines Menschen überwältigt und fühlte sich komplett überfordert.

Was war nur aus der natürlichen Ordnung geworden? Hätten die Gefallenen sich nicht auf die Überlebenden der Menschheit gestürzt, wären sie alle in die unendliche Weite des Himmels zurückgekehrt. Die Menschen hätten in einigen tausend Jahren vergessen, dass es die Engel wirklich gab, so wie 2000 Jahre nach Jesus Tod niemand mehr wirklich an den Sohn Gottes geglaubt hatte.

Jetzt aber waren sie ein Teil der Geschichte und er, Sem, gefangen von einer besonders störrischen und gleichzeitig verführerischen Vertreterin ebendieser Menschheit.

Er ballte seine Hand zur Faust und wandte sich ab. Er musste alles dafür tun, die Kontrolle zu behalten. Und er durfte nicht mehr an jene Nacht denken, die sie beide endgültig verbunden hatte.

Auf seinem Weg in die große Halle begegnete er einigen schwangeren Frauen, die vermutlich den neuen Säugling willkommen heißen wollten. Als sie ihn bemerkten, senkten sie sofort den Blick.

„Erschreckst du wieder unsere Auserwählten?“

Castro kam aus demselben Zimmer, in dem die Frauen eben verschwanden. Er strahlte einen Stolz aus, den er schon öfter bei seinen Brüdern bemerkt hatte, wenn sie ihren Teil zu Gottes Plan beigetragen hatten.

Statt auf die Frage zu antworten, setzte Sem seinen Weg wortlos fort. Er hatte nun einmal diese Wirkung auf Menschen und es störte ihn auch nicht weiter, dass die meisten ihn mieden. Ganz im Gegenteil.

„Du bist ja bester Laune, Bruder.“

Castro schlug ihm freundschaftlich auf den linken Flügel, was Sem ein Knurren entlockte. Aus den Augenwinkeln musterte er den blondgelockten Engel, der seiner Meinung nach viel zu gut gelaunt war und wie Cupido persönlich aussah.

„Du ebenfalls, Castro. Was ist es diesmal? Junge oder Mädchen?“

Der blonde Engel verzog säuerlich das Gesicht und Sem tat es ein wenig Leid, dass er Castro auf die Art die Freude nahm. Er blieb mitten auf der Treppe stehen und blickte zu dem anderen Engel hinauf.

„Bitte verzeih mir, Bruder. Ich hoffe wirklich, dass es Kind und Frau gut geht.“

Castro schloss die wenigen Stufen zu ihm auf und legte ihm eine Hand auf die Schulter.

„Danke, es ist alles bestens verlaufen. Bitte sag mir, was dir so die Stimmung trübt.“

Sie setzten jetzt gemeinsam den Weg fort und somit konnte Sem ein Gespräch mit seinem geflügelten Freund nicht vermeiden.

„Ein Kopf voll weiblicher, komplizierter Gedanken!“

„Ohje, stimmt ja. Du kannst sie hören, nicht wahr?“, fragte Castro voller Mitleid. „Gott sei es gedankt, dass nicht alle mit einer solchen Gabe beglückt wurden. Es ist sicher nicht immer einfach.“

Sie hatten ja keine Ahnung. Manchmal fragte Sem sich, ob Gott ihm jemals mitteilen würde, was er sich wirklich dabei gedacht hatte.

„Gottes Wege sind oft unergründlich. Wäre sie nicht immer so furchtbar wütend, wäre es für uns alle leichter.“, knurrte Sem und nickte einem Japhet zu, der soeben mit seiner Auserwählten auf dem Weg in die oberen Stockwerke war.

Sie hatten nun die Halle erreicht und da Sem keinen großen Wert auf weitere Gespräche legte, durchschritt er diese um in den Hof zu gelangen. Ihm stand der Sinn nach der Freiheit des Himmels. Er harrte nicht gerne auf der Erde aus.

„Sie wird sich bestimmt irgendwann besinnen, Sem. Das tun sie doch alle.“, sagte Castro noch, bevor er Sem alleine ziehen ließ.

Der dunkle Engel wusste, dass seine Brüder es nur gut mit ihm meinten, doch sie waren in diesem Fall blind.

Sheena war nicht so wie die anderen, genauso wie Sem es nicht war. Und deshalb war es für beide umso schwerer.



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