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Silent Ship

-without any words-
von

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Prolog

ゼロ:
 

Natürlich musste ich mir von jedem Sprüche anhören. Auch von ihm. Jeder musste seine Meinung darüber kund tun, wie er es fand, dass ich nicht redete. Die wenigsten fragten sich, warum das so war. Niemand wusste den Grund, wegen dem ich schwieg. Ich erzählte es keinem. Ich schrieb es nicht auf. Unter Umständen würd ich es IHM erzählen. Wenn ich denn reden würde. Aber das tat ich nicht. Auch in seiner Nähe schwieg ich. Bisher war ich immer der Meinung gewesen, dass Reden unnötig ist. Man kann sich auch mit Blicken verstehen. Karyu zum Beispiel versteht mich immer, ohne dass ich etwas sagen muss. Er ist nicht umsonst mein bester Freund. Aber auch ihn halte ich auf gewissem Abstand. Es gibt jedoch jemanden, für den ich bereit bin mehr zu geben. Wie das 'mehr' zu definieren ist, vermag ich noch nicht zu sagen.

Doch ich fürchte, dass bald nicht mehr alles mit Schweigen zu lösen ist.
 

Was dann...?
 

砂月:
 

Man geht einfach spazieren, so wie man es oft tut. Man denkt sich nichts dabei.

Dann passiert etwas. Etwas, was einen kurz beschäftigt. Vielleicht misst man dem Ereignis viel Bedeutung bei, möglicherweise vergisst man es bald wieder, sobald Gras drüber gewachsen ist.

Ich war bereit es zu vergessen. Alles ging schnell. Durch Zufall lief er mir über den Weg.
 

Es war dunkel, aber warm in der Stadt, während ich meinen Spaziergang machte. Ich war bereits auf dem Rückweg nach Hause. Die Straße war spärlich beleuchtet. In den letzten Monaten wurde an Energie eingespart was ging. Aber ich kannte den Weg ja, mir machte das Halbdunkel nicht viel aus. Ich sah gedankenverloren zum Himmel hinauf; natürlich waren keine Sterne zu sehen, dennoch war der Himmel seltsam erhellt, von den Lichtern der Großstadt.

Genau in diesem Moment passierte ich eine Ecke, um die jemand hastig gerannt kam - und gegen mich stieß. Während ich lediglich einen Schritt zurück prallte, verlor der Andere das Gleichgewicht und fiel unsanft zu Boden.

Ich war weniger verärgert, als viel mehr verwundert - wer lief um diese Zeit noch durch die Gegend, vor allem so eilig? Es war doch nichts mehr los.

Ich musterte die andere Person, die sich als ein junger Mann heraus stellte, vielleicht in meinem Alter um die Mitte 20. Er hatte schulterlanges, dunkelbraunes Haar, dessen Strähnen ihm wirr ins Gesicht hingen. Er war außer Atem und stand wieder auf, bevor er mir einen entschuldigenden Blick aus dunklen Augen zuwarf.

"Alles in Ordnung?", fragte ich ihn höflich, worauf er nur nickte und sich dann verstohlen umdrehte. Etwas schien ihn zu beunruhigen. Und schon schob er sich an mir vorbei, jedoch nicht ohne sich kurz zu verbeugen. In diesem Moment hörte ich Stimmen, die sich näherten. "Kann ich dir irgendwie helfen?", verließ es so unvermittelt meinen Mund, dass ich selbst ganz überrascht war.

Der Andere schüttelte nur stumm den Kopf und wandte sich ab, während ich leicht missmutig das Gesicht verzog. Bevor er verschwinden konnte, hörte ich in unmittelbarer Nähe jemanden einen Namen rufen, woraufhin der Dunkelhaarige zusammen zuckte und zurück wich. Da verstand ich.

"Du hast Ärger, nicht wahr?", fragte ich ihn. "Sicher, dass ich dir nicht helfen soll?"

Zuerst sah er mich ertappt, dann überrascht an. Wahrscheinlich nahm er mir nicht ganz ab, dass ich ihm wirklich helfen konnte. Zugegeben, ich sah nicht gerade wie der kräftigste aus, aber das machte nichts. Wieder schüttelte der Andere stumm mit dem Kopf, doch ich zuckte leicht mit den Schultern. "Überlass das mir."
 

Was für eine verrückte Entscheidung. Da stand ich nun, mir gegenüber drei Männer, die auf Ärger aus waren. Und der Dunkelhaarige, der war verschwunden. Panisch davon gerannt, als er merkte, dass ich einfach verlieren MUSSTE.

War ich verärgert? Wenn ich sauer war, so mehr auf mich als auf den Anderen, schließlich hatte ich mir die Suppe selbst eingebrockt.

Ich schluckte und ballte die Hände zu Fäusten. Vielleicht würden sie es kurz machen. Lange würde ich mich jedenfalls nicht behaupten können. Aber eins stand fest: einfach machen würde ich es ihnen nicht!
 

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tbc

Gerüchte

砂月:
 

Als ich am nächsten Tag in einem meiner Stammcafés saß, begegnete ich wie so oft in der letzten Zeit Karyu.

Vor wenigen Wochen war er in meine Gegend gezogen und wir waren uns öfter in diesem Café begegnet, hatten schnell einen gewissen Draht zueinander gefunden. Viel wusste ich noch nicht über ihn. Wir trafen uns immer nur zufällig hier, vielleicht 2 Mal die Woche, wenn es da überhaupt einen Rhythmus gab.

Seine langen Finger legten sich auf meine Schultern und massierten mich leicht. Ab und an schlich er sich auf diese Art von hinten an, aber ich wusste dann ja gleich, dass er es war.

"Guten Morgen", begrüßte ich ihn leicht lächelnd, woraufhin er von mir abließ und sich auf den Stuhl mir gegenüber fallen ließ.

"Hallo Sonnenschein", erwiderte er freundlich und sah auf, da die Bedienung schon angewuselt kam, bei der er sich einen Milchkaffee bestellte. "Was gibt's Neues bei dir?" Das letzte Mal hatten wir uns vor 5 Tagen gesehen.

Ich zuckte leicht mit den Schultern. "Nicht viel", erwiderte ich vage und trank von meinem Tee.

"Probleme mit der Stimme?"

Ich schüttelte mit dem Kopf. "Noch nicht. Dient der Vorbeugung, außerdem gehts endlich wieder ins Studio für das Album."

"Ah, hast du das Gitarre Spielen doch aufgegeben?"

Ich verzog leicht das Gesicht und schüttelte wieder den Kopf. "Nicht aufgegeben, so kann man das nicht sagen. Ich komme einfach nicht weiter. Ich kann mir das Ganze nur bis zu einem bestimmten Grad selbst beibringen. Früher hatte ich meinen besten Freund, Takumi, der mir geholfen hat. Er war der Lead-Gitarrist unserer Band", fügte ich zur Erklärung hinzu. "Aber mittlerweile wohnt er ja auch woanders und hat zu tun, ebenso wie ich. Es ist eben nicht mehr wie früher", sagte ich mit einem leicht bitteren Lächeln, woraufhin Karyu nachdenklich den Kopf schief legte.

"Ich verstehe..." Er machte eine kurze Pause und nahm seinen Milchkaffee entgegen. "Wir kennen uns vielleicht nicht so gut, aber..na ja du weißt ja, dass ich auch Gitarre spiele, oder? Vielleicht kann ich dir beizeiten mal helfen", bot er leicht verlegen lächelnd an, weswegen ich große Augen machte.

"Nun...danke für das Angebot", antwortete ich und erwiderte das Lächeln leicht. "Ich würde gerne einmal darauf zurück kommen."

Er nickte freundlich. "Wird sicher toll~"

Während wir an unseren Getränken nippten, erzählte er mir ein wenig von seiner Nachbarschaft, welche wohl eher aus älteren Menschen bestand, die ihn kritisch beäugten. Etwas, was er nicht verstand, denn natürlich verhielt er sich anständig.

"Sag mal, was hast du neulich eigentlich getrieben?", fragte er mich unvermittelt und deutete mit der Hand auf sein eigenes Gesicht.

Ich lehnte mich seufzend zurück und widerstand dem Drang, mit den Fingern über meine lädierte Unterlippe zu streichen. "Ich war gestern Abend noch spazieren und so ein Typ ist aus Versehen in mich reingerannt. Er hatte es ziemlich eilig und als er verschwunden war, kamen drei Kerle an und wollten mich über ihn ausquetschen. Sie haben ihn gesucht. Er hatte eindeutig Ärger am Hals." Wieder seufzte ich und zuckte mit den Schultern. "Ich hatte meine Samariter Phase und verriet ihnen nicht die Richtung, in die dieser Typ gelaufen war. Also..bekam ich dann den Ärger."

Karyu sah mich aus großen Augen beeindruckt an und pfiff anerkennend. "Du scheinst dich im wahrsten Sinne des Wortes aber gut geschlagen zu haben", meinte er und lächelte schief.

Ich zuckte unschlüssig mit den Schultern. "Sie sind eigentlich mit diesem Anderen beschäftigt gewesen, deswegen hab ich nicht so viel abbekommen", wiegelte ich ab und sah aus dem Fenster, da Wolken aufzogen. Wenn es etwas gab, was ich nicht leiden konnte, dann war das Regen. Er zerstörte meine Frisur komplett.

Leicht zog ich meine Augenbrauen zusammen und kramte nach meinem Portemonnaie. "Ich fürchte, ich werde dich schon wieder verlassen müssen", informierte ich ihn, woraufhin er leise brummte und ebenfalls in seiner Tasche herum kramte.

"Erinnerungsfoto?"

Ich nickte und lächelte ihn an, bevor ich meine Hand in die Mitte des Tisches hielt, neben unsere Tassen. Karyus lange Finger gesellten sich hinzu und mit der freien Hand machte er das Foto.

Mit einem Nicken verstaute er die Kamera, während ich aufstand und mich von ihm verabschiedete, bevor ich bezahlen ging und das Café verließ. Auch heute hatte ich wieder viel vor.
 

In der folgenden Woche traf ich Karyu noch einmal. Er erzählte mir in unserem Stammcafé von einem Musik-Event, zu welchem er mich gerne schleppen würde.

"Keiner von meinen Leuten mag mit mir dahin, aber jemand sollte da von uns schon auftauchen...alleine möchte ich da aber auch nicht hin...", sagte er und sah mich aus Rehaugen an. Ich erwiderte den Blick eher skeptisch. "Ich hab keine Einladung", sagte ich schließlich, "glaubst du nicht, dass das etwas komisch aussieht, wenn ich da einfach so auftauche?"

Ein leichtes, fast triumphal anmutendes Lächeln legte sich auf Karyus Lippen. Wahrscheinlich war ihm schon bewusst, dass er mich so weit hatte. "Das ist kein Problem, Satsuki. Wir können mitbringen, wen wir wollen~", flötete er. "Nur auftreten darfst du nicht. Die haben auf dem Event schon genug Bands, tut mir leid. Außerdem bist du nicht so klein wie sie; das sind da ja richtige Anfänger." Leise seufzte er. "Ich bin gespannt, was das wird. Aber angeblich sollen wir da nur rumstehen, zugucken und -hören, ein bisschen bewerten und Tipps geben. Mehr nicht."

"Mehr nicht", wiederholte ich mit hochgezogenen Augenbrauen und zuckte leicht mit den Schultern. "Ich weiß nicht... Ich hab viel Arbeit", murmelte ich, aber davon ließ Karyu sich nicht beeindrucken.

"Nun komm, wir haben alle viel zu tun. Es wird sicher mal eine Abwechslung sein. Und man lernt neue Leute kennen. Und wir beide können uns mal etwas länger unterhalten", versuchte er mir die Sache mit einem Lächeln schmackhaft zu machen.

Seufzend schloss ich kurz die Augen und nickte ergeben. So ganz wusste ich nicht, warum ich das machte. Karyu jedenfalls freute sich wie ein Honigkuchenpferd.
 

Am besagten Abend jedoch erhielt ich eine Nachricht von ihm, dass sich sein Bassist spontan dazu entschieden hatte, nun doch mitzukommen, was mich allerdings bitte nicht davon abhalten sollte, auch zu kommen. Karyu zuliebe blieb ich bei der Entscheidung, das Event zu besuchen. Und nur weil sein Bassist mit dabei war, hieß es ja nicht, dass ich mich nicht mit Karyu unterhalten konnte. Vermutlich würde ich ihn sogar dank des Bassisten noch besser kennen lernen.

Meine Bahn hatte etwas Verspätung, es passierte äußerst selten, aber kam vor. An der Halle angekommen traf ich draußen auf nur wenig Leute, Karyu war einer von ihnen. Er winkte mir und deutete auf den Eingang. "Zero ist schon drinnen, ich bin nach deiner Nachricht noch mal raus gekommen.", erklärte er mir lächelnd und ging langsam los. "Es hat noch nicht angefangen."

Ich nickte beruhigt und folgte ihm hinein. "Tut mir wirklich leid", sagte ich, doch er winkte schon gelassen ab.

"Ich bin froh dass du gekommen bist, auch wenn ich hier nicht mehr alleine bin." Er sah mich etwas verlegen an. "Ich hatte mich schon darauf gefreut dich wieder zu sehen, diesmal mit etwas mehr Zeit."

Ein leichtes Lächeln legte sich auf meine Lippen, während ich sachte nickte. Ich erwiderte nichts darauf und nahm es lediglich hin. Es war nett von ihm, das zu sagen.

Wir durchquerten die Lobby, in welcher noch einige Leute standen, ich kannte nur wenige flüchtig. Karyu öffnete eine Doppeltür und seufzte leise. "Aah~ ich weiß gar nicht, wo Zero abgeblieben ist..." Wir betraten den Saal, verschwanden in der Menge um Karyus Bassisten zu suchen. Wieder fiel mir auf, wie groß er eigentlich war. Und in diesem Moment war es praktisch, da ich ihn in der Menge so nicht verlieren konnte. Karyu hatte mir bisher noch nicht gesagt, was er von seiner Grösse hielt, jedoch konnte ich mir vorstellen, dass er nicht ganz zufrieden war. Ich hingegen war es mit meiner auch nicht, bloß fand ich mich eben zu klein statt zu groß. Aber vielleicht war er ja auch froh über seine Grösse.

Unvermittelt wurde Karyu schneller, wahrscheinlich hatte er den Bassisten gefunden, ich hingegen hatte nun Probleme ihm zu folgen und versuchte mich höflich durch die Reihen zu quetschen um ihn einzuholen. Ich sah noch aus dem Augenwinkel, wie er plötzlich stehen blieb und sich umzudrehen schien, als auch schon jemand in mich hinein rannte. Ich erwiderte den geschockten Blick des Anderen überrascht und zog leicht die Augenbrauen zusammen, denn er kam mir verdammt bekannt vor. Der Dunkelhaarige senkte entschuldigend den Kopf, warf mir nochmal einen panischen Blick zu und lief weiter, verschwand in der Menge.

Mit großen Augen gesellte sich Karyu nun zu mir, hatte sich durch die anderen Gäste gequetscht. "Hast du das gesehen?", fragte ich und sah zu ihm auf, während er nickte. "Glaub es oder nicht, das war der Typ von neulich, der Ärger am Hals hatte!", informierte ich ihn und schüttelte den Kopf. "Und wieder hat er kein Wort rausbekommen." Bockig verschränkte ich die Arme. "Immer nur entschuldigend nicken und gucken reicht nicht, vor allem wenn es öfter passiert, dass er in mich rein rennt."

Karyu betrachtete mich kurz mit einem komischen Blick, dann stemmte er seufzend die Hände in die Hüfte. "Du hast dann wohl meinen Bassisten kennen gelernt", verkündete er trocken und verzog keine Miene, als ich ihn mehr als überrascht ansah. Nachdenklich kratzte er sich am Kopf. "Keine Ahnung, wo er jetzt ist. Aber so wie er geschaut hat...will er erstmal nicht gefunden werden, sondern seine Ruhe haben", meinte er und lächelte mich an. "Na komm, da hinten können wir uns hinsetzen; es müsste bald los gehen."

So wirklich konzentrieren konnte ich mich auf die Show jetzt nicht, denn nun war ich von der Information über den Bassisten zu überrascht und wollte Karyu eigentlich ein bisschen dazu befragen, was sich allerdings dank der Live-Auftritte schwierig gestalten würde. Aber es würde ja Pausen geben, in denen ich meine Fragen los werden konnte. Und vielleicht würde sich der Bassist selbst ja noch mal in meine Nähe trauen.

Noch während der Begrüßung beugte ich mich zu Karyu rüber und sah ihn fragend an. "Also...der Dunkelhaarige mit der Wuschelmähne ist dein Bassist, ja?" Ich erhielt nur ein Nicken als Antwort. "Warum ist er denn jetzt weg gerannt? Glaubt er, dass ich beisse?", wollte ich etwas verständnislos wissen, woraufhin Karyu schief lächelte und den Kopf schüttelte.

"Ich denke mal, dass er dich nur nicht noch mehr verärgern will. Die ganze Sache tut ihm leid", meinte er, doch ich sah ihn wenig überzeugt an.

"Das willst du woher wissen?"

"Ich sehe es ihm an", erwiderte er schlicht, weswegen ich leise seufzte.

"Er könnte aber auch mal kurz mit mir darüber reden und mir direkt ins Gesicht sagen, dass es ihm leid tut, denn ICH sehe ihm leider nicht an, was er denkt", meinte ich und verschränkte die Arme, während Karyu leicht lächelte.

"Entschuldige die Frage, aber...Bist du an Zero interessiert?"

Ich schien ihn sehr verwirrt anzuschauen, denn er hob beschwichtigend die Hände und lächelte mich vorsichtig an. "Ich will dir nicht zu nahe treten mit dieser Frage. Es ist nur...du scheinst es ja unbedingt auf ein Gespräch anzulegen, deswegen hake ich nach.", versuchte er sich zu erklären und kratzte sich am Kopf. "Und um ehrlich zu sein...wärst du nicht der Erste, der....vielleicht irgendwas..von Zero will.." Karyu hüstelte verlegen und verstummte ganz, während ich leicht die Stirn runzelte und versuchte zu verstehen was er mir da jetzt eigentlich sagen wollte.

Mein Gesichtsausdruck schien das auch nach außen hin zu tragen. Karyu sank in sich zusammen und klatschte gleichzeitig, da unvermittelt Applaus aufbrandete. Der Grund entging mir, denn zu gespannt war ich auf Karyus weitere Erklärung. "Man, also versteh das jetzt nicht falsch, okay? Es gucken sich viele nach meinem kleinen Bassisten um..nicht nur Frauen, ja? Ich will nur wissen, ob du auch..an ihm interessiert bist."

Ich glaubte zu verstehen und legte den Kopf schief. "Das einzige was mich an ihm interessiert, ist das Schmerzensgeld, das er mir zahlen darf, wenn er noch ein paar Mal in mich reinläuft", antwortete ich trocken und betrachtete den Gitarristen, der sich etwas zu entspannen schien.

"Er ist manchmal etwas tollpatschig. Er macht das ja nicht mit Absicht.", nahm er seinen Bassisten in Schutz, woraufhin ich leicht lächelte.

"Ich verstehe, ...denke ich", meinte ich und sah Karyu interessiert an. "Gestatte mir die Frage: wie sieht es denn bei dir aus? Wolltest du das von mir wissen, weil du selbst Gefallen an ihm gefunden hast?"

Karyu errötete nur leicht und schüttelte den Kopf. "Nein nein, ich bin mit Zero nun ein paar Jährchen befreundet. Wir verstehen uns sehr gut, nicht mehr und nicht weniger.", antwortete er, woraufhin ich verständnisvoll nickte.

"Okay, dann haben wir das ja geklärt."

Verlegen senkte Karyu den Blick und seufzte. "Tut mir leid, irgendwie ist es nicht gerade das richtige Thema für so ein Treffen", meinte er und senkte die Stimme, da die Lichter nun ausgingen. Ich konnte nichts erwidern, da das Event nun anfing, und ich wollte nicht unhöflich sein und einfach weiter reden, während sich da vorne Bands abmühten, die wir wohlbemerkt ja bewerten sollten.
 

In der ersten Pause verließen wir den Saal in Richtung Lobby, um uns ein ruhigeres Plätzchen sowie etwas zu trinken zu suchen.

"Mach dir keine Gedanken wegen der Gesprächsthemen", meinte ich beruhigend und lächelte Karyu an, "ich seh das nicht so eng. Mich stört das nicht."

Immer noch etwas verlegen zuckte er leicht mit den Schultern und warf mir einen kurzen Blick zu. "Es freut mich, dass du das so siehst. Andere Menschen finden meine direkten Fragen oft nicht so lustig", versuchte er sich zu erklären, was mir ein Schmunzeln entlockte.

"Ich finde es ebenso nicht lustig", erwiderte ich, "aber dennoch stören weder deine Gesprächsthemen noch deine Fragen", versicherte ich ihm, woraufhin er beruhigt lächelte und das Thema auf sich beruhen ließ.

"Was Zero angeht", fing ich noch mal an, "ich brauche da also nichts erwarten?"

Ein leichtes Grinsen legte sich auf Karyus Lippen. "Du kannst höchstens damit rechnen, dass er dich noch mal umrennt", antwortete er, weswegen ich innerlich leicht die Augen verdrehte. Das hatte er mir ja schon gesagt.

Mir fiel dann aber etwas ein und ich legte den Kopf schief, während wir an der kleinen Bar-Theke stehen blieben. "Zero muss einige Probleme haben, wenn er solche Typen an den Fersen zu kleben hat. ..oder?."

Karyu kratzte sich am Kopf und sah unschlüssig zur Getränkekarte über der Theke. "Zero hat immer mal wieder Ärger, aber er kann nicht wirklich was dafür.", meinte er nur vage, weswegen ich fragend das Gesicht verzog. Da die Bedienung uns bereits ansprach, kam ich auch nicht dazu, weiter nachzufragen und ließ es erstmal sein.
 

Nachdem wir in der dritten Pause mit den ersten Bewertungsbögen fertig waren, gesellte sich ein Freund von Karyu zu uns, den ich überhaupt nicht kannte. Da ich sowieso Durst hatte, verabschiedete ich mich kurz in Richtung Bar. Als ich meine Bestellung dort aufgab, fiel mir Karyus Bassist auf, der ein paar Schritte neben mir stand und gerade seinen Cocktail bekam. Einen Bloody Mary.

Ich ließ mein Getränk stehen und ging auf Zero zu, der mich erst bemerkte, als ich schon vor ihm stand. Aus großen Augen schaute er mich an und wich schon einen Schritt zurück.

"Warte kurz! Ich beiss doch nicht!", sagte ich leicht beleidigt und hob die Hände. "Ich wollte nur kurz mit dir reden. Ich bin ein Freund von Karyu", erklärte ich, doch Zero hob bereits die freie Hand und deutete mir ein 'Nein' an, warf mir dabei einen entschuldigenden und verlegenen Blick zu. "Ich will nur wissen, ob du in Zukunft noch öfter in mich rein rennen wirst", sagte ich mit leicht gehobenen Augenbrauen, woraufhin er mich ertappt ansah und rot wurde, bevor er mit dem Kopf schüttelte und in der Menge verschwand. Verwirrt blieb ich zurück und starrte ihm hinterher. Was war das denn gewesen?

Hinter mir hörte ich jemanden lachen und schon klopfte mir ein Schwarzhaariger auf die Schulter. "Mach dir nichts draus, ich habs auch schon versucht, aber der redet einfach nicht. Die Gerüchte stimmen also."

Ich runzelte die Stirn und sah ihn verständnislos an. "Gerüchte?"

Der Typ nickte und grinste schief. "Man erzählt sich einiges über den Bassisten von D'espairsRay. Noch nie von gehört?" Stumm schüttelte ich als Antwort nur den Kopf. "Der soll wahrlich schweigen wie ein Grab. Keiner hat ihn je reden hören", fuhr er fort.

Skeptisch erwiderte ich den Blick des anderen. Das glaubte ich ihm nun nicht. Er zuckte nur mit den Schultern und deutete auf den Saal. "Ich werde lieber zurück; die Pause ist sicher gleich vorbei. Solltest du das Herzchen noch mal sehen, dann wink lieber nur, alles andere ist verschwendeter Atem."

Kurz sah ich ihm stirnrunzelnd hinterher, bevor ich zurück zur Theke ging und meinen Drink abholte. Wegen der Gerüchte sollte ich mal Karyu befragen, der wusste ja mit Sicherheit was dahinter steckte. Wenn nicht er, wer dann?
 

"Sag mal, geht's deinem Bassisten gut?", wollte ich von dem blonden Gitarristen wissen, während ich Zero hinterher sah, der bis eben noch neben Karyu gestanden hatte, jedoch in die nächsten Reihen verschwunden war, als er mich gesehen hatte. Vor Schreck hätte der Bassist beinahe seinen Cocktail fallen lassen.

Verlegen lächelnd kratzte Karyu sich am Kopf und zuckte mit den Schultern. "Ich weiß auch nicht..was hast du denn mit ihm gemacht? Normalerweise ist er nicht so...vor allem nicht so lange."

Leicht schmollend verschränkte ich die Arme. "Ich hab gar nichts gemacht. Ich hab ihn eben an der Bar gesehen und hab ihn gefragt, ob er mich noch mal umrennt demnächst... Da ist er weg gelaufen", erklärte ich etwas verstimmt.

"Hmm...vielleicht hast du böse dabei geschaut?"

Ich hob die Augenbrauen. Wir wussten doch beide, dass, wenn es etwas gab was ich nicht konnte, es böse gucken war.

Schief lächelnd hob Karyu die Hände und zuckte mit den Schultern, und bevor ich weiter über Zeros Verhalten philosophieren konnte, gingen die Lichter aus und die Show weiter.

Bisher war sie gut, die Musik der kleinen Bands war vielversprechend und hatte Potenzial, die Musiker waren sympathisch. Und auch wenn es den ein oder anderen gab, der nicht immer so ganz wusste, was er da tat, so war der Auftritt dennoch irgendwie gelungen. Perfektion erwartete hier sowieso noch keiner.

Gegen 23 Uhr war alles vorbei und wir gingen hinaus auf den Vorplatz. Von Karyus Bassisten war nichts zu sehen. Da ich am nächsten Tag wieder früh raus musste und erst letztens eine Erkältung gehabt hatte, verabschiedete ich mich bereits von dem Gitarristen anstatt mit ihm zu warten.

"Danke dass du gekommen bist", lächelte er mich an. "Es hat mich gefreut, dass es mit dieser Verabredung geklappt hat."

Ich nickte freundlich. "Es hat Spaß gemacht. Wir sehen uns dann sicher die nächsten Tage mal im Café, denke ich", schmunzelte ich, woraufhin er wissend nickte. "Aber natürlich~ komm gut nach Hause."

"Ihr dann auch. Und grüss deinen Bassisten von mir", meinte ich lieb, aber auch leicht amüsiert, bevor ich ihm winkte und zur nächsten U-Bahn-Station ging.
 

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tbc

Angebot

Es vergingen wieder einige Tage, ohne dass ich Karyu traf. Wir hatten zwar Mail-Adressen ausgetauscht, aber das war nur zur Sicherheit aufgrund des Events passiert. Seitdem hatten wir uns keine Nachrichten mehr geschrieben. Ich hielt es auch irgendwie für Zweckentfremdung, würde ich ihm eine Nachricht schreiben. Vielleicht dachte er so ähnlich. Wir hatten uns vorher ja auch nie geschrieben.

Ich versank wieder in meine Arbeit und verschanzte mich des Morgens in meinem Stammcafé. Alles war wie immer, und ich beschwerte mich trotz meiner Unzufriedenheit bezüglich der Arbeit nicht. Nicht dass ich sie ungern machte, allerdings konnte ich kaum Fortschritte verzeichnen. Und das seit fast 2 Jahren.
 

ゼロ:
 

Wider besseres Wissens folgte ich Karyu in dieses Café, von dem er so oft redete. Er hatte mir davon erzählt, dass er hier Satsuki kennen gelernt hatte und ihn gelegentlich hier traf, eher durch Zufall, als dass es eine Verabredung war.

Die Chance dass dieser Kerl heute im Café war, ausgerechnet das eine Mal, wo ich mit Karyu herkam, war sehr gering, dennoch fühlte ich mich unwohl.

Es war nicht allzu viel los an diesem Morgen, so dass wir ein wenig Auswahl an Plätzen hatten. Ich folgte Karyu einfach, der drauf losging und sich nach einem netten Fleck für uns umschaute. Als er unvermittelt stehen blieb und ich das überraschte ‚Oh‘ hörte, wusste ich, dass er hier war. Automatisch ließ ich etwas die Schultern hängen und sah zu Karyu auf, der sich freudig lächelnd zu mir umdrehte. "Schau mal, da hinten sitzt Satsuki!" Er zögerte und schaute mich bittend an. "Können wir uns zu ihm setzen? Ich hab ihn schon eine Weile nicht mehr gesehen", sagte er leise. "Wir müssen auch nicht lange bleiben. Er ist wirklich ein netter Mensch, mach dir keine Gedanken, hm? Ich bin ja dabei", versuchte er mir gut zuzureden. Mein Blick wanderte kurz unsicher zu dem blonden Haarschopf einige Tische entfernt, dann nickte ich nur stumm. Karyus dankbares Strahlen machte eh alles wieder wett. Ein leichtes Lächeln legte sich auf meine Lippen, während er mir dankte und schließlich voran zu Satsuki ging.
 

砂月:
 

Überrascht zuckte ich zusammen, als sich ohne jegliche Vorwarnung lange, warme Finger in meinen Nacken schoben und begannen, mich unbeirrt zu massieren.

"Karyu!?", entfuhr es mir ungläubig, während ich versuchte den Kopf nach hinten zu wenden um einen Blick auf ihn zu erhaschen, aber in diesem Moment ließ er mich los und trat einen Schritt vor, so dass er neben mir am Tisch stand und ich ihm endlich in die Augen sehen konnte. Ein strahlendes Lächeln erwiderte meinen Blick.

"Warum klangst du jetzt so überrascht?", wollte Karyu wissen, woraufhin ich verlegen mit den Schultern zuckte. "Du hast wohl nicht mit mir gerechnet? Dabei treffen wir uns doch oft hier", meinte er schief lächelnd, weswegen ich langsam nickte.

"Das stimmt...wahrscheinlich war ich einfach nur zu sehr in Gedanken..."

Er nickte und zog plötzlich Zero hinter mir vor. "Ich hab heute Zero überreden können, mit mir zu kommen." Lächelnd sah Karyu mich an, während ich aufstand und zu dessen Bassisten sah.

"Guten Morgen", begrüßte ich ihn leicht überrascht, lächelte sachte, damit er nicht gleich wieder davon rannte. Zero nickte mir zu und rang sich doch tatsächlich ein schüchternes Lächeln ab. Das war wohl schon mal ein Fortschritt.

Ich deutete auf den Tisch. "Bitte, setzt euch doch zu mir. Oder wolltet ihr gleich wieder gehen?“

„Nein nein, wir wollen durchaus noch einen Kaffee haben, oder, Zero?“, meinte Karyu sanft lächelnd, woraufhin der Bassist nickte und sich mit Karyu mir gegenüber setzte, wo zwei freie Stühle standen.

"Hast du wieder konzentriert über die Arbeit nachgedacht?", wollte er schief lächelnd wissen, woraufhin ich nickte.

"Das tue ich doch immer", erwiderte ich.

"Ja, genau das macht mir manchmal Sorgen", meinte er daraufhin, weswegen ich mich seufzend zurück lehnte.

Ich wartete kurz mit den nächsten Worten, als die Kellnerin kam, bis Karyu die Bestellung für sie beide aufgegeben hatte. "Es gibt eben immer wieder Probleme", erklärte ich und sah auf meinen Terminplaner am Rand des Tisches.

"Und darf ich dich nach deinen jetzigen fragen?"

Ich kratzte mich am Kopf und nickte schließlich. "Du weißt ja, dass ich mit Support-Musikern arbeite? Ich hab zwei Bassisten, die ich einsetzen kann...leider habe ich letztens einen Fehler begangen. Ich hab mich zu sehr darauf verlassen, jederzeit einen von ihnen einsetzen zu können, da es auch die letzten Jahre geklappt hat." Ich seufzte schwer. "Vorgestern hab ich eher kurzfristig ein Angebot für einen Auftritt bekommen, wo ich mit Ena, einem meiner Bassisten, spielen will. Es musste schnell gehen und ich hab einfach ja gesagt...Gestern rief mich Ena an und musste mir leider mitteilen dass er an dem Tag bereits gebucht ist...er hat sich tausend Mal entschuldigt, aber es ist ja mein Fehler gewesen." Ich klappte den Terminplaner hörbar zu. "Nun, und jetzt steh ich ohne Bassisten da für diesen Auftritt."
 

"Ach du Scheisse.", entfuhr es Karyu und wurde von der Bedienung schief angesehen, welche ihnen gerade die Getränke brachte. Ich nickte nur schwach. "Hast du denn keine anderen Möglichkeiten? Ich meine...es wird doch noch andere freie Bassisten geben?"

Ich sah ihn an, vielleicht nicht mit dem nettesten Blick. Es kam nur daher, dass ich selbst schon die ganze Zeit hin und her überlegte, aber zu keiner Lösung kam. Karyu meinte es zwar gut, aber er half mir auch nicht weiter. "Da gibt es mehrere Probleme. Ich kenne außer meinen beiden nur sehr sehr wenige, und die haben so kurzfristig keine Zeit. Der eine oder andere würde es vielleicht so kurzfristig auf sich nehmen, neue Songs einzuspielen, aber die lassen sich das auch ordentlich was kosten. Das Geld hab ich einfach nicht." Ich schüttelte den Kopf. "Nein, ich kann nichts machen.."

Bekümmert sah Karyu mich über den Tisch hinweg an, während sein Kollege von seinem Latte Macchiato schlürfte. "Ich verstehe...du hast also wirklich niemanden, den du bitten kannst..?" Wieder schüttelte ich den Kopf. "Gibts ja nicht..."

"Tja ich hab es mir selbst zuzuschreiben. Ich hätte mit der Zusage warten müssen...oder gleich absagen sollen.", meinte ich bitter lächelnd. "Auch wenn ich mir Absagen eigentlich nicht leisten kann."

"Was willst du denn jetzt machen? Ohne Bassist...kannst du doch nicht auftreten."

Ich nickte und erwiderte Karyus Blick. "Richtig. Und die logische Schlussfolgerung davon ist, dass ich da nachher anrufen darf und absagen muss, was sehr schlechtes Licht auf mich wirft. Wenn das die Runde macht, komm ich in Schwierigkeiten."

"Kann ich mir vorstellen.", murmelte Karyu mit traurigem Gesicht und verschränkte die Arme. "Ich kann mich ja gleich mal umhören, vielleicht fällt mir noch jemand ein!"

Schwach lächelnd sah ich ihn an. "Nein, mach dir keine Umstände. Lange kann ich nicht warten und..auch deine Freunde werden entweder schon gebucht sein oder sich was kosten lassen, oder?"

Karyu wechselte einen kurzen Blick mit Zero und nickte dann ergeben.

"Ich fürchte fast, du hast Recht." Der Gitarrist sah Zero an. "Fällt dir spontan jemand ein, der vielleicht in Frage kommt?" Der Dunkelhaarige legte den Kopf schief und starrte in die Luft. Ich bemerkte, wie seine Finger sich bewegten, es schien fast als würde er zählen. Schließlich schüttelte er mit einem entschuldigenden Blick in meine Richtung den Kopf.

Seufzend leerte ich meinen Tee. "Ist in Ordnung, es ist lieb, dass ihr euch Gedanken macht. Es soll nicht sein, und wie gesagt, ich bin selbst schuld. Ich geh nicht davon aus, dass mir ein Bassist vom Himmel fällt.", meinte ich trocken und sah auf die Uhr.

Plötzlich ergriff Zero den Arm seines Gitarristen, weswegen ich leicht verwirrt aufsah und die beiden beobachtete. Karyu selbst schien ebenfalls überrascht zu sein. "Was gibts denn?" Aus großen Augen sah Zero ihn an und deutete mit der flachen Hand auf seine eigene Brust, woraufhin Karyu den Kopf schief legte. "Wie was, du? Ich dachte, du hast Angst vor ihm." Augenblicklich begann Zero zu schmollen und schüttelte vehement den Kopf.

"Redet ihr da gerade über mich?", wollte ich mit großen Augen wissen, woraufhin Karyu mich schwach anlächelte.

"Zero meint, er könne ja einfach mal als dein Bassist einspringen."

Ich zog die Augenbrauen in die Höhe. "Aha? Ihr habt doch aber unglaublich viel zu tun." Ich sah Zero direkt an. "Du bist Vollzeitbassist und nur dieser einen Band verpflichtet. Du musst alle möglichen Aufgaben übernehmen...bitte denk das gut durch, bevor du so einen Vorschlag machst."

Die Lippen des Bassisten öffneten sich leicht, als würde er seufzen, während er den Kopf senkte und schließlich wieder zu Karyu sah, mit aufforderndem Blick. Dieser sah ihn nur skeptisch an, woraufhin Bewegung in den Dunkelhaarigen kam, der in seiner Tasche wühlte und dem Gitarristen schließlich einen Kalender hinlegte und darauf tippte.

Karyu seufzte und warf mir einen Blick zu. "Ich glaube, es kommt nur darauf an, wann dein Auftritt genau ist. Du spielst ja mit anderen Bands zusammen, richtig? Was bedeutet, dass nicht viele Songs gespielt werden pro Auftritt, oder?"

Langsam und mit skeptischem Blick nickte ich. "Ich werde da maximal 6 Lieder spielen dürfen", antwortete ich und verschränkte die Arme. "Das Live soll in 3 Wochen stattfinden."

Nachdenklich betrachteten Zero und Karyu den Kalender, warfen sich einen kurzen Blick zu und schauten zu mir. Argwöhnisch erwiderte ich den Blick und wartete auf Karyus Erklärung.

"Es wäre wirklich möglich, dass Zero für...Ena einspringt", verkündete er. "Zur Zeit haben wir mehr oder weniger Pause, frei, wie auch immer du das nennen willst. Kleinere Dinge haben wir zwar am Laufen, aber notfalls können wir Zero entbehren. Und innerhalb der nächsten 3 Wochen 5-6 Lieder zu lernen, das schafft er."

Erwartungsvoll schauten mich beide an, während Zero bestätigend nickte.

"Nun, also...das ist..sehr nett. Ich würde das Angebot gern annehmen, allerdings würde mich interessieren, warum du das auf einmal machen willst, Zero." Fragend sah ich ihn an, weswegen er sich verlegen am Kopf kratzte und Karyu einen kurzen Blick zuwarf, welcher leise seufzte. "Ich denke, als Wiedergutmachung. Dass er dir so auf die Nerven gegangen ist", antwortete er trocken.

Etwas überrascht blinzelte ich. "Moment mal, er ist mir doch nicht auf die Nerven gegangen!" Er hatte mich nur 2 Mal umgerannt...das konnte passieren.

Ein schwaches Lächeln legte sich auf Karyus Lippen. "Nun komm schon. Das ist eben seine Art, sich für sein Missgeschick zu entschuldigen. Nimm das Angebot an!" Zögernd schaute ich Zero an, der mich aufmunternd anlächelte und nickte. Ich glaube, es war das erste Mal, dass er mich ehrlich anlächelte.

"Hmmm..." Ganz wohl fühlte ich mich nicht dabei. Nicht weil ich Zero nicht kannte, sondern weil ich den Grund für seine Hilfe nicht ganz nachvollziehen konnte. Allerdings war ich wirklich in Not. "...gut, okay. Ich nehme das Angebot gerne an", meinte ich schliesslich und sah Zero eindringlich an. "Aber nur, wenn es für dich wirklich in Ordnung geht. Ich will nicht, dass du dich aus irgendeinem blöden Grund dazu gezwungen fühlst..."

Der Bassist schüttelte den Kopf und schlürfte nun von seinem Latte, während Karyu sich zurück lehnte und den Kalender in die Hand nahm. "Dann hätten wir das ja geklärt. Zeit für die wichtigsten Details."
 

Am Abend erhielt ich einen besorgten Anruf von Karyu. "Ich schätze, du wirst dir Gedanken wegen Zero machen.“

"Nun...nicht wirklich", erwiderte ich und lächelte leicht, als ich merkte, wie Karyu stutzte. "Ich hab mittlerweile ja mitbekommen, dass er nicht so gerne redet, aber ich denke, damit kann ich bis zum Live umgehen. Mehr als ihm ein paar Noten in die Hand geben und ihm was erklären muss im Notfall reichen, oder?", versuchte ich lächelnd zu erklären. "Da werden schon kaum Probleme auftreten."

"Ehm..okay, ja. Wenn du das so locker siehst, dann bin ich beruhigt.", erwiderte der Gitarrist. "Sollte etwas sein, dann sag mir Bescheid. Ich kenn ihn ja jetzt schon eine Weile und kann ihn gut lesen." Ein schiefes Lächeln legte sich auf meine Lippen, während ich ihm versicherte, dass ich das in dem Fall machen würde.

Kurz trat Schweigen ein, dann erhob Karyu nochmals die Stimme. "Zero redet wirklich nie. Es ist nicht, dass er keine Lust dazu hätte oder so was. Ich hab ihn im Grunde schon so kennen gelernt."

"Im Grunde?"

"Wir haben uns vor wenigen Jahren in einer Bar kennen gelernt, wo er mit Freunden war... Schon da hat er sehr sehr wenig gesagt."

"Aber er hat geredet?"

"Ja irgendwie schon. Er hat sehr einsilbig auf Fragen geantwortet, das war's. Zu der Zeit hatte er ein paar Probleme. Das wurde mir erst später von seinem besten Freund erzählt. Die Dinge hatten sich leider für ihn nicht zum Besseren gewendet. Wenig später hat er ganz aufgehört zu reden, das war um die Zeit herum wo ich mit ihm und den anderen die Band gründete.." Er machte eine kurze Pause. "Tja..wie Hizumi damals so nett sagte: Wenigstens hatten wir zu dem Zeitpunkt schon alles Wichtige geklärt..." Wie zynisch.

"Wie seid ihr denn damit umgegangen?" Ich konnte mir nicht vorstellen wie ich darauf reagieren würde wenn einer meiner Freunde, mit denen ich auch noch zusammen arbeitete, plötzlich aufhören würde zu reden.

"Wir haben versucht ihn zum Reden zu bringen. Wir haben es alle auf unterschiedliche Wege versucht. Ich hab versucht verständnisvoll zu sein, bat ihn mir zu vertrauen und er könne mir doch alles erzählen, ich würde mein bestes geben um ihm zu helfen. Die anderen haben ihm vorgeschlagen professionelle Hilfe aufzusuchen. Aber alles blockte er nur mit Kopfschütteln ab. Irgendwann haben sie es mit Vorwürfen versucht", gab er leise zu. "Dass sein Verhalten der Band schaden würde...ich denke, dass diese Vorwürfe keine Masche waren..."

Ich nickte langsam. "Aber wirst du den Gedanken nicht auch mal gehabt haben? Dass Zeros Problem euch behindern könnte?"

"Ich weiß nicht mehr...wir hatten viel Stress in der Zeit. Ich hab nicht wirklich an die Zukunft gedacht und an 'was wäre wenn?' Ich hab nur versucht mich, Zero..die Band von einem Tag zum anderen zu bringen, weißt du."

"Ich verstehe. Und du scheinst einen wunderbaren Job gemacht zu haben."

"Ja..", meinte er und ich konnte das sachte Lächeln in seiner Stimme hören, "ich hab den Dreh jetzt raus und auch Hizumi und Tsukasa haben sich an Zeros Art gewöhnt. Wir kommen alle wunderbar miteinander aus und haben Spaß.."

"Das ist wohl das wichtigste", meinte ich lächelnd und sah dann etwas nachdenklich drein. "Und..seitdem hast du nie wieder was versucht? Zero irgendwie zu helfen oder zum Reden zu bringen?"

"Nein, eher nicht. Es ist nicht, dass ich aufgegeben hätte, nur habe ich das Gefühl, dass wir ihn lange gequält haben. Vielleicht muss erstmal Gras über die Sache wachsen, was auch immer ihm damals genau passiert ist. Irgendwie glaube ich, dass er in den letzten Jahren versucht das Schlimme zu vergessen und wenn er das geschafft hat..wenn er darüber hinweg ist..dann fängt er bestimmt wieder an zu reden.."

Ich seufzte innerlich. Ich wollte Karyu die Hoffnung jetzt besser nicht ausreden..denn ich glaubte nicht daran, dass Zero einfach alles vergessen konnte was passiert war. Es musste schlimm gewesen sein, schließlich hatte er seine Stimme aufgegeben...wie konnte man schlimme Dinge vergessen? War das so einfach?

"Danke, dass du es mir erzählt hast", meinte ich dann sanft. "Ich werde auf ihn Acht geben und meinen andern beiden Supportern erklären, dass er nicht redet..die Details lass ich natürlich raus."

Ich hörte Karyu erleichtert seufzen. "Das ist lieb von dir. Du kannst mich anrufen wenn was sein sollte", erinnerte er mich. "Ansonsten wünsche ich dir noch eine gute Zusammenarbeit mit Zero. Er ist ein angenehmer Mensch. Wir sehen uns im Café die Tage.", verabschiedete er sich.
 

Kaum zwei Tage später erhielt ich eine Nachricht von Karyu, in der er darum bat Zero meine Email-Adresse geben zu dürfen, wogegen ich nichts hatte und einwilligte. Abends auf dem Weg nach Hause staunte ich nicht schlecht über die Nachricht, die ich bekommen hatte - von Zero. Mir war gleich klar gewesen, dass wir keine Handynummern austauschen brauchten, denn telefonieren brachte wohl kaum etwas, wenn der eine Part am anderen Ende nicht redete. Dennoch war ich überrascht als ich von Zero eine Mail auf mein Handy erhielt.

»Satsuki-san, ich würde gerne eine deiner Proben in den nächsten Tagen besuchen, daher bitte ich um genaue Angaben zu Ort und Zeit, wann es dir passt. Zero«

Kurz und schmerzlos. Ich wusste nicht, was ich erwartet hatte.

Kaum war ich zu Hause, durchforstete ich meinen Terminkalender und schrieb dem Bassisten eine Antwort. Bereits übermorgen passte es mir, denn den morgigen Tag würde ich noch brauchen um es meinen anderen Supportern beizubringen.
 

---
 

tbc~

Albträume

Etwas verwundert waren Reeno und Atsuto zwar, aber sie fragten nicht weiter nach. Genau wie ich waren sie erleichtert, dass ich jemanden als Ersatz gefunden hatte. Meinem eigentlichen Bassisten, Ena, hatte ich bereits am vorigen Abend Bescheid gegeben. Auch er hatte sich gefreut und konnte sich nun ohne weitere Sorgen der anderen Band widmen.

Angespannt sah ich der Probe, welcher Zero beiwohnen würde, entgegen. Ich hoffte sehr, dass er bei seiner Entscheidung, mir zu helfen, bleiben würde.
 

„Zero, das ist Reeno“, stellte ich meinen Support-Gitarristen mit den langen schwarzen Haaren vor, „und das ist mein Drummer Atsuto. Meine Herren, das ist Zero, unser vorläufiger Bassist.“ Die Anderen begrüßten ihn freundlich, während der Dunkelhaarige an meiner Seite sich lediglich recht tief und lange verbeugte. Seine Kompensation dafür, dass er nicht sprach?

Ich lächelte nachsichtig und sah Zero freundlich an, als dieser wieder den Kopf hob. „Wie sieht es aus, möchtest du dich erst mal dort hinsetzen und zuhören?“

Zero nickte und nahm Platz. Es war ja nicht wirklich so, als hätte er eine andere Wahl gehabt. Hier gab es keinen Bass, und seinen eigenen hatte er nicht mitgebracht. Ich hatte es auch nicht gewollt. Zuallererst sollte er sich meine Musik anhören und entscheiden, ob ihm das lag. Wenn ja, bekam er die Notenblätter und sollte sich etwas einüben, zu Hause, und am nächsten Tag konnte man dann schon mal zusammen üben. Ein bisschen was verstand ich vom Bass und auch mit den Anderen würde er sich abstimmen müssen.

„Gut, wenn ich euch bitten darf“, sagte ich an meine Supporter gewandt und nahm mir das Mikrofon. Ohne Bass zu proben war…merkwürdig, und nicht so leicht, aber wir konnten nicht komplett auf das Proben verzichten. Wenigstens ein bisschen wollten wir uns fit und vor allem bereit halten für den möglichen Auftritt, der anstand.
 

Während wir die ersten drei Lieder durchgingen, wanderte mein Blick nicht zu Zero. Ich war neugierig und gespannt, was er dachte, aber ich erlaubte mir keine Ablenkung, sondern konzentrierte mich, mehr oder weniger professionell, auf das Singen.

Langsam befestigte ich das Mikro wieder am Ständer und bedankte mich bei Reeno und Atsuto, bevor ich mich Zero zuwandte. „Was denkst du?“

Ein Lächeln huschte über seine Züge, während er aufstand und mir zunickte. Ob das so etwas wie ‚gut‘ heißen sollte? Ich hakte nach. „Es geht also für dich in Ordnung?“ Er nickte und sah sich kurz um, dann nahm er die Notenpapiere von Reeno in die Hand, welche auf einem Tisch in der Ecke lagen. Leicht runzelte ich die Stirn, während Zero die Hand auf seine Brust legte und mit den Notenblättern umher wedelte. „…willst du die Noten für den Basspart?“, fragte ich mit leicht hochgezogenen Augenbrauen, woraufhin sich ein Strahlen auf seinem Gesicht ausbreitete und er nickte. Erleichtert darüber, ihn verstanden zu haben, nickte ich und kramte in meiner Tasche nach den entsprechenden Blättern um sie Zero dann zu überreichen. Er verbeugte sich leicht und setzte sich wieder um sie durch zu gehen. Kurz sah ich ihm dabei zu, dann nahm ich einen Schluck Wasser und drehte mich wieder zu den Anderen um. „Lasst uns die restlichen 6 proben“, bat ich sie, woraufhin sie nickten. Mir entgingen ihre verstohlenen Blicke in Richtung unseres neuen Bassisten nicht. Was sie wohl dachten…?

Bei den folgenden Liedern ließ ich mich dann merkwürdigerweise doch von Zero ablenken. Auch wenn er nur ruhig dasaß, leicht mitwippte zur Musik, den Blick auf die Noten vor sich gerichtet. Immer wieder suchte mein Blick Zeros Gestalt im Spiegel. Zum Glück bemerkte er es nicht. Was sollte er sonst noch von mir denken?
 

In der Pause setzte ich mich zögernd zu ihm. „Ich dachte mir, dass du dir heute und morgen die Noten weiter anschauen und ein wenig üben möchtest, damit du übermorgen wieder zu uns herkommen kannst und wir schon mal das erste Lied anfangen können, mit dir zu spielen. Vielleicht schon ein zweites. Einverstanden?“

Zero sah mich nachdenklich an, schien zu überlegen und abzuwägen, nickte dann und hob beide Hände etwas an, deutete sich mit dem Zeigefinger aufs Handgelenk, während sein Blick fragend wurde.

„Die Uhrzeit?“, hakte ich nach, woraufhin er nickte. Ich war erleichtert, ihn richtig verstanden zu haben. „11 Uhr.“

Wieder nickte Zero, dann stand er auf und deutete auf die Tür, während er mich weiterhin ansah. Er wollte wohl gehen. Ob er meine Erlaubnis haben wollte? Ich stand ebenfalls auf und lächelte ihn leicht an. „Der Anfang ist ja gemacht. Wenn du gehen willst, kannst du das natürlich gern tun.“ Er nickte nur. „Ich wünsch dir viel Erfolg mit den Noten.“ Ich zögerte. „Es sind noch nicht alle. Ich bin mir noch nicht über die Songauswahl sicher. Es steht auch noch nicht fest, wie viele ich nun spielen werden kann, aber die Information sollte ich bis übermorgen haben. Die Noten, die ich dir gegeben habe, sind von den Songs, bei denen ich mir völlig sicher bin, dass ich sie spielen werde.“

Ein Lächeln legte sich für kurze Zeit auf Zeros Lippen, dann nickte er wieder und verbeugte sich einmal tief und ging aus dem Raum, über den sich Stille legte. Reeno und Atsuto hatten bisher, seit der Pause, kein Wort gesagt. Fragend sah ich sie an.

Der Gitarrist lächelte mich schief an und seufzte, während er mit den Schultern zuckte. „Man muss sich erstmal an ihn gewöhnen…an die Art.“

Ich nickte nur und nahm einen weiteren Schluck aus meiner Wasserflasche. „Um ehrlich zu sein, will ich euch gar nicht weiter aufhalten. Ihr könnt gehen. Wir haben die meisten Songs noch recht gut drauf, und ohne Bass…hört sich das Ganze nicht so prickelnd an. Wir lassen Zero etwas Eingewöhnungszeit und sehen uns alle übermorgen wieder, okay?“

Begeistert nickten die beiden und machten sich sofort aufbruchbereit. Ich ging selten so großzügig mit Proben um. Aber die jetzige Situation war nun mal speziell.
 

Blinzelnd sah ich auf den Tisch vor mir. Irgendwie hatte ich die Weinflasche fast komplett alleine geleert. Soweit ich mich erinnerte, hatte Zero lediglich ein oder zwei Gläser getrunken. Und ich den ganzen Rest.

In 3 Tagen fand das Event-Live mit den anderen Bands statt. Zero und ich hatten unsern Erfolg, unsere Fortschritte, die wir bisher gemacht hatten, begießen wollen. Feiern wäre zu viel des Guten gewesen. Feiern konnten wir immer noch, wenn wir den Auftritt bewältigt haben würden.

In den letzten 2 Wochen hatte ich den Bassisten öfter in meiner Wohnung gehabt, um seine Parts durchzugehen. Es hatte wunderbar geklappt. Und wir beide kamen gut miteinander klar.

Ich warf Zero einen Seitenblick zu. Er drehte das Weinglas in seinen Händen hin und her. Ich schmunzelte ihn an. „Wie kommt es, dass ich fast alles alleine getrunken habe?“, wollte ich wissen, woraufhin er mich ansah. „Gib es zu, der Wein schmeckt dir nicht“, sagte ich mit einem schiefen Lächeln – in Zeros Glas war immer noch ein Rest.

Verlegen senkte er den Blick und hob das Glas an die vollen Lippen, aber ich lehnte mich kichernd zu ihm und nahm es ihm aus der Hand. „Ist schon in Ordnung, du musst das nicht trinken.“ Ich trank den letzten Schluck und stellte das Glas neben meinem auf dem Tisch ab. Ich schenkte Zero ein Lächeln. „Das nächste Mal gibst du mir aber vorher Bescheid, bitte? Dann kann ich mich gleich darauf einstellen, alles selbst zu trinken“, meinte ich augenzwinkernd. „Und wir können für dich etwas suchen, was dir schmeckt.“

Zero nickte etwas verschämt und lächelte mich entschuldigend an. Er hatte rosige Wangen bekommen, weswegen ich ihm beruhigend auf die Schulter klopfte. Ich sank zurück in die Polster der Couch und starrte ins Leere. Ich war schrecklich müde, nicht zuletzt aufgrund des Alkohols. Da wir bereits im Halbdunkeln in meiner Wohnung angekommen waren, schätzte ich die Zeit auf sehr spät, etwa Mitternacht. Zero würde nicht mehr nach Hause kommen. Mein Kopf rollte auf der Sofalehne zur Seite. „Du nimmst mein Angebot, hier zu schlafen, doch an, oder?“

Aus großen Augen sah Zero mich an und senkte dann verlegen den Kopf, kratzte sich unschlüssig am Kopf. „Nun tu nicht so, als ob du überlegen müsstest“, sagte ich. „Der letzte Zug fährt jeden Moment. Und laufen wird sicher etwas zu weit sein. Es macht mir ja nichts aus.“

Zögerlich nickte er und lächelte mich dankbar an, was ich erwiderte. „Kein Problem, du hilfst mir doch auch.“, spielte ich auf das Live an, woraufhin er nur abwinkte.

Ich drehte meinen Kopf wieder gerade und schloss kurz die Augen, während ich leise gähnte. Kaum, dass ich sie wieder offen hatte, sah ich, wie Zero sich umsah und aufstand, um in Richtung meines Klaviers zu gehen. Langsam streckte er die Hand nach dem schwarzen Lack aus, wagte es jedoch nicht, das Klavier zu berühren. Ich lächelte leicht. Mit fragendem Blick wandte Zero sich zu mir um und deutete auf mich, machte dann mit den Händen Spielbewegungen, weswegen ich den Kopf irritiert schief legte. „Ja…ich kann spielen, deswegen steht hier ein Klavier.“, sagte ich trocken, woraufhin er lächelnd die Augen verdrehte und den Kopf schüttelte. Ich hob eine Augenbraue. Immer mal wieder traten kleinere Kommunikationsschwierigkeiten auf. Als Zero mich aber zu sich winkte, fiel der Groschen und ich sah ihn überrascht an. „Ich soll spielen?“ Er nickte lächelnd, weswegen ich langsam aufstand. „Einen bestimmten Wunsch?“ Manchmal schrieb Zero die Dinge auf, die er meinte. Doch er schüttelte den Kopf und trat beiseite, als ich mich ans Klavier setzte und begann, You zu spielen. Ich wollte eines meiner eigenen Lieder und kein klassisches spielen, warum, war mir selbst nicht ganz klar. Zu meiner eigenen Überraschung spielte ich fehlerfrei, obwohl ich angetrunken war, und so traute ich mich auch, leise dazu zu singen. Zero trat ein paar Schritte zurück und setzte sich auf die Couchlehne, von wo aus er mir zuhörte.

Vielleicht war es ein zu trauriges Lied für die Nacht. Ich nahm die Finger von den Tasten und warf ihm ein leichtes Lächeln zu. Zero hatte die Hände wie ein begeistertes Mädchen unter dem Kinn zusammen gefaltet, weswegen mein Lächeln sich in ein Schmunzeln wandelte. „Gut?“ Er nickte eifrig und stieß sich von der Couch ab, während ich aufstand. „Ist es in Ordnung, wenn wir schlafen gehen? Ich bin schon sehr lange wach.“ Der Bassist nickte und warf mir ein beruhigendes Lächeln zu. „Okay, danke. Ich richte dir die Couch noch her.“
 

„Schlaf gut“, sagte ich leise und winkte Zero, was er lächelnd erwiderte, bevor ich mich umdrehte und das schwach erhellte Wohnzimmer verließ, mich im Schlafzimmer ins Bett legte. Ich gähnte herzhaft und schloss die Augen, nachdem ich das Licht gelöscht hatte.
 

ゼロ:
 

Unschlüssig saß ich auf der lakenbezogenen Couch und sah mich um. Was sollte ich jetzt machen? Wenn möglich, nicht schlafen. Ich hatte meine Tabletten vergessen. Und ich wollte mich nicht vor Satsuki peinlich machen. Es war wirklich zuvorkommend von diesem gewesen, mich hier übernachten zu lassen, aber auf der anderen Seite fühlte ich mich jetzt total unwohl. Irgendwie musste ich mich wach halten. In einer fremden Wohnung. Ich schluckte und stand langsam auf, um auf die Bücherregale zuzugehen. Mir blieb erstmal wohl nichts anderes übrig, als mir mit ein wenig Lesen die Zeit zu vertreiben. Ich ließ mir Zeit, ein Buch auszuwählen, zog schließlich eins von Murakami Haruki heraus und setzte mich leise seufzend unter die Leselampe, die schon die ganze Zeit neben der Couch brannte.

Das Lesen machte mich immer müder, genau das Gegenteil von dem, was ich erreichen wollte…
 

砂月:
 

Ich kniete mich hin und streckte die Hände nach dem weißen Kaninchen aus. Die ganze Zeit rannte ich dem kleinen Tier schon hinterher. Es sah so flauschig aus, ich wollte es ein Mal richtig durchknuddeln. Kaum dass ich meine Finger um das Kaninchen legte, begann es zu schreien.

Mit einem Ruck saß ich aufrecht im Bett. Scheiße, was war das gewesen? Erst jetzt realisierte ich, dass immer noch jemand schrie. Mit einem Satz war ich aus dem Bett und stürzte aus dem Schlafzimmer, denn ich hatte schon so meine Befürchtung. Mein Blick wanderte vom Boden, wo ein Buch lag, hoch zur Couch, auf der Zero bäuchlings lag – nicht zugedeckt, mit geschlossenen Augen und gequältem Gesichtsausdruck. Seine Finger hatten sich fest ins Laken gekrallt und er wand sich unruhig. Hatte er einen Albtraum…?

„Zero!“, rief ich aus und setzte mich zu ihm. Erst jetzt fielen mir die Tränenspuren auf seinem Gesicht auf. Zögerlich streckte ich die Hand aus und berührte ihn sanft an der Schulter. „Zero, wach auf. Hey..“ Zero zuckte lediglich zusammen, sein Körper verkrampfte sich immer mehr. Geschockt und ratlos sah ich auf ihn herab. Ich schluckte, kratzte mich kurz am Kopf und beugte mich vor, legte die Arme um ihn um ihn zu mir hochzuziehen. Sein Körper war angespannt und schwer, doch als ich ihn an mich drückte, ging ein Ruck durch ihn und er schnappte nach Luft. Mit aufgerissenen Augen starrte Zero mich an, woraufhin ich ihn langsam los ließ. „Ganz ruhig…du hattest einen Albtraum, hm?“

Er senkte den Blick und zog die Knie an, begann sich langsam hin und her zu wiegen. Unsicher wuschelte ich mir durchs Haar. „Zero…? Kann ich was für dich tun?“, fragte ich leise, während ich die Hand nach ihm ausstreckte und ihm sachte über die Schulter strich. Doch er wimmerte nur leise und dann…fing er an zu schluchzen. Zero weinte.

Ich knabberte kurz auf meiner Unterlippe herum. Ich mochte ihn nicht weinen sehen, das tat mir weh. Ich war so ratlos. Warum weinte er und wie konnte ich ihn beruhigen? Würde er noch heftiger zu weinen anfangen, wenn ich ihn noch mal berührte? Aber wie ich ihn so betrachtete, wirkte er so schrecklich verloren und einsam, dass ich ihn einfach wieder in meine Arme zog und an mich drückte. Beruhigend redete ich auf ihn ein und strich ihm tröstend über den Rücken. Ich versuchte erst gar nicht, zu fragen was genau los war. Antworten würde er mir eh nicht. Nie würde ich erfahren, was ihn gerade so sehr bewegte. Was er Schreckliches geträumt hatte. Aber wenn ich ehrlich war, würde ich es gerne wissen…

Eine ganze Weile lag er in meinen Armen, nur langsam wurden seine Schluchzer leiser. Und irgendwann sank er träge gegen mich. Ich war mir sicher, dass er eingeschlafen war. „Zero…?“ Er regte sich nicht mehr. Ich summte leise und lehnte mich mit ihm zurück. Der Mond schien hell ins Zimmer und wie ich ihn so betrachtete und mir über alles den Kopf zerbrach, wurde ich wieder müde. Eigentlich hielt ich es für keine besonders gute Idee, mit meinem Ersatzbassisten im Arm auf der Couch einzuschlafen, aber…ich wollte ihn nicht einfach von mir schieben und verschwinden. Es schien ihm ja nicht sehr gut zu gehen.
 

Ich riss die Augen auf. Was hatte mich geweckt…? Während ich den ersten zarten Sonnenstrahlen entgegen blinzelte, die durchs Fenster kamen, spürte ich, wie Zero, der auf meinem Schoß lag, am ganzen Körper zitterte. Ob er wieder einen Albtraum hatte? Unvermittelt richtete er sich auf und setzte sich im Schneidersitz neben mich, während er sich mit der Hand übers Gesicht fuhr.

Unsicher sah ich ihn an. „Guten Morgen…“ Er hob den Kopf und sah mich aus großen Augen an, lächelte dann verlegen und nickte leicht, bevor er den Blick senkte. Erst jetzt fielen mir frische Tränenspuren auf seinem Gesicht auf. Verstohlen wischte er sich über die Augen und starrte auf seine Hände hinab. „Du hattest wieder einen Albtraum, hm?“ Er nickte nur, während ich ihn milde ansah. „Ist das jede Nacht so?“ Ich wusste nicht, ob ich zu weit ging mit meinen Fragen, aber es interessierte mich einfach. Ich war besorgt.

Natürlich war mir klar, dass er irgendein großes Problem haben musste, denn schließlich redete er nicht mehr. Hingen seine Albträume damit zusammen? Ich wollte ihn besser kennen lernen. Nach außen hin wirkte er trotz seines Schweigens so stark. Oft auch unnahbar, aber je länger ich jetzt mit ihm zusammen war, umso mehr fiel mir auf, dass er ein verdammt netter und fürsorglicher Mensch war, der durchaus auch lachen konnte. Nur hörte man es leider nicht. Er grinste lediglich verdammt breit, aber selbst das war ansteckend. Wenn ich ehrlich war: ich fand Zero sehr interessant. Und ich wollte wirklich mehr über ihn erfahren, aber es gestaltete sich sehr schwierig, wenn er nicht redete…aber ein paar Kleinigkeiten wusste ich durch das Zusammenarbeiten mit ihm. Das musste wohl reichen.

Und in 2 Tagen war der Auftritt. In letzter Zeit ertappte ich mich immer öfter dabei, wie ich darüber nachdachte, wie unser Verhältnis wohl danach aussehen würde. Ob wir uns noch ab und an sehen würden? Möglicherweise…durch Karyu… Ich mochte seinen Bassisten, er war mir sympathisch. Und er hatte etwas drauf. Ich würde ihn noch einmal einsetzen, sollte Ena irgendwann wieder ausgebucht sein und für mich keine Zeit haben.

„Hast du diese Albträume jede Nacht?“, fragte ich nochmals leise nach, woraufhin er scheu den Kopf schüttelte. Ich runzelte leicht die Stirn, während er lautlos seufzte, umher sah und schließlich aufstand, um etwas zu schreiben zu holen. Fragend sah ich ihm über die Schulter, nachdem er sich wieder zu mir gesetzt hatte.

Schlafmittel

Das schrieb er auf den Zettel. Ich zog die Augenbrauen zusammen und sah ihn an. „Du…nimmst jede Nacht Schlafmittel?“ Er nickte mit gesenktem Blick, während ich ihn verwirrt anschaute. „Aber…das ist gefährlich.“ Man wurde davon doch abhängig, wenn man das jede Nacht machte.

Pflanzlich

„Hmm..“ Ich sah auf. „Und das macht es besser?“ Schief lächelnd hob Zero eine Schulter. Das sollte wohl …ja, vielleicht…heißen. Ich verschränkte die Arme, während er Block und Stift beiseite legte. „Na ja, solange es dir noch gut geht…“, sagte ich leise und seufzte, woraufhin er sich zurück lehnte und mit den Schultern zuckte. Das Lächeln auf seinen Lippen erstarb und wieder zog er die Knie an. Oh… Ich beugte mich näher zu ihm und hob sein Kinn an, so dass er mich wieder ansehen musste. Kurz hielt ich inne. Ich war nicht darauf gefasst gewesen, plötzlich so viel Schmerz in seinen Augen zu sehen. Die tröstenden Worte, die mir auf der Zunge lagen, verflüchtigten sich. Ich ließ meine Hand langsam wieder sinken und im nächsten Moment drückte ich ihm meine Lippen auf den Mund. Ich sah ihm in die Augen, bemerkte die Verwirrung, die Überraschung – und Wohlgefallen.

Innerlich fühlte ich mich zu einem kleinen Lächeln hingerissen, während ich mich kurz von seinen Lippen löste, doch schon fingen sie die meinen wieder ein.

Schüchtern bewegten sich unsere Lippen gegeneinander, meine Hand wanderte zu seiner Wange, über die ich sanft strich. Kurz leckte seine Zungenspitze über meine Unterlippe, weswegen ich überrascht aufkeuchte. Im nächsten Moment setzte Zero sich auf meinen Schoß, umfasste mein Gesicht mit seinen Händen und drängte seine Zunge frech in meinen Mund. Und jeder Widerstand, der mich bisher immer sofort davon abgehalten hatte, auch nur ansatzweise darüber nachzudenken, Zero näher zu kommen und von den weichen Lippen zu kosten, brach sofort.

Genießend leckte ich über seine Zunge und seufzte wohlig in den Kuss, während meine Hände zu seiner Hüfte wanderten und ich ihn enger an mich presste. Der Kuss wurde immer leidenschaftlicher, doch gerade als meine Hände sich unter sein Oberteil stehlen wollten, klingelte das Telefon. Innerlich seufzte ich genervt auf, ließ jedoch meine Hände und Lippen nicht von dem schönen Bassisten vor mir. Dieser allerdings schien das Ganze etwas anders zu sehen. Er löste sich von mir und sah mich mit fragendem Blick an. „Oh nein nein, wenn du das tust und dich von mir entfernst, dann..komme ich zum Denken. Und wenn ich darüber nachdenke, dass das Telefon klingelt, frage ich mich, wer das sein könnte und komme zu dem Schluss, dass es wichtig sein wird und…“ Sanft schob ich ihn von mir und seufzte resigniert. „Und dass ich rangehen muss…“, murmelte ich, während ich aufstand und mir Zeros schiefes Lächeln auffiel. Er schien es nicht schlimm zu finden. Ich lächelte ihn entschuldigend an und ging in die Ecke des Zimmers zum Telefon, nahm den Anruf entgegen. Es war Ena. Sofort verflog die Wut, die ich auf den Anruf hatte. Er wollte wissen, wie ich und der neue Supporter miteinander klar kamen. Ich band ihm nicht gerade auf die Nase, dass ich dem ‚Neuen‘ soeben meine Zunge in den Hals geschoben hatte…ich blieb positiv, aber auch vage.

Fragend drehte ich mich um, als ich plötzlich eine Tür hörte. Verwirrt runzelte ich die Stirn. Von Zero war in meinem Wohnzimmer nichts mehr zu sehen. Ich verabschiedete mich rasch von Ena und sah mich in meiner Wohnung um. Ich hatte ein unbehagliches Gefühl. Und leider zu Recht.

Zero war gegangen.
 

---

tbc~

Vergessene Nacht.

»Es ist alles in Ordnung. Ich wollte dich nicht weiter stören und unsere Situation war etwas..angeheizt, weswegen ich es für besser hielt, zu gehen. Wir sehen uns übermorgen beim Live. Üb bis dahin auch genug ;) Z. ☆«

Erleichtert lehnte ich mich zurück. Ein Stein fiel mir vom Herzen. Ich hatte mir wirklich Sorgen gemacht und mir den Kopf darüber zerbrochen, warum Zero wohl einfach gegangen war. So ganz zufrieden war ich mit der Antwort nicht, denn er hätte mir wenigstens Bescheid geben können, dass er gehen würde, und wenn er mir nur zugewinkt hätte.

»Dann bin ich beruhigt. Wink mir das nächste Mal bitte wenigstens zu, sonst war’s das mit dem Singen, weil mich der Schock lähmt :‘) Bis übermorgen, und streichel deinen Bass ganz lieb von mir ;) Satsuki♪«

Eine Stunde später lag ich im Bett, und las mir die Antwort von Zero durch.

»..nur meinen Bass streicheln….?«

Mit großen Augen starrte ich die Nachricht an, errötete dann langsam. War das zweideutig gemeint? Mein innerer Prinz tat pikiert.

Plötzlich erhielt ich noch eine Nachricht.

»Ich glaube..ich vermisse dich.«

Ich riss die Augen auf. Was war mit ihm los? Schon wieder eine neue Nachricht.

»Das mit heute Nacht tut mir übrigens leid. Ich hatte gehofft, dass das nicht passieren würde. Ich wollte nicht, dass du das miterlebst.«

Ich seufzte und lächelte schwach.

»Mach dir keine Gedanken. Seine Träume kann man nicht kontrollieren. Ich kann mir für dich einen Vorrat an pflanzlichen Schlafmitteln zulegen, damit du unbesorgt bei mir schlafen kannst ;) P.S. Gute Nacht. Ich hoffe, du kannst besser schlafen als gestern.«

Zögernd legte ich mein Handy beiseite. Mir war bewusst, dass ich seinen vorigen beiden SMS auswich. Bei der ersten lag es daran, dass ich nicht schlagfertig genug war, bei der zweiten wusste ich nicht, was ich antworten sollte. Ich wusste nicht, ob ich ihn ebenso vermisste. Er war doch eigentlich nur mein Ersatzbassist..mit dem ich am Morgen wild geknutscht hatte…
 

2 Tage später.
 

Mit einem hörbaren Klirren stellte ich mein leeres Bierglas zurück auf den Tisch, grinste dann vergnügt in die kleine Runde meiner Supporter und Staffs. Wir feierten unseren erfolgreichen Auftritt. Um uns herum schwirrten die verschiedensten Stimmen der anderen 4 Bands umher, die mit uns aufgetreten waren. Schon seit 3 Stunden lief die Party in einer Bar neben dem Club. Und wir alle waren sturzbetrunken. Meine kleine Runde mischte sich Stück für Stück unter die anderen Musiker. Zero blieb etwas schüchtern mir gegenüber sitzen, und ich wollte ihn nicht alleine lassen. Als wir beide die letzten waren, die noch in unserer Ecke saßen, rutschte ich zu ihm und legte beruhigend einen Arm um ihn. „Alles in Ordnung?“, fragte ich ihn, woraufhin er nickte und mich leicht anlächelte, bevor er sich an mich lehnte. Sanft strich ihm über die Schulter. „Willst du langsam gehen…?“ Ich hatte das Gefühl, dass er recht erschöpft war. Zögerlich nickte er und ich sah ihn lächelnd an. „Okay. Ich werde dich noch nach Hause bringen, ja?“ Zwar schaute er mich nun aus großen Augen an, nickte dann aber schließlich und stand mit mir zusammen auf. Wir verabschiedeten uns brav von allen, wurden noch mal mit dem einen oder anderen Drink versorgt, und so verließen wir erst eine halbe Stunde später, und nun völlig dicht, die Bar. Ich war froh, dass Zero nicht so weit weg wohnte. Andernfalls wäre es schwierig geworden, nach Hause zu kommen.
 

Blinzelnd schlug ich langsam die Augen auf. Das Sonnenlicht war hell, meine Augen schmerzten, und dieser Schmerz breitete sich in meinem Kopf aus. Ein schaler Geschmack machte sich auf meiner Zunge bemerkbar, weswegen ich leicht das Gesicht verzog. Das war gestern ein Drink zu viel gewesen. Hoffentlich ging es Zero nicht genauso. Vielleicht würde ich ihn später einmal anrufen.

Leise knurrend setzte ich mich auf. Ich fühlte mich in meine Jugendzeit zurück versetzt, wo ich jeden Morgen mit Schmerzen aufgestanden war, weil am Vortag wieder einmal Sportunterricht stattgefunden hatte. Ich runzelte die Stirn. Ich hatte keinen Sport mehr, also warum tat mir alles weh?

Kopfschüttelnd schlug ich die Bettdecke beiseite – und schluckte hart. Langsam wanderte mein Blick zur anderen Seite des Bettes. Wie befürchtet, dort lag jemand. Scheiße. Ein dunkelbrauner Haarschopf schaute unter der Bettdecke hervor. Ich verwettete meinen momentan nackten Hintern darauf, dass es sich dabei um Zero handelte.

Ich fuhr mir mit der Hand übers Gesicht. Tolle Wolle. Ich konnte mich nicht einmal daran erinnern, wie ich mit ihm im Bett gelandet war. Das letzte, was ich noch vor meinem inneren Auge sah, war, wie wir alle auf dem Weg zur Bar gewesen waren. Ab da Filmriss.

In mir breitete sich immer mehr Panik aus. Ich atmete tief durch, versuchte mich zu beruhigen, während ich mich im Zimmer umsah. Es kam mir nicht bekannt vor. Offensichtlich waren wir bei Zero zu Hause.

Was sollte ich jetzt machen? Einfach gehen hielt ich nicht für galant. Das war früher mein Stil gewesen, jetzt sah ich das Ganze etwas anders. Allerdings schlief Zero ja noch… Ich wollte ihn auch nicht unnötig wecken.

Seufzend stand ich auf und kratzte mich am Kopf. Erstmal würde ich meine Klamotten zusammen sammeln und ins Bad gehen. Während ich den Boden im Schlafzimmer absuchte, kam mir der Gedanke, dass wir ja vielleicht doch gar nicht miteinander geschlafen hatten. Möglicherweise war ich als einziger nackt, und er trug seine Schlafsachen. Weil…ich vielleicht so viel am Abend getrunken hatte, dass ich mich in seiner Wohnung übergeben hatte, direkt auf meine Sachen. Die konnte ich dann natürlich nicht anbehalten.

Ich fand meine Shorts und zog sie an. Lagen hier nicht noch weitere Klamotten rum? Andere Unterwäsche..wahrscheinlich von Zero. Ich stöhnte auf. Da lag ein Kondom. Benutzt.

Verdammt.

Kopfschüttelnd verließ ich das Schlafzimmer. Wenigstens hatte ich mir nicht lange unnötige Hoffnung gemacht. Im Wohnzimmer fand ich meine Socken und meine Jeans. Mein Hemd lag im Flur. Es blieben Klamotten auf dem Boden der Wohnung übrig, das waren dann wohl Zeros…

Ich ging ins Bad und beschloss, zu duschen. Vielleicht fühlte ich mich danach besser, bekam einen klaren Kopf und vor allem – vielleicht verschwand dann endlich meine irrationale Angst. Was befürchtete ich denn!?

Ich fragte mich, wie wir beide das hinbekommen hatten, gemeinsam im Bett zu landen. Ich war etwas geschockt. Ich liebte Zero nicht und One-Night-Stands lehnte ich eigentlich ab. Vor allem mit befreundeten Musikern. Ich würde mich später bei ihm entschuldigen. Ich hoffte, dass er das ähnlich wie ich sah. Das schlimmste wäre, wenn er sich nun einfach von mir abwenden würde, aber ich konnte mir nicht wirklich vorstellen, dass das passieren würde.

Frisch geduscht und angezogen verließ ich das Badezimmer 20 Minuten später und warf einen Blick ins Schlafzimmer. Zero schien sich nicht bewegt zu haben. Ich wuschelte mir durch die feuchten Haare und sah in Richtung Flur. Ich sollte wohl lieber einfach gehen. Auch wenn es nicht mehr mein Stil war.

Leise seufzend trat ich dennoch ans Bett und kniete mich darauf, um mich über ihn beugen zu können und sein Profil zu betrachten. Er schlief mit leicht geöffneten Lippen und wackelte leicht mit der Nase. Ein schiefes Lächeln huschte über mein Gesicht. Irgendwie hatte ich das Gefühl, etwas Verbotenes zu tun…

Ich stand wieder auf. Langsam ging ich zur Tür, drehte mich dort noch mal kurz um. Ich würde ihm einfach einen kurzen Zettel schreiben!

Rasch suchte ich meine Tasche, die ich ihm Flur fand, und kramte meinen Notizblock sowie einen Kugelschreiber hervor. Zurück im Wohnzimmer legte ich das Papier auf den Couchtisch und begann die kurze Nachricht an Zero aufzuschreiben.

»Guten Morgen. Ich bin vorhin in trauter Zweisamkeit neben dir aufgewacht. Ich wollte dich nicht wecken, du hast noch tief geschlafen. «

Gerade als ich überlegte, wie ich das beenden sollte, hörte ich tapsige Schritte und sah auf. Im Türrahmen stand Zero, offensichtlich verschlafen, und rieb sich mit der Hand über die Augen, schaute dann zu mir.

Ich richtete mich auf und lächelte ihn an. Mir fiel auf, dass er Unterwäsche trug. Ob er die sich eben erst angezogen hatte? Aber eigentlich spielte es auch keine Rolle mehr. Das Kondom neben dem Bett hatte alles gesagt... Es hatte neben Zeros Seite gelegen, wurde mir jetzt erst bewusst. Ich blinzelte. Ob er mich dann genommen hatte, anstatt andersrum? Ich hatte allerdings keine Schmerzen im Unterleib, auch wenn mir der Rest des Körpers weh tat, aber DA schmerzte nichts. Es war unmöglich dass Zero mich genommen hatte. Wenn es mal seltenerweise vorkam, dass ich mich vögeln ließ, dann spürte ich das für gewöhnlich hinterher auch.

Ich zuckte innerlich mit den Schultern. Es war nicht weiter wichtig.

"Guten Morgen", sagte ich und betrachtete ihn vorsichtig. Wirkte er sauer? Ich hielt den Zettel hoch. "Ich schreibe dir gerade eine Nachricht", erklärte ich schief lächelnd. "Ich wollte gehen und dich aber nicht wecken, du schienst tief geschlafen zu haben."

Er blinzelte mich kurz an und kam dann langsam auf mich zu, weswegen ich ihn etwas beklommen ansah. Doch als er vor mir stand, lächelte er mich verlegen an und nahm mir den Zettel aus der Hand, überflog die paar Worte, die ich geschafft hatte zu schreiben. Er nickte, während er das Papier zurück auf den Tisch legte.

Unschlüssig kratzte ich mich am Kopf. "Also...ich will ehrlich zu dir sein", fing ich an, doch er winkte mich hinter sich her und ging in die Küche, in die ich ihm folgte. Er hob eine Packung Kaffeepulver an und schaute fragend zu mir, woraufhin ich nickte. Aber ich ließ mich nicht beirren. "Um die Wahrheit die zu sagen, hab ich einen Filmriss." Ich musterte sein unbewegtes Gesicht, während er das Kaffeepulver in die Maschine gab. "Aber mir scheint...als hätten wir miteinander geschlafen.."

Er drehte sich nun vollends zu mir um und nickte bekräftigend. "Okay...", murmelte ich und blinzelte ihn an. "Und..kannst du dich dran erinnern?"

Er nickte nur. "An alles?" //Ja.//

Ich seufzte. "Na ja, Karyu hat mir erzählt, dass du nicht sonderlich viel trinkst." Wieder nur ein Nicken, dann schaltete er die Kaffeemaschine ein. Ich setzte mich an den Küchentisch und sah zu ihm auf. "Es tut mir leid. Dass ich mich nicht daran erinnern kann und...dass es überhaupt passiert ist." Aus wachsamen Augen sah er mich nun an. Einen Moment lang blieb er stehen, dann setzte er sich mir gegenüber an den Tisch. Langsam, aber nachdrücklich schüttelte er den Kopf.

Verwirrt hob ich die Augenbrauen. Was genau sollte mir das jetzt sagen? //Nein.//

„Was, nein? Mir soll..das nicht leid tun?“, fragte ich irritiert nach, woraufhin er nickte. Irgendwie verstand ich das dennoch nicht.

Zero seufzte lautlos und nahm den Notizblock sowie einen Stift, der am Rande des Tisches lag. Mir war aufgefallen, dass im Wohnzimmer auf einer Kommode sowie im Schlafzimmer auch Blöcke und Stifte gelegen hatten. Wahrscheinlich besser für die Kommunikation…

»Es muss dir nicht leid tun, warum auch? Wir hatten gestern zu viel getrunken, da passiert sowas«

Schweigend las ich mir das gleich 2 Mal durch. Langsam hob ich den Blick und sah ihn an. „Ich verstehe, wie du das siehst, aber…“, begann ich leise, weswegen er die Augenbrauen in die Höhe zog und mich fragend ansah. „Wir sind Kollegen, du warst mein Ersatzbassist. Und um ehrlich zu sein, könnte ich mir vorstellen, dich irgendwann noch mal einzusetzen, solltest du Zeit haben. Du bist wunderbar beim Publikum angekommen, du hattest offensichtlich auch Spaß und du passt zu uns. Gestern, das war einfach eine Party auf der Bühne. Irgendwann könnten wir das doch wiederholen.“ Überrascht sah er mich an. „Und deswegen ist es nicht gut, dass wir gemeinsam im Bett gelandet sind. Das ist nicht gerade förderlich für eine mögliche zukünftige Zusammenarbeit…“

Zero sah mich nur stirnrunzelnd an. Anscheinend gefiel ihm das, was ich sagte, nicht. Ich seufzte. „Könntest du dir denn vorstellen, noch mal für mich zu spielen, sofern es irgendwann mal möglich ist?“, wollte ich schließlich wissen, woraufhin er den Blick senkte und nachzudenken schien. Als er wieder zu mir sah, hob er leicht eine Schulter. Das hieß wohl, momentan wusste er es nicht.

Erneut verließ ein Seufzen meine Lippen. „Am besten, wir vergessen die Sache, in Ordnung?“ Zeros säuerliches Schmunzeln ließ mich kurz stutzen. „Ja, ich weiß, ich kann mich sowieso nicht dran erinnern.“ Langsam stand ich auf. „Vielleicht sollte ich besser gehen.“

Aber Zero schüttelte den Kopf und griff über den Tisch nach meiner Hand um mich zurück auf den Stuhl zu ziehen. Irritiert sah ich ihn an, während er aufstand und zur Kaffeemaschine ging. Ich stützte mich mit den Ellenbogen auf den Tisch und legte mein Kinn auf meinen Handflächen ab. Nachdem Zero sich wieder zu mir gesetzt hatte mit den Kaffeetassen, griff er nach dem Stift und schrieb wieder etwas auf den Block.

»Es wird sich schon nichts ändern. Mach dir keinen Kopf.«

Ich nickte langsam und war etwas beruhigt. Leicht lächelte ich ihn an, was er erwiderte. Die Anspannung ließ gleich etwas nach.

Ich schlürfte schweigend meinen Kaffee und dachte über die Frage nach, die mir seit einigen Tagen auf der Seele lag. „Mal abgesehen davon, dass du dir nicht sicher bist, ob du wieder für mich spielen würdest, denkst du, wir könnten uns ab und an so treffen?“ Unverbindlich sah ich ihn an, während er mich anblinzelte. Schließlich legte sich ein leichtes Schmunzeln auf seine Lippen und er schrieb erneut etwas auf den Block.

»Wollen wir Freunde sein?«

Ich lächelte. „Genau, das ist meine Frage. Ich würde gerne mit dir befreundet sein.“

»Wenn wir das nicht sowieso schon längst sind.«

Ich nickte und erwiderte sein Lächeln. Dann war das also auch geklärt, und mir fiel ein Stein vom Herzen. Zero war mir sympathisch und ich wollte ihn nicht einfach aus meinem Leben verschwinden lassen, nur weil unsere Zusammenarbeit beendet war.
 

Schweigend tranken wir unseren Kaffee, aber es war keine Stille mehr, die ich als bedrückend empfand.
 

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tbc~
 

Fühle mich gerade zu einem Spoiler veranlasst XD Karyu kriegt endlich wieder seinen Auftritt *-* (wertvolle Info, nicht wahr :'D)

Näher.

Ein paar Tage später saß ich, wieder per Zufall, mit Karyu zusammen in unserem Stammcafé.

Ich hatte von ihm nichts mehr gehört und war sowieso davon ausgegangen, dass ihm sein Bassist schon irgendwie mitteilen würde, dass das Live gut gelaufen war.

Es war ziemlich geschäftig im Café und ich musste bald wieder aufbrechen, um rechtzeitig ins Studio zu kommen. Karyu war hingegen erst vor wenigen Minuten angekommen. Erwartungsvoll sah er mich an. „Wie sieht’s aus, wollen wir demnächst mal was zusammen trinken gehen? Dann können wir uns in Ruhe über den Auftritt unterhalten.“ Er lächelte schief. „Du kannst dir vielleicht vorstellen, dass aus Zero nicht so schrecklich viel herauszubekommen ist. Die ganzen schmutzigen Details lässt er außen vor.“, fügte er zwinkernd hinzu, weswegen ich für einen Moment irritiert inne hielt. Hatte Zero ihm gesteckt, was danach vorgefallen war? Wir hatten darüber keine Abmachung gemacht. Mir war es nicht wichtig, ob Zero das vor seinen Freunden geheim hielt oder nicht.

Ich zuckte mit den Schultern. „Können wir gerne tun. Wie sieht‘s bei dir am Freitag aus?“

Er kramte nach seinem Terminkalender und blätterte darin herum, bevor er mich schließlich anstrahlte und nickte. „Ist gebongt! Freitagabend, sagen wir…gegen 7?“

Ich erwiderte sein Lächeln und nickte. „Ist notiert.“ Ich warf einen Blick auf die Uhr und sah wieder zu Karyu. „Tut mir leid, ich muss los. Wir sehen uns dann in 3 Tagen.“

Er stand mit mir auf. „Ich freu mich drauf.“

„Ich mich auch“, erwiderte ich freundlich und winkte ihm, bevor ich das Café verließ und zum Studio ging, um mich um ein paar neue Songs zu kümmern.
 

Seufzend betrat ich spätnachts mein Haus. Wie so oft zog ich mich auf dem Weg zum Badezimmer aus und ging ausgiebig duschen. Der Tag war anstrengend gewesen und ich wollte nur noch ins Bett. Meine Gedanken kreisten um Zero. Ich hatte ihn nicht mehr gesehen, und ich hatte auch nichts mehr von ihm gehört, wir hatten uns nicht einmal mehr Nachrichten geschrieben. Als ich seine Wohnung verlassen hatte, war ja eigentlich wieder alles in Ordnung zwischen uns gewesen. Und wahrscheinlich gab es auch gar kein Problem. Ich machte mir nur zu viele Gedanken. In den letzten 3 Wochen hatte ich fast jeden Tag mit ihm zu tun gehabt…ich hatte mich wohl an ihn gewöhnt.

Ich schlurfte zu meinem Bett und warf mich nackt wie ich war darauf. Immer noch fühlte es sich für mich etwas unwirklich an, dass ich mit Zero geschlafen hatte. Na ja, das kam wahrscheinlich daher, dass ich mich nicht dran erinnern konnte. Schief lächelnd zog ich die Bettdecke über mich. Solange ich bei Verstand gewesen wäre, hätte ich nicht einmal mit ihm geflirtet. Auch wenn ich es gewollt hätte. Ich hatte ihm gleich angesehen, dass er schwul war. Genauso wie ich es Karyu angemerkt hatte. Und sie mir vielleicht auch.

Zero jedenfalls war heiß. Keine Frage. Aber ich hätte mich nicht an ihn rangemacht, da wir zusammen arbeiteten. Einfaches Prinzip. Und dennoch war es passiert, und dann hätte ich mich verdammt gerne noch mal daran erinnert! Unwillkürlich malte ich mir aus, wie der Abend wohl verlaufen war. Wie wir in seine Wohnung gestolpert sind, eng umschlungen, scharf aufeinander. Wie wir einander küssten, er mich in sein Schlafzimmer drängte und mich aufs Bett schubste… Seine Finger, seine Lippen auf meiner Haut, nachdem er mir das Hemd aufgeknöpft hat…

Ein Stöhnen verließ meine Lippen. Meine Hände hatten sich verselbstständigt, strichen über meine Brust und tiefer. Ich umfasste meine Erregung und seufzte wohlig, als ich begann sie langsam zu massieren. Hitze breitete sich in meinem Körper aus, doch rot wurden meine Wangen erst, als mir klar wurde, dass ich mir wünschte, es wäre Zero, der mich berührte.

Ich sank tiefer in die Kissen und winkelte die Beine an, stellte mir vor, es wären Zeros Finger, die über meine Haut strichen…
 

„Ich weiß gar nicht, was ich mit all der Zeit anfangen soll“, gab Karyu verlegen zu, weswegen ich ihn anlächelte.

„Kann ich mir gut vorstellen. Mir würde die Decke sofort auf den Kopf fallen, wenn ich mal keine Arbeit hätte“, meinte ich, woraufhin er leise lachte.

„So wie ich das verstanden habe, hast du niemals einen freien Tag, oder? Du hast verlernt, wie es ist, mal nichts zu tun zu haben, hm?“

„Sieht bei dir ja ganz ähnlich aus“, lachte ich. „Kaum hast du mal ein paar ruhigere Wochen, maulst du schon rum.“

Er grinste. „Hast mich erwischt. Aber das liegt nur daran, dass ich meinen Job verdammt gerne mache. Mir fehlt es, mit den Jungs im Tonstudio rumzuhängen.“

„So ähnlich geht es mir doch auch. Ich brauche immer was zu tun und ich hab auch immer was zu tun.“, erwiderte ich.

„Aber denkst du nicht, dass eine Pause dir auch mal gut tut? Und wenn es nur 2,3 Tage sind?“, fragte er mich etwas ernster.

Ich seufzte und rang mir ein Lächeln ab. „Karyu, es geht nicht darum, ob ich mir mal einen freien Tag gönnen sollte. Die Frage stellt sich mir gar nicht. Ich muss immer aktiv bleiben und hab viel zu tun. Du weißt doch, wie lange es dauert, bis man was auf den Weg bringt. Ich kann mir keine Pausen leisten, denn ich bin nicht so erfolgreich wie du.“ Ich lächelte schief. „Ich hab kein Geld auf der hohen Kante, von dem ich leben kann, wenn ich mal keine Lust habe, zu arbeiten.“

„So meinte ich das auch nicht“, erwiderte er, doch ich winkte ab.

„Ist schon in Ordnung. Was machen denn deine Kollegen zur Zeit?“, lenkte ich ab und nippte an meinem Cocktail.

„Tsukasa und Hizumi fahren morgen nach Yamagata, ihre Familien besuchen. Zero hat nichts besonderes bisher vor. Wahrscheinlich werde ich ihm ab und an auf die Nerven gehen“, antwortete er grinsend, während ich langsam nickte.

„Warum fährt er nicht zu seinen Eltern?“, fragte ich unbedacht und lächelte verlegen. Die Frage war mir so rausgerutscht.

Überrascht sah Karyu mich an und kratzte sich am Kopf. „Nun ja…er hat sie schon sehr lange nicht mehr gesehen. Sie verstehen nicht, was mit ihm passiert ist.“ Ich hob eine Augenbraue, was er bemerkte. „Sicher, wir verstehen es auch nicht ganz, aber wir kommen irgendwie damit klar. Seine Eltern haben ihn irgendwann hier in Tokyo besucht, aber es ist…nicht sehr gut gelaufen. Ich glaube, sie haben überhaupt keinen Kontakt mehr“, sagte er leise und seufzte.

„Das hört sich nicht gut an“, murmelte ich nur, woraufhin er nickte, doch dann sah er mich interessiert an.

„Was ist mit deinen Eltern?“, wollte er wissen, weswegen ich den Blick abwandte und mit den Schultern zuckte.

„Nichts…meine Mutter ist schon lange tot und zu meinem Vater habe ich keinen Kontakt.“, antwortete ich knapp.

„Oh…tut mir leid. Ich hätte das nicht fragen sollen“, sagte er, doch ich schüttelte den Kopf und lächelte ihn leicht an.

„Ach was, konntest du doch nicht wissen.“

Wir bestellten uns noch ein paar Drinks und kamen auf mehr musikalische Themen.
 

ゼロ:

Unschlüssig ging ich die Straße entlang. Was machte ich hier eigentlich? So ganz klar war mir noch nicht, was mich hierhin trieb. Ich hätte nach Hause gehen und mir was Kochen können, bloggen können oder irgendwelche aufgenommenen Serien schauen können. Mit Sicherheit hätte ich Ablenkung gefunden, aber irgendein Teil meines Gehirns fand es besser, Satsukis Haus aufzusuchen. Sowas machte ich sonst nur bei Karyu. Wenn ich bei ihm dreimal klingelte, wusste er immer, dass ich es war und machte auf, und dann tranken wir in einvernehmlichem Schweigen ein Bier. Bei Satsuki würde das nicht so einfach sein. Aber vielleicht machte er ja die Haustür auf um zu sehen, wer da spätabends an seinem Gartentor stand…

Ich sah auf, das Haus kam in Sicht. Verwirrt runzelte ich die Stirn. Da standen zwei Personen am Gartentor von Satsukis Haus. Ich ging langsam näher und erkannte Karyu, der Satsuki stützte. Ich blieb stehen und betrachtete die beiden aus großen Augen. Ich hatte nicht gewusst, dass Karyu den Sänger heute getroffen hatte. Wie es aussah, hatte Satsuki zu viel getrunken. Mal wieder. Aber immerhin hatte Karyu es nicht übertrieben und konnte ihm helfen. Unsicher knabberte ich auf meiner Unterlippe herum und ging näher zum Haus, in das die beiden verschwunden waren. Mein Blick fiel auf das rechte Fenster, wo gerade Licht angegangen war.
 

Karyu:
 

Ich legte Satsuki auf dem Bett ab und setzte sich mich zu ihm. Noch war er wach, aber sein Blick war schon völlig abwesend. „Danke…“, nuschelte er und hob schwerfällig die Hand, streichelte mir über den Oberarm. In dem Moment, als seine Hand zurück aufs Bett fiel, schlossen sich auch seine Augen endgültig und schon war er eingeschlafen.

Lächelnd betrachtete ich ihn. „Kein Problem. Das würde ich immer wieder für dich machen. Der Abend ist wunderbar gewesen“, sagte ich leise, während ich ihm eine blonde Strähne hinters Ohr strich. Ich beugte mich vor und drückte Satsuki einen Kuss auf die Lippen. Wahrscheinlich war es nicht so angebracht, dass ich es ausnutzte, dass er schlief. Aber es bot sich so an…und sonst traute ich mich das nicht…wenn er wach war..

Nur langsam löste ich mich von seinen weichen Lippen und seufzte lautlos. Da könnte ich glatt gierig werden. Nach einem kurzen Moment zog ich ihm vorsichtig die Jeans aus und legte sie zusammengefaltet auf einen Stuhl in der Nähe, widmete mich dann seinem Hemd, das ich langsam aufknöpfte. Wenn ich ganz ehrlich war, machte ich das gerade nicht ganz uneigennützig. Nachdem ich ihm das Hemd sowie die Socken auch ausgezogen und ebenfalls beiseite gelegt hatte, setzte ich mich wieder an den Bettrand und streckte zögerlich die Finger nach der glatten Haut aus. Langsam streichelte ich über Satsukis straffen Bauch, glitt mit der Hand über seine Seite hinab zu seiner Hüfte. Die Haut war wunderbar warm, so weich und glatt. Ich seufzte leise und ließ meine Finger zum Bund seiner Shorts wandern, hielt jedoch inne und nahm meine Hand schließlich von ihm. Schief lächelnd stand ich auf und deckte ihn zu, bevor ich mich wieder hinab beugte und ihm noch mal einen kleinen Kuss auf die Lippen drückte. „Schlaf gut…“, sagte ich leise und verließ die Wohnung.
 

ゼロ:

Ich sank zu Boden und versteckte mich unter dem Fenster neben dem Busch, während Karyu vor dem Gartentor stehen blieb und sich eine Zigarette anzündete. Ich regte mich nicht, tat als würde ich nicht existieren und wenig später war Karyu verschwunden. Ich schluckte und zog die Knie an, während ich versuchte, zu begreifen, was da eben gelaufen war. Karyu empfand offensichtlich etwas für Satsuki. Und was dachte Satsuki darüber…?

Lautlos seufzend verschränkte ich die Arme und lehnte die Stirn gegen meine Knie.

Ich wollte ihn…
 

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tbc~
 

Ich weise gekonnt darauf hin, dass das nächste Kapitel ein Adult-Kapitel wird :')

Aufwärmen.

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Dunkle Welten I

ゼロ:
 

Ich konnte nicht schlafen, ich wollte es auch gar nicht. Etwa eine Viertelstunde lag ich in Satsukis Bett, dann entschied ich mich dazu, doch aufzustehen. Ich ging zum Kleiderschrank, den ich langsam öffnete. Mir war kalt und ich wollte nicht in meinem T-Shirt umher laufen, und schon gar nicht nackt ins Bad gehen um mir meine Shorts zu holen, also streckte ich die Hand eher zögerlich nach dem Stapel Unterwäsche aus, um mir eine schwarze Boxershorts anziehen, zog mir dann einen grauen Pullover heraus, um ihn überzuziehen. Er war schlicht, aber wunderbar kuschelig. Lautlos seufzend ging ich vergnügt aus dem Schlafzimmer hinaus und durchstreifte leise das Haus. Es war das erste Mal, dass ich von Satsuki unbeobachtet war. Ich schaute mir einige Fotos auf einer Kommode an, auf jedem waren mir unbekannte Menschen abgebildet, aber manchmal war auch Satsuki selbst darauf. Er sah jünger aus, war vielleicht im Teenager-Alter.

Ich sah mir die Romane in seinem Bücherregal an, betrachtete das schwarze Klavier, das in der Ecke des Wohnzimmers stand, bevor ich an eine geschlossene Tür kam. Ob das das Arbeitszimmer war? Ich lauschte für einen Moment, doch da es still blieb, öffnete ich die Tür und warf unsicher einen Blick hinein. Es war ein kleines Zimmer, ausgefüllt mit 3 großen und breiten Bücherregalen, einem Holztisch mit Lampe und Stuhl sowie einem Lesesessel. Die Fensterbretter waren voller Pflanzen und Blumentöpfe… Neugierig ging ich hinein und sah mir die Bücher stirnrunzelnd an. Es schienen alles Sachbücher zu sein. Doch ich verließ das Zimmer nicht sofort wieder, sondern besah mir die einzelnen Titel genauer und suchte mir ein paar Bücher raus.

Ein Fehler.
 

砂月:
 

Ich verließ das Arbeitszimmer, um mir etwas zu trinken zu holen, warf aber vorher einen Blick ins Schlafzimmer. Ich bekam einen kleinen Schock, als ich Zero nicht mehr im Bett liegen sah. Ob er abgehauen war? Wieder einmal…?

Rasch drehte ich mich um und begann mich umzusehen, auch im Wohnzimmer war Zero nicht, allerdings fiel mir die geöffnete Tür zu meinem Lesezimmer auf. Stirnrunzelnd ging ich näher und bekam den nächsten Schock. Zero hockte in der Nähe der Regale vor einem Stapel aufgeschlagener Bücher – und schien zu weinen.

Kurz blieb ich reglos stehen, dann kniete ich mich neben ihn. „Zero? Ist alles in Ordnung?“ Erschrocken zuckte er zusammen und sah mich an, nachdem er sich über die Augen gewischt hatte. Er zog die Nase hoch und wandte den Blick wieder ab. Wahrscheinlich sollte mir das zeigen, dass nicht alles in Ordnung war. Was war los? Mein Blick fiel flüchtig auf die Bücher, die er sich rausgesucht hatte. Sie handelten von Kommunikation, Körpersprache, Linguistik, Psychologie, Traumdeutung, Traumata und ähnlichem. Ich hob die Augenbrauen. Was zur Hölle…? Er hätte sich Bücher zum japanischen Recht nehmen können, das hätte ich vielleicht weniger merkwürdig gefunden.

„Kann ich dir helfen?“, wollte ich leise wissen, woraufhin er sich zögerlich an mich lehnte. Ich schlang die Arme um ihn und drückte ihn sanft an mich, streichelte ihm tröstend über den Rücken. „Ist was passiert..?“, fragte ich nach einer Weile, doch Zero schüttelte nur leicht mit dem Kopf. Eigentlich konnten doch nur die Bücher daran schuld sein, dass er jetzt weinte. Der Inhalt musste ihn aufgewühlt haben. Was genau? Und warum?

„Es sind die Dinge, die du gelesen hast, oder?“, wollte ich wissen, woraufhin er sich leise schluchzend von mir löste und begann, die Bücher zu schließen und aufzustapeln. Fragend schaute ich zu ihm, als er aufstand und sie wieder in die Regale einordnete. Für einen Moment blieb er stehen und starrte die Bücher an, vielleicht sah er aber auch nur ins Leere, so genau konnte ich das nicht erkennen. Langsam stand ich ebenfalls vom Boden auf, doch unvermittelt sah er mich aus großen, panischen Augen an und drängte sich an mir vorbei. Er verließ das Zimmer so rasch, dass ich kurz verwirrt stehen blieb, bevor ich ihm hinterher ging. „Zero?“ Ich sah mich im Wohnzimmer um, aber er kam aus dem Bad und hatte seinen Mantel übergestreift sowie seine Jeans angezogen, seine Shorts und sein Oberteil, die wir vorhin im Badezimmer liegen gelassen hatten, in den Händen haltend. Ich runzelte irritiert die Stirn. „Zero, was ist denn los? Willst du etwa gehen…?“

Er warf mir einen kurzen Blick zu und nickte knapp, bevor er in den Flur ging und sich die Schuhe anzog. „Jetzt warte doch mal! Du kannst ruhig bleiben. Warum hast du es denn so eilig?“, wollte ich wissen, woraufhin er mich schwach anlächelte und den Kopf schüttelte, bevor er aus der Haustür war. Völlig perplex sah ich ihm hinterher.

Was war denn jetzt wieder passiert!?
 

ゼロ:
 

Ich war völlig durcheinander. Ich hatte schon vorher gezweifelt, bevor ich die Bücher geöffnet hatte. Bevor ich zu Satsuki gegangen war. Bevor ich ihn und Karyu zusammen gesehen hatte. Schon vorher war ich mir unsicher gewesen.

Was machte ich da eigentlich?

Doch erst seit ich Satsuki kannte, stellte ich mein Verhalten bewusst infrage. Es gab Dinge, die ich ihm erzählen wollte… Aber ich konnte nicht. Aus verschiedenen Gründen. Vielleicht ließ sich das ändern, vielleicht auch nicht. Ich würde alles noch mal durchgehen und neu durchdenken müssen. Das hieß auch, alles noch mal zu durchleben. Und das wollte ich nicht, dafür hatte ich keine Kraft.

Und würde es sich denn lohnen? Nein, wahrscheinlich nicht. Es war ein Fehler gewesen, sich auf Satsuki einzulassen. Wenn Karyu davon erfahren würde, wäre er sicherlich verletzt. Er empfand offensichtlich mehr für Satsuki, und ich wollte ihm nicht dazwischen funken. Karyu war mein bester Freund. Er war immer für mich da, wenn ich ihn brauchte und er verstand mich, auch ohne Worte. Niemals würde ich ihn verlieren wollen. Er war mir wichtiger als alles andere. Wichtiger als JEDER andere.

Lautlos seufzend steckte ich die Hände in die Manteltaschen, während ich weiter trottete. Flüchtig hob ich den Blick und hielt verschreckt inne. Oh nein. Nicht schon wieder. Diese 3 Männer da vorne waren mir nur allzu bekannt. Hastig sah ich mich um und versteckte mich in einer Seitengasse. Die durften mich nicht sehen, sonst würde es nur wieder Ärger geben. Ich griff nach meinem Handy und schaute durch meine Kontakte, aber dann steckte ich es doch wieder weg. Ich konnte nicht jedes Mal Karyu anklingeln, wenn Ärger im Anmarsch war.

Ich holte tief Luft und wartete ein paar Minuten ab, bevor ich die Seitengasse wieder verließ. Meine drei Freunde jedoch waren noch nicht an mir vorbei gegangen.

Sie standen nun so gut wie direkt vor mir.
 

4 Tage später…
 

砂月:
 

Etwas niedergeschlagen saß ich neben Karyu an der Bar und starrte ratlos meinen Drink an.

„Wie geht’s Zero?“, wollte ich beiläufig wissen, woraufhin er kaum merklich zögerte und mir schließlich einen Blick zuwarf. „Geht so. Hatte wieder Ärger“, antwortete ebenso beiläufig, wie ich gefragt hatte. Ich runzelte die Stirn und sah ihn fragend an. „Wie…ist das denn gemeint? Ist er in Ordnung?“

Seufzend griff Karyu nach seinem Glas. „Es..es geht ihm schon wieder besser“, antwortete er ausweichend und zuckte mit den Schultern.

„Karyu. Bitte…ich…“ Kurz zögerte ich und seufzte dann. „Ich hab ihn vor einigen Tagen das letzte Mal gesehen, er war bei mir und ist plötzlich einfach weg gerannt. Ich hab bis heute keine Ahnung, was ich falsch gemacht habe.“ Ich sah Karyu an. „Und dann erzählst du mir, dass er Ärger hatte. …bin ich daran schuld?“

Nun bekam Karyu große Augen und hob eine Augenbraue. „Nun mal langsam, Satsuki. Warum solltest du daran schuld sein?“ Er runzelte die Stirn. „Zero war also bei dir…? Warum denn? Wann genau, wenn ich fragen darf? Du weißt ja, aus ihm ist nicht viel herauszubekommen…“

Ich brummte leise und leerte meinen Drink. „Er war vor 4 Tagen bei mir. An dem Abend, an dem wir beide was trinken gegangen sind.“ Ich seufzte. „Er hat neben meinem Busch draußen im Kalten geschlafen. Ich hatte schon geschlafen und nicht mitgekriegt, dass er gekommen war und als ich morgens aufwachte und aus dem Fenster schaute, sah ich ihn in meinem Garten schlafen.“ Ich schnaubte. Ich fand es immer noch verrückt. „Ich hab ihn ins Haus geholt, damit er ein heißes Bad nehmen konnte…alles war ganz normal…und irgendwann später saß er vor meinen Bücherregalen, schmökerte in ein paar wissenschaftlichen Bänden und fing an zu weinen.“ Verwirrt sah ich Karyu an. „Ich weiß nicht, was ihn so mitgenommen hatte. Ich hab versucht ihn zu trösten, aber wenig später ist er aufgestanden und aus dem Haus verschwunden.“ Ich rieb Karyu nicht unter die Nase, dass ich mit Zero geschlafen hatte, das war mir einen Tick zu privat…

Nachdenklich legte der Blonde den Kopf schief. „Mach dir nicht so viele Gedanken. Zero ist schwer zu verstehen. Was hat er denn für Bücher gelesen?“, wollte er wissen, woraufhin ich überlegte und versuchte mich zu erinnern.

„Etwas zur Kommunikation, Psychologie…Traumdeutung… solche Sachen…“

Karyu hob misstrauisch eine Augenbraue. „Muss ich nachfragen, warum du solche Bücher hast?“

Ich sah ihn beleidigt an. „Ich hab auch Bücher zum Recht, oder zu verschiedenen Sprachen. Ich hab auch Kochbücher.“ Ich brummte verletzt. „Ich halte eben viel von Allgemeinbildung. Ich bin sehr interessiert an der Welt.“

Diese Worte zauberten ein Lächeln auf Karyus Lippen. „Okay, gut. Dann will ich nichts gesagt haben. Ich find das toll“, beteuerte er und sah wieder etwas ernster drein. „Wenn ich mir das so anhöre, was er gelesen hat…kann ich schon verstehen, dass er etwas durcheinander war. Er wird sich fachliche Meinungen zu seinen ganzen Problemen durchgelesen haben.“, meinte er trocken.

„Hm…ich weiß, dass er Alpträume hat…“, begann ich, doch Karyu unterbrach mich, schien überrascht.

„Hä? Wie das denn?“

„Er hat mal bei mir übernachtet, sehr spontan, und deswegen hab ich das mitbekommen. War ganz schön heftig.“

Karyu nickte. „Ja, da merkt man, wie ihm der Schock noch immer den Knochen steckt.“ Seufzend bestellte er sich einen Cocktail und wandte sich wieder mir zu. „Was immer damals passiert ist, es lässt ihn nicht los. Es verfolgt ihn bis in seine Träume. Deswegen das Traumdeutungsbuch. Und ich denke, dass er selbst ahnt, dass er ein Trauma davon getragen hat. Deswegen die Psychologie-Bücher. Und was die Kommunikation angeht…ich denke, das erklärt sich auch von selbst. Er hat aufgehört zu reden, und es ist schrecklich schwer, sich irgendwie mit ihm zu unterhalten…“

„Findest du?“

Verwirrt sah er mich an. „Ja, finde ich. Siehst du das anders?“

„Sicher ist es gewöhnungsbedürftig, aber…man muss einfach nur die richtigen Fragen stellen, dann klappt das schon. Ein Nicken oder Kopfschütteln reicht ja manchmal schon. Und wenn ich was erklärt haben will, dann schreibt er es eben auf.“ Ich musste lächeln. „Ich finde es immer wieder interessant, mit ihm SMS zu schreiben. Selbst da lerne ich immer wieder neue Seiten an ihm kennen.“ Ungläubig starrte Karyu mich an. „Was ist?“

„Uhm…wie oft schreibt er dir denn die Dinge auf, die ihm am Herzen liegen?“

Ich zuckte verwirrt mit den Schultern. „Na immer wenns nötig war. Und das so ziemlich jedes Mal, wenn wir uns gesehen haben.“ Ich seufzte. „Karyu, mir ist es egal, dass er nicht redet. Wenn ich ihm was zu sagen habe, tue ich es. Wenn mir eine Frage auf der Seele liegt, frage ich. Irgendwie kommen wir beide immer ins Gespräch, wenn auch nicht auf die herkömmliche Art und Weise.“

Stirnrunzelnd betrachtete Karyu mich, während ich seinen Blick unschuldig erwiderte. Was war?

Schließlich leerte er seinen Drink mit einem Zug. „Also pass auf. Denk mal genau drüber nach. Zero ist ein ganz normaler Mensch gewesen. Dann ist irgendetwas Schreckliches passiert, etwas, was ihn im Folgenden dazu bringt, mit dem Reden aufzuhören. Ich denke, es war seine freie Entscheidung. Aber ich glaube nicht, dass es eine Angst ist, aus derheraus er das macht. Denn er verhält sich auch immer noch wie ein normaler Mensch. Er weigert sich nur zu sprechen, allerdings kommuniziert er ja weiterhin mit dir. Am Anfang war es so, dass er uns völlig ignoriert hat. Aber schnell hat er sich immerhin so weit gefasst gehabt, dass er uns wieder in die Augen sah. Aufs Blicke austauschen beschränkte es sich sehr lange, zumindest was seinen Umgang mit Tsukasa und Hizumi angeht. Mir hat er schon recht schnell mit dem Kopf Andeutungen gemacht, bis er das bei Hizumi und Tsuka gemacht hat, hatte es auch wieder lange gedauert. Das hat er erst gemacht, als sie ihn mehr oder weniger wieder normal behandelten.“ Eindringlich sah er mich an. „Es kommt sehr, sehr selten vor, dass er mir eine Nachricht oder einen Zettel schreibt. Niemand anderem als mir hat er bisher den Gefallen getan und selbst wenn, beschränkt es sich vielleicht auf einmal im Monat. Sehr oft sind wir alle im Ungewissen, was er eigentlich will. Aber das stört keinen, weder ihn noch uns.“ Er machte eine Pause und ließ die Worte wirken. „Verstehst du, dass ich sehr überrascht bin, dass er regelmäßig mit dir Nachrichten und Zettel austauscht? Das tut er mit niemandem sonst. Er hat sich wohl dazu entschieden, dir mehr zu geben als allen anderen. Er muss dir unglaublich vertrauen.“ Er zögerte. „Ich würde furchtbar gerne wissen, was in ihm vorgeht. Meine Theorie bisher ist, dass er das Sprechen als sinnlos empfindet. Aber warum sollte das so sein? Weil niemanden seine Meinung interessiert? Dann bräuchte er komplett nicht mehr zu kommunizieren, aber wenn es um mich oder dich geht, lässt er mehr zu. Was soll das alles nur? Was hat das für einen Sinn? Er kann genauso gut endlich wieder den Mund aufmachen.“
 

Nach diesem Monolog seinerseits herrschte lange Schweigen. Ich wusste nicht, was ich darauf sagen sollte. Es waren viele Informationen auf einmal.

„O-okay…jetzt bin ich komplett verwirrt“, meinte ich schließlich und blinzelte ihn an. „Da du gerade so schön im Redeschwung bist, erzähl mir doch nun bitte, was ihm passiert ist. Du sagtest, er hätte Ärger gehabt.“

Langsam nickte er. „Es gibt Menschen, die kommen nicht damit klar, dass er schweigt. Und es gibt Menschen, die haben keine anderen Probleme und machen ihm welche. Sie lassen ihren Frust über die Welt oder was weiß ich an ihm aus, denn er liefert einen perfekten Grund. Er ist..das perfekte Opfer. Man kann nur allzu leicht etwas an ihm aussetzen. Und er kann sich nicht gut wehren.“ Er seufzte. „Zero ist körperlich nicht sonderlich stark. Er prügelt sich nicht. Keine Ahnung, ob er nicht will oder wirklich einfach nicht kann, weil er…“ Er zuckte mit den Schultern und lächelte verlegen. Tief seufzend schüttelte er den Kopf. „Es gibt so einiges, das ich nicht verstehe…“

Ich starrte ihn aus großen Augen an. „Willst du mir etwa sagen, dass er öfter verprügelt wird?!“

„Ja, das will ich“, antwortete Karyu leise und sah mich bekümmert an. „Es kommt nicht häufig vor, aber leider auch nicht sehr selten. Mehrmals im Jahr. Ich versuche auf ihn aufzupassen, aber ich kann ja nicht ständig bei ihm sein.“

Ich schluckte. „Als er als vor 4 Tagen mein Haus völlig durcheinander verließ, wurde er zusammen geschlagen? Vielleicht sogar noch auf dieser Straße?“, hakte ich mit ungewöhnlich hoher Stimme nach, woraufhin er den Kopf schüttelte.

„Satsuki, bleib ruhig. Mach dich nicht verrückt. Es war doch nicht deine Schuld. Und er wurde nicht zusammen geschlagen, okay? Er hat was abbekommen, aber er konnte weg rennen. Zero ist ziemlich flink und wendig…“, sagte er und versuchte zu lächeln, aber es missglückte ihm.

Ich legte eine Hand an die Stirn und schüttelte langsam den Kopf. „Ich glaub das einfach nicht.“, murmelte ich leise und sah Karyu an, nahm die Hand runter. „Was macht er jetzt?“

„Ihm geht’s ganz gut, glaub mir. Mach dir keine Sorgen.“, versicherte er mir, woraufhin ich langsam nickte.

„Okay.“
 

Später am Abend, als ich zu Hause war, griff ich nach meinem Handy. Ich dachte darüber nach, ihm eine Nachricht zu schreiben. Aber ich entschied mich anders.
 

ゼロ:
 

Verwirrt hob ich den Kopf. Mein Handy klingelte. Und es war nicht der SMS-Ton. Wer rief mich denn bitte an? Irgendwie neugierig tastete ich nach dem Gerät und warf einen Blick auf den Display. Satsuki. Satsuki?! Warum rief er mich denn an? Er wusste doch, dass das nicht brachte. Dennoch ging ich schulterzuckend ran.

Für einen Moment blieb es still. „Zero? Ich wollte hören, wie es dir geht. Ich hab mir Sorgen um dich gemacht, nachdem du so plötzlich gegangen bist…“, fing er zögerlich an und ein warmes Gefühl breitete sich in mir aus, was mich gleich daran denken ließ, dass es keine gute Idee gewesen war, den Anruf entgegen zu nehmen. Ich wollte Satsuki eigentlich möglichst vergessen, für Karyu. Aber…irgendwie vermisste ich ihn. „Ich hab gehört, was passiert ist“, fuhr er zögerlich fort, weswegen ich die Luft anhielt. Hatte Karyu mit ihm gesprochen? Alles ausgeplappert? Wie peinlich. Es war mir unangenehm. Dennoch legte ich nicht auf. „Es tut mir leid, ich hätte dich nicht so einfach gehen lassen sollen, dann wäre das bestimmt nicht passiert. Jedenfalls…hoffe ich, dass es dir wieder besser geht und alles in Ordnung ist. Wenn…wenn mal irgendwas ist, dann kannst du auch zu mir kommen okay? Ich bin für dich da, wenn du jemanden brauchst. Wenn Karyu mal nicht kann oder so…“ Völlig unsicher, so klangen Satsukis Worte. Ich war überrascht, dennoch legte sich ein kleines Lächeln auf meine Lippen und ich nickte, auch wenn er das nicht sehen konnte. „Tja, also…mehr wollte ich eigentlich auch nicht sagen.“ Er schwieg für einen Moment, Stille trat ein. So leise wie möglich atmete ich ein und aus, warum auch immer. Hatte ich Angst, die nächsten Worte zu verpassen? „Meld dich doch bei Gelegenheit bei mir. Ich würde dich gern wiedersehen.“ Und schon hatte er sich verabschiedet und aufgelegt.

Wie in Zeitlupe legte ich das Handy beiseite, mein Herz klopfte wie wild. Im ersten Moment freute ich mich so sehr über seine Worte – aber in der nächsten erstarb das Lächeln auf meinen Lippen. Langsam wurde mir klar, dass Satsuki es mir sehr schwer machen würde, ihn zu vergessen…
 

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tbc~
 

Und im nächsten Kapitel versucht sich Satsuki als heldenhafter Retter.

Dunkle Welten II

砂月:
 

Ich tippte mit dem Fuß leicht ungeduldig auf den Boden, während ich an der Kasse vom Konbini stand. Nicht, dass ich es sonderlich eilig hatte, aber hier zu stehen langweilte mich, und die unerfahrene Verkäuferin kam nicht ganz klar und alles zögerte sich hinaus.

Etwas gereizt verließ ich 5 Minuten später den Laden und suchte mein Auto auf. In den letzten Tagen hatte ich nicht sonderlich gute Laune gehabt, denn leider hatte sich Zero nicht bei mir gemeldet, so wie ich gehofft hatte. Und jeden Tag wurde ich irgendwie…enttäuschter. Ich war nicht sauer, nur enttäuscht. Mehr nicht. Dennoch kein gutes Gefühl…

In der Nähe meines Wagens blieb ich verwirrt stehen und starrte zur anderen Straßenseite. Stand da drüben an der Laterne wirklich Zero und rauchte? Ich blinzelte. Wenn man vom Teufel redet, kommt er um die Ecke? War das echt so?

Ich zuckte mit den Schultern und reagierte, anstatt weiter doof dazustehen. „Zero!“ Ich schaute umher und überquerte die Straße, rief nochmals seinen Namen, woraufhin er endlich den Blick hob. Seine Augen weiteten sich kurz, er war überrascht, mich zu sehen, fing sich aber wieder und zog an seiner Zigarette, bevor er mich schwach anlächelte.

„Hey, schön dich zu sehen.“, sagte ich freundlich und hob meine Tüte. „Ich war noch im Konbini und werde nach Hause fahren. Hast du noch was vor?“ Er schüttelte, misstrauisch wirkend, langsam den Kopf. Ich lächelte. „Ich kann dich nach Hause fahren, wenn du möchtest. Es liegt ja mehr oder weniger auf dem Weg. Hm?“ Fragend und bittend zugleich sah ich ihn aus meinen Kulleraugen an, weswegen er unsicher auf seiner Unterlippe knabberte. Warum zögerte er? Hatte er auf einmal Angst vor mir? „Oder…bist du mit jemandem hier? Was machst du überhaupt hier?“ Mir war nicht klar, dass es wie ein Verhör wirken konnte. Zero schüttelte den Kopf auf meine erste Frage hin, dann deutete er mit den Händen Spielbewegungen an, weswegen ich kurz die Stirn runzelte, dann erhellte sich mein Gesicht. „Hast du Bass gespielt?“ Er nickte leicht lächelnd. „Bandproben“, vermutete ich, woraufhin er wieder nickte. Die Stimmung wirkte leicht entspannter. „Also, kann ich dich mitnehmen?“

Zero zog ein letztes Mal an seiner Zigarette, schnippte sie dann beiseite und nickte. Ein Strahlen legte sich auf meine Züge. „Gut, das freut mich. Komm, mein Auto steht da drüben.“

Ich winkte ihn hinter mir her und widerstand dem Drang, ihn an die Hand zu nehmen. Als würde er gleich weglaufen. Oder ich wollte ihn einfach nur berühren.

Als wir im Auto saßen und uns angeschnallt hatten, warf ich ihm einen Blick zu. „Alles okay?“ Zero sah auf und erwiderte meinen Blick, lächelte leicht, bevor er nickte. Doch ich war nicht überzeugt. Irgendetwas war. Und ich hatte kaum eine Chance, es zu erfahren. Er wollte es mir nicht sagen, er würde es mir nicht sagen, er würde es mir auch nicht aufschreiben.

Ich nickte leicht zum Zeichen, dass ich verstanden hatte und startete den Motor.

Wir redeten die Fahrt über nicht, und er starrte die ganze Zeit aus dem Fenster. Gut, ICH redete nicht, Zero ja sowieso schon aus Prinzip nicht. Niemals. Bisher war es immer ein angenehmes Schweigen gewesen, das zwischen uns geherrscht hatte, aber nun lag irgendwas in der Luft. Zero hatte was und ich wollte wissen, was!

Ich sah ihn an, nachdem ich gegenüber seiner Wohnung eingeparkt hatte. „Zero, was ist los? Bist du sauer auf mich? Hab ich was Falsches gemacht? Du bist irgendwie anders…“, sagte ich leise, während er meinen Blick ausdruckslos erwiderte, dann senkte er den Kopf. Und schwieg. Zero antwortete mir nicht. Aber er stieg auch nicht aus.

Mein Blick verweilte auf ihm, er schien sich darunter immer unwohler zu fühlen. Ich seufzte leise. „Bitte Zero…hab ich was gemacht? Ein Kopfschütteln würde mir schon reichen.“, meinte ich schief lächelnd, wollte für Auflockerung sorgen. Der Bassist erwiderte das Lächeln nur schwach. Er zögerte, weswegen ich die Stirn runzelte. Was ging in ihm vor? Ich hielt inne und musste einen Augenblick nachdenken. Dann begann sich mein Herz plötzlich zusammen ziehen. „Okay, also letztens, da…hätten wir nicht miteinander schlafen sollen, oder? Ist es das?“

Zero sah mich aus großen Augen an. Hatte ich den Punkt getroffen? „…ist es das?“ Für einen weiteren Moment starrte er mich an, dann sah er aus dem Fronfenster, wirkte etwas aufgelöst und schnallte sich unvermittelt ab. Verwirrt betrachtete ich ihn, doch als er nach dem Türöffner griff, entriss mich das meiner Trance. „Jetzt warte doch mal! Zero, das kannst du mir nicht antun!“, rutschte es mir heraus, woraufhin er zusammen zuckte und mich wieder ansah. Seine Finger entfernten sich wieder von der Autotür.

Sein Blick hatte sich verändert. Aufmerksam sah er mich an, holte Luft, aber natürlich kam kein Wort über seine Lippen. Nun war ich es, der beiseite sah. Ich glaubte, zu viel gesagt zu haben. Unvermittelt spürte ich seine Hand auf meiner, weswegen ich ihn wieder anschaute. Das Ganze hier war ein Hin- und wieder Wegschauen. Anders ging die Kommunikation mit ihm ja nicht.

Und dann erkannte ich, dass er mich entschuldigend ansah. Sein Blick sagte: 'Es tut mir leid.' Aber was tat ihm denn leid?

Ein verzweifeltes Seufzen meinerseits bahnte sich an, während ich ihn aus traurigen Augen ansah, weil ich nicht verstand, was los war, was Zeros Problem war. Stumm erwiderte er meinen Blick, immer noch entschuldigend, doch dann beugte er sich vor und küsste mich sanft. Unsere Lippen verweilten reglos aufeinander, doch im nächsten Moment erwiderte ich den Kuss, erwachte aus der kurzen Starre, in die ich überrascht gefallen war.

Und auch Zero ging nun sicherer ran, bewegte seine Lippen fordernd gegen meine. Ich spürte schlanke Finger an meiner Jacke, die an dem Stoff zupften und mich näher zogen. Gern kam ich dem stummen Wunsch des Bassisten nach, schnallte mich nebenbei ab und konnte mich so dichter an ihn schmiegen. Die Wärme, die sein Körper ausstrahlte und mich umhüllte war so wunderbar.

Leise seufzte ich den Kuss hinein, hatte die Augen leicht geschlossen und genoss das Gefühl, doch als Zero mir spielerisch in die Unterlippe biss, sah ich ihm in die Augen. "Kann ich kurz mit reinkommen?", wisperte ich gegen seine weichen Lippen; woraufhin er diesmal nicht zögerte und sofort nickte. Er lächelte mich an und ein Stein fiel mir vom Herzen: was auch immer gewesen war, Zero schien sich davon losgemacht zu haben.

Ich erwiderte sein Lächeln glücklich, dann stieg er aus.
 

ゼロ:
 

Ich warf die Tür zu und sah kurz hinauf in den dunklen Himmel, der voller Sterne war. Ich seufzte wohlig, dann senkte ich den Blick und zuckte zusammen, als ich bemerkte, wer im Anmarsch war.

„Wen haben wir denn da?“

„Unser entlaufener, schweigsamer Welpe.“ Oh, wie ich diesen Namen hasste. Nur am Rande registrierte ich, wie die andere Autotür zugeschlagen wurde.

„Hat unser Hündchen denn mittlerweile dazu gelernt?“

Reglos starrte ich die drei jungen Männer an. Was machten die hier?! Die hatten hier nichts zu suchen!!

Ich atmete tief durch und widerstand dem Drang, zurück zu weichen und weg zu rennen. Sie kamen näher.

„Er redet ja immer noch nicht. Das enttäuscht uns aber“, sagte er der Erste angriffslustig, weswegen ich schluckte.

Unvermittelt legte sich ein Arm schützend um meine Hüfte. „Zero?“ Satsuki lächelte mich leicht an. „Alles okay“, fügte er leise hinzu. Es war zu meiner Überraschung keine Frage. Es sollte eine beruhigende Feststellung sein.

Die Männer lachten. „Hast du jetzt einen Beschützer?“

„Seit wann haben Hunde Beschützer?“

„Sollten nicht eigentlich Hunde diejenigen sein, die beschützen?“

Der erste lachte wieder. „Unser Pudel ist halt zu nichts fähig.“

„Nicht mal reden kann er.“
 

„Okay, das reicht jetzt.“, fuhr Satsuki dazwischen und trat einen Schritt vor, schob mich gleichzeitig ein Stück hinter sich.

Ja, er beschützte mich…

„Wollt ihr unbedingt Ärger?"

Ich starrte Satsuki ängstlich und aus großen Augen an. Er sollte sich besser nicht zu weit aus dem Fenster lehnen...

Die Situation erinnerte mich an unsere erste Begegnung. Das war bereits viele Wochen her, vielleicht schon 2 Monate. Da hatte ich ebenfalls Ärger gehabt und er hatte sich, obwohl er mich nicht kannte, für mich eingesetzt. Und ich war einfach abgehauen, verschwunden, hatte mich voller Furcht aus dem Staub gemacht.

Aber heute würde ich ihn nicht im Stich lassen.

"Da spuckt aber jemand große Töne!", sagte einer von ihnen hämisch.

„Wir sollten beiden ein paar Manieren beibringen.“

Ich schluckte und griff nach Satsukis Hand. Ich wollte ihn von hier wegziehen. Sie sollten sich nicht prügeln!

„Das könnt ihr ja gern versuchen“, zischte er zurück und drückte sanft meine Hand, wandte sich beruhigend lächelnd zu mir um. „Mach dir keine Sorgen, ich hab zwar keinen schwarzen Gürtel, aber dennoch genug Erfahrung.“

Aus großen Augen sah ich ihn an. Meinte er das jetzt ernst, sollte mich das trösten? Als ich ihn näher zu mir ziehen wollte, machte er sich von mir los.

Und dann ging alles so schnell.

Ich weiß nicht mehr, wer zuerst zugeschlagen hat. Aber ich weiß, dass alle drei auf Satsuki losgingen, der sich schützend vor mich stellte. Und anfänglich machte er sich erstaunlich gut. Er konnte Angriffe abwehren, aber teilte auch ab und an selbst aus. Doch schon bald war er von den Dreien umringt und ich bekam gar nicht mehr mit, was passierte. Doch was ich hörte, machte mir nur noch mehr Angst. Ich hörte die Schläge, die Treffer, die Laute, gemischt aus Wut und Schmerz.

Und als ich ein schmerzerfülltes Keuchen hörte, das ich klar Satsuki zuordnen konnte, hielt ich es nicht mehr aus. Ich musste mich einmischen. Zumindest versuchte ich es, wollte mich zu Satsuki durchschlagen, aber einer der Drei wandte sich zu mir um und fing mich ab. Auch wenn ich mich mit aller Kraft wehrte, es brachte nichts. Ich war zu schwach. Und im nächsten Moment wurde ich auf die Motorhaube von Satsukis Wagen geschleudert.

Ein ohrenbetäubender Alarm ging los, welcher mich anfänglich von den Schmerzen meines Körpers ablenkte. Ich bemerkte den Typen, der mich gepackt hatte. Er kam näher zu mir und holte schon aus, aber hinter ihm tauchte unvermittelt Satsuki auf und zog ihn weg, schlug ihm in den Magen.

„Lasst uns abhauen, der Alarm wird Leute anlocken!“, rief einer, woraufhin die beiden Anderen widerwillig von uns abließen. Ich sank zurück auf die Motorhaube und schloss kurz die Augen, versuchte mein gallopierendes Herz zu beruhigen. Die sich entfernenden Schritte hallten in meinen Ohren wieder.

„Zero…?“, hörte ich Satsukis leise Stimme, weswegen ich die Augen wieder öffnete und mich leicht aufrichtete. Doch dann schreckte ich zusammen. Er sah nicht gut aus. Überhaupt nicht gut. In seinem Gesicht war Blut, auf seinem Hemd, seiner Jacke.

Panisch starrte ich ihn an und streckte vorsichtig die Hände nach ihm aus. Er zitterte. Dennoch schenkte er mir ein schwaches Lächeln. „Lass uns bitte reingehen…“ Seine Stimme klang anders. Ich war beunruhigt, bekam aber ein Nicken zustande, woraufhin Satsuki mich vom Auto zog, das immer noch Lärm von sich gab. „Hört gleich wieder auf“, wisperte Satsuki in diesem Moment, und ich nickte, während ich einen Arm ihn legte um ihn zu stützen. Ich half ihm über die Straße und kramte nach meinem Schlüssel. Und als ich die blöde Tür endlich geöffnet hatte, hörte das nervige Brüllen der Alarmanlage auf. Sanft zog ich Satsuki mit in meine Wohnung, schloss die Tür und schlüpfte aus meinen Schuhen, bevor ich ihm aus den seinen half. Ich wollte ihn weiter ins Wohnzimmer bringen, aber er rührte sich nicht und sah mich an. „Warte, ich…ich blute doch.“, sagte er leise und schaute an mir vorbei ins Leere. „Ich will dir die Wohnung nicht vollsauen…“

Ich seufzte lautlos und zog ihn einfach mit mir, etwas kräftiger, da er sich wieder sträubte.

„Moment“, bat er mich nach kurzer Zeit schon wieder und ich blieb sofort stehen, denn sein Ton beunruhigte mich. Fragend sah ich ihn an, aber er starrte abwesend auf den Teppich, auf dem wir standen. Am liebsten hätte ich leise seinen Namen geflüstert. Allein dieser Drang zeigte, wie ernst es war. Und dass ich wirklich Angst hatte.

Im nächsten Moment entglitt er mir, es kam so schnell, dass ich ihn nicht wieder zu fassen bekam und er zu Boden sank, die Augen schloss – und sie auch nicht mehr öffnete.

Es hilft alles nichts...

ゼロ:
 

Ein innerer Schrei baute sich in mir auf. Ich verharrte reglos, bewegte mich für eine ungewisse Zeit nicht. Alles in mir konzentrierte sich aufs Atmen. Einatmen, ausatmen. Keine Panik. Bloß keine Panik. Ich konnte nichts machen, starrte lediglich auf den reglosen Körper am Boden. Meine Hände wurden feucht.

Ich musste ihm helfen! Langsam, wie in Zeitlupe, sank ich zu Satsuki auf den Boden und betrachtete ihn etwas klarer. Er blutete aus der Nase, die Lippen waren nicht nur an einer Stelle aufgeplatzt, sein rechtes Auge schien anzuschwellen. Und auch auf seinem Hemd war Blut, seine eine Hand hatte er sich blutig geschlagen, oh Gott, überall war Blut…!

Die Panik überkam mich nun endgültig. Kein Wort kam über meine Lippen, aber meine Atmung wurde immer schneller. In meinem Kopf wiederholten sich immer wieder die gleichen Worte, wurden zu einem Mantra. Oh mein Gott…

Tränen traten mir in die Augen, während ich Satsuki leicht an der Schulter rüttelte. Er sollte die Augen wieder aufmachen! Er sollte sich rühren, aufstehen, mir sagen, dass alles in Ordnung war! Aber er blieb bewusstlos. Ich rüttelte stärker an seiner Schulter, aber noch immer bewegte er sich nicht.

Ich konnte nichts für ihn tun. Irgendetwas war mit ihm, schließlich war er zusammen geschlagen worden. Was hatten sie ihm angetan? Hatten sie ihn so schwer verletzt?! Langsam rückte ich von Satsuki ab, rutschte beiseite. Ich konnte das nicht mit ansehen. Es tat so weh. Und ich hatte solche Angst… Einer Eingebung folgend griff ich in meine Jackentasche und holte mein Handy hervor, jedoch zitterten meine Hände so sehr, dass es mir entglitt und klappernd auf dem Boden landete. Ich ließ es dort liegen, tippte mit den Fingern auf das Display und schon wurde Karyus Nummer gewählt. Angerufen hatte ich schon so lange niemanden mehr… Schluchzend schlug ich mir Hände vors Gesicht, während ich über das Handy gebeugt hockte. Ich konnte das alles gar nicht fassen, was, wenn Satsuki schwerer verletzt war als es zuerst ausgesehen hatte? Was wenn Karyu nicht rangehen würde…?! Was sollte ich dann machen? Vielleicht verblutete mir Satsuki hier in meiner Wohnung, während ich gelähmt vor Angst war…
 

„Zero?“, hörte ich Karyus ungläubige Stimme wenig später, sie war leise, da ich nicht den Lautsprecher eingeschaltet hatte. „…Zero? Bist du das? …was ist denn?“ Ich schluchzte wieder und presste die Hand auf meinen Mund, versuchte mich zu beruhigen. Es wurde immer schlimmer, ich würde bald wirklich durchdrehen. Karyu wurde am anderen Ende unruhig. „Hey, Zero, sag mir was los ist. Du rufst doch nicht umsonst an“, sagte er nervös und ich konnte mir nur zu gut vorstellen, wie er die Stirn runzelte. Ich atmete etwas abgehackt, während ich versuchte, etwas zu sagen. Irgendwas musste ich doch sagen! Ich kniff die Augen zusammen, dachte an Satsuki. Ich musste ihm helfen! Oder ihm wenigstens Hilfe zukommen lassen! Wieder entfuhr mir ein Schluchzer.

„..Hilf mir…“, brachte ich äußerst leise und mit brüchiger Stimme hervor. „…Sa-satsuki…“ Es war nur noch ein Flüstern und schließlich brach mir die Stimme weg, bevor ich zu weinen begann. Für einen Moment trat Schweigen an, ich glaubte, Karyu nach Luft schnappen zu hören. Dann antwortete er mir. „Rühr dich nicht vom Fleck, ich bin sofort bei dir! Du bist zuhause, ja?“ Ich gab nur einen leisen, wimmernden Laut von mir, in der Hoffnung, dass Karyu das als Ja auffassen würde. „Ich bin schon unterwegs“, erwiderte er atemlos und legte auf. Ich wusste, dass er etwa 15 Minuten brauchen würde.

15 Minuten, in denen ich alleine mit Satsuki war. 15 Minuten, in denen ich mich hilfsloser als je zuvor fühlte. 15 lange, einsame und qualvolle Minuten…

Tränen liefen mir in Bächen über die Wangen, während ich mich gegen meine Couch lehnte, mit dem Gesicht zu Satsuki, der immer noch auf der Seite lag mit geschlossenen Augen. Atmete er überhaupt noch?

Ich machte die Augen zu und zog die Knie an, vergrub das Gesicht in den Händen und weinte hemmungslos vor mich hin. Es war alles meine Schuld…meinetwegen lag er jetzt da…hätte ich doch nur nicht zugesagt, dass er mich nach Hause fahren durfte, dann wäre das nicht passiert. Verdammte Scheiße!

Noch 13 Minuten…
 

Wieder war ich dort, lag auf der kalten, nassen Straße in dieser Pfütze. Der ganze Tag war schon verregnet gewesen. Jetzt war es dunkel, man sah die Wolken nicht mehr, den Mond ebenfalls nicht…

Als ich den Kopf hob, sah ich meinen Schulfreund nur wenige Zentimeter von mir entfernt liegen. Der Lichtkegel eines herannahenden Autos näherte sich, kam zum Stillstand und beleuchtete uns. Ich hörte Stimmen, konnte mich aber nicht mehr rühren. Ich konnte nur sehen. Ich sah, wie er gepackt wurde, dann spürte ich einen festen Griff um meine eigenen Beine. Ich wurde weg gezogen, runter von der Straße, sah den panischen Ausdruck in den Augen meines Schulfreundes, und als ich begriff, fing ich an zu schreien, so laut ich konnte…
 

Der Schrei blieb mir im Halse stecken, da es plötzlich an der Tür klingelte. Ich schreckte zusammen und hob den Kopf. Ich hörte Schritte im Treppenhaus, dann wurde an die Wohnungstür geklopft. Ich stand nicht auf. Ich reagierte nicht, sondern starrte nur in Richtung der Tür. Ich konnte nicht aufstehen, ich wollte auch nicht… ich war gelähmt vor Angst. Ich musste in die Realität zurück finden, aber die war momentan fast genauso schlimm wie meine Vergangenheit.

Im nächsten Moment öffnete sich die Tür einfach. Karyu hatte ja meinen Zweitschlüssel…Gott sei dank.

Er starrte mich aus großen Augen an und blieb in der Wohnzimmertür stehen. „Zero, um Gottes Willen, was ist passiert? Bist du verletzt?!“ Ich, verletzt…? Langsam schüttelte ich den Kopf. Ich hatte nicht bemerkt, dass ich Blut an den Händen und nun auch im Gesicht kleben hatte, nachdem ich Satsuki angefasst hatte…

Karyus Blick wanderte umher und er entdeckte den Blonden. Scharf sog er die Luft ein, dann kam er herein gerannt, und ich registrierte, dass er die Schuhe vergessen hatte auszuziehen.

Ich beobachtete Karyu, wie er sich zu Satsuki hinkniete und ihn ansprach. „Hey, Satsuki, komm zu dir! Mach die Augen auf, ich bitte dich! Satsuki! …hey…“ Ein abwesender, wimmernder Laut war zu hören, Satsukis Kopf bewegte sich. Er kam tatsächlich zu sich…

„Jag mir nicht so einen Schrecken ein“, sagte Karyu etwas weniger panisch und ich bemerkte, wie Satsuki zu mir sah. Er schien leicht zu lächeln, schaute dann Karyu an.

„..Mir geht’s gut…“

„Ja natürlich, das sehe ich.“, erwiderte mein Gitarrist ironisch und schien nachzudenken. In diesem Moment schloss Satsuki wieder die Augen. Diesmal kam er nicht wieder zu sich. „Verdammt“, murmelte Karyu und fischte sein Handy aus seiner Manteltasche. „Ich werd einen Krankenwagen rufen“, rief er mir über die Schulter zu und atmete tief durch, während er sich das Handy ans Ohr hielt.
 

10 Minuten später waren die Sanitäter endlich da. Karyu hatte mir aufgeholfen und einen Arm um mich gelegt. Er schwatzte mich den Sanitätern auf, da er sicher gehen wollte, dass ich nicht verletzt war. Dabei wies er sie darauf hin, dass ich nicht sprach und sie sich nicht wundern sollten.

Während ich bei Satsuki im Krankenwagen saß und mich immer unwohler fühlte, da meine Schuldgefühle mit jeder Minute zunahmen, fuhr Karyu uns mit dem Auto hinterher. Er setzte sich in den Warteraum, während Satsuki und ich behandelt wurden. Mir war nicht groß zu helfen, ich hatte mich nicht verletzt. Ich hatte mich nicht geprügelt, wieder hatte Satsuki mich beschützt…

Mit leerem Blick tappte ich wenig später zu Karyu und setzte mich schweigend neben ihn. Er sah mich an und legte schließlich eine Hand auf meine Schulter. „Alles in Ordnung?“ Ich nickte leicht, ja, mit meinem Körper war alles okay. Aber ich machte mir Sorgen um Satsuki… „Da bin ich beruhigt“, fuhr Karyu leise fort und legte die Hände in den Schoß, während er sich zurück lehnte. „Ich hab noch nichts weiter gehört…“

Ich spürte seinen Blick wieder auf mir, wahrscheinlich brannte ihm die Frage auf der Zunge, was passiert war, aber ich hatte jetzt keine Möglichkeit, es ihm zu erzählen und ich wollte auch nicht. Ich wollte hören, dass es Satsuki gut ging, dass er wieder in Ordnung kam. Das war das einzige, woran ich denken konnte.

Ich weiß nicht, wie lange wir da noch saßen. Wir starrten schweigend vor uns her ins Leere und warteten. Es war auch nicht viel los auf der Station. Es mochte schon Mitternacht sein, als schließlich eine Ärztin zu uns kam um uns aufzuklären. „Ihm geht es den Umständen entsprechend gut. Es ist nichts gebrochen, keine ernsthaften Schäden sind entstanden. Er braucht viel Ruhe um sich zu erholen, aber…er wird wieder“, meinte die Medizinerin und lächelte zuversichtlich. „Was ist denn genau passiert? Ich denke, die Polizei sollte gerufen werden. So wie ich das sehe, wurde Ihr Freund verprügelt.“ Ich sah sie nur ausdruckslos an, doch Karyu nickte. „Das scheint der Fall zu sein, aber…wir wissen es auch nicht.“ WIR wissen es nicht? Ich warf Karyu einen kurzen Blick zu, aber er sah die Frau unschuldig an, welche schließlich seufzend nickte.

„Na gut, warten wir ab, bis Ihr Freund aufwacht, vielleicht kann er erklären, was ihm passiert ist.“

„Können wir ihn sehen?“ Der Blick der Ärztin wurde streng. „Bitte, nur ganz kurz! Wir sind auch leise und machen nichts, wir wollen ihn nur kurz sehen…“ Wieder seufzte die Frau, dann nickte sie. „Kommen Sie mit. 5 Minuten, nicht länger!“

Erfreut nickte Karyu und ging los, folgte der Ärztin, doch als er merkte, dass ich ihnen nicht folgte, blieb er stehen und drehte sich zu mir um. „…Zero? Was ist? Komm schon.“

Aber ich schüttelte den Kopf und sah ihn entschlossen an. Ich wollte da nicht rein. Es reichte mir zu wissen, dass es ihm gut ging. Jetzt war es endgültig Zeit, Abstand zu halten. Ich winkte Karyu und wandte mich zum Gehen. „Zero, halt! Wie kommst du denn nach Hause? Ich lass dich nicht allein!“ Ich warf ihm einen kühlen Blick über die Schulter zu, weswegen er inne hielt. „Zero…“ Nochmals schüttelte ich den Kopf, dann verschwand ich aus dem Krankenhaus.

Ich kam mir ihm gegenüber schon ein bisschen schlecht vor, aber ich wollte Satsuki nicht sehen. Ich würde nur wieder weich werden und ihn gar nicht mehr alleine lassen.

Ich fuhr mit der U-Bahn heim und kam wohlbehalten zu Hause an. Niemand störte sich diesmal an mir und meinem Schweigen. Ich versuchte, nicht allzu viel über das Geschehene nachzudenken. Ich trank ein wenig, schluckte meine Schlaftablette und legte mich ins Bett. Bevor ich einschlafen konnte, erhielt ich eine Nachricht von Karyu, in der er mich fragte, ob ich gut zu Hause angekommen war. Ich antwortete ihm knapp und schaltete mein Handy aus. Ich wusste nicht, ob ich froh sein oder verzweifeln sollte ob der Tatsache, dass zurzeit kaum Arbeit anlag.

Denn irgendwie wollte ich mich beschäftigen. Ich musste mich ablenken, etwas tun. Hoffentlich würde mir morgen früh was einfallen, sonst würde ich noch am Zeiger drehen.

Noch eine ganze Weile lag ich im Bett, wälzte mich hin und her bis irgendwann die Schlaftablette wirkte.
 

Am nächsten Morgen wachte ich durch das Klingeln meines Telefons auf – auch wenn es sinnlos war, eines zu besitzen, da ich es eh nicht mehr nutzte. Aber aus irgendeinem Grund hatte ich es noch nicht entsorgt. Es musste ja unglaublich wichtig sein…

Ich quälte mich aus dem Bett und schlurfte in den Flur, wo mein Telefon stand. Lautlos seufzend nahm ich ab und wartete. „…Zero?“, drang nach kurzer Stille Karyus Stimme zu mir durch, woraufhin ich nur hörbar ausatmete. Was wollte Karyu…? „Du reagierst gar nicht auf meine SMS. Sogar angerufen hab ich dich und nichts passiert. Ich hab mir schon Sorgen gemacht. Ich frag gar nicht erst, was du da treibst, aber mir liegt eine andere Sache auf dem Herzen“, sagte er knapp. „Ich will, dass du heute im Laufe des Tages ins Krankenhaus kommst. Satsuki hat nach dir gefragt. Er will dich sehen. Und ich würde es auch nur gerecht finden, wenn du ihn besuchen gehst, schließlich hat er dir den Arsch gerettet.“ Karyus Stimme klang angespannt und ein gewisser Vorwurf war heraus zu hören. Ich senkte den Blick. Satsuki hatte ihm also alles erzählt. „Vielleicht sehen wir uns da ja. Geh zu ihm.“ Er verabschiedete sich und legte auch schon wieder auf. Eine Weile starrte ich den Hörer an, dann legte ich ihn beiseite und kroch wieder ins Bett.

Einerseits schien es Karyu wirklich wichtig zu sein, dass ich kam. Satsuki hatte sogar nach mir gefragt…er wollte mich sehen. Aber wollte ich ihn sehen? Ich hatte ihn in Schwierigkeiten gebracht und eigentlich hatte ich ihn auch nicht mehr treffen wollen, sondern lieber vergessen wollen, um Karyus Willen. Wenn mein Gitarrist erfuhr, dass Satsuki und ich was am Laufen hatten, würde ihn das sehr verletzen. Und er war doch mein bester Freund, ich konnte und durfte ihm nicht weh tun…

Würde ich Satsuki im Krankenhaus besuchen, würde es alles schwieriger für mich machen…aber raus kam ich aus der Sache wohl nicht. Karyu war jetzt schon sauer, dass ich gestern einfach gegangen war und außerdem fühlte ich mich dazu verpflichtet, Satsuki den Wunsch zu erfüllen, schließlich lag er meinetwegen im Krankenhaus…danach konnte ich meinen Vorsatz immer noch in die Tat umsetzen.
 

Erst am frühen Nachmittag konnte ich mich aufraffen und verließ die Wohnung in Richtung Krankenhaus. Mir war nicht ganz wohl, aber ich riss mich zusammen. Mir würde ja niemand das Ohr abbeißen, es würde nichts Schlimmes passieren, redete ich mir ein, um mich zu beruhigen.

Nervös betrat ich das Krankenhaus. Ich wusste nicht, wo Satsuki genau lag… Nachdem ich Karyu eine SMS geschickt und eine rasche Antwort darauf bekommen hatte, setzte ich mich wieder in Bewegung und suchte das Zimmer auf. Karyu war nicht hier im Krankenhaus...ich war allein mit Satsuki. Ob das gut oder schlecht war, konnte ich noch nicht beurteilen.

Zögernd klopfte ich an und betrat das Einzelzimmer. Satsuki war wach und starrte aus dem Fenster zu seiner Linken, doch als er die Tür hörte, wandte er den Kopf mir zu und ein schwaches Lächeln huschte über seine lädierten Gesichtszüge. Langsam kam ich näher, konnte mir kein Lächeln abringen, denn er sah mitgenommen aus. Sein Auge hatte sich blau gefärbt, und einige Pflaster und Kratzer zierten sein Gesicht. Er hob den Arm leicht an und winkte mir, dabei fiel mir auf, dass seine Hand verbunden war. „Hi… Setz dich doch…“, sagte er leise, woraufhin ich mich zögerlich ans Bett auf einen Hocker setzte. „Alles okay mit dir?“, wollte er wissen, was mir beinahe ein Lächeln entlockte. Er fragte mich? Hätte nicht ich IHN das fragen müssen? Ich hob zur Antwort nur eine vage eine Schulter. Ich wollte, es wäre alles in Ordnung…

Ich senkte den Blick und starrte die Hände in meinem Schoß an. Was machte ich hier? Ich sollte gehen… Plötzlich spürte ich seine verletzte Hand auf meinem Kopf. „Du siehst müde aus…“ Überrascht sah ich ihn an. Ja, ich war müde, denn ich hatte die halbe Nacht wach gelegen. Wegen ihm… Er lächelte mich leicht an und drückte meinen Kopf sanft zu sich auf den Bettrand. „Mach’s dir gemütlich“, fügte er kaum hörbar hinzu und ich hob die Arme mit darauf, um meinen Kopf auf ihnen zu betten. Ich hatte ihm nichts zu sagen, und er selbst schien auch noch erschöpft zu sein, war vermutlich nicht zum große Reden schwingen in der Lage. Satsuki nahm die Hand von meinem Kopf und legte sie auf einen meiner Arme. Und so ruhten wir uns beide beieinander aus. Dann war wenigstens der Teil meines schlechten Gewissens getilgt, der sich dafür schämte, ihn alleine zu lassen. Auch wenn ich wirklich müde war, so wagte ich es nicht, richtig einzuschlafen. Würde ich in einen allzu tiefen Schlaf fallen, würde ich ohne Schlaftablette nur wieder Alpträume bekommen. Und dass ich begann, im Schlaf um mich zu schlagen, konnte Satsuki nun wirklich nicht gebrauchen.
 

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tbc~
 

Entweder wird das nächste Kapitel etwas länger, weil ich den Adult-Teil mit reinnehme, oder es wird normal lang und ich mach einen extra Adult-Teil im übernächsten Kapitel. Bin so entscheidungsunfreudig ^^;;

...nichts hält mich von dir fern.

砂月:
 

Als ich die Augen öffnete, weil ich durch die Tür geweckt wurde, war Zero nicht mehr da. Dabei war ich mir sicher, nicht lange geschlafen zu haben… Ich seufzte leise.

„Du freust dich ja, mich zu sehen.“ Überrascht sah ich auf.

„Karyu, du bist es.“ Ein leichtes Lächeln legte sich auf meine Lippen. „Tut mir leid, ich…natürlich freu ich mich, dich zu sehen. Es ist nur… Hast du Zero gesehen?“, wollte ich wissen und sah ihn fragend an, woraufhin er den Kopf schüttelte.

„Nein, hab ich leider nicht…“

„Er war hier, vorhin….aber ich bin eingeschlafen. Ich dachte…dass er länger bleiben würde…“

Matt lächelnd setzte sich Karyu zu mir ans Bett. „Sag mal…ich will dir nicht zu nahe treten, aber…“ Er machte eine kurze Pause und sah mich vorsichtig an. „Zero ist mein Freund, er ist mir wirklich wichtig. Und er ist der Bassist meiner Band, ich sollte wissen, was in ihm vorgeht.“ Er seufzte. „Es ist schwer, wenn nicht sogar unmöglich, etwas über ihn zu erfahren. Also wenn du etwas weißt über ihn…dann sag’s mir bitte.“ Er sah mich ernst an. „Ich will mich darauf einstellen können, was in ihm vorgeht.“ Wieder entstand eine Pause. „Was läuft da zwischen euch? Er gibt dir..so viel Aufmerksamkeit.“ Er lächelte gequält. „Und du..ihm.“

Ich runzelte leicht die Stirn und zögerte mit einer Antwort. War Karyu…eifersüchtig? Seufzend starrte ich die Decke an. „Ich..ehm…es tut mir leid. Ich will ihn dir nicht wegnehmen…“, sagte ich schließlich leise und bekam nicht mit, wie seine Augen sich für kurze Zeit weiteten.

„Es geht mir um dich…“

Ich hielt inne und sah ihn überrascht an. „…oh.“ Er nickte langsam und senkte den Blick. „Ich-..tut mir leid. also…“, versuchte ich den Faden wieder aufzunehmen, aber so ganz gelang mir das nicht.

„Also zwischen dir und Zero, was läuft da?“, half er mir, woraufhin ich seufzte. Mehr denn je war ich der Meinung, dass es besser war, er erfuhr nichts.

Ich schluckte. „Gut, ich bin ehrlich zu dir. Genau sagen kann ich dir auch nicht, was das für eine Sache zwischen uns ist. Aber Tatsache ist, dass Zero und ich uns mögen. …und dass wir miteinander geschlafen haben…2 Mal.“

Als Karyu nichts darauf erwiderte, schaute ich ihn an. Blinzelnd erwiderte er meinen Blick. Und ich sah die Enttäuschung in seinen Augen, er war sichtlich verletzt. „Entschuldige…“

Langsam schüttelte er den Kopf. „Nein, du…du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Ist schon okay“, murmelte er kaum hörbar und senkte den Blick. Ich fühlte mich schrecklich unwohl. Und so taktlos und unsensibel.

Es wurde still und er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. Ich wandte den Blick ab und starrte aus dem Fenster. „…aber wir sind nicht zusammen, oder so was, falls du das denkst.“, fügte ich nach einer Weile leise hinzu, woraufhin ich Karyus Blick wieder auf mir spürte.

„Wärst du es denn gerne? Mit Zero zusammen…?“

Gequält sah ich ihn an, aber er blieb bei seiner Frage, er wollte wirklich eine Antwort darauf. Ich seufzte. „Ja, ich denke schon…ich hab ihn sehr gern und…ich hätte ihn gerne hier…“, sagte ich leise und schloss kurz die Augen. War es richtig, Karyu das zu sagen? Ich tat ihm doch damit nur weh.

„Ich verstehe… Danke, dass du mir das erzählst.“ Er lächelte mich schwach an. „Ich…ich schau später noch mal nach dir.“, fügte er hinzu und stand auf, weswegen meine Augen groß wurden.

„Karyu, warte! Bitte, du musst doch nicht gleich gehen.“

„Ich brauch nur..kurz Zeit für mich…“, erwiderte er und sah mich entschuldigend an. „Bis später…“

Und schon war er aus der Tür verschwunden. Noch eine Weile starrte ich zur Tür, durch die Karyu gegangen war. Ich schlug die Hände vors Gesicht, ignorierte den Schmerz dort. Jetzt hatte ich Karyu verletzt und vergrault, und Zero hatte sich ebenfalls wieder verändert, er mied mich, das spürte ich.

Und das tat weh. Jetzt lag ich hier alleine in dem Krankenzimmer und wusste nichts mit mir anzufangen. Ich hatte das Gefühl, was Dummes angestellt zu haben, ich fühlte mich wirklich nicht wohl. Irgendwie musste ich das was hinkriegen, denn ich hatte nicht das Gefühl, dass Karyu noch mal wieder kommen würde. Und Zero auch nicht.
 

ゼロ:
 

Ich lag auf dem schwarz-weiß gemusterten Boden meiner Küche und starrte, seitdem ich zurück gekommen war, an die Decke. Vielleicht lag ich hier seit 30 Minuten, vielleicht aber auch schon 2 Stunden. Das Zeitgefühl hatte ich verloren. Ich fühlte mich schrecklich. Satsuki war eines besten Dinge, die mir in meinem bisherigen Leben passiert waren, und ich musste ihn von mir weisen, um Karyu nicht zu verletzen. Denn mein Gitarrist hatte auch erkannt, dass Satsuki ein toller Mensch war. Ich seufzte. Ich war einfach für Einsamkeit vorgesehen. Sicher konnte man behaupten, dass ich daran selbst schuld war, da ich nicht redete – aber die Welt hatte mir ebenso einen guten Grund dafür gegeben. Ich befand mich in einer Sackgasse.

Ich zuckte heftig zusammen, als mein Handy klingelte – nicht der SMS-Ton wohlgemerkt. Was war denn in letzter Zeit nur los?! Ständig diese Anrufe. Ich fischte mein Handy aus der Hosentasche. Karyu. Ich nahm ab.

Eine Weile herrschte Schweigen, weswegen ich schon verwirrt die Stirn runzelte, aber nach ein paar Sekunden fing er an zu reden. „Ich hab gehört, du warst vorhin bei Satsuki…“ Eine lange Pause entstand, in der ich ihn nur atmen hörte. „Du solltest wieder zu ihm gehen.“ Irritiert blinzelte ich. Sollte ich das…? Das wollte Karyu doch nicht wirklich… „Ich weiß, du magst ihn doch sehr. Und er wartet auf dich.“ Karyu seufzte. „Zero, ich will nicht taktlos werden, aber er liegt deinetwegen im Krankenhaus. Und er will dich bei sich haben. Also los. Erfüll ihm den Wunsch.“

Mein Atem stockte. Was war das denn? Irgendwie brachten mich die Worte durcheinander. „Grüß ihn von mir. Wir beide sehen uns demnächst bestimmt, ja?“ Schon verabschiedete er sich, selbst wenn ich gewollt hätte, hätte ich nicht nachfragen können.

Ich seufzte. Ich hatte keine Ahnung, was mir das nun sagen sollte. Was hatte Karyu davon? Wieso trieb er mich freiwillig in Satsukis Arme? Nicht nur Satsuki selbst, auch Karyu machte es mir schwer. So würde ich doch nie von dem Sänger weg kommen… Mir war nach Heulen zumute.
 

Im Endeffekt ging ich Satsuki doch nicht besuchen. Ich hatte ein furchtbar schlechtes Gewissen, denn ja: Karyu hatte Recht, Satsuki lag meinetwegen im Krankenhaus. Und dennoch…für Karyu war es besser, wenn ich nicht ging. Wenn ich mich von Satsuki fern hielt – Karyu war mein bester Freund. Da machte man das doch so…oder?

3 Tage später kam er bei mir vorbei, um was zu trinken – und weil er sich langweilte. Genauso wie ich. Zur Zeit war nicht viel los. Und ich hatte noch weniger zu tun als die Anderen, denn ich wurde für Interviews nie eingesetzt.

Er nahm das Bier entgegen, das ich ihm hinhielt und sah mich an, während ich mich zu ihm auf die Couch setzte. „Ich will dich nicht nerven, aber…du warst nicht bei Satsuki.“ Lautlos seufzend wandte ich mich ihm zu und schüttelte stirnrunzelnd den Kopf. Von dem Thema wollte ich nichts hören. Verwirrt hob er eine Augenbraue. „Wie was, nein? Warum warst du nicht da? Ich hab doch gesagt, du solltest besser hin. Das ist das mindeste, was du für ihn tun kannst.“ Ich verdrehte eindeutig die Augen und piekte ihm gegen die Schulter. Er sollte ruhig sein. Oder das Thema wechseln. Karyu nahm einen Schluck Bier, stellte die Flasche ab und verschränkte die Arme. „Noch liegt er im Krankenhaus. Du kannst hingehen. Er hat schon wieder nach dir gefragt.“ Meine Augen wurden schmaler und ich sah ihn böse an, schüttelte erneut langsam den Kopf. Drohend.

Karyu knurrte. „Aha, schön, du willst nicht drüber reden. Gut. Ist okay. Aber es ist wirklich deprimierend, immer wenn ich ihn besuchen gehe, und das ist jeden Tag, fragt er mich als allererstes, ob du dich hinter ihm versteckst. Das ist wirklich…traurig. Ich müsste mir das Gejammer nicht mehr anhören, wenn du ihn einmal besuchen würdest.“, maulte er, woraufhin ich nur mit den Schultern zuckte. Ich schaltete auf stur. Und das sah er auch meinem Blick an. Resigniert seufzte er und nahm wieder seine Flasche Bier.

Wir verfielen in unser allwöchentliches, abendliches Biertrinken. In Stille.
 

砂月:
 

Mit der Packung Zigaretten in der Hand stand ich vor dem Club und betrachtete unentschlossen die Tür. Sollte ich reingehen? Mich sinnlos betrinken? Sollte ich draußen bleiben und eine rauchen? Meiner Gesundheit vielleicht dauerhaft schaden? Oder sollte ich nicht besser nach Hause gehen und etwas von der Arbeit aufholen, die in den 4 Tagen liegen geblieben war, an denen ich im Krankenhaus gelegen hatte?

Theoretisch gesehen würde ich auch immer noch dort sein, aber ich war früher gegangen. Ich hatte ja keine schwere Operation hinter mir. Mir ging es schon wieder gut. Ich wusste nicht, warum die Ärzte mich noch länger hatten behalten wollen.

Ich entschied mich, zuerst hinein trinken zu gehen, dann würde ich vielleicht eine rauchen und erst danach würde ich mich auf den Heimweg machen. Ja das war ein Plan.

Nach dem 5. oder auch 6. Drink zog es mich auf die Tanzfläche. Ich mischte mich unter die Anderen und ließ mich, wie ich es sonst auch auf der Bühne tat, von der Musik leiten. Immer mal wieder schmiegte ich mich an den ein oder anderen an, spielte und flirtete ein bisschen, während ich tanzte. Ich fühlte mich besser. Nicht mehr so vor den Kopf gestoßen. Denn ja, Zero hatte mir vor den Kopf gestoßen und mich enttäuscht. Und ich schämte mich dafür, Karyu so auf die Nerven gegangen zu sein, denn ständig hatte ich ihn nach Zero gefragt. Wahrscheinlich hatte ich ihn mit der Fragerei verletzt. Es war taktlos gewesen, jetzt, wo ich doch sogar darum wusste, dass er Gefühle für mich hatte…

Ich schob die deprimierenden Gedanken beiseite und konzentrierte mich wieder aufs Hier und Jetzt. Aufs Tanzen. Auf die Frauen und Männer, die mit mir flirteten. Als sich jemand von hinten sanft gegen mich drückte, schloss ich kurz die Augen und erwiderte die Berührung, schmiegte mich gegen den Körper. Mh~ das war ein wohlgeformter Po, der sich da gerade gegen meinen drückte. Ein fremder Kopf legte sich leicht auf meiner linken Schulter ab, was mir ein Lächeln entlockte. Ich passte mich den Bewegungen an, tanzte noch etwas zur Musik, aber als der Song endete und in den nächsten, etwas langsameren überging, wandte ich mich um – und erkannte Zero schon von hinten, allein an den fast schulterlang dunklen, leicht gelockten Haaren, dem zierlichen Körper. Ich ließ mir meine Überraschung nicht anmerken und legte kurzerhand die Arme um seine Mitte. Er hatte wahrscheinlich noch gar nicht gemerkt, dass er die ganze Zeit über mich antanzte. Und schon spürte ich, wie sein Körper sich kurz anspannte. Ich schmunzelte leicht, festigte meinen Griff um ihn leicht, damit er mir nicht davon laufen konnte, wie er es ja sonst so gerne tat. Meine Lippen geisterten über sein linkes Ohr.

„Ich hab dich vermisst…“ Trotz der Musik schien er es zu verstehen, und er wandte den Kopf, sah mich aus großen Augen von der Seite an. Ich lächelte leicht und zog die Arme zurück, während er sich zu mir umdrehte, und erstaunlicherweise keine Anstalten machte, zu fliehen. Ich widerstand dem Drang, ihn zu berühren und mit den Händen an mich zu drücken, stattdessen tanzte ich ihn gelassen an und er ging darauf ein. Ich hatte nur Augen für ihn, bedachte ihn unbewusst mit einem leichten, dunklen Lächeln. Seine Bewegungen waren langsam, aber sinnlich und mein Blick blieb eine Weile an seinem verführerischen Mund hängen, als er begann an seiner Unterlippe zu nagen.

Sein Blick ruhte auf mir, wurde dunkler und schließlich schmiegte er sich leicht an mich. Vorsichtig legte ich die Hände auf seine Hüfte, passte unsere Bewegungen einander an. Wir tanzten gleichsam im Takt der mittlerweile ruhigen Musik, und als Zero die Arme um meine Mitte schlang, seinen Kopf gegen meine Schulter lehnte, schloss ich kurz die Augen, während sich ein warmes Gefühl in meinem Inneren ausbreitete.

Und dann wurde es mir klar – er wollte gar nicht weg. Er wollte mich nicht meiden. Etwas brachte ihn dazu – oder jemand. Für mich gab es nur 2 mögliche Erklärungen, die halbwegs logisch waren und einen Grund darstellten, weswegen er sich immer wieder von mir abwandte. Entweder lag es an Bindungsängsten ausgelöst durch seine Erlebnisse – oder es lag an Karyu. Wusste Zero von dessen Gefühlen, hatten die beiden mal drüber gesprochen? Das würde ich noch herausfinden.

Wieder strich ich mit den Lippen über sein Ohr. „Ich hab dich wirklich vermisst..“, wisperte ich und streichelte sachte über seinen Rücken, wanderte dann aber mit den Händen zu seinem Hintern und drückte ihn etwas mehr an sich, während ich mit den Lippen weiter zu seinem Hals wanderte. Trotz der Musik konnte ich Zeros leises Keuchen hören. Dass wir für die Öffentlichkeit, für diesen Club, etwas zu ineinander verschlungen waren, störte mich nicht. Und ihn wohl auch nicht. Wir hatten sowieso viel zu sehr miteinander zu tun.

Ich wanderte mit den Lippen von seinem Hals über seinen Kiefer bis zu seinem weichen, verführerischen Mund. Ich hob den Blick, sah in seine verhangenen Augen, die eindeutig nach mehr gierten. Ein sachtes, wissendes Lächeln legte sich auf meine Lippen, bevor ich sie auf jene des Bassisten legte. Sofort erwiderte er den Kuss, bewegte seine Lippen sanft gegen meine, während unsere Körper sich aneinander schmiegten. In meinem Bauch breitete sich eine angenehme Hitze aus und ich drückte Zero etwas fester an mich. Ich hatte regelrecht Sehnsucht nach ihm gehabt – und die wohnte immer noch in mir, wollte gestillt werden.

Ich strich mit der Zungenspitze über Zeros Lippen, die sich unter der Berührung sofort öffneten und mich einließen. Gierig leckte ich über seine Zunge, forderte sie zu einem heißen Tanz auf, und während wir mit nichts weniger als wildem Knutschen beschäftigt waren, hörten wir dennoch nicht auf, uns abwesend und verträumt wirkend zur Musik im Club zu bewegen. Dass wir beobachtet wurden, fiel uns nicht auf. Wir hatten nur einander im Sinn.

Als wir uns schwer atmend und eher widerwillig voneinander lösten, zog ich Zero langsam mit mir von der Tanzfläche in eine ruhigere Ecke, drückte ihn schließlich gegen eine Wand und betrachtete ihn im Halbdunkeln. „Du hast mich gemieden. Ich sollte beleidigt sein, ich bin kurz davor, es zu sein“, klärte ich ihn mit leiser Stimme auf. „Aber ich will dir mal die Chance geben, mir das zu erklären.“ Ich sah ihm fest in die Augen. „…liegt es an Karyu?“ Es war nur ein leichtes Zusammenzucken, ein leichtes Weiten seiner Augen, das ihn verriet. Ich seufzte. „Gut, ich sage dir, wie ich das sehe: er empfindet zwar etwas für mich, aber ich nun mal leider nicht für ihn. Da kann auch dein Verhalten nichts dran ändern, dass du mir aus dem Weg gehst. Ich will dich, Zero, und das weiß Karyu auch. Und das geht für ihn in Ordnung. Also hör auf, wegzurennen. Das tut mir weh. Ich will dich“, wiederholte ich, „und ich weiß, dass du mich auch willst. Können wir das Hin und Her also hinter uns lassen und uns endlich richtig miteinander beschäftigen, ohne, dass ich befürchten muss, dass du jeden Moment abhaust?“, raunte ich gegen seine weichen Lippen, während ich ihm eindringlich in die geweiteten Augen sah. Er war eindeutig perplex. Ich lächelte ihn milde an. „Süßer, sag einfach Ja.“ Ich stupste mit der Nasenspitze gegen die seine, entlockte ihm so ein wackeliges Lächeln, und schließlich nickte er leicht. „Okay… Gute Entscheidung.“

Und schon fanden unsere Lippen wieder zueinander, genau wie unsere Körper die sich begierig aneinander drückten. Wenig später fanden wir uns in den Toilettenräumen wieder. Zero hatte mich dorthin geschleppt, küsste mich verlangend, während er mich in Richtung der Kabinen drängte. Aber mein Verstand setzte ein. Ich machte mich von ihm los und presste ihn gegen die Fliesen. „Nein nein nein“, sagte ich und umschloss sein Kinn mit den Fingern, erwiderte seinen verwirrten Blick. „So einfach mach ich dir das nicht. Du hast versucht, mich zu vergessen, und jetzt werde ich erst recht alles daran setzen, mich für immer in dein Gedächtnis einzubrennen. Ich werde dafür sorgen, dass dein Körper meine Berührungen niemals vergessen wird.“ Meine Hand strich über seine sich schnell hebende Brust, während ich ihm leicht amüsiert in die lustverhangenen Augen sah. „Ich werde mich auf bitter-süße Art an dir rächen, das verspreche ich…“ Ich drückte ihm meine Lippen auf, damit er ja nicht widersprechen konnte, wenn er es denn wirklich gewollt hätte, und durch den Kuss wurde das leise Keuchen, das sich aus seiner Kehle stahl, gedämpft.

Irgendwann schafften wir es aus dem Club, sogar ohne uns auch nur irgendein Kleidungsstück vom Leib zu reißen. In der Bahn war es voll, aber dennoch bekamen wir bereits nach einer Station Sitzplätze. Zero schienen all die Menschen jedoch nicht zu behagen, weswegen ich beruhigend einen Arm um ihn legte. Er schenkte mir ein schüchternes Lächeln und lehnte den Kopf gegen meine Schulter. Auch ich musste leicht lächeln. War das gerade nicht irgendwie Paar-mäßig? Und waren wir nicht auf dem besten Wege, genau das zu werden: ein Paar?
 

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tbc~
 

Nächstes Kapitel wird ein adult!

Ich wünsche einen guten Rutsch ins neue Jahr :D

Die Luft zum Atmen.

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Retten was zu retten ist.

Doch ich fürchte, dass bald nicht mehr alles mit Schweigen zu lösen ist.
 

Was dann…?
 

砂月:
 

Abwesend starrte ich aus dem Fenster des Autos, während Karyu sich neben mir hinter das Steuer klemmte. Schweigend sah er mich an. „Soll ich dich nach Hause bringen?“

Langsam wandte ich ihm den Kopf zu, sah ihn mit leerem Blick an. „Ich weiß nicht“, erwiderte ich schließlich und richtete mein Blick wieder hinaus. Vielleicht war Zero noch dort… wollte ich ihn jetzt sehen? Wollte ich wissen, warum er mich fast zu Tode gewürgt hatte? Würde er es mir überhaupt erzählen? Ich seufzte tief, fügte aber nichts hinzu. Ich war unentschlossen.

„Satsuki“, setzte Karyu schließlich wieder an, „ich glaube nicht, dass Zero noch dort sein wird. Er ist sicher gegangen.“ Als hätte er meine Gedanken erraten. „Aber…wenn du nicht alleine sein willst, dann kann ich mitkommen“, bot er an. Kurz dachte ich darüber nach, dann schüttelte ich langsam den Kopf. Mein Hals tat noch immer weh. „Eigentlich würde ich lieber mit zu dir kommen“, sagte ich leise und senkte den Blick. Ich wollte nicht alleine sein. Und ich wollte noch nicht in meine Wohnung zurück.

„In Ordnung.“
 

Überstürzt hatte ich die Wohnung verlassen und war zu Karyu gelaufen. Ich hatte Glück gehabt, dass er da gewesen war. Sofort hatte er mich ins Auto gesteckt und war mit mir zum Arzt gefahren. Erst unterwegs hatte ich ihm erzählt, was überhaupt passiert war. Er hatte es kaum glauben können. Aber er vertraute mir und ich schaute nicht gerade aus, als ob ich Scherze machte. Zudem waren die tiefblauen, fast schwarzen Male an meinem Hals Beweis genug.
 

Ich konnte mich wehren wie ich wollte, Karyu war nicht davon abzubringen, mich wenigstens für eine Stunde in sein Bett zu stecken. Ich sähe aus wie eine Leiche und sollte mich etwas ausruhen. Schmollend rollte ich mich in seinem großen Bett zusammen. Ich sah nicht aus wie eine Leiche. Ich war hübsch, so wie immer. Aber diese Abdrücke an meinem Hals… Unruhig wälzte ich mich in den Laken hin und her. Ständig hatte ich Zeros Gesicht vor Augen, diese Verbissenheit in seinem Blick jagte mir immer noch einen Schauer über den Rücken.

Er hätte mich beinahe erwürgt. Ich war kurz davor gewesen, zu ersticken. Warum hatte er das getan? War er doch irgendwie verrückt? Hatte ich etwas getan, was ihn mich plötzlich hassen ließ? Ich kam einfach nicht darauf, was Zeros Motiv gewesen war.
 

Karyu:
 

Ich entschied mich dazu, Zero eine unverbindliche SMS zu schicken. Vielleicht meldete er sich ja…ich machte mir auch um ihn Sorgen.

»Hi, was machst du so? Ich hätte Lust, was trinken zu gehen. Wenn du mitkommen willst, sag Bescheid :) «

Mir fiel einfach nichts Besseres ein. Außerdem war es eine normale Nachricht, wie ich sie ihm öfter schickte. Wenn er darauf reagierte, würde es ihm nicht allzu schlecht gehen. Hoffte ich zumindest.

Während Satsuki schlief, saß ich mit Hummeln im Hintern in der Küche und starrte auf mein Handy. Ich zuckte zusammen, als es tatsächlich zweimal kräftig vibrierte.

»Nein, heute lieber nicht. Aber sag mal…du hast nicht zufällig was von Satsuki gehört?«

Ich bekam große Augen. Da war aber jemand direkt. Und was sollte ich jetzt antworten? Und wie ich was gehört hatte. Aber ich wollte Zero jetzt bei mir haben und mit ihm drüber reden. Bei diesem Gedanken schnaubte ich verächtlich. Reden. Das war eh nicht möglich. Was sollte ich also eigentlich tun?

Grübelnd starrte ich das Display meines Handys an. Hatte ich was von Satsuki gehört? Ich konnte Zero doch schlecht sagen, dass er gerade bei mir im Bett lag, nachdem ich ihm zum Arzt gebracht hatte. Das würde meiner vorigen Nachricht Lügen strafen und zeigen, was mein eigentliches Anliegen war. Dann stand ich etwas doof da. Dennoch…
 

砂月:
 

Ich lag dem Fenster zugewandt und starrte durch die Vorhänge hinaus. Es war später Nachmittag und noch immer lag ich in Karyus Bett. Ich hatte gehört, wie es an der Wohnungstür geklingelt hatte. Wenig später war eine leise Stimme zu hören gewesen. Wahrscheinlich saß Karyu mit jemandem im Wohnzimmer. So oder so hatte ich keine Lust, mich aus dem Bett zu bewegen. Auch wenn irgendwo in meinem Hinterkopf der Gedanke an die Arbeit herum schwirrte.

Ich runzelte die Stirn und räusperte mich, auch wenn das etwas weh tat. Mein Hals war trocken und wund. Ich musste was trinken…

Langsam, widerwillig, setzte ich mich auf und schlug die Bettdecke beiseite, bevor ich das Gesicht in den Händen vergrub und erstmal tief durchatmete. Unvermittelt hörte ich die Tür hinter mir. „Satsuki?“

Fragend sah ich auf. Karyu stand in der Tür und erwiderte meinen Blick sanft. „Ist alles in Ordnung?“, wollte er wissen, woraufhin ich nickte. „Soll ich dir noch etwas zu trinken bringen?“ Innerlich huschte ein müdes Lächeln über mein Gesicht. Als hätte Karyu es geahnt.

Ich nickte leicht. „Ja, bitte. Ich wollte mir gerade ein Glas Wasser holen“, erwiderte ich leise. Das Sprechen schmerzte etwas.

Unvermittelt tauchte Zeros Kopf hinter Karyu auf. Ich zuckte nicht zusammen, blinzelte aber erkennbar. Was wollte er hier? Konnte er mich nicht in Ruhe lassen, nur für ein paar Stunden?

Unschlüssig sah Karyu zu dem Bassisten, dann zu mir. „Soll ich euch alleine lassen?“ Die Frage hallte in meinem Kopf wider. Wollte ich das? Nicht, dass ich in 5 Minuten wieder halb zu Tode gewürgt wurde. Karyu schien mein Zögern zu bemerken. „Ich lass die Tür offen“, fügte er mit eindringlichem Blick in meine Richtung hinzu. Verwirrt runzelte ich die Stirn. Was schaute er denn MICH so an? Sollte er nicht Zero so angucken, als Warnung?

Ich ließ die Schultern hängen und nickte nur ergeben. Meinetwegen. Karyu war ja da, das war wohl beruhigend. Er verschwand aus dem Zimmer und Zero kam unsicher etwas näher. Er setzte sich am Bettende auf den Rand, langsam, als würde er befürchten, mich mit zu schnellen Bewegungen zu erschrecken. Schweigend saßen wir eine Weile so beieinander. Ja, was sollte da jetzt auch anderes bei rauskommen.

Unbewusst strich ich mit den Fingern über den Verband um meinen Hals, was Zero aufblicken sah. Zumindest spürte ich plötzlich seinen Blick auf mir. Weitere Sekunden verstrichen. Im Moment hatte ich ihm nichts zu sagen. Und was ihn anging…

„Es tut mir leid… Ich hab das nicht gewollt…“

Ich bekam große Augen und kam nicht umhin, Zero einen überraschten Blick zuzuwerfen. Bildete ich mir das ein oder kamen gerade Worte, gar zusammenhängende Sätze über seine Lippen? Was war denn nun los? Da fiel mir ein, dass er in der Nacht auch etwas gesagt hatte…in dem Moment hatte ich nur nicht darauf geachtet, da ich mit Kotzen beschäftigt gewesen war.

Zero erwiderte meinen überraschten Blick ernst, sah mich beinahe reumütig an. „Du hast mich gefragt, ob ich dir vertraue, und das habe ich bejaht. Jetzt bitte ich dich, mir ebenso zu vertrauen. Glaub mir, ich wollte dir nie was tun!“ Tränen traten ihm in die Augen. „Ich hab das nicht mit Absicht gemacht.“ Er machte eine Pause und sah mich eindringlich und bittend an. „Du glaubst mir doch?“

Ich wandte den Blick ab und runzelte leicht die Stirn. Er hatte das nicht mit Absicht getan? „Warum ist es denn dann passiert, wenn du das eigentlich nicht wolltest?“, fragte ich nach. Da gab es etwas, was ich nicht verstand. „Du hast mich angesehen. Du hast mir in die Augen gesehen und..und zugedrückt. Was…was also daran hast du nicht gewollt? Für mich fühlte sich das alles sehr absichtlich an.“

Der Bassist schnappte nach Luft und ich konnte aus dem Augenwinkel sehen, wie er den Kopf schüttelte. „Ich wollte dir nichts antun!“, versicherte er mir nachdrücklich. „Ich liebe dich. Und wenn du mich auch nur halb so sehr liebst wie ich dich, dann vertraust du mir und denkst darüber nach, ob ich dich jetzt wirklich anlüge. Hätte ich einen Grund, dir weh zu tun?“

Ich schwieg eine Weile unter seinem Blick, ließ die Schultern hängen, dann seufzte ich. „Nein, eigentlich nicht. Nicht, dass ich wüsste.“

Langsam nickte Zero. „Nun, da weißt du genauso viel wie ich.“ Hilflos zuckte er mit den Schultern. „Ich weiß nicht, wie das passieren konnte. Aber es tut mir unendlich leid!“ Er schluckte und sah beiseite. „Ich…ich hab daran gedacht, dass es vielleicht an meinem Schlafmittel lag. Na ja, dass ich es nicht genommen habe…ich hatte es vergessen…“

Daraufhin summte ich nur und starrte vor mich hin. Ich hatte ja schon ein Mal miterlebt, wie unruhig Zero schlafen konnte. Aber… „Was soll das genau heißen?“

Er machte eine hilflose Geste. „Dass ich vorher noch keinen anderen versucht habe, zu erwürgen.“, erwiderte er trocken.

Ich räusperte mich und fuhr mir mit den Fingern erneut abwesend über den Hals. Was sollte ich nun davon halten…

„Es könnte bedeuten“, erklang plötzlich Karyus Stimme, „dass Zero so etwas wie schlafwandelt.“ Er stieß sich vom Türrahmen ab und kam mit einem Glas Wasser, das er mir in die Hand drückte. „Entschuldigt, ich hab nicht gelauscht. Nicht direkt.“, fügte er schief lächelnd hinzu, bevor er sich wieder umdrehte und das Zimmer verließ.

Erstmal nahm ich einen großen Schluck Wasser, in der Hoffnung, dass dieser meinen Hals ein wenig beruhigte, dann warf ich Zero einen Blick zu. „Was denkst du darüber? Was Karyu gesagt hat?“

Vorsichtig erwiderte er meinen Blick, dann seufzte er. „Das könnte durchaus möglich sein. Wenn ich mein Schlafmittel nicht nehme und Alpträume bekomme, dann mache ich im Schlaf schonmal verrückte Sachen. Und wenn ich schlafgewandelt habe, würde das erklären, warum ich die Augen offen, aber nicht mitbekommen hatte, was ich tue…“

Langsam nickte ich. Es klang einleuchtend. Und wie Zero schon gesagt hatte, er hatte doch keinen Grund, mir was antun zu wollen. Ich schluckte und fuhr mir mit einer Hand über das Gesicht, richtete meine Augen dann wieder auf Zero, der meinen Blick erwiderte. „Satsuki“, setzte er an, doch ich schüttelte den Kopf und schlang kurzerhand die Arme um ihn. Ich hörte, wie er überrascht nach Luft schnappte, doch schon legten sich seine Arme um vorsichtig um meine Mitte.

„Ich glaube dir“, murmelte ich leise gegen seinen Hals, woraufhin er erleichtert seufzte.

„Danke…“, erwiderte er kaum hörbar.

Eine Weile lagen wir uns schweigend in den Armen und ich spürte, wie meine leichte Angst langsam verflog. Ich war mir wirklich nicht sicher gewesen, was mit Zero los gewesen war. Langsam löste ich mich von ihm und sah ihn ernst an. „Aber eine Sache gibt es da noch. Zero, du hast mir ernsthaft Angst gemacht. Ich will nicht immer Angst haben, neben dir einzuschlafen. Du kannst ja auch nicht immer an deine Schlaftabletten denken. Und gesund kann das auf Dauer auch nicht sein, dass du die ständig nimmst.“

Er ließ mich los und lehnte sich etwas zurück. „Was soll das heißen?“

„Es soll heißen, dass du dein Trauma vielleicht endlich behandeln lassen solltest.“ Ich betrachtete Zero, wie er sich unschlüssig auf die Unterlippe biss und wegsah. Hatte er immer noch nicht verstanden, wie dringend nötig er das hatte?

„Ich weiß nicht, ob ich das kann…“, erwiderte er schließlich. „Und ich glaube, ich will das auch nicht…“

Ich seufzte und schüttelte den Kopf. „Du kannst das. Wollen ist ein anderes Thema, Zero. Du MUSST es tun. Sonst bringst du irgendwann noch jemanden um, wahrscheinlich mich.“, fügte ich ausdruckslos hinzu, woraufhin er mich entschuldigend ansah.

„Ich weiß nicht, ob ich das kann“, wiederholte er leise und wandte den Blick ab, starrte vor sich her. Ich betrachtete ihn ungläubig.

„Und was nun? Was sollen wir machen?“, wollte ich wissen, aber Zero zuckte nur hilflos mit den Schultern. Warum nur wehrte er sich so sehr dagegen, einem Therapeuten oder ähnlich Professionellem zu erzählen, was ihn belastete? Warum ließ er sich nicht helfen? Vielleicht hatte er irgendwas angestellt, etwas Schlimmes. Dass er es keinem sagen konnte. Möglicherweise war jemand gestorben. Innerlich verdrehte ich die Augen. Weil Zero nicht drüber redete, begann ich mir nach und nach Horrorszenarien auszudenken. Damit sollte ich besser aufhören. „Schön…also willst du dir nicht helfen lassen?“, hakte ich noch mal nach, woraufhin er wieder nur mit den Schultern zuckte. „Hm“, machte ich nur und stand langsam auf. So wie ich das sah, war unser Gespräch erstmal beendet. Ich warf Zero einen Blick zu. „Und ich weiß nicht“, sagte ich, „ob ich darauf vertrauen kann, dass du immer an dein Schlafmittel denkst. Ob ich neben dir noch ruhig schlafen kann. Ob ich es aushalte, darauf zu warten, dass du mich eines Tages umbringst.“

Bei den letzten Worten hob er den Blick und starrte mich aus großen Augen an, aber ich wandte mich seufzend ab und verließ das Schlafzimmer. Im Moment war ich nicht bereit, Zero in seiner Sturheit zu unterstützen. Er schien überhaupt keine Konsequenzen aus dem Ganzen zu ziehen. Aber ich für meinen Teil, ich hatte gelernt, in seiner Nähe vorsichtig zu sein. Und Angst sollte unser Verhältnis nicht beherrschen.

Fragend sah Karyu mich an, als ich zu ihm in die Küche ging, doch ich schüttelte langsam den Kopf. „Ich werde gehen.“, sagte ich leise. „Danke für deine Hilfe.“ Als ich mich umdrehte, stand Zero im Türrahmen. Er sah mich bittend an. Vielleicht wollte er nicht, dass ich ging. Ich wusste es nicht. „Bis bald“, sagte ich nur an ihn gerichtet, bevor ich mich im Flur anzog. Karyu kam mir hinterher und wollte mit mir reden, aber ich strich ihm über den Oberarm und schüttelte leicht den Kopf. „Lass uns ein ander Mal reden, ok? Ich brauch eine Pause…“

Er nickte nur und umarmte mich. „Ihr schafft das schon“, wisperte er leise, bevor er mir die Tür öffnete und ich seine Wohnung verließ.
 

Es war schwer. Ich liebte Zero, aber so konnte ich nicht mehr mit ihm zusammen sein. Vorerst nicht.
 

---

tbc~
 

Die FF geht übrigens stark dem Ende zu ^^
 

@Lucel: Ich hoffe, die leichte Verwirrung hat sich nun etwas gelegt :')
 

@Kyra_Nakamura: Ich würd nicht sagen, dass ich es nicht schreiben kann XD Es fällt mir nur nicht leicht :< Es muss eben perfekt werden :o Und wie es aussieht, lagst du mit deiner Vermutung richtig: Zero hat..halt einen Schatten x'D Da sind unabsichtliche Mordversuche wohl normal xDD
 

@Kouichi-chan: Haha, ich mag es auch lieber mit etwas Drama :) Vielleicht kommt das Happy End ja noch ;) Danke für das Lob, und auch wenn es etwas spät, kommt: あけおめ ^-^ Bald ist es schon Februar und dann sind Maifo endlich daaa *-* ♫



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Kommentare zu dieser Fanfic (28)
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Von: abgemeldet
2013-01-21T21:45:14+00:00 21.01.2013 22:45
oje.. jetzt will ich natürlich nur noch mehr wissen, was damals mit Zero passiert ist.. >___<
(..weil der zusammenhang ja wohl ziemlich offensichtlich scheint..^^")

..aber.. dass Zero so einfach tatsächlich wieder ganz normal gesprochen hat, fand ich dann jetzt doch echt überraschend ô_O"
Von:  Kouichi-chan
2013-01-03T21:21:00+00:00 03.01.2013 22:21
Pah! Und da wundert sich der liebe Herr Zero noch, dass Satsuki jetzt zum Schlumpf mutiert? :D
Der ist doch wohl selbst Schuld daran !
Armer kleiner Satsuki damit hatte er wohl nicht gerechnet (*`へ´*)
Da hatte er wohl endlich mal auf ein happy end gepocht
Und ich übrigens auch! XD
Obwohl ich es so noch viel lieber habe!
So ein bisschen Drama macht es doch noch viel angenehmer :)
Ich liebe deine Fanfics!
Ach, und bevor ich es vergesse: あけおめ!!
Hoffe du bist gut ins Maifo-behaftete Jahr gekommen!
Bin schon fleißig am üben xD

Baibai!

Von:  ZERITA
2013-01-03T20:58:18+00:00 03.01.2013 21:58
1. heißer adult *^* von wegen du kannst das nicht schreiben.
2. was macht zero da? QQ versucht er satsuki umzubringen? QQ obwohl ich den verdacht hege, dass er geschlafwandelt hat und das mit seiner vergangenheit zusammen hängt. QQ
bitte lass alles gut ausgehen!
Von: abgemeldet
2013-01-03T20:12:54+00:00 03.01.2013 21:12
..ähm.. äh..
ich gebe zu, jetz bin ich verwirrt ô_O
Von: abgemeldet
2012-12-27T22:42:44+00:00 27.12.2012 23:42
okay, jetz is die katze aus dem sack...
(..und das war jetz nich doppeldeutung gemeint!! ô_O")

aber gut, ich hoffe jetz einfach mal, dass es jetz bergauf geht zwischen den beiden *^*

(und is das von bedeutung, dass sie da von jemandem beobachtet worden sind.. war Zero mit Karyu da oder so was?? :O )

dir auch nen guten rutsch!! ^_~
Von:  ZERITA
2012-12-27T21:35:02+00:00 27.12.2012 22:35
Oh man endlich mal einer der das Kind beim Namen nennt!! Danke Karyu, dass du gefragt hast, was bei den beiden los ist. Danke Satsuki, dass du Zero endlich mal gesagt hast was Phase ist. *^* Ihr seid meine Helden!
Und Zero danke, dass du es endlich einziehst. Ach, die beiden hätten ruhig noch ein bisschen weiter tanzen, knutschen und fummeln können. *^* Aber gut das Satsuki bei den Toiletten gestoppt hat. Toiletten sind nicht wirklich eine schöne Gegend für so herzerwärmende Szenen. ^^" Auf das adult bin ich schon gespannt. Satsuki, quäle Zero für sein dummes Verhalten und entlocke ihm die schönen Töne des wohlgefallens. *^*
Von:  Kouichi-chan
2012-12-03T20:57:41+00:00 03.12.2012 21:57
toll ♥♥♥ *_*

was soll ich sagen?
ich bin jedes mal mega aufgeregt, wenn ein neues Kapitel hochgeladen wird!
ich gar nicht genug von dir und diesem MICHIO DAAAAA *_*
Von:  ZERITA
2012-12-02T18:14:13+00:00 02.12.2012 19:14
Q________________________________Q

... ;______________________;

*schnief*
Satsu~~~~~~ki~~~~~~~~~~~!!
wie kannst du ihm das antun????????
a-aber zero hat was gesagt für satsuki QQ
Und die andeutung über seine vergangenheit QQ
du bist so doof *schnief*
hör auf sie leiden zu lassen! Lass sie einfach glücklich sein QQ

aber das im krankenhaus war schon süß die vorstellung wie sie da liegen/sitzen.
Von: abgemeldet
2012-11-30T20:57:31+00:00 30.11.2012 21:57
ha! Zero hat tatsächlich gesprochen, wenn auch nur drei worte...
und diese erinnerung... das was da passiert ist, hat ihn verstummen lassen >o<

und.. ach menno... >____<
..ich mache mir sorgen wegen dieser dreiecksbeziehung .____.
*dazu gar nich so viel sagen kann*
Von: abgemeldet
2012-11-21T22:15:52+00:00 21.11.2012 23:15
>___________<
omg, omg, omg!!
wie kannst du nur???
...und redet Zero jetzt um nen krankenwagen zu holen oder so? ..er hat ja schließlich gedacht, dass er am liebsten geflüstert hätte und so.. |D


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