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Delilah – Die Liebe einer Wölfin

von

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8. Kapitel

Es regnete schon seit Stunden in Strömen vom tiefschwarzen Himmel herab und die gewaltigen Gewitterwolken hingen so tief über der Erde, als wollten diese sie verschlucken, während wütende Blitze das Zwielicht für den Bruchteil einer Sekunde erhellten.

Der Boden war schon längst aufgeweicht und zu schlammigen Pfützen zerflossen.

Die Zwillinge störte das wenig, da sie sogar das schwere Schiebetor zur Autowerkstatt ein gutes Stück weit offen gelassen hatten und völlig unberührt von dem schlechten Wetter plaudernd vor sich hinarbeiteten.

Einer stand unter einem neuen VW, der sich auf einer Hebebühne befand und der andere beugte sich gerade weit über das Herz eines Chevys, so dass er beinahe von der offenen Motorhaube verschluckt wurde.

Mit einer Taschenlampe bewaffnet, musterte er eine Weile eine schwer einsehbare Stelle.

„Und was hat Dad jetzt zu deinem Vorschlag gesagt?“

Kurz hielt der andere Zwilling – die Hände kopfüber am Unterboden des VWs und mit einem Schraubenschlüssel ausgestattet – inne, ehe er das Gesicht finster verzog und mit kräftigen Bewegungen gegen den Rost ankämpfend weiterschraubte.

„Na, was glaubst du, J? Das, was der alte Kerl immer sagt. Nenn mir mal eine Idee, die ihm gefallen hätte.“

„Hm.“

James richtete sich wieder auf und steckte die Taschenlampe in eine seiner zahlreichen Hosentaschen, während er ein kleines ölverschmiertes Bauteil in seinen Fingern betrachtete.

„Dabei fand ich die Idee gar nicht soo abwegig.“

Ein schmutziger Lappen traf ihn am Hinterkopf und wischte das breite Grinsen aus James’ Gesicht.

„Na wenigstens habe ich Ideen, im Gegensatz zu anderen gewissen Personen, die ich hier nicht namentlich nennen will.“

Dean hatte sich vom Unterboden abgewandt und hielt den Schraubenschlüssel nun mehr wie einen Schlagstock, während er demonstrativ James’ Namen in seine Hand hustete und diesen damit dürftig zu tarnen versuchte.

James packte den schmutzigen Lappen und warf ihn an seinen Absender zurück. Woraufhin sein Bruder lediglich etwas zur Seite ausweichen musste, um dem Geschoss zu entkommen.

„Ich habe sehr wohl Ideen!“

„Ja, wenn es darum geht, ein Kochrezept abzuwandeln. Das ist wirklich eine großartige Leistung, Hausmütterchen.“

Sorgfältig legte James das kleine Bauteil zur Seite, um es später wieder zu finden, ehe er nach einem Radkreuz griff und es Dean an die Brust setzte, der den Schraubenschlüssel noch fester mit den Fingern umschloss und ungerührt dem Blick seines Bruders begegnete.

„Wenigstens lass ich nicht alles anbrennen und jammere dann herum, dass es ungenießbar ist und ich bald verhungern muss.“

Dean schnaubte.

„Und ich muss nicht ständig wegen meiner Kochkünste um Anerkennung betteln!“

„Wann soll ich das gemacht haben?“

James’ Augen begannen zu funkeln.

„Gestern bei den Blaubeerpfannkuchen. Vorgestern beim Pilzragout. Vorvorgestern war’s der gebackene Hase. Davor das Schokoladensorbet und davor –“

Blitzschnell schlug Dean seinem Bruder mit dem Schraubenschlüssel das Radkreuz aus der Hand und duckte sich zur Seite weg. Allerdings nicht schnell genug, denn James erwischte einen der Träger von Deans Latzhose und riss seinen Bruder für einen Schwitzkasten zu sich herum.

Dem Werwolf war nur kurz einen Moment des Triumphs gegönnt, denn keine Sekunde später lag er mit dem Bauch auf dem Boden, Deans Knie im Rücken und ein Bein zwischen dessen Händen festgenagelt.

„Soll ich schon mal anfangen, bis zehn zu zählen?“

Unwillkürlich entkam ihr ein Lachen.

Sofort schossen die Blicke der beiden Brüder hoch und in ihre Richtung. Offenbar hatten die Zwillinge sie endlich bemerkt. Wie sie da so im strömenden Regen dastand, nass bis auf die Knochen, die Ballerinas bis zum Knöchel im Schlamm versunken. Ihre eine Hand lag locker am Riemen ihrer Reisetasche, während die andere das zerknitterte Bild hielt, das genau diesen Ort hier zeigte.

Sie zitterte am ganzen Körper, und obwohl ihr elendig zu Mute war, musste sie doch ungewollt grinsen, als sie die völlig entgleisten Gesichter von James und Dean sah, die immer noch in dieser albernen Pose festhingen, ohne sich dessen bewusst zu sein.

„Delilah?“

Sie hatten es also immer noch drauf. Schön zu wissen.

Langsam hob sie ihre Hand zum Gruß.

„Hi, Leute", meinte sie vorsichtig.

Dann brach sie in Tränen aus.
 

„Hier.“

James drückte ihr einen dampfenden Becher mit dunkler Flüssigkeit in die Hand und setzte sich ihr gegenüber auf die Couch, wo auch schon sein Bruder hockte, um sie eingehend zu betrachten. Dem Geruch nach war es heiße Schokolade. Delilah hatte gar nicht gesehen, wie er sie zubereitet hatte.

Kein Wunder. Ihre zittrigen Finger waren auch sehr viel interessanter gewesen und hatten verhindert, dass sie die Brüder zu lange ansehen musste. Denn das fiel ihr von Minuten zu Minute immer schwerer, je mehr sie sich um sie kümmerten.

Während James in der Küche tätig gewesen war, hatte Dean ihr eine flauschige Decke geholt und über die Schultern gelegt. Ihre Schuhe hatte sie schon auf der Veranda ausgezogen, dafür steckten ihre eisigen Zehen jetzt in dicken Wollsocken, die ihr um mindestens zehn Nummern zu groß waren.

„Ich fass es nicht, dass du hier bist.“

Delilah zuckte zusammen, ehe sie vorsichtig den Blick hob, doch James sah nicht so aus, als wäre an seinen Worten irgendetwas Negatives gewesen. Viel mehr lag Unglauben in seinem Blick. Sie konnte es nur allzu sehr verstehen.

„Was ist passiert? Und wie hast du uns hier überhaupt finden können?“

Deans Tonfall klang schon wesentlich beherrschter und daher auch sehr viel zielgerichteter.

Delilah hätte sich zwar gewünscht, keine Fragen beantworten zu müssen, aber sie war auch darauf vorbereitet, es dennoch zu tun. Das war einfach unvermeidlich gewesen.

„Ich habe euch damit gefunden.“

Sie zog das durchweichte und abgenutzte Bild aus ihrer Hosentasche, um es Dean zu geben. Der musterte es kurz und gab es an James weiter, dessen Gesicht sich wie bei einer plötzlichen Erkenntnis aufhellte.

„Jetzt weiß ich wenigstens, wohin das Foto verschwunden ist. Ich wusste ja gar nicht, dass deins auch weg war, D.“

Dean zuckte nur gelassen mit den Schultern, während er Delilah immer noch eindringlich ansah und offenbar mehr als nur diese flüchtige Antwort erwartete.

„In euren Führerscheinen stand auch noch euer Geburtsort. Das hat die Sache deutlich eingegrenzt", gab sie zögerlich zu und war im Nachhinein enorm froh, dass die Fotos das Einzige gewesen waren, was sie den Brüdern entwendet hatte, mal von den Shorts und dem Shirt abgesehen.

„Ich will lieber nicht wissen, was du eigentlich in unseren Brieftaschen gesucht hast.“

Für einen Moment konnte sie Deans Blick noch standhalten, doch dann schrumpfte Delilah auf dem bequemen Couchsessel noch mehr in sich zusammen und wünschte sich beinahe, man könnte sich in einem Becher voll heißer Schokolade ertränken.

„Mann, D! Das ist doch jetzt völlig egal. Wäre ja nicht das erste Mal, dass dich eine ausgenommen hätte.“

Obwohl Delilah glaubte, dass James es nur gut gemeint hatte und seinen Bruder wegen seiner Worte tadeln wollte, fühlte sie sich nur noch beschissener.

Die Tasse auf ihrem Knie abgestellt und mit einer Hand gestützt, verbarg Delilah ihr Gesicht hinter der anderen Hand, um die neuen Tränen ihrer hormonellen wie auch gefühlsmäßigen Folter zu verbergen.

Draußen im Regen hatten die Jungs es nicht so deutlich sehen können, aber jetzt würden sie es.

Sie war absolut am Ende und je länger sie in der Nähe der beiden Brüder war, umso schwerer fiel es ihr, auch nur einen Punkt der Dinge, die sie ihnen hatte sagen wollen, anzusprechen. Von der Nachricht, dass sie von einem von ihnen schwanger war, wollte sie gar nicht erst anfangen. Es erschien ihr im Augenblick unmöglicher denn je, das laut auszusprechen.

Jemand nahm ihr den Becher aus der Hand, bevor dieser auf dem Boden landen konnte, und hockte sich vor sie hin.

Delilah musste nicht aufsehen, um zu wissen, dass es James war. Dean dicht hinter ihm.

Gott, wie sehr sie diese Gerüche doch vermisst hatte!

Langsam zog James ihr die Hand vom Gesicht weg und versuchte von unten zu ihr heraufzusehen, wofür er sich ganz schön verrenken musste, da er immer noch zu groß war.

„Deli? Schau mich an, bitte.“

Dieses unerwartete Kosewort war der einzige Grund, weshalb sie die Kraft aufbrachte, hochzublicken und James in die Augen zu schauen.

Am liebsten hätte sie sich einfach an seinen Hals geworfen und darum gebettelt, er möge sie vor dieser bösen Welt beschützen. Doch sie konnte es nicht. Je mehr sie sich an diesen Wunsch klammerte, umso weniger konnte sie ihn umsetzen.

Stattdessen saß sie steif und zitternd da und wischte sich mit der Decke über ihre nassen Wangen.

„Was ist passiert? Und wieso bist du damals einfach ohne ein Wort abgehauen?“

Diese Augen ... Diese warmen karamellfarbenen Augen hypnotisierten sie beinahe.

„Ich ...“

Sie konnte einfach nicht wegschauen.

„Ich wollte nicht riskieren, dass ihr mich am nächsten Morgen einfach vor die Tür setzt.“

Die Brüder warfen sich einen langen Blick zu, ehe James den ihren wieder gefangennahm.

„Und ich bin hier ... Weil ich hoffte, dass ... dass ihr mich auch jetzt nicht ... vor die Tür setzt. Denn ...“

Delilah atmete hicksend einmal so tief ein, wie es ihr möglich war.

„Denn ich weiß nicht, wo ich sonst hin kann ...“

Nun riss sie sich doch von James’ Blick los und starrte stattdessen auf die Decke, in die sie ihre Finger gekrallt hatte.

„Ich bin verzweifelt, okay? Ich weiß nicht mehr, was ich machen soll ...“ Und das zuzugeben war die schlimmste Niederlage ihres bisherigen Lebens.

Eine Weile sagte niemand etwas und Delilah war sich fast sicher, dass wieder viele Blicke ausgetauscht wurden, doch anstatt schließlich doch noch vor die Tür gesetzt zu werden, drückte ihr James wieder den inzwischen nur noch warmen Becher Schokolade in die Finger.

„Trink. Das wird dich so lange aufwärmen, bis Dean dir ein Bad eingelassen hat.“

Überrascht schaute sie hoch und musste feststellen, dass Dean tatsächlich nicht mehr im Raum war. Er musste sich hinausgeschlichen haben.

James hatte es sich dafür vor ihr auf dem gläsernen Couchtisch bequem gemacht und seine fast schon lässige Haltung, beruhigte sie irgendwie, während sie ihm immer noch mit großen Augen zuhörte.

„Wir haben beschlossen, dass du vorerst hier bleiben kannst, vorausgesetzt du haust nicht einfach wieder ab. Ein bisschen mehr Östrogen in dieser Bude kann nämlich wirklich nicht schaden. Und du musst versprechen, nichts von dem, was damals im Hotelzimmer zwischen uns Dreien passiert ist, unserem Dad zu sagen. Der würde uns sonst mit bloßen Händen kastrieren!“

Bei dem Gesichtsausdruck den James machte, glaubte sie ihm das aufs Wort. Aber nicht nur deshalb fiel es ihr nicht schwer, das Versprechen abzugeben. Alles was momentan verhinderte, auf den eigentlichen Grund ihres unerwarteten Besuchs zu kommen, begrüßte das kleine feige Etwas in ihr, das zurzeit die Oberhand über sie hatte.

„Ich verspreche es und ... danke. Ich weiß gar nicht, wie ich euch jemals dafür danken kann.“

Vermutlich nicht unbedingt mit einem Baby.

Wieder sank ihre Stimmung ins Bodenlose und Delilah wollte gerade einen Schluck von dem Getränk nehmen, als James sich vorbeugte und ihr tief in die Augen schaute, so dass sie in der Bewegung regelrecht erstarrte.

„Es ist schon Dank genug, wenn ich nie wieder diese Tränen sehen muss ...“

Delilah blieb wortwörtlich der Mund offen stehen. Nie hätte sie einen so gefühlvollen Satz von James, geschweige denn von Dean erwartet. Umso überraschender war es, doch so etwas zu hören.

Auch James schien sich dessen plötzlich sehr bewusst zu sein, denn er sprang auf seine Füße, räusperte sich vernehmlich und stürzte dann regelrecht aus dem Wohnzimmer, um nach Dean zu sehen, wie er ihr noch im Davonlaufen erklärte.

Vielleicht würde am Ende doch noch alles gut werden ...

Oder eher fror die Hölle zu.

Delilah hatte es gerade einmal geschafft, zwei Schlucke von ihrem Getränk zu trinken, da hörte sie schon die Vordertür aufgehen und schwere Schritte den Flur entlang donnern.

Sie war noch nicht einmal richtig auf den Beinen, da füllte ein riesiger Schatten den Türrahmen aus und als würde sie sich in einem billigen Horrorfilm befinden, zuckte draußen auch noch in genau dieser Sekunde ein Blitz, der das Licht- und Schattenspiel auf dem extrem vernarbten Gesicht mit gewaltigem Eindruck hervorhob.

Die Tasse fiel zu Boden, als Delilah mit einem spitzen Schrei und einem großen Satz zuerst auf den Couchsessel und dann direkt dahinter sprang, um ihn zwischen sich und den furchteinflößenden Mann zu bringen.

Keine Sekunde später hörte sie schwere Schritte die Treppe herunterpoltern und die Zwillinge tauchten hinter dem Riesen auf, ehe sie sich beide mit einem „Hi Dad“ an ihm vorbeischoben und Delilah besorgt ansahen.

Langsam beruhigte sie sich wieder. Sie hatte sich nur erschreckt, und obwohl sich an den Narben im Gesicht von Deans und James’ Vater in den letzten Sekunden nichts geändert hatte, so wirkten sie doch nicht mehr so grotesk wie noch unter dem schlechten Einfluss des Gewitters. Zudem glaubte sie, vertraute Züge darin erkennen zu können und somit noch mehr eindeutige Beweise für die Verwandtschaft zu den Brüdern.

Früher musste der Mann genauso gut ausgesehen haben wie seine Söhne, wenn nicht sogar beeindruckender. Immerhin überragte er die beiden noch um zusätzliche Zentimeter.

„Wer ist das und was tut sie hier in meinem Haus?“, durchbrach eine tiefe grollende Stimme das Schweigen und trieb damit Delilahs Puls schlagartig noch weiter in die Höhe. Unwillkürlich wich sie ans Fenster zurück und senkte den Blick.

Sie war zwar nie unter Wölfen aufgewachsen, aber jeder ihrer Instinkte riet ihr, diesen Mann mit gebührendem Respekt zu begegnen und so viel Unterwürfigkeit an den Tag zu legen, wie sie nur konnte. Das könnte ihr am Ende noch den Pelz retten, denn sie hatte es definitiv mit einem Alpha zu tun.

„Dad!“

„Seit unserem 21. Geburtstag ist das unser Haus und hör gefälligst auf, unsere Gäste zu erschrecken!“

Dean hatte sich vor seinem Vater aufgebaut, was fast lächerlich wirkte, da er zu dem Mann hochblicken musste, während James sich so hinstellte, dass er diesem die Sicht auf Delilah versperrte, während er beschwichtigend die Hände hob.

„Ihr Name ist Delilah. Sie ist eine alte Freundin und wird für ein paar Tage hier bleiben, okay. Wie lief’s bei der Versammlung?“

Einen Moment lang drückten eisblaue Augen die Temperatur im Raum noch etwas runter, ehe sich der Riese mit einem unverständlichen Knurren abwandte und irgendwo im Haus verschwand.

„So gut also, ja?“

Dean schüttelte den Kopf, als hätte er keine andere Antwort erwartet und drehte sich wieder herum.

„Werwölfe – was gibt’s da noch zu sagen?“

„Korrekt, Mann.“

Die Brüder stießen ihre Fingerknöchel aneinander, ehe sie einfach so taten, als wäre nichts geschehen.

„Dein Bad ist fertig, wenn du willst und deine Tasche haben wir auch schon hoch ins Gästezimmer gebracht.“

„Mach dir keine Gedanken wegen des Scherbenhaufens, um den kümmere ich mich.“

Damit ging James rüber in die Küche, um etwas zum Saubermachen zu holen, während Dean irgendetwas von „Braves Hausmütterchen“ murmelte und ihr mit einer Geste zu verstehen gab, mit ihm zu kommen.

Nur zögerlich und sehr viel verwirrter als zuvor, löste Delilah sich von ihrem Platz, wickelte die Wolldecke noch fester um ihren bebenden Körper und folgte dann Dean durchs Haus, immer in der Angst, sein Vater könnte jeden Moment wieder auftauchen und ihr am Ende einen Tritt zur Tür hinausversetzen.

Worauf hatte sie sich da nur eingelassen?



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