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Der Herr der Zeit

Part IV: Über dem Abgrund
von

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Über dem Abgrund

Titel: Der Herr der Zeit (31/?+Epilog)
 

Autor: KimRay
 

e-mail: KimRay@gmx.de
 

Kategorie: ??
 

Unterkategorie: Drama
 

Inhalt: Der schwarze Lord übernimmt in England die Macht und Hogwarts erstarrt in der Zeitfalle, doch wie es der Zufall gibt es zwei Schüler, die wie üblich nicht das tun, was sie eigentlich tun sollten.
 

Was passiert, wenn Harry Potter den Helden spielt, Draco Malfoy mit Hauselfen und Velas streitet und Severus Snape seine Meinung ändert?
 

Lest selbst! Das ist wirklich eine üble Inhaltsangabe! *heul*
 

DISCLAIMER: Alle urheberrechtlich geschützten Figuren in dieser Story gehören natürlich den jeweiligen Eigentümern. Ich habe sie mir nur ausgeliehen. Einzig die Idee und neue Charaktere sind komplett von mir.
 

Anmerkungen: Da ist es, das provencialische Geschenk. Hat länger gedauert, als geplant, nicht, dass es nicht eh schon lange genug gedauert hätte. Asche auf mein Haupt.
 

Beta: Kein beta. Falls jemand an dem Job interessiert ist, hätte ich nichts dagegen.
 


 

Kapitel 31
 

Über dem Abgrund
 

„Draco…ich muss mit dir reden.“ Narcissa trat aus dem Kamin von Malfoy Manor, Draco dicht auf ihren Fersen. Er hatte den Hogwartsexpress nach Kingscross genommen. Sie war von Hogsmeade auf den Bahnhof appariert und von da hatten sie gemeinsam den nächsten freien Kamin der Flohnetzstation nach Malfoy Manor genommen, doch Draco war nicht bei der Sache.
 

Er war nicht mehr bei der Sache, seit Harry gestern, kaum, dass er aufgetaucht war, alle geschnitten hatte, die ihm nahe standen. Der Eindruck, den sein schwarzhaariger Lover dabei bei ihm hinterlassen hatte, hatte Draco zutiefst erschüttert und seit dem machte er sich mehr Sorgen, als ihm lieb sein konnte. Deshalb bekam er auch nicht mit, was seine Mutter zu ihm gesagt hatte.
 

„DRACO!“, erst Narcissas nachdrückliche Anrede brachte ihn in die Gegenwart.
 

„Was?“, fragte er irritiert.
 

„Ich sagte, ich muss mit dir reden!“, Narcissas Gesichtsausdruck war grimmig. Seit Harrys Auftritt gestern, nachdem er von Professor Dumbledore zurückgekommen war, spielten die Männer um sie herum verrückt, ganz gleich, ob es halbe, oder ganze Männer waren.
 

Draco war verrückt vor Sorge und gleichzeitig Ärgerlich, das Harry ihn ohne Zweifel nicht an sich heran ließ. Sirius war am durchdrehen, weil er sich mit Harry mehr nicht zu helfen wusste und im Moment vor einem ganzen Berg Probleme stand.
 

Sie hatte mit Severus Snape gesprochen. Auch der Meister der Zaubertränke war angesichts Harrys Verhalten besorgt, doch im Gegensatz zu Draco und Sirius schaffte er es, seine Emotionen aus dem Spiel zu lassen, auch wenn es ihm offensichtlich nicht so leicht fiel, wie üblich. Severus hatte ihr ein klares Bild von Harrys Zustand vermittelt und sie beide waren sich sehr einig darin, was Harrys Absturz beim Quidditch zu bedeuten hatte. Er hatte aus einer zweifellos üblen Eingebung heraus versucht, den Weg des geringsten Widerstandes zu wählen.
 

Das war es, was Narcissa von der Notwendigkeit schnellen, entschlossenen Handelns überzeugt hatte. Sie wusste, was im Moment das Hauptproblem bei Sirius Vormundschaftsverfahren für Harry war. Und sie hatte die eine schnelle und perfekte Lösung dafür, auch wenn dabei möglicherweise einiges auf der Strecke bleiben würde, doch sie hatte das für und wider gründlich abgewogen. Sie verdankte Harry Dracos Überleben, in mehr als einem Fall und sie war es ihm schuldig, dass er so schnell wie möglich einen Platz fand, an den er gehören konnte.
 

Dass das nicht bei seinen Verwandten sein konnte, hatte ihr Severus mehr als nur deutlich gemacht.
 


 

„Was gibt es, Mutter?“ Draco sah Narcissa an. Er war voller Unrast und Sorge und sie war sich klar, dass er am liebsten auf der Stelle dafür sorgen würde, dass Harry von den Dursleys weg kam. Offenbar wusste auch er, dass das Verhältnis seines Freundes zu seinen letzen lebenden Blutsverwandten nicht besonders gut war.
 

„Komm mit mir in den Salon.“ Narcissa durchschritt die Eingangshalle und ihr Zauberstab hauchte dem Haus auf dem Weg zum Salon endlich Leben ein. Kerzenleuchter flammten auf, Tücher, die Möbel und Gemälde vor Staub geschützt hatten verschwanden. Draco folgte ihr schweigend, sich plötzlich bewusst, dass sein Mutter im Moment die einzige zu sein schien, die einen kühlen Kopf bewahrte.
 

„Tibby, Braxton, Linny, Curt…“, schallte ihre Stimme einen Moment später durch den Salon und die vier Hauselfen, die sie gerufen hatte, erschienen mit lautem Knacken im Raum.
 

„Willkommen zu Hause, Mylady!“ kam es vierstimmig von den Bediensteten.
 

„Ich erwarte, dass ihr das Haus innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden auf Vordermann bringt!“
 

„Sehr wohl, Mylady!“, kam es von Tibby, die den anderen Hauselfen vorstand.
 

„Des Weiteren wünsche ich ein leichtes Dinner hier im Salon, in einer halben Stunde.
 

„Gewiss, Mylady!“ Braxton verschwand, denn er war für die Küche zuständig.
 

„Und du, Tibby, bringst mit eine Flasche vom besten Rotwein aus dem Privatkeller des verstorbenen Masters, während ihr zwei euch an die Arbeit macht.“ Linny und Curt machten sich mit einer tiefen Verbeugung aus dem Staub und Tibby entgegnete.
 

„Gewiss, Mylady. Alles wird zur vollsten Zufriedenheit von Mylady ausgeführt. Und Tibby möchte noch das Bedauern der Hauselfen über den Verlust von…“
 

„Schweig still, Tibby. Weder ihr noch ich hegt das geringste Bedauern über Master Lucius Tod, also sprich nicht weiter.“ Tibby riss die Augen auf, doch sie entgegnete, wie gewohnt:
 

„Sehr, wohl Mylady!“ und mit einem Knacken war auch Tibby verschwunden.
 

Draco starrte seine Mutter an. Er war sich nicht ganz klar, was das alles zu bedeuten hatte. Es überraschte ihn nicht wirklich, dass seine Mutter den Tod seines Vaters so einfach so hinter sich ließ, doch ihre ungewohnte rege Aktivität überraschte ihn.
 

„Setz dich, Draco!“ Draco wollte seinen vertrauten Platz an ihrer Seite einnehmen, doch sie stoppte ihn und wies auf den Stuhl seines Vaters am anderen Ende des Tisches. Fassungslos sah er sie an.
 

„Aber, Mum…“ Narcissa ließ sich auf ihren Platz sinken.
 

„Du bist Volljährig, Draco…und du bist der offizielle Erbe des Malfoy Vermögens. Was da heißt, dass du der Herr des Hauses bist, auch wenn die Hauselfen sich dessen wohl nicht ganz bewusst sind.“
 

Draco plumpste ungraziös auf den Stuhl seines Vaters, zu dem er sich inzwischen zögerlich bewegt hatte und versuchte zu begreifen, was er gerade gehört hatte. Natürlich war er Volljährig. Er war am 5. Juni siebzehn geworden, auch wenn das vollkommen im allgemeinen Trubel untergegangen war und er von niemanden Geschenke bekommen hatte. Die Konsequenzen wurden ihm gerade schockierend bewusst.
 

In diesem Moment erschien ein eleganter Kristallkelch vor ihm auf dem Tisch und Tibby, mit dem von seiner Mutter gewünschten Flasche Rotwein tauchte neben ihm auf.
 

„Wenn Master bitte probieren möchten.“ Sie gab einen Schluck Wein in seinen Kelch und Dracos Blick wanderte nervös zu seiner Mutter, die ihn amüsiert im Auge behielt und nun ermutigend nickte. Dracos Erziehung krachte mit voller Wucht in sein Bewusstsein zurück, als er nach dem Kelch griff, ihn einige Male in der Hand schwenkte, das Bouquet testete und dann einen kleinen Schluck davon nahm und ihn nur halbwegs erfahren auf der Zunge zergehen ließ.
 

Er hatte nichts daran auszusetzen und nickte Tibby zu, die daraufhin seinen Kelch und dann den seiner Mutter füllte, bevor sie sich in den Hintergrund zurückzog.
 

„Gut…nachdem wir das geklärt hätten, zu den wichtigen Angelegenheiten.“, ging seine Mutter noch immer ein wenig amüsiert zu dem über, was ihr am Herzen lag. „Mir ist klar, dass du keine Ahnung vom Testament deines Vaters hast. Nur soviel dazu, du bist der Erbe des Hauses Malfoy. Ich, als Lucius Witwe habe Verfügungsgewalt über eine akzeptable Apanage, auf die du keinen Einfluss hast und die ich zu verscherzen gedenke, sobald sie die Wogen um das Ende deines Vaters ein wenig geglättet haben.“
 

Dracos Brauen ruckten nach oben. Die Ausdrucksweise seiner Mutter ließ keine Zweifel an ihren Absichten, denn eine Witwe verlor ihre Ansprüche auf die Zuwendung ihres verstorbenen Mannes nur dann, wenn sie wieder heiratete. Er musste sich eingestehen, dass er schockiert war. Das alles kam etwas zu überraschend und seine Gedanken rasten auf die Frage zu, wen sie heiraten wollte.
 

„Ähm…das kommt alles ein wenig überraschend.“, stotterte er. Narcissa senkte den Kopf und starrte in ihr Weinglas, aus dem sie bisher nur einen kleinen Schluck genommen hatte.
 

„Ich weiß, mein kleiner Drache. Ich hatte eigentlich auch die Absicht gehabt, es langsam angehen zu lassen und dir mehr Zeit zu geben, dich an deinen neuen Status als Herr über Malfoy Manor zu gewöhnen, doch die Umstände, die sich in den letzten Tagen ergeben haben lassen das leider nicht zu.“ Narcissa hob den Blick wieder und sah ihrem Sohn in die Augen.
 

„Dir ist doch sicher klar, in welchem Zustand Harry war, als er Hogwarts verlassen hat?“
 

„Natürlich, aber…“ ‘…was hat das mit unserer Situation zu tun?…’, wollte er fragen, doch dann begriff er es. Alles, was mit ihm zu tun hatte, hatte auch mit Harry zu tun. Schon allein, weil er noch immer davon ausging, dass sie beide eine Beziehung führten, selbst wenn er schon zwei Tage kaum ein Wort mehr mit dem Schwarzhaarigen gewechselt hatte.
 

Und dann kam ihm noch etwas anderes in den Sinn. Seine Mutter war mit Sirius Black in Hogwarts aufgetaucht, mit diesem und Remus Lupin. Lupin war Wehrwolf und kam für eine Beziehung zu seiner Mutter garantiert nicht in Frage, Black war aus einer angesehenen, alten, reinblütigen Familie auch wenn er im Moment noch Probleme hatte seine Ansprüche einzufordern, da es ein paar engstirnige Rechthaber gab, die ein weiteres Verfahren wegen des Todes von Harrys Eltern wollten, um Blacks Unschuld zweifelsfrei zu klären. Und er war Harrys Pate, der hoffentlich bald die Vormundschaft für Harry zugesprochen bekam.
 

Dracos Blicke verengten sich zu schmalen Schlitzen. Er konnte noch immer nicht ganz fassen, dass es einen neuen Mann im Leben seiner Mutter gab. Narcissa hatte ihn die ganze Zeit nicht aus den Augen gelassen und war sich klar, dass er es verstanden hatte.
 

„Natürlich ist mir bewusst, in welchem Zustand Harry ist.“, nahm er seinen Faden von zu vor wieder auf. „Was also schwebt dir vor, Mutter?“ Wieder flackerte Amüsement in Narcissas Augen. Sie konnte sich nicht helfen, doch die Entwicklung, die Draco genommen hatte, begeisterte sie immer mehr. Er war erwachsener als sie es jemals für möglich gehalten hatte. Sie ließ ihre Fassade fallen, nahm einen Schluck aus ihrem Weinglas und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück.
 

„Ich wünschte, ich hätte das alles langsam angehen können, Dragon, aber es ist Harrys Zustand, der mich im Moment beunruhigt und gerade ihm, habe ich eine Menge zu verdanken. Er hat es geschafft dich vor deinem Vater zu retten und deinen eigenen Weg gehen zu lassen und darauf bin ich ungeheuer stolz.
 

„Deshalb stehe ich in seiner Schuld. Ich weiß, dass er dein Leben mehr als nur einmal gerettet hat. Das allein ist schon Grund genug, ihm zu helfen. Aber wie du sicher begriffen hast, habe ich noch einen anderen. Sirius ist Harrys Pate. Er liebt seinen Patensohn mehr als alles andere auf der Welt und fühlt sich seit Jahren schuldig, weil er ihn so im Stich gelassen hat. Und…und ich…ich…“ Wieder ließ sie den Blick sinken, doch Draco wusste, was sie sagen wollte.
 

„Du liebst ihn.“, konstatierte er und wusste nicht, was er dabei empfand. Wie die Ehe zwischen seinen Eltern ausgesehen hatte, wusste er inzwischen. Was sein Vater an Gefühlen für sie besessen hatte, hatte er hinlänglich bewiesen. Sie hatten ihm nichts bedeutet, weder seine Mutter noch er, doch was er von diesem schwarzhaarigen Mann halten sollte, der Harrys Pate war, wusste er nicht. Es war verstörend. Seine Mutter hatte in den letzten beiden Jahren ihr eigenes Leben gelebt und er wusste nichts mehr davon. Sie hatte sich so sehr verändert und egal, wie stolz er auf sie war, es war im Moment schwierig für ihn, dass nachzuvollziehen, vor allem, als er nun begriff, dass sie das ohne Zweifel dem neuen Mann an ihrer Seite zu verdanken hatte. Es tat weh.
 

Kühle Hände, die seine umfassten, rissen ihn aus seinen Gedanken. Narcissa hatte sich von ihm unbemerkt auf den Stuhl neben ihm geschoben.
 

„Es tut mir so leid, Dragon, ich wünschte, ich hätte dir mehr Zeit geben können, aber…Harry muss da weg. Er ist schon einmal von dort davon gelaufen. Dumbledore hat Sirius zwar versichert, dass das diesmal nicht passiert, aber deswegen tut es ihm trotzdem nicht gut. Ich weiß, wie viel Sorgen du dir um ihn machst. Ich kann es spüren. Sirius geht es genauso. Aber er hat im Moment keine Handhabe, solange seine Situation nicht geklärt ist. Er sucht eine Wohnung, nur um Harry endlich da herausholen zu können, doch die Lage ist noch immer so angespannt und schwierig. Alles hat sich so sehr überstürzt und der Zustand in dem Harry sich befindet, macht es nicht leichter…“
 

„Ich seid euch bewusst, was…zwischen mir und Harry…vor sich geht?“ Draco sah seine Mutter nicht an bei diesem Statement, doch seine Finger umklammerten ihre. Er war überfordert. Das wusste er. Es war ganz einfach alles zu viel, doch wenn er sich schon so fühlte, wie musste Harry sich dann erst fühlen, bei Menschen, die nie etwas für ihn übrig gehabt hatten?
 

Narcissa betrachtete voller Zuneigung den gesenkten Kopf ihres großen Lieblings und lächelte traurig. Was Lucius mit ihrem Sohn getan hatte, war einfach nur grauenvoll gewesen und sie war mehr als nur dankbar, dass er nie wieder die Chance haben würde, ihn zu verletzen. Ihr Mann hatte seinen Verdacht gehabt, was die Sexualität seines Sohnes anging, doch er war immer davon ausgegangen, dass er das irgendwann zurechtrücken konnte. Diese Chance hatte er zum Glück nie bekommen. Sie selbst war nicht sicher, wie gefestigt Dracos Interesse in Männer war, doch der Fakt, dass er eine Beziehung zu Harry eingestand und sie auf Umwegen um ihre Einwilligung dazu fragte machte ihr klar, dass es ernst war.
 

Selbst wenn er sich zuvor vielleicht noch einmal umorientieren können hätte, war das vermutlich vorbei, nachdem er sich so tief in seinen Gefühlen für Sirius Patensohn verstrickt hatte. Sie wusste, dass sie es akzeptieren musste. Alles andere würde Draco nur verletzten und das war das letzte, was sie wollte.
 

„Ich bin mir bewusst, dass ihr mehr, als nur Freunde seid. Wir beide wissen, dass ich schon bevor ich dich nach Hogwarts zurückgeschickt habe, meine Vermutungen hatte…und behaupte ja nichts anderes.“ Draco schenkte ihr ein schwaches Lächeln.
 

„Vater wusste es…Er hat mich dafür verachtet.“
 

„Das würde ich niemals tun, Draco, und das weißt du.“ Es passte zu Lucius, dass er seine Meinung so offen kundgetan hatte, nachdem er zu seinem ‚Master’ zurückgekehrt war.
 

„Ich weiß…und egal, was du dir vielleicht erhofft hast…ich glaube nicht, dass daran noch etwas zu ändern war. Manchmal denke ich, meine Besessenheit mit Harry hatte von Anfang an andere Gründe. Er…er hat mich ganz einfach schon immer fasziniert.“
 

‘Nun, dass Harry Potter eine faszinierende Persönlichkeit ist, steht außer Frage…’, gestand sich Narcissa ein, doch für sie war etwas anderes sehr viel gravierender.
 

„Du bist wirklich verliebt in ihn, nicht wahr?“, Severus hatte so etwas angedeutet, also überrasch es sie nicht allzu sehr, auch wenn sie noch immer damit beschäftigt war, es zu verarbeiten. Draco warf ihr inzwischen einen düsteren Blick zu.
 

„Du bist dir schon bewusst, dass es hier im Grunde um dein Liebesleben geht, oder?“ Er war Dunkelrot bei diesem Statement und auch Narcissa verspürte Hitze in den Wangen. Sie lachte unsicher.
 

„Ich wollte dir das nur sagen.“ Das war die Wahrheit und es war ihr wirklich wichtig Draco zu versichern, dass sie keine Vorurteile hatte. Es wäre ein Bonus gewesen zu erfahren, wie verliebt er wirklich war, doch Draco gab ihr nicht die Chance. In dieser Beziehung kam er zweifellos nach seinem Vater. Er verstand es, einem Gespräch die Richtung zu geben, die er wollte.
 

„Ich hab’s gehört…“, konstatierte Draco inzwischen trocken, „…was also schwebt dir vor mit Mr. Black?“ Das war es, worum es gegangen war und er dachte nicht daran, seiner Mutter gegenüber einzugestehen, dass er verliebt war. Es reichte, dass er es Harry gesagt hatte.
 

Narcissa ließ ihr Weinglas mit einem Aufrufezauber zu sich schweben und nahm einen Schluck daraus, ohne Draco anzusehen.
 

„Sirius bekommt im Moment sein Vermögen nicht frei. Außerdem gab es zwar diese schockierende Veröffentlichung im Tagespropheten, die ihn von allen Vorwürfen freispricht. Doch das Misstrauen ist sogar gegenüber einem zu Unrecht verurteilten Mörder sehr groß. Er versucht seit wir zurück sind wenigstens eine Wohnung zu finden, doch die Leute machen es ihm schwer. Um die Vormundschaft für Harry zu bekommen, braucht er aber ein Dach über dem Kopf. Das hat die Abteilung für Familienangelegenheiten festgelegt.“
 

„Und wenn er es nicht auf die Reihe bekommt, muss Harry bei seinen Verwandten bleiben.“ Narcissa nickte nur. Sie wusste, das alles sehr überstürzt war und hoffte, dass sie ihrer eigenen Beziehung damit keinen Schaden zufügte, doch Harry musste da weg. Er musste in eine stabile Umgebung, die ihm das Gefühl vermittelte, kein Aussätziger zu sein, und vor allem anderen geliebt zu werden. Er musste begreifen, dass es trotz aller Widrigkeiten richtig gewesen war, was er getan hatte und das konnte er nur, wenn er sich um nicht auch noch Gedanken um seine Umwelt machen musste.
 

Sirius hatte ihr das nicht so sagen können. Er hatte sich nur Sorgen um den Jungen gemacht. Erst Severus hatte ihr klar gemacht, wie unsicher und hilflos der Junge in manchen Beziehungen war und sie beide hatten begriffen, worin das gipfeln konnte. Ihre graute vor der Vorstellung, Sirius sagen zu müssen, dass Harry vor zwei Tagen versucht hatte, sich das leben zu nehmen, doch Severus hatte ihr geraten, es trotzdem zu tun. Sirius musste wissen, was auf ihn zukommen würde.
 

„Du willst also, dass Black hier einzieht, damit er Harry so schnell wie möglich da weg holen kann?“ Dracos Frage überraschte Narcissa nicht. Sie konnte sich denken, was durch seinen misstrauischen Verstand huschte.
 

„In erster Linie. Er ist nicht begeistert davon, denn er steht im Moment ohne alles da. Es gefällt ihm nicht, sich der Gnade eines Malfoys aussetzen zu müssen. Er wollte eigentlich erst selbst auf die Beine kommen, doch sie machen es ihm nicht leicht und ich denke er wird eine weitere Gerichtsverhandlung über sich ergehen lassen müssen nur um endlich zu beweisen, dass er wirklich nichts mit dem Tod von Harrys Eltern zu tun hat. Ich selbst weiß ebenfalls, dass es möglicherweise nicht optimal ist, schon jetzt etwas zu etablieren, was ohne Zweifel falsch aufgenommen wird. Sirius und ich haben die letzten achtzehn Monate unter Extrembedingungen gelebt und die Beziehung zwischen uns beruht auch zu einem großen Teil auf unserer Verzweiflung. Ich weiß nicht, ob sie in der Wirklichkeit bestand hat. Wir wissen das beide nicht. Aber ich WILL ihm helfen, Draco…und ich muss Harry helfen. Das bin ich ihm schuldig.“
 

Draco sah seine Mutter an. Was sie eingestand war mehr, als er jemals von ihr erfahren hatte. Natürlich hatte sie ihm erzählt, was in diesen Monaten geschehen war. Sie hatte Black verschwiegen, doch das verstand er. Er wusste auch, dass sie ein sehr emotionaler Mensch, denn er war bisher der einzige, dem gegenüber sie das gezeigt hatte. Offensichtlich hatte sie es jedoch auch Sirius Black gezeigt. Es beeindruckte ihn, wie realistisch sie an diese Sache heran ging und gleichzeitig gab es ihm das Gefühl, dass sie wirklich jemanden gefunden hatte, der ihr gerecht wurde. Immerhin hatten sie beide die gleiche Meinung über diese Situation. Er wusste, dass er ihr diesen Wunsch niemals abschlagen konnte, schon allein, weil ihm seine eigenen damit ebenfalls schneller erfüllt werden würden.
 

Er wollte Harry zurück, so schnell wie nur möglich. Dieser Wunsch überstrahlte alles andere, auch die Bedenken, die er genauso wie seine Mutter hegte. Darum fegte er alle Ressentiments bei Seite. Wenn dieser Mann vernünftig genug war, sich nicht der Gnade eines Malfoys aussetzen zu wollen, wie seine Mutter es ausgedrückt hatte, dann konnte er kein schlechter Mensch sein. Und wenn er genau wie er, Draco, um jeden Preis Harry beschützen wollte, dann waren sie sich einig, auch wenn er das Black so schnell nicht sagen würde.
 

„Und warum ist Black dann noch nicht hier?“, fragte er, die linke Braue inquisitorisch hochgezogen. Narcissa begann zu lachen.
 

„Ich hätte wissen sollten, dass du mir so kommst! Ich bin ja schon weg.“ Sie stand auf und Draco war klar, dass sie Black kontaktieren würde. „Gib Braxton die Anweisung, dass er mit dem Dinner noch eine Viertelstunde warten soll!“ Draco nickte nur, als sie den Salon verließ. Er war noch immer ein wenig schockiert darüber, dass es einen neuen Mann im Leben seiner Mutter geben sollte, doch er war viel zu zufrieden mit dem Verlauf der Ereignisse, dass er sich viele Gedanken darum machen würde.
 

Seine Mutter war noch jung. Sie hatte ein Recht auf eine glückliche Zukunft.
 


 

* * *
 


 

Petunia Dursley presste ihr Ohr vorsichtig gegen die Tür zu dem Zimmer, in dem wieder einmal ihr Neffe untergebracht war und versuchte verzweifelt, ein Geräusch daraus zu erhaschen, doch es war nichts zu hören. Das war nicht gut und das wusste sie. Schon seit zwei Tagen hatte sie ihn weder gehört noch gesehen.
 

Als er vor vier Tagen vor der Tür gestanden hatte, war sie beinahe in Ohnmacht gefallen, denn nachdem er im letzten Sommer nicht aufgetaucht war, hatte sie erwartet, ihn nie mehr wieder zu sehen. Leider war diese Hoffnung verfrüht gewesen. Harry, zweifellos aus dem Nichts vor Privat Drive aufgetaucht hatte sie mit zusammengekniffenen Augen angestarrt und ihr gesagt, dass sie es noch mit ihm aushalten musste, bis sein Pate endlich die Vormundschaft zugesprochen bekam, dann war er an ihr vorbeimarschiert, die Treppe hinaufgegangen und in dem frisch renovierten Zimmer verschwunden, in dem er immer untergebracht gewesen war.
 

Petunia hatte es zu diesem Zeitpunkt die Sprache verschlagen, doch ihr war schnell klar geworden, dass sie keine Wahl hatte. Über dieses Gesetzt, das Zaubererkinder mit siebzehn volljährig wurden, hatte dieser Kauz Dumbledore sie in dem Brief aufgeklärt, den sie gemeinsam mit dem Jungen auf der Türschwelle gefunden hatten. Harry wurde erst in vier Wochen siebzehn und so musste sie ihn hier behalten, obwohl er davon offensichtlich genauso begeistert war, wie sie selbst.
 

Inzwischen machte sie sich jedoch zum ersten Mal im Leben Sorgen um den Jungen. Nicht, dass es sie interessiert, wie es ihm dabei ging. Was ihr viel mehr Sorgen machte, war die Möglichkeit, dass der Junge hier bei ihr Schaden nehmen würde und jemand es mitbekam. Er hatte keinen Bissen gegessen, seit er hier war. Wie immer schoben sie ihm seine Malzeiten durch die Katzenklappe, die noch immer in der Tür war, doch jedes Mal fand sie den Teller wieder so vor, wie sie ihn hingestellt hatte.
 

Eine Weile hatte sie geglaubt, ich Neffe besorgte sich sein Essen auf anderem Wege, doch inzwischen waren ihr Zweifel gekommen. Es war zu still in diesem Zimmer. Die ersten beiden Tage hatte sie wenigstens gehört, wenn er zur Toilette oder ins Bad gegangen, doch selbst das tat er offensichtlich nicht mehr.
 

Ein weiteres Mal versuchte Petunia durch die Katzenklappe etwas zu sehen. Es war unmöglich. Alles, was man von da aus sehen konnte waren die Füße des Bettes. Sie hatte nur die eine Chance zu prüfen, ob die Tür verschlossen war, unter irgendeiner fadenscheinigen Ausrede. Zum Glück waren Vernon und Dudley in London. Sollte der Junge ausrasten, musste nur sie sich damit auseinandersetzen. Zu allem entschlossen drückte Petunia die Klinke nieder und war regelrecht überrascht, als die Tür aufsprang.
 

Das Zimmer war bedrückend still und schockierend sauber. Die Eule im Käfig auf dem Schreibtisch wandte ihr aufmerksam den Blick zu, bevor sie sich wieder ihrem Herrn zuwandte. Petunia spürte ihr Herz im Hals schlagen, als sie ihr Blick auf ihren Neffen fiel.
 

Er war weiß, wie die Bettwäsche seines Bettes, unter seinen Augen lagen dunkle Ringe. Sein schwarzes Haar bildete einen bedrohlichen Kontrast zu seiner Blässe und einen Moment langt fragte sich Petunia, ob er überhaupt noch atmete, bevor sie sah, dass sich seine Brust kaum merklich hob und senkte.
 

Energisch beschloss sie ihn auf zu wecken. Sein Zustand beunruhigte sie mehr, als ihr lieb war. Was wenn er hier in diesem Zimmer starb? Sie hatte schon als er gekommen war bemerkt, dass er noch sehr vie dürrer war als früher. Gesund konnte das schon nicht mehr gewesen sein, doch jetzt war er abgemagert und verhärmt. Sie musste ihm klar machen, dass er zu essen hatte, wenn sie wollte, dass er ihr hier nicht krepierte.
 

„WACH AUF, JUNGE!“ Ihre Finger umklammerten hart Harrys Schulter und sie rüttelte ihn grob – nur um einen Moment später gegen die Wand gestoßen zu werden, bevor eine unsichtbare Kraft sie aus dem Zimmer schob und die Tür wieder zuflog, dass die Katzenklappe wild schaukelte. Das wilde Kreischen der Eule setzte allem noch die Krone auf. Petunia schnappte empört nach Luft. „WAS FÄLLT DIR EIN?“ Sie bekam keine Antwort. Im Zimmer herrschte wieder Stille und auch die Eule hatte sich beruhigt. Petunia machte einen weiteren Versuch mit der Tür, doch diesmal ließ sie sich nicht mehr öffnen.
 

„Es reicht, Junge, diesmal reicht es wirklich…ich hab genug von dir!“, murmelte sie ärgerlich vor sich hin, als sie hinunter in die Küche ging, um dieser Farce ein endlich Ende zu setzen. Sie würde es nicht mehr mit diesem Bengel aufnehmen. Nie mehr, egal, was diese Missgeburten davon hielten.
 

~
 

„Tibby!“ Narcissa ließ sich in den Sessel vor dem Salonkamin sinken. Gerade eben hatte sie Albus Dumbledore aus den Flammen verabschiedet. Die Nachrichten, die der Schulleiter von Hogwarts ihr überbracht hatte, gefielen ihr überhaupt nicht. Es sah ganz danach aus, als weigerten sich Harrys Verwandte, ihn weiter bei sich zu behalten und Narcissa hätte zu gern gewusst, was vorgefallen war.
 

„Mylady wünschen?“, Tibby war erschienen.
 

„Teile Mr. Black mit, dass ich ihn dringend im Salon sprechen muss!“
 

„Gewiss, Mylady.“ Tibby verschwand um Sirius zu finden und Narcissa fragte sie, wie sie jetzt weiter verfahren konnte. Im Grunde wusste sie jedoch, dass sie eigentlich nur hoffen konnte, dass Dumbledore mit einem Eilantrag beim Ministerium durchkam und sie den Jungen wirklich holen konnten.
 

Sirius war ein Wrack, seit dem er begriffen hatte, dass Harry weder Briefe empfing noch beantwortete. Draco ging es zweifellos ähnlich, auch wenn er es sich nicht so deutlich anmerken ließ, wie Sirius. Die beiden belauerten einander wie misstrauische Kater, jeder darauf bedacht, dem anderen gegenüber einen Vorteil zu erringen und bis jetzt war es leider so, dass Sirius grundsätzlich den Kürzeren zog, wenn es um Harry ging. Draco kannte den schwarzhaarigen Gryffindor viel zu gut, um sich irgendwie austricksen zu lassen.
 

Sirius war schon am Tag nach ihrem Gespräch in Malfoy Manor eingezogen. Er hatte Räume im Westflügel, da wo die Malfoys ihre Gäste unterbrachten. Narcissa wusste, das Draco von diesem Arrangement überrascht gewesen war. Zweifellos hatte er erwartet, dass sie ihn näher bei den Räumlichkeiten der Familie unterbrachte. Dracos Akzeptanz ihrer Beziehung zu Sirius Black hatte sie erstaunt. Sie hatte mit mehr Widerstand gerechnet, doch offenbar hatte die Tatsache, dass er selbst in einer ziemlich schwierigen Beziehung steckte ihn um einiges verständnisvoller gemacht, als sie es jemals für möglich gehalten hätte.
 

„Narcy, was gibt’s? Ich wollte eigentlich nach London, um denen in der Abteilung für Familienangelegenheiten Druck zu machen.“ Sirius gab Narcissa einen Kuss auf die Wange, doch diesmal entlockte er ihr damit nicht das übliche lächeln.
 

„Es sieht ganz so aus, als gäbe es Probleme mit Harry. Dumbledore hat mich gerade eben am Kamin erwischt. Er ist auf dem Weg ins Ministerium um einen Eilantrag auf Sondergenehmigung zu stellen.“ Sirius ließ sich ernst in den Sessel ihr gegenüber fallen.
 

„Was ist passier?“
 

„Seine Tante hat behauptet, Harry habe sie angegriffen. Wenn er nicht innerhalb des heutigen Tages aus dem Haus verschwindet, schafft sie ihn in ein Muggelheim für elternlose Kinder.“
 

„WAS?“ Mit Sirius Ruhe war es vorbei. Er sprang auf und begann auf und ab zu gehen.
 

„Sirius beruhige dich, Dumbledore kümmert sich darum.“
 

„HERR GOTT NOCH MAL, wie er sich um Harry kümmert haben wir gesehen! Ich kann ihn da nicht lassen, Narcissa!“
 

„Das weiß ich, deswegen ist er ja unterwegs, um das Ganze zu beschleunigen, nachdem Harrys Verwandte ihn nicht mehr behalten wollen!“, versucht Narcissa Sirius zu beschwichtigen, doch es gelang ihr zweifellos nicht.
 

„SIE WOLLTEN IHN NIE, NARCISSA. Das ist das Bewusstsein, mit der er aufgewachsen ist – dass ihn niemals jemand haben wollte. Und dahin hat Dumbledore ihn zurück geschickt. Er ist eh schon fertig genug und nun auch noch das.“ Sirius fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. Schon lange wusste er, dass er sich mehr für seinen Patensohn einsetzen müssen hätte. „Weißt du, wie glücklich er war, als ich ihm am Ende seines dritten Schuljahres gefragt habe, ob er bei mir leben will, wenn ich endlich rehabilitiert bin?“ Narcissas Blick war voller bedauern, doch sie konnte dazu nichts sagen. Nichts konnte ändern, was vorbei war.
 

„Sicher wird Dumbledore seinen Antrag durchbekommen!“, versuchte sie ihn aufzumuntern. Sirius starrte mit leerem Blick aus dem Fenster.
 

Soll ich dir was sagen? Es ist mir egal, ob er ihn durchbekommt, oder nicht. Wenn nicht, hole ich ihn trotzdem da weg…“ Narcissa stand auf, ging zu ihm und lehnte sich gegen ihn.
 

„Ich denke mal, Draco würde dir augenblicklich dabei helfen…aber jetzt warten wir trotzdem erst einmal ab, was Dumbledore erreicht.“ Mit einem Knurren nahm Sirius sie in die Arme.
 

„Ich kann ihm nur raten, sich zu beeilen.“
 

~
 

Drei Stunden später erschienen Sirius und Draco ordentlich in Muggelkleidung gekleidet und sicher mit dem Tarnzauber getarnt vor der Tür des Hauses Privat Drive 4. Draco hatte Sirius nicht einmal die Chance gegeben, Harry allein zu holen, nachdem er mitbekommen hatte, worum es ging. Er konnte ja nicht einmal ahnen, dass Sirius für seine Begleitung beinahe dankbar war. Harrys Pate hatte längst begriffen, dass Narcissas Sohn derjenige war, der noch mit der meisten Kooperation von Seiten Harrys rechnen konnte. Das hatte er beim Quidditch klar bewiesen.
 

„Meine Güte…“ Draco hatte einen Blick in die Runde geworfen und festgestellt, dass hier ein Haus wie das andere aussah. „Wie kriegen die das hin, dass die alle gleich aussehen?“ Sirius war daran weniger interessiert.
 

„Keine Ahnung…und es interessiert mich auch nicht. Die Muggelwelt ist praktisch, wenn man untertauchen muss, das ist alles, was mich interessiert.“ Draco schenkte ihm ein leicht spöttisches Grinsen.
 

„Schätze mal, damit kennst du dich aus, oder?“ Sirius gab ihm einen unbeeindruckten Blick.
 

„Bestens!“ Diese Geplänkel hatten sich zwischen ihnen etabliert, kaum, dass er einen Fuß in Malfoy Manor gesetzt hatte. Der Wortwitz des jungen Malfoy hatte Sirius überrascht. Ohne jeden Zweifel provozierte er für seine Leben gern und im Moment war er selbst das Ziel seiner spitzfindigen Attacken. Noch hatte er wohl nicht begriffen, dass er Sirius damit absolut nicht ärgern konnte. Es war eher so, dass dieser Gefallen daran hatte, auch wenn er das nicht zeigte.
 

Draco grinste inzwischen nur selbstgefällig.
 

„Wie ist das? Klopfst du an oder soll ich?“ Sirius‘ Hand donnerte daraufhin lautstark gegen die Haustür von Privat Drive 4. Er kannte das Prinzip der Türklingel, doch es interessierte ihn nicht. Er war viel zu ärgerlich.
 

„Wer ist da?“, kam es von drinnen knurrig, bevor die Tür aufflog und ein mopsgesichtiger Dudley die beiden aus seinen Schweinsäuglein fixierte, „Noch nie was von ’ner Klingel gehört?“
 

„Wer ist es denn Diddykins?“, kam es von irgendwo aus dem Hintergrund.
 

„Keine Ahnung, Mum!“, brüllte Dudley, bevor er fragte, „Was wollen Sie? Wir kaufen nichts, wir spenden nicht und wir treten auch keiner Sekte bei!“
 

Hätte Draco eine Ahnung, wie er die Erscheinung in der Tür anstarrte, hätte er es augenblicklich abgestellt, doch so kam Sirius in den Genuss eines vollkommen schockierten Draco Malfoys. Er hatte Dudley schon gesehen, als er vor Jahren hier gewesen war, um zu sehen, wie es Harry ging.
 

Für Draco war der Anblick ganz eindeutig ein Schock. Dudley mochte genauso groß sein, wie er selbst, doch er war doppelt so breit und bei seinen Schultern konnte es sogar ein bisschen mehr sein. Sein Kopf war winzig auf seinem massigen Körper, der Hals kaum vorhanden. Die Arme, die aus dem kurzärmeligen T-Shirt platzen waren so dick wie die Oberschenkel eines normalen Jugendlichen. Die gesamte Erscheinung wirkte gefährlich und gleichzeitig ziemlich dämlich, denn Dudleys Gesichtsausdruck mangelte es ganz klar an jeglicher Intelligenz.
 

„Wir sind hier um Harry abzuholen.“, beantwortete Sirius die Frage von Harrys Cousin und plötzlich ging mit dem Fleischberg eine Veränderung vor, die alles andere übertraf.
 

„M…M…M…Mum-my…da…da…da…sind welche von denen!“ und schon war er in der Küche verschwunden und Draco klappte endgültig die Kinnlade herunter.
 

„Mach den Mund zu…ich weiß ja, das es lächerlich ist…aber wir müssen uns trotzdem benehmen! Auch wenn ich dieses Haus am liebsten dem Erdboden gleich machen würde.“ Ausnahmsweise fehlte es Draco an einer Erwiderung, aber er schaffte es, sich zu fassen.
 

Augenblicke später erschien Petunia pferdegesichtig wie immer im Flur, sichtlich blass und nervös. „Hallo Petunia…“ Sirius schenkte ihr das kälteste Lächeln, das er aufbringen konnte. „Lange nicht gesehen…“ Er hatte sie nur ein oder zweimal gesehen, in den Ferien, wenn Lilys Eltern diese in Kingscross abgeholt hatten. Petunias Blick wurde eisig.
 

„Mister Black…wenn Sie wohl kurz hereinkommen würden? Sie beide?“ Ihr Blick wechselte zwischen Draco und Sirius hin und her. Der Kontrast zwischen zwei Personen konnte nicht größer sein.
 

„Wir wollen nur Harry holen. Wo ist er?“
 

„Darüber will ich mit Ihnen sprechen. Sie können ihn nicht einfach aus dem Haus tragen…“
 

„Was?“ Sirius war mit zwei Schritten im Haus und Petunia wich angesichts seiner düsteren Miene zurück. „Was hast du mit dem Jungen gemacht, Pet?...Was hat du mit Lilys Sohn gemacht?“
 

„Nichts hab ich gemacht…Er ist an seinem Zustand vollkommen selber schuld.“
 

Dracos Blick flackerte durchs Haus. Er konnte Harrys Cousin aus der Küchentür heraus zu ihnen linsen sehen und kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. Wo war Harry? Was hatten sie mit ihm gemacht? Draco verfluchte den Umstand, dass er seiner Mutter versprochen hatte, sich zu benehmen. Es fiel ihm unendlich schwer.
 

„WAS IST HIER LOS, VERDAMMT NOCH MAL?“ riss ihn das Geschrei eines weiteren Fleischbergs aus seinen Gedanken. ‘Was sind das für Menschen?’ war alles, was er angesichts Harrys Onkel denken konnte. Er sah, wie die Tante auf den Onkel einredete und Sirius sich endlich so weit beruhigte, dass sie den beiden in ein Art kleinen Salon folgten, in dem ein Kasten flimmerte und seltsame Geräusche von sich gab.
 

Draco wusste, dass Sirius die Formalitäten regeln musste, doch er hatte nicht mehr den Nerv, das abzuwarten. Er musste wissen, was mit Harry war.
 

„Sirius, ich würde gern Harry holen.“, unterbrach er entschieden das Gezänk, das sich vor ihm entwickelte. Zum ersten Mal sahen ihn alle drei Dursleys an. Er reagierte nicht, starrte nur Harrys Paten an.
 

„Ich werde nicht zulassen, dass irgend so ein dahergelaufener Freak durch mein Haus marschiert.“, polterte Onkel Vernon los. Dracos Blick fixierte Harrys Onkel und etwas passierte, das Sirius wirklich überraschte und ihm zum ersten Mal klar machte, was Harry und Draco waren: erstklassig für den Kampf ausgebildete Magier. Und Narcissas Sohn hatte ganz klar einen Hang zur dunklem Magie, denn der Fakt, das Vernon Dursley unter seinem Blick regelrecht schrumpfte, hatte rein magische Ursachen.
 

„Ihr Sohn kann mich ja begleiten. Um sicher zu stellen, dass ich nichts mitgehen lasse…“, meinte er mit seidiger Stimme, die einem mehr Angst machen konnte, als alles andere.
 

„Draco, bitte. Du hast deiner Mutter etwas versprochen!“, bremste Sirius ihn aus, obwohl es ihm lieber wäre, ihn weiter machen lassen zu können, doch er war sich vollkommen bewusst, dass ihm Narcissa dann den Kopf abreisen würde. Wenn es um ihren Sohn ging wurde sie zur Löwin.
 

„Ich will nur, Harry holen. Dazu sind wir hier!“, rechtfertigte er sich, doch Sirius konnte Spüren, wie er den Zauber, den er offensichtlich stumm gesprochen hatte zurück nahm.
 

„Dudley…zeig ihm den Weg!“ Petunias Ton ließ keinen Widerspruch zu, obwohl Dudley, inzwischen in der Tür zum Wohnzimmer, leichenblass wurde. Hastig wandte er sich um und Draco folgte ihm eilig. Er wollte das hinter sich bringen. Schnell.
 

Augenblicke später stand er vor einer der weißen Einheitstüren im ersten Stock des Hauses und Dudley presste sich so weit wie möglich von ihm entfernt an die Wand.
 

„Harry?…Harry, ich bin’s Draco…wir sind hier dich zu holen.“ Draco griff nach der Türklinke, als er keine Reaktion bekam und Dudley begann zu stottern.
 

„Es…es…es…ist versperrt…Harry…ha…ha…hat…zu…zugesperrt.“
 

‘Also magisch…’ Er zückte seinen Zauberstab und Dudley keuchte, als er begann Zaubersprüche herunter zu rasseln und immer wieder die Klinke drückte. Nach einer Minute gab Draco auf, trat einen Schritt zurück und fegte die Tür mit einem Pulsus-Fluch aus den Angeln. Dudley rannte schreiend davon und im Zimmer begann zweifellos Hedwig zu kreischen, doch das interessierte ihn nicht.
 

Mit einem Reparo auf den Lippen, der die Tür wieder in Ordnung brachte, hastete Draco ins Zimmer. Ihn packte das blanke Entsetzen, als er Harry auf dem Bett liegen sah. Er war dürrer, als jemals zuvor und wirkte vollkommen leblos.
 

„Harry…Harry, Love, wach auf.“ Draco ging neben dem Bett in die Knie und strich Harry die schwarzen Haarsträhnen aus dem Gesicht. Sein Freund war kalt und schweißfeucht. Er begann zu fluchen, bevor er den ersten Analyse-Zauber sprach. Harry war am Leben, aber nur noch gerade so. Er war dehydriert und halb verhungert. Eine Ahnung sagte Draco jedoch, dass das nicht das Verschulden seiner Verwandten war, denn er wäre in der Tür beinahe über einen Teller mit Kuchen und eine Tasse Tee gestolpert. „Harry, komm zu dir, bitte…“ Er begann seine Repertoire an Stärkungszaubern herunterzurasseln und sah, dass Harrys Wangen ein klein wenig Farbe bekamen. Ohne zu denken griff er nach der Teetasse, schob Harry einen Arm um die Schulter um ihn etwas vom Bett zu heben und flößte ihm den Tee ein.
 

„DRACO…“ Aus dem Erdgeschoss war ein lauter Ruf von Sirius zu vernehmen. Draco zerrte Harry vom Bett. Er rührte sich schwach, gab jedoch keinen Ton von sich.
 

„Hedwig, ich bring ihn nach Malfoy Manor. Sirius holt sein Zeug!“, erklärte er der Eule, die ihn die ganze Zeit nicht aus den Augen gelassen hatte, bevor er mit einem leisen Knacken ins Erdgeschoss apparierte. Dort hielt Sirius die Dursleys zu seinem Entsetzen gerade mit dem Zauberstab in Schach.
 

„Ich bring ihn nach Hause!“, erklärte er dort ohne Umschweife. „Die Tür hab ich wieder in Ordnung gebracht. Er hatte sie verriegelt und ich hab sie nicht aufbekommen!“ Sirius war Dudley einen bösen Blick zu, doch die drei Dursleys starrten im Moment Draco mit Harry in den Armen an, beinahe angewiderte Erleuchtung in den Blicken. Harrys Kopf lag an Dracos Schulter und sie gaben das perfekte Bild eines romantischen Liebespaares ab. Nur Sirius begriff, dass Harry nicht bei Bewusstsein war. „Seine Sachen sind noch oben. Ich glaube er hat sie gar nicht entpackt gehabt, die Truhe ist noch immer geschrumpft und liegt bei Hedwigs Käfig.“, erklärte Draco weiter.
 

„Okay…ICH…regle das hier noch. Geh!“ Der Blick, den Sirius in Richtung der Dursleys schickte war mörderisch, doch Draco interessiert das nicht mehr. Er disapparierte mit Harry im Arm, nur um Augenblicke später in seinem Zimmer in Malfoys Manor wieder zu erscheinen.
 

Behutsam ließ er Harry dort auf sein Bett gleiten.
 

„Alles okay, Harry, alles wird wieder gut!“, murmelte er leise und wollte gerade nach den Hauselfen und seiner Mutter schreien, als kalte Finger schwach seine Hand umklammern.
 

„Draco?...“ Harrys Flüstern war heiser und kaum zu hören.
 

„Ja, Harry…ich bin’s. Du bist in Malfoy Manor, alles wird wieder gut! Du bist in Sicherheit.“ Murmelte er, doch in seinen Augen standen Tränen, denn Harrys Schwäche war nicht zu übersehen. Er winziges Lächeln spielte um seine Lippen und das intensive grün seiner Iris schimmerte glasig, als er Draco aus nur halb geöffneten Augen ansah. Einen Moment später fielen sie wieder zu und der Druck seiner Finger verschwand. Dracos rechte suchte entsetzt seinen Puls, doch Harry hatte offenbar nur wieder das Bewusstsein verloren.
 

Draco brüllte nach seiner Mutter und den Hauselfen.
 

~
 

Es war weit nach Mitternacht, als die rege Betriebsamkeit, die in Dracos Zimmer geherrscht hatte, seit er mit Harry hier hergekommen war, endlich aufhörte. Harrys Zustand war wieder einmal kritisch gewesen. Narcissa hatte erst Severus Snape und dann auch noch Madam Pomfrey von Hogwarts kommen lassen. Die Krankenschwester war entsetzt gewesen, Snape stoisch ruhig. Er hatte Harry eindeutig nicht das erste Mal in diesem Zustand gesehen.
 

Draco hatte die ganze Zeit stumm auf dem Fenstersitz gehockt, die Knie zur Brust gezogen und das Kinn darauf abgelegt. Er hatte Harry nicht aus den Augen gelassen. Wieder einmal hatten sie ihn mit Heiltränken vollgepumpt. Diesmal um Nahrungsmangel und Flüssigkeitsverlust auszugleichen. Es sah ganz danach aus, als habe Harry kaum etwas getrunken und nichts mehr gegessen, seitdem er Hogwarts verlassen hatte.
 

Draco begriff nicht mehr, was in ihm vor sich ging. Severus Snape war der einzige, der es zu begreifen schien. Er hatte keine Zweifel an seiner Meinung zu Harrys Zustand gelassen. Nachdem er zu den Dursleys zurückgemusst hatte, war er nach Snapes Ansicht in eine tiefe Depression gefallen, die es ihm unmöglich gemacht hatte, sich selbst um seine Grundbedürfnisse zu kümmern. Seine Verwandten hatten das natürlich auch nicht getan. Die Kritik an der Entscheidung ihn noch einmal dahin zu schicken, schwang klar in seinen Worten mit. Severus stand im Moment zweifellos mit Albus Dumbledore auf Kriegsfuß.
 

Es hieß abwarten. Das war das letzte, was Draco Severus und Madam Pomfrey seiner Mutter und Sirius sagen hören hatte. Als allererstes musste er sich erholen. Erst danach konnte man entscheiden, wie ihm weiter zu helfen war. Fest stand, dass eine stabile, wohl gesonnene Umgebung einen großen Beitrag zu Harrys Heilungsprozess leisten konnte. Das war ein Wink mit dem Zaunpfahl an Narcissa und Sirius und Draco war nicht entgangen, dass Sirius, der Wut entbrannt nur wenige Minuten nach ihnen zurückgekommen war, sich schon wieder dem nächsten Horror gegenübersah. Er musste seinem Patensohn vermitteln, dass er schon seit einer ganzen Weile mit Dracos Mutter zusammenlebte. Draco zweifelte nicht daran, das Harry nicht die geringste Ahnung davon hatte, so kopflos, wie er in den letzten drei Tagen in Hogwarts herumgerannt war.
 

Er rutschte vom Fenstersitz und ging zum Bett hinüber. Seine Mutter hatte ihm einen kritischen Blick zugeworfen, als sie ihm eine Gute Nacht gewünscht hatte, Sirius hatte sich nicht geäußert, doch Draco hatte nicht die Absicht, Harry allein zu lassen, egal, was der Rest der Welt davon hielt. Harry brauchte ihn. Daran hatte er nicht die geringsten Zweifel.
 

Ohne noch weiter darüber nachzudenken, wechselte er in seinen Pyjama, schob sie neben seinem Lover unter die Bettdecke und zog ihn fest in seine Arme.
 

„Wir schaffen das, Harry…Wir haben schon ganz andere Sachen geschafft…“, murmelte er leise an Harrys Ohr, gab ihm einen Kuss auf die Stirn und war Augenblicke später genauso fest eingeschlafen, wie dieser.
 


 

* * *
 


 

„Wie geht’s ihm?“ Narcissa zog die Tür zu Harrys Zimmer leise hinter sich zu, die Frage an Draco gerichtet, der lesend in einem Sessel am Fenster saß.
 

Draco sah nicht auf. Er klappe nur das Buch zu und stützte müde das Gesicht in die Hände.
 

Harry war seit einer Woche in Malfoy Manor. Seit dem hatte sich sein Zustand kaum verändert. Sicher, er war bei weitem nicht mehr so blass und abgemagert, und auch die dunklen Schatten unter seinen Augen waren nicht mehr so prominent, wie zu Beginn, doch er schlief noch immer. Das einzige winzige Lebenszeichen, das Draco von ihm bekommen hatte war dieser kurze Moment der Klarheit gewesen, den Harry gehabt hatte, als Draco ihn in dieses Bett gebracht hatte. Seit dem machte er den Eindruck, als sei er erneut ins Koma gefallen.
 

Draco wusste, dass das nicht der Fall war. Serverus Snape hatte ihm mehr als nur nachdrücklich auseinander gesetzt, dass es für Harry unabdingbar war, sich vor allem anderen erst einmal körperlich zu erholen. Zu diesem Zweck lag er unter einem Schlafbann, bekam regelmäßig Stärkungstränke und einen Trank für traumlosen Schlaf. Bis jetzt hatten weder Professor Snape noch Madam Pomfrey die Erlaubnis gegeben, diese beiden Tränke abzusetzen.
 

Der Fakt, das Harry die Banne noch nicht von sich aus durchbrochen hatte, tat sein Übriges Dracos Zuversicht zu zermürben, denn er hatte keine Zweifel, dass Harry dazu in der Lage wäre, wenn er es nur wollte.
 

Entsprechend resigniert hörte sich die Antwort an, die er seiner Mutter gab. „Was glaubst du wohl?“
 


 

Narcissa seufzte unhörbar, ging langsam durchs Zimmer zu Dracos hinüber und setzte sich auf die Armlehne des Sessels. Er versuchte sich zu weigern, als sie ihn in ihre Arme zog, doch sie ließ sich nicht aufhalten. Einen Moment später ließ er seinen Kopf gegen ihre Schulter sinken.
 

„Ich halte das nicht mehr lange aus, Mum.“
 

Narcissa presste Draco einen Kuss auf den Scheitel. „Ich weiß, mein Dragon. Ich weiß. Aber du musst Geduld haben. Ich vertraue Severus. Wir alle sollten das. Ich denke, niemand kennt ihn so gut wie er. Und wenn er sagt, Harry ist erst dann wieder Harry, wenn er einen Bann bricht, der ihn aufhalten soll, dann glaube ich ihm das.“ Sie konnte Dracos Schultern rucken spüren und hatte keine Zweifel, was er für ein Gesicht machte.
 

Dracos Geduld war schon lange am Ende und er ließ seine Schlechte Laune an jedem aus, der ihm in die Quere kam. Sirius ignorierte ihn im Moment grundsätzlich, wenn er seinem Patensohn einen Besuch abstattete. Severus warf ihn aus dem Zimmer, wenn er kam um Harry durchzuchecken.
 

Um genau zu war es Severus, der er schaffte Narcissas eigene Zuversicht wieder zu stärken. Er kam jeden Tag und schon seit vorgestern hatte sie den Eindruck als sei er nicht mehr ganz so beunruhigt, wie zu Anfang. „Lass Harry Zeit, Draco. Ich weiß, auch du hast eine harte Zeit hinter dir, aber du hattest Zeit, dich mit allem, was geschehen ist auseinander zu setzen. Harry hatte das nicht. Er…ich denke er muss sich erst gedanklich an das gewöhnen, was geschehen ist, was er getan hat.“
 

Sie konnte spüren, wie Draco sich aus ihrer Umarmung löste und aufrichtete. Er sah sie nicht an, als er sagte:
 

„Ich weiß…Ich weiß das, Mum, aber die ganze Zeit muss ich mich fragen, ob ich nicht etwas tun können hätte …Ich hab’s ihm nicht leichter gemacht, als ich ihn gezwungen habe weiter zu spielen…und ich denke wir beide wissen, was sein Absturz zu bedeuten hatte…“
 

Narcissa stand auf und ging zum Fenster. Es war eine ihrer schlimmsten Befürchtungen gewesen, dass Draco sich für diese Sache verantwortlich fühlen könnte. „Draco, du bist der letzte, der sich dafür verantwortlich machen darf. Ich denke es war ganz einfach zu viel für Harry…an diesem Tag.“
 

„Das weiß ich auch, aber es reicht schon, dass ich nur ein kleiner Teil davon war…Er kann das im Moment nicht brauchen. Absolut nicht.“
 

„Ich weiß…“
 

„Hast du schon mit Sirius gesprochen?“ Sie hatte mit Severus gesprochen. Interessanterweise waren sie sich einig gewesen, dass Sirius es nicht sonderlich gut aufnehmen würde, wenn er die Wahrheit erfuhr. Er war jetzt schon überbesorgt um Harry und Severus machte sich Sorgen, dass Harry es nicht sonderlich gut aufnehmen würde, wenn die Erwachsenen in seiner Umgebung begannen ihn wie ein Kind zu bemuttern.
 

„Nein…Ich denke Sirius würde sich nur noch mehr Sorgen machen…und versuchen Harry nicht mehr aus den Augen zu lassen…“
 

„Du musst es ihm sagen. Er wird es nicht gut aufnehmen, wenn du es ihm verschwiegst, Mum.“
 

„Ich weiß…“
 

„Harry wird sich nicht verhätscheln lassen, dass kannst du ihm gleich dazu sagen…Eher flippt er aus.“ Narcissa konnte sich nicht helfen, als leise zu lachen. „Was?“ fragte er ein wenig irritiert,
 

„Ich finde es höchst amüsant, wie gut du die allgemeine Dynamik hier durchschaut hast.“ Draco stand auf und ging zum Bett hinüber ohne sie anzusehen. Gedankenverloren blieb er daneben stehen und sah auf Harrys schlafende Gestalt hinunter.
 

„Korrekt…“ meinte er leise.
 

Narcissa beobachtete ihn noch einen Moment lang. Sie war gekommen, um ihn ein wenig herauszulocken, ihn vielleicht sogar zu überzeugen, Harry für eine Weile allein zu lassen, doch sie gab den Gedanken auf, als sie ihn da so stehen sah. Draco würde sich nicht von Harrys Seite wegbewegen lassen.
 

Ihre Befürchtung, dass es in Malfoy Manor neben Sirius einen zweiten überbesorgten Bewohner geben könnte wurde langsam zur Gewissheit, und interessanterweise machte ihr das beinahe größere Sorgen, denn sie hatte das deutliche Gefühle, dass Dracos Verhalten im Vergleich das größere Gefahrenpotential besaß.
 

„Übertreib es nicht, Draco. Wenn Severus zu seinem üblichen Check kommt möchte ich dich zum Abendessen unten im Salon sehen, verstanden?“ Draco warf ihr einen düsteren Blick zu, doch ohne Zweifel machte ihm ihre Miene klar, dass das nicht zur Diskussion stand.
 

„Okay.“
 

„Gut.“ Sie ging zu ihm und gab ihm einen Kuss auf die Wange. „Dann sehe ich dich später unten.“ Als sie das Zimmer verließ, konnte sie noch sehen, wie Draco sich neben Harry auf dem Bett ausstreckte. Es entkräftete ihre Sorge in keinster Weise.
 


 

~
 


 

Als Draco am nächsten Morgen erwachte, lag er allein im Bett. Er fuhr hoch wie von einer Tarantel gestochen, sich den Schlaf aus den Augen reibend, doch noch bevor er sich in eine Panik hineinsteigern konnte, brachte ihn Harrys Stimme zu Sinnen.
 

„Ich bin hier…“ Draco konnte regelrecht spüren, wie sich sein Herzschlag etwas beruhigte und versuchte herauszubekommen, von wo die Stimme gekommen war. Einen Moment später realisierte er das Harry offensichtlich hinter den zugezogenen Vorhängen hockte. Einer davon war ein wenig geöffnet und Sonnenlicht strömte ins Zimmer. Offensichtlich saß er auf der gepolsterten Fensterbank. ‚Macht der Gewohnheit, oder Harry?‘
 

Draco stand auf und ging zum Fenster hinüber, um den Vorhang zu öffnen. Harry wandte ihm das Gesicht zu. Er saß mit angezogenen Knien auf dem Sims, das Kinn darauf abgestützt, nur mit T-Shirt und Pyjamahose bekleidet. Draco spürte einen Kloß im Hals, als er die Hand aussteckte und ihm durchs strubblige, schwarze Haar strich.
 

„Du bist endlich aufgewacht.“
 

Ein schwaches Lächeln spielte um Harrys Lippen. „Tut mir leid, dass ich Euch allen wieder so viele Sorgen gemacht habe, Dragon.“
 

„Idiot...“ Mit einer flüssigen Bewegung zerrte Draco Harry vom Sims und zog ihn an sich. „Mach das nie wieder, hörst du? Mach das ja nie wieder…ich dachte du gehst drauf…“ Er spürte Harrys Stirn gegen seine Schulter fallen und seine Hände um seine Taille gleiten. „Es ist genug, Harry, weiß du. Es ist wirklich genug…Du brauchst ‘ne Pause…“
 

Ein leises Schnauben war von Harry zu hören,
 

„Da hast du ohne jeden Zweifel Recht, Dragon…Das steht mal fest. Ich werd’s versuchen, okay? Ich geb mein bestes…“ Das war für Draco genug.
 

~
 

Ein paar Tage später war es jedoch Harry, dem klar wurde, dass es nicht genug war, dass es niemals genug sein würde. Er tat alles um zu verdrängen, was passiert war. Er versuchte jeden Trick den er kannte, um seine psychischen Probleme in den Griff zu bekommen, doch es gelang ihm nicht. Was er tagsüber aus seinem Gedanken verjagte, peinigte ihn Nacht für Nacht in seinen Träumen, hinderte ihn am Schlafen und trieb ihn von Draco weg; Draco, den er noch immer als seinen Anker betrachtete.
 

Harry versuchte verzweifelt, sich einzureden, dass er nur Geduld haben musste, wie ihm alle um ihn herum versicherten; dass es mit der Zeit besser werden würde, doch er brauchte nur ein paar Tage, um zu begreifen, dass das für ihn nicht zu gelten schien. Mit jedem Tag, den er mit dem Entschluss verbrachte, sich nicht mit dem auseinander zu setzen, was in den letzten eineinhalb Jahren geschehen war, wurde die Dunkelheit am Rande seines Bewusstseins massiver und die Angst vor dem, was das Harrys Ansicht nach bedeutete größer.
 

Und es fiel ihm immer schwerer seine Fassade aufrecht zu erhalten. Er wusste, Draco war überbesorgt. Ihm war klar, Sirius war so verzweifelt über das, was mit ihm geschehen war, dass er ihn am liebsten in Watte packen würde, mal ganz davon abgesehen, dass er sich mit Selbstvorwürfen das Leben schwer machte. Er begriff, dass Narcissa sich in seiner Schuld fühlte und dank Draco alles für ihn tun würde, was in ihrer Macht stand, doch all das machte es ihm nur noch schwerer, denn nichts davon half ihm weiter. Es brachte ihn nur in Zugzwang, setzte ihn unter Druck, seinen Zustand zu verbessern; etwas, dass für ihn im Moment unmöglich war.
 

Immer öfter hatte er nur noch den Wunsch, allein zu sein, doch genau das war es, was keiner begriff. Spannte Narcissa Draco ein, irgendetwas zu tun, was ihn für eine Weile von Harry fernhielt, war Sirius bei ihm, waren sie beide mal anderweitig beschäftigt, fand er sich in der Gesellschaft eines Hauselfen wieder, hatte er den endlich verscheucht, tauchte entweder Draco oder Sirius wieder auf. Es gab ihm das Gefühl unter Beobachtung zu stehen und trieb ihn langsam aber sicher in den Wahnsinn, denn sobald jemand bei ihm war, fühlte er sich verpflichtet seine Fassade aufrecht zu erhalten und das kostete ihn Kraft, die er eigentlich nicht hatte.
 

Gerade eben hatte Curt die Bibliothek, wo er im Moment auf einem der Fenstersimse saß, verlassen und Harry wartete darauf, dass ein weiterer Wächter auftauchte, als die Tür sich öffnete und Severus erschien. Er entspannte sich. Severus war der einzige, von dem er sich nicht überwacht und bedrängt fühlte. Er war derjenige, der ganz genau wusste, wie es ihm ging und er hatte von Anfang an klargestellt, dass er gar nicht erst versuchen sollte, ihm etwas vorzumachen. Severus konnte er nicht täuschen und darum versuchte er es gar nicht erst.
 

Harry ließ den Kopf gegen die Wand sinken und schloss die Augen, vollkommen entspannt.
 


 

Severus braucht nur einen Moment, um zu realisieren, was ihn an Harrys Pose störte. Es war die Müdigkeit, die er ausstrahlte. Er war jetzt seit drei Wochen in Malfoy Manor und hatte sich körperlich einigermaßen erholt. Zumindest war er nicht mehr so dürr, wie zu Beginn und hatte auch nicht mehr ganz so dunkle Ringe unter den Augen und doch erschien er ihm unendlich Müde und das widersprach im großen und ganzen vollkommen den relativ euphorischen Beschreibungen der anderen Bewohner des Hauses, inklusive der Hauselfen. Es bestätigte Severus, was er schon seit ein paar Tagen befürchtete. Harry machte seiner Umgebung etwas vor.
 

„Wie geht es dir wirklich?“ kam er augenblicklich auf den Punkt, der ihn interessierte.
 

Harry wandte den Kopf und starrte aus dem Fenster. Das war Severus Antwort genug. Er schüttelte den Kopf und ließ ihn resigniert sinken. „Du musst damit aufhören, Harry. Es ist keinem geholfen, wenn sie glauben, es geht dir besser, während du deine Energie damit verschwendest ihnen vorzuspielen, dass es dir besser geht…“
 

„Sie geben sich alle so viel Mühe, Severus. Und mit der Zeit wird es schon werden…irgendwann wird es Vergangenheit sein…“
 

Severus hakte das Thema unwillig unter unerledigt ab und machte weiter.
 

„Wie schläfst du?“
 

Er konnte sehen, dass Harry ihm eine positive Antwort geben wollte, doch ohne Zweifel blieb sie ihm im Halse stecken und er überlegte es sich anders.
 

„Schlecht…alles was ich versuche tagsüber los zu werden, sucht mich im Schlaf heim…“ gab er zu.
 

‘Immerhin belügt er wenigstens mich nicht…’ Severus sah ihn an.
 

„Nimm sie weg, Harry…“ Der Fakt, dass Harry sich weiterhin weigerte, ihn anzusehen, sagte Severus alles. Er stand auf, ging zu Harry hinüber und zwang ihn, ihn anzusehen. „Nimm. Sie. Weg.“
 

Ein Wisch mit der Rechten und die Illusionszauber verschwanden. Dunkle Schatten erschienen unter seinen Augen, der Ton seiner Haut wurde noch eine Spur blasser und Severus schloss automatisch, dass er so gut wie gar nicht schlief, weil ihn Alpträume plagten.
 

„Warum nimmst du den Trank nicht?“
 

„Weil wir beide sehr genau wissen, wo das hinführt…“ Harry wandte den Blick ab und ließ den Kopf auf die Knie sinken.
 

Severus wusste, dass er Recht hatte. Irgendwann würde entweder der Trank oder Harrys Unterbewusstsein gewinnen. Abhängigkeit oder Wirkungslosigkeit. Manchmal war er wirklich zu clever für sein eigenes Wohlergehen.
 

„Ich werde es schaffen, Severus. Irgendwie werde ich es schaffen. Ich komm da durch. Ich habe es immer geschafft.“
 

Severus konnte hören, dass er von dem überzeugt war, was er sagte und noch konnte er ihn auf diese Art überzeugen, doch er hatte das düstere Gefühl, dass Harrys Glaubwürdigkeit langsam schwächer wurde. ‘Wen willst du hier überzeugen, Junge, mich oder dich selbst?’ Diese Frage trat für ihn immer mehr in den Vordergrund, denn inzwischen war er sich nicht mehr sicher.
 

„Ich geb dir noch eine Woche…und ich werde noch mal ein ernstes Wort mit Black und Draco reden. Sie müssen begreifen, dass du weißt, dass du einen Fehler gemacht hast…“ Harrys Gesicht nahm einen ungesunden Rotton an. Immerhin hatte er wegen der Geschichte bei seinem letzten Quidditchspiel wenigstens ein richtig schlechtes Gewissen. Severus hatte im Gegensatz zu allen anderen kein Problem damit, Tacheles mit ihm zu reden. Die Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass Harry es am schnellsten Begriff, wenn man es ihm auf die harte Tour um die Ohren knallte.
 

Und doch nahm er ihn einen Moment später bei den Schultern, beugte sich zu ihm und zwang ihn, ihn anzusehen.
 

„Hör auf, dir Vorwürfe zu machen, Junge. Ich weiß, was durch deinen Kopf geht. Ich kann die Bilder in deinen Alpträumen sehen. Ich weiß, was du glaubst, dir nicht verzeihen zu können…HÖR. AUF. DAMIT. Du hast getan, was du tun musstest, um zu überleben und dein Ziel zu erreichen…Niemand wird mich jemals von etwas anderem überzeugen.“ Harry nickte und Severus schenkte ihm ein ermutigendes Lächeln, das ungewohnt und gezwungen auf seinen Zügen wirkte, doch Harry wusste, dass es sein Ernst war. „Lass dich nicht unterkriegen, Junge, okay?“
 

„Okay…“ Er konnte sehen, dass Harry so viel Überzeugung in dieses eine Wort setzte, wie er finden konnte und fühlte sich zumindest ein wenig beruhigt, als er sich aufrichtete und verabschiedete.
 

Er konnte nicht einmal ahnen, dass für Harry jede Minute zu viel war.
 


 

***
 


 

„Ich will verdammt noch mal nicht darüber reden…wann kapiert ihr das endlich. Wenn es nach mir ging würde ich diese Erinnerungen ausradieren…UND ICH WILL DEFINITIV NICHT DARÜBER REDEN…“ Harry stürmte aus dem Zimmer und rannte beinahe Narcissa um, die gerade in der Tür erschienen war. Es hielt ihn nicht auf. Er drängte an ihr vorbei und verschwand den Gang hinunter.
 

Narcissa sah ihm nach, bis er um die nächste Ecke verschwunden war, dann sah sie Sirius an. Er saß auf der massigen Ledercouch, hatte die Ellbogen auf die Knie gestützt und das Gesicht in den Händen verborgen. Ganz offensichtlich war er an dem Punkt angelangt, an dem er nicht mehr weiter wusste.
 

Narcissa schloss die Tür und setzte sich neben ihn auf die Couch. Sie griff nach seinen Händen und zwang ihn, sie anzusehen.
 

„Was ist passiert?“
 

Sirius entzog sich ihr, stand auf und ging zum Fenster.
 

„Ich komme ganz einfach nicht an ihn heran. Keine Chance. Und Snape hat recht. Er macht uns was vor. Sobald man versucht, mit ihm über seine Probleme zu reden, flippt er aus und man kann ihm ansehen, dass alles andere nur Fassade ist.“
 

„Entschuldige, Sirius, aber das habe ich dir schon die ganze Zeit gesagt. Severus weiß, wovon er redet, ob es dir nun gefällt, oder nicht.“
 

Sirius schwieg auf ihre Bemerkung und Narcissa starrte seinen Rücken an. Sie wusste, dass er es nicht mochte, wenn er Severus recht geben musste, doch sie war sich ziemlich sicher, dass er es nach diesem Ausbruch Harrys begriffen hatte. Das brachte sie mit ihrem eigentlichen Problem jedoch nicht weiter. Noch immer wusste sie nicht, wie sie das Gespräch auf Harrys Selbstmordversuch bringen sollte. Severus hatte sie bei seinem letzten Besuch noch einmal ausdrücklich darum gebeten, dass sie mit ihm sprach. Er musste wissen, wie kritisch Harrys Lage im Moment wirklich war und was passieren konnte, wenn er sich zu sehr unter Druck gesetzt fühlte.
 

„Aber irgendwie müssen wir ihm doch helfen…“ meldete sich Sirius leise und niedergeschlagen wieder zu Wort.
 

„Ich weiß nicht, ob wir das können, wenn er es nicht will. Und ich denke, es ist nicht gut, wenn wir die ganze Zeit in ihn hinein reden. Ich glaube er fühlt sich dadurch dahingehend unter Druck gesetzt, dass es ihm endlich besser gehen muss und deswegen zeigt er uns nicht, wie es ihm wirklich geht. Das habe ich auch Draco schon mehrfach gesagt…Sirius…ich mache mir Sorgen, wegen Harry…“
 

„Tun wir das nicht alle?“
 

„Das meine ich nicht…Du weißt, was bei diesem Quidditchspiel passiert ist!“
 


 

Sirius Miene verdüsterte sich bei ihren Worten. Das war eine Sache, die ihm nicht aus dem Kopf ging. Er versuchte noch immer sich einzureden, dass das Ganze ein dummer Zufall gewesen war, doch je länger er darüber nachdachte, desto mehr bezweifelte er es und der Gedanke, dass von Harrys Seite eine bestimmte Absicht dahinter gesteckt hatte gefiel ihm überhaupt nicht.
 

„Du denkst, das war Absicht, oder?“
 

„Nicht nur ich denke so. Severus denkt dasselbe und Draco ist sich sicher. Diese Maureen Dunn hat ihn nach dem Spiel beiseite genommen und ihm gesagt, was sie von Harrys Absturz gehalten hat. Sie ist überzeugt, dass es Absicht war.“ Erklärte Narcissa.
 

Sirius wollte es nicht hören, doch er wusste, dass er sich mit dieser Wahrheit abfinden musste. Und je klarer er sich über Harrys Zustand wurde, desto nutzloser wurden seine Zweifel, egal, wie nachdrücklich er sich einredete, dass Harry kein Feigling war, der sich aus dem Leben stahl. ‘Bei allem, was er durchgemacht hat, wundert es mich nicht wirklich…Was er als Herr der Zeit getan hat, lässt sich einfach nicht mit seinem Wesen vereinbaren.’
 

„Warum, verdammt noch mal sieht er nicht, dass er keine Wahl hatte? Sag mir das, Narcissa. Warum sieht er nicht ein, dass…“
 

„Das was? Das richtig war, was er getan hat? Ich glaube das wäre das letzte, was er hören möchte. Es gibt keine Rechtfertigung für Mord. Der Zweck darf niemals die Mittel heiligen…und ich denke, das ist Harrys Problem…“
 

Sirius wusste, dass Narcissa damit möglicherweise Recht hatte. Harry konnte was er getan hatte nicht mit seinen Gewissen vereinbaren, doch wenn er das nicht schaffte, wie sollte er dann jemals wieder auf die Beine kommen?
 

~
 

Harry stoppte erst wieder, als er sich ein wenig beruhigt hatte. Er hatte keine Ahnung, wo er war, doch das war ihm im Moment vollkommen egal. Er war allein und hatte die Möglichkeit sich etwas zu entspannen, ohne dass ihn jemand im Auge behielt. Den Weg zurück würde er schon irgendwie finden, wenn er soweit war. Narcissa hatte sogar die Hauselfen angewiesen von ihm und Sirius Befehle entgegen zu nehmen und sie konnten ihn auf jeden Fall in seine Räume zurückbringen.
 

Malfoy Manor war riesig. Draco hatte ihm gesagt, dass das Haus über achtzig Zimmer hatte und er sich als kleines Kind mehr als nur einmal verlaufen hatte. Er hatte ihm den Tipp mit den Hauselfen gegeben, falls er sich mal nicht zu Recht fand.
 

Harry öffnete wahllos eine der Türen und fand sich in einem hellen, freundlich eingerichteten Salon mit zierlichen, verschnörkelten Sitzmöbeln und einem prunkvollen vergoldeten Tisch wieder. Er zog die Tür hinter sich zu. Es war ihm gleich wo er seine Ruhe hatte, solange er sie nur hatte. Ohne Umschweife ging er zu einem der eleganten Sessel, setzte sich hinein und zog die Knie zur Brust.
 

Wie konnte Sirius nur von ihm verlangen, dass er über das sprach, was ihn belastete?
 

Harry schloss die Augen und igelte sich noch ein wenig mehr ein. Schon der Gedanke an seine Vergangenheit als Herr der Zeit sorgte dafür, dass ihm kalt wurde. Bewusst drängte er die Bilder aus seinem Kopf, denn er konnte sie nicht mehr ertragen und die ganze Zeit hatte er das Gefühl, aus der Dunkelheit am Rande seines Bewusstseins heraus beobachtet zu werden. So als warte die andere Hälfte seines Verstandes nur darauf, zuschlagen zu können. Bewusst atmete Harry tief durch, hob den Kopf und öffnete die Augen. Dunkelheit – nicht einmal die durch seine eigene Schutzhaltung verursachte – tat ihm nicht gut.
 

Sein Blick fiel auf ein Portrait der schönsten Frau, die er jemals gesehen hatte und sie schien ihm direkt in die Augen zu schauen. Harry spürte Hitze in den Wangen, obwohl er sich bewusst war, dass er ein Bild vor sich hatte und keinen wirklichen Menschen.
 

Sie war groß und schlank, in ein langes, fließendes Gewand gehüllt und stand neben einem offenen Fenster, durch das hell das Sonnenlicht hereinfiel. Harry brauchte einen Moment um zu begreifen, dass sie vor einem der Fenster dieses Zimmers stand. Selbst die zierliche Kommode, die der der Maler mit auf dem Bild verewigt hatte stand noch am selben Platz. Er war gefangen von ihren silbernen Augen, die direkt in seine Seele zu starren schienen und das wiederum trieb ihm die Schamesröte in die Wangen. Er wollte den Blick senken, doch die silbernen Augen hielten ihn gefangen. Sie erinnerten ihn derartig an Dracos Augen, dass er es nicht schaffte, den Blick abzuwenden.
 

Er spürte seine Kehle eng werden. Es war nur ein Bild und doch wollte er nicht, dass diese wunderschöne Frau auch nur einen Blick auf die Finsternis in seiner Seele erhaschte. Niemand sollte die Dunkelheit in ihm sehen, die er nie wieder los werden würde. Der Gedanke trieb ihm die Tränen in die Augen und einen Augenblick später rannen sie über seine bleichen Wangen. Und noch immer konnte er den Blick nicht abwenden.
 

Harry gab es auf. Willenlos versank er im Blick dieses ätherischen Wesens, ließ sich davon gefangen nehmen und hörte auf zu denken.
 


 

Er hätte nicht sagen können, was ihn geweckt hatte, doch es scheuchte ihn regelrecht aus dem Schlaf und er fuhr in dem Sessel, in dem er nach wie vor kauerte hoch. Erneut fiel sein Blick auf das Portrait, doch die Frau darauf hatte sich dem Fenster zugewandt und schien hinaus zu sehen. Einen Moment lang starrte er sie noch an, doch dann realisierte er, dass sich das Licht im Raum vollkommen verändert hatte. Es war nicht mehr hell und sonnig, sondern glühte rotgolden. ‘Die Sonne geht schon unter...Es ist Abend...’
 

Nun erst recht fassungslos starrte er noch einmal auf das Bild, doch dann wandte er sich ab und rannte aus dem Zimmer. Ohne Zweifel stand inzwischen der ganze Haushalt Kopf und im Grunde fragte er sich nur, warum noch niemand nach ihm gesucht hatte, denn immerhin hatte er schon seit dem späten Vormittag in diesem Sessel geschlafen – traumlos.
 


 


 

„Wo verdammt noch mal hast du gesteckt?“ Es war Draco, dem er als erstes über den Weg lief und Harry hatte automatisch ein schlechtes Gewissen.
 

„Es tut mir leid...ich bin in einem Sessel eingeschlafen und gerade eben erst wieder aufgewacht...“ Draco zog ihn in seine Arme und presste ihn fest an sich, seine Sorge überdeutlich in jeder seiner Gesten. „Es tut mir leid...“ murmelte Harry erneut gegen seine Brust, die Augen geschlossen und seine Emotionen gut verborgen. ‚Gott, ich wünschte ich würde dir das nicht immer wieder an tun…ich wünschte, du müsstest meinetwegen nicht immer wieder so viel Leid erfahren…ich wünscht ich könnte all das endlich hinter mir lassen, wenn schon nicht für mich, dann doch wenigstens für dich…‘ Harry biss die Zähne zusammen. ‚Reiß dich zusammen…‘ seine Hände fanden ihren Weg um Dracos Taille und er klammerte sich regelrecht an ihn.
 

„Wir haben dich überall gesucht...als du zu Mittagessen nicht aufgetaucht bist, meinte Black ich solle dich für eine Weile in Ruhe lassen, da ihr wohl eine Meinungsverschiedenheit hattet...okay...aber als ich dich dann den ganzen Nachmittag nicht zu Gesicht bekommen habe, habe ich angefangen, mir Sorgen zu machen.“ Dracos Finger strichen durch sein Haar, schmiegten ihn noch ein wenig enger an seine Brust. Seine Lippen pressten sich zärtlich auf seine Schläfe – und Harry fühlte sich erdrückt, obwohl er noch einen Moment zuvor genau diese Nähe gesucht hatte. Er richtete sich auf und ging etwas auf Abstand.
 

„Hey…“ grinste er ihn betont lässig an, obwohl er wieder einmal Irritation in Dracos Blick sehen konnte, „…du kannst dir sicher sein, dass ich auf mich aufpassen kann, wenn es nötig ist…“ Das verstärkte die Irritation und Harry wurde klar, dass er etwas Falsches gesagt hatte. Draco glaubte im Moment offensichtlich nicht, dass er auf sich selbst aufpassen konnte. Er verspürte Hitze in den Wangen, als ihm der Grund dafür klar wurde.
 

Draco wusste, was er beim Quidditch getan hatte. Es gab ihm einen Stich. Fast automatisch hob er die Hand und berührte zärtlich Dracos Wange.
 

„Ich habe geschlafen…ich bin in irgendein Zimmer gestolpert und habe geschlafen…es tut mir leid.“
 

Draco zog ihn wieder an sich und presste ihm einen Kuss auf die Lippen.
 

„Schon gut...ist nicht böse gemeint. Ich mach mir nur Sorgen...“
 

„Ich wünschte, du müsstest das nicht…das wünsche ich mir wirklich.“ Und erneut ging er auf Abstand, immer mehr befürchtend, dass Draco mehr über die Finsternis, die ihn peinigte wusste, als ihm lieb sein konnte. Regelrecht beschämt wandte er sich ab und starrte den Fußboden an, schon wieder in einem Netz aus Schuldgefühlen und Verpflichtungen gefangen
 


 

Draco starrte ihn einen Moment lang nur an. Immer öfter bekam er das Gefühl, dass Harry seine Nähe nicht ertragen konnte und begriff nicht, warum. Es verletzte ihn, doch er wusste, dass er das im Moment ignorieren musste. Seine verletzten Gefühle würden Harry nur noch mehr unter Druck setzen und Snape hatte ihm nachdrücklich klar gemacht, dass Harry das im Moment gar nicht brauchen konnte.
 

Er machte einen Schritt auf ihn zu, legte ihm diesmal jedoch nur die Hand auf die Schulter, obwohl er ihn am liebsten in seine Arme gezerrt hätte, doch wenn Harry das nicht wollte, musste er es akzeptieren.
 

„Wann hast du das letzte Mal was gegessen…“ ‚Mann oh Mann, langsam werde ich zur Amme…‘ Er sah das irritierte Stirnrunzeln und war sich klar, dass Harry es selber nicht genau wusste. Heute Morgen beim Frühstück hatte er jedenfalls nichts gegessen, auch wenn er einen Toast mit Marmelade auf seinem Teller zerfleischt hatte.
 

„Idiot!...“ murmelte er, „Komm schon.“ Er zog ihn hinter sich her, um mit ihm in die Küche zu gehen. Inzwischen hatte er begriffen, dass Harry es nicht mochte, wenn er seinetwegen die Hauselfen herum scheuchte und Braxton traf nicht mehr jedes Mal der Schlag, wenn sie in der Küche auftauchten. Außerdem musste sich Draco eingestehen, dass er es mochte mit Harry allein in der Küche zu essen. Es erinnerte ihn an die Zeit, die sie gemeinsam in Hogwarts verbrachte hatten und so hart es auch gewesen sein mochte, es hatte sich immer gut angefühlt.
 

Manchmal vermisste er es.
 

Wenn er ehrlich zu sich selbst war musste er zugeben, dass er vor allem den Harry von damals vermisste. Damals hatte er gewusst, wie er ihn anfassen musste, wie er ihn dazu brachte das zu tun, was gut für ihn war oder wie er ihn stoppen konnte, wenn er nicht aufhörte, sich selbst fertig zu machen. Heute fragte er sich manchmal, ob er Harry überhaupt noch konnte und inzwischen wusste er, dass das er diese Frage meistens mit ‚Nein‘ beantworten musste.
 

Nichts war mehr so, wie er es kannte. Seit Harry seine Erinnerungen zurück hatte, war nichts mehr so, wie zuvor und immer öfter stieß Draco an seine Grenzen, denn er kam nicht mehr zurecht. Er wusste nicht mehr, wie er ihn anfassen sollte, doch noch schaffte er es, auch Harrys Standpunkt in Betracht zu ziehen und wenn ihm eins klar war, dann, dass Harry mit seiner Situation überhaupt nicht klar kam. Das Schlimmste für Draco war eigentlich, dass er seinem Freund überhaupt nicht mehr helfen konnte und es gab nichts, was Draco mehr verabscheute, wie diese Hilflosigkeit.
 

Er beobachtete, wie Harry in seinem Stew herum stocherte. Er hatte was gegessen, aber nicht viel. Er war nicht mehr so dürr, wie vor ein paar Wochen, doch es würde auch nicht schaden, wenn er noch ein bisschen mehr zunehmen würde. Draco hatte Mühe, nichts zu sagen, doch er versuchte verzweifelt, sich an Snapes Rat zu halten und nicht die ganze Zeit auf ihn einzuwirken. Er zweifelte nicht eine Sekunde daran, das Severus wusste, wovon er sprach. So hart es auch war, nichts tun zu können, war es leider jedoch auch so, dass sie gar nichts machen konnten, solange Harry sich nicht helfen ließ und was passierte, wenn man ihn zu etwas zwang, hatte Draco leider noch überdeutlich in Erinnerung.
 

Er stand auf und schnappte Harry bei der Hand.
 

„Komm schon, lass uns noch ein bisschen fliegen…“ Er hatte keine Ahnung, wie Sirius es gemacht hatte, aber Harrys Pate hatte es irgendwie geschafft für ihn und Harry einen Feuerblitz aufzutreiben und seit er den hatte, konnte ihn nichts am Boden halten, auch wenn er nun ganz sicher wusste, dass er gegen Harry im Quidditch niemals eine Chance haben würde.
 

Harry flog wie der Teufel. Und vor allem hatte Draco den Eindruck, als sei Fliegen das einzige, was ihn wirklich komplett aus seiner sonst allgegenwärtigen Starre zu reißen schien.
 


 

Harry ließ die Gabel fallen, als Draco ihn rücksichtslos hinter sich her zerrte, seine Gedanken hatten schon wieder hartnäckig um den Gedanken gekreist, warum er nicht in der Lage war, ein bisschen mehr zu essen, doch Dracos Geistesblitz lenkte ihn effizient davon ab.
 

Fliegen war phantastisch. Fliegen gab ihm ein Gefühl von grenzenloser Freiheit. Nichts machte seinen Kopf so frei, wie ein Ritt auf diesem neuen Besen und Harry war unendlich dankbar, dass Sirius ihn besorgt hatte, auch wenn er keine Ahnung hatte, wie diesem das gelungen war.
 

Zehn Minuten später hatten sie das Haus durch die Hintertür verlassen, Besen in der Hand und bereit noch einmal so richtig loszulegen, obwohl es schon dämmerte. Die Hauselfen hatten es zum Glück aufgegeben, die Besen immer wieder aufzuräumen und so hatten sie noch genau da gestanden, wo sie sie am Tag zuvor gelassen hatten; neben der Hintertür. Harry schwang sich auf seinen Besen und schoss davon, vorerst dicht über dem Boden, den Wegen folgend, die in dem riesigen Park der Malfoy Manor umgab angelegt waren.
 

Er konnte hören, dass Draco nicht weit hinter ihm war und entspannte sich, während ihm der Wind um die Ohren pfiff.
 


 

~
 


 

Harry starrte aus dem Fenster in die Nacht hinaus. Er hatte keine Ahnung, wie spät es war; irgendwann nach Mitternacht. Draco lag im Bett und schlief tief und fest – friedlich. Er konnte nicht schlafen. Offensichtlich hatte ihm die Pause in diesem Salon für heute gereicht und im Grunde sehnte er sich auch nicht wirklich nach Schlaf. Schlaf war gleichbedeutend mit Alpträumen und die konnte er wirklich nicht brauchen.
 

Sie hatte es heute ein wenig übertrieben.
 

Als sie von ihrem Ausflug zurück gekommen waren, war die Nacht schon hereingebrochen und Sirius hatte sie wutentbrannt erwartet. Hauptsächlich war er wütend auf Draco gewesen und die beiden waren aneinandergeraten, genug, dass es letztendlich Harry war, der ausflippte.
 

Er hatte sie beide nachdrücklich in ihre Schranken verwiesen, denn bei all ihrer Streiterei ging es grundsätzlich um ihn und er konnte es nicht ertragen, dass sie sich seinetwegen gegenseitig derartig attackierten. Draco hatte nichts Falsches getan und Sirius hatte nicht das Recht, ihm die Verantwortung für ihn aufzuhalsen. Letztendlich hatte er klar gestellt, dass er für sein Leben grundsätzlich allein verantwortlich war und das hatte ihn selbst ein wenig überrascht, doch als er es einmal ausgesprochen hatte, wusste er, dass es richtig war. Nur er selbst konnte sein Schicksal bestimmen, auch wenn er im Moment keine Ahnung hatte, wie er das angesichts der Finsternis in seiner Seele bewerkstelligen sollte.
 

Sirius und Draco hatte es jedenfalls die Sprache verschlagen. Er hatte nicht abgewartet, bis sie sich fingen, hatte ihnen gesagt, dass er sich schlafen legen würde und war gegangen.
 

Es hatte eine ganze Weile gedauert, bis Draco wie üblich bei ihm aufgetaucht war und Harry hatte nicht lange gebraucht, um zu begreifen, dass er sauer war, doch er hatte nicht die Absicht zurückzunehmen, was er gesagt hatte. Das hatte er ihm auch noch einmal gesagt und er hatte letztendlich nachgegeben, zweifellos froh, ihn einfach nur wieder in die Arme nehmen zu können.
 

Und das war es, was Harry im Augenblick vor allem anderen den Schlaf raubte, denn langsam aber sich wurde er sich klar, dass er nur eins konnte; entweder seine Fassade aufrechterhalten oder Gefühle zeigen.
 

Er wusste, dass er Draco mit seinem Verhalten irritierte und ihm den Eindruck vermittelte, er wolle diese Nähe nicht. Eigentlich wollte er nichts mehr, als genau diese Nähe, doch dann musste er ihm offenbaren, wie es ihm wirklich ging, was wiederum hieße, dass Draco sich augenblicklich noch sehr viel mehr Sorgen machen würde.
 

Und dann war da noch etwas anderes, etwas, was ihm noch viel mehr zusetzte als alles andere. Um nichts in der Welt wollte er, dass Draco die dunklen Abgründe in seiner Seele sah und womöglich realisierte, zu wie viel Grausamkeit er fähig war.
 

Harry atmete tief durch und starrte in die Nacht hinaus. Er versuchte dieses Gefühl wiederzufinden, dass ihn überkommen hatte, bevor er am Nachmittag zuvor in diesem Zimmer eingeschlafen war, doch es gelang ihm nicht. Seine Gedanken kreisten immer weiter durch seinen Kopf und es gelang ihm nicht, sie abzustellen. Für einen Moment lang zog er es in Betracht, den Trank für traumlosen Schlaf zu nehmen, doch er konnte nicht mehr sicher sein, dass er wirklich noch wirkte.
 

Voller Sehnsucht wanderte sein Blick zu Draco hinüber, der noch immer friedlich schlief. Er wünschte sich einfach neben ihn legen und vergessen zu können, doch das gelang ihm schon lange nicht mehr. Die Bedrohung war so deutlich in seinem Kopf, dass er es nicht schaffte willentlich abzuschalten.
 

Langsam ging er zum Bett und setzte sich auf die Kante. Zärtlich strich er Draco eine der silberblonden Haarsträhnen aus dem Gesicht. Der blonde seufzte leise und lächelte im Schlaf, bevor er ein wenig näher rutschte. ‚Ich liebe dich so sehr, Draco…so sehr…Ich wünschte, ich hätte mich niemals erinnert…‘
 

Die wenigen Tage vor dem letzten Angriff auf Hogwarts erschienen ihm trotz aller Unsicherheit wie ein Traum. Für eine kleine Weile war er glücklich gewesen; ohne die Wahrheit. Solange, bis er begriffen hatte, dass es ohne diese Wahrheit nicht wirklich funktionieren würde und heute wusste er, dass er niemals eine Chance gehabt hatte. Die Realität hatte nur auf den richtigen Moment gewartet.
 

Trotzdem umspielte bei der Erinnerung an diese wenigen Tage ein schwaches Lächeln um seine Lippen und er verlor sich in der Erinnerung. Es dauerte nur ein paar Minuten, bis er langsam neben Draco aufs Bett kippte und ihm die Augen zu fielen. Der Schlaf übermannte ihn so schnell, dass er gar nicht mehr die Möglichkeit hatte, darüber nachzudenken.
 


 

Der Morgen graute schon, als Draco die Augen aufschlug und Harry neben sich auf der Decke liegen sah. ‚Du wolltest mich schon wieder allein lassen, nicht wahr?‘ ging es ihm durch den Kopf, doch er konnte nicht die Energie aufbringen sich darüber zu ärgern, denn immerhin lag er trotzdem neben ihm, die Hand auf seine Hüfte.
 

Eine kleine Ewigkeit starrte er ihn nur an und fragte sich, ob er sich bewusst war, dass seine Illusionszauber nachließen, wenn er schlief. Es war ihm erst klar geworden, was ihn unterschwellig immer gestört hatte, als Severus Snape ihnen gesagt hatte, dass Harry seinen wirklichen Zustand verbarg. Seit er es begriffen hatte, konnte er gar nicht mehr einschätzen, wie es ihm ging.
 

Mit Wehmut ihm Herzen wünschte sich Draco, Harry würde endlich den Mut finden, ihm wieder sein wahres Gesicht zu zeigen. Er verstand nicht wirklich, warum er nicht zugab, wie schlecht es ihm wirklich ging. Im schwachen Licht der Morgendämmerung erschien er ihm ätherisch und unwirklich und beinahe unbewusste hob er die Hand um seine Wange zu berühren, nur um sich zu versichern, dass er auch wirklich neben ihm lag. Einmal so weit, konnte er die Finger nicht mehr von ihm lassen. Liebevoll strich sein Zeigefinger über seine Lippen, presste er ihm einen Kuss auf die Stirn, bevor er ihn in seine Arme zog.
 

Die Reaktion kam so schnell und schockierend, dass Draco nicht wusste, wie ihm geschah. Er fühlte sich zurückgeschleudert und konnte gleichzeitig beobachten, die Harry flüssig vom Bett glitt und eine Angriffshaltung einnahm. Sein Zauberstab flog vom Fenstersims in seine Hand und richtete sich auf Draco. Er konnte spüren, wie er weiter zurückgedrängt wurde, bis er hart gegen den Schrank prallte, doch der Schmerz, den das verursachte war nichts gegen den Fakt, dass ihm etwas die Luft aus den Lungen presste, er sich regelrecht gegen den Schrank genagelt fühlte und ihn eisige Kälte einhüllte.
 

Und es hörte nicht auf. Es wurde schlimmer. Draco starrte Harry an, fassungslos, gequält und einer Panik nah, die ihn nicht einmal Voldemort so schnell einhauchen können hatte. Das da war der Herr der Zeit, so düster und kalt, dass Angst unausweichlich war. Hatte er sich noch Augenblicke zuvor gewünscht, endlich wieder Harrys wahres Gesicht zu sehen, wurde ihm nun sofort klar, warum er es versteckte.
 

„H…Ha…Har…ry…“ brachte er mühsam über die Lippen, mehr ein Hauch, als ein Worte, denn ihm fehlte einfach die Luft und lange würde er nicht mehr durchhalten, doch es reichte. Harry kam augenblicklich zu Sinnen und Draco begann zu ahnen, dass er ihn aus einem seiner Alpträume gerissen haben musste.
 

Und doch war der Eindruck erschrecken und beängstigend, obwohl Harry nun die Arme von sich streckte, als hätte er einen Vorhang auseinander gerissen. Die Düsternis war verschwunden und den Zauberstab hatte er fallen lassen und doch spürte Draco Wärme, die ihn umfing und die Kälte verdrängte, fühlte andere Zauber, die über ihn hinwegrauschten, die Harry mit Sicherheit über die Prellungen auf seinem Rücken und die Platzwunde an seinem Hinterkopf informierten.
 

Noch immer leicht unter Schock rutschte er langsam zu Boden und atmete tief durch, den Blick noch immer auf Harry gerichtet.
 


 

Harrys Verstand begann nur langsam wieder zu arbeiten. Er registrierte die Verletzungen, die er Draco zugefügt hatte wie in Trance und als er begriff, dass es seine Schuld war, dass diese nun eine blutenden Platzwunde und heftige Prellungen am ganzen Körper hatte, brachte er seine Magie so nachdrücklich unter Kontrolle, dass er sie in seine Brust pulsieren spüren konnte.
 

Er war das gewesen. Er hatte Draco verletzt. Seinetwegen stand die Panik in dessen Gesicht geschrieben, war Angst in seinen Augen.
 

‚SCHLUSS‘ donnerte seine eigene Stimme durch seinen Verstand. Es war zu viel. Er konnte es nicht mehr ertragen. Hatte er sich zuvor Gedanken gemacht, wie gefährlich er für die Welt im Allgemeinen war, begriff er in diesem Augenblick, dass nicht einmal die, die er liebte vor ihm in Sicherheit waren. Nichts konnte ihn aufhalten. Nicht einmal seine Liebe zu Draco.
 

Harry machte einen Schritt rückwärts und konnte Draco zusammen zucken sehen. Er schloss die Augen. Er konnte den Anblick nicht ertragen, konnte nicht ertragen, dass er es war, der Draco das angetan hatte. Ruhe überschwemmte ihn und füllte ihn vollkommen aus, als er begriff, dass er so nicht weitermachen wollte. ‚Es tut mir leid, Dragon‘
 

Er disapparierte und war kein bisschen überrascht, als er auf den Klippen von Skye wieder erschien, unter sich unschuldige, weiße Strände, die schon so viel Tod gesehen hatten.
 


 

tbc



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Astrido
2013-09-25T19:22:38+00:00 25.09.2013 21:22
wow. ich bin echt platt. ich hatte absolut nicht mehr damit gerechnet, das es noch weiter geht.
umso mehr freut es mich!! allerdings ist das letzte kapitel mittlerweile so lange her, das ich die ff noch einmal komplett von vorne lesen musste. deshalb auch die verspätung mit dem review, sorry.

das einzige, was mir merkwürdig vorkommt, ist die tatsache, dass es harry bisher nie gestört hatte, sich bei draco auszuheulen und anzulehnen. und er jetzt aber so ein theater drum macht.
deshalb versteh ich nicht so ganz, warum er das nicht mehr will. bringt ihm dracos nähe nicht mehr die ruhe wie früher? sonst konnte er doch immer gut schlafen, wenn er dracos umhang bei sich hatte. (wo is der eig hin? )

aber sonst find ich das kapitel sehr gut. schliesst gut an das alte an, man merkt den riesen zeitabstand nicht wirklich. ich find snape immer noch sehr gut, obwohl der ja eine viel intimere beziehung zu harry hatte als es jetzt ist... vermisst harry das nicht?

man merkt auch sehr deutlich, dass die fanfic vor veröffentlichung der letzten bände entstanden ist, denn die idee vom homorfus is leicht anders als das Legillimency. ich hab mich damals schon gewundert, warum das einfache gedankenlesen von anderen nicht z.t. ausreicht hätte, z.b. bei karkaroff? warum gleich immer alles übernehmen? aber sonst find ich den zauber eine klasse idee.

joa, ich kann verstehen, wieso sirius und draco harry so sehr auf die nerven gehen, denn wie sie sagen, sie machen sich sorgen, können aber nichts tun um ihm zu helfen, das ist schwer für die. Wo sind eigentlich fleur und ihre schweste hin für die sommerferien?

achja, was mich etwas irritiert hatte, waren aus dem englischen eingedeutsche begriffe, die meiner meinung nach auf deutsch auch ok wären. Draco "Dragon" zu nennen z.b. Drache hätte es auch getan, oder nicht? (oder Arrangement, die anderen find ich grad nicht)

lg
yuura
Von:  SailorStarPerle
2013-09-10T18:02:03+00:00 10.09.2013 20:02
ich habe dich nicht vergessen und immer gehoft das deine ff mal weiter gehen ;)
Von:  Deedochan
2013-09-06T17:13:52+00:00 06.09.2013 19:13
Hallo liebste KimRay!
Es schockiert mich zu sehen, dass noch niemand einen Kommentar hinterlassen hat (, aber wahrscheinlich kennen nicht alle deine Leser deine Geschichten so gut wie ich, als dass sie sich sofort am Ende des vorherigen Kapitels wieder auskennen).
Ein tolles, mitreißendes und spannendes Kapitel.
Ich kann den Sturm in Harrys Innerem vollkommen nachvollziehen und ich verstehe Sirius und Draco überhaupt nicht, dass die beiden, wo sie doch denken, Harry zu kennen, nicht verstehen, dass ihr sorgenvolles Verhalten genau das Gegenteil von dem, was die beiden wollen, anrichtet.

Und... was ich sehr vermisst habe (dieses Kapitel strotzt nur so davor): DRAMATIK! Ich liebe dieses "kim-eigene" Drama :D

Es ist herrlich. Ich leide und weine und hoffe mit und verklammere mich an meiner Maus. Ich liebe einfach deinen Stil und deine fesselnde, dir innewohnende Schreibweise.
Dankeschön für dieses "provencialische Geschenk" (ich glaube, so hast du es betitelt ^^)

glg
Deedochan!

p.s.: ich biete mich immer noch als Beta an, falls du wirklich jemanden brauchst.
Antwort von:  KimRay
06.09.2013 20:42
Ich hab dir geschrieben, du hast nicht geantwortet. *knuddelz* Und ganz ehrlich, ich glaubenach sechs Jahren hab ich es mirredlich verdient, vergessen zu werden. *smile*
Antwort von:  Deedochan
06.09.2013 23:05
:O Hoffentlich nicht an meine Mexx Mailadi (die gibt es seit Jahren nicht mehr *hust*)
Antwort von:  KimRay
06.09.2013 23:46
ff.net???
Nein...LJ...ich dachte LJ...himmel bin ich verkalkt. anyway...i need a beta ;o)


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