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Der Herr der Zeit

Part IV: Über dem Abgrund
von

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Bestandsaufnahme

Titel: Der Herr der Zeit (32/?+Epilog)
 

Autor: KimRay
 

e-mail: KimRay@gmx.de
 

Kategorie: ??
 

Unterkategorie: Drama
 

Inhalt: Der schwarze Lord übernimmt in England die Macht und Hogwarts erstarrt in der Zeitfalle, doch wie es der Zufall gibt es zwei Schüler, die wie üblich nicht das tun, was sie eigentlich tun sollten.
 

Was passiert, wenn Harry Potter den Helden spielt, Draco Malfoy mit Hauselfen und Velas streitet und Severus Snape seine Meinung ändert?
 

Lest selbst! Das ist wirklich eine üble Inhaltsangabe! *heul*
 

DISCLAIMER: Alle urheberrechtlich geschützten Figuren in dieser Story gehören natürlich den jeweiligen Eigentümern. Ich habe sie mir nur ausgeliehen. Einzig die Idee und neue Charaktere sind komplett von mir.
 

Anmerkungen: Weitere 4 Jahre später. Was soll ich dazu noch sagen...aber ihr seht, ich gebe nicht auf
 

Beta: Deedo-chan, danke, dass du so schnell warst.
 

Kapitel 32
 


 

Bestandsaufnahme
 


 

„Mum…Mum…Sirius…“, Draco rannte brüllend den Gang zur Eingangshalle hinunter, obwohl ihm jeder Knochen im Leib weh tat und er spüren konnte, dass ihm Blut den Nacken hinunter rann. Er wagte es nicht, zu apparieren. Dazu war er zu angeschlagen und die Panik raubte ihm immer noch jeden Hauch von Konzentration.
 

„Draco, was ist denn los?“ Seine Mutter kam aus dem Speisesalon und schlug die Hände über den Mund, als sie ihn sah, Sirius dicht auf ihren Fersen.
 

„Junge, was ist passiert?“ Draco hinkte die Treppe hinunter und Narcissa kam ihm entgegen, um ihn zu stützen, denn es war nicht zu übersehen, dass er Schmerzen hatte.
 

„Draco, was ist mit dir passiert?“, fragte sie angstvoll, „Und wo ist Harry…?“
 

„WEG…und das ist es, was mir Sorgen macht…Ruf Professor Snape…wir müssen ihn finden…“
 

„Draco! Du bist verletzt und nicht gerade unerheblich…Harry muss warten…“
 

„NEIN…das geht nicht…er…ich weiß nicht, was er tut…er…“ Draco verstummte. Er hatte keine Ahnung, wie er seiner Mutter beibringen sollte, dass Harry für seine Verletzungen verantwortlich war und das im Moment vollkommen nebensächlich war. Er hatte den Ausdruck in Harrys Augen gesehen; das absolute Entsetzen, angesichts dessen, was er ihm angetan hatte, bevor sie leer geworden waren und er sie schloss – totenstill.
 

Sein Blick traf Sirius‘ und er ahnte, dass dieser es im Gegensatz zu seiner Mutter begriffen hatte, denn er sagte,
 

„Lass dich von deiner Mutter versorgen, Draco, ich kümmere mich darum…“ Er wandte sich um und ging in Richtung des großen Salons davon. Narcissa starrte ihm nach und als er die Tür leise hinter sich zugezogen hatte, wandte sie sich mit fassungslosem Gesichtsausdruck Draco zu, der inzwischen auf der untersten Stufe der Treppe saß, totenblass und mit zitternden Händen. Einen Ausdruck von Angst in den Augen, den sie noch nie zuvor bei ihm gesehen hatte.
 

„Harry war das…Harry hat dir weh getan…“
 

Eine Träne rann über Dracos bleiche Wange und er sah seine Mutter nicht an, als er sagte:
 

„Das war nicht Harry, Mum. Das war das, was all der Horror der letzten Wochen und Monate ihm angetan hat. Harry war der, der mit Entsetzen in den Augen gesehen hat, was geschehen ist…und dann aufgegeben hat.“ Ein verzweifeltes Schluchzen entrann sich seiner Kehle und er schaffte es nicht mehr, sich unter Kontrolle zu halten. „Mum…was, wenn es schon zu spät ist…Was, wenn…wenn…“
 

Narcissa rannen ebenfalls die Tränen über die Wangen, als sie ihren Sohn vorsichtig in ihre Arme zog, hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, dass Harry nie wieder eine Chance bekam, ihrem Liebling weh zu tun und dem Bewusstsein, dass er ihm damit am meisten weh tun würde. Genau das war der Gedanke, der sie sagen ließ,
 

„Er tut das nicht, Liebling…Das tut er dir nicht an. Ganz bestimmt nicht…“ Dracos Hände krallten sich in ihre schmalen Schultern und er ließ sich fallen in das Urvertrauen, das er in ihre Worte hatte, seit er denken konnte. Alles andere konnte er im Moment nicht ertragen.
 

~
 

„Severus Snape…“ Sirius warf eine Handvoll Flohpulver in die Flammen des großen Kamins im Salon und hoffte, den Hogwartsprofessor irgendwie zu erreichen. Von Narcissa wusste er, dass Snape damit beschäftigt gewesen war, sein Cottage auf Skye wieder aufbauen zu lassen und er befürchtete, dass es dieser Umstand nicht ganz einfach machen würde, ihn zu finden. Es überraschte ihn nicht wirklich, dass er keine Reaktion bekam.
 

„Hogwarts…“, machte er einen weiteren Versuch und erreichte diesmal mehr. Professor Flitwicks Gesicht erschien im Kamin.
 

„Hallo, Mr. Black…Wie kann ich Ihnen helfen?“
 

„Professor, wissen Sie zufällig, wo ich Severus Snape finden kann?“ Immerhin bestand die Möglichkeit, dass er in Hogwarts war.
 

„Professor Snape hatte heute einen Termin mit dem Schulleiter und sollte noch im Schloss sein. Einen Moment, ich kontaktiere Professor Dumbledore…“ Er verschwand aus dem Kamin und Sirius verspürte einen Hauch Erleichterung. Er hatte keine Ahnung, was er tun sollte. Nicht die geringste.
 

Sirius wusste, dass er im Moment vollkommen überfordert war. Als Snape ihn in Hogwarts diesen Vortrag über Harrys Zustand gehalten hatte, war ihm schon nicht wohl gewesen. Als sie ihn von seinen Verwandten geholt hatten, war ihm die Tragweite von Harrys Zustand zum ersten Mal richtig bewusst geworden und als Harry hier in Malfoy Manor immer schwieriger und störrischer reagiert hatte, waren ihm dann schließlich Zweifel gekommen, dass er in der Lage war, überhaupt mit dem Jungen zurecht zu kommen. Er wollte nichts mehr, als ihm zu helfen, doch von Tag zu Tag war ihm klarer geworden, dass er nicht wusste, wie.
 

Und nun das.
 

Sirius konnte die Angst spüren, die wie eine kalte Hand seine Brust abdrückte. Angst um den Jungen, der ihm so viel bedeutete, den er jedoch überhaupt nicht mehr kannte und dem es so furchtbar schlecht ging, dass er schon einmal versucht hatte, seinem Leben ein Ende zu setzen. Er rieb sich mit den Händen übers Gesicht und nahm einen tiefen Atemzug. Wo zum Teufel steckst du, Snivellus? Ich gebe es nur ungern zu, aber ich glaube, Harry braucht dich im Moment ziemlich dringend…von mir mal ganz zu schweigen…
 

Als hätte Snape sein Flehen erhört, erschien er im Kamin.
 

„Was gibt es, Black? Ich habe eine Besprechung mit dem Schulleiter wegen dem neuen Schuljahr…“ Der Professor sah missgelaunt aus und Sirius war sich ziemlich sicher, dass er der Grund dafür war. Snape mochte es nicht, sich mit ihm abgeben zu müssen und tat es vermutlich nur Harrys wegen. Er schob diesen Gedanken aus seinem Kopf. Hier ging es um Harry und die Situation war ernst.
 

„Es gab einen Zwischenfall mit Harry…er ist verschwunden und ich habe keine Ahnung, wo ich nach ihm suchen soll…“ Snapes Gesicht war ausdruckslos geworden.
 

„Was ist passiert?…“
 

„Er hat Draco verletzt…ich habe keine Ahnung, wie es dazu gekommen ist, aber Draco ist am Ende und macht sich furchtbare Sorgen. Offensichtlich befürchtet er das Schlimmste…“
 

„Geh aus dem Weg. Ich komme rüber…“ Es sah aus, als spreche er noch kurz mit jemandem, bevor er einen Moment später aus dem Kamin trat. „Wo ist Draco?“
 

„Ich hab keine Ahnung, aber ich denke, die Hauselfen können uns da helfen…Braxton!“ Mit einem leisen Knacken erschien der Hauself. „Kannst du mir sagen, wo Mistress Narcissa Master Draco hingebracht hat?“
 

„Mylady hat den jungen Master auf sein Zimmer bringen lassen und einen Heiler gerufen. Soll Braxton der Herrin ankündigen, dass Master Sirius und Professor Snape den jungen Herren zu sprechen wünschen?“
 

„Ja, bitte tu das.“ Sirius wandte sich wieder zu Snape, doch der hatte den Salon schon verlassen. Er folgte ihm mit wenig Hast und noch immer tief in Gedanken um Harry versunken.
 

Wenn Snape eine Möglichkeit hätte, Harry zu finden, wäre er nicht erst hierher gekommen. Dessen war sich Sirius leider sehr sicher und es machte ihm nur noch mehr Sorgen.
 


 

Severus starrte aus dem Fenster hinaus auf die Ländereien von Malfoy Manor, nachdem er sich angehört hatte, was am Morgen geschehen war. Draco war inzwischen vollkommen wiederhergestellt und er hatte sich eisern unter Kontrolle, was er mit giftigen Blicken zu seiner Mutter, die ihn nicht aus den Augen ließ und jede seiner Bewegungen mit einer Frage nach seinem Befinden kommentierte, bewies. Seine Besorgnis war enorm, doch er wusste, dass er sich das möglichst nicht anmerken lassen durfte.
 

„Kannst du ihn finden, Severus?“ Narcissa schien es aufzugeben Draco weiter zu bemuttern und zeigte nun die andere Seite ihrer Überbesorgnis. Es hatte ihr mit Sicherheit nicht gefallen, dass Harry Draco verletzt hatte, doch sie bewies Größe und stellte die Frage, die sie ihm alle drei schon mehr als einmal in unterschiedlicher Form gestellt hatten und um deren Beantwortung er sich von Anfang an gedrückt hatte. Es würde wohl nicht weiter funktionieren.
 

„Nein…ich habe gleich in Hogwarts versucht, ihn anhand der Signatur, die ich ihm vor Monaten verpasst habe, zu finden, doch die hat er vermutlich schon an dem Tag ausgeschaltet, als ich ihm gesagt habe, dass ich ihn damit belegt habe. Deshalb habe ich Dumbledore über die Geschehnisse informiert, in der Hoffnung, dass er eine andere Lösung hat…es scheint jedoch nicht so. Ansonsten hätte er sich inzwischen gemeldet. Und minderjährig ist Harry auch nicht mehr, als dass man ihn auf diesem Weg finden könnte, da er nicht unter dem Zeitbann war…“
 

„Fleur…Fleur hat ihn in Hogwarts gefunden…“, warf Draco ein.
 

„Da waren die Möglichkeiten räumlich begrenzt…kein Ortungszauber kann ganz Großbritannien abdecken. Und die Karte funktioniert nicht wegen des Reducio-Zaubers. Nicht mal seine Eule kann ihn finden…“ Er sah im Fensterglas, wie Draco sich mit den Händen übers Gesicht rieb. Tu ihm das nicht an, Junge. Bitte tu ihm das nicht an…ich weiß, wie es in dir aussieht, aber das wäre der allerletzte Ausweg, Harry, das weißt du doch! Wusste er es? Severus glaubte es, doch er wusste auch, wie schlecht es ihm wirklich ging.
 

Es war wie damals im April in London, nur dass er da noch mehr als einen Grund zum Weitermachen gehabt hatte. Heute glaubte er vielleicht den einen, der ihm geblieben war, so brutal von sich gestoßen zu haben, dass es kein Zurück mehr gab.
 

Severus hatte keine Ahnung, wie es diesmal ausgehen würde.
 

~
 

Harry starrte in die Tiefe.
 

Er wusste nicht, wie lange er da schon stand, doch er hatte recht schnell begriffen, dass es zwar einfach schien, eine sich bietende Gelegenheit zu nutzen, es jedoch etwas vollkommen anderes war, sich bewusst dafür zu entscheiden sein Leben zu beenden; egal, wie überzeugt man war, dass das die sicherste Lösung für alle war. Er brauchte nur einen kleinen Schritt zu tun, um alles zu beenden: die Bedrohung, die er für seine Umwelt, seine Freunde und seine Familie darstellte. Die Qual, die ihn Tag und Nacht nicht verließ. Die Angst, von der Finsternis in seiner Seele übermannt zu werden und zu einer noch größeren Bedrohung als der dunkle Lord zu werden.
 

Und doch brachte er es nicht fertig.
 

Die ganze Zeit sah er Dracos Gesicht vor seinem inneren Auge. Er starrte ihn nur an, sagte kein Wort, doch Harry konnte trotzdem hören, was er dachte.
 

'Bitte'.
 

Das war das einzige Wort, das er hörte.
 

Die Bilder des Morgens rasten durch seinen Verstand. Draco an der Wand, Draco am Boden, sein Gesicht schmerzverzerrt, die Platzwunde an seinem Kopf, die Prellungen, die Angst.
 

Und trotzdem war alles, was er hörte 'Bitte' und er wusste ganz genau, wie er es verstehen musste. Harry konnte nicht daran zweifeln, was es für Draco bedeuten würde, wenn er diesen Schritt wagte. Er würde ihm das Herz brechen und ihm mehr Leid antun, als es körperliche Schmerzen jemals könnten. Er spürte ja schon seit Tagen, was er ihm nur damit antat, wenn er ihm das Gefühl gab, ihn zurückzuweisen.
 

Und was ist mit deinem Schmerz, mit deiner Qual…du darfst dich weiter quälen, seinetwegen?, kam es eisig aus den Tiefen seines Bewusstseins und Harry schaffte es nicht, dieser Frage auszuweichen, denn er wusste, dass er es schon lange nicht mehr aushielt. Und doch blieb da dieses 'Bitte' und er zweifelte keine Sekunde, dass es echt war, obwohl er Draco heute Morgen angegriffen und verletzt hatte.
 

Wer hat ihn verletzt? Warst das wirklich du? Bist du dir ganz sicher, dass DU es warst?
 

Harry wusste leider nur zu genau, dass er auf diese Frage keine Antwort hatte. Er hatte keine Ahnung, wie es zu dem Zwischenfall gekommen war und die einzige Erklärung, die er hatte war, dass er aus einem Alptraum geschreckt war. Er konnte sich zwar nicht erinnern, doch jede andere Annahme würde es nur noch schlimmer machen, als es eh schon war.
 

Und was, wenn du nur nach Ausreden suchst?
 

Der Gedanke schnürte ihm die Luft ab und Qual schnitt wie ein Cruciatus durch seinen Körper. Die Angst vor dieser Antwort spülte alles andere weg, selbst den Gedanken an Draco. Harry war augenblicklich überfordert und der Abgrund wurde zur Verlockung. War er noch immer der Herr der Zeit? War er noch immer ein Monster? Doch wieso spürte er dann all diese Qual?
 

Logik übernahm in seinem Kopf das Kommando und er konnte sie mit Severus Snapes Stimme sprechen hören: ‚Du bist nicht mehr der Herr der Zeit. Du bist nur noch Harry!‘ Das war es, was er ihm inmitten der rumänischen Bergtrolle auf den Gründen von Hogwarts gesagt hatte – weil er den Schmerz der Lanzenverletzung mehr als nur deutlich gespürt hatte und sich nicht durch die Trennung seines Bewusstseins von seiner Körperwahrnehmung schützen konnte. Doch galt das auch für seelische Qual, für Schuldgefühle und Angst?
 

Harry wusste es nicht, doch er wusste eins: als Herr der Zeit hatte er niemals auch nur einen Funken Angst empfunden, geschweige denn Schuldgefühle oder gar Seelenqual. Der Herr der Zeit war ein eiskalter Jäger, der seinen Weg verfolgte, ohne Rücksicht auf Verluste. Er würde nicht hier an dieser Klippe stehen und das Für und Wider des Todes abwägen. Er wäre nicht einmal hier.
 

Ich bin nicht der Herr der Zeit, aber was bin ich dann?
 

Harry machte einen Schritt vom Abgrund weg.
 

Bist du ganz sicher? Zweifel und Misstrauen machten sich in seinem Verstand breit. Was wenn die verdammte Kreatur in seiner Seele einfach nur überleben wollte?
 

Dann würde er verdammt noch mal das Kommando übernehmen und dafür sorgen, dass wir hier verschwinden , schoss es Harry durch den Kopf und er trat einen weiteren Schritt zurück.
 

Alles in seinem Verstand sagte ihm, dass es ein Fehler war, hier oben zu stehen und den scheinbar leichtesten Weg vor sich zu haben. Eine distanzierte Analyse sagte ihm mit aller Deutlichkeit, dass er vollkommen am Ende war, körperlich und geistig und dass ein weiterer Kurzschluss dafür gesorgt hatte, dass er hier her appariert war. Er war nicht in der Lage eine Entscheidung zu treffen, weder emotional, noch mental.
 

Harry schloss die Augen und disapparierte.
 

Er erschien in Severus Snapes kargem Wohnzimmer wieder. Es überraschte ihn ein wenig, dass das Cottage, obwohl Severus es neu aufbauen lassen hatte, fast genauso aussah, wie in der Zeit, als sie Voldemort nachgejagt und sich immer wieder hierher zurückgezogen hatten, doch gleichzeitig verspürte er ein so überwältigendes Gefühl von Geborgenheit, dass er es nicht schaffte, ein leises Seufzen von sich zu geben und all seine Masken fallen zu lassen. Alles hier sagte ihm, dass er sie hier nicht brauchen würde und sich entspannen konnte, soweit das möglich war. Er ging hinüber zu Severus‘ Ohrensessel, der dem früheren aufs Haar glich, ließ sich hineinfallen, zog die Knie an die Brust und war eingeschlafen, bevor er auch nur noch einen Moment nachdenken konnte.
 

~
 

Als das Kribbeln in seiner linken Hand einsetzte, war Severus einen Moment lang irritiert, wie es sein konnte, dass schon wieder jemand die Schutzbanne seines Heims durchbrochen hatte, obwohl er sie doch gerade erst nach neuesten Standards eingerichtet hatte. Dann wurde ihm klar, dass es fast nur einen geben konnte, der auch die besten Schutzbanne ohne weiteres überwinden konnte und er entspannte sich beinahe automatisch. Er hatte kaum Zweifel daran, dass es Harry war, der in sein Zuhause eingedrungen war.
 

„Entschuldigt mich einen Moment…“ Er wandte sich vom Fenster ab, aus dem er die letzten Minuten erneut gestarrt hatte und verließ den Raum, sich vollkommen bewusst, dass ihm drei Augenpaare irritiert folgten. Ohne lange zu zögern betrat er das nächste leere Zimmer, entzündete den Kamin, nahm eine Prise Flohpulver aus der Schale, die auf dem Sims stand, und warf sie in die Flammen. „Cliff Cottage“
 

Einen Moment später schob er den Kopf durch die grünen Flammen des Kamins und warf einen Blick in sein eigenes Wohnzimmer. Er brauchte nicht lange, um ihn in seinem Sessel zu entdecken. Er schlief zusammengerollt wie eine Katze darin und sein weißer Angorakater Linus hatte es sich in seinem Rücken auf der Armlehne bequem gemacht. Severus stieß immens erleichtert einen Seufzer aus und schüttelte beinahe resigniert den Kopf, als ihm Albus Dumbledores Worte ‚Er lernt aus seinen Fehlern…‘ durch den Kopf gingen, denn er konnte sich denken, wo er her kam und war sich schmerzlich bewusst, wie knapp sie wieder einmal an einer Katastrophe vorbeigeschrammt waren. Entschlossen ein paar Dinge zurechtzurücken, richtete er sich auf und straffte die Schultern. Es würde den Malfoys und Black nicht gefallen, was er zu sagen hatte.
 

Er betrat den Salon, in dem sie gesessen und auf eine Nachricht Dumbledores gewartet hatten,
 

„Er ist okay.“ Er konnte sehen, dass Draco einen Moment seine Fassung verlor und sich grenzenlose Erleichterung auf seinen Zügen spiegelte, hörte wie Black ebenso erleichtert die Luft ausstieß, doch es war Narcissa, die er ansah, einen Moment länger als nötig. Er wusste, dass sie im Grunde erleichtert war, doch er wusste auch, dass sie Angst um ihren Sohn hatte. Ein weiterer Fakt, der geklärt werden musste; mit ihr und mit den Jungen.
 

„Wo ist er? Ich muss zu ihm!“ Draco war augenblicklich aus seinem Sessel und stand vor Severus. Dieser massierte sich mit Daumen und Zeigefinger den Nasenrücken zwischen den Augen und stählte sich für die Diskussionen, die es mit Sicherheit geben würde.
 

„Draco…wenn Harry mit der gegenwärtigen Situation klarkommen würde, wäre er hier. Wie du jedoch weißt, ist er das nicht. Also halte ich es nicht für eine gute Idee, dich zu ihm zu lassen und ich werde dir auch nicht sagen, wo er ist. Er ist da, wo er ist, für den Moment gut aufgehoben und hier gibt es ein paar Sachen, die besprochen werden müssen…dringend. Aber zuerst brauche ich eine Eule. Ich muss Dumbledore Bescheid geben, dass er in Sicherheit ist.“
 

~
 

Sirius hob den Kopf, als sich die Tür leise öffnete und Narcissa den Salon wieder betrat. Es war später Abend und Snape schon vor einer ganzen Weile gegangen.
 

Keiner von ihnen hatte gemocht, was Snape ihnen erneut eingebläut hatte. Noch einmal hatte er nachdrücklich darum gebeten, dass sie sich mit ihren Versuchen, Harry ihre Fürsorge und Hilfe aufzudrängen, bitte zurückhalten sollten. Harry fühle sich dadurch unter Druck gesetzt, Fortschritte zu machen, die es im Moment nicht gab und versuchte im Rückschluss mit aller Macht ihnen etwas anderes vorzuspielen, doch das kostete ihn zu viel Kraft, die er eigentlich für andere Dinge brauchte. Wenn Harry keine Hilfe wollte, mussten sie das akzeptieren. Wenn er alleine sein wollte, mussten sie das ebenfalls akzeptieren. Wenn er nicht mit Draco im selben Bett schlafen wollte, hatte dieser das zu akzeptieren. Dass er dafür seine Gründe hatte, hatte heute wohl jeder begriffen.
 

Darüber war es natürlich zu einer Auseinandersetzung mit Draco gekommen und er war regelrecht ausgeflippt, als zur allgemeinen Überraschung auch Narcissa Snape zugestimmt hatte. Sirius tat das inzwischen schon eine Weile, auch wenn er das noch niemandem gesagt hatte. Die ganze Sache ging für Harry viel zu tief und war ohne jeden Zweifel für ihn qualvoller, als sie sich vorstellen konnten.
 

„Konntest du noch einmal mit ihm reden?“, fragte er Narcissa. Er sah sie den Kopf schütteln, als sie zum ihm herüber kam, sich zu ihm aufs Sofa setzte und ihren Kopf an seine Schulter schmiegte.
 

„Er hat dicht gemacht…sogar die Tür verriegelt.“ Er konnte hören, dass sie das belastete und wusste nicht, wie er ihr dabei helfen konnte, denn er hatte auch noch etwas anderes herausgehört aus dem, was Snape zu ihr gesagt hatte und ob es ihm gefiel oder nicht, er konnte auch sie verstehen. In dem Versuch sie zu trösten, legte er ihr den Arm um die Schulter und zog sie an sich.
 

Dracos Mutter war heute wohl bewusst geworden, dass Harry ihrem Sohn zwar mehr als einmal das Leben gerettet hatte und das auch jederzeit wieder tun würde, er jedoch auch gleichzeitig eine große Gefahr für ihn sein konnte, wenn er die Kontrolle über seine scheinbar schier unerschöpflichen Kräfte verlor. Er vermutete schon seit ihrem Schock heute Morgen, dass sie plötzlich nicht mehr wusste, was richtig und was falsch war, wenn es um die beiden ging, doch ihm war leider sehr klar, dass es für Draco im Moment keine Alternative gab. Den größten Schmerz, den Harry ihm tatsächlich zufügen könnte, war ihn alleine zu lassen, egal auf welchem Weg. Um das zu verhindern, würde Draco alles tun und nahm jede Verletzung in Kauf. Das hatte er heute bewiesen. Irgendwo tief in seinen Gedanken fragte sich Sirius, ob das wirklich gesund war, doch andererseits schien Draco dadurch der Einzige zu sein, der wirklich begriffen hatte, wie schlecht es Harry ging. Nur hatte er leider die falschen Schlüsse gezogen und trieb den Schwarzhaarigen mit seiner Überfürsorglichkeit von sich weg.
 

Sirius wusste, dass er ihm dabei nicht helfen konnte. Im Grunde wusste er, dass er weder Harry noch Draco helfen konnte und das machte es nicht wirklich einfacher,
 

„Ich schätze, dann muss er es mit sich selbst ausmachen…Ich kann verstehen, dass du dir wünschst, es wäre anders, aber sie sind rein rechtlich beide erwachsen und ich befürchte, sie sind beide schon viel zu lange daran gewöhnt, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen…“
 

Narcissa schwieg und starrte in die Flammen des Kamins. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie sprach,
 

„Ich wünsche mir eigentlich nur, dass er ihm nie wieder weh tut, Sirius…ist das falsch?“ Sirius nahm ihre Hand.
 

„Das ist nicht falsch…natürlich nicht. Wie kann das falsch sein? Narcy, ganz ehrlich…es tut mir so Leid, dass das geschehen ist, und ich bin mir sicher, dass es Harry noch sehr viel mehr Leid tut. Ich denke, seine Reaktion hat das ganz klar bewiesen. Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, wie ich Harry anfassen soll. Ich dachte, Draco weiß es, aber inzwischen sieht es so aus, als wäre das auch nicht mehr der Fall. Und ich vermute, genau das, was Snape heute gesagt hat, ist der Grund dafür. Ich…ich befürchte, wir müssen uns, was das angeht, voll und ganz auf Harry verlassen…keiner von uns weiß, wie es in ihm aussieht…und so lange er das nicht will, wird sich daran auch nichts ändern…immerhin…immerhin hatte Draco ja wenigstens mit seiner Befürchtung, dass er…er eine Dummheit machen würde, nicht Recht…“
 

Erneut starrten sie stumm in die Flammen. Der Tag hatte sie alle an ihre Grenzen gebracht und Sirius hatte keine Ahnung, wie es weiter gehen sollte. Im Grunde hoffte er nur, dass es Harry da, wo er sich gerade verkroch, einigermaßen gut ging. Pass auf dich auf, mein Junge. Ich wünschte, ich könnte dir helfen, doch ich glaube, das kann ich nicht. Ich glaube langsam, dass kann keiner von uns…nicht mal Draco. Ich verlass mich auf dich, Junge. Du kannst das schaffen. Daran glaube ich ganz einfach. Das ist alles, was mir bleibt…
 

~
 

„Fleur Delacour…“ Nachdem es seine Mutter endlich aufgegeben hatte an seine Tür zu klopfen, hatte Draco beschlossen, auf eigene Faust zu versuchen, Harry zu finden. Er musste mit ihm reden, ihm klar machen, dass ihm egal war, was heute Morgen geschehen war. Es reichte ihm nicht zu wissen, dass er okay war. Er wollte bei ihm sein und er konnte nicht begreifen, dass Snape ihm dazu keine Chance gab. Irgendjemand musste in der Lage sein, ihn zu finden. Beinahe wieder so verzweifelt wie am Morgen, hoffte er eigentlich nur, dass Fleur dazu in der Lage war.
 

Doch auch fünf Minuten später ging er aufgebracht vor seinem Kamin auf und ab, ohne dass er eine Antwort bekommen hätte. Wo verdammt noch mal steckte sie?
 

„Fleur Delacour…“, warf er erneut Flohpulver in der Flammen und verlangte mit mehr Nachdruck nach Fleur, obwohl er genau wusste, dass das keinen Sinn machte, wenn Fleur nicht in der Nähe eines Kamins war. Wieder bekam er keine Reaktion. Resigniert ließ er sich in einen Sessel fallen, wischte sich mit den Händen übers Gesicht und fragte sich, wie er weiter verfahren sollte. Bei allem, was er in den letzten zwei Jahren gelernt hatte, hatte er sich nie Gedanken darum gemacht, wie man eine Person aufspüren konnte, die man unbedingt finden wollte und das war der Gedanke, der ihm zu dem einzigen sinnvollen Schluss führte – er konnte Harry nicht finden. Nicht einmal Voldemort hatte sie beide gefunden, obwohl sie direkt vor seiner Nase in der Heulenden Hütte versteckt gewesen waren und er hatte es nicht versucht, nachdem Harry Hogwarts verlassen hatte. Wie komme ich jetzt auf die Idee, dass ich dich finden kann, wenn du nicht gefunden werden willst? Er schloss die Augen und biss die Zähne zusammen. Er kommt zurück…ich werde nicht eine Sekunde daran zweifeln, dass er zurück kommt. Unbewusst hob er die Linke und berührte die Narbe unter seinem rechten Auge. Komm zu mir zurück…bitte Harry, komm zurück. Wir müssen reden.
 

~
 

Severus, mit einem Glas Feuerwhisky in der Hand in einem zweiten Sessel, den er für sich heraufbeschworen hatte, beobachtete, wie Harrys Linke gedankenverloren zu der Narbe unter seinem linken Auge wanderte und versonnen darüber strich. Er hatte nicht viel gesagt, seit Severus aufgetaucht war und ihn aus dem Schlaf geschreckt hatte, nur gefragt, ob er eine Weile bleiben könnte und nachdem Severus zugestimmt hatte, sichtlich entspannter in die Flammen des Kaminfeuers gestarrt. Severus‘ Miene wurde noch ein wenig düsterer, denn er konnte sich denken, was vor sich ging.
 

„Meinst du nicht, dass es sinnvoll wäre, sich auch davon zu distanzieren, wenn du schon aus Malfoy Manor abgehauen bist?“ Harry ließ die Hand sinken und starrte ins Leere.
 

„Er ist der einzige Grund, dass ich noch hier bin…“, gab er erschreckend ehrlich zu und Severus seufzte hörbar. Es war nicht so, als hatte er das nicht geahnt.
 

„Darum also warst du hier oben…an den Klippen. Wenigstens hast du noch genug Verstand, um zu begreifen, was du Draco damit antun würdest…“
 

„Ich kann dir versichern, dass ich genug Verstand habe, um zu begreifen, was ich euch allen damit antun würde…die entscheidende Frage ist, ob es mich interessiert…“, schoss er beängstigend kalt zurück und Severus verstand eine Warnung, wenn er sie bekam, doch er war an dem Punkt, an dem er für sich selbst entschieden hatte, dass es so nicht mehr weitergehen konnte. Für Harry gab es im Moment kein Vor und kein Zurück und er hatte mit seinen letzten Worten sehr klar gestellt, dass er der Einzige war, der entschied, wohin die Reise ging, so wie schon seit Monaten.
 

Er lehnte sich in seinem Sessel zurück, nahm einen Schluck von seinem Feuerwhisky und entschied sich für die einzige Herangehensweise, mit der er bei dem Jungen jemals etwas erreicht hatte – Frontalangriff.
 

„Das ist gut zu wissen, denn den Eindruck hatte ich in den letzten Wochen nicht…Weißt du, Harry,“ Der Ton, mit dem er sprach, brachte ihm die volle Aufmerksamkeit des Jungen. „…würde ich dich nicht so gut kennen, würde ich dich vielleicht darum bitten, es dir von der Seele zu reden, aber wir beide wissen, dass ich dich nach all dieser Zeit gut genug kenne, um zu wissen, dass das keinen Sinn hat. NICHT WAHR?“ Harry starrte ihn zweifellos leicht überrascht an, schwieg jedoch. Offenbar wusste er nicht, was Severus mit seinem Verhalten bezweckte. Er musste sich ein abfälliges Schnauben verkneifen.
 

Der Junge glaubte noch immer an das Gute in jedem Menschen und war scheinbar trotzdem davon überzeugt in der Lage zu sein, ein schwarzer Magier zu werden. Lächerlich.
 

„Du machst jeden verdammten Kampf mit dir selbst aus. JEDEN. Du bist derjenige, der es allein schafft. IMMER…Ich weiß, dass du das kannst…UND…ich weiß, was es dich kostet. WARUM also sitzt du jetzt da, bedauerst dich selbst und springst nur wegen Draco Malfoy nicht von der Klippe? Und gleichzeitig nimmst du in Kauf, dass du ihn jederzeit wieder verletzen kannst…das nächste Mal vielleicht tödlich…“, machte er einen gemeinen Rundumschlag und erzielte immerhin eine Reaktion.
 

Harrys Aura veränderte sich augenblicklich. Sie wurde düster und kalt. Seine Magie brodelte so dicht unter der Oberfläche, dass sie auf jede seiner Stimmungsschwankungen reagierte. Ein Glas mit Feuerwhisky erschien in seiner Hand und er schnippte aus dem Sessel und ging zum Fenster, doch er schwieg noch immer. Severus hatte gehofft, ihn wütend genug gemacht zu haben, dass er sich wehrte und begriff einen Moment lang nicht, warum er es nicht tat – bis es ihm wie Schuppen von den Augen fiel.
 

Er weiß es. Er weiß genau, dass es so weit kommen kann…aber warum…warum tut er dann nichts dagegen? Er entschied weiter zu machen.
 

„Dir ist hoffentlich klar, was alle denken, die wissen, wer du bist oder? Sie fragen sich, wie lange es dauert, bis du in seine Fußstapfen trittst, wie lange es wohl dauert, bis dich die Dunkelheit in deiner Seele überwältigt…“, setzte er schneidend noch einen drauf, obwohl das eine glatte Lüge war und wieder reagierte er nicht. Er stellte fest, dass es von Minute zu Minute härter wurde, diese Taktik weiter zu verfolgen, denn er war sich sicher, dass er ihn traf. Immerhin bestand das Risiko, dass er zu viel Öl ins Feuer schüttete. Trotzdem ging er noch einen Schritt weiter.
 

„Ist es nicht verführerisch? Diese Vorstellung der mächtigste Schwarzmagier der Gegenwart zu sein“, zwang er sich zu sagen, obwohl er nichts abwegiger fand. Zu seiner Überraschung hörte er ihn leise und kalt lachen.
 

„Das bin ich doch schon. Ich hab Voldemort vernichtet. Niemand kann es mit mir aufnehmen. Wo also ist das Problem? Ich muss es nur zulassen…“, entgegnete er eisig und Severus konnte nicht glauben, was er hörte.
 

„Glaubst du das wirklich, Harry?“
 

„Du begreifst es nicht, Severus oder?“ Er hörte sich noch immer kalt an und Severus sah, wie er einen Schluck von dem Feuerwhisky aus dem Glas in seiner Hand nahm. Er schwieg und wartete ab, worauf er hinaus wollte. „Wir haben vor langer Zeit mal über Mathematik gesprochen, darüber, dass ich aus irgendeinem Grund plötzlich wusste, wie viel Kraft ich für einen Zauber einsetzen muss…Das Gleiche versuche ich jetzt schon seit Wochen…ich vergleiche, wiege ab, betrachte von allen Seiten und versuche festzustellen, welche Seite überwiegt, die dunkle oder die helle und ich komme immer wieder zu dem gleichen Ergebnis…grau mit Tendenz zu dunkel…“
 

„Harry… müssen wir wirklich nochmal den ganzen Weg durch diese düstere Zeit gehen, dass du begreifst, dass man gar nicht weiter vom Dunkel entfernt sein kann, als du?“, erwiderte Severus ungläubig und diesmal sah er ihn an und Severus konnte die Tränenspuren auf seinen Wangen sehen.
 

„Du hast mich gesehen. Du weißt, was ich getan habe. Du weißt, was ich auch dir angetan habe…und was ich Draco angetan hätte…ich habe Voldemort getötet…“
 

„So wie er dich getötet hätte…“
 

„Das macht es aber nicht besser…“
 

„Doch Harry…der Unterschied könnte größer nicht sein…Voldemort hätte sich umgedreht und weiter gemacht, wie zuvor. Du stehst hier vor mir und hast Angst vor der Dunkelheit, die du in dir selbst zu spüren glaubst…“
 

Verdammt… schoss es ihm da plötzlich durch den Kopf und eine andere Szene spielte sich vor seinem inneren Auge ab; Harry, wie er ganz zu Anfang ihrer Jagd auf Voldemort nach dem Fiasko in Durmstrang all seinen Lebensmut und seine Hoffnung verloren hatte – vor Angst so zu werden, wie Voldemort.
 

Angst.
 

Das war die Erklärung für alles. Angst hatte ihn schon einmal beinahe den Gar ausgemacht und zu Severus blankem Entsetzen war es heute noch dieselbe Angst, wie damals – ein so grausames Monster wie Voldemort zu werden, nur mit dem Unterschied, dass er heute noch sehr viel mehr Macht besaß, als damals und es das für ihn noch viel schlimmer und gefährlicher machte
 

Er stand auf und ging zu ihm hinüber. Er konnte sehen, dass er ihn damit überraschte, denn die Kälte um ihn herum nahm ab. Ohne zu zögern legte er ihm die Hand auf die Schulter und brachte ihn damit vollkommen aus dem Konzept.
 

„Harry…ich weiß, was du durchgemacht hast, ich weiß, was du getan hast…Ich selbst war dein Opfer…ich habe gesehen, was es dir angetan hat…“
 

Harry sah ihn an und Severus konnte sehen, dass er erneut nicht verstand, worauf er hinaus wollte und es entsetzte ihn beinahe, wie weh es ihm tat, zu sehen, wie dieser Junge sich mit dem quälte, was geschehen war.
 

„Wie, Harry, wie kannst du glauben, auch nur ansatzweise so zu sein wie Voldemort?...Wie kannst du das glauben? Nach allem, was du getan hast?...Nicht für dich…sondern immer nur für alle anderen?...Harry…in all der Zeit, in der ich dir gefolgt bin, weil ich glaubte, Dumbledore wolle es so...habe ich gesehen…GESEHEN…wie du alles, wirklich alles, für andere geopfert hast…ALLES…falls nötig sogar dein Leben…um alle anderen zu retten…“
 

„Ich kann ihn immer noch spüren…ich weiß es. Er ist noch da…“ Verzweiflung schwang in Harrys Stimme. Er glaubte, was er sagte.
 

Severus war, als hätte er noch immer eine Verbindung zu Harrys Seele, als sei dessen Seele noch immer in ihm bewahrt, so deutlich konnte er dessen Angst und Überzeugung, er sei auch jetzt noch der Herr der Zeit, wahrnehmen. Es machte ihm beinahe ein wenig Angst, wie eng die Verbindung zu dem Jungen geworden war.
 

Als wäre er mein eigen Fleisch und Blut…als wäre er mein Sohn… Der Gedanke schockierte Severus und doch wusste er, dass er naheliegend war. Er hatte Harry in all diesen Monaten beschützt und bemuttert, als sei er sein Kind; anfangs weil er glaubte, in Dumbledores Sinne zu handeln, später, weil er gesehen hatte, was es den Jungen kostete und was er bereit war zu opfern.
 

Er wählte seine nächsten Worte mit größter Bedacht.
 

„Er ist nicht mehr da…wenn er noch da wäre, wärst du nicht hier und Draco tot…alles, was übrig ist, bist du…du und mehr Macht, als sich die meisten Zauberer vorstellen können…und solange du Angst vor dieser Macht hast, wirst du sie nicht kontrollieren…solange kontrolliert sie dich und macht, was sie will.“ Zum ersten Mal in seinem Leben begriff Severus, was es wirklich bedeutete ein Magier-in-perfectio zu sein. Das Streben nach der absoluten Perfektion in der Beherrschung der Magie mochte im Wesen eines Zaubers begründet sein, doch normalerweise war man weit älter, wenn man es überhaupt schaffte, das volle Ausmaß seiner Kräfte zu beherrschen. Harry war aufgrund der Umstände ein Magier-in-perfectio; und er war viel zu jung. All das konnte ihm nur Angst machen.
 

„Ich will kein schwarzer Magier sein, Severus…“ Tränen rannen Harry bei diesen Worten über die Wangen und Severus hatte Mühe, ihn nicht wieder einmal in die Arme zu nehmen, wie in London, nachdem er zum wer-weiß-wievieltem Male von den Toten auferstanden war.
 

„Dann sei es einfach nicht. Harry, Magie hat keine Farbe…sie ist weder schwarz noch weiß…sie ist einfach die Gabe, die uns gegeben wurde…WIR entscheiden, wie wir sie verwenden…DU musst einfach nur aufhören, Angst zu haben und dich ihr stellen…so wie damals, als du Voldemort nicht mehr beim Namen nennen konntest. Wenn du dich deiner Angst nicht erwehren kannst, wirst du diese Macht niemals kontrollieren…und sie wird dich vernichten…dich…und all das, was dir lieb und teuer ist. Lass dir das mal gründlich durch den Kopf gehen. Wir entscheiden, wer wir sind. Jeder von uns…“ Severus konnte sehen, dass Harry nicht wirklich von dem überzeugt war, was er sagte und seine nächsten Worte bewiesen das.
 

„Und warum habe ich dann das Gefühl, dass meine Magie macht, was sie will?“
 

„Weil du es zulässt, Junge…das ist der einzige Grund. Aber es hat keinen Sinn, darüber jetzt weiter zu diskutieren. Du bist vollkommen am Ende und brauchst Ruhe.“ Es mochte sein, dass er Harry in den letzten Tagen immer wieder schlafend vorgefunden hatte, doch geholfen schien das nicht zu haben. Er machte einen vollkommen erschöpften Eindruck auf Severus. „Ich werde dich jetzt schlafen schicken, wenn das für dich okay ist…“
 

Severus wusste, dass es noch lange nicht ausgestanden war, doch er wusste, dass er den ersten Schritt getan hatte, als Harry ihn ansah und dann müde nickte. Er mochte noch nicht bereit sein, sich seinem wahren ICH zu stellen, doch Severus glaubte, dass er ihn zumindest ein wenig beruhigt hatte. Er wies ihm den Weg in ein eigens eingerichtetes Gästezimmer, gab ihm die Zeit, sich fertig zu machen und schickte ihn dann mit einem Somnus totalis schlafen – gespannt, wie lange es dauern würde, bis er diesmal aufwachte.
 


 

xox
 


 

Es war mitten in der Nacht, als Draco Fleur endlich an den Kamin bekam und er war inzwischen viel zu erschöpft, um ihr noch eine Szene zu machen, weil sie nicht eher zu erreichen gewesen war.
 

„Himmel, Fleur, wo hast du dich den ganzen Tag herum getrieben? Ich versuche schon seit einer Ewigkeit, dich zu erreichen…“, nörgelte er müde und handelte sich einen kritischen Blick ein.
 

„Was iest gesche‘en, Cherie?“, fragte sie an Stelle einer Begrüßung. „Du siehst fürschterlisch aus. Iest mit ‘arry alles in Ordnung?“
 

Draco starrte den Teppich vor seinem Sessel an und seine Miene verfinsterte sich noch ein wenig mehr.
 

„Nichts ist in Ordnung…gar nichts. Absolut überhaupt nichts…“ Er sah nicht, wie Fleur die Stirn runzelte und Besorgnis auf ihre Züge trat. Sie fragte erneut,
 

„Was ist los? Warum wolltest du misch so dringend erreischen?“
 

„Harry ist verschwunden…“
 

„WAS…?“ Augenblicklich war es mit Fleurs Ruhe vorbei und Draco empfand einen Hauch Befriedigung angesichts ihres Entsetzen, doch dann begriff er, wie kleinlich das war und sprach weiter.
 

„Keine Angst, Fleur, Snape weiß, wo er ist und sagt, er sei in Sicherheit.“ Seit dem Morgen war er überhaupt nicht gut auf seinen Professor für Zaubertränke zu sprechen und das konnte Fleur mit Sicherheit an seinem Ton erkennen, doch sie ging nicht darauf ein. Sie sagte,
 

„Aber du weißt es nischt…und das treibt disch in den Wahnsinn…“ Er warf ihr einen giftigen Blick zu und stellte zu seiner Überraschung fest, dass ihre Miene ungewohnt ausdruckslos erschien; so als hätte sie so etwas schon geahnt. Sein Gesichtsausdruck wurde nun richtig düster.
 

„Mit wem hast du gesprochen?“ Er konnte sehen, dass Fleur sich einen Sessel vor den Kamin hexte und sich darin nieder ließ, ohne ihn aus den Augen zu lassen.
 

„Iesch ‘abe mit niemandem gesprochen, Draco…doch leider iest eingetreten, was isch befürschte, seit wir ‘ogwarts verlassen ‘aben. Du darfst nicht denken, dass mir entgangen ist, wohin du disch in den letzten Wochen entwickelt 'ast. Wenn es nach dir gegangen wäre, 'ättest du 'arry nicht mehr aus den Augen gelassen und du warst regelrecht davon besessen, ihn zu beschützen und in Watte zu packen…angesichts des Desasters bei diesem Quidditchspiel gehe ich davon aus, dass du damit nicht der einzige warst und das 'at es mit Sischerheit nicht besser gemacht…“
 

„Und was willst du mir damit sagen?“ Die Frage kam patziger als beabsichtigt, doch Draco hatte Fleur nichts entgegen zu setzen, denn sie hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Genau das wäre geschehen, wenn es nach ihm gegangen wäre.
 

„Ich will damit sagen, dass ich eigentlisch erwartet 'ätte, du wüsstest, was passiert, wenn man 'arry zu sehr bedrängt. Wenn du nicht gerade den Charme einer Veela besitzt ,wird er auf stur schalten und Abstand zwischen sisch und das Bedrängnis bringen…ganz gleich ,welches Bedrängnis…“
 

Draco starrte ins Leere und schwieg. Er hatte begriffen, was sie ihm sagen wollte und er wusste, dass es dasselbe war, was Snape seit Wochen versuchte, ihm in den Verstand zu hämmern. Er hatte geglaubt, das gelte nicht für ihn und er war sich plötzlich sehr sicher, dass Harry mit aller Macht versucht hatte, seine Reaktion auf Dracos Verhalten im Zaum zu halten; bis sein Unterbewusstsein dem Ganzen ein Ende gemacht hatte – mit brutaler Gewalt. Mit einem Mal bekam Harrys gesamtes Gebaren ein neues Gesicht, sein Eindruck, dass der Schwarzhaarige auf Distanz ging, seine scheinbare Kühle und Emotionslosigkeit, seine harschen Reaktionen, wenn er versucht hatte, dem Problem auf den Grund zu gehen. Alles schien nur auf eins hinzudeuten.
 

„Er will keine Hilfe…“, brachte er resigniert heraus.
 

„Das ist es nischt…ich denke e'er, niemand von uns kann ihm 'elfen, weil niemand nachvollziehen kann, was in ihm vor sisch geht…und er weiß das. Dazu kommt, dass er vermutlich versucht, seiner Umwelt vorzumachen, dass es ihm besser geht, nur um sie zu beruhigen. Das hat er schon ihn 'ogwarts gemacht…bei der Sache mit Chang und auch später…“
 

„Aber…“
 

„Kein Aber, Draco…es gibt in diesem Fall kein ‚Aber‘. Nicht, so lange 'arry es nischt zulässt. Er lässt sisch von niemandem zu etwas zwingen, das er nicht will. Und was auch immer wir glauben, wie stark auch immer er sein mag…was in diesen Monaten geschehen ist, hat Spuren bei ihm 'interlassen und ich befürchte, er muss damit erst einmal selber klar kommen, bevor er wieder mit seiner Umwelt klar kommt…“
 

„Aber genau das schafft er ja offensichtlich nicht…“, warf Draco ein, doch er konnte Fleur damit nicht aus dem Konzept bringen.
 

„Und du glaubst, du könntest ihm dabei 'elfen?... Draco, erinnere disch daran, was dieser letzte Kampf vor 'ogwarts mit dir angestellt hat…“ Draco lief rosa an, sagte jedoch:
 

„Du hast mir geholfen…“
 

„Weil isch wusste, worum es ging und auch genau wusste, was geschehen ist. Ich war Augenzeuge…schon vergessen? Bei 'arry würde isch mir das nie zutrauen, denn isch habe keine Ahnung, was er durchgemacht hat. Der Einzige, der das weiß, ist Severus Snape…und der Fakt, dass er offenbar auch nichts erreicht, sagt mir zweifelsfrei, dass 'arry diesen Kampf nur mit sich selbst ausmachen kann. Er ist sein ganzes Leben lang auf sich allein gestellt gewesen und 'at seine Probleme selbst gelöst und die wenigen Monate, in denen er begriffen hat, dass er sich auch auf dich oder Professor Snape verlassen kann, werden nichts an jahrelang erworbenen Gewohnheiten ändern…mal davon abgesehen, dass isch der Meinung bin, dass auch du ein wenig Abstand brauchst. Es ist nicht gut, wenn du dich mit allem, was du tust, nach Harry richtest.“
 

Draco sprang aus dem Sessel und begann auf und ab zu gehen,
 

„Das will ich aber nicht…“
 

„Genau deswegen ist es gut, dass 'arry dir die Kontrolle entzogen hat…du bist kein Teil von ihm. Du bist eine eigenständige Persönlichkeit und du 'ast auch ein Leben, wenn 'arry mal nicht da ist…“ Er warf ihr düstere Blicke zu, doch sie ließ sich nicht beeindrucken und setzte ein kokettes Lächeln auf. „Deswegen werde isch wohl meine Pläne ändern…“
 

Jetzt war Draco irritiert.
 

„Was meinst du?“
 

„Ich 'atte eigentlich die Absicht, mit Gabrielle Verwandte meines Vaters in Grasse zu besuchen, doch das kann warten. Wir werden dich besuchen und zwar schon morgen. Stell dich also darauf ein, dass die nächsten Tage alles andere, als langweilig für dich werden. Isch war zwar in 'ogwarts, aber von Großbritannien habe ich gar nichts gesehen…das wird sich ändern.“
 

„Fleur…du kannst doch nicht einfach…“, wollte Draco einwenden, doch sie ließ ihn nicht ausreden.
 

„Doch isch kann…deine liebe Mutter hat misch 'erzlisch eingeladen, bevor wir Hogwarts verlassen haben. Ich bin jederzeit gern gesehen. Ich werde ihr noch 'eute eine Eule senden, dass Gabrielle und isch ihr Angebot gern annehmen und morgen im Laufe des Tages nach Malfoy Manor kommen…du solltest also ausgeruht sein. Ich erwarte das volle Programm.“
 

„Fleeeeuuur…“, jammerte Draco plötzlich vollkommen von seinen eigentlichen Problemen abgelenkt. Fleur lächelte nur breit.
 

„Das wird dir gut tun…“, konstatierte sie, „Gib mir einen Kuss, Cherie, und dann scher disch ins Bett und schlaf disch aus. Wir haben viel vor in den nächsten Tagen.“
 

„Pah…vergiss es…“ Energisch löschte er das Feuer und trennte so die Verbindung, doch ihr perlendes Lachen hallte trotzdem noch durch den Raum. Missmutig warf er sich aufs Bett und starrte den Himmel darüber an. So hatte er sich den Ausgang des Gesprächs nicht vorgestellt.
 


 

xox
 


 


 

Als Harry das erste Mal wieder richtig wach wurde, schrak er wie üblich aus einem Alptraum, doch das war ihm inzwischen so vertraut, dass es ihn kaum noch beeindruckte. Er brauchte einen Moment, um zu begreifen, was anders war, doch dann fiel ihm ein, dass er bei Severus in Cliff Cottage war. Es gab keinen Grund, auf der Hut zu sein und schnellstmöglich alle Schutzmechanismen zu aktivieren. Mit einem resignierten Seufzen richtete er sich im Bett auf und rieb sich mit den Händen übers Gesicht.
 

So konnte es nicht weitergehen.
 

Es konnte einfach nicht sein, dass sein erster Gedanke nach dem Aufwachen seiner Tarnung galt und er sich erst wieder entspannte, wenn er sicher war, dass er niemandem etwas vormachen musste. Das hatten Sirius, Narcissa und vor allem Draco nicht verdient.
 

Harry nahm einen tiefen Atemzug. Er fühlte sich trotz des obligatorischen Alptraums überraschend erholt. Es war ihm vage bewusst, dass er circa drei Tage durchgeschlafen hatte und er nur ein paar Mal im Halbschlaf eine Tasse Tee getrunken hatte oder auf der Toilette gewesen war. Es sah ganz so aus, als betrachte sein Unterbewusstsein Severus‘ Zuhause noch immer als sichere Zuflucht; ein Platz, an dem er so angenommen wurde, wie er war, mit all seinen Macken und Fehlern, wo er sich nicht verstecken musste und es schien ganz so, als täte ihm das gut. ‚Macht der Gewohnheit…‘, ging es ihm durch den Kopf und erneut spürte er einen schmerzhaften Stich in seiner Brust, der ohne jeden Zweifel aus seinem schlechten Gewissen Draco gegenüber resultierte, doch auch wenn es ihm nicht gefiel; es war die Wahrheit.
 

Hier in Cliff Cottage kam er zu Ruhe, egal ob es ihm gefiel oder nicht.
 

Harry schob seinen Gedankengang bei Seite und stand auf. Seine Sachen waren wie hier üblich gleichmäßig auf dem Boden verteilt und er begann sie aufzulesen und auf Vordermann zu bringen. Es war still, doch auch das war ihm vertraut. Severus war mit Sicherheit unterwegs und traute ihm ganz offensichtlich bedenkenlos zu, dass er auf sich selbst aufpassen konnte. Das brachte ein schwaches Grinsen auf Harrys Lippen. Severus Snape war nicht der Typ, der jemanden bemutterte und in Watte packte. Er war überraschend dankbar für diesen Umstand.
 

Angezogen und gewaschen stand er ein paar Minuten später in Severus‘ Küche und machte sich einen Kaffee. Wie vermutet war er allein und nur Linus, Severus‘ weißer Angorakater, strich ihm schmeichelnd um die Beine. Es überraschte ihn ein wenig, dass das Tier ihn zu mögen schien. Als er sich an den Tisch setzte, um seine Kaffee zu trinken, sprang er ihm sogar auf den Schoß und rollte sich da laut schnurrend zusammen. Harry konnte nicht anders, als ihm vorsichtig das seidige Fell zu kraulen, was den Kater zu noch lauterem Schnurren animierte. Es hatte eine überraschend beruhigende Wirkung auf Harry, doch er wusste, dass er sich nicht länger davor drücken konnte, sich mit den Geschehnissen auseinander zu setzen. Er war versucht aufzustehen, denn kaum, dass er begann über die Vorkommnisse in Malfoy Manor nachzudenken, wurde er von unerträglicher Anspannung und Unruhe beherrscht, doch er brachte es nicht fertig Linus, der seinen Schoß offenbar als Schlafplatz auserkoren hatte, zu verjagen und so blieb er sitzen und starrte ins Leere, die halb volle Kaffeetasse zwischen den kalten Fingern. Es schnürte ihm die Kehle zu, als Dracos panisches Gesicht vor seinem geistigen Auge erschien und er sich mit schonungsloser Härte in Erinnerung rief, was er getan hatte.
 

Jetzt, wo er den Abstand hatte darüber nachzudenken, war ihm zweifelsfrei klar, was geschehen war. Er hatte geträumt, so wie er es meist tat, kaum dass er in den Schlaf glitt. Unterbewusst hatte er sogar noch Dracos Berührungen im Kopf. Nicht eine davon hatte auch nur einen Hauch Bedrohung an sich gehabt, doch das hatte am Ergebnis nichts geändert. Er war aus dem Schlaf hochgeschrocken und hatte attackiert, mit voller Wucht und ohne Rücksicht auf Verluste – und es war bedeutungslos gewesen, wen er vor sich hatte. Das war es eigentlich, was ihn am meisten erschreckte.
 

Sicher war es kein Problem gewesen, Draco durch zu checken, kaum dass er begriffen hatte, was er getan hatte und natürlich wäre es auch ohne weiteres möglich gewesen zu heilen, was er verletzt hatte, doch die Panik in Dracos Augen und der Umstand, dass er vor ihm zurückgewichen war, hatten es ihm unmöglich gemacht. In diesem Augenblick hatte er nur gesehen, was er getan und was es bei Draco ausgelöst hatte und er war absolut unfähig gewesen, sich über diese Fakten hinwegzusetzen. Der Gedanke, dass Draco Angst vor ihm hatte, war unerträglich und für den Augenblick wollte er nicht einmal daran denken, was er möglicherweise wirklich zerstört hatte. Harry wusste sehr genau, dass schon allein diese Tatsachen vollkommen gereicht hatten, um ihn auf diese Klippe zu treiben, von der Angst vor dieser zerstörerischen, gnadenlosen Kraft, die ihm innewohnte und immer wieder in Aktion trat, ohne dass er es kontrollieren konnte, einmal ganz abgesehen.
 

Und das war eigentlich der Kern des Problems. Er hatte seine Zauberkraft nicht unter Kontrolle und es stand fest, dass das eine enorme Gefahr für alles und jeden in seiner näheren Umgebung darstellte. Harry fragte sich, ob Severus Recht hatte und es wirklich an seiner Angst vor diesen unglaublichen Fähigkeiten lag, denn es gab da noch eine andere Seite und diese wurde er sich ebenfalls immer mehr bewusst.
 

Alles, was in den letzten Tagen und Wochen geschehen war, brachte ihn unweigerlich zu der Erkenntnis, dass ihn seine Magie mit allen Mitteln beschützte und dabei keinen Unterschied zwischen richtig und falsch machte. Es hatte damit begonnen, dass er Hermione angriff, als er versuchte, seinen Erinnerungen auf die Spur zu kommen, obwohl ihm all seine Instinkte gesagt hatten, dass er es nicht wirklich wissen wollte und es hatte sich manifestiert, als er beim Spaziergang in der Kristallkugel von diesem weichen, aber undurchdringlichen Vorhang aufgehalten wurde. Im Grunde hatte sie ihn schon beschützt als Dumbledore nach dem Koma versucht hatte, seine Erinnerungen zu durchforschen und als Hogwarts von den Bergkobolden angegriffen wurde, hatte sie sich pünktlich zurückgemeldet, um sein Überleben zu sichern und ihm die Möglichkeit zu geben zu beschützen, was ihm wichtig war. Im Gegenzug hatte sie jeden Rettungsversuch abgeblockt, als er beim Quidditch ohne zu denken entschieden hatte, zu sterben und sie hatte Tante Petunia abgewehrt, als diese erschreckend spät begriffen hatte, dass etwas gar nicht mit ihm stimmen konnte und zweifellos nur aus Eigennutz versucht hatte, ihn zu Sinnen zu bringen. Harry zweifelte leider nicht daran, dass er in diesem Zimmer gestorben wäre, hätte sie nicht genug von ihm gehabt und beschlossen, ihn loszuwerden.
 

Er ließ ein tiefes Seufzen hören, wärmte den Kaffee in seiner Tasse mit einem Zauber auf und stürzte ihn hinunter, bevor er Linus in die Arme nahm, aufstand und ihn zum Sessel hinüber brachte, schlussendlich doch noch überwältigt von dem emotionalen Aufruhr, der in ihm tobte.
 

Der Vorfall mit Draco war eigentlich nur der krönende Abschluss. Er war sich zwar nicht ganz im Klaren, wovor er sich in diesem Moment schützen hatte wollen, doch eine andere Erklärung gab es nicht und leider konnte er kaum daran zweifeln, dass das immer wieder passieren konnte.
 

Harry rieb sich die Schläfen. Er konnte regelrecht spüren, dass sein Kopf kurz vorm Platzen war und er wusste, dass er eine Pause brauchte. Er war noch immer nicht wieder richtig fit und manchmal fragte er sich, ob er jemals wieder richtig fit sein würde. Im Moment konnte er sich das noch nicht wirklich vorstellen. Ohne lange nachzudenken ging er zur Tür und verließ das Cottage. Draußen schien strahlend die Sonne, der Himmel war azurblau und wolkenlos. Ein wenig frische Luft konnte nicht schaden. Es dauerte nur ein paar Minuten, bis er wieder auf der Klippe stand und in die Tiefe hinunter auf die unschuldigen, weißen Strände starrte – diesmal jedoch ohne an den Tod zu denken.
 

Er dachte an seine Angst von vor all diesen Monaten, die Angst so zu werden wie Voldemort. Er wusste, dass genau das geschehen war und der Schmerz genau darüber war beinahe unerträglich.
 

„Was hast du dir angetan, Harry?“, flüsterte er und er spürte eine einsame Träne über seine Wange rinnen. Zu seinem absoluten Entsetzen war es Dracos Stimme in seinem Kopf, die ihm antwortete,
 

‚Was du tun musstest, Harry…was du tun musstest!‘
 

tbc



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Astrido
2017-11-08T17:07:46+00:00 08.11.2017 18:07
Ich kann Tatzi nut zustimmen. Ich habs noch nicht gelesen, weil es irgendwie untergegangen ist bei mir, aber ich wollte mich schon mal für das Update bedanken.
Von:  Tatzi88
2017-03-29T03:02:53+00:00 29.03.2017 05:02
Diese Story begleitet mich nun schon viele Jahre möchte ich meinen... ich kann mich zwar an nicht mehr allzu viel erinnern da sie ja wirklich sehr umfangreich ist aber ich weiß genau das sie einfach genial ist! Ich freue mich das es weiter geht und hoffe dass Harry eines Tages wieder glücklich wird. Bis zum nächsten Kapitel ich bleib treu dabei :)


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