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Er sieht dich.

Ein trauriges Märchen
von

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Ihr größtes Laster

„So klein und unscheinbar.“

Aiko schüttelte den Kopf. Vorsichtig, um nicht zu sagen beinahe ehrwürdig strich sie über den Plastikbezug. Natürlich würde sie das Tütchen nicht öffnen. Schließlich hatte sie es versprochen. Aber Sasori war heute nicht da, sodass sie sich das Pulver zumindest etwas näher ansehen konnte.

Es war vermutlich eine Mischung. Luxury hätte ihr keinen hochwertigen Stoff geschenkt, denn der war teuer. Es wäre ja auch reichlich dumm von ihr gewesen, jetzt plötzlich wieder damit anzufangen. Immerhin hatte sie einen langen und schmerzvollen Entzug überstanden, um wieder ohne die kleinen verräterischen Tabletten, Pulver und Spritzen leben zu können. Und doch stellte sie sich von Zeit zu Zeit, wenn ihre Gedanken frei waren, die Frage, ob sie sich nicht alles eingebildet hatte. Vielleicht war sie noch nicht so clean, wie sie es angenommen hatte. Wie die Ärzte es ihr versprochen hatten. Konnte sie überhaupt ohne das Zeug leben? War diese Phase nun wirklich überstanden?

Sie wusste sicher, dass es an ihr lag, sich von diesem Laster zu befreien. Aber sie hatte Angst davor. Denn in den letzten Jahren hatte sie so oft versucht, sich das Leben zu nehmen, dass nur Drogen sie davon abhalten konnten. Genauso, wie sie sich nicht Sasoris Liebe entziehen konnte, wollte sie auch nicht die Drogen hinter sich lassen.

Ihre Augen waren fahl und glanzlos, als sie das Tütchen aufriss.

Ich will es ja nicht einnehmen., dachte sie. Nur für einen Moment in den Händen halten. Ich will's mit nur mal ansehen. Und überhaupt besteht keine Gefahr, wenn ich es aufmache. Schließlich bin ich absolut sauber.

Mit leicht zittrigen Fingern schüttete sie sich das grobe Pulver auf die Handfläche. Es hatte einen Lila-Stich.

Aiko's Lächeln zuckte. Lila, die Farbe der sexuellen Frustration. Vielleicht war es ja eine Droge für sexuell Frustrierte. Vielleicht war es eine von den Drogen, die sie für alles Mögliche zugänglich machen sollte. Die sie etwas „auflockern“ sollte.

Oder es war eine, die sie ganz ruhig machte. In einem solchen Fall war sie immer ganz still dagesessen und hatte die Welt mit anderen Augen gesehen. Bunter, schneller, noch verwirrender, als sie ohnehin schon war.

Doch es war egal, was für eine Wirkung das Zeug hatte. Denn sie wollte nichts davon nehmen.

Trotz allem konnte sie es nicht einfach wegwerfen. Es war schließlich ein Geschenk gewesen, und Geschenke warf man nicht weg.

Mit ihrem Zeigefinger durchmischte sie das Pulver und fuhr dann über ihre Zunge. Natürlich nur, um den Geschmack zu testen.

Zu ihrer geringen Überraschung hatte die Droge keinen bestimmten Geschmack. Doch die Wirkung würde sicher einschlagen wie eine Bombe. Zumindest dann, wenn Luxury mit seinen Anpreisungen Recht behalten würde. Es juckte sie regelrecht in den Fingern bei dem Gedanken daran, das Pulver ganz zu schlucken.

Nein!, befahl sie sich. Du siehst, wo es dich hingebracht hat! Du weißt es doch! Sicher, für den Moment mag es dir helfen, aber es wird dir nur noch mehr wehtun. Du bist gerade erst über diese verdammte Sucht hinweg, also bau jetzt keinen Mist! Du weißt es doch. Du weißt doch, dass er es hasst. Wenn du das Zeug jetzt nimmst, wird er es sehen. Und er wird weinen. Er sieht dich! Vergiss es nicht...

Mit neugewonnener Entschlossenheit stand sie auf und ließ das Päckchen auf dem Tisch liegen. Ihre Schritte führten sie ins Bad, um zu duschen, doch mit ihren Gedanken war sie immer noch bei diesem kleinen unscheinbaren Gegenstand auf ihrem Küchentisch.

Nachdem sie ihre Haare geföhnt und sich ein Handtuch umgebunden hatte, wollte sie ein letztes Mal einen Blick auf die sonderbare Droge werfen. Ihr Entschluss war fest; sie würde dieses lästige Ding die Toilette hinunter spülen.

Aiko begutachtete das Teil genau. Eigentlich irrsinnig, dass es ihr so schwerfiel, es zu entsorgen. Lächerlich. Es waren nur 20g einer Substanz, die sie nicht einmal genau hätte benennen können. Was sollte das schon für eine Anziehungskraft auf sie ausüben?

„Was zur Hölle tust du da?“, fuhr Sasori sie wütend an. Er packte ihr Handgelenk, so dass sie dieses nicht mehr bewegen konnte.

Die Verzweiflung in Aiko's Blick verwandelte sich in Trotz.

„Ist doch wohl meine Sache, oder nicht?“, entgegnete sie und zog ihren Arm weg. Ihr Geliebter hielt sie weiter fest.

Sie zerrte ein wenig an seiner Hand, um seinen Griff zu lockern, doch er ließ sich nicht abschütteln.

Entnervt sagte sie etwas lauter: „Jetzt lass mich los, ja? Du nervst!“

„Dann leg dieses … dieses Ding weg! Ich dachte, wir hätten das geregelt! Keine Drogen, verstanden? Oder hast du vergessen, wie dreckig es dir damals ging?“, rief er.

„Verdammt noch mal, Sasori! Ich wollte das nicht einnehmen! Ich wollte es bloß wegschmeißen.“

„Und woher hast du den Mist? Gekauft? Von einem deiner tollen neuen Freunde?“ Er betonte das Wort „Freunde“ besonders scharf.

Entsprechend störrisch reagierte sie.

„Das geht dich einen Scheißdreck an! Lass mich einfach in Ruhe! Geh weg!“

Er schien etwas ruhiger geworden zu sein. Sanft strich er über ihr Gesicht.

„Hey... Ich möchte nur dein Bestes, das weißt du doch. Ich liebe dich! Sei bitte nicht so abweisend. Du musst zugeben, dass du bei mir nicht anders reagiert hättest, wenn unsere Rollen vertauscht wären. Ich mach das jetzt weg, ja?“

Aiko nickte. Eine Träne lief an ihrem Gesicht herunter.

„Es ist schwer“, murmelte sie.

„Was ist schwer?“, fragte er erstaunt.

„Ohne dich. Ohne dich ist es schwer.“

„Ich hab's dir doch schon so oft gesagt, Schatz. Ich werde immer bei dir bleiben, solange du mich haben willst.“

„Du hast mich angelogen. Warum? Ich dachte, du liebst mich.“

„Jetzt fang nicht wieder damit an. Wir sind doch damit durch, meinst du nicht? Und diese Drogen brauchst du nicht. Du hast sie nie gebraucht.“

„Früher habe ich sie nicht gebraucht. Aber ich habe sie trotzdem genommen. Jetzt, wo ich sie brauche, darf ich sie nicht mehr nehmen.“

Sasori nahm sie in den Arm und küsste ihren Hals.

„Auf Wiedersehen, mein Herz“, flüsterte er.

„Wohin gehst du?“, fragte sie. Die Antwort kannte sie jedoch bereits.

„Zurück.“ Dann ging er fort. Sie wünschte, sie hätte ihn festgehalten. Doch das hatte keinen Sinn.

Apathisch starrte sie auf das Drogenpäckchen in ihrer Hand.
 

„Hallo?“

„Hallo, T!“

Aiko kicherte.

„Was... gibt es?“

Seine Stimme klang reserviert.

„Ich wollte mich nur mal sooooo melden.“

„Aha. Einfach mal soooo“, ahmte er ihr übertrieben langes o nach.

„Wer hatt'n dich vorhin...nee...ich meine gestern. Wer hat dich denn gestern so verschlagen? Sahst aus wie so ein Asozialer.“

„Aiko. Hast du gerade was intus?“

„Quatsch.“

Sie kicherte erneut.

„Ich doch nicht.“

Ihr Blick fiel auf das leere Tütchen, das vor ihr auf der Küchenplatte lag.

„Hey, ich habe jetzt wirklich keine Lust drauf, dich high zu erleben. Wir sehen uns dann Mittwoch.“ Er war hörbar genervt.

„Haaaalt, warte!“, plärrte sie durch den Hörer.

„Was?!“

„Wo wohnst du? Ich mag dich besuchen kommen.“

T-Pain seufzte.

„Hör zu: Mir ist es scheiß egal, was du so in deiner Freizeit schluckst, aber nerv' mich nicht dabei, klar?“

Sie schwiegen kurz.

Dann erwiderte Aiko lachend: „Würde es dich nerven, wenn ich etwas ...Bestimmtes von dir schlucken würde?“

Er legte ohne ein weiteres Wort auf.

Die Rothaarige legte sich auf das Sofa und wälzte sich kichernd umher. Nur ein paar Minuten später sprang ihr Klingelton an.

Es war Luxury.

„Hast du vielleicht ein wenig Zeit für mich, Süße?“, wollte er wissen.

„Vielleicht...“, antwortete sie zu seiner Überraschung.

„Okay. Super! Hast du Hunger?“

„Eigentlich nicht...nöööö.“

„Hm. Wie wäre es, wenn du einfach zu mir nach Hause kommst? Ich wohne in der 3rd Alley in dem blauen Haus.“

„Jo, klar. Ich bin in ein paar Minuten bei dir. Bis dann.“

Wäre sie nicht ein klein wenig high gewesen, hätte sie seine Einladung ohne Umschweife ausgeschlagen. So ging sie jedoch tatsächlich zu ihm. Was genau er allerdings vorhatte, war ihr zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst.

Schließlich stand sie vor seiner Haustür und klingelte. Luxury öffnete. Er sah mal wieder perfekt aus.

„Hey, Kleines“, grinste er.

„HAAAALLO!“, begrüßte sie ihn überschwänglich und fiel ihm um den Hals. Dieses doch eher ungewöhnliche Verhalten von Aiko war ihm dann aber doch ein wenig suspekt. Er zog eine Augenbraue nach oben und sah ihr in die Augen.

„Pupillen wie Autoreifen“, stellte er fest. Er dachte kurz nach. Dann wurde sein Grinsen breiter.

„Hast du es also doch genommen. Ich hab doch gewusst, dass dir das gefallen wird. Gutes Zeug, nicht wahr?“, sagte er etwas leiser und zog sie weiter in die Wohnung.

Sie konnte nicht leugnen, dass er Geschmack hatte. Alles war ideal aufeinander abgestimmt, die Möbel waren modern und seine Einrichtung passte genau zu seinem Stil.

Mit einem unwiderstehlichen Blick und einer Geste lud er sie ein, sich neben ihn auf das Sofa zu setzen. Vernebelt wie sie war, folgte sie seiner stummen Aufforderung.

„Ja. Das Zeug ist subba“, murmelte sie und kuschelte sich ein wenig an ihn.

„Möchtest du noch ein wenig davon? Ich habe jede Menge für dich...“, flüsterte er ihr ins Ohr. Sie schüttelte jedoch den Kopf.

„Man muss es ja nich übertreiben, oder?“, erwiderte sie.

Für einen kurzen Moment machte er ein ernstes Gesicht, doch dieser Ausdruck wich augenblicklich wieder einem verführerischen Lächeln. Seine Absichten waren ähnlich durchsichtig wie sein ohnehin halboffenes Hemd. Es wurde schnell klar, worauf er aus war, sodass Aiko es selbst in ihrem willensschwachen Zustand bemerkte. Doch so recht einlenken konnte sie aus einem ihr unerfindlichen Grund nicht.

Luxury erkannte seine Chance und wollte diese unter keinen Umständen in den Wind schlagen.

Guter Dinge lief er summend in die Küche. Ein Korken knallte. Kurz darauf kam er mit zwei Sektgläsern wieder und setzte sich wieder zu ihr.

„Danke“, murmelte sie, nahm ihm eines der Gläser aus der Hand und kippte es in einem Zug herunter.

Er lachte leicht affektiert.

„Du bist ja eine richtige Trinkerin“, sagte er. Behutsam zog er ihr Bein zu sich hin und stellte die beiden Gläser zur Seite.

„Weißt du, worauf ich jetzt Lust hätte?“, fragte er grinsend. Aiko schüttelte den Kopf. Sie hatte keinen Schimmer. Mit einem noch breiteren Grinsen beugte er sich zu ihr hin und flüsterte ihr etwas ins Ohr, so leise, dass sie es kaum verstand, und doch so deutlich, dass ihr das Blut in den Kopf schoss. Einen Moment lang sahen sie sich einfach nur an. Dann ging er zur Tat über.

Es war nur ein Anfang gewesen. Nur ein Kuss. Doch vor ihrem inneren Auge spielte sich etwas anderes ab. Vorbeirauschende Bilder, unscharf, und doch klar zu erkennen. Sasori schrie auf. „Warum?!“, brüllte er. Ihr ganzer Kopf dröhnte. Seine Schreie wurden immer lauter. Sie konnte sehen, wie er sich auf dem Boden zusammen krümmte. Die Stelle, wo eigentlich sein Herz gewesen wäre, war nur ein riesiges schwarzes Loch, aus dem eine große Menge Blut floss. Eine kalte, erstickende Angst packte Aiko direkt dort, wo ein unüberwindbares Eisenschloss den Weg hätte versperren sollen. An einem Ort, den sie schon lange vergessen wollte. Warum er noch existierte wusste sie nicht. Doch wie hätte sie etwas so Mächtiges, so Starkes je wirklich wegsperren können. Wie hätte sie vergessen können, was geschehen war.

Ihr ganzer Körper bebte. Schweißperlen bildeten sich auf ihrer Stirn und ihr Atem ging kurz.

„Ist alles okay?“, fragte Luxury, der sich nun doch Sorgen um sie machte, denn sie sah nicht gerade gesund aus. Sie sah ihn mit verklärtem Blick an.

„Alles … alles in Ordnung“, hauchte sie. „Ich...Kann ich vielleicht ein Glas Wasser haben?“

„Ja, natürlich“, erwiderte er und stand sofort auf, um ihr etwas zu trinken zu holen. Nachdem sie das Glas leergetrunken hatte, ging es ihr wieder besser. Auch ihr Kopf fühlte sich nicht mehr so schlimm an.

„Entschuldige. Ich bin es einfach nicht mehr gewohnt“, sagte sie ruhig.

Er winkte ab und nahm sie erneut in den Arm.

Doch sie fühlte sich unwohl bei ihm. Sie wusste genau, dass es falsch war hier zu sein.

Erneut versuchte er, sie durch seine ganz eigene Körpersprache zu etwas zu bewegen, was er von ihr niemals bekommen sollte.

Doch trotz des kleinen Anfalls, den sie gehabt hatte, ließ er nicht von ihr ab und presste seine Lippen wieder auf ihre. Sie hätte ihn wegdrücken können. Theoretisch. Dennoch fehlte ihr die Kraft dazu.

Ihr Kopf begann wieder stärker zu dröhnen.

Warum gehst du nicht einfach? Was machst du eigentlich noch hier? Du willst doch eigentlich gar nichts von ihm. Aber es ist so warm...So kuschelig...Nein, vergiss es! Hör auf! Raff es doch endlich! Du weißt, was er davon halten würde. Stell dir sein Gesicht vor. Er sieht dich doch! Schämst du dich nicht? Verdammte Schlampe! Verdammte...

Sie hielt sich den Kopf. Alles schmerzte und pochte in ihr.

„Okay“, sagte Luxury bestimmt und setzte sich weiter weg. „So geht das nicht! Wenn du keine Lust auf mich hast, dann sag's doch gleich!“ Er hörte sich etwas sauer an.

„Was?“ Aiko sah ihn aus trüben Augen an. Ihr Körper zitterte und ihr war unendlich heiß. Als er sie so sah, kam in ihm doch eine gewisse Besorgnis auf. Er legte seine Hand auf ihre Stirn.

„Glühend heiß“, kommentierte er.

Sie konnte nicht mehr klar denken. Ihr Körper war ein Phänomen für sie. Es war beinahe so, als würde er eine schlechte Absicht wie eine Krankheit abwehren. Doch es war nicht immer so gewesen. Erst nachdem dieser Vorfall geschehen war, fühlte sie sich so.

Dumpf hörte sie noch, wie der Silberhaarige ihren Namen rief. Seine Stimmung war von besorgt zu panisch gesprungen. Er schüttelte sie. Die Erde schien zu beben.

Sie drehte die Augen nach oben. Die Tastentöne seines Handys nahm sie kaum wahr. Das Einzige, was sie noch hörte, war ihr eigener Atem, der laut und ungleichmäßig war, bevor ihr die Sinne schwanden und Luxury's Designerwohnung wich einer endlosen Schwärze.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  XxYuliveexX
2011-03-25T05:48:07+00:00 25.03.2011 06:48
omg omg omg omg omg!
doofes sasori, luxury is viel besser! cha! xD
und aiko wird doch wieder oder? o.o


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