Zum Inhalt der Seite

The Bitter & the Sweet

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Die Wahrheit und die Pflicht.

Hallo, lieber Leser.

Vorhang auf für meine neue und zumindest offline schon Monate andauernde Fanfiction, die ich auf anraten meiner lieben Dahlie nun veröffentlichen werde(weswegen ich ihr die Story auch widme). Bitte genießt den Prolog und lasst mir ein paar Kommentare da, wie ihr es fandet und wie ich es besser machen kann.
 

Viele liebe Grüße,

Darki
 


 

Für Dahlie.
 


 

Prolog

- Die Wahrheit und die Pflicht. -
 

Es war das Wochenende vor Schulbeginn, als Rose und ihre Freundinnen sich zum letzten Mal in einer Mädchenrunde trafen, zusammen Kräuterpfeife rauchten, sich mit Sauerwein feierten und die letzten Ferientage ausgedehnt genossen, denn Rose Vater waren wieder einmal nicht Zuhause. In den Ferien hatten viele dieser Mädchenrunden bei Rose stattgefunden. Hugo verhielt sich einem jüngeren Bruder angemessen – er beschwerte sich im Viertelstunden-Takt über die Lautstärke und dass er bei einem solchen Lärm nicht lernen konnte. Rose wusste ohnehin nicht, warum ausgerechnet ihr Bruder, der ihrem Vater in nichts nachstand, eine solche Leseratte war und immer danach strebte, sich Wissen anzueignen, noch bevor die Schule wieder angefangen hatte.
 

Sicherlich hätten sich ihre Eltern für sie gewünscht, dass sie – da sie der Ansicht ihrer Familie nach, mit dem Verstand ihrer Mutter gesegnet war – ebenfalls eine solch wissbegierige Schülerin würde. Am Anfang hatte sie das Spiel noch mitgemacht, kaum Freunde gehabt und dann (nach einem einschlägigen Ereignis, das ihre Welt aus den Fugen rüttelte) über einen brutalen Imagewechsel nachgedacht. Und plötzlich hatte sie Freunde und Albus begann auch, mit ihr zu reden, wenn sie sich in der Nähe seiner Freunde befanden. Als sie das vergangene Jahr in Frankreich gewesen war, um dort zur Schule zu gehen und einem Jahr lang dem Einfluss ihrer Tante nicht entkam, erkannten ihre Freundinnen Alice Longbottom und Lily Potter, Rose nicht wieder. Und zu diesem Zeitpunkt hatte es mit den Mädchenrunden angefangen.
 

Ihr Lieblingsthema war der Tratsch von Hogwarts und wurde in seltenen intellektuellen Momenten von neuen Romanen abgelöst. So hatte Rose auch mitbekommen, wer sich in ihrem Auslandsjahr nicht verändert hatte und wer besonders hervorstach durch seine Streiche, Quidditch oder Sonstiges.
 

„Wir dachten alle, dass er mit dieser Herzensbrecherei aufhört, als er wieder mit Lucy zusammenkam, aber aus irgendeinem Grund, trennte er sich Ende des letzten Schuljahres von ihr.“, erzählte Lily nun schon zum dritten Mal und Rose fragte sich mit der Zeit, warum sie Lucy so sehr interessierte. Vielleicht lag es an ihrer eigenen Schwäche für Scorpius Malfoy – er war seit Jahren der beste Freund ihres Bruders und so hatte sie unweigerlich viel mit ihm zu tun.
 

„Hat das Luder quer über die Gänge gescheucht, mit nichts weiter an, als einem Bettlaken. Und noch heute weiß keiner, warum“, sagte Alice kopfschüttelnd und zog ein zweites Mal an der Pfeife. Dann reichte sie diese an Lily weiter. Rose lehnte sich entspannt nach hinten in die großen orientalischem Sitzkissen. Sie musste lächeln, auch wenn es gewisser Weise bitter war. Sie hasste Scorpius – seine kurzzeitigen Beziehungen waren meist genauso unerträglich wie er selbst, gepaart mit Lucy Weasley, dem Abschaum der Familie, mochte sie ihn so sehr, wie Atommüll.
 

Alice schien sich wieder daran zu erinnern, was sie eigentlich gerade im Begriff war zu tun, bevor man ihr die Pfeife reichte. Sie grinste und drehte die leere Flasche Sauerwein. Sie rotierte lange, hüpfte über Unebenheiten des Bodens und kam dann vor Rose zum Stehen.
 

„Wahrheit oder Pflicht, Rosie?“, kicherte Alice.
 

„Wenn ich Pflicht nehme, schickst du mich nur wieder nackt hinaus in die Büsche und Hugo kriegt einen Herzinfarkt, wenn er mich den Mond besingend im Garten sieht“, gluckste Rose. Lily musste kichern, dann das hatte Alice das letzte Mal von Rose verlangt.
 

„Wahrheit“, sagte die Rothaarige schließlich und wartete auf irgendeine Gemeinheit von Alice. Doch langsam gab es nicht mehr viel über Rose zu sagen, das die Mädchen noch nicht wussten. Sicherlich würde Alice fragen, wie sie Logan Conner fand oder einen anderen. Doch in Alice Antlitz spiegelte sich Durchtriebenheit.
 

„Verrate uns ein Geheimnis, das wir noch gar nicht kennen.“
 

Rose zog eine Augenbraue hoch und dachte nach. Da gab es nur eine Sache, die sie noch nie jemanden erzählt hatte. Sie schämte sich dafür und Rose befürchtete, niemand würde es nachvollziehen können.

Sie wurde rot. Sollte Rose es wirklich sagen? Wie würden ihre Freundinnen reagieren?
 

„Ich werde es euch sagen, aber ihr müsst mir absolute Verschwiegenheit garantieren und ihr dürft mich nicht für bescheuert halten“, setzte sie voraus.
 

Lily und Alice wechselten bedeutungsvolle Blicke, ihre Augen leuchteten. Wie immer, wenn sie vom neusten Tratsch erfuhren. Alice, ihres Zeichens beste Freundin von Rose, hatte keinerlei Vorstellung von dem, was ihr ihre beste Freundin vielleicht seit Jahren verheimlichte.
 

Rose atmete tief ein und aus. Beim Ausatmen ließ sie sich besonders viel Zeit, weil sie versuchte, sich die richtigen Worte zurecht zu legen.
 

„Sag es, sag es, sag es!“, feuerte Lily sie an. Rose grinste, denn gleich wären sie nicht mehr froh darüber, nachgefragt zu haben.
 

„Ich bin seit der zweiten Klasse mit Scorpius Malfoy verlobt.“
 

Alice brach als erste in schallendes Gelächter aus und Lily schloss sich schnell an. Es dauerte einige Minuten bis sich die Mädchen beruhigt hatten. Kurzzeitig hatten sie an hysterische Hühner erinnert, die sich gegenseitig festhalten mussten, um nicht vor Lachen ohnmächtig zu werden.
 

Erst als sie sich beruhigt hatten, war ihnen aufgefallen, dass Rose nicht in ihr Gelächter eingefallen war. Deswegen sahen sie sich betreten im Raum um. Um dann wieder laut loszulachen.
 

Rose hatte sich diese Reaktion schon vorgestellt, aber irgendwie war es hart, so sehr ausgelacht zu werden.
 

„Rose, du scherzt.“ Alice fragte mehr, als dass sie es feststellte.
 

Als Rose sie nur vielsagend ansah, entgleisten die Gesichtszüge der Mädchen. Ihre Gesichter sprachen Bände.

Zwei Schritte vor und einen zurück. Damals.

So, meine Lieben...

... ich bin ja wirklich froh, dass Dahlie so viele von euch begeistern oder überreden konnte. Hat mich fast aus den Latschen gehauen und nun, da so viel Publicity betrieben wurde, will ich euch nicht enttäuschen. Mit dem ersten Kapitel erhaltet ihr einen weniger Rückblick. Ich habe inzwischen mein Konzept nochmal verändert, deswegen hat es so lange gedauert - ich musste noch ein paar Fakte mit einbringen. Also, sagt mir, ob es euch gefällt und wenn nicht, warum. Mit konstruktiver Kritik lässt sich am besten umgehen. Und Sorry für Tipp-Schreib-Grammatik-Fehler, ich habe noch keinen Beta-Leser, mir aber große Mühe gegeben alles zu korrigieren, aber mit der Zeit wird man betriebsblind. Scheut euch also nicht, mir zu sagen, wo ihr was findet. Ansonsten: viel Spaß damit.
 

Kapitel 1
 

Zwei Schritte vor und einen zurück oder Damals.
 

Es war gerade einmal fünf Jahre her seit dem Tag, an dem Rose ihre Seele verkaufte. Seit man nach dem Fall des dunklen Lords beschlossen hatte, die Muggel davon in Kenntnis zu setzen, dass die Magie, von denen sie in vielen Büchern lasen und die sich ihre Phantasie zusammen spinnte, tatsächlich und belegbar real war.

Noch heute war es eine unruhige Zeit mit vielen Entwicklungen, Erkenntnissen und Reformen. Doch damals kollabierte das komplette Bildungssystem, Forscher verzweifeltem am Unerklärlichen und die davor als weniger souverän bezeichneten Wissenschaftsstränge traten in zunehmend in den Fokus des öffentlichen Interesses. Astrologie, Dämonologie, Nekromantologie, Geisterseher, Medien – jeden Tag errangen die Menschen eine neue Kenntnis über die Welt, die ihnen so lange verschlossen blieb.

Doch mit dem Licht der Magie, kam auch der Schatten. Viele Krankheiten konnten geheilt werden, doch es wurden genauso viele Verbrechen mit der Hilfe der Magie begangen. Denn auch wenn jeder Todesser Voldemorts in Askaban saß, gab es noch tausende, die der Schlechtigkeit der damaligen Zeit nachhingen. Zauberkriminalität war das neue Stichwort.

Daraus erwuchs etwas, das der Menschheit von Beginn an anhaftete: Angst.

Die Eröffnung der Grenzen beider Welten, eröffnete nicht nur Möglichkeiten – sie ermöglichte auch eine neue Form der Gesellschaft. Eine Zwei-Klassen-Gesellschaft. Die Muggel hatten Angst vor den Zauberern und Hexen, sie misstrauten ihnen und rechneten ihnen wirklich schaurige Eigenschaften zu.

An diesem Punkt angelangt, betraf es plötzlich Roses Leben.
 

Selbst wenn es keinem normalen Menschen möglich war, einen Zauberstab zu schwingen, so konnten die Menschen auf Zaubertränke und einfache Zauber zurückgreifen, die ihr Leben erleichterten oder erheiterten. Zu dieser Zeit florierte der Scherzartikel-Laden ihres Vaters und ihres Onkels George. Doch dann kam es zu einem Vorfall.
 

Eine Gruppe halbstarker Muggel zwang in der Pause einen schwächeren Mitschüler dazu, Ballondrops zu essen. Was eigentlich als magischer Scherz entwickelt wurde und den Muggeln und Zauberern hilft, einen Tag lang auch ohne eine Mahlzeit auszukommen, bedeutete den Tod eines dreizehnjährigen Jungen in London, denn die Tagesdosierung belieft sich auf zwei Drops, doch innerhalb kürzester Zeit nahm das Opfer zehn zu sich. Der Magen platzte und er verblutete innerlich, noch bevor überhaupt ein Notarzt gerufen werden konnte.
 

Auch wenn die Schuld eindeutig nicht bei den Verkäufern zu suchen war, richtete sich der öffentliche Zorn nicht etwa gegen die Jugendlichen, die wider ihres besseren Wissens ein Menschenleben beendet hatten, sondern auf die Familie Weasley. Denn die Muggel vermuteten einen Komplott der versammelten Magischen Welt. Das wollte man dringend verhindern, deswegen ließ der Zaubereiminister Kingsley Shaklebold in den kommenden Wochen Ermittlungen laufen, um am Ende einen wahrhaft Schuldigen zuweisen zu können.
 

Es war eine schlimme Zeit für Rose. Eines Abends – sie war gerade eingeschlafen vor dem Fernseher, da klopften sie an die Türen und Scheiben ihres Zuhauses. Ein in schwarz gekleidetes Sonderteam des Ministeriums forderte Eintritt und nachdem der ihnen gewährt wurde, durchsuchten sie alles, was ihnen in die Finger kam und hinterließen ein großes Chaos im Haus. Rose hatte begonnen zu weinen, während ihre Mutter sie im Arm hielt und versuchte zu beruhigen. Rose würde nie vergessen, wie stark der Zorn in ihrem Gesicht brannte, von den eigenen Mitmenschen kein Vertrauen erwarten zu können. Dass sie sich ein schwarzes Schaf suchten, nahm sie ihnen persönlich übel – sie fluchte, beleidigte und schrie diese Untersuchung als Todesser-Razzia aus – doch am Ende, blieb sie ruhig und hoffte nur, dass es schnell vorbei war. Noch heute zuckte Rose zusammen, wenn sie jemanden an der Tür klopfen hörte.
 

Dadurch erlebte das Geschäft der Weasley, denen nun von keiner Seite aus mehr vertraut wurde, einen katastrophalen Umsatzeinbruch.

Und dann geschah etwas Ungewöhnliches.
 

Aus irgendeinem Grund hatten sich de Malfoys den unrühmlichen Staub nach Voldemorts Fall von den Umhängen geklopft und beschlossen, den alten Einfluss ihrer Familie in der Zaubererwelt wieder herzustellen. Sie machten einen Zauberladen nach dem anderen auf – Malfoy's Zauberzubehör aller Art. Sie warben mit Sicherheit, Gleichstellung des Kunden und einem Vollsortiment an magischem Zubehör. Schnell entwickelte sich die Kette zu einem riesigen Erfolg in der Zauberer-, wie in der Muggelwelt.
 

Kaum, dass Roses Vater erfahren hatte, wie schlimm es wirklich um die Finanzen seines Familienbetriebs stand, meldeten sich die Malfoys – die ebenfalls bestens unterrichtet waren.

Rose war gerade zwölf geworden, als sie und ihre Familie zu einem Dinner auf Malfoys Manor eingeladen wurden. Ihre Mutter hatte ihr damals erklärt, dass es Geschäftliches beredet würde und es ihr und ihrer Familie bald besser gehen würde. Vielleicht, so hatte sie angedeutet, musste ihr Vater das Geschäft nicht aufgeben.
 

Auch wenn Rose Scorpius vom ersten Moment an, nicht ausstehen konnte, zog sie sich ihr hübsches rotes Kleid an, bürstete sich die Haare gründlich und flocht sich Zöpfe. Sie wollte nett wirken, wenn ihnen die Malfoys wirklich verhindern konnten, dass ihre Familie alles verlor.
 

Hugo hatte sich damals gewehrt, seinen Sonntagsanzug anzuziehen, doch als sie bei der Familie Malfoy ankamen, schämte er sich, der einzige zu sein, der eine Jeans und einen Pullover trug. Rose benahm sich und verzichtete darauf, Scorpius zu beleidigen, sobald sie seiner ansichtig wurde. Ihre Mutter hatte ihr bestärkend die Hand in den Rücken gelegt und sie durch den großen Eingang des Anwesend geschoben, dass bedrohlich und düster auf sie wirkte. Sie fragte sich, ob man als Kind hier glücklich sein konnte.
 

Ihr Vater hatte eine versteinerte Miene – noch heute erinnerte sie sich manchmal daran, wie verkrampft er war und wie viel Widerwillen man in seinen Zügen ablesen konnte. Er hasste Draco Malfoy so sehr, wie Rose Scorpius hasste. Er hielt seine Worte knapp – manchmal hörte es sich fast so an, als würde er ein „Ja“ bellen, weil es ihn soviel Mühe bereitete, beim Geschäftlichen zu bleiben.
 

Man aß zusammen zu Abend. Rose hatte über die reichlich gedeckte Tafel gestaunt, aber vor Aufregung nur ein bisschen Kürbissuppe hinunter bekommen. Irgendwie redeten die Erwachsenen nicht sehr viel miteinander. Das Nötigste und ein bisschen weniger. Einzig und allein Scorpius Mutter, die sich ihr als Astoria und nicht als die förmliche Mrs. Malfoy vorgestellt hatte, bemühte sich um die Aufmerksamkeit ihrer Mutter und ihr selbst. Sie ermunterte sie immer wieder, etwas mehr zu essen, damit sie später keinen Hunger bekam, denn sie würden gewiss noch bis in die späten Stunden bleiben. Doch Rose hatte schüchtern den Blick gesenkt, errötete und verneinte dankend. Sie musste Astoria immer wieder ansehen, denn sie hatte ein sehr schönes Kleid an und obwohl sie keine aufwendige Frisur trug, wirkte sie wie eine Schönheitskönigin. Sie wählte ihre Worte mit Bedacht und sprach nie zu leise und nie zu laut. Dagegen kam ihr ihre eigene Familie wie Trampel vor.
 

Sie schämte sich, dass sie sich für einen kurzen Moment für ihre Familie schämte, denn sie konnte wirklich stolz auf sie sein, waren doch ihre Eltern die Helden, die Voldemorts Schreckensherrschaft beendet hatten. Deswegen schämte sie sich vorläufig für Hugo, der unbeholfen wirkte angesichts dieses Prunks, den das Anwesen auf ihn ausstrahlte.
 

Scorpius hatte sie immer wieder angesehen, als läge ihm eine üble Beleidigung auf der Zunge. Rose war froh, dass er außerhalb der Schule nicht zaubern durfte, denn sie hätte gewiss schon den einen oder anderen Fluch abbekommen.
 

Nach dem Essen zogen sich die Erwachsenen in den Salon zurück und man schickte sie und Hugo zu Malfoy, der ihnen sein Zimmer zeigen sollte. Keiner der Kinder schien sonderlich erfreut zu sein, jetzt weg geschickt zu werden, doch der junge Malfoyerbe war seinen Eltern hörig und zeigte ihnen artig sein Zimmer. Rose hatte erwartet, dass es genauso dunkel und abweisend wirken würde, wie der Rest des Hauses. Doch es prasselte ein helles Feuer im Kamin und überall hingen diese altmodischen Petroleumlampen, die eigentlich niemand mehr benutzte. Es wirkte warm. Trotzdem vermochte das Licht nicht in alle Ecken des Raumes zu dringen, denn er war riesengroß. Es hingen überall gerahmte Bilder großer Zauberer an den Wänden – Albus Dumbledore, ihre Tante Ginny, wie sie noch unter den Holyhead Harpies flog, sogar ein alter Zeitungsausschnitt von Sirius Black, als er noch in Askaban inhaftiert war. Rose überraschte es, auch ihren Onkel Harry unter den Zauberern zu sehen. In den Bücherregalen waren viele Bücher über den Kampf gegen Voldemort. Offensichtlich interessierte er sich für die neuere Geschichte der Zaubererwelt. Rose wagte es nicht, etwas zu sagen. Vielmehr irritierte sie es, dass er sie hasste. Aber es erklärte, weswegen er ihre Eltern so respektvoll angesehen hatte. Für ihn waren es Helden, sie hasste er.
 

„Das ist mein Zimmer.“, sagte er schnörkellos. Hugo staunte über die vielen Bücher. Und Rose wagte es immer noch nicht, irgendwas zu sagen.
 

„Mum und Dad haben mir gesagt, ich soll nett zu dir sein, Wiesel. Also krieg dich wieder ein. Hier passiert dir nichts.“, sagte er in einem etwas unfreundlicheren Tonfall.
 

Rose stemmte die Hände in die Hüften und warf sich einen ihrer Zöpfe über die Schulter. Sie zog eine Augenbraue hoch und musterte ihn gründlich von Kopf bis Fuß.
 

„Ich habe keine Angst vor dir, Malfoy.“, fauchte sie und kniff beide Augenbrauen zusammen.
 

Der junge Scorpius hob zuckend die Schulten, als sei ihm das egal. Rose schäumte innerlich über vor Wut. Warum interessierte ihn nie etwas? Er tat immer so furchtbar gleichgültig – kein Wunder, dass ihn alle für arrogant hielten.
 

Rose wusste später nicht mehr wie, aber irgendwie hatten sie sich die Zeit mit Zauberschach vertrieben, bis man sie wieder zu den Erwachsenen holte. Rose war erschrocken, als sie das bekümmerte Gesicht ihres Vaters sah und das kalkweiße Gesicht ihrer Mutter. Rose konnte nicht einschätzen, ob es Wut war oder Erschütterung. Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken, als sie einen Blick auf Draco Malfoy erhaschte, der genauso abwesend wirkte, wie sein einziger Sohn. Nur Astoria vermochte sie mit einem gütigen Gesichtsausdruck zu beruhigen. Sie lächelte freundlich und gab ihr eine Tasse Tee. Scorpius setzte sich neben seinen Vater in einen Ohrensessel, der fast aussah, wie ein Thron. Rose war eingeschüchtert und rutschte nervös auf ihrem Sessel herum, bis ihre Mutter sie ermahnte, still zu sitzen.
 

„Kinder, wir haben euch etwas mitzuteilen.“, sagte Draco schließlich mit Ehrfurcht gebietender Stimme. Rose sah ihn mit großen Augen an. Sie wollte es eigentlich gar nicht mehr hören und von hier verschwinden, irgendwo hin, wenn es sein musste.
 

„Rose?“, Draco sprach sie direkt an. Fast wäre sie erschrocken zusammengefahren. Sie schluckte, unfähig etwas zu sagen, dann nickte sie.
 

„Ich habe deinem Vater einen Vorschlag gemacht, wie ich ihm helfen kann, dass es dir und deiner Familie bald wieder besser geht. Er hat zugestimmt, nachdem wir lange darüber diskutiert haben. Er und dein Onkel George müssen dann nicht die Läden verkaufen.“, erklärte er. Rose wollte schon skeptisch eine Augenbraue hochziehen, denn sie empfand es als eine Beleidigung, dass er mit ihr sprach, als wäre sie ein Kleinkind. Doch sie schwieg und nickte.
 

„Aber in der Geschäftswelt ist es so, dass jeder nur auf seinen Vorteil bedacht ist.“, fuhr er fort.
 

„Ich dachte, es sei nur ein Attribut der Slytherins.“ Sie hatte es sich nicht verkneifen können, doch schon als sie es aussprach, bereute sie es. Unsicher sah sie Draco Malfoy an, der ihr überrascht ins Gesicht sah, als sei sie ein Hund, der einen neuen Trick gelernt hatte. Dann erntete sie tatsächlich ein Lächeln des eisernen Königs.
 

„Du bist hochnäsig, das gefällt mir.“ Rose biss sich auf die Lippen, um ihn nicht anzuschreien, dass es ihr egal war, was ihm gefiel. Sie wollte ihm nicht mehr gefallen, er war arrogant und von ihm gelobt zu werden für eine Charaktereigenschaft, die sie angeblich besaß, beleidigte sie.
 

„Jedenfalls wollen wir etwas dafür, dass wir dir und deiner Familie helfen.“ Rose sah in den Augenwinkeln, dass ihr Vater seine Fingernägel im Polster des Sessels vergrub und so fest zupackte, dass seine Knöchel weiß hervortraten.
 

„Das da wäre?“, fragte sie. Sie war misstrauisch geworden, dass man das Wort an sie gerichtet hatte bei einem Thema, dass offensichtlich Erwachsenensache war. Wollte man etwas von ihr?
 

„Wir wollen in das Geschäft deines Vaters einsteigen, damit bekommt er Geld um seine Schulden zu bezahlen. Aber wir wollen nicht, dass er uns wieder wegschickt, sobald er genug Geld hat, um uns auszuzahlen.“, fuhr er fort.
 

Rose zog eine Augenbraue hoch und ließ sich nach hinten in den Sessel sinken. Sie verschränkte beide Arme vor der Brust und dachte fieberhaft darüber nach, was nun folgen würde. Warum taten alle so geheimnisvoll?
 

„Auf den eigenen Vorteil bedacht, ich habe es verstanden. Sie wollen, dass sie auch in Zukunft Einfluss auf die Geschäfte haben. Wo genau komme ich da ins Spiel?“, drängelte sie unhöflich.
 

Sie sah Draco Malfoy für einen Augenblick lang direkt in die Augen. Wie in diesen alten Western standen sich nun zwei Cowboys gegenüber und warteten nur darauf, dass der andere eine falsche Bewegung machte. Draco Malfoy war in gewisser Weise, wie eine Schlange, die ihre Beute noch einmal anstarrte, bevor sie zubiss. Doch die zwölfjährige Rose brachte den Mut auf, ihre Schultern zu straffen und aufrecht zu sitzen.
 

„Du bist ein schlaues Mädchen.“, stellte er fest und sie wünschte er würde mit diesen fragwürdigen Komplimenten aufhören und endlich zur Sache kommen. Sie warf einen Blick zu ihrem Vater, doch er wandte den Blick schnell von ihr ab und sah ins prasselnde Kaminfeuer zu seiner Rechten. Jetzt wusste Rose definitiv, dass da was faul war.
 

„Wenn du siebzehn Jahre alt bist und mit der Schule fertig, dann sollst du Scorpius heiraten, damit er in das Geschäft deines Vaters einsteigen kann, um es später zu übernehmen. Das ist unsere Bedingung, Rose.“
 

Der kleinen Rose klappte die Kinnlade herunter. Mit Mühe konnte sie sie schließen, unfähig etwas passendes zu antworten, weil sie es immer noch für unmöglich hielt, ein solches Angebot unterbreitet zu bekommen. Dann musste sie anfangen zu kichern und konnte nicht mehr aufhören. Das war doch unmöglich. Sie kicherte weiter, bis sie merkte, dass ihr eine Träne von der Wange kullerte. Umso mehr überraschte es sie, dass Scorpius nicht im Geringsten überrascht war. Offensichtlich wusste er von dem Vorhaben seiner Macht hungrigen Eltern und unterwarf sich deren Willen vollkommen.
 

„Moment mal. Und warum bin ich hier und nicht Roxanne? Sie ist Onkel Georges Tochter und eigentlich ist es sein Geschäft.“

Nun waren alle etwas verlegen, offensichtlich gab es da eine Sache, derer sich alle bewusst waren und die keiner aussprach. Rose konnte sich schon denken, was es war. Roxanne war schon immer ein kränkliches Kind gewesen, auf das ihre Tante Angelina besonders acht gab. Sie hatte eine seltene Blutkrankheit und es war nicht sicher, ob sie ihren zwanzigsten Geburtstag überhaupt noch miterleben würde. Auch wenn Rose mit ihrer Cousine Mitleid haben sollte, machte sie dieser Fakt unglaublich wütend. Es war ungerecht und sie ärgerte sich für einen kurzen Augenblick, so gesund zu sein, wie sie es immer war.
 

„Roxanne ist nicht...geeignet.“, sagte Draco Malfoy langsam und bestätigte damit Roses Vermutung.
 

Astoria sah sie mitleidig an, ganz so als wisse sie, wie sich die zwölfjährige gerade fühlte. Doch nun reichte auch nicht das milde Antlitz dieser mehr, Rose einzulullen und gefügig zu machen. Sie war eine Weasley, es gab viele von ihnen und deswegen konnte man meinen, ihre Familie wäre einflussreich.

Wieso um Merlins Willen wollte man dann, dass sie so etwas tat? Waren sie wirklich so sehr auf die Hile der verdammten Malfoys angewiesen? Hieß es nicht, dass man Macht und Einfluss brauchte, um endlich frei zu sein? Rose' Eltern hatten Macht und Einfluss, doch offensichtlich war es nicht das, was Rose für ihre Freiheit brachte. Gold war das Zauberwort. Doch sie hatte nie bedacht, dass es auch diese Schattenseite gab, von der sie nun volle Breitseite bekam.
 

In ihrem Kopf ratterte es – sie war hin und hergerissen von Wut, Verständnislosigkeit und Hilflosigkeit. Sie war wütend auf ihren Vater, weil er sie verkauft hatte. Sie war wütend auf ihre Mutter, weil sie nichts dagegen eingewandt hatte. Sie war sogar wütend auf Hugo, der gar nichts sagte, sondern nur seine große Schwester anstarrte, wie ein wildes, unberechenbares Tier.
 

Vielleicht lag es daran, dass sie weinte und dabei grinste. Das war sicherlich sehr Angst einflößend, wenn man nicht darauf vorbereitet war.
 

Rose ermahnte sich zur Ruhe. Sie wollte sich nicht die Blöße vor den Malfoys geben. Stattdessen holte sie tief Luft und richtete sich wieder auf. Auch wenn die Illusion von Selbstbeherrschung für diesen Moment nur geliehen war, half es ihr, einen kühlen Kopf zu bewahren und versuchen zu erfassen, was man da von ihr verlangte.
 

„Mr. Malfoy, Sir, bei allem Respekt. Hätte ich gewusst, dass das Angebot so endet, hätte ich Sie schon am Anfang darauf hingewiesen, mit mir zu sprechen, als sei ich Ihrer Anwesenheit auch würdig und nicht geisteskrank. Sie wollen etwas von mir, Sir, nicht umgekehrt. Nur für die Zukunft.“
 

Als sie die Worte gefährlich ruhig ausgesprochen hatte, war es danach unangenehm still im Raum. Alle starrten Rose überrascht an, dass sie so schnell ihre Ehrfurcht vor dem eindrucksvollen Hausherrn verloren hatte und ihm nun als zwölfjährige Tochter von schlechter Positionierten die Stirn bot.
 

Dann erhob sie sich ruckartig. Ihr war schwindelig, doch sie spannte rasch die Bauchmuskeln an, um nicht in Ohnmacht zu fallen. Ihr war bewusst, wie sie wahrscheinlich aussah. Bleich im Gesicht, verquollene Augen und ein irres Funkeln im Blick.
 

„Ich hätte gern ein Taschentuch und zehn Minuten Bedenkzeit, allein.“, sagte sie schließlich.
 

Astoria Malfoy sprang sofort auf, als hätte sie etwas in den Hintern gestochen und wies einen Hauselfen an, schnell eine weitere Tasse Tee zu bringen, dann trat sie hinter Rose und legte ihr die zierliche Hand zwischen die Schulterblätter.
 

„Du hast Recht, die Zeit sollten wir dir geben. Schließlich hast du uns allen bewiesen, dass du ein vernünftiges Mädchen bist und auch weißt, was das heißt. Ich bringe dich in meinen Wintergarten, da bist du allein und kannst darüber nachdenken, so lange du willst.“
 

Rose nickte dankbar, als sie auch noch ein Taschentuch für sie hatte. Sie nahm es sich, tupfte die Tränen weg und folgte dann Astoria in den Wintergarten.
 

Hier blühten viele Orchideen und vereinzelte Efeuranken schlängelten sich an alten, griechisch anmutenden Statuen empor. Inmitten dieser grünen, ruhigen, dunklen Oase, stand ein antikes Sofa, das zum Entspannen einlud. Astoria drückte sie in die Polster, nahm dann ihr Gesicht in die Hände und sah ihr lange in die Augen, als wolle sie sichergehen, dass Rose nicht doch noch umkippte. Als Rose sich ein schmales Lächeln ab rang, ließ Astoria sie mit beruhigtem Gewissen allein.
 

Rose bedachte in den folgenden Minuten genau die Situation ihrer Familie, die Situation der Malfoys und ihre eigene. Sie war nicht dumm, das würde eine Vernunftehe werden, zumal sie Scorpius nicht einmal leiden konnte, geschweige dem umgekehrt. Sie wusste, dass sie es bereuen würde, wenn sie ihnen ihr Wort gab. Denn hatte sie jemanden ihr Wort gegeben, dann würde sie es halten, auch wenn es ihren Untergang bedeutete. Was versprach sie sich also von einer Ehe, die sie viel zu jung eingehen würde, die auf nichts basierte außer einem Geschäft, von dem langfristig gesehen nur die Malfoys profitierten. Es war gemein, sie vor eine solche Wahl zu stellen.
 

Nach den versprochenen zehn Minuten – keine Sekunde früher oder später, traf sie dann mit einer Entscheidung im Salon ein. Sie hielt ihre eigenen Hände, weil sie es von niemandem aus ihrer Familie mehr begehrte und mit dem Wissen, nur sich selbst trauen zu können.
 

Man sah sie erwartungsvoll an. Sie räusperte sich, weil sie fürchtete, sonst käme kein Ton über ihre Lippen.
 

„Ich werde es tun. Aber nur, wenn Scorpius nach der Hochzeit nett zu mir ist.“
 

Draco nickte und ein angedeutetes Lächeln mogelte sich in seine sonst sehr geordneten Gesichtszüge. Das war das Lächeln des Siegers. Ihren Vater konnte Rose nicht einmal in die Augen sehen, für den Verrat, den er an ihr begangen hatte.

Nun wandte sich der Hausherr an seinen eigenen Sohn, der immer noch genauso versteinert dasaß, wie am Anfang. Rose wusste, dass er sich gewünscht hatte, sie möge sich dagegen entscheiden. Doch sie hatte befunden, dass es hier weniger um ihren Stolz ging als vielmehr über das Geschäft, dass ihr verstorbener Onkel leidenschaftlich geliebt haben soll und an das ihr anderer Onkel George sein Herz gehängt hatte. Es war auf dem Weg, ein Familiengewerbe zu werden.
 

„Und noch etwas“, fügte sie rasch hinzu. „Der Name der Läden bleibt unverändert, auch wenn es in meinen Besitz und damit auch in den Besitz der Malfoys übergeht. Weasley bleibt Weasley.“
 

Draco Malfoy nickte, auch wenn es ihm nicht ganz zu passen schien.
 

„Scorpius, kannst du dich den Bedingungen des Mädchens anschließen?“, fragte ihn sein Vater.
 

Er warf Rose einen kurzen Blick zu – seine Gleichgültigkeit hatte er einen Moment aufgegeben und Rose erkannte, dass er wütend war, dass er sich übergangen fühlte und dass man das von ihm verlangte. Ihr ging es nicht anders.
 

„Ja, Vater.“, sagte er schließlich mit niedergeschlagener Stimme.
 

Rose dachte, sie habe den Spießrutenlaufen endlich überwunden und wollte schon fragen, ob sie gehen konnten, da stand Draco Malfoy auf und ging auf Rose zu. Er hatte den Zauberstab in der Hand und aus Reflex wich sie zurück. Dann sah sie Scorpius, der auch aufstand und ihr gegenüber seinen Platz einnahm. Was geschah nun?
 

„Rose, kniest du dich bitte hin?“, fragte Draco höflich.
 

Rose sah, wie ihr Vater aufsprang, dann aber schnell in die Polster gedrückt wurde, von seiner Frau. Hugo machte sogar den Mund auf, doch er brachte seine Warnung nicht über die Lippen.
 

Rose tat, wie ihr geheißen und bemerkte bewundernd, dass auch Scorpius schon kniete. Er wagte nicht, ihr in die Augen zu sehen.
 

„Sprich mir bitte nach, Rose: ich schwöre feierlich, dass ich Scorpius Malfoy nachdem ich die Schule abgeschlossen habe, heiraten werde und ihn somit in meine Familie aufnehme, so wie auch ich aufgenommen werde. Er wird die Geschäfte des Unternehmens an meiner statt ausführen und der Name Weasley bleibt bestehen.“
 

Rose sprach artig nach, auch wenn ihr dabei sauer aufstieß, weil sich ihr Mund so sehr weigerte, dies auszusprechen und sich dadurch ewig knechten zu lassen. Sie hatte von diesem Ritual gehört. Es nannte sich „Unbrechbarer Schwur“ und wenn man ihn brach, bezahlte man mit seinem Leben. Sollte sie Malfoy also vor dem Altar weglaufen, würde sie tot umfallen.
 

Scorpius sagte dieselben Worte, nur umgekehrt. Danach züngelte eine heiße Flamme aus dem Zauberstab Draco Malfoys – sie tat weh, doch sie verbrannte nicht ihre Haut. Der Schmerz sollte sie daran erinnern, was passierte, wenn sie den Schwur brach.

Der Auftakt.

Einen wunderschönen guten Tag, meine lieben Leser. Ich war ein fleißiges Bienchen und habe Dahlies Hausaufgabe erledigt, brav die Charakterbeschreibung fertig zu machen. Das mach ich eigentlich nicht so gerne, weil man in einem Roman ja auch keine Personenauflistung hat. Nun ja, aber ich habe es getan - kann man damit was anfangen? Nun das dritte Kapitel und endlich einen Schritt nach vorn: jetzt kommt Roses siebtes Schuljahr. (Kapitel 1 musste aber trotzdem sein, weil man sonst nicht gewusst hätte, was da eigentlich los ist im Hause Weasley/Malfoy.)
 

Viel Spaß damit.
 

Hinterlasst einen Kommentar, damit ich wenigstens ein bisschen Feedback habe.
 

liebe Grüße
 

Asketenherz
 


 

Kapitel 2
 

„Der Auftakt.“
 

Rose starrte nach hinaus auf den Bahnsteig. Die meisten verabschiedeten sich von ihren Eltern bis zu den nächsten Ferien, Mütter weinten und Väter vergaben anerkennende Schulterklapse. Dazwischen fuhren zu spät gekommene Familien mit den Gepäckwagen durch die Abschiedsszenen. Dabei waren auch die Potters, die sich eilig daran machten, ihre Kinder zu verabschieden und Rose zuzuwinken, die sie im Zugfenster erspähen konnten.

Dies war Roses siebtes Schuljahr. Das letzte. Als sie zwölf war, war es ihr wie eine Ewigkeit vorgekommen, bis sie das siebte Schuljahr erreichte. Hogwarts hatte ihr einen Zufluchtsort gegeben, der an dem Leben davor oder danach nicht interessiert war. Und nun neigte sich diese glorreiche Zeit ihrem Ende zu.
 

Es gab schon einen Termin – gerade hatte es ihr Draco Malfoy mitgeteilt, als er auf sie zu geschlendert kam und ihr die Hand reichte, während ihr Vater gerade damit beschäftigt waren, Hugo mit den Büchern und den Koffern zu helfen. Es war der Tag nach ihrem Abschlussball.

Ihr lief es immer noch in kalten Schauern über den Rücken, wenn sie daran dachte, was es für sie bedeutete.
 

Die Abteiltür wurde aufgeschoben und Lily kam hinein, dicht gefolgt von Alice, die ihre Koffer umständlich auf die Gepäckablage hievte. Dann begrüßten sie ihre Freundinnen mit einer Umarmung und lenkten sie für eine kurze Zeit – bis der Zug losfuhr – mit den neusten Gerüchten ab.
 

„Sag mal, Rose, ich will nicht darauf herumreiten, aber was mir nicht aus dem Kopf will, ist: Malfoy ist doch aber immer noch gemein zu dir und hinzu kommt, dass er ein Mädchen nach dem anderen vernascht.“, sagte Alice nach einer Weile in der sie geschwiegen hatten.
 

Rose hob die Schultern. Natürlich hatte sie eine Erklärung dafür.
 

„Malfoy und ich haben einen Deal.“, sagte sie nur. Die Mädchen rutschten näher zusammen und sahen sie verschwörerisch an.
 

„Er darf in seiner Schulzeit machen, was er will. So lange wir in Hogwarts sind, existiert diese Verlobung nicht. Ich mache, was ich will und er macht, was er will. Ich meine, wenn nicht jetzt, wann denn dann?“, endete sie. Rose lehnte sich zurück in den Sitz und sah in die schockierten Gesichter ihrer Freundinnen, die sie immer machten, wenn es um diese „Malfoy-Sache“ ging.
 

Lily schüttelte verständnislos den Kopf, wieder einmal.
 

„Kannst du das deinem Vater jemals verzeihen?“, fragte sie.
 

Rose hob die Schultern. Ja, das konnte sie.
 

Nachdem sie das Anwesen der Malfoys verlassen hatte, hatte ihr Vater ihr versprochen, es für die nächsten Jahre nie wieder betreten zu müssen. Er hatte sich entschuldigt. Doch Rose wollte es damals noch nicht hören.
 

Dass Ronald seiner Tochter so etwas angetan hatte, konnte er nicht einmal sich selbst verzeihen. Während das Geschäft nun also wieder lief, man sich neue Strategien in Sachen Werbung und Finanzierung ausgedacht hatte und alle hätten glücklich sein sollen – ja, sogar Rose war froh – verzog sich ihr Vater in seinem Arbeitszimmer. Dort trank er einen Feuerwhiskey und starrte in den Kamin. Er war unglücklich, er hatte sich zurückgezogen und er stritt sich öfter mit seiner Frau.
 

Und dann war das wahre Unglück über die Familie herein gebrochen. Eine autonome Untergrundbewegung von Zauberern, die den Zusammenschluss beider Welten genauso wenig tolerierten, wie die Muggel, hatten die Nase voll von Zaubereragenten der Abteilung Zauberkriminalität. Bis heute hatte Rose keinen blassen Schimmer, weswegen ihre Mutter an dem Montag, den sie eigentlich frei hatte um sich in den Ferien um ihre Kinder zu kümmern, doch noch einmal schnell ins Büro gefahren ist um ein paar Unterlagen zu holen. Vielleicht lag es an dem schlimmen Streit mit Roses Vater an diesem Tag – Grund war noch immer Roses Zukunft – jedenfalls war es ihr Todesurteil. Man hatte eine Briefbombe geschickt, die zwei ganze Räume in die Luft jagte, einschließlich das Büro der Abteilungsleiterin – ihrer Mum. Sie starb noch im Ministerium und Tage später war die Zeitung immer noch überfüllt von Artikeln und Neuigkeiten über die Aufklärung diess Verbrechens. Rose wusste nur, dass sie zur Beerdingung ihrer Mutter nicht weinen konnte, es aber bis zur vierten Klasse jede Nacht tat. Ansonsten hatte sie nicht viele Erinnerungen aus dieser Zeit ausßer der einen:
 

Eines Abends, als Rose es nicht mehr aushalten konnte, wütend auf ihren eigenen Vater zu sein, weil er der einzige war, den sie noch hatte und er aus der Not heraus genau das Falsche getan hatte und es nun bereute, kam sie zu ihm ins Arbeitszimmer, nahm einen großzügigen Schluck aus seinem Glas – es störte ihn nicht einmal, dass sie erst dreizehn war – und setzte sich auf die Tischkante. Dann sah sie ihren Vater lange an – er wich ihrem Blick aus, so sehr schämte er sich. Überhaupt war er in dieser Zeit in dunkler Stimmung, rasierte sich nicht mehr und trank jeden Abend allein vor dem Kamin. Sie hatte ihn manchmal ihre Mum rufen hören, nachts, wenn sie vor Tränen nicht schlafen konnte.
 

„Papa“, hatte sie gesagt und ihn damit gezwungen, sie anzusehen. „Was ist los mit dir?“, fragte sie, auch wenn sie die Antwort schon kannte.
 

„Es tut mir so leid, Rose. Es tut mir so unendlich leid. So etwas hätte ich dir nie abverlangen sollen.“, beteuerte er und begann zu weinen, wie nur Männer weinen konnten.
 

Und weil sie das so traurig fand, fing sie ebenfalls an, zu weinen. Dann setzte sie sich zu ihrem Vater auf den Schoß und umarmte ihn so fest sie konnte.
 

„Es ist schon okay, ich komme damit klar. Mach dir um mich keine Sorgen.“, versuchte Rose zu sagen, doch das brachte ihn noch mehr zum Weinen. Hilflos strich sie über sein inzwischen graumeliertes Haar.
 

„Ich bin dir nicht mehr böse, Papa. Ich verzeihe dir.“, versuchte sie erneut und endlich brachte sie ihn dazu, sie anzusehen. Rose fand, dass ihr Vater katastrophal alt aussah in diesem Moment. Die Sorgen hatten tiefe Falten in sein Gesicht gegraben.
 

„Es ist für mich viel schlimmer, jetzt auch noch meinen Vater zu verlieren. Du siehst mir nicht mehr in die Augen – ich denke die ganze Zeit, ich habe was falsch gemacht.“, seufzte sie.
 

Ihr Vater schloss die Arme fest um seine Tochter und gab ihr schließlich einen Kuss auf die Stirn. Dann sah er sie besorgt an.
 

„Du hast nichts falsch gemacht, Liebling. Nichts. Ich habe einen schlimmen Fehler begangen und werde es wohl für den Rest meines Lebens bereuen. Aber wenn du mir das verzeihen kannst, machst du es mir ein bisschen leichter.“
 

Rose lächelte. Und damit waren ihr Vater und sie für die nächsten Jahre unzertrennbar.

Sie sah auf, ein schmales Lächeln zierte ihre Lippen und ihre Augen glühten vor Zuneigung.
 

„Wow“, sagte Lily und Alice sah Rose ebenfalls ehrfürchtig an. „Du bist echt stark. Ich hätte meinen Vater einen Kopf kürzer gemacht.“
 

Rose begehrte diese Komplimente nicht. Sie hatte sich nach ihrem Herz entschieden und damals hatte ihr der Vater gefehlt, der an ihrer Seite stand und sie unterstützte. Sie hatte es vermisst und wollte es wieder, also hatte sie ihm verziehen. Mehr war nicht dabei gewesen.
 

„Jetzt verstehe ich auch, warum Scorpius es nicht duldet, dass dich jemand anderes beleidigt, außer er selbst. Wer dich beleidigt, beleidigt demzufolge auch ihn selbst.“, schlussfolgerte Alice. Sie zog eine Packung Schokolade aus ihrer Umhangtasche und reichte sie Rose zur Stärkung.
 

„Weiß er denn, dass du aus Frankreich zurück bist?“, fragte Lily. Rose nickte und dachte an die Szene zwischen ihr und ihrem zukünftigen Schwiegervater. Rose hatte in Frankreich oft an die Familie Malfoy geschrieben. Auch wenn es Scorpius nie interessiert hatte und auch Draco Malfoy kein Interesse zeigte, beantwortete sie zumindest Astoria eifrig. Wahrscheinlich fühlte sie sich verpflichtet, zumindest ein bisschen mütterlich zu ihr zu sein, jetzt, da sie keine Mutter mehr hatte um nach Rat zu fragen.
 

„Was hast du vor diesbezüglich zu tun?“, fragte Alice nach einer Weile, die sie sie nachdenklich angesehen hatte.
 

„Nichts, noch bin ich ja frei.“, entgegnete sie, aber sie sah, dass die Mädchen davon nicht gerade überzeugt waren.
 

„Aber ihr müsst doch irgendwie miteinander klarkommen, wenn ihr heiraten sollt.“, grübelte Lily.
 

„Es könnte dich wirklich schlimmer treffen, Rose. Scorpius sieht nicht schlecht aus und der dümmste ist er auch nicht.“, fügte Alice hinzu. Rose gefiel die Richtung nicht, in die dieses Gespräch führte.
 

„Redet ihr über den Scorpius, den ihr noch letztes Wochenende als Abschaum bezeichnet habt?“, fragte Rose und versuchte mit einem Lachen abzuwenden, was sich anbahnte.
 

„Das war, bevor wir deine Situation kannten, Rosie. Jetzt ist das anders.“
 

Rose bezweifelte, dass irgendwas anders war. Es war für sie genau, wie die Zeit, nachdem sie diesen unbrechbaren Schwur geleistet hatte. Es war so lange nicht existent, bis sie aufhörte nach Hogwarts zu gehen und volljährig zu sein.
 

„Was wollt ihr mir damit sagen? Dass ich mich mit ihm anfreunden soll oder hättet ihr das gerne romantischer? Wahrscheinlich wäre es perfekt, wenn Scorpius jetzt noch merken würde, wie toll ich bin und dann verliebt er sich in mich und ich mich in ihn und wir heiraten sogar freiwillig.“ Rose war ärgerlich.
 

„Bleibt mal lieber in der Realität. Scorpius hasst mich und ich bringe diesem arroganten Scheißer auch nicht gerade warme Gefühle entgegen. Wir werden uns nach der Hochzeit arrangieren, vielleicht sogar miteinander leben, ohne uns jeden Tag umbringen zu wollen. Aber mehr erhoffe ich nicht und mehr will ich auch nicht.“
 

Demonstrativ abweisend schlug sie irgendeines ihrer Schulbücher auf und begann irgendwo inmitten eines Kapitels zu lesen. Innerlich brodelte es in ihr. Sie hatte gewusst, dass sie es nicht verstehen würden. Dass sie ihre aussichtslose Lage mit verklärtem Blick betrachten würden, als sei es ein Roman aus dem 18. Jahrhundert, wo es so etwas wie Vernunftehen noch gab und man darauf hoffen konnte, dass die Heldin ihren Prinzen noch für sich gewinnen konnte. Doch das war kein Buch, das war bittere Realität im 21. Jahrhundert. Und wenn Rose ablehnen würde, hatte sie nicht mit Schande für sich und ihre Familie zu rechnen, sondern mit dem Tod. Sie hatte im Alter von zwölf Jahren nicht nur ihre spätere Freiheit verloren, sondern auch ihr Leben aufs Spiel gesetzt. Hätte sie damals nur genauer darüber nachgedacht. Hätte sie gewusst, dass Draco Malfoy keine halben Sachen machte. Ihre Entscheidung wäre anders ausgefallen und sie müsste nicht sterben. Sicherlich hätte es eine andere Möglichkeit gegeben, das Familiengeschäft zu retten. Doch wenn sie ehrlich war, so wusste sie, dass es diese Möglichkeit nicht gegeben hätte.
 

Ein Leben an Scorpius Malfoys Seite – sie würde lieber sterben, denn nichts war schlimmer als ein liebloses Leben an der Seite eines Ekels und einer unterkühlten Familie. Das einzig Positive in ihrer Situation war, dass ihre künftige Schwiegermutter sie offensichtlich mochte. Sie würde einfach so wenig Zeit wie möglich mit ihm verbringen und oft ihre Freundinnen besuchen. Sie würde ewig auf der Flucht vor ihrer Bürde sein, doch wenn sie sich davon auch nur ein paar glückliche Stunden erhoffen konnte, war es ihr das wert. Sicherlich würde Scorpius es nicht anders machen.
 

Sie seufzte und schlug das Buch zu. Dass ihre Freundinnen Optimisten waren, sollte man ihnen nicht zum Vorwurf machen und auch nicht ihre Naivität. Sie hatten den Umgang in Malfoy Manor nie erlebt, denn sie waren lediglich Zeugen von Scorpius Charme geworden – wer konnte es ihnen verübeln, dass sie sich doch noch ein Happy End ausmalten.
 

Lily und Alice sahen sie abwartend an. Wahrscheinlich hatten sie das schon die ganze Zeit getan. Ihre Mienen waren besorgt, vielleicht auch verzweifelt über ihre missliche Lage.
 

„Es tut mir leid, ich wollte euch nicht dumm kommen. Es ist nur so, dass ich mit diesem Wissen schon fast fünf Jahre lang lebe und es für mich eben keine Neuigkeit mehr ist. Ich habe mir früher auch ausgemalt, dass vielleicht alles ganz anders kommt – diese Vorstellung hielt bis zum nächsten Furunkulus von Malfoy, dann starb sie in meinen Händen.“, erklärte sie schließlich. Lily zog ihre Knie an den Oberkörper und schien nachdenklich. Alice sah einen Moment aus dem Fenster.
 

„Dann sollten wir dein letztes Jahr in Freiheit zumindest ordentlich rocken.“, sagte sie schließlich und sah ihr mit dem üblichen, wachen und stets amüsierten Blick in die Augen. Rose musste lächeln, denn diese Reaktion sprach für Alices ganzes Weltbild und ihre Lebenseinstellung. Alice war auch ein Mensch, der jeden Tag lebte, als gäbe es den darauf folgenden nicht. Sie nutzte auch nur die Zeit, in der sie sich gerade befand und kam damit super klar.
 

„Wir lassen einfach keine Party aus, feiern uns in jeder freien Minute und du vernascht einfach jeden, der dir über den Weg läuft und den du annehmbar findest. Du entjungferst einfach Hogwarts letzte unschuldigen Jungs. Soviel Spaß wirst du nie wieder haben, das schwöre ich dir.“, stimmte Lily mit ein und grinste.
 

In Rose' Gesicht schlich sich endlich ein breites Grinsen. Sie aß noch ein Stück Schokolade, dann hatte sich ihre Laune maßgeblich gebessert und sie lauschte den den Partyplänen ihrer Freundinnen und bekam zum ersten Mal mit, wie viel in Hogwarts eigentlich los war, wenn man zum Kreis der Eingeweihten gehörte. Einige siebzehnjährige Geburtstage standen an, auch achtzehn jährige Feiertage.

Unter anderem auch der von Scorpius Malfoy zu dem er sie schlecht ausladen konnte. Sollte er es doch tun, würde er einige Tage später einen anständigen Brüller seiner Eltern erhalten, soviel stand fest.

Und die Party bei Malfoy versprach großartig zu werden, war er doch zusammen mit Alice Longbottom zum Schulsprecher ernannt und besaß das Privileg einer eigenen kleinen Wohnung innerhalb des Schulgebäudes. Diese Räumlichkeiten waren berühmt für ausschweifende Feierlichkeiten – fast so berühmt, wie der Raum der Wünsche. Alice würde auch ihren eigenen Geburtstag dort feiern. Und dann planten sie schon einmal ihren Geburtstag.
 

Als sie in Hogwarts ankamen, hatte Rose ihre Sorgen komplett vergessen und war frohen Mutes an ihr siebtes Schuljahr herangetreten – freudig die Ereignisse erwartend, die sie sich die letzten Jahre hatte entgehen lassen. Vielleicht würde das ihr letzter brutaler Imagewandel werden – sie freute sich darauf einmal in ihrem Leben rücksichtslos sein zu können. Einmal nur, nicht an andere denken, sondern nur an sich selbst. Und mit einem Mal fühlte sie sich so frei, wie noch nie in ihrem Leben.
 

Als sie beim Aussteigen in ihren Verlobten rannte, der dumm in der Gegend herumstand und auf Albus zu warten schien, zuckte sie nicht einmal mehr zusammen oder fürchtete sich vor einem Fluch seinerseits. Er drehte sich mit einem Fluch auf den Lippen zu ihr um und stellte überrascht fest, dass es sich um Rose handelte, die ihn strahlend anlächelte.
 

„Hallo, Scorpius.“, begrüßte sie ihn mit einem Lachen in der Stimme. Der Angesprochene zog fragend eine Augenbraue hoch, kannte er Rose doch nur als Trauerklos, der sich gern in sich selbst zurückzog.
 

„Rose...“, sagte er so verblüfft, dass er sogar vergessen hatte, ihren Nachnamen zu verunstalten, wie üblich. Rose hatte schon ganz vergessen, wie ihr Name aus seinem Mund klang, deswegen grinste sie noch etwas breiter.
 

„Wie waren deine Ferien?“, fragte sie rasch, bevor die Stille noch mehr anschwellen konnte.
 

Er kratzte sich verlegen am Kopf und sah sich um, dass man ihn auch ja nicht mit ihr sah. Darauf war er immer sorgsam bedacht gewesen. Niemand sollte etwas ahnen.
 

„Erholsam, ich habe die Potters besucht.“, meinte er angebunden und ließ seinen Blick über die Menge schweifen.
 

„Das ist schön. Na gut, ich muss dann los. Sorry nochmal, dass ich dich angerempelt habe.“, kicherte sie und zog mit ihren ebenfalls kichernden Freundinnen ab.
 

Scorpius sah ihnen verwirrt nach und fragte sich, wann er und Wiesel das letzte Mal ganz normal und ohne Verletzungen davonzutragen, miteinander gesprochen hatten. Und wieso war sie so aufgedreht und fröhlich? Er wusste sehr gut, dass sein Vater ihr am Morgen noch den Termin für die Hochzeit verraten hatte. Diese Reaktion wollte gar nicht zu ihr passen.

Er entdeckte Albus, der auf ihn geschlendert kam und sich eine Zigarette ansteckte. So cool, wie Merlin ihn schuf, kam er bei ihm an und lächelte das Lächeln, dass Reihen von Mädchen in Ohnmacht fallen ließ.
 

„Alles klar?“, fragte er so knapp, wie gewöhnlich.
 

Scorpius nickte langsam und rang sich schließlich ebenfalls ein Lächeln ab.
 

„Bereit für das glorreiche siebte Jahr, Scorp?“, fragte Albus.
 

„Auf jeden Fall.“
 

Der Beginn des neuen Schuljahres war für Rose vielversprechend. Sie hatten noch am Abend ihres Erscheinens zehn Punkte Abzug für Gryffindor kassiert, weil sie sich nachts noch auf den Gängen herumgeschlichen hatten auf der Suche nach der Karte des Rumtreibers, die James in seinem letzten Schuljahr irgendwo versteckt hatte.

Am nächsten Tag schafften sie es tatsächlich ungesehen die verbotenen Gänge abzugrasen und wurden bei der buckligen Hexe fündig. Wer James kannte, wusste, dass es wohl kein anderes Versteck für die Karte gab, als den verbotenen Weg in den Honigtopf.
 

Am Abend trafen sie sich bei Alice in den Schulsprecherräumen. Rose fand Alices Zimmer sehr geschmackvoll eingerichtet. Auch wenn es ein Bett war, wie jedes andere auch in Hogwarts, hatte sie ihre Habseligkeiten, die hauptsächlich aus Schals und teuren Stoffen bestand, kunstvoll darum drapiert. Die Bücher lagen im Gegensatz zu den sorgsam behüteten Tüchern unordentlich auf dem Boden verstreut.
 

Böse Zungen sagten, dass sie die Ehre der Schulsprecherin nur bekam, weil ihr Vater der Schulleiter von Hogwarts war. Vielleicht hatten sie recht, vielleicht auch nicht – Alice machte sich seit Jahren keine Gedanken mehr darum, dass andere Leute dachten, sie sei übervorteilt. Es war ihre Art ein sorgloses Leben zu führen.

Am Abend würde eine geheime Schulanfangsfeier im Raum der Wünsche stattfinden und alle Siebtklässler waren eingeladen. Ein paar Sechstklässlerinnen würden ebenfalls zu der Ehre kommen, wenn man sie als Begleitung dazu eingeladen hatte. Alice, Lily und Rose würden, wie immer, ohne Begleitung kommen.
 

Diese Feiern waren immer eine schicke Angelegenheit, denn alle nutzten die Gelegenheit, einmal nicht in Schuluniform kommen zu müssen. Deswegen hatte sich Alice den vergangenen Abend den Kopf zerbrochen, was sie anziehen wollte, hatten sie sich doch vorgenommen in diesem Schuljahr nichts anbrennen zu lassen. Rose liebte Lily und Alice für ihre Loyalität – sie würden Roses letztes Schuljahr tatsächlich zu etwas Besonderem machen. Ganz, wie sie es versprochen hatten.
 

„Ich habe gehört, dass Cameron Finnigan wieder Single ist. Wie wäre es mit einem Ausflug in schottische Gefilde, Rose?“, kicherte Alice, während sie sich anzog. Rose zog fragend eine Augenbraue hoch. Eigentlich war er nicht gerade ihr Typ. Sie stand nicht wirklich auf Blondinen – ihr war der verwegene dunkle Typ am liebsten, der leidenschaftliche Liebhaber, sozusagen. Dunkle Haare, braune Augen, groß, gut gebaut.

Groß und gut gebaut war Cameron zwar, aber er war eben auch ein schöngeistiger Hufflepuff. Sie kannte nicht eine seiner Stärken – im Unterricht schien er zumindest eher mittelmäßig zu sein. Aber für einen Abend mochte es vielleicht gehen und da seine Freundin ihn verlassen hatte, war er ein leichtes Opfer. Sie würde es sich überlegen.
 

„Albus ist auch Single, Alice.“, merkte Lily trocken an. Auch wenn es sich um ihren Bruder handelte, machte sie kein Geheimnis daraus und es störte sie auch nicht, ihn anzupreisen wie Sauer-Bier.
 

Alice wollte davon nichts hören und versuchte es mit einem anderen Thema.
 

„Komm schon, Alice. Er hat dich bisher vor jedem Hogsmeadewochenende gefragt, ob du mit ihm ausgehst und du hast nie zugesagt.“, maulte Lily.
 

Rose musste zustimmen. „Außerdem hast du gesagt, dass du ihm in der siebten Klasse sein Date gewährst, wenn er so hartnäckig bleibt.“
 

„Ich will doch nicht eine seiner Einwegbeziehungen werden, Rose.“, fauchte Alice getroffen. Sie fauchte immer, wenn sie in die Ecke gedrängt wurde.
 

„Die hat er ja nur deinetwegen. Er wartet bis heute auf dich.“, seufzte Lily, dann musste sie kichern. Kaum ein Mädchen auf Hogwarts wusste, wie sehr sich der immer sehr distanzierte Albus um Alice Aufmerksamkeit bemühte. Es war ein wohl gehütetes Geheimnis um Alice vor den Eifersuchtsattacken anderer Mädchen zu schützen.
 

„Unsinn! Das einzige, was ihn jetzt noch reizt, ist, dass ich bis heute widerspenstig geblieben bin. Und das kann meinetwegen auch so bleiben. Ich habe kein Interesse an ihm.“, erwiderte die Schulsprecherin.
 

„Aber zu deinem Date musst du stehen, Alice.“, meinte Rose und zog eine Augenbraue hoch. Mit Versprechen kannte sie sich bestens aus.
 

„Da dachte ich auch noch, dass er es eh nicht so lange aushalten würde.“
 

„Versprochen ist versprochen.“, zwitscherte Lily mit einem hämischen Grinsen auf dem hübschen Potter-Gesicht.
 

„Na gut, so soll es sein. Zum nächsten Wochenende gehe ich mit ihm aus, sofern er mich fragt.“, gab Alice nach und bürstete sich ihre langen dunklen Haare. Sie schlüpfte in ein knielanges, schwarzes Kleid und dazu hohe Pumps.
 

Rose trug ein langes Flanellhemd für Frauen. Eigentlich war es zu kurz, um es ohne eine Leggins anzuziehen, doch sie trug es trotzdem so knapp, hatte dazu einen breiten schwarzen Gürtel angelegt und flache, schwarze Schuhe. Ihr Haar hatte Alice zu einem gekonnt nachlässigen Knoten verarbeitet, sodass ihr einige Strähnen verloren im Gesicht oder auf den Schultern hingen. Es war das perfekte unschuldige Aussehen.
 

Lily trug fast immer, wenn sie ausging ein traditionelles Kleid im Stil der Fünfziger mit hochgeschlossenem Kragen, dafür aber mit Strumpfhosen, die eine Naht hatten, was viele fast wahnsinnig machte. Die Jungs gingen diesem anständigem Aussehen regelmäßig auf dem Leim. Von ihr wusste Rose auch, dass es nicht immer nötig war, viel Haut zu zeigen um das zu bekommen, was man wollte.
 

„Können wir?“, fragte Alice. Rose nickte und zog die Karte des Herumtreibers aus ihrer Brusttasche. Sie durften sich nicht erwischen lassen, wenn die Feier geheim bleiben sollte.
 

„Ich schwöre feierlich, dass ich ein Tunichtgut bin.“, sagte Rose und tippte mit dem Zauberstab auf die Karte. Das Stück Pergament gab sofort seine Informationen preis. Filch schlich zusammen mit seiner Katze auf der Etage herum, allerdings noch am anderen Ende.
 

Gemeinsam machten sich die Freundinnen auf den Weg. Sie versuchten leise zu sein, doch der grimmige Hausmeister schien trotzdem etwas gehört zu haben, denn sein Punkt auf der Karte kam den Mädchen gefährlich nahe. Doch Rose merkte es erst, kurz bevor sie um die Ecke gebogen und Filch in die Arme gelaufen wären.

Rose drückte die Mädchen an eine Wand und bedeutete ihnen ruhig zu sein. Doch als Rose sich anlehnte, gab die Wand hinter ihnen nach und sie fielen in einen Raum, der sich sofort nach ihnen schloss. Draußen hörten sie Filchs Schritte widerhallen und auch sein leises Gemurmel. Seine Schritte verloren sich, als er weiterlief.
 

„Wo sind wir hier?“, flüsterte Alice, kurz bevor sie „Lumos Maximus“, sprach und mit ihrem Zauberstab den Raum erhellte.
 

„Ist das der Raum der Wünsche?“, fragte Lily.
 

„Nein, der ist im dritten Stock. Wir sind im zweiten.“, meinte Rose und sah sich um. Hier war seit Jahren, wenn nicht gar Jahrzehnten niemand mehr gewesen. Sie warf einen Blick auf die Karte, doch sie sah sich selbst und ihre Freundinnen nicht darauf.
 

„Der Raum ist nicht einmal auf der Karte der Herumtreiber verzeichnet.“, meinte sie und bestaunte die Staubberge. Ein paar antike Möbelstücke standen mit weißen Laken abgedeckt im Raum.
 

Es hingen alte Portraits an den Wänden. Die Insassen schliefen und es sah so aus, als täten sie es seit Ewigkeiten. Eine öffnete müde ein Auge und schüttelte sich, als sie die Mädchen erblickte. Es war eine alte Dame in einem altertümlichen hellblauen Kleid.
 

„Wacht auf, Leute!“, rief sie plötzlich. „Wir haben Besuch!“
 

Ihre Stimme war freudig. Plötzlich öffneten die anderen Bilder ihre Augen und sahen sich die Mädchen erstaunt an. Ein grimmiger alter Mann war unter ihnen.
 

„Was ist das für ein Raum?“, fragte Rose etwas lauter.
 

„Ein geheimer, du dummes Mädchen. Sonst hätten wir öfter Besuch.“, antwortete die alte Dame mit kratzender Stimme. Rose zog eine Augenbraue hoch und sah sich abermals um. Sie hatte nie hiervon gehört und sie war sich auch sicher, dass sonst niemand mehr hier gewesen war.
 

„Wofür hat man ihn früher genutzt?“, besann sie sich.
 

„Es war ein geheimer Clubraum. Hier sind viele Feste gefeiert worden, vor... einhundertfünfzig Jahren, denke ich.“, erklärte der grimmige Mann. Seine Stimme war ein wunderschöner Bariton.
 

„Wieso ist er so lange nicht mehr genutzt worden?“, wollte Lily wissen und schreckte dabei vor einem großen Spinnennetz zurück.
 

„Ich glaube, dass die, die von diesem Raum wussten, längst gestorben sind.“, sagte die Dame schulterzuckend.

„Da ist ja aufregend! Wir haben einen geheimen Raum gefunden, von dem niemand mehr etwas weiß!“, freute sich Lily und hüpfte aufgeregt auf und ab.
 

Alice zog hingegen nur skeptisch eine Augenbraue hoch und sah sich weiter um. In einer Ecke des Raumes war ein prunkvoller Kamin mit vielen Keramikfiguren. Auf dem Sims standen filigrane, schwarz angelaufene Silberkerzenständer. Es gab sogar ein Fenster. Alice sah nach unten und entdeckte eine dichte Wolkendecke. Dieses Fenster durfte es an dieser Innenwand eigentlich nicht geben. Es zeigte zumindest nicht die Wirklichkeit.
 

Dann kam ihr die Idee.
 

„Das da unten ist die Große Halle, Rose.“, rief sie aus. Sie konnten nur schwach die Tische darunter erkennen. Um diese Uhrzeit war niemand mehr dort unten.
 

„Aber man sieht ihn gar nicht von unten.“, bemerkte Rose.
 

Das Portrait räusperte sich. „Natürlich nicht. Er ist doch, wie schon gesagt, geheim. Das Fenster sieht man nur von dieser Seite.“
 

Rose fragte sich, ob es eine gute Idee war, hier zu verweilen. Sicherlich war er nicht umsonst geheim. Wer wusste schon, was hier für Praktiken stattgefunden hatten. Sie betrachtete die alten Bücher im Regal und stellte mit Schrecken fest, dass sie eigentlich nur in der verbotenen Abteilung in der Bibliothek zu finden waren und hier. Alles alte Schinken – Rituale, große Zauber, verbotene Zauber. Rose war dieses Zimmer nicht geheuer.
 

„Wir könnten diesen Raum aufpäppeln und ihn für uns nutzen, was haltet ihr davon?“, schlug Alice vor. Ein freudiges Lachen hatte sich in ihre Züge geschlichen. Natürlich war sie erfreut, schließlich war es etwas Verbotenes.
 

„Ich weiß nicht.“, meinte Rose. Doch sie war sich bewusst, dass ihre Meinung hier kein Gewicht hatte, wenn sie Lilys verschwörerisches Glimmen in den Augen sah.
 

Ein eigener Raum war in Hogwarts eine Besonderheit. Man hatte nirgendwo wirklich seine Ruhe, wenn man allein sein wollte. Den Schafraum teilte man sich meistens mit allen anderen, die Toiletten waren gut besucht und auch auf dem Gelände lief man vielen über den Weg, die eine ebensolche Abgeschiedenheit suchten. Es war verständlich, dass die Mädchen hellauf begeistert waren.
 

„Lass uns morgen wiederkommen und uns den Raum vornehmen. Mal sehen, was hier noch für Schätze vergraben sind.“, meinte Alice mit einem Nicken und nahm Rose an die Hand. Sie zog sie zu der Mauer, durch die sie gefallen waren und suchten einen Ausgang. An einem Hebel an der Wand, konnte man die Tür öffnen. Rasch schlüpften die Mädchen nach draußen und die Tür schloss sich hinter ihnen wieder.

Die Mädchen prägten sich die Position ein und machten sich anschließend auf den Weg in den Dritten Stock zum Raum der Wünsche.
 

Sie mussten sich nur einen Raum wünschen, in dem man gerade feierte und schon erschien eine unscheinbare Tür an der Wand. Sie traten ein und bemerkten, dass die Feier schon auf Hochtouren lief. Es waren gefühlte hundert Menschen in diesem Raum. Vielleicht sogar mehr.

Rose sah sich um. Links von ihr, bekam man Butterbier und Feuerwhiskey, rechts von ihr standen große, ramponierte Sofas, auf denen sich vereinzelte Grüppchen tummelten, tuschelten und kicherten. Vor ihr standen ein paar Mitschüler und unterhielten sich. Dahinter befand sich eine Tanzfläche.
 

„Wow“, staunte Alice und betrachtete die hunderte schwebenden Kerzen über ihren Köpfen.

Rose erspähte ihren Cousin Albus in der Menge. Sie wollte ihm von dem Raum erzählen, doch sie tat es nach genauerer Überlegung lieber nicht, wenn sie den Raum für sich behalten würde. Wüsste Albus davon, hätte er nur Unsinn damit vor. Eine Scherzzentrale, das würde er daraus machen.
 

Deswegen schlenderte sie langsam auf ihn zu und begrüßte ihn mit einer knappen Umarmung, auch wenn sie ihn dabei in einem Gespräch mit Emylie Jones unterbrach, einer hübschen, braun haarigen Sechstklässlerin.
 

„Rosie, wie geht’s dir?“, wollte er wissen und wandte seine volle Aufmerksamkeit auf sie. Emylie sah betreten zur Seite, dass sie so schnell sein Interesse verloren hatte, schien sie zu beschämen. Nach kurzer Zeit ging sie weg und steuerte die Bar an.
 

„Gut, danke. Was hast du in den Ferien so getrieben?“, fragte sie. Sie hatte die Ferien zur Hälfte in Frankreich verbracht und zur Hälfte bei ihren Eltern. Von Albus hatte sie das letzte Jahr über kaum etwas gehört – es war kein Wunder, denn er war ein unzuverlässiger und fauler Briefschreiber. Rose nahm es ihm nicht übel.
 

„Scorpius war bei uns zu Hause. Wir haben viel Zeit auf dem Besen verbracht und auf Partys.“, meinte er und grinste Rose an. Sie konnte sich vorstellen, wie die Partys für beide ausgegangen waren, wenn sie ihn so lächeln sah.
 

„Es ist schön, dass du wieder da bist.“, meinte er ehrlich und schloss sie noch einmal kräftig in die Arme. So viel Herzlichkeit auf einmal war sie nicht von ihm gewohnt, deswegen vermutete sie, dass etwas faul war.
 

„Genieße dein letztes Jahr in Freiheit, Rosie.“, flüsterte er in ihr Haar. Rose riss die Augen auf und drückte ihn von sich.
 

„Du weißt davon?“, fragte sie erschrocken und wurde im selben Moment kalkweiß im Gesicht. Sie war erschüttert, denn gerade vor ihrer engsten Familie wollte sie es nie zu einem Thema machen und sie war sich sicher gewesen, dass auch Scorpius nie ein Wort darüber verloren hätte. Hatte Lily sich verplappert?
 

„Ich weiß es schon seit Jahren.“, erklärte er.
 

Rose zog eine Augenbraue hoch. „Wieso hast du dann nie etwas gesagt?“, wollte sie wissen.
 

„Ich bat ihn darum, Wiesel. Du weißt doch, so lange wir hier sind...“, mischte sich eine zweite Stimme ein. Rose wandte sich um und stand Scorpius Malfoy gegenüber. Sie staunte, wie groß er war. Als sie sich das letzte mal so direkt gegenüber standen, war sie zwölf und bedeutend kleiner.
 

„Spielt das davor oder danach keine Rolle, schon klar.“, beendete sie seinen Satz gelangweilt. Trotzdem ärgerte es sie, dass Scorpius einfach nicht seinen Mund halten konnte. Natürlich hätte es schlimmer sein können, als es nur seinem besten Freund anzuvertrauen.
 

„Rosie, Rosie, Rosie!“, wurden sie unterbrochen, als Alice und Lily sich zwischen sie und Albus schoben. Alice bedachte Scorpius lediglich mit einem abschätzigen Blick, Albus sah sie hingegen etwas länger an und bedachte ihn mit einem Lächeln.
 

„Was ist denn?“, fragte Rose. Alice nahm den Blick von Albus und sah in ihre braunen Augen.
 

„Wir haben Cameron gefragt, wie er dich findet!“, kicherte Lily.
 

„Und er meinte, dass du ihm gleich aufgefallen bist, als du den Raum betreten hast.“, endete Alice und ein triumphierendes Lächeln hatte sich in ihre Züge geschlichen. Scorpius zog eine Augenbraue hoch. Rose konnte sich vorstellen, dass er diesen Auftritt ihrer Freundinnen und ihr Verhalten mehr als kindisch und albern fand. Doch das war ihr egal.
 

„Das ist doch kein Wunder, Rose ist jedem aufgefallen, als sie hereinkam.“, murmelte Albus mit einem Grinsen. Rose wusste, dass sie das als Kompliment auffassen konnte und schenkte ihm ein warmes Lächeln. Albus besserte immer, wenn er konnte, ihr Selbstwertgefühl auf.
 

Alice zwinkerte ihm zu und grinste. Offensichtlich fand sie es genauso nett von ihm, wie Rose.
 

„In so knapper Kleidung hat man dich auch noch nie gesehen. Du scheinst es darauf anzulegen, Wiesel.“, meinte Scorpius arrogant und musterte sie vom Scheitel bis zu den Zehen.
 

Rose Lächeln erlosch und sie kniff beide Augen zusammen. Wenn er Streit suchte, sollte er ihn nur haben – sie war alles andere als abgeneigt.
 

„Rose, du bist ja wieder da.“, bemerkte eine sechste Stimme.
 

Wenn Rose noch eisiger gucken könnte, hätte sie Morgana Greengrass zu einer Essäule erstarren lassen. Die Siebtklässlerin aus Slytherin hatte es schon immer darauf angelegt, Rose zu Tode zu nerven. Doch es hatte ihr zu ihrer Enttäuschung immer kalt gelassen. Nun wollte sie sich den Abend nicht verderben lassen und wechselte in Sekundenschnelle ihren Gesichtsausdruck. Mit einem nachsichtigen Lächeln sah sie ihr in die hellblauen Huskyaugen.
 

„Es scheint ganz so.“, meinte sie freundlich.
 

Morgana schien verwirrt zu sein, dass man ihr mit solcher Höflichkeit begegnete und nicht mit Ignoranz. Rose gratulierte sich innerlich zu ihrem Sieg über die niederen Umstände. Rose lief es eiskalt den Rücken hinunter wenn sie daran dachte, dass Morgana in Zukunft wohl oder übel auch auf den Familienfesten erschien. Und wenn Alice sich nicht beeilte, in doppelter Hinsicht, denn sie lief Albus schon lange hinterher und er hatte sich immer wieder aus Mitleid oder purem Verlangen dazu herabgelassen, sie für ein oder zwei Nächte zu beglücken.
 

„Du hast dich ganz schön...verändert.“, stellte Morgana fest und betrachtete Rose, wie es zuvor schon Scorpius getan hatte. Musste wohl in der Familie liegen.
 

„Ja, ich lege es dieses Jahr drauf an.“, meinte Rose nur mit einem glockenklaren Lachen.
 

Morgana schien sich nicht ganz sicher zu sein, ob sie lachen sollte, denn sie hatte den Eindruck Rose mache sich über sie lustig. Sie lächelte schwach.
 

Damit hatte Rose das erste Gerücht dieses Schuljahres geboren, soviel stand fest, als Morgana sich zu dem schwarzen Schaf der Familie Weasley gesellte: Lucy Weasley, dem Namen nach die erste Weasley, die man nach Slytherin geschickt hatte und Roses persönlicher Alptraum. Sie wandte sich wieder an Albus und beobachtete für den Bruchteil einer Sekunde, wie er Alice ansah.
 

„Zurück zum Thema“, erinnerte Alice und zog Rose am Ärmel von der Gruppe weg.
 

„Wir dürfen das Wesentliche nicht aus den Augen verlieren.“, meinte sie noch und zerrte sie in Richtung Bar, wo sie sich ein Butterbier genehmigten.
 

„Cameron ist zur Zeit in einem kleinen Tief. Vielleicht kannst du ihn trösten.“, meinte Lily schließlich und nahm einen großzügigen Schluck aus ihrer Flasche, dann sah sie sich die anderen Gäste an. Es erschien Rose, als suche sie sich ebenfalls ein passendes Opfer für diesen Abend.
 

„Also, ich würde mir heute gerne selbst jemanden aussuchen, Alice. Cameron befindet sich sicherlich auch morgen noch in einem Tief.“, meinte Rose und nahm einen Schluck Butterbier.
 

Alice und Lily nickten verständnisvoll.
 

„Stört es dich dann, wenn ich ihn nehme?“, fragte Lily kichernd. Rose musste lachen, dann schüttelte sie ihre rote Mähne und schob sie in die Richtung Camerons.
 

Alice und Rose Blicke folgten ihr, als Lily sich schamlos an den Schotten heranmachte. Lily fiel fast in seine Richtung, doch nur die Mädchen wussten, dass das pure Absicht war. Cameron fing sie aus Reflex auf und half ihr wieder auf die Beine. Nun musste Lily sich genötigt fühlen, sich zu bedanken oder zu entschuldigen. Sie entschied sich für den Dank und spendierte ihm ein Butterbier, während sie mit erhitzten Wangen ein Gespräch anfing.
 

„Diese 'Betrunkenes, tollpatschiges Mädchen'-Nummer, sollte verboten werden. Es ist erschreckend, wie viel Erfolg sie damit hat.“, meinte Alice kopfschüttelnd und wandte sich wieder an Rose.
 

„Ich habe gesehen, dass du mit Albus Augenkontakt hattest.“, wechselte Rose das Thema und ihre Augen funkelten verschwörerisch.
 

„Oh, Merlin, Augenkontakt!“, echauffierte Alice sich künstlich, dann lachte sie.
 

„Ihr habt doch gesagt, dass er seine Chance kriegen soll. Jetzt bringe ich ihn erstmal dazu, dass er denkt, er hätte sie.“, erklärte sie rasch.
 

Rose gefiel es nicht, dass Alice mit ihrem liebsten Cousin spielte. Als sie ihn noch die blanke Ablehnung hatte spüren lassen, spielte sie zumindest nicht mit ihm und er wusste immer, woran er war. Dass er nie aufgegeben hatte, war seine Dummheit, nicht ihre. Doch nun machte sie ihm Hoffnungen ohne sicher zu sein, dass sie diese erfüllen konnte. Aber Albus war nicht dämlich, hoffte Rose zumindest.
 

„Wer ist also dein Auserwählter für heute Abend?“, fragte Alice schließlich und suchte die Menge nach einem passenden Jungen für Rose ab.
 

Doch Rose hob nur die Schultern und meinte mit langweiliger Stimme:

„Ich glaube, ich kokettiere heute Abend erstmal. Ich rede mit jedem, scherze mit jedem und zum nächsten Wochenende werde ich mich vor Dates für Hogsmeade nicht mehr retten können.“
 

Alice sah sie mit großen Augen an.
 

„Du durchtriebenes Stück!“, rief sie aus.
 

„Ich war in Frankreich, Alice. Was denkst du, was ich dort gelernt habe? Meine erste Lektion war, sich interessant für andere zu machen.“, meinte Rose nur verächtlich und log nicht einmal, wenn sie das sagte. Von ihrer Cousine Dominique hatte sie tatsächlich viel gelernt, genau, wie den Freundinnen, die sie dort gefunden hatte. Und sie war überrascht gewesen, wie schnell das funktionierte.
 

Alice nickte schließlich und dann verabschiedete sie sich für den Moment von Rose, um Albus schöne Augen zu machen, der wieder in das Gespräch mit Emylie Jones vertieft war. Sie konnte sich lebhaft vorstellen, dass das ihre beste Freundin nicht auf sich sitzen ließ, wenn sie ihm endlich schöne Augen machte und er nicht sofort darauf ansprang. Also beobachtete sie, wie penetrant Alice sein konnte, wenn sie sich einmischte. Sie schüttelte abermals ihren Kopf, dann wandte sie sich zur Bar und ließ sich einen Feuerwhiskey reichen. Das Zeug hatte sie seit Ewigkeiten nicht mehr angerührt, doch nun schüttete sie sich gleich zwei hintereinander rein, um sich etwas Mut für ihr Vorhaben zu borgen.
 

Und am Ende hatte Rose sich wirklich an ihren Plan gehalten, zu kokettieren. Sie redete mit Mädchen, die sie eigentlich nicht leiden konnte, tratschte mit ihnen und am Ende redete sie mit verschiedenen Jungs, die für sie in Frage kämen. Sie war überrascht, dass es mehr als eine Hand voll waren – eigentlich hatte sie nie damit gerechnet, jemand hübschen in ihrem eigenen Jahrgang zu finden.
 

Am Ende des Abends fiel Rose zertanzt ins Bett und dann in einen traumlosen Schlaf. Wann Lily hereinkam, bemerkte sie nicht mehr und auch nicht, dass es schon in den grauen Morgenstunden war, als sie das tat.

Ein bisschen berauscht.

Hallo, meine liebsten, herzallerliebsten Leser...
 

... ihr merkt schon, ich bin ganz euphorisch. Ich bedanke mich bei allen, die mir doch noch einen Kommentar hinterlassen haben - das hat mir wieder richtig Mut gemacht. Und die 32 Favoriten! Das ist echt cool. Ich glaube, dass kaum eine Story, die ich in meinen Jahren auf Animexx veröffentlicht habe, soviel Resonanz hatte, wie diese hier. Deswegen noch einmal ein Dank an Dahlie (Dada ^^) für die Werbung und was weiß ich, was du noch angestellt hast, damit das hier ein bisschen in die Gänge kommt.
 

Ich will auch gar nicht so lange schwafeln, sondern lieber zur Sache kommen.
 

Danke an alle! Ihr seid toll.
 

Eure Asketenherz
 


 

Kapitel 3

„Nur ein bisschen berauscht.“
 

Lucy Weasley betrachtete sich übermäßig kritisch im Spiegel am Morgen nach der Party. Sie hatte Augenringe, aber das war nach einer solchen Nacht nicht ungewöhnlich. Sie betastete die Stelle an ihrem Hals, die etwas wund gescheuert war, von einem stoppeligen Kinn. Ja, sie war zufrieden mit sich, wenn sie sich ansah und besonders, wenn sie an Scorpius heiße Küsse dachte, die ihren Körper überflutet und mit sich gerissen hatte. Ein Schauer lief über ihren Rücken, wenn sie an die wagen Schatten in ihrem Zimmer dachte, die seinen Körper abwechselnd in schwaches Licht und Dunkelheit tauchten.
 

Sie hatte es wieder geschafft, ihn für sich zu interessieren, ihn zu verführen. Irgendwann würde es für immer sein und sie müsste nicht mehr kämpfen.

Sie musste grinsen, wenn sie daran dachte, wie schockiert ihr braver Vater wäre, wenn sie in die Malfoyfamilie einheiraten würde. Eine wirklich reiche Familie, die nichts mit den Entbehrungen zu tun hatte, die sie aus ihrer Kindheit kannte.
 

Sie waren beide schlecht. Scorpius und sie. Sie waren rücksichtslos, unverdient arrogant und vielleicht auch ein bisschen eitel. Doch die Schlechtigkeit ihres eigenen Charakters ließ sie unbeeindruckt, denn sie hatte aufgehört sich Mühe zu geben, ein Sonnenscheinchen zu sein – so, wie Rose – ihre Lieblingscousine. Und genau deswegen passten sie so gut zusammen. Die Tür öffnete sich und Lucy erkannte im Spiegel ihre beste Freundin hinkommen. Morgana sah etwas schlechter aus als sie selbst, doch das lag nicht etwa an einer leidenschaftlichen Nacht, sondern am Alkohol, den sie am vergangen Abend noch in den Gemeinschaftsraum der Slytherins gekotzt hatte. Aus welchem Grund auch immer, hatte Morgana eine seltsame Liebe für Exzesse. Es gab keine Feier an deren Ende sie nüchtern war.

Am Anfang hatte Lucy das missbilligt, weil es sich nicht für eine Slytherin gehörte, sich so gehen zu lassen.Doch mittlerweile schwieg sie zu diesem Thema.
 

„Du siehst ganz schön herunter gekommen aus.“, sagte Lucy direkt und wandte sich um.
 

Morgana allerdings grinste nur und wischte sich den verlaufenen Eyeliner unter den Augen fort. Doch es hinterließ nur weitere und weitaus schlimmere Schlieren in ihrem hübschen Gesicht.
 

„Ich hatte ja auch einen harten Abend.“, antwortete sie mit rauchiger Stimme. Es war auch kein Wunder bei der Lautstärke in der sie am vergangenen Abend die Lieder ihrer Lieblingsband mitgegröhlt hatte. Nicht sehr damenhaft, wohl bemerkt.
 

„Rose hatte gestern Abend ganz schön viel Aufmerksamkeit.“, stellte sie noch fest, bereit etwas über die junge Gryffindor herzuziehen.
 

Lucy erstarrte in ihrer Bewegung und sag Morgana mit einer hochgezogenen Augenbraue an. Sie war zu sehr mit Scorpius beschäftigt, um das zu bemerken und jetzt, wo sie es hörte, glaubte sie nicht recht daran. Natürlich hatte sie das knappe Outfit gesehen, doch sie hatte auch nicht erwartet, dass Rose unverändert aus Frankreich zurück kehrte. Dominique hatte in gewisser Weise ein Püppchen aus ihr gemacht, doch trotzdem blieb sie Rose Weasley – eine polarisierte Persönlichkeit, wenn man sie fragte.
 

„Von wem denn?“, fragte Lucy interessiert nach.
 

„So einigen. David Jordan unter anderem.“
 

Nun musste Lucy losprusten. David Jordan war ein großer Mädchenschwarm und reihte sich in die Glorreichen drei der süßesten Jungs an dieser Schule. Lucy konnte sich nicht vorstellen, dass Jordan sich ausgerechnet für sie interessierte. Und erschwerend kam noch hinzu, dass er eine Freundin hatte – eine hübsche noch dazu.

„Jordan ist vergeben.“, sagte Lucy nur.
 

Morgana grinste. „Rose sah nicht danach aus, als würde sie das von irgendwas abhalten.“
 

Sie liebte es, ihre beste Freundin zu reizen, auch wenn es gemein war. Aber manchmal hatte sie das Verlangen, Lucys Ego einen katastrophalen Stich zu geben. Woher auch immer dieser Zug ihres Wesens rührte.
 

„Rose ist sehr moralisch, was das angeht. Ich glaube nicht, dass sie das durchzieht, dazu ist sie zu anständig. Sie denkt immer an die anderen, das ist es doch, was meine ganze Familie an ihr so unbeschreiblich toll findet.“, spuckte Lucy förmlich aus und wandte sich wieder dem Spiegel zu um ihren Ärger zu verbergen.
 

Sie bürstete ihr langes, dunkelbraunes Haar sorgsam, dann flocht sie sich zwei Zöpfe, die sie als Unschuld auszeichneten. Es war nur Show und jedem bekannt, den sie zu ihrem Freundeskreis zählte.
 

„Es ist ihr letztes Jahr. Genau wie unseres. Vielleicht ist es ihr egal, weil sie danach niemanden wiedersieht.“, mutmaßte Morgana und wickelte eine blonde Strähne um ihrem Finger, um möglichst beschäftigt zu wirken und Lucy nichts von dem gehässigen Grinsen sehen zu lassen, das ihr auf den Lippen brannte.
 

„Wie lief es eigentlich mit Albus gestern Abend?“, fragte Lucy, auch wenn sie die Antwort kannte. Es war ihre Form von Bestrafung für ihre gehässige Art. Denn Morgana fiel das Lächeln aus dem Gesicht, wie alte Fliesen von einer Wand.
 

„Er hatte wieder einmal nur Augen für Longbottom. Grässlich. Ich frage mich, was er an dieser überheblichen Zicke findet. Sie muss sich nur einmal zu einem Gespräch herablassen und schon hechelt er ihr nach, wie ein läufiger Köter. Dabei ist sie ganz tief unter seinem Niveau.“, fauchte Morgana und verschränkte die Arme der Brust, als könne sie das vor der Wut in ihr retten.
 

„Morgana, ich kenne Albus. Er ist flatterhaft, was Mädchen angeht und deshalb auch schnell von seinem Weg abzubringen. Wenn du ihn also wirklich willst, dann pack endlich deine Weiblichkeit aus und verführe ihn. Diese Jungfrauen-Nummer nervt mich nämlich langsam. Es ist ja nicht mit anzusehen, wie du dich für ihn aufhebst.“, entfuhr es Lucy, wie so üblich, schlagartig.
 

Morgana verletzten diese Ansprachen ihrer besten Freundin, aber sie konnte ihr nicht die Stirn bieten, was das anging. Lucy war eine echte Furie und nur erträglich, wenn sie in Scorpius Nähe war. Sie liebte Albus – aufrichtig. Und sie bezweifelte, dass Lucy das verstand, denn ihre Auffassung von Liebe war viel zweckgebundener als ihre. Doch sie war schüchtern – zumindest in Albus Nähe. Es war nicht einfach für sie an ihn heran zu kommen, denn die meiste Zeit nahm er sie nicht wahr und wenn, denn nur, weil sie aus einer Verzweiflung heraus, kaum etwas an hatte. Doch das war nicht die Art von Interesse, die sie primär bei ihm wecken wollte. Und dann gab es noch das Phänomen Alice Longbottom, das sie an den Rande des Wahnsinns trieb und sie immer wieder zum Weinen brachte, wenn sie sah, wie sehr er sie begehrte (in jeder Hinsicht, nicht nur das Körperliche) und wie wenig sie selbst.
 

Bei diesem Gedanken biss sie auf die Unterlippe und sah zu Lucy auf, die sich vor ihr aufgebaut hatte, als wäre sie ein Koloss und nicht das zierliche Mädchen, das tatsächlich vor ihr stand.
 

„Ich meine es nur gut mit dir.“, sagte Lucy eine Spur zu hart um aufrichtig zu klingen.
 


 


 

Zur selben Zeit machten sich Rose, Alice und Lily am anderen Ende Hogwarts auf den Weg in den Raum, den sie am Vorabend entdeckt hatten. Sie hatten einige Mühe, ihn wieder zu finden – doch nach einer Viertelstunde, eröffnete eine Wand ihr Geheimnis. Diesmal war es taghell. Die verzauberte Decke der Großen Halle spendete genügend Licht für einen gründlichen Putz. Rose empfand den Raum bei Tageslicht auch weniger unheimlich.
 

Das antike Sofa brauchte drei Ratzeputz-Zauber um endlich sauber zu sein. Das Silber der Kerzenständer mussten sie allerdings per Hand polieren, da niemand einen Zauberspruch dafür kannte. Rose tat sogar den Portraits einen Gefallen und entstaubte sie gründlich. Das änderte allerdings trotzdem nicht den Fakt, dass die Farben schon sehr verblichen waren, weil sich schon lange niemand mehr darum kümmerte.
 

Unter den weißen, staubigen Laken fanden sie sogar noch ein von Hand geschnitztes Kanapee und einen zierlichen Tisch. Als die Mädchen fertig waren, alle wirre, staubige Haare hatten, ließen sie sich auf dem Sofa nieder und betrachteten ihr Werk.
 

„Es wirkt trotzdem noch irgendwie altbacken.“, bemängelte Alice, als sie ihren Blick über die Möbel und Regale schweifen ließ.
 

Rose stimmte ihr mit einem einfachen Murren zu. Und auch Lily musste nicken. Es wirkte wie das, was es eigentlich war – aus vergangener Zeit. Aber sie hatten sich nun entschlossen, den Raum für sich zu nutzen und wollten ihm ihren eigenen Anstrich geben.
 

„Wie sollen wir nur einen Schreibtisch hierher bringen, ohne, dass jemand etwas bemerkt?“, verzweifelte Alice.
 

„Bei Nacht und Nebel, natürlich.“, antwortete Rose schließlich.
 

„Wir könnten hier ein kleines Gewächshaus aufbauen. Das ist wesentlich ungefährlicher, als das Pfeifenkraut im Schulgewächshaus anzubauen.“, sagte Rose nachdenklich. Was fing man denn sonst mit einem geheimen Raum an? Natürlich tat man verbotene Dinge.
 

„Das ist eine echt gute Idee, Rosie. Wenn die vergangen Jahrhunderte niemand diesen versteckten Raum gefunden hat, dann tut das auch niemand in Zukunft. Wir müssen nur vorsichtig sein.“, meinte Lily und grinste.
 

„Wo kriegen wir ein Gewächshaus her?“, fragte Alice.
 

„Wir brauchen ja nur ein altes, großes Aquarium.“, überlegte Rose.
 

Alice nickte. Wieder schwiegen sie nachdenklich.
 

„Ich habe eine Idee! Lasst uns einfach mal im Raum der Wünsche nachsehen. Du weißt schon – wenn man sich wünscht etwas zu verstecken.“, rief Rose aus.
 

„Ich dachte, der sei zerstört worden.“, gab Lily zu bedenken. Rose schüttelte eifrig den Kopf.
 

„Ja, aber das ist schon über ein viertel Jahrhundert her. Inzwischen hat sich sicherlich wieder was angesammelt. Ich bin mir sicher, dass er nicht ungenutzt blieb.“, antwortete Rose und sprang auf.
 

Sie wollte sich gleich ans Werk machen. Alice und Lily folgten ihr. Gemeinsam warfen sie eine Blick auf die Karte des Herumtreibers und schlichen sich in den Raum, sobald die Luft rein war. Quietschend fiel die Tür hinter ihnen zu.

Rose staunte über die Berge an Krimskrams, die sich dort stapelten. Manche hatten den Raum wohl als Deponie verwendet, denn es waren hier viele kaputte Sachen gelagert. Tagebücher über Tagebücher.
 

Sie schwärmten in verschiedene Ecken aus und betrachteten den Ramsch. Rose ging vorbei an alten Vogelkäfigen, Büchern, Kleidungsstücken, Vasen, sogar einem goldenen Zauberschachspiel. Alice seufzte, als sie die vielen kostbaren Tücher sah, die auf einen Haufen gestapelt waren. Sie nahm sich die drei schönsten mit. Rose Augen fielen auf ein paar rote Stiefel und sie verliebte sich sofort in sie. Aber warum sollte man die verstecken?

Sie probierte einen an und bemerkte sofort den Grund. Sie wurde unsichtbar, als sie den anderen auch noch anzog. Mehr noch, sie wurde geräuschlos. In sich hineinkichernd schlich sie hinter Alice und riss ihren Rock nach oben. Überrascht schrie diese auf und drehte sich panisch um.
 

Sie schien zu Tode erschreckt, deswegen schlüpfte Rose aus den Schuhen um sie zu beruhigen.
 

„Die machen unsichtbar!“, rief Rose aus.
 

In Alices Kopf ratterte es und man konnte förmlich sehen, wie sich verschiedene Ideen zusammensetzten und schließlich meinte sie zu Rose: „Nimm sie mit, mir fällt dafür viel ein.“
 

Rose nickte und stimmte in das durchtriebene Grinsen mit ein. Als die Mädchen an einem komplett anderen Ende des Raumes auf ein großes rundes Aquarium stießen, beendeten sie ihren Raubzug und verließen den Raum der Wünsche. Sie brachten alles in den geheimen Clubraum und gingen anschließend zusammen zum Abendessen.
 

„Das wird großartig.“, seufzte Alice und überlegte schon, wo sie die Erde klauen sollten. Doch das war kein Problem, denn sie würde einfach bei ihrem Vater im Gewächshaus einen Sack mitgehen lassen. Davon musste er ja nichts wissen.
 

„Das ist schon das zweite Verbotene, das wir dieses Schuljahr tun.“, stellte Rose mit Zufriedenheit fest und fühlte eine Menge Genugtuung in sich. Dabei streifte sie den Blick von David Jordan und Aidan Wood, mit denen sie am vorherigen Abend ausgiebig geredet hatte. Sie hatte gewusst, dass sie ihr auf den Leim gegangen waren. Das bestärkte sie weiter in ihrem Vorhaben, dieses Jahr keine Rücksicht auf andere zu nehmen. Wenn sie wollte, könnte sie beide haben. Sie musste nur geschickt vorgehen.
 

„Ich habe eine Idee, was wir mit den roten Schuhen machen. Wem würdest du es gerne heimzahlen, Rose? Mach mal eine Liste.“, sagte Alice und steckte mit den anderen Mädchen die Köpfe zusammen.
 

„Ich würde sagen Scorpius, für die ewigen Hänseleien und manipulierten Schulbücher.“, dachte Rose laut.
 

„Dann Morgana Greengrass, die es auf mich abgesehen hat, seit der fünften Klasse. Albus, weil er immer den anderen Streiche spielt. Lysander Scarmander, der mich jedes mal absichtlich anrempelt, wenn ich ihm über den Weg laufe. Dieser dämliche Drittklässler.“, überlegte Rose weiter.
 

„Und Armanda Parkinson, dieses gehässige Weibsbild, das immer Gerüchte streut und mich gehänselt hat.“, fügte Lily hinzu.
 

Alice nickte ernsthaft und fügte e weitere Namen hinzu: Nathan Zabini, ein Slytherin und Freund von Scorpius Malfoy.

„Und Lucy, diese falsche Schlange mit der ich damals Damian in einem Geheimgang erwischt habe.“
 

Rose wusste, dass ihr besonders die Rache an ihrer wichtig war, denn Damian Cauldwell war ihr erster richtiger Freund in der fünften Klasse gewesen. Inzwischen hatte er schon seinen Abschluss gemacht und war lange von Lucy getrennt, doch diese Schande hing Alice noch immer nach. Sie hasste sie und jedes Mal, wenn sie sie sah, ließ sie das auch an ihr aus.
 

„Ich habe mir folgendes überlegt – wir nutzen die Schuhe für unsere private Rache. Sie sollen sich alle zu Tode blamieren.“, erklärte Alice verschwörerisch. Rose und Lily nickten synchron, als Alice ihnen ihre Pläne mitteilte.
 

Rose war über die Rachsucht ihrer besten Freundin überrascht und auch ihre Kreativität beim Ausdenken von teilweise wirklich gemeinen Streichen. Alice hatte eine Menge böses Blut in sich, dachte sich Rose und fragte sich, warum sie dann ausgerechnet nach Gryffindor kam und nicht nach Slytherin zu Albus und dem ganzen Abschaum. Nicht, dass Alice Abschaum war, aber wies da durchaus grausame Tendenzen auf. Dass Albus Potter auf der Liste stand, kam ihr offensichtlich ebenfalls gelegen.
 

„Dir ist bewusst, was sie mit uns tun, wenn sie uns erwischen.“, merkte Rose an. Doch das war allen drei Freundinnen bewusst, hatten sie Albus doch schon so oft beim Nachsitzen zugesehen und den anderen Strafarbeiten, die sich Filch in seinem sadistischen Hirn zurechtgelegt hatte.
 

„Ich riskiere es. Und was ist mit euch?“, meinte Lily.
 

Alice nickte. „Wir wollten rocken und das tun wir auch.“ Rose hatte ein grimmiges Gesicht bekommen und stimmte zu. Alle diese Personen hatten einen kleinen Rachefeldzug verdient, auch wenn es lange nicht die Schandtaten ausglich, die man ihr angetan hatte – es war zumindest ein guter Anfang.
 

Am nächsten Tag trafen sich die Mädchen nach dem Mittagessen im geheimen Clubraum und betteten die Pflanzen sorgsam in die frische Erde. Sie hatten sich während des Frühstücks in das Gewächshaus geschlichen und das Kraut geholt. Rose deckte eine Glasplatte über das Aquarium, als sie fertig waren, damit die Ausdünstungen der Pflanzen im Aquarium blieben und nicht verdunsteten. So erschufen sie ein künstliches, günstiges Klima. Besser als im Gewächshaus zwischen den Monsteras.
 

Die Mädchen bekamen nicht mit, was sich in der Zeit direkt vor der unsichtbaren Tür abspielte. Albus drehte seine Zigarette zu Ende und sah dann seinen Nebenmann an, der immer noch an die Wand starrte und fieberhaft zu überlegen schien.
 

„Wann lassen wir sie auffliegen?“, fragte Albus.
 

Scorpius hob die Schultern. „Wir haben einen Vorteil, Al. Sie wissen nicht, das wir wissen, wo sie sich verstecken und wir wissen nicht genau, was sie verstecken. Zumindest sind die illegalen Pfeifenkräuter aus dem Gewächshaus verschwunden. Die wachsen da schon seit drei Jahren und ich werde das Gefühl nicht los, dass ich endlich weiß, wer sie einst dorthin gepflanzt hat.
 

„Rose raucht doch keine Kräuterpfeife. Dafür ist sie viel zu anständig. Und sie würde auch nie etwas derart Verbotenes tun.“, versuchte Albus seine Cousine zu verteidigen. Dass Lily das tun könnte, bezweifelte er nicht, denn sie waren gleichen Blutes und sich ähnlicher, als er es sich für seine kleine Schwester wünschte.
 

„Nicht? Nicht etwa einen geheimen Raum in Hogwarts aussuchen und sich dort mit den Mädchen zu verschanzen? Oder auf eine unerlaubte Schuljahresanfangsparty kommen?“
 

Albus winkte ab. „Peanuts.“
 

Scorpius zog eine Augenbraue hoch. „Für eine Rose Weasley nicht, Al. Seit sie aus Frankreich wieder da ist, tut sie ungewöhnlich viele verbotene Sachen. An ihrem ersten Abend hat sie zehn Punkte Abzug für das Herumschleichen auf den Gängen nach der Ausgangssperre bekommen.“
 

Das hatte Albus nicht gewusst. Das hatte man auch nicht herum erzählt. Es hatten sich nur alle gewundert, weswegen Gryffindor schon nach einem Abend Punkteabzug bekommen hatte.
 

„Und glaub mir, Longbottom hat es auch faustdick hinter den Ohren. Ihr Status als Professorentochter ist das perfekte Alibi.“, fuhr Scorpius fort.
 

„Ich denke, wir werden erstmal unseren Mund über diesen Raum halten. Zumindest so lange wir nicht genau wissen, was sie da treiben. Und dann überlegen wir uns, was wir mit diesem Wissen anstellen können. Und jetzt lass uns endlich eine rauchen gehen.“, sagte Scorpius abschließend und warf einen letzten prüfenden Blick auf das alte Gemäuer.
 

Alice hatte ihr Wort gehalten, Albus seine Chance zukommen zu lassen, als sich das erste Hogsmeadewochenende dieses Schuljahres ankündigte. Sie hatte jedem potenziellen Bewerber abgewiesen – sie hatte das erste Mal seit der fünften Klasse kein Date an einem solchen Wochenende. Das verwunderte alle und es gab schon erste Gerüchte, dass sie bereits jemand anderen das Date versprochen hatte, doch in Wahrheit wartete sie nur darauf, dass Albus sie fragte, wie er es immer tat.
 

Am Donnerstag, als Alice frustriert war, dass nichts seitens Albus kam, schob die die geplanten Streichtermine nach vorn. Sie zog sich die Schuhe an und schlich Morgana Greengrass in den Slytherin-Gemeinschaftsraum nach. Während sich die hübsche Slytherin an ihre Hausaufgaben setzte, schlich sich Alice in ihr Zimmer. Sie breitete einen Müllsack, den sie in der Küche gestohlen hatte auf ihrem Bett aus und sprach einen einfachen Zauber.
 

„Aguamenti“, flüsterte sie. Die hielt die Zauberstabspitze in den Sack, bis dieser vollständig vollgelaufen war, dann verknotete sie ihm und versteckte ihn unter den Laken. Dass da etwas faul war, konnte Antonietta nie merken, bedachte man die enorme Anzahl ihrer Kissen und Plüschtiere.
 

Als sie ihr Werk vollendet hatte, schlich sie hinaus und kam zurück zu Rose und Lily in den Clubraum, die sie fragend ansahen. Alice hatte ihnen nichts von ihrem Ausflug erzählt. Sie stellte lediglich die Schuhe zurück in die Ecke und setzte sich zu ihnen.
 

Rose fragte nicht weiter nach, wusste sie doch, dass Alice beleidigt war, nichts von Albus zu hören. Wahrscheinlich hatte sie sich irgendwo abreagiert. Sie zündete die geschnitzte Pfeife mit den Einhornköpfen an, hielt das Loch am Ende des ausgehöhlten Stiels zu und zog den Rauch an. Dann öffnete die das Loch und atmete den Rauch tief ein. Sofort verspürte sie die gewohnte Mattigkeit, die sie immer überkam, wenn sie rauchte. Sie lehnte sich nach hinten in die Polster und schloss einen Moment die Augen.
 

„Wo bist du gewesen?“, fragte Lily Alice.
 

„Ich war bei den Slytherins.“, sagte diese nur.
 

„Morgana?“, fragte Lily nur und Alice nickte. Danach stellte keiner mehr Fragen.
 

Alice nahm Rose die Pfeife aus der Hand und stopfte sich neues Kraut hinein. Es war verboten, doch die Mädchen taten es schon seit der fünften Klasse unbemerkt. Keiner wäre auf die Idee gekommen, dass die unscheinbaren Schülerinnen ab und zu etwas Verbotenes taten. Deswegen waren sie immer frei von Beschuldigungen geblieben. Selbst wenn ihr Verhalten manchmal seltsam phlegmatisch oder aufgedreht war.
 

„Hast du eine Verabredung fürs Wochenende, Rose?“, wollte Alice wissen, nachdem sie gepafft hatte. Irgendwie schien sie bekümmert. Doch deswegen konnte Rose sie nicht anlügen. Sie hatte drei Einladungen bekommen. So viele, wie noch nie in ihrer Schullaufbahn in Hogwarts.
 

„Ja.“, antwortete sie knapp. „David Jordan habe ich zugesagt.“
 

Lily sah Rose überrascht an. „David Jordan hat eine Beziehung, Rose.“
 

Das wusste sie selbstverständlich. Sie wusste immer alles über ihre Dates noch bevor sie mit ihnen ausging. Diese Tatsache bewahrte sie davor, einen Fehler zu begehen oder unangenehm überrascht zu werden.
 

„Ich weiß. Aber sie geht in Beauxbaton zur Schule. Ich kenne sie sogar.“, antwortete diese nur und sah Lily fest in die Augen. Den moralischen Konflikt, der auf sie zubebte, scheute sie nicht.
 

„Du würdest die Beziehung kaputt machen, wenn das was mit euch wird.“, gab Alice zu bedenken.
 

Rose zog fragend eine Augenbraue hoch. Wie wertvoll war diese Beziehung schon, wenn sie sich nur in den Ferien sahen und ansonsten Briefe schrieben? Jedenfalls war sie nicht befriedigend. Und außerdem wusste sie, dass sich Georgette in Frankreich munter mit anderen Jungs traf ohne auch nur an ihren Freund in England zu denken. Das hatte sie David Jordan natürlich nicht gesagt.
 

„Immerhin hat er mich gefragt und nicht umgekehrt. Er hegt Intentionen seine Freundin zu hintergehen, nicht ich. Außerdem reizt mich das Rebellische an ihm.“ Rose seufze verträumt.
 

David Jordan war ein Böser Junge, wie er im Buche stand. Er war laut, schlagfertig und garantiert nicht zu übersehen, wo auch immer auftrat. Er war neben Scorpius einer der beliebtesten Jungen an der Schule, weswegen die beiden auch bis aufs Blut verfeindet blieben. David hielt Scorpius vor, sein Vater sei ein Todesser und verachtenswert und er bezeichnete seine Familie als heruntergekommenes Rattenpack. Wahrscheinlich, weil er immer zerrissene Jeans trug in seiner Freizeit und immer einen revolutionärer Spruch auf seinem T-Shirt geschrieben stand. Rose mochte ihn, vor allem weil er sehr intelligent war und mutig. Er hatte noch nie eine Auseinandersetzung mit Malfoy gescheut, wohingegen andere dem Malfyerben aus den Augen gingen, sobald sie seiner ansichtig wurden.
 

„Ja, er ist ein echter Traum. Du bist ein echter Glückspilz, Rosie.“, hauchte Lily verträumt, als illustriere sich David von selbst in ihrem Gedanken.
 

Die Pfeife wanderte zurück zu Rose. Sie nahm einen Zug und lehnte sich entspannt zurück, als plötzlich die Tür von außen aufgedrückt wurde.
 

Dort standen mit einem Mal Scorpius Malfoy und Albus Potter – und sie waren nicht im Geringsten überrascht. Die Mädchen allerdings sahen sie an, als seien sie Zentauren. Damit hätten sie zuletzt gerechnet und vor allem war keine in der Lage sich deutlich zu artikulieren. Deswegen beschäftigten sie sich zunächst damit, die Eindringlinge anzustarren, als seien sie Fremde.
 

„Ist das eine Kräuterpfeife, Rosie?“, rief Albus schockiert. Scorpius schloss schnell hinter sich die Tür, damit keiner etwas mitbekam.
 

„Sieht danach aus.“, antwortete Rose nur, dann begann sie hysterisch zu kichern, als sie Albus Gesicht sah.
 

„Al... du müsstest... dein Gesicht... sehen“, presste sie unter Lachen hervor und die anderen Mädchen sahen sich Roses Cousin ebenfalls genau an und fielen in das Gelächter ein.
 

Als sie sich beruhigt hatten, sah Rose Albus amüsiert an. „Nun sieh mich nicht so an, Al. Ich brauche auch mal meinen Spaß.“ Wieder begann sie zu kichern. Alice hatte vor Lachen schon Tränen in den Augen, sodass es sie schon gar nicht mehr störte, dass er sie nicht nach Hogsmeade eingeladen hatte.

Es schien ihr vollkommen entfallen zu sein.
 

Scorpius zog skeptisch eine Augenbraue hoch und sah sich die Kichernden auf der Couch genau an. Sie waren alle berauscht und vermutlich war es nicht möglich, normal mit ihnen zu reden. Ihnen war nicht einmal bewusst, dass er in der Lage war, sie aus Hogwarts für dieses Vergehen herauszuschmeißen.
 

„Also... ihr habt uns erwischt.“, brachte Lily mühsam hervor. Sie musste wieder kichern, weil der Besuch so unerwartet kam und sie in einer ungünstigen Lage erwischte. Und noch mehr musste sie kichern, dass Albus Rose und nicht etwa ihr, seiner kleinen Schwester, eine Standpauke hielt.
 

Scorpius sah das kleine Gewächshaus in der anderen Ecke des Raumes, doch er war nicht sonderlich überrascht. Das hatte er sich schon gedacht, deswegen wies er nicht extra darauf hin. Albus zu seiner Rechten, schien noch immer sprachlos angesichts dieser ganzen Regelverstöße, die diese Mädchen begangen hatten.
 

„Oh, stimmt.“, erinnerte sich Alice und nahm schuldbewusst ihre Arme nach vorn, um die Handschellen verpasst zu bekommen, die keiner hatte. Dann bebten erneut ihre Schultern vor unterdrücktem Lachen. Sie versuchte es mit einem unschuldigen Rehblick in Albus Richtung, doch ihr fehlte die Ernsthaftigkeit für dieses Unterfangen und sie fing laut an zu lachen.
 

„Also, ihr könnt euch entscheiden. Entweder ihr geht und petzt oder ihr setzt euch zu uns.“, meinte Rose schließlich. Sie wirkte so, als sei sie am meisten bei Verstand. Doch Scorpius korrigierte diese Ansicht, als sie erneut an der Pfeife zog und sich nicht scherte, dass ihr jemand dabei zusah.
 

Scorpius und Albus tauschten Blicke, dann ließen sie sich auf dem Teppich nieder und beobachteten die anwesenden Verbrecherinnen wie Fremdkörper, die nicht ins Gesamtbild passten.
 

„Als ich jung war, war das noch nichts Verbotenes.“, mischte sich eines der Portraits ein. Es war die alte Dame im ältesten Rahmen. Die Mädchen stimmten ihr zu, dann gaben sie die Pfeife umständlich an die Jungs weiter, als sei es ein Relikt.
 

Albus schüttelte über die Einhornköpfe den Kopf. Das war ihm zu mädchenhaft. Er zündete die Pfeife erneut an und zog daran. Leugnen brachte nichts – es war nicht seine erste Pfeife und Rose wusste das, war sie doch damals in Holland dabei gewesen. Ihre Familien waren sich zufällig in einem kleinen Vorort Amsterdams begegnet und keiner war erfreut. Rose war in einen Coffeeshop geflüchtet und hatte da Scorpius gesehen, sich aber nicht zu ihm gesetzt.

Rose überraschte es, dass Scorpius sich ebenfalls nicht zierte. So hatte sie ihn gewiss nicht eingeschätzt – irgendwie bewunderte die das bisschen Verwegene in ihm. Er machte seinen ersten Hemdknopf auf und lockerte seine Krawatte, dann lehnte er sich an das Kanapee hinter ihm.
 

„Ihr seid ganz schön verrückt.“, stellte er fest. Rose meinte einen Hauch Anerkennung in seiner Stimme zu hören. Zumindest klang er dieses eine Mal nicht so arrogant, wie sonst immer.
 

„Und mutig“, ergänzte Lily und imitierte den Löwenschrei der Gryffindors.
 

Albus musste grinsen, denn es hörte sich eher nach einem Schnurren an, wenn er ehrlich war. Da hatte er schon bessere Schrei gehört auf dem Quidditch-Feld.
 

„Wer verpasst beim Quidditch nie ein Tor?“, stimmte Alice an.
 

„Gryffindor!“, riefen Lily und Rose im Chor.
 

„Wer brachte die größten Zauberer hervor?“
 

„Gryffindor!“, riefen Rose und Lily erneut.
 

„Oh, Gryffindor, geliebtes Gryffindor!

Unser Herz schlägt für dieses Haus,

Gryffindor, oh, geliebtes Gryffindor,

für dich immer einen Applaus!“, endete Alice zusammen mit Rose und Lily. Es folgten noch drei Rufe „Gryffindor“, danach fielen sie sich lachend in die Arme.
 

Rose räusperte sich als erste. „Mädels, benehmt euch. Die Slytherins brechen sonst noch in Tränen aus.“, sagte sie und kicherte, weil es sich auch noch auf den Text gereimt hatte.
 

Die Mädchen setzten sich schnell aufrecht hin und ordneten ihre Kleidung. „Oh, natürlich. Die Ärmsten.“, sagte Alice gespielt ernsthaft. In ihren Augen funkelte das nächste Lachen, doch es kam nicht über ihre Lippen.
 

„Also, Scorpius.“, begann Rose und verengte ihre Augen. „Um ehrlich zu sein, hast du eine wirklich dämliche Position. Du kannst uns nicht rausschmeißen – ich muss doch unbedingt meinem Abschluss machen können, sonst fällst du tot um.“ Rose musste wieder kichern und die Mädchen fielen ein.
 

„Stimmt ja.“, erinnerte sich Alice. „Und du wirst uns nicht verpetzen können ohne auch Rose zu verpetzen. Also wenn du mich verpetzt, dann sage ich auch Roses Namen, so wahr ich hier sitze.“
 

Rose sah sie an. „Das ist wirklich herrlich illoyal von dir, meine Beste.“, bemerkte sie höflich.
 

„Danke, danke.“, bedankte sich Alice.
 

„Wirklich ärgerlich.“, setzte Rose, an Scorpius gewandt, hinzu und ihre Lippen bildeten eine schmale Linie in ihrem Gesicht. Mitleidig betrachtete die den Intrigenspinner, als täte es ihr tatsächlich leid.
 

„Wie nennt man das gleich? Narrenfreiheit?“, erkundigte sich Lily. Dann sahen die Mädchen die Slytherins gleichzeitig an und warteten auf eine Reaktion.
 

„Ihr würdet den Tod eines anderen in Kauf nehmen?“, fragte Albus mit hochgezogener Augenbraue.
 

„So lange es zu unserem Vorteil gereicht...“, antwortete Alice und Rose würde ihr am liebsten ein zweites Mal den Sprechenden Hut aufsetzen, um zu erfahren, wie er sich sechs Jahre später entschieden hätte. Doch sie wusste, dass Alice bluffte. Derart skrupellos und heimtückisch war sie nun doch nicht.
 

„Es war nie meine Absicht, euch zu verpetzen.“, sagte Scorpius wohl überlegt. Er sah Alice direkt in die Augen – vielleicht war es Anerkennung, vielleicht auch Abscheu, Rose wusste es nicht richtig zu deuten. Genauso wenig wusste sie, ob er die Wahrheit sprach oder nun eingeschüchtert war. Zumindest war seine Antwort zu ihrer Zufriedenheit.
 

„Es reicht uns schon, von diesem Raum zu wissen. Denn, wie es aussieht, hat jeder Zutritt, der ihn kennt. Abriegeln könnt ihr ihn nicht.“, endete er und Zufriedenheit legte sich in seine Züge.
 

Alice, Lily und Rose sahen ihn verärgert an. Das hatten sie allerdings nicht bedacht, soweit konnte Rose es zugeben.
 

„Ich begnüge mich schon damit, euch ab und zu einen Besuch abzustatten und das Kraut zu gießen.“ Die Genugtuung war sein.
 

Wenn es um das Kraut ging, war mit den Mädchen nicht zu spaßen, denn sie kümmerten sich schon seit drei Jahren darum, hegten es, pflegten es, machten Ableger und so weiter und sofort. Würde sich jemand daran vergreifen, so war er des Todes. Darin waren sich alle einig. Umso mehr traf es sie, dass Scorpius und Albus nun davon wussten und jederzeit Zugang zu diesem Raum hatten. Eine weitere Umsiedlung würde das Kraut nicht überleben, deswegen musste es hier bleiben.
 

„Wenn du uns hintergehst, erwürge ich dich mit deinen eigenen Gedärmen, Malfoy. Und dann ist es mir egal, welche Verpflichtungen du sonst noch hast.“, bebte Alice und sah rasch auf Rose, die ebenfalls bleich im Gesicht war. Wie sie es sagte, hatte Rose keinen Zweifel daran, dass Alice jede Silbe ernst meinte.
 

Ein Tumult auf dem Gang erforderte die Aufmerksamkeit der Gruppe. Viele Schüler schienen in eine Richtung zu stürmen. Rose nahm die Karte hervor und sah nach, ob sie ungesehen hinauskämen um zu sehen, was passiert war.
 

„Los, die Luft ist rein.“, flüsterte sie und schob die Tür beiseite. Alle Anwesenden schlichen nach draußen auf den Gang und folgten den Schülern vor ihnen. Eine große Gruppe bildete sich um eine einzige Schülerin.
 

Es war die sacknasse, zitternde Morgana Greengrass. Ihr Pyjama war vollkommen durchnässt. Im selben Moment begann Alice leise zu kichern.
 

„Wenn ich herausfinde, wer das war, werde ich ihn verhexen bis ihm hören und sehen vergeht“, schwor Morgana Rache. Doch es wirkte in ihrer Situation mehr als albern, deswegen fingen auch alle an zu lachen, als sie bebend die Faust erhob, sichtbar um Beherrschung bemüht. Alice wandte sich ab, ihre Wangen waren vor Erheiterung errötet.
 

Das entging auch Scorpius nicht, doch er tat, als hätte er nichts bemerkt und verkniff sich ein Grinsen, als er seine Cousine erblickte, die dastand wie ein begossener Pudel.

Auf der Suche nach Gefühlen.

Hallo, verehrtes Leserpublikum!
 

Ich bin erfreut, dass es mehr Favoriten und mehr Kommentare geworden sind. Ich bin richtig gehend motiviert. Wieso ihr Lucy mögt, verstehe ich allerdings nicht so ganz. Aber mir soll es recht sein - ihr kommt später sowieso noch eine wichtige Rolle zu, deswegen dürft ihr euch über mehr Lucy freuen. In diesem Kapitel allerdings noch nicht. ^^
 

Vielleicht habt ihr aber trotzdem Spaß damit,
 

eure Asketenherz
 


 


 


 

Kapitel 4
 

„Auf der Suche nach Gefühlen.“
 

Es war das erste Mal seit der dritten Klasse, das Albus Alice nicht um ein Date gebeten hatte, wenn ein Ausflug nach Hogsmeade anstand. Und es kratzte so sehr am Ego der Brünetten, dass sie am Freitag dem Erstbesten zusagte, der sie fragte, als sie erfuhr, dass Albus mit der kürzlich gedemütigten Morgana ausging. Zu ihrem Pech handelte es sich um den pickligen Paul Smith, der sie schüchtern fragte, ob sie mit ihm ausgehen würde. Er schien sein Glück kaum fassen zu können, dass sie ihm tatsächlich zusagte – auch wenn es mehr damit zusammenhing, dass er zur richtigen Zeit am richtigen Ort den Mut dazu aufgebracht hatte.
 

Und obwohl ihr Date nicht sonderlich ansprechend war – wie sich Alice äußerte – zog sie ihr schönstes Kleid an und machte sich eine aufwendige Frisur. Denn Rose hatte ihr geraten, Paul zumindest einen schönen Abend zu machen und ihm vielleicht Anerkennung der anderen einzubringen, wenn sie ohnehin mit ihm ausgehen musste. Der Streber-Hufflepuff hatte Rose schon immer leid getan, wenn er allein am leeren Ende seines Haustisches saß und sich niemand mit ihm unterhielt während des Essens.

Er musste ja nicht wissen, dass Alice das nur aus Mitleid tat.
 

Rose freute sich allerdings wirklich auf ihr Date. Sie kam sich schon verdammt rücksichtslos vor, wenn sie daran dachte, dass David Jordan eigentlich vergeben war. Aber sie hatte sich schließlich geschworen, keine Rücksicht mehr zu haben und mal nur an sich zu denken. Sie zog sich eine enge Jeans an und ein Top mit gewagtem Ausschnitt, dass Lily – die Meisterin der bedeckten Verruchtheit – für sie ausgesucht hatte. Denn obwohl es tief ausgeschnitten war, war es ansonsten recht züchtig.
 

Ihre Haare ließ sie offen im Oktoberwind flattern, weil sie wusste, dass David Mädchen mit langen Haaren mochte.
 

„Hey“, begrüßte sie ihn bemüht cool am Treppenabsatz, wo er auf sie gewartet hatte.
 

Sie gingen gemeinsam zu Filch. „Rose Weasley und David Jordan.“, sagte er für sie und zwinkerte ihr zu, als sich die Mädchen nach ihnen umdrehten und tuschelnd weitergingen.
 

„Ich habe gehört, du willst es dieses Jahr darauf ankommen lassen, Rose.“, bemerkte David ohne Umschweife, während sie zusammen hinunter ins Dorf liefen.
 

Rose zog ihre Strickjacke enger um sich. Noch wollte sie ihr Dekolletee nicht einsetzen, um den Ravenclaw zu beeindrucken. Seine schwarzen Haare lagen wirr in seinem Gesicht und seine Cappuccino-farbene Haut wirkte wunderbar warm in diesen grauen Tagen des Herbsts. Rose bemühte sich, ihn nicht zu auffällig zu mustern.
 

„Das erzählt man sich zumindest.“, antwortete sie und grinste verschmitzt.
 

„Und stimmt es, was man sagt?“, wollte er wissen und zog eine Zigarette hinter seinem Ohr hervor, sobald sie außer Sichtweite der Schule waren.
 

„Kann schon sein. Ich habe nichts zu verlieren, das ist unser letztes Jahr und danach sehe ich die Leute nicht so schnell wieder.“ Ihren Blick hatte sie stur geradeaus gerichtet – es war ihr ernst mit diesem Vorhaben und sie würde es sich nicht vermasseln lassen.
 

„Das ist eine gute Einstellung.“, meinte er schließlich. Natürlich hatte sie ihm mit dieser Einstellung beeindrucken können. Sie musste dadurch selbstbewusst und mutig auf ihn wirken und sie gab ihm damit die Hoffnung, dass es vielleicht irgendwann mehr sein würde, als ein Kuss, was sie ihm zu geben hatte. Doch zunächst stand erst einmal der Kuss an und um den zu bekommen, musste sie einen interessanten, aber vor allem guten Eindruck hinterlassen.
 

„Wie war es in Frankreich?“, wollte er nach einer Weile wissen. Rose hob die Schultern und ahnte schon, worauf die Frage abzielte.
 

„Da habe ich diese Einstellung her.“, sagte sie nur und wischte sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Sie war sich nicht sicher, ob er ihre Andeutung auf Georgette verstand, denn mit diesem Thema wollte sie vorsichtig umgehen.
 

„Du weißt, dass ich in Beauxbaton eine Freundin habe?“, erkundigte er sich. Er tat es mit der gleichen Sorgfalt, wie Rose ihre Anspielung gemacht hatte. Okay, er wollte also erst einmal die Fronten klären und damit das etwas unangenehmere aus der Welt schaffen. Rose mochte diese direkte und aufrichtige Art. Offensichtlich war er niemand, der es auf Boshaftigkeit abgesehen hatte.
 

„Georgette de Mason, ich kenne sie sogar.“, antwortete Rose deswegen genauso ehrlich und versuchte sich nichts weiter anmerken zu lassen.
 

„Und das stört dich nicht im Geringsten?“ Er sah sie skeptisch an und verlangsamte seinen Schritt, damit ihn die größten Tratschtanten der Schule überholen konnten.
 

Rose überlegte noch einmal, bevor sie antwortete. Sie ging das Für und Wider durch und wog ihre Entscheidung sorgsam ab. Schließlich sagte sie mit der festen Stimme einer Weasley:
 

„Nein, kein bisschen.“ Sie sah ihm mit diesen Worten direkt in die Augen, um seine Meinung zu diesem Thema zu erfahren. Es konnte gut sein, dass er es inzwischen bereute, sie gefragt zu haben. Vielleicht hatte er ein schlechtes Gewissen seiner Freundin gegenüber – Rose würde das respektieren. Es war nicht ihre Absicht, zwei Menschen mutwillig zu entzweien, selbst wenn sie keine Behutsamkeit mehr walten lassen wollte.
 

„Das ist wirklich skrupellos von dir.“, merkte David an und zog an seiner Zigarette. Sie betrachtete sein Gesicht – es verriet nichts davon, was er dazu dachte, wie er das von ihr fand. Ein absolutes, glattes Pokerface. Aber Rose ließ sich so schnell nicht abschütteln, bis sie etwas fand, dass ihn verriet.
 

Rose verkniff sich ein hämisches Grinsen. Seine Augen verrieten ihn als Heuchler.
 

„Aber irgendwie gefällt mir das.“, setzte er hinzu, als er merkte, dass er enttarnt war und warf ihr einen kurzen Blick unter gesenkten Lidern zu. Er wurde nicht rot – dafür war er zu cool, aber dass es ihm peinlich war, so etwas zu sagen, erkannte sie an dem leisen Zittern seiner Stimme.
 

Er war gar nicht so böse, wie er immer tat. Aber das hatte Rose schon davor gewusst. Sie entdeckte Alice mit Paul Smith vor sich laufen. Sie hatte einen ähnlichen Gesichtsausdruck, wie Rose selbst: entschlossen, ihre Entscheidungen durchzuziehen und nichts zu bereuen. Sie lächelte Paul manchmal zu, während er sich in Beschreibungen eines neuen Buches verlor, das Alice schon vor zwei Jahren gelesen hatte, bevor es berühmt wurde. „Das Herz des Bösen“, hieß es und es war ein Roman über eine junge Hexe im siebzehnten Jahrhundert, als Hexen noch verfolgt wurden und sie sich unsterblich in einen bösen Zauberer verliebte und wie sie verging.

Es war wirklich kein Buch mit einem glücklichen Ende – sie stürzte sich von einer Brücke ohne zu wissen, dass sie schwanger war.
 

Rose richtete ihre Aufmerksamkeit wieder an David, der immer noch neben ihr hertrottete und seinen eigenen Gedanken nachhing, wie es schien. Dass er manchmal so schweigsam war, wie sie selbst, war für Rose eine Wohltat.
 

„Wohin gehen wir?“, fragte sie nach einer Weile, als sie das Dorf erreichten und die Läden an ihnen vorbeizogen.
 

„Was wäre dir denn am liebsten?“, fragte er.
 

Rose überlegte eine Weile. Zu „Madam Puddifoot's“ zu gehen, empfand sie als zu aufdringlich, deswegen entschied sie sich für einen besser besuchten Ort: Die Drei Besen. Die Wirtin war zudem Alices Mutter, die Rose schon ewig nicht mehr gesehen hatte. Hinzu kam, dass Rose testen konnte, wie ernst David sein Angebot meinte, wenn andere sie zusammen sahen. Sie würde es an seinem Verhalten merken, wenn sie unter Leuten waren, die sie kannten.

Gemeinsam steuerten sie den Pub an und nahmen sich einen abgelegenen Zweiertisch in einer etwas dunkleren Ecke des Raumes. Allerdings erst, nachdem Rose Hannah Longbottom ausgiebig begrüßt und umarmt hatte. Bei dieser Gelegenheit bestellte sie ihnen zwei Butterbier an ihren Tisch. Hannah hatte gezwinkert, als sie den hübschen David Jordan sah, dessen Vater sie kannte.
 

Als sie allerdings schweigend an ihrem Tisch saßen und Rose beim besten Willen nichts einfiel, worüber sie mit ihm reden konnte, fragte sie sich, wie sinnvoll diese Verabredung eigentlich war und ob es dabei in Wahrheit nicht nur darum ging, ihr eigenes Ego zu polieren, wenn sie mit dem Erzfeind von Scorpius ausging, den sie am Ende noch heiraten musste. War es Rache? Sie wusste es nicht – noch war sie ja frei und würde es auch noch sein, bis sie ihr Examen überreicht bekam.
 

„Du hast dich ganz schön verändert, Rose.“, stellte er schließlich fest, nachdem er sie eine Weile lang schamlos gemustert hatte. Dabei war ihm natürlich auch ihr Ausschnitt aufgefallen.
 

„Das ist der Lauf der Dinge.“, antwortete sie bemüht geheimnisvoll. Er mochte das Nachdenkliche an ihr, das wusste sie, weil sie sich so zur Anfangsparty verkauft hatte. Eigentlich sollte sie sich schämen, dass sie auf diese Art und Weise Menschen manipulierte. Doch es war nicht die Zeit für Skrupel.
 

„Das ist wahr.“, gab er zu und trank von seinem Bier.
 

Ein Jahr lang war es egal, ob es jemand verletzte, beleidigte oder ihm sonst irgendeinen Schaden zufügte. Ein Jahr lang eine andere Rose Weasley sein, als die, mit der sie es jeden Tag aushalten musste.
 

„Und? Was machen wir jetzt?“, fragte sie ohne Scheu. Sie machte kein Geheimnis daraus, dass sie sich irgendwie langweilte. Sie ließ ihren Blick über die anderen Gäste schweifen, entdeckte Albus mit Morgana Greengrass in einer anderen Ecke des Raumes und Scorpius, der wieder einmal an Lucy hing. Zumindest war ihre ungeliebte Cousine ein Fortschritt, denn ansonsten waren es immer Blondinen gewesen. Als führe er auf sein eigenes Aussehen derart ab. Lucy warf ihr ab und zu einen neugierigen Blick zu – offensichtlich wunderte sie sich genauso wie alle anderen über das Date mit David Jordan.
 

Rose betrachtete sie. Sie lachte glockenklar und wandte sich peinlich berührt um, ob jemand diesen Ausbruch der Freude mitbekommen. Da erkannte Rose die Show und ihr Blick verdunkelte sich. Was wollte er denn mit der? Sie war ganz und gar anders, als die anderen Mädchen, die Scorpius immer im Schlepptau hatte. Rose konnte sich nicht helfen, aber sie kam ihr immer niveaulos vor. Aber das mochte daran liegen, dass sie und Lucy nie ein gutes Verhältnis hatten.
 

„Ich weiß nicht, erzähl was.“, sagte David. Rose sah ihn verwirrt an, bis sie sich erinnerte, dass sie ihn etwas gefragt hatte, bevor ihr Blick auf Lucy gefallen war. Sie bemühte sich rasch um ein unverbindliches Lächeln und überlegte fieberhaft, was sie erzählen konnte.
 

„Ich freue mich auf dieses Schuljahr.“, sagte sie schließlich unvermittelt. „Ich glaube ich habe alles brave, das ich je zu meiner Persönlichkeit zählen konnte, endlich abgeworfen, wie einen zu kleinen Kokon.“
 

Sie gratulierte sich zu der gelungen Vorstellung und auch dazu, dass sie sich so schnell hatte etwas aus den Fingern saugen können. David zog eine Augenbraue hoch und nickte.
 

„Welche Verbote hast du denn schon gebrochen?“, fragte er.
 

Rose überlegte, was sie David verraten konnte und stellte fest, dass das, was übrig blieb, ziemlich mickrig war und nicht gerade rebellisch.
 

„Noch nicht viel. Aber das kommt noch, denke ich. Dieses Jahr ist mir alles egal.“, seufzte sie.
 

„Das ist cool. Welche Musik hörst du eigentlich, Rose?“, fragte er als nächstes. Genau diese Frage hasste Rose von ganzem Herzen. Sie könnte ehrlich antworten, doch sollte er ein Musikfanatiker sein, könnte ihre Antwort auch katastrophal falsch ausfallen und er würde sich nach diesem Date um kein weiteres mehr bemühen.
 

„Verschiedenes.“, versuchte sie zu flüchten.
 

Er lachte. „Nein, so kommst du mir nicht davon, Rose.“ Verdammt, er wollte es wirklich wissen. Das ließ darauf schließen, dass ihm diese Frage wirklich wichtig war.
 

„Ehrlich gesagt höre ich am liebsten Muggelmusik. Die ist so unmagisch. Da geht es noch um echte, unverfälschte Gefühle. Irgendwie mag ich das.“, sagte sie schließlich resigniert und sah ihn unsicher an. Sie war sich sicher, dass es nicht das war, was er hören wollte.
 

„Echt? Das ist großartig. Und in welche Richtung geht das?“, fragte er weiter.
 

Wow, er war wirklich interessiert. Sie hätte nicht gedacht, dass er das wirklich „großartig“ fand. Sie seufzte erleichtert.
 

„Das kommt auf meine Stimmung an. Wenn ich genervt oder wütend bin, dann aggressiver Rock und wenn ich traurig bin, irgendwelche Schnulzen.“, fuhr sie etwas mutiger fort.
 

„Und wenn du glücklich bist?“, fragte er weiter. Er schien amüsiert.
 

„Reggae.“ Nun lachte er laut und lehnte sich nach hinten in den Stuhl. Er beobachtete sie aus schmalen Augen und schien über irgendwas nachzudenken.
 

„Ich stehe eher auf die Laughing Corpses und Blairwitch.“, sagte er schließlich.
 

Rose rümpfte die Nase. Das waren wirklich laute, schreiende, revolutionäre Bands. Albus hörte sie auch und sie hasste es. Die Songs waren brutal, vulgär und manchmal kaum zu verstehen, vor lauter Grölereien und Schreien. Aber über Geschmack ließ sich bekanntlich streiten.
 

Über die Musik kamen sie dann zu Politik, von Politik zur Geschichte, von der Geschichte zu Malfoy, über den sich David ausgedehnt ausließ und schließlich zu Lehrern, die sie nicht mochten oder besonders gut leiden konnten. Sie redeten über ihre Pläne in der Zukunft (wobei sich Rose zurückhielt) und über die Länder, die sie schon besucht hatten.
 

Und am Ende des Abends, schlenderten sie gemeinsam hinauf zum Schloss, wobei sie die fast zu den letzten Schülern gehörten, die heimkehrten. Rose müsste lügen, wenn sie behaupten würde, dass sie David nicht mochte. Er war sehr gut aussehend und auch nicht dumm wie Bohnenstroh. Und er mochte sie offensichtlich genauso sehr. Und Georgette war nie wieder angesprochen worden und es dachte auch keiner mehr an sie.
 

Als sie sich in der Großen Halle gegenüberstanden und sich verlegen in die Augen sahen, wissend, dass nun der Abschied folgte, war sich Rose das erste Mal dieses Schuljahr ihrer Sache unsicher. David sah ihr in die Augen und meinte dann:
 

„Dann... bis dann.“ Rose fand es wenig originell, doch er brachte im Vergleich zu ihr zumindest etwas über die Lippen. Sie lächelte mit dem linken Mundwinkel, ihr Herz schlug schneller und sie bemühte sich, nicht jeden Moment rot anzulaufen.
 

„Dann... bis dann.“, sagte sie ebenfalls.
 

Er kam ihrem Gesicht näher, fest entschlossen sie zu küssen. Rose wurde schlecht, doch die riss sich zusammen, schloss langsam die Augen, den Kuss erwartend. Und als seine Lippen ihre endlich berührten – sie waren herrlich warm und weich – tobten Jubelschreie in ihr, die dringend hinausgelassen werden wollten. Sie erwiderte den Kuss etwas fordernder, als er ihn angesetzt hatte. Denn für halbe Sachen stand sie nicht hier. Überrascht schlang er seine Arme um ihre Hüften und zog sie näher zu sich heran. Sie musste sich etwas auf Zehenspitzen stellen, um an ihn heranzureichen.

Als sie absetzten, hatte sich ein Lächeln in Roses Züge geschlichen. Sie trat einen Schritt zurück und tat beschämt, auch wenn sie sich eher nach einem spontanen Applaus fühlte.
 

„Gute Nacht.“, sagte David nur – grinsend, aber auch etwas verwirrt. Er drehte sich um und erklomm mit großen Schritten die Treppe. Rose sah ihm verträumt nach und überlegte, ob es das Richtige war, ihn zu küssen. Da erklang endlich der Applaus, der schon die ganze Zeit in ihr wütete. Erschrocken wandte sie sich um, als sich eine Person aus dem Schatten der Treppe löste und auf sie zu kam, als hätte er alle Zeit der Welt. Scorpius. Irgendwie redete sie für ihren Geschmack zu oft mit ihm in diesem letzten Schuljahr. Obwohl es der Plan war, ihn eben für dieses eine Jahr auszublenden.
 

„Mit geschlossenen Augen, große Vorstellung, Wiesel.“, merkte er trocken an. Rose wich einen Schritt zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Verfolgte er sie? Hatte er nichts besseres zu tun? Irgendeinen Erstklässler quälen oder ihre Cousine vernaschen?
 

„Was hast du hier verloren?“, fragte sie so unfreundlich, wie sie es zustande brachte. Und es war nicht viel, denn sie war noch immer wie betäubt von dem Adrenalin, das nun wie ein Schwarm Schmetterlinge durch ihren Bauch tobte.
 

„Ich war gerade auf dem Weg in die Küche.“, antwortete er schließlich und beantwortete ihren skeptischen Ausdruck mit einer hochgezogenen Braue.
 

„Und was willst du jetzt von mir?“
 

Er hob die Schultern und steckte seine Hände in die Gesäßtaschen. Rose kannte diese Geste, doch damit biss er auf Granit bei ihr. So konnte er kleine Mädchen überzeugen – mit einem Dackelblick und einer lässig-coolen Geste. Doch sie auf gar keinen Fall.
 

„Ich war gerade unfreiwilliger Zeuge einer Glanzleistung von dir. Was mich interessiert ist, ob du Jordan nur datest, weil du mich ärgern willst oder ob du wirklich so dämlich bist, es aus eigenem Interesse zu tun.“, sagte er schließlich.
 

Rose schnappte nach Luft, um nicht allen ihren Beleidigungen in ihrem Kopf Luft zu machen, wenn sie sich diesen arroganten Schnösel ansah und wie er meinte, immer Recht zu haben und vor allem noch so selbstverliebt war, es persönlich zu nehmen, wenn sie sich mit einem Jungen traf, den sie mochte. Doch sie bezwang ihren Ärger und lächelte ihn stattdessen freundlich an.
 

„Ich muss dich und dein Ego enttäuschen, Malfoy. Es hat wieder einmal nichts mit dir zu tun, sondern nur mit meinem freien Willen.“, entgegnete sie zuckersüß.
 

„Also bist du wirklich dämlich.“ Er schüttelte enttäuscht den Kopf, ganz so, als hätte er mehr von ihrem Verstand gehalten. Rose war verwirrt, denn ihr fiel kein Grund ein, der ihre Verabredung zu einer nicht durchdachten Angelegenheit machte.
 

„Wieso dämlich?“, wagte sie zu fragen.
 

Er grinste und sah sie unter gesenkten Lidern an – nur, dass es bei ihm weniger eindrucksvoll war, als bei David Jordan. Bei Malfoy wirkte es auf seltsame Art und Weise deplatziert. Sie traute ihm keine feinfühligen Emotionen zu. Und diese verlegene Geste war nur Show. Oh, sie hasste ihn.
 

„Es ist hochgradig dumm, wenn du in deinem letzten Jahr noch eine Beziehung anfängst, Rose. Noch dümmer wäre es, würdest du dich verlieben. Denn zusammen bleiben könnt ihr nicht und es hinterließe zwei gebrochene Herzen. Das kann man eigentlich vermeiden, meinst du nicht?“
 

In Rose brodelte es vor Wut. Zum einen, weil er auch noch Recht hatte und sie ihm nichts Gegenteiliges entgegnen konnte und zum anderen, dass sie sich in einer so ausweglosen Situation befand, in der es ihr förmlich nicht möglich war, zu handeln, ohne sich selbst damit zu verletzen.
 

„Das ist mir egal, Malfoy. Am Ende des Tages kann ich mir noch im Spiegel in die Augen sehen. Denn ich habe nichts verpasst – auch wenn es am Ende schwierig werden sollte.“, bebte sie vor unterdrücktem Zorn. Sie grub ihre Nägel in ihren Handballen und hinterließ kleine blutige Halbmonde.
 

„Schon klar, Wiesel: besser lieben und verlieren, als nie geliebt zu haben. Bla bla bla. Aber ich bin mir sicher, dass nicht einmal du so kurzsichtig sein kannst und dich und Jordan ins Verderben stürzt.“, meinte er mit gefährlich ruhiger Stimme, die sie noch rasender machte. Sie wollte ihn verprügeln, ihm ihren Zauberstab unter die Nase halten, um ihm sein Gehirn aus dem Kopf zu jagen, doch sie hatte ihn nicht bei sich und es würde auch nichts an ihrer momentanen Situation ändern.
 

„Wir werden es sehen.“ Mit diesen Worten machte sie auf dem Absatz kehrt und stürmte in ihren Schlafsaal.
 

Wütend riss sie sich die Kleider vom Leib, schleuderte sie gegen die Wand, riss sich sogar die Kette ab, die sie immer um den Hals trug und dessen Anhänger noch nie ein Mensch zu Gesicht bekommen hatte, weil sie es hütete, wie ihren Augapfel.
 

„Verfluchter!“, rief sie. Sie hätte am liebsten etwas zerstört, was sehr kostbar war, doch sie riss sich zusammen. Als sie sich mit Wucht auf ihr Bett warf und eine Weile die Decke anstarrte, verflog ihre Wut, je genauer sie darüber nachdachte. Es traf sie, dass sie sich ihre Freiheit nicht mehr einfach nehmen konnte – das sie manchmal eben doch an die Zukunft denken musste, um kein Desaster anzurichten.
 

Sie stöhnte und fuhr sich durchs Gesicht. Sie hasste ihr Leben. Ja, langsam wurde ihr das atmen zu viel, weil sie mit jedem Atemzug weiter in ihren Untergang schritt. Sie hatte schon oft fieberhaft überlegt, wie sie diesem Schwur entkommen konnte, wie sie ihn austricksen konnte. Doch es fiel ihr nichts ein. Natürlich war es ihr möglich, sich nach der Heirat gleich zu trennen, doch man gab sich dabei ein Versprechen und Rose hielt immer ihr Wort. Ihre Ehre und ihren Stolz wollte sie bis zuletzt behalten – etwas, das man ihr nicht nehmen konnte. Vielleicht war das stur und sie könnte sich freikaufen, sobald sie ihren Stolz kurz vergaß – doch das würde sie sich nie verzeihen. So war sie nun einmal und das hatte man ausgenutzt, als sie sich am wenigsten dagegen wehren konnte.
 

Schuldbewusst stand sie auf und hob die zierliche Kette auf. Sie richtete ihren Zauberstab darauf und flüsterte leise „Reparo.“, sodass sich die Glieder von Zauberhand wieder zusammensetzten. Sie seufzte und legte sie wieder an. Dann schlüpfte sie in ihren Pyjama und zog die Vorhänge zu. Für heute wollte sie von der Welt dort draußen nichts mehr wissen.

Rosarot und bitterböse.

Hallo, Leute...
 

... ich wünsche euch einen wunderschönen guten Abend. Ich kann nur betonen, dass ich wieder einmal total froh darüber bin, dass das hier jemand liest und kommentiert. Es pusht mich ungemein und ich schreibe immer fleißig weiter. Scorpius ist euch also unsympathisch, ja? Das ändert sich. ^^ Und hey, es gibt jemanden, der Morgana mag, also außer mir natürlich! Das ist toll.
 

Im Übrigen, ich weiß nicht, ob ihr es schon gesehen habt, aber Dahlie (Dada^^) ist jetzt meine bezaubernde Beta-Fee und wird mir helfen, die Fehler, die noch im Detail stecken, auszumerzen.
 

Also sage ich jetzt ganz brav: Danke, Dada.
 

Euch anderen wünsche ich viel Lesespaß, wie immer.

Ich bin mal gespannt, was ihr davon haltet.
 

(übrigens abgemeldet: ich kann dir versprechen, dass du etwas zu lesen bekommst, dass dich erstaunt, schimpfen lässt und dass dich zwischendurch unterhält ^.~)
 

Vorhang auf.
 


 


 

Kapitel 5

- Rosarot und bitterböse. -
 

„Wie war dein Date mit David Jordan, Rosie?“, wollte Alice wissen und besprühte nebenbei das Gewächshaus mit einem Zerstäuber. Lily saß in einer anderen Ecke des Raumes und erledigte ihre Hausaufgaben für Verwandlung. In der letzten Zeit wirkte sie abwesend. Rose fragte sich, was ihr manchmal durch den Kopf ging, wenn sie gedankenverloren einen Punkt an der Wand anstarrte.
 

Eigentlich wollte Rose nicht mehr daran denken, denn der kleine Besuch ihres persönlichen Moralapostels Malfoy stieß ihr noch immer sauer auf, wenn sie versuchte an David zu denken und sich zu überlegen, wie sie nun vorgehen sollte.
 

„Nett“, sagte sie deswegen nur, verschwieg auch den Kuss, den er ihr gegeben hatte und Malfoys Warnung, mit der sie nun leben musste. Sie verschwieg ebenfalls ihren Wutausbruch. Stattdessen machte sie es sich auf dem Sofa bequem und starrte abwesend die Wand an. Alice schien auch nicht sonderlich interessiert an David gewesen zu sein, denn sie fragte nicht weiter nach. Stattdessen zupfte sie gewelkte Blätter ab und lockerte die Erde mit einem kleinen Stock.
 

„Wie denkst du inzwischen über Albus?“, fragte Rose.
 

Diesmal schien sie einen Nerv getroffen zu haben, denn die junge Professorentochter hielt in ihrer Aufgabe inne und biss die Zähne zusammen, um ihre schlechte Laune, ihre Verletzung und ihre Enttäuschung nicht an ihren Freundinnen auszulassen. Dann erhob sie sich in einer fließenden Bewegung aus ihrer Hocke und atmete tief ein und aus.
 

„Ich bin unschlüssig, was er mit diesem Verhalten bezwecken will, um ehrlich zu sein.“, sagte sie nur.
 

Rose blickte ihre beste Freundin an, wie sie – um Beherrschung bemüht – mit den zu Fäusten geballten, zierlichen Händen zitterte. Offensichtlich ging es Alice sehr an die Nieren, dass Albus sie nach all ihren Ermunterungen verschmähte und stattdessen lieber mit Morgana Greengrass ausging, die ihr ohnehin schon seit der ersten Klasse versuchte das Leben schwer zu machen und ihr nun auch noch Albus abspenstig machen wollte. Rose würde sich nicht wundern, wenn Albus Name demnächst zweimal auf der Racheliste auftauchte.
 

„Was vermutest du denn?“, wollte Lily wissen und sah von ihren Büchern auf. Alice stemmte die Hände in die Hüften und warf sich ihre Haare über die Schultern.
 

„Er will mir zeigen, dass er mich nicht nötig hat. Er will mich zappeln lassen, bis er mich da hat, wo er will. Aber dieses Spiel spiele ich nicht mit. Ich bin schließlich Alice Longbottom und auch die letzten Jahre ohne Albus ausgekommen.“
 

Rose bemerkte, dass Alice wirklich beleidigt war, auch wenn sie nicht ganz umhin kam, zu denken, dass sie es in gewisser Weise verdient hatte. Denn sie hatte Albus immer mit den gemeinsten Sprüchen abgewiesen, die ihre Kreativität in diesem Augenblick zustande brachte. Rose war sich sicher, dass ihrem Cousin Alices Signale nicht entgangen waren – sie identifizierte seinen Blick ihr gegenüber auch immer noch als liebevoll, doch er ließ sich nicht auch noch das letzte bisschen Stolz nehmen. Und Alice kam wie immer nicht mit einer Abweisung zurecht.
 

Das nächste Opfer auf der rosaroten, bitterbösen Streicheliste, war Albus Potter und für ihn hatte sich Alice etwas wirklich gemeines ausgedacht. Ausführerin war diesmal Rose, denn sie kannte ihren Cousin am besten und hatte ihn zuerst auf die Liste gesetzt.
 

Es war ein schöner Mittwochabend und die Schüler freuten sich, dass es auf das Wochenende zuging, als Rose – von Schatten zu Schatten schleichend – sich den Slytheringemeinschaftsräumen näherte. Sie fühlte sich wie ein Ninja – auch wenn sie dafür mit Sicherheit noch zu plump war. Zusammen mit Vitus MacCoy schlüpfte Rose in den Gemeinschaftsraum der Slytherins. Rose hatte erkannt, dass sie zwar mit den Schuhen unsichtbar war, aber immer noch einen Schatten warf. Gewöhnlich fiel es niemanden auf, doch bei den durchtriebenen Slytherins musste sie vorsichtig sein.
 

Sie sah sich einen Moment lang staunend in den Räumlichkeiten um. Es wirkte alles sehr teuer und elegant, ganz anders als die abgenutzten Möbel des Gryffindor-Turms. Ein Feuer prasselte im Kamin und vertrieb die Kälte des dämmernden Herbstes.
 

An Tischen saßen Schüler und paukten emsig, auf den Sofas unterhielten sich andere. Alles in allem schien es sehr ruhig zu sein in diesem Raum. Ruhig und gesittet. Wer würde da vermuten, dass Slytherin die beiden größten Scherzkekse in Hogwarts Geschichte hervor brachte? Scorpius Malfoy, seines Zeichens ein Genie, aber im Grunde nichts anderes als ein Weiberheld und Albus Potter, seines Zeichens Herumtreiber, aber im Grunde nur ein unsicherer Junge auf der Suche nach Anerkennung.
 

Sie sah auf die Karte des Herumtreibers nach Albus Aufenthaltsort. Noch immer hielt er sich in einem leeren Klassenzimmer auf – Rose vermutete, dass er dort mit Morgana fummelte. Es war eine perfekte Gelegenheit. Sie schlich in seinen Schlafsaal und erkannte recht rasch, welches Bett das von Albus war. Durchwühlte Laken, drei Liebesbriefe auf dem Nachttisch und ein Foto von Alice würde sie auch noch irgendwo finden, wenn sie suchte.
 

Ein heimtückisches Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie die Schachtel Pralinen auf seinem Kopfkissen platzierte. Albus hatte noch nie Schokolade stehen lassen und dieses Laster würde nun seinen Untergang bedeuten. Rose bewunderte Alice für diese Idee, auch wenn sie etwas perfide war und nicht gerade die feine englische Art. Zumindest war sie effektiv und schnell auszuführen. Alles, was man benötigte, fand man im Vorratsschrank des Zaubertrankunterrichts. Rose hatte sich selbst darum gekümmert und Alice hatte die passende Würze besorgt.
 

Wenn Albus diese Schokolade aß, würde er sich zumindest für die Lebensdauer der Schokolade unendlich in Scorpius Malfoy verlieben.
 

Doch um sich selbst zu versichern, hatte Rose auf die Innenseite der Schachtel das Gegenmittel genannt – es war Pegasuskraut und man musste dafür lediglich in die Gewächshäuser gehen oder im Zaubertrankunterricht nachfragen.
 

Als sie ihr Werk vollbracht hatte, schlich sich Rose mit einem zufriedenen Grinsen hinaus und kam schließlich im geheimen Clubraum an. Kichernd streifte sie die Stiefel ab und versteckte sie wieder hinter dem Bücherregal, wo Malfoy sie nie finden würde. Alice sah sie mit einer hochgezogenen Augenbraue an: „Mission erfolgreich?“, erkundigte sie sich und sah für einen Moment von ihrem Kräuterkundebuch auf.
 

„Aye, aye.“, sagte Rose und lachte. Dann setzte sie sich an den Schreibtisch und machte sich an ihre ausstehenden Verwandlungshausaufgaben. Diesen Aufsatz über Gestaltwandler hatte sie schon viel zu lange aufgeschoben und würde eine schlechte Note riskieren, wenn sie sie am nächsten Tag nicht hatte. In Gedanken stellte sie sich allerdings immer wieder das Schauspiel vor, dessen sie hoffentlich am nächsten Tag Zeuge würde.
 

Und der nächste Tag war tatsächlich der witzigste, den Rose je erlebt hatte. Eigentlich hatte sie Zaubertrankunterricht mit den Slytherins immer gehasst, doch nun hatte sie vor Lachen Tränen in ihren Augen. Scorpius war vollkommen hilflos und nahe einem Nervenzusammenbruch. Natürlich saßen Albus und er zusammen – schon immer. Eigentlich hatten sie meistens Blödsinn im Kopf, doch diesmal waren sie das erste Mal in ihrer Schullaufbahn angenehm ruhig. Das lag nicht daran, dass sie sich nichts zu erzählen hatten – Albus Herz lag auf seiner Zunge – es war vielmehr so, dass ihr Cousin die Gesichtsfarbe eines Krebses hatte, sobald ihn Scorpius auch nur ansah. Und das tat er nicht einmal auf eine besondere Art und Weise, sondern mit einer skeptisch hochgezogenen Augenbraue.

Rose und Alice hatten den besten Platz für dieses Schauspiel abbekommen – sie saßen hinter ihnen und verkniffen sich seit einer Viertelstunde das Lachen.
 

„Albus, Alter. Was ist denn nur los mit dir? Hast du eine Gräte verschluckt, oder warum redest du nicht mehr mit mir?“, wollte ein entnervter Scorpius Malfoy wissen. Hilflos schnitt er Unkenpilze in kleine Würfel und gab sie in den spuckenden Topf. Er sah Albus, der stumm seine Arbeit verrichtete an.
 

„Warum bist du heute schon den ganzen Tag rot im Gesicht?“
 

Albus hob die Schultern und warf ihm einen schüchternen Blick unter gesenkten Lidern zu. Ein feines Lächeln umspielte seine Lippen und damit erweichte er sogar Alice, die leise seufzte. Seine dunkelgrünen Augen flimmerten leicht, dann zuckte er zusammen und schrie leise auf. Er hatte sich – geistesabwesend, wie er war, in den Finger geschnitten. Erschrocken sah er ihn an, dann Scorpius, der ihn nahm, um sich den Schnitt genauer anzusehen.
 

„Ist halb so schlimm.“, sagte er nur und reichte Albus ein Taschentuch.
 

Zögernd nahm er es entgegen und bedanke sich mit zittriger Stimme.
 

„Sag mal, Al“, meldete sich Alice zu Wort. Der Angesprochene wandte sich zu ihr um und sah sie gleichgültig an. Einen Moment zögerte Alice, denn so hatte er sie noch nie in seinem ganzen Leben angesehen. Irgendwie war sein Blick meist amüsiert, aber nie gleichgültig. Rose sah, wie es in Alice arbeitete. Doch dann hielt sie sich an den Plan und fuhr fort:
 

„Wie war dein Date am Wochenende eigentlich?“
 

Rose wischte sich eine Träne aus ihren Augenwinkeln. Albus wirkte verwirrt, bis er sich zu erinnern schien, mit wem er ausgegangen war. Er kratzte sich verlegen am Kopf und warf einen unsicheren Blick auf Scorpius, der ihn immer noch ansah, als sei er ein Fremdkörper.
 

„Furchtbar.“, antwortete er wahrheitsgemäß.
 

In Alices Züge schlich sich Bestätigung und Genugtuung, doch sie gab sich redlich Mühe, diese vor Scorpius Augen zu verstecken, stattdessen meinte sie:
 

„Das ist aber schade. Ich habe gehört, dass ihr gestern noch was miteinander hattet. Und heute sagst du, es sei furchtbar – das ist aber nicht sehr nett von dir.“
 

„Was soll das, Longbottom? Willst du deinen Stolz wieder aufpolieren?“, mischte sich Scorpius ein. Albus sah ihn mit großen Augen an und errötete erneut, wie ein Schulmädchen. Dann sah er Alice verlegen an.
 

„Es gibt Dinge, die schon Ewigkeiten so sind und die einem erst über Nacht klar werden, Alice.“, antwortete Potter für sich selbst und sah sie vielsagend an.
 

Alice biss die Zähne aufeinander und sah ihm starr in die Augen, als habe er sie persönlich beleidigt. Rose war sich nicht sicher, was in diesem Moment in Alice Kopf vor sich ging, doch schließlich zwang sich die Professorentochter zu einem freundlichen Lächeln. Rose überlegte und dann fiel ihr auf, dass Albus ihre beste Freundin noch nie mit ihrem Vornamen angesprochen hatte und genau das war es, das sie aus der Fassung brachte.

„Hauptsache, sie werden einem klar.“, antwortete sie nur, dann beschäftigte sie sich zu auffällig mit ihrem Trank, als dass es natürlich wirkte.
 

Rose zog eine Augenbraue hoch und fragte sich, ob sich Alice mit dem Streich nicht selbst ein Loch gegraben hatte. War sie jetzt eifersüchtig auf Malfoy, weil Albus künstliche Gefühle für ihn hegte, die erst auf ihrem Mist gewachsen waren?
 

„Du siehst heute sehr glücklich aus, Al.“, sagte Rose nur und zwinkerte ihm zu, als wisse sie genau, was in ihm vorging. Und tatsächlich wusste sie das auch, immerhin hatte sie dafür gesorgt, dass alles reibungslos verlief.
 

Und sollte Malfoy auf den Trichter kommen, was mit seinem besten Freund los war, würde er die Auflösung des Rätsels im Deckel der Pralinenschachtel finden.
 

Beim Mittagessen, werteten Lily, Alice und Rose ihren Erfolg aus. Es gab Kichererbsensuppe und als wäre der Name Programm, verhielten sich die Mädchen auch. Immer wieder schielten sie zum Hausstisch der Slytherins und beobachteten Albus Verhalten dem Schulsprecher gegenüber. Er hatte ihm noch immer nicht seine Liebe gestanden, schlossen sie aus den misstrauischen Blicken Scorpius'.

Wahrscheinlich würde er es noch im Laufe des Tages tun.
 

„Wer ist der nächste auf der Liste?“, fragte Alice.
 

„Lysander Scarmander“, antwortete Lily.
 

Alice nickte. Dann erhob sie sich und verschwand mit einem Augenzwinkern.
 

„Will sie das gleich erledigen?“, fragte Lily verwirrt.
 

Rose hob hilflos die Schultern und ließ sie mit einem resignierten Seufzen wieder fallen. Sie hatte keine Ahnung, was Alice zur Zeit so sehr beschäftigte, dass sie sich in die waghalsigsten Abenteuer stürzte, ohne sich – wie üblich – doppelt abzusichern. Immerhin war sie Schulsprecherin und hatte mit diesem Amt eine Menge an Verantwortung übernommen. Doch alles, was sie in den letzten Tagen getan hatte, war Streiche zu spielen und zuviel Kraut zu konsumieren. Rose erinnerte sich nicht daran, sie dieses Schuljahr schon einmal mit einer Hausaufgabe gesehen zu haben und es war immerhin schon zwei Monate alt.
 

„Ich glaube, dass sie Albus Abweisung mehr beutelt, als sie zugibt.“, seufzte Rose und sah Alice hinterher. Ihr Blick war besorgt.
 

„Ist sie in Albus verliebt?“, fragte Lily immer noch verwirrt. Wenn, dann schien es die junge Potter nicht mitbekommen zu haben. Doch Rose schüttelte den Kopf, schließlich hatte sie keine Ahnung, wann das passiert sein musste.
 

„Keine Ahnung. Und wenn, dann aus den falschen Gründen. Wahrscheinlich nur, weil er sie nicht will. Alice sucht sich immer die Typen aus, die sie am Anfang nicht wollen um sich dann selbst zum Sieg zu gratulieren, wenn sie sie zu ihren Liebhabern zählen durfte.“, antwortete Rose und sah Lily in die Augen. Sie war genauso ratlos, wie sie.
 

„Irgendwie behandelt sie sich selbst nicht gut, dadurch.“, beurteilte Lily mit einem Schulterzucken und steckte sich einen Löffel Suppe in den Mund.
 

Dann sah sie wieder zu Albus, doch diesmal weiteten sich ihre Augen. Rose folgte ihrem Blick und stellte fest, dass Albus Scorpius zur Seite genommen hatte und nun versuchte, ihn mit wilden Gesten von sich zu überzeugen. Seine Wangen waren dunkelrot und seine Augen glänzten von Tränen der Verzweiflung.
 

Scorpius schien versteinert. Rose hatte ihm auch keine andere Reaktion zugetraut, als seiner bekannten Maske aus Egalität und Arroganz. Doch dann sah sie eine Regung in seinen sonst so kontrollierten Zügen. Er ballte seine Hand zu einer Faust bis die Knöchel weiß hervortraten, dann holte er in einer großzügigen Bewegung aus und schlug Albus kräftig ins Gesicht. Der Kopf des Jüngeren flog herum und Blut spritzte über den Tisch der Slytherins.
 

Das hatte zur Folge, dass einige Mädchen mit einem angewiderten Schreien aufsprangen und die Aufmerksamkeit der ganzen großen Halle auf die Jungen richtete. Schnell hatte sich eine Menschentraube um sie gebildet.
 

„Du bist nicht du selbst, Albus.“, schrie Scorpius ihn an. Rose hatte ihn noch nie so wütend gesehen.
 

„Also komm wieder klar.“, endete er. Albus war auf den Knien und gab ein paar unschöne Geräusche von sich. Vor ihm lag sein Schneidezahn, bei dem Madam Pomfrey mit Sicherheit noch ihre Arbeit hatte, ihn wieder an Ort und Stelle zu bringen. Doch das unschöne Geräusch war nicht von den Schmerzen – er weinte, schluchzte, schniefte und rotzte.
 

Rose wurde ganz anders bei diesem elenden Anblick. Sofort bahnte sie sich den Weg durch die Menge und war bei ihrem Cousin angekommen. Als Scorpius noch einen Schritt auf ihn zu machte, um ihm noch eine hinunter zu schlagen, sprang Rose auf und stellte sich dazwischen. Mit erhobenem Zauberstab stand sie dem Malfoy gegenüber und ließ ihn keine unbemerkte Bewegung machen. Diesmal war die Neugier geweckt, skandalfreudig tuschelten die Schüler, die sich um sie gescharrt hatten.
 

„Rühr' ihn an und du bist des Todes.“, drohte Rose gefährlich leise. Wo war eigentlich Lucy, wenn man sie brauchte? Oder Morgana, die offensichtlich momentan Albus Auserwählte war.
 

„Hast du überhaupt eine Ahnung, worum es geht?“, erwiderte Scorpius ungehalten. Rose war überrascht, denn es waren verdammt viele Emotionen für seine Verhältnisse. Sie hatte keinen Zweifel daran, dass es eine Übersprunghandlung gewesen war, seinen besten Freund für sein Liebesgeständnis zu schlagen. Doch Scorpius hatte zu viel Anstand, es vor den ganzen Schaulustigen zu wiederholen.
 

„Nein, nicht die Geringste.“, log Rose. „Aber nichts rechtfertigt es, seinen besten Freund zu verprügeln.“
 

Sie fuchtelte wild mit dem Zauberstab vor seiner Nase herum. Doch nun schien ihm endgültig der Kragen zu platzen. Mit einem großen Schritt überbrückte der den Abstand zwischen ihnen und sah Rose aus nächster Nähe direkt in die Augen. Seinen Zauberstab hatte er direkt an ihre Brust gedrückt.
 

„Misch dich da nicht ein, Wiesel.“, bebte er.
 

Aber im nächsten Moment hatte sich Albus aufgerichtet und sich zwischen beide gestellt. Er schien verändert. Immer noch blutete er aus dem Mund, doch seine Augen waren nicht mehr so verklärt, wie am Morgen. Rose kombinierte. Manchmal war kein Gegenmittel von Nöten – manchmal tat es auch ein zünftiger Schlag ins Gesicht.
 

„Alter, was ist denn hier los?“, fragte er verwirrt. Scorpius wollte auf ihn losgehen, doch Albus wich ihm geschickt aus und hielt ihm den Zauberstab unter die Nase.
 

„Was gehst du mich denn so an, Scorp?“, fragte er verwirrt.
 

Scorpius zögerte und sah seinem besten Freund in die Augen.
 

„Bist du wieder du?“, wollte er wissen.
 

Albus kratzte sich am Kopf. „Keine Ahnung, Alter. Ich erinnere mich nur noch daran, dass ich gestern die Pralinen gegessen habe.“
 

„Pralinen?“ Rose gratulierte sich für den misstrauischen Tonfall. Sie sah Albus an, als wisse er die Antwort schon.
 

„Ja, ich hab sie alle gegessen.“, meinte Albus.
 

Das Getuschel ging los.
 

„Habt ihr nichts besseres zu tun?“, fauchte Rose die Menge an. Und als sich langsam endlich jeder wieder auf seinen Platz begab, wandte sie sich an Albus.
 

„Wieso hast du mich geschlagen?“, wollte Albus wissen. Sein Ton war anklagend und diesmal war Scorpius der Verlegene.
 

„Du hast mir gerade gesagt, dass du mich liebst, Mann.“, sagte er schließlich.
 

Rose tat das, was man von ihr erwartete. Sie kombinierte – auch wenn sie des Rätsels Lösung schon längst kannte, tat sie so, als sei ihr gerade eben die Eingebung gekommen, was es mit Albus plötzlicher Verliebtheit auf sich hatte.
 

„In den Pralinen muss ein Liebestrank gewesen sein, anders kann ich es mir nicht erklären.“, meinte sie nachdenklich. Sie legte den Zeigefinger an ihre Lippen und tat überlegend.
 

„Das war ein echt übler Streich. Hast du eine Ahnung, wer dir das angetan haben könnte?“, fragte sie Albus.
 

Der Potter schien fieberhaft zu überlegen, dann meinte er: „Eigentlich mag mich jeder.“
 

In diesem Moment fing Scorpius schallend an zu lachen. „Und was ist mit den ganzen gebrochenen Herzen, Albus? Vielleicht war es eine von ihnen.“
 

Rose nickte. „Das ist gut möglich.“
 

Gerade als Albus etwas einwenden wollte, wurden sie von einem lauten Schreien unterbrochen. Die Gespräche in der Halle verstummten und alle suchten nach der Ursache für den Lärm. Sie tuschelten, suchten, während unablässig jemand schrie. Auch die Lehrer – alarmiert – waren aufgesprungen und richteten ihre Zauberstäbe in unterschiedliche Richtungen.
 

„Was zum...“, begann Rose, als ein Tumult ausbrach.
 

„Da!“, rief ein Ravenclaw. Rose folgte seinem Fingerzeig und entdeckte am magischen Himmel der großen Halle ein fliegendes Objekt.
 

Sie kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können. Je mehr es sich näherte, desto besser konnte Rose es erkennen. Albus und Scorpius schienen genauso verwirrt zu sein.
 

„Ist das eine Kloschüssel?“, fragte Albus mit einem Unterton, als könne er seinen eigenen Worten nicht glauben.
 

„Sieht so aus.“, bemerkte Scorpius trocken.
 

Rose erkannte den Schreienden. „Das ist Lysander Scarmander!“, rief eine Hufflepuff. Alle sprangen hysterisch auf, als die Kloschüssel mit enormer Geschwindigkeit näher kam und es sicher war, dass er irgendwo in diesem Raum landen würde.
 

Er schlitterte mit der Keramikschale unter dem Hintern über den Gryffindortisch und kam dort am Ende schlitternd zum Stehen – direkt vor Rose, Scorpius und Albus.
 

Die Augen des Jungen waren schreckenerregend, während die Klobrille unter ihm blinkte und langsam erlosch. Mit herunter gelassenen Hosen saß der Scarmander-Zwilling in der Großen Halle, von allen ungläubig angesehen. Dann erhob er sich rasch, wandte den dreien seinen nackten Hintern zu und übergab sich geräuschvoll in die Toilette.
 

Dann brach lautes Gelächter los.
 

„Es war ein Portschlüssel.“, flüsterte ein Mädchen aus Ravenclaw, als Rose an ihr vorbeischritt, auf dem Weg zu Kräuterkunde. Neben ihr lief Alice, ein gerissenes Lächeln umspielte ihre Mundwinkel, als sie die Gerüchte hörte.
 

„Armanda Parkinson hat mir auch erzählt, dass man Albus verzauberte Pralinen untergeschoben hat und er den darauf folgenden Tag in Malfoy verliebt war.“, kicherte eine andere.
 

„Und dann denk mal an Morgana Greengrass – der hat man auch einen üblen Streich gespielt.“
 

„Ich habe gehört, dass man Fred und Louis ins Büro des Direktors geladen hat. Die glauben, dass sie für diese Reihe Streiche verantwortlich sein. Besonders der nicht autorisierte Portschlüssel ist eine Straftat.“, meinte Hugo an zwei Mädchen gewandt.
 

Rose zog eine Augenbraue hoch und versuchte sich daran zu erinnern, wann sie ihren Bruder das letzte Mal in Begleitung von Mädchen gesehen hatte. Wahrscheinlich freute er sich darüber, etwas zu wissen, das andere nicht wussten. Auch wenn niemand eine Ahnung hatte, wer die Übeltäter waren – die Streichemeister waren in aller Munde. Irgendwie erfüllte es Rose, Lily und Alice mit Stolz, als sie als die schlimmsten Herumtreiber der ganzen Schulgeschichte bezeichnet wurden.
 

Als Hugo bemerkte, von seiner Schwester beobachtet zu werden, sah er erschrocken auf. Doch dann besann er sich und zwinkerte Rose verschmitzt zu. Offensichtlich hatte er die Handschrift seiner Schwester in den Schandtaten erkannt. Doch er verriet sie nicht, sondern zwinkerte ihr zu. Rose war stolz auf ihn – aus ihm war ein richtiger Weasley geworden.
 

„Fehlt nur noch Nathan Zabini, dann kommt dein Meisterstreich, Rose Weasley.“, flüsterte Alice, als sie in Kräuterkunde ankamen. Rose nickte, ihr Blick wirkte entschlossen.
 

Ihr Meisterstück sollte an ihrem ärgsten Kontrahenten ausgeübt werden – der unbestritten größte Abschaum auf der bitterbösen rosa Liste der Rache. Scorpius Malfoy sollte bluten, nur dieses eine Mal. Und Rose wusste schon genau, wie sie es anstellen wollte. Für die Rache an Lucy hatte Lily die nötigen Vorkehrungen getroffen, auch Armanda Parkinson lief nichts ahnend in Hogwarts herum. Diesen Witz würden Alice und Lily gleichzeitig zünden und er wurde schon seit drei Abenden geplant, noch bevor sie Lysander Scarmander die Schande seines Lebens angetan hatten.
 

Die Mädchen hatten alles genaustens geplant und Alice hatte mal wieder ihr Wissen in Sachen Kräuterkunde und Zaubertränke durchblicken lassen, als sie Lucys und Armandas Untergang besiegelten. Rose schloss einen Moment die Augen und genoss ihren Triumph über all die Personen, die ihr das Leben in Hogwarts unnötig schwer gemacht hatten. Nachdenklich spielte sie mit einer Strähne ihres Haares, als Albus mit einem Hüsteln hinter sie trat.
 

Überrascht wandte sie sich um.
 

„Al, was ist los?“, flüsterte sie und zog ihn etwas von der Gruppe weg, um nicht von Professor Longbottom entdeckt zu werden. Alice sah ihnen argwöhnisch dabei zu, dann bemühte sie sich ihren Vater mit ein paar Fragen vom Geschehen abzulenken.
 

„Geht ihr heute Abend zu Zabinis Geburtstagsfeier?“, fragte er ein bisschen verlegen. Nervös sah er sich nach allen Ecken um.
 

„Ja, wieso?“ Rose schien sichtlich verwirrt zu sein und fuhr sich durch die Haare, als Albus ewig keine Anstalten machte, ihr zu antworten.
 

„Es ist wegen Alice.“, gestand der Slytherin schließlich. Rose sah ihm an, dass es ihm nicht sehr leicht fiel, mit ihr darüber zu sprechen. Roses Blick wurde weicher.
 

„Ja?“, ermunterte sie ihn zum Fortfahren.
 

Verlegen sah er von einer Seite zur anderen. Dann seufzte er und bekam einen entschlossenen Gesichtsausdruck.
 

„Lucy und Morgana haben ein paar Jungs aus Hufflepuff und Slytherin dazu angestiftet, einen Wettstreit daraus zu machen, wer Alice als erster flachlegt. Lorcan Scarmander nimmt Wetten bezüglich ihrer Jungfräulichkeit an.“ , warnte er.
 

Rose zog eine Augenbraue hoch. Und fragte sich, was Morgana für einen Grund hatte, Alice so etwas anzutun. Sicherlich hassten sie sich seit der ersten Klasse, doch eigentlich hatte sich ihre Feindschaft immer auf einen verbalen Schlagabtausch konzentriert.
 

„Woher weißt du das?“, wollte Rose wissen.
 

Nun wurde Albus wirklich verlegen. „Paul Smith hat es mir gesagt, kurz bevor ich seinen Kopf ins Klo gesteckt habe.“
 

Rose musste kichern, denn sie konnte sich vorstellen, warum Albus es getan hatte. Sie war sich sicher, dass Paul Smith an dieser Wette teilnahm, schließlich erfreute er sich dank Alice einiger Aufmerksamkeit in den Reihen der Hufflepuffs. Vor allem Morgana musste ihn oft zur Seite genommen haben, um einige Neuigkeiten über Alice zu erfahren. Rose konnte es Paul nicht verübeln, dass er von Greengrass eingeschüchtert und begeistert gleichermaßen war. Immerhin war sie ein bildschönes Mädchen, dass nun ausreichend Zeit mit ihm verbrachte, dass er sich Hoffnungen machen konnte.
 

„Hat mich gefragt, ob ich mitmachen will.“, ergänzte er mit einem Schulterzucken. Er bemühte sich, unbeteiligt zu wirken, aber immerhin hatte er Paul Smith postwendend für sein Verhalten gestraft, anstatt auf diese Wette einzugehen.
 

„Ich wette, dass es etwas mit dir zu tun hat. Morgana braucht für eine solche Gemeinheit einen guten Grund.“, sagte Rose nachdenklich und legte den Zeigefinger auf ihren Mund, als helfe ihr das beim Überlegen. Wenn sie sich Albus ertappten Blick so ansah, konnte sie sich lebhaft vorstellen, was passiert war. Doch sie tat ihm den Gefallen und sprach ihn nicht darauf an. Stattdessen nickte sie langsam.
 

„Tja, du weißt ja, wie du Alice davor bewahren kannst.“, sagte sie schließlich. Damit versetzte sie ihn in Zugzwang und gratulierte sich innerlich dazu, den Dreh genauso gut heraus zu haben, wie Malfoy, wenn es darum ging, Menschen von gewissen Taten zu überzeugen – einfach gesagt: sie zu manipulieren.
 

Mit diesen Worten drehte sie sich um und ging wieder zu Alice. Diese sah sie fragend an, in ihrem Blick spiegelte sich eine Hoffnung wieder, die Rose den Atem nahm. Sie vermutete also schon, dass es etwas mit ihr zu tun hatte und was sie nun hoffte, konnte Rose ihr nicht sagen. Sie würde ihr nur das Herz brechen, wenn sie ihr von Morganas bösen Plan erzählte. Stattdessen nahm sie sich vor, sich auf Albus und sein edles Herz zu verlassen und im Zuge seines Scheiterns, immer noch einzugreifen, wenn sich ein Hufflepuff oder Slytherin an Alice heranwagte.
 

„Was wollte er?“, zischte sie.
 

„Kraut.“, sagte Rose so laut, dass Albus es verstehen konnte. Er sollte nur wissen, dass sie nicht vorhatte, ihre beste Freundin zu warnen und stattdessen Albus den Ritter spielen zu lassen.

Ungeplant.

Hallo, meine Lieben...
 

... ich entschuldige mich in aller Form für diese unerhörte Verspätung dieses Updates. Doch ich hoffe ihr seht mir nach, dass ich keine Vollzeitautorin bin und nebenbei noch studiere.

Trotzdem habe ich mich bemüht und die Story geht voran. Mich beschleicht das Gefühl, dass dieses Kapiteln einigen von euch gefallen könnte. :)
 

Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen und hoffe, ihr hinterlasst mir was, nachdem ihr euch durch die 14 Seiten (zumindest in OpenOffice) geschmökert habt.
 

Liebe Grüße und einen herzlichen Dank an meine Beta-Fee (*holt die Glitzer-Kanone und richtet sie auf die bezaubernde Dahlie*)
 

Kapitel 6

- Ungeplant. -


 

Rose flocht sich ihr rotes Haar zu zwei dicken Zöpfen, die sie über ihre Schultern fallen ließ. Dazu trug sie eine einfache Jeans und ein T-Shirt, auf dem der Name ihrer Lieblingsband stand: „Verlorene Propheten“. Heute wollte sie nicht kokettieren und nicht gefallen, heute wollte sie sie selbst sein. Auch wenn sie Malfoy dafür hasste, hatte er recht – es wäre unfair noch jemand anderen darunter leiden zu lassen, worunter sie nun schon seit Jahren litt. Sie würde einfach nur tanzen gehen, denn Zabini war für seinen wirklich guten Musikgeschmack bekannt. Und weil seine Eltern reich waren, spielte sogar eine Band für ihn zu seinem achtzehnten Geburtstag. Denn nun war er auch in der Muggelwelt volljährig. Er würde in der alten Lagerhalle des Honigtopfs feiern – ein großer Raum in Hogsmeade. Und nur die geladenen Gäste hatten für diesen Abend Ausgang ins Dorf. Schließlich war es kein offizielles Wochenende. Deswegen hatte Zabini sich die Mühe gemacht, alle Schüler ab der fünften Klasse aufzulisten und zu seinen geladenen Gästen zu zählen. Das war wirklich sehr sozial von ihm, denn wenn auch nicht alle erscheinen würden, hatten zumindest alle die Chance auf eine tolle Feier.
 

Alice hatte sich endlich wieder aus dem selbst geschaufelten Loch befreit und sich hübsch gemacht. Dass Albus sie auch diesmal nicht gefragt hatte, ob sie ihn begleiten wolle, hatte sie mit Würde getragen und trotzdem jeden anderen Jungen abgewiesen, mit dem Hinweis, mit ihren Freundinnen gehen zu wollen.
 

„Wer braucht schon Männer“, grummelte sie und band sich ihre Haare zu einem strengen Zopf. Rose mochte es, wenn sie die Haare so trug – da wirkte ihr äußeres feenhaft, mit den zarten Wangenknochen und der zierlichen Figur. Sie schlüpfte ebenfalls in ihr Lieblingsoutfit. Ein dunkelrotes T-Shirt mit einem schwarzen Pik-Ass darauf und eine enge Jeans, die sie schon Ewigkeiten hatte, zumindest kam es Rose so vor. Diesmal hatte sogar Lily darauf verzichtet, ein betörendes Aussehen zu wählen und kam in einem schlichten kurzen Kleid. Rose fand den Anblick ungewöhnlich, denn es war lange her, dass sie sie das letzte Mal darin gesehen hatte.
 

„Heute Abend rocken wir“, nickte Rose bestätigend und hakte sich bei ihren Freundinnen unter. Gemeinsam gingen sie bester Laune hinunter in die Eingangshalle und stellten sich in die Reihe Partygäste, die durch Filchs Kontrolle mussten, wenn sie feiern wollten.
 

„Lily Potter, Rose Weasley und Alice Longbottom“, sagte Alice rasch, als hätte sie keine Zeit, sich länger als eine Minute zu dem grimmigen Hausmeister zu gesellen.
 

„Schönen Abend, wünsch' ich“, meinte er nur, doch er ließ Zweifel an der Ernsthaftigkeit und entließ sie in die Freiheit.
 

„Hast du schon eine Ahnung, wer heute Abend spielen soll?“, fragte Lily. Rose schüttelte den Kopf, sie hatte sich sogar extra in der Gerüchteküche umgehört, doch nichts herausgefunden. Zabini schien sich gründlich darüber auszuschweigen. Ein wirklich guter Trick, um möglichst viele Gäste anzulocken.
 

„Bist du sicher, dass wir ihm heute einen Streich spielen sollten? Schließlich ist das seine Geburtstagsfeier“, gab Lily zu bedenken und kaute auf ihrer Unterlippe. Das war das erste Mal, dass Rose bedenken von ihrer Cousine vernahm. Doch Alice schüttelte nur ihren Zopf, ihr Blick verriet, dass sie keinerlei Skrupel hatte.
 

„Das ist doch ganz harmlos. Ich lasse ihn schließlich nicht mit einer Kloschüssel durch den Raum fliegen“, antwortete sie, als sie bei der Lagerhalle ankamen. Gedämpfte Musik drang nach draußen und einige Schüler standen vor der Tür und rauchten. Unter ihnen waren auch Albus, Scorpius und das Geburtstagskind höchstpersönlich.
 

„Hey, Alice...“, meinte Albus.
 

Skeptisch zog die Professorentochter eine Augenbraue hoch, sich nicht bewusst, weshalb sie plötzlich so viel Aufmerksamkeit bekam, dass Albus sie auch noch bei ihrem Vornamen nannte. Sie kamen vor den Jungs zum Stehen und sahen alle viel zu verwegen aus, als dass man glauben könnte, sie seien noch vor ein paar Jahren die größten Mauerblümchen Hogwarts gewesen.
 

„Hey“, sagte sie bemüht cool und Rose musste sich das Lachen verkneifen.
 

Lily fragte sich ebenfalls, was das Getue sollte, deswegen bemühte sie sich, möglichst interessiert irgendwo anders hinzusehen. Ihr Blick fiel auf Zabini, der ihn kurz erwiderte, doch sobald Albus zu ihnen sah, wandte er sich einem vorübergehenden Rock zu.
 

„Alles Gute, Zabini“, beeilte sich Rose zu sagen, die von diesem Spektakel nichts mitbekommen hatte.
 

„Albus und Malfoy haben uns verraten, worüber du dich freuen würdest“, ergänzte sie rasch und drückte ihm eine Tüte Pfeifenkraut in die Hand, an dem ein armseliges Schleifchen befestigt war. Erstaunt riss der Slytherin die Augen auf und ließ es schnell in seinen Hosentaschen verschwinden, bevor es jemand zu Gesicht bekam. Rose musste grinsen.
 

„Danke, Wies... Weasley“, antwortete er nur.
 

Rose nickte zufrieden, dann sah sie auf die schwere Eisentür der Lagerhalle. Wieder fiel ihr Blick auf Zabini, der immer noch etwas panisch war und Angst hatte, dass jemand das Tütchen gesehen hatte. Dass es zu ihrem bitterbösen rosaroten Plan gehörte, wusste er ja nicht.

Die Mädchen hatten eigentlich etwas viel gemeineres mit ihm vorgehabt, doch da er so sozial gewesen war, was seine Gästeliste anging und es auch sein Geburtstag war, hatten sich die Mädchen entschieden, das Kraut etwas zu verhexen. Er würde etwas mehr abheben, wenn er es rauchte und er würde denken, er habe Brüste und einen Elefantenrüssel an der Stelle seines besten Stücks. Nach einer Stunde wäre der Trip vorbei, doch sie freute sich schon, wenn Zabini sich bemühte cool zu bleiben, obwohl er gerade große Halluzinationen ausstand.
 

Worauf sich die Mädchen aber am meisten freuten, waren Parkinson und Lucy Weasley. Diesen Mädchen hatten sie heute beim Mittagessen ein paar der berühmten „Verräter-Pillen“ untergemischt, die Rose aus dem Versuchslabor ihres Vaters hatte mitgehen lassen. Eigentlich waren die Pillen dazu gedacht, bei betreffender Person einen schnellen Haarwuchs hervorzurufen und ihr Vater wollte sie eigentlich „Werwolf-Pillen“ nennen, doch leider klappte es nicht ganz. Die einzige Wirkung, die eintrat, war im Zusammenhang mit Alkohol zu erkennen. Deswegen waren es Verräter-Pillen.
 

„Viel Spaß damit“, meinte Rose nur und nickte Zabini zu. Dann gingen die Mädchen in die Halle.
 

Musik empfing sie beim Eintreten und begeistert blieben ihnen die Münder offen stehen. Man hatte eine angemessen große Bühne aufgebaut, der Charme einer alten Lagerhalle wirkte wie Rock'n'Roll. Das einzige, das nicht passte, waren die ganzen aufgeplusterten Mädchen in ihren Abendkleidern. Rose hasste es, wie sehr sie sich von ihnen unterschied. Während diese Mädchen auf der Suche nach einem Verehrer waren, würden sie keinen Spaß an der Musik und den Menschen haben. Es war viel wahrscheinlicher, dass Alice, Rose und Lily Komplimente bekamen. Denn wenn sie die Blicke, die ihnen zugeworfen wurden, beurteilte, kam sie genau zu diesem Ergebnis.
 

Rose sah sich um – die Bar war an der gegenüberliegenden Seite des Raumes. Sie schlenderte dorthin und bestellte drei Butterbiere für sich und ihre Freundinnen. In der Wartezeit sah sie sich weiter um. Ein paar Slytherins starrten Alice schon gierig an – Rose würde jeden einzelnen verprügeln, wenn Albus ihr nicht zuvorkam. Soviel stand fest. Alice schien es gar nicht mitzubekommen. Offensichtlich rechnete sie nicht damit, angesprochen zu werden, wenn sie sich nicht gerade aufgebrezelt hatte, als ginge sie zu einem Ball.
 

„Hier“, meinte Rose und reichte ihr eine Flasche Bier.
 

Die Mädchen hatten sich auf ein paar leere Fässer gesetzt und warteten biertrinkend auf die Band, während immer mehr Gäste erschienen.
 

„Rosie...“, merkte eine Stimme neben ihr an. Rose sah sich erschrocken um und erkannte ihren kleinen Bruder. Sie lächelte, doch sie fragte sich gleichermaßen, was er von ihr wollte. Eigentlich sprachen sie nicht sehr viel miteinander, wenn sie in der Schule waren.
 

„Hallo. Was ist denn los?“, fragte sie und sprang vom Fass.
 

Hugo errötete und dann nickte er in Richtung Alice. „Da gibt es eine Wette“, sagte er.

Rose schüttelte ihre Mähne und gebot ihm, nicht weiter zu sprechen. Davon sollte Alice nichts erfahren, schließlich sollte Albus die Chance haben, sich als großer Held aufzuspielen.
 

„Ich weiß, mach dir keine Sorgen. Ich passe schon auf“, beruhigte sie ihn.
 

„Okay.“ Mit diesen Worten verschwand er wieder zu einer Gruppe Mädchen, die ihm offensichtlich gerade davon erzählt hatten und nun Rose zulächelten. Sie war froh darüber, dass es tatsächlich noch anständige Mädchen an dieser Schule gab, die sich nicht diebisch freuten, wenn jede Woche eine andere dran glauben musste, was die Gerüchte anging und die Streiche.
 

Endlich kam eine Band auf die Bühne und stimmte ihre Instrumente. Rose zog überrascht beide Augenbrauen hoch und ihr Mund blieb offen stehen. Das war doch nicht möglich!
 

„Das sind... die Voodoopriester!“, rief Alice aus und war mit einem Satz von der Tonne gesprungen. Einige begannen zu jubeln, andere waren noch immer sprachlos. Konzertkarten kosteten ein Vermögen und jetzt spielten sie auf Zabinis Geburtstag.
 

„Der Frontmann ist Zabinis Bruder Daren“, flüsterte Lily. Rose hatte das gar nicht gewusst.
 

Schon jetzt wollte sie vor Freude auf und ab hüpfen und tanzen, bis sie eine Gehirnerschütterung bekam. Die anderen waren vollkommen vergessen – keine Jungs, keine Versprechungen, keine Streite. Endlich einmal wieder ein Abend mit ihren Freundinnen.
 

„Das ist Wahnsinn!“, schrie Alice gegen den Soundcheck und ihre Augen leuchteten vor Aufregung. Ungeduldig hüpfte sie auf und ab. Dann reichte ihr eine Hand ein zweites Bier. Ohne nachzudenken, nahm sie es. Erst als sie einen Schluck getrunken hatte, wandte sie sich um bemerkte überrascht Albus Anwesenheit. Erschrocken machte sie einen Schritt zurück.
 

„Danke, Potter“, sagte sie stockend. Er zwinkerte ihr auf diese äußerst charmante Art und Weise zu und lächelte verschmitzt. Dies war das berühmte Potter'sche Grinsen, das die Mädchen reihenweise in Ohnmacht fallen ließ, wenn man heutzutage noch so schnell in Ohnmacht fallen würde. Rose konnte sich ein Lachen nicht verkneifen, doch anstandshalber drehte sie sich dazu weg.
 

Dabei erkannte sie Scorpius in einer anderen Ecke des Raumes. Nachdenklich versuchte sie sich daran zu erinnern, wann sie ihn das letzte Mal in ganz normaler Kleidung gesehen hatte. Er trug eine Jeans und ein schwarzes T-Shirt. Diesmal waren die sonst so geordneten Haare nicht an Ort und Stelle, sondern lagen kreuz und quer, als sei er gerade erst seinem Bett entstiegen. Das schien Armanda Parkinson und einige andere Mädchen so sehr zu beeindrucken, dass sie sich in einer großen Traube um ihn versammelten und anhimmelten. Aber Malfoy interessierte sich natürlich nicht dafür. Sein Blick lag auf etwas anderem. Rose folgte seinem grimmigen Blick und landete direkt bei David Jordan, der sich den Weg zu ihr frei bahnte. Rose sah sich rasch nach einem Fluchtweg um, doch zu spät.
 

„Rose!“, rief er und rang sich ein fröhliches Lachen ab.
 

Die Weasley konnte nicht anders, als mit einem Lächeln reagieren, denn wenn David Jordan lachte, dann erhellte es den ganzen Raum, soviel stand fest. Lily sah Rose erstaunt an, dann David Jordan. Sogar Alice löste sich für einen Moment von der Unterhaltung mit Albus und sah David verträumt an.
 

„David...“, erwiderte Rose, als er vor ihr zum Stehen kam und erwartungsvoll ansah. Erwartete er einen Kuss? Da musste sie ihn leider enttäuschen, denn heute Abend waren ihr die Jungs egal und eigentlich hatte sie gedacht, dass es ihre Freundinnen genauso halten würden, doch Alice hatte als erste ihr Vorhaben abgeblasen und wandte sich wieder an Albus, der ihr endlich die ersehnte Aufmerksamkeit zukommen ließ, die sie ihrer Meinung nach verdient hatte.
 

„Wie geht es dir?“, wollte er wissen.
 

Rose lächelte und sah sich panisch im Raum um. Es kam noch schlimmer – offensichtlich war Malfoy jetzt endlich der Kragen geplatzt, als er David Jordan ihn bei ihr stehen sah. Denn langsam schlich er sich durch die Menge und kam auf sie zu. Hilfesuchend sah sie zu Lily, die wortlos zu verstehen schien. Schnell hatte sie David am Handgelenk gepackt.
 

„Lass uns für alle etwas Zutrinken holen“, sagte sie schnell.
 

Verwirrt ließ er sich hinter der Gryffindor herziehen und warf Rose einen kurzen Blick zu. Was seinerseits zur Folge hatte, dass Zabini, der sich dieses Schauspiel zunächst amüsiert angesehen hatte, nun mit einer grimmigen Miene die Bar ansteuerte. Langsam fragte sich Rose, was hier eigentlich vor sich ging. Doch sie war noch zu froh über Lilys schnelles Handeln.
 

Erleichtert wandte sich Rose um, um Malfoy zu begrüßen. Für ihren Geschmack hatten sie in letzter Zeit zu viel miteinander zu tun, doch sie ließ sich nicht beirren. Was ihn im Moment störte, war, dass David sich an dem vergriff, das ihm zustand. Rose wollte sich nicht für seine Gebietsansprüche hergeben, soviel stand fest – sie würde ihm nicht erlauben, jetzt eifersüchtig zu werden, sofern man es so nennen konnte, denn worum es ihm dabei ging, war nur er selbst.
 

„Malfoy, scheint als könntest du nicht genug von mir bekommen“, begrüßte sie ihn erneut und kniff ihre Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. Sie verschränkte ihre Hände hinter ihrem Rücken, als habe sie wirklich nichts zu verstecken.
 

„Ich habe dich gewarnt, was Jordan angeht, Wieselbee“, sagte er ruhig. Fast so als schäme er sich, so sehr aus der Haut gefahren zu sein, dass ihn sich hatte hinreißen lassen, unüberlegt zu handeln. Er senkte den Blick, doch Rose ließ sich von seinem Mienenspiel nicht beeindrucken, denn dessen war er Meister.
 

„Dabei scheinst du aber eines vergessen zu haben, Malfoy: noch entscheide ich über mein Leben“, entgegnete sie und hatte Lust, ihn zu ohrfeigen.
 

Doch stattdessen schenkte sie ihm ein hinreißendes Lächeln. Sie vergrub die Hände in den Hosentaschen und sah ihn von unten in die Augen. Mit den Zöpfen wirkte sie viel zu unschuldig um wahr zu sein. Scorpius zog eine Augenbraue hoch. Er hatte sich noch nie von dieser Masche beeindrucken lassen.

Er atmete gefährlich langsam ein, dann wieder aus und machte ein Gesicht, als hätte er ein Kleinkind vor sich. Beim besten Willen konnte er sich nicht vorstellen, weswegen sie sich so stur stellte – er wollte ihr wirklich nur dabei helfen.
 

„Na gut, Rose. Dann tu, was du nicht lassen kannst, trage die Konsequenzen aber selbst.“
 

Albus sah seinen besten Freund an. Nur er schien zu wissen, dass Scorpius innerlich kochte und Rose ihn am besten nicht weiter reizte, denn dann würde der Vulkan ausbrechen und wer am meisten darunter zu leiden hatte, wäre sie.
 

„Heute Abend interessieren mich sowieso keine Jungs, Malfoy. Also mach dir nicht in die Hose und genieße den Abend“, rief sie ihm nach, als er sich umgewandt hatte, um wütend davon zu stapfen.
 

Ratlos sah sie ihm nach, hob die Schultern und wandte sich wieder der Bühne zu, wo nun das erste Lied angestimmt wurde. Die harten Klänge der E-Gitarren schepperten durch die Halle, unterstützt vom tiefen Grollen des Basses. Als die Stimme des Sängers, und offensichtlich Zabinis Bruder, einsetzt, hielt Rose nichts mehr auf ihrem Platz.

Die Welt um sich herum vergessend, nicht einmal mehr an David Jordan denkend, kämpfte sie sich auf die hüpfende, wogende Tanzfläche. Rose schloss die Augen und ließ sich von der Musik mitreißen, rempelte andere an, fiel hin, ihr wurde aufgeholfen und sie hüpfte weiter. Sie grölte die Lieder mit, die sie kannte und hielt so bis zur ersten Pause durch.

Vollkommen verschwitzt und nach Wasser lechzend, entschlüpfte sie der Menge, wie einer zu groß geratenen Gummimasse. Doch das Lächeln auf ihrem Gesicht, war pures Glück und pure Leichtigkeit. Alice empfing sie mit einem Glas Kürbissaft und einem Zwinkern. Offensichtlich suchte Albus gerade die Herrentoilette auf, denn Alice zog sie zur Seite und meinte:
 

„Er weicht mir nicht mehr von der Seite und stiert jeden böse an, der mich ansieht“, kicherte sie. Ihre Wangen waren vor Freude gerötet. Rose bekam ein schlechtes Gewissen, denn wenn sie wüsste, weswegen Albus es wirklich tat, würde sie sich nicht mehr so sehr freuen. Doch Rose würde schweigen wie ein Grab und die Zeit für sich arbeiten lassen.

David kam erneut auf sie zu, doch Rose tat so, als sehe sie ihn nicht und verschwand nach draußen. Sie bog ungesehen um eine Ecke und versteckte sich in einer dunklen Nische. Mit einem Seufzen zündete sie sich eine Zigarette an und zog genüsslich daran. Fieberhaft überlegte sie, wie sie sich aus dem Dilemma befreien sollte, in dem sie sich befand.
 

„Bei Merlin!“, rief jemand.
 

Rose sah neugierig um die Ecke und entdecke Armanda Parkinson, die vollkommen grün im Gesicht war. Energisch rieb sie sich über die Wange um die Farbe wegzuwischen, doch es funktionierte nicht. Mit Erschrecken bemerkte sie, dass auch ihre Hand grün anlief. Rose verkniff sich ein lautes Lachen, um sich nicht zu verraten.

Ein zweites Mal wurde die Tür aufgestoßen und Lucy Weasley kam mit einer Schar gackernder Mädchen hinaus. Ein paar lachten, ein paar waren auch schockiert und Lucy selbst begann zu weinen. Sie war im Gegensatz zu Armanda Parkinson hellrot angelaufen. Es biss sich herrlich mit ihren dunklen Haaren, denn nun sah sie wirklich so aus, wie sie war: der Teufel höchstpersönlich.
 

Rose zog an ihrer Zigarette, dann trat sie sie aus. Ohne die Mädchen eines Blickes zu würdigen, ging sie wieder hinein. Alice kam ihr mit einem Lächeln entgegen und deutete auf die Tür.
 

„Hast du sie gesehen?“, fragte sie. Rose nickte und lächelte breit.
 

„Rot und Grün, wie eine Weihnachtsbeleuchtung. Sie werden noch zwei Tage so rumlaufen müssen, wenn Madam Poppins nichts einfällt“, kicherte Lily.
 

Alice sah Rose eindringlich an. „Hast du schon alles für Malfoy vorbereitet?“, fragte sie. Rose nickte, dann zwinkerte sie. Sie würde sich heute Nacht in die Schulsprecherräume schleichen und Malfoy den Streich seines Lebens spielen.
 

„Ja, deswegen werde ich auch gleich nach dem Auftritt verschwinden. Ich schätze mal, dass er sich noch um die passende Bettgesellschaft kümmern will. Also habe ich ein bisschen Vorsprung“, meinte Rose.
 

Für den Rest des Abends hielt sie sich von David und von Scorpius fern, der einzige Mensch in ihrer Nähe, war Albus und den hielt sie für ungefährlich, hatte er doch nur Augen für Alice, die er zu beschützen geschworen hatte.
 

Rose hatte leichtes Spiel, sich direkt nach dem Konzert ungesehen zu verdrücken. Malfoy würde ihr Meisterstück werden, wenn alles so klappte, wie sie es hoffte. Wahrscheinlich war sie die erste, die von der Feier zurückkehrte. Sie trug sich auf einer Liste, die Filch aufgehangen hatte, aus. Dann schlich sie dich in den geheimen Clubraum. Schnell holte sie die Schuhe aus ihrem Versteck und nahm ihren Zauberstab in die Hand.
 

Sie ärgerte sich, dass Alice zur Zeit die Karte des Herumtreibers hatte, doch sie hatte immerhin die Schuhe und wenn sie vorsichtig war, würde sie Filch auf nicht auffallen. Vorfreude schlich sich in ihr Gesicht, als sie die Gänge entlang schlich und sich auf den Weg in die Schulsprecherräume machte. Von Alice hatte sie das Passwort bekommen.
 

Die Gänge waren wie ausgestorben, nicht einmal einen Geist bekam Rose zu Gesicht. Sie kam bei einem überlebensgroßen Portrait eines Ritters in eiserner Rüstung und einer bedrohlich wirkenden Lanze an. Dahinter lagen die Räume der Schulsprecher.
 

„Passwort?“, fragte er müde und sein Pferd trampelte ungeduldig auf dem Boden. Es schnaubte, er wirkte gelangweilt.
 

„Succubus.“
 

Das Portrait schwang ohne ein weiteres Wort auf.

Sie trat leise ein und war überrascht, dass das Licht noch brannte und der Kamin prasselte. Egal, wie oft sie diese Räumlichkeiten sah, sie versetzten sie immer wieder in Staunen. Hier konnte man wirklich leben – ein Sofa stand vor dem Kamin und an den Wänden waren Schreibtische, auf denen sich schon Dokumente und Unterlagen stapelten.
 

Sie nahm die linke der beiden nebeneinander liegenden Türen und trat ein. Rose war erfreut, dass auch hier noch Licht brannte, das machte ihr Vorhaben bedeutend leichter. Gerade als sie sich an seinem Kleiderschrank zu schaffen machte, schwang die Tür auf. Rose hielt in ihrer Bewegung inne und drehte sich langsam um. Ihre Miene sah ertappt aus, sie wagte sich nicht zu rühren. Dann erinnerte sie sich wieder, dass sie ja unsichtbar war und gerade glücklicher Weise im Schatten stand und damit keinen werfen konnte. Sie sah sich um.
 

Es war Malfoy, um seine Hüften hatte er nur ein Handtuch geschlungen, auf seiner Haut glänzten noch ein paar Wasserperlen, wie kleine Diamanten. Seine Haare sahen ungewöhnlich dunkel aus, wenn sie nass waren und Rose war erstaunt über die veränderte Erscheinung, wenn etwas mehr Kontrast in seinem Gesicht zu finden war. Er pfiff irgendein Lied und warf das Handtuch auf das Bett. Wenn man Rose hätte sehen und hören können, hatte man ihr zischendes Einatmen zwischen die Zähne gehört und auch ihre Röte in ihrem Gesicht gesehen.
 

So sah der grande Malfoy also aus, wenn er sich nicht hinter seiner teuren Markenkleidung verstecken konnte. Rose war überrascht, dass er gar nicht so dünn war, wie sie immer gedacht hatte. Irgendwie sah er vor ihrem geistigen Auge nackt aus, wie ein kleiner Junge: schlaksig und lasch. Aber er hatte ein paar Muskeln. Hauptsächlich sah man die, die er auf dem Besen trainierte. Er flog für Slytherin als Jäger und das sah man seiner Statur auch an.

Die Mädchen in den Gemeinschaftsbadezimmern hatten also nicht gelogen mit ihren Schilderungen, wie Scorpius Malfoy nackt aussah. Auch wenn Rose es lachhaft gefunden hatte, wie sie versuchten sich in ihren Beschreibungen zu übertreffen, war ein Großteil tatsächlich zutreffend.

Scorpius kam ihr gefährlich nahe und sie befürchtete schon, dass er sie erkannt hatte, als er mit der Hand ausholte. Doch er griff neben sie und öffnete eine Kommode und holte seine Unterwäsche heraus.
 

Rose fragte sich ernsthaft, weswegen er schon heimgekehrt war und weswegen ohne Begleitung. Es sprach ganz und gar nicht für seine Art, sich für das Wochenende keine Beschäftigung zu suchen. Rose war irritiert und überlegte nun fieberhaft, wie sie sich aus dieser brenzligen Situation heraus manövrieren sollte, ohne dass er etwas mitbekam. Mist, die Aktion musste verschoben werden auf einen sichereren Zeitpunkt. Rose legte sich einen Plan zurecht: sie würde warten, bis er eingeschlafen war und sich dann aus dem Raum schleichen.
 

Scorpius seines Zeichens, hatte ein komisches Gefühl in der Magengegend. Deswegen war er auch früher von der Party seines Freundes verschwunden, zumal er nicht mit ansehen konnte, wie sehr sich dieser elende David Jordan um Rose bemühte und wie unvorsichtig Rose gewesen war, als sie sich diesen Spinner angelacht hatte. Und ja, es ärgerte ihn, dass es ausgerechnet Jordan war, sein ärgster Erzfeind seit der ersten Klasse. Hinzu kam, dass er sich ohnehin überflüssig fühlte. Nathan kümmerte sich um seine Gäste, hatte dabei aber nur eine Person im Sinn und Albus war mit seiner Retterrolle beschäftigt; seine Hoffnung auf Longbottom hatte er über die Jahre nicht begraben können.
 

Seufzend setzte er sich auf sein Bett und betrachtete nachdenkend die Wand, an dem ein Poster von Lynnie Owen hing, einer sehr anziehenden Schauspielerin, die sich auf einem Besen räkelte als sei es... etwas anderes.
 

Irgendwie war er unruhig und er konnte sich nicht erklären, wieso. Er legte die Stirn in Falten und legte sich in sein Bett. Er griff nach dem erstbesten Buch, das ihm in die Quere kam und setzte seine Brille auf. Diese trug er nur, wenn er allein war. Nicht einmal Albus wusste, dass er eigentlich eine Brille tragen musste. Zudem war es auch noch eine ungeheure Streberbrille mit Horn und Ecken.
 

Als Rose das sah, musste sie sich das Lachen verkneifen. Sie hatte gar nicht gewusst, dass Malfoy eine Brille trug. Damit sah er aus, wie ein Streber und so alles andere, als verführerisch und attraktiv. Es war kein Wunder, dass sie ihn noch nie damit gesehen hatte. Ein solches Nasenfahrrad, würde nicht einmal sie tragen. Sie legte den Kopf schief, um herauszufinden, was er las. Natürlich war sie nicht überrascht, dass es eine Biografie über Albus Dumbledore war, dem ehemaligen Schulleiter Hogwarts und ein bedeutender Voldemort-Gegner. Rose verlagerte ihr Gewicht, um bequemer zu stehen, als Scorpius seine Brille von der Nase rutschte.
 

Mit einem Satz war er aufgesprungen, hatte das Buch vom Bett gefegt und stand nach zwei großen Schritten vor ihr. Sie gab einen entsetzten Schrei von sich, den er nicht hören konnte, machte kehrt und wollte davon laufen, als er sie an den Hüften zurück in den Raum zog und anschließend auf das Bett schleuderte. Sofort hatte er sich auf sie geschmissen und hielt ihr den Zauberstab unter das Kinn. Zumindest vermutete er, dass es sich dort befand.
 

„Rose, Rose, Rose. Ich hätte etwas mehr Vorsicht von dir erwartet“, seufzte er.
 

Er war sich seiner Sache noch etwas sicherer, als er ihren Geruch wahrnahm. Er war nichts Besonderes und glich keiner Blume. Es war einfach Roses Geruch, er konnte es einfach nicht erklären. Scorpius spürte, wie schnell sich ihr Brustkorb hob und senkte und genoss es für einen Augenblick, dass er sie in seiner Gewalt hatte. Es schlich sich sogar ein Lächeln in seine sonst so gleichgültigen Züge.
 

„Lass mal sehen... was wird es sein, das dich unsichtbar macht. Potters Umhang kann es nicht sein, den hat Albus in seinem Schrank. Vielleicht sind es die roten Stiefel, die du seit Wochen in deinem kleinen Raum versteckst...“ Seine Hand fuhr langsam ihre Seiten hinab, während ihr Atem noch schneller ging und er sich nicht sicher war, ob es die Aufregung war, oder seine Berührung.
 

Schließlich ertastete er den Schaft ihrer Stiefel und zog kräftig daran. Kaum, dass der rechte Stiefel angefallen war, löste sich der Zauber der Schuhe und Rose nahm unter ihm Gestalt an. Schwer schnaufend lag sie auf seinem Bett – mit geröteten Wangen und einem entschlossenen Blick in den Augen, der ihn abwartend musterte.
 

„Ich dachte mir schon, dass ich auch auf eurer Liste stehe“, sagte er schließlich und nahm den Zauberstab von ihr, machte allerdings keine Anstalten von ihr herunter zu gehen. Rose starrte ihm mit ihren braunen Augen in seine und er kannte den Hass schon, der ihn darin erwartete. Deswegen sah er über einen Punkt knapp unter ihrer Augenbraue – ein kleiner Leberfleck, der wahrscheinlich noch nie jemandem aufgefallen war.
 

„Woher wusstest du es?“, fragte sie ruhig, aber atemlos.
 

Scorpius zuckte so gut es ging mit seinen Schultern und nahm einen amüsierten Ausdruck an.
 

„Es war nicht schwer zu erraten, wenn man sich die Opfer ansieht. Irgendeine von euch fehlt auf mysteriöse Art und Weise immer, wenn ein solcher Streich stattfindet. Allerdings hätte ich nicht gedacht, dass du dich so leicht erwischen lässt“, erklärte er.

Er versuchte sich zu konzentrieren, auch wenn er ihre Brüste unter sich spürte und ihr schweres Atmen ihn an etwas ganz anderes erinnerte, als genau diese Situation. Es war paradox, dass die Frau, die er nun unter sich hatte, seine Verlobte war und sie ihn so sehr hasste, wie keinen anderen Mann in ihrem Leben. Rose Weasley war ihm so fremd – er konnte sich keine Persönlichkeit unter diesem Namen vorstellen, obwohl er sie bald zu einer Malfoy machen würde. Dies war befremdlich.
 

Ruckartig löste er sich von ihr, als sei sie brennend heiß oder hoch ansteckend und setzte sich neben sie auf den Bettrand. Sie schien noch immer wie versteinert zu sein. Ihre Augen waren weit aufgerissen und sie betrachtete ihn, als sei er ein wildes Tier, dessen Reaktion sie nicht einschätzen konnte.
 

„Du brichst unser Abkommen, Malfoy“, sagte sie schließlich tonlos und drehte ihren Kopf, sodass sie ihn sehen konnte. Ein Lächeln umspielte ihre Mundwinkel.
 

„Wodurch?“, wollte er wissen – sich keiner Schuld bewusst.
 

Rose zwinkerte und musste ihn angrinsen, weil es so offensichtlich war.
 

„Ich sollte dir egal sein, wenn wir in Hogwarts sind“, sagte sie schließlich und ihr Blick wanderte an ihm herab und mit jedem Zentimeter wurde ihr Grinsen breiter. Scorpius hörte auf, ihrem Blick zu folgen, denn er wusste schon, worauf sie anspielte. Doch anstatt sich zu schämen sah er ihr direkt in die Augen, sodass sie errötete.
 

„Schande über mich, Weasley, habe ich es doch tatsächlich geschafft, dich als Frau wahrzunehmen.“ Er wirkte amüsiert und von oben herab.
 

Rose bekam rote Flecken im Gesicht, weil sie wütend wurde, vielleicht auch, weil es ihr peinlich war. Sie kniff die Augenbrauen zusammen und stierte ihn an, als würde er von allein in Flammen aufgehen, wenn sie nur genügend Hass in ihren Blick legte.
 

„Denk bloß nicht über mich, als wäre ich irgendein Mädchen, dass dir jeden Tag über den Weg läuft und das du eines Tages vernaschst. Deine Hure werde ich nie, Malfoy“, spuckte sie ihm entgegen.
 

Nun wurde Scorpius Gesichtsausdruck ärgerlich. Rose schreckte zurück, denn so hatte den sonst so beherrschten Malfoy nie gesehen. Unwillkürlich rückte sie ein Stück von ihm fort und versuchte sich aufzurichten, als er sie mit der flachen Hand schnell zurück auf den Rücken drückte. Rose atmete unter dem Druck seiner Hand rasch aus und sah ihn erschrocken an.
 

„Rühre mich nicht an, Scorpius“, bebte sie wütend. Und schubste ihn von sich weg. Versuchte es zumindest, denn irgendwie brachte sie ihn so wenig in Bewegung, wie einen zwanzig Tonnen schweren Stein.
 

„Ich muss mir nur Mühe geben, Rosie. Dann stöhnst du genau wie die anderen unter mir“, flüsterte er dich an ihrem Ohr.
 

Nun atmete Rose merkbar schneller. Sie schien fieberhaft ihre Flucht zu planen, oder ihn zu schlagen, Scorpius war sich nicht hundertprozentig sicher.
 

„Sei nicht so selbstverliebt, ich will dich doch gar nicht“, sagte sie schließlich und es war an ihr, ihn verächtlich anzusehen. Doch anstatt aufzustehen und zu gehen, blieb sie liegen und besiegelte ihren Fluch, denn Scorpius streckte nur die Hand aus und berührte die Haut an ihrem Hals. Langsam strichen seine Finger entlang der feinen silbernen Kette hinab zu ihrem Ausschnitt. Rose atmete nur noch stoßartig, doch unternahm nichts, sondern sah ihm nur herausfordernd in die Augen.
 

„Was versteckst du bloß seit Jahren?“, fragte er und sah in ihre Augen.
 

Rose – verwirrt über seine unpassende Reaktion – besann sich ihrer Position und sah an sich herab. Er war ihren Brüsten gefährlich nah und sie wusste nicht, was sie unternehmen sollte, weil sie sich nicht einmal sicher war, wie es hatte dazu kommen können. War sie noch sie selbst? Was tat sie hier? Was tat er hier? Es war sein Zimmer. Sie war der Eindringling. Also: was tat sie hier nur?
 

Scorpius fischte mit der feinen Silberkette den Anhänger hervor, bevor Rose etwas dagegen unternehmen konnte. Sie ließ den Kopf auf die Matratze fallen und sah ihm dabei zu, wie er den schmalen Ring erstaunt wieder erkannte und ihn in den Händen drehte.
 

„Den hast du noch?“, fragte er überrascht.
 

Es war wirklich ein billig aussehender Ring mit einem Glassteinchen, der einen Edelstein imitieren sollte. Er war nicht einmal aus echtem Silber – die Kette war mehr wert als der Anhänger, das wusste Rose schon seit Jahren.
 

„Natürlich“, sagte sie, als sei es ihr peinlich und wollte schnell das Thema wechseln.
 

„Aber weshalb?“ Er schien es nicht ganz durchdringen zu können und sah sie fragend an, als könne er sich tatsächlich keinen Reim darauf machen, weswegen sie ihn schon seit fünf Jahren zu jeder Tages- und Nachtzeit trug und es nie jemandem zu sehen gestattete.
 

„Du hast ihn mir geschenkt.“
 

Er sah ihr in die Augen als suche er nach irgendwas.
 

„Aber er ist Schrott.“
 

Rose zog die Augenbrauen zusammen und nahm ihm den Ring aus der Hand, als habe er ihn entweiht. Und tatsächlich hatte er das, als er es als Schrott bezeichnete.
 

„Ist er nicht. Das war das einzige Mal, dass aus freien Stücken nett zu mir warst. Das bedeutet mir was, okay?“, fauchte sie ihn an und wurde zugleich rot.
 

Scorpius sah sie an, als hätte er sie noch nie gesehen und das gefiel ihr nicht. Sie hatte ihn überrascht und verwundert, irgendwie hatte sie sich selbst auch bloß gestellt und blamiert, aber nichts rechtfertigte den Blick. Es war, als hätte sie ihn gerade ins Gesicht geschlagen.
 

„Bild dir nichts drauf ein“, hauchte sie.
 

Er grinste und schüttelte den Kopf. „Nein, tu ich nicht. Es wundert mich nur, dass du so sentimental bist.“ In seiner Stimme schwang Verachtung.
 

„Einmal, will ich es tun“, sagte er schließlich. Rose zog eine Augenbraue hoch. Wovon redete er da? Doch sein Gesicht kam ihrem nicht langsam näher, plötzlich war es einfach da. Er küsste sie stürmisch, unbeholfen, hart.
 

Rose riss die Augen auf und wusste nicht, wie ihr geschah, da setzte er schon ab. Er atmete schwer und sah in ihr Gesicht, dann traf sein Blick ihren. Und ehe sie sich versah, wurde aus einem Mal ein zweites. Sie war so perplex, dass sie gar nicht bemerkte, dass sie ihm beim zweiten Kuss, der eigentlich nie geplant war, ein Stück entgegen kam. Sie schloss die Augen, als sie merkte, dass seine Lippen wunderbar warm und weich waren. Sie genoss es, dass sie eine seltsame Wärme umgab und sie sich sicher vorkam. Rose öffnete ihre Lippen ein Stück weit und drängte sich an seinen Körper, der genau diese Wärme auszustrahlen schien, die durch ihre Sachen sickerte und direkt auf ihrer Haut einen öligen Film zu hinterlassen schien.

Doch irgendwann war der Kuss aufgeküsst und sie setzten mit Schnaufen ab. Rose kam langsam zu sich rekapitulierte, dass sie sich gerade hatte gehen lassen, dass sie ihn gerade geküsst hatte, nachdem er sie geküsst hatte und eigentlich war der zweite Kuss nie geplant gewesen. Ein Unfall. Ein wirklicher Unfall.
 

Sie stieß ihn von sich und sprang auf ihre Beine. Malfoy folgte ihr und stand ihr einen kurzen Moment gegenüber, in dem sie ihn verständnislos und verzweifelt ansah, als hätte er gerade ihr kleines perfektes Weltbild zum Einsturz gebracht. Scorpius fiel es wie Schuppen von den Augen, als er sie so vor sich stehen sah, mit dem entsetzten Blick, den roten Wangen und den schnellen Atem. Rose war unschuldig – mit jeder Faser ihres Körpers eine Jungfrau.
 

„Rose...“, sagte er leise.
 

Doch im nächsten Moment hatte sie schon ausgeholt und ihm eine schallende Ohrfeige gegeben, sodass sein Gesicht herumfuhr und sich binnen zweier Sekunden ein roter Abdruck auf seiner Wange bildete. Er hielt den Kopf zur Seite und sagte, als Rose nichts sagte, sondern nur schwer atmete:
 

„Die habe ich nicht verdient, Rose. Das weißt du“, sagte er leise.
 

Im selben Moment machte sie auf dem Absatz kehrt und stürmte aus dem Raum. Scorpius sah ihr nach und versuchte nachzustellen, was in den letzten zehn Minuten in diesem Raum passiert war und er wusste immer noch nicht, welche guten Geister ihn verlassen hatten, so eine Aktion zu bringen.
 

Das Schlimme war nicht sein Kuss, das wusste er. Das wahrhaft Schlimme war der nie geplant gewesene zweite Kuss, den Rose so innig erwidert hatte. Er hätte es nie für möglich gehalten, dass er sie zu so etwas hinreißen konnte und dass er sich selbst zu so etwas hinreißen ließ.
 

„Verfluchter Mist“, entfuhr es ihm, doch das Lächeln kam ihm trotzdem über den Lippen, auch wenn er es verhindern wollte.
 

Endlich konnte er sich einen Reim darauf machen, weswegen Rose es so kurz vorm Ende ihrer Freiheit noch einmal richtig wissen wollte – weswegen es ihr so wichtig gewesen war, mit David Jordan auszugehen und ihn zu küssen. Und er konnte sie verstehen – wahrscheinlich hätte er nicht anders gehandelt in ihrer Situation.
 


 

Schweigend lief Alice neben Albus her. Verlegen sah sie sich bemüht genau ihre Umgebung an, die sie bereits kannte, wie ihre Westentasche. Ab und zu warf sie Albus einen schüchternen Blick zu, denn nun, da sie seine ersehnte Aufmerksamkeit hatte, wusste sie nichts mehr damit anzufangen.

Er hatte seine linke Hand in der Jackentasche, mit der rechten rauchte er eine selbstgedrehte Zigarette. Zigaretten war ebenfalls eine Sache, die mit der Enthüllung der magischen Welt rasch Einzug erhielt.

Seine Haare lagen wirr auf seinem Kopf, bis vor kurzen hatte er sich noch total verausgabt beim Tanzen. Albus Augen huschten rastlos von einer Sache zur anderen, so als suche er in der Dunkelheit rechts und links des Weges nach einem Angreifer.
 

Eigentlich suchte er aber nach Morgana, von der er befürchtete, sie würde ihn beobachten. Es gefiel ihr mit Sicherheit nicht, dass er ausgerechnet mit Alice Longbottom durch die Gegend lief, auch wenn sie keinen Anspruch auf ihn erheben konnte. Es war ja nur ein Date gewesen.
 

Als sie in Hogwarts ankamen und Alice den geheimen Clubraum ansteuerte, während sie verzweifelt versuchte zu einer Kräuterpfeife zum Abschluss zu überreden, blieb Albus stehen. Er war ihr eine Weile gedankenverloren gefolgt und nun fragte er sich ernsthaft, was er hier eigentlich tat. Er in den letzten Jahren nichts mehr begehrt, als einen solchen Abend mit ihr. Doch nun, da es so weit war und Alice ihn unter dubiosen Umständen in den Clubraum bringen wollte – wahrscheinlich hatte sie vor, ihn zu verführen und wenn schon nicht das, dann zumindest den einen oder anderen Kuss zu bekommen – wurde ihm eines klar: das hatte er nicht mehr nötig.
 

Er konnte andere Mädchen haben, die sich wirklich für ihn interessierten und das nicht nur dann, wenn er sie abwies. Scorpius hatte verzweifelt versucht, ihm genau das deutlich zu machen, war aber immer an der Blindheit seiner Verliebtheit gescheitert. Nun musste sich Albus wohl oder übel eingestehen.
 

Jetzt, wo er sie hätte haben können – wollte er sie nicht mehr.
 

Alice blieb mit erröteten Wangen vor dem Eingang des Raumes stehen und wartete auf eine Antwort. Albus (wieder zur Besinnung gekommen) traf in diesem Moment seine Entscheidung.
 

„Gute Nacht, Alice“, sagte er nur und wandte sich zum Gehen um.
 

Man hörte, wie ihr der Kiefer herunter klappte und sie wie ein Fisch nach Luft, in ihrem Falle nach Worten suchte.
 

„Willst du mich denn nicht küssen?“ Albus blieb stehen und war versucht, sein ganzes Vorhaben in den Wind zu schlagen, nur um endlich zu erfahren, wie es war, sie zu küssen. Er wandte sich um, doch als er sie wieder ansah, sah er nur ihre Empörung, nicht ihre Enttäuschung.
 

Für sie war der Fall klar gewesen: jetzt folgte der Kuss. So lief es immer. Und er war sich sicher, dass sie sich seiner sicher war. Genau das ließ ihn schief grinsen – nicht über sie, er war im höchsten Maße selbstironisch. Hätte er vor ein paar Jahren von diesem Abend gewusst, hätte er sich selbst einen Idioten gescholten.

„Vor ein paar Monaten hätte ich mich darum geprügelt. Aber um ehrlich zu sein, will ich das nicht“, sagte er, auch wenn es ihm schwerfiel.
 

Alice war kein Mädchen für ihn.
 

Vielleicht war das einzige Reizvolle an ihr nur, dass sie die einzige war, die sich nicht liebend gern bei erstbester Gelegenheit an seinen Hals geworfen hat. Vielleicht war er genau in diesem Punkt keinen Deut besser als sie.
 

„Und warum?“, wollte sie wissen. Und endlich hörte Albus die ersehnte Enttäuschung – der Punkt, der sein Herz jubeln ließ, weil es ihr etwas bedeutete.
 

Doch es gab kein Zurück mehr.
 

„Ich bin dir fast sechs Jahre lang nachgelaufen, Alice. Aber nach diesen sechs Jahren muss ich erkennen, dass ich offensichtlich nicht dein Typ bin. Du hast mir mal was bedeutet – nur aus diesem Grund habe ich dir den Gefallen getan, heute auf dich aufzupassen“, erklärte er bemüht knapp, um konsequent zu bleiben.
 

Alice stand der Schock ins Gesicht geschrieben. Jetzt war der Punkt, an dem er gehen sollte.

Und er tat es.
 

Doch im Davongehen rief er ihr noch zu:
 

„Übrigens: die Alice, die ich mochte, musste anderen keinen Schaden zufügen um sich selbst etwas besser zu fühlen. Das mit den Pralinen nehme ich dir übel.“
 

Rose stolperte gehetzt die Flure entlang auf den Weg zum geheimen Clubraum, um sich mit Alice zu treffen. Sie war verwirrt, in ihrem Kopf schwirrten die Stimmen ihres Gewissens. Sie rieb sich energisch die Schläfen und versuchte den Gedanken zu vertreiben, dass es sich vor zwei Minuten noch so warm angefühlt hatte und ihr nun, so sehr sie es leugnete, ohne ihn kalt war. Verflucht, was war nur in sie gefahren? Wieso war sie nicht einfach abgehauen?
 

Wieso hatte sie ihn ein zweites Mal geküsst – es war doch nie geplant gewesen. Es war nie so gedacht gewesen.
 

Rose schlang ihre eigenen Oberarme um ihren Körper und schlich die Gänge entlang, darauf bedacht, Filch nicht in die Arme zu laufen. Denn das konnte sie nun schon gar nicht gebrauchen. Sie drückte, an besagter Wand angekommen, die Steine nach hinten und schob die Tür, die sich preisgab, zur Seite.

Sie sah Alice schon auf dem Sofa hocken.
 

„Alice, du glaubst nicht, was mir -“, setzte Rose an, doch dann sah sie die schwarzen Striemen in Alices Gesicht, die der verlaufene Mascara hinterlassen hatte. Ihre Augen wirkten entsetzlich Rot vor dem dunklen Hintergrund der Schatten, die unter ihnen lagen.
 

„Alice! Was ist passiert?“ Rose kam hinüber an das Sofa und sie kniete sich davor, um zu ihrer besten Freundin aufsehen zu können.
 

Sie schniefte und sah sie an. „Wieso will er mich denn nicht mehr?“, schluchzte sie und presste ein zerfetztes Taschentuch an ihren Mund, als könne sie auf diese Weise verhindern, dass sie weiter schluchzte.
 

„Oh, Alice...“, seufzte Rose und begann ihr Knie zu tätscheln.
 

„Er hat sich doch die ganze Zeit mit dir unterhalten...“, meinte Rose, als suche sie nach einer Erklärung dafür, das Albus wieder einmal seine Meinung geändert hatte. Sie nickte und schniefte erneut.
 

Alice begann schluchzend zu erzählen, was passiert war und weswegen sie nun weinte. Rose hatte Mühe ihre Worte zu verstehen, so erstickt waren sie manchmal, doch immer tätschelte sie unablässig ihr Knie, während Alice am ganzen Leib zitterte.
 

Danach sah Alice Rose in die Augen, als habe sie einen Geist erblickt. Ihre Haare hingen ihr wirr im Gesicht und sie sah aus wie eine Vogelscheuche, wenn Rose ehrlich war.
 

„Wovor hat er mich denn beschützt?“, wollte sie wissen, ihre Tränen waren wie weg gewischt. Auch wenn sie vermutete, eine rhetorische Frage zu stellen, machte Rose den Mund auf, um zu antworten:
 

„Greengrass hat eine Wette auf dich angesetzt. Derjenige, der dich heute zuerst flachgelegt hätte, hätte die Einsätze der anderen bekommen. Damit wollte sie beweisen, dass du eine verklemmte Jungfer bist.“
 

Alice zog beide Augenbrauen hoch und schien nicht zu verstehen, wie Albus sie hatte davor beschützen wollen, dass man sie auf diese Art und Weise beleidigte und sie trotzdem nicht küssen wollte. Ihr Mund verzerrte sich vor inneren Schmerzen und ihr Blick verdunkelte sich.
 

„Diese Greengrass kriegt den Hals einfach nicht voll“, fauchte sie und ballte ihre Hand zu einer Faust.
 

„Du solltest sie in Ruhe lassen. Offensichtlich hast du mit deinem Streich an ihr mehr kaputt gemacht, als ganz“, warnte Rose und Alice Blick änderte sich.
 

Sie sah ihre beste Freundin weich an, als habe sie soeben eine Erkenntnis gewonnen, die ihr Rose zwischen den Zeilen transportiert hatte. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen, auch wenn es mit dem restlichen Aussehen eher aussah, wie das Gesicht einer Wahnsinnigen.
 

„Du denkst, dass ich noch eine Chance habe, ihn von mir zu überzeugen“, stellte sie fest.
 

Rose konnte nicht widersprechen, weil sie sich nicht sicher war, ob sie das nicht tatsächlich transportiert hatte. Sie hoffte inständig, dass sie sich nicht irrte, als sie schließlich nickte. Alice Blick wurde entschlossen, ihre Lippen schmal auf einander gepresst – sie sah durch Rose hindurch auf einen Plan, den die Welt noch nicht gesehen hatte.
 

„Bevor du versuchst ihn zu erobern solltest du dich fragen, was du gewinnen willst“, warnte Rose. Schließlich hatte sie Albus sechs Jahre lang abgewiesen und nun wollte sie ihn plötzlich so sehr wie nichts anderes auf der Welt. Es kam ihr schon so vor, als sei der einzige Reiz, der Alice antrieb, der, dass sie ihn nicht haben konnte. Deswegen wollte sie ihn.
 

Das schien Alice etwas auszubremsen und schließlich nickte sie. „Du hast Recht. Ich sollte darüber nachdenken.“
 

Rose nickte. „Was wolltest du mir eigentlich erzählen?“, fragte Alice, die sich an Roses Eintritt erinnerte.
 

Doch die Rothaarige winkte ab. „Nicht so wichtig“, behauptete sie schnell und lächelte.
 

Was Alice nicht gebrauchen konnte, war, dass Rose die zwei Küsse bekommen hatte, die sie verdient hatte, ohne sie wirklich zu wollen. Rose hätte liebend gern die Küsse abgegeben, wenn man sie gefragt hätte, was mit den zwei Küssen, die in der Luft lagen, geschehen sollte. Außerdem war es wirklich nicht so wichtig, wenn sie es nicht erst dazu machte, indem sie unnötige viele Worte darüber verlor. Sie wollte dem Spektakel keine Bedeutung beimessen.

Ein Mädchen kämpft.

Einen wunderschönen guten Abend, liebe Leser und ein gesundes neues Jahr.

Ich hoffe ihr habt euch zuhause alle mit Plätzchen und Weihnachtsgans vollgestopft und seid damit wohl auf und gesund ins neue Jahr gerutscht.

Ihr habt aus genau diesem Grund so lange nichts von mir gehört, doch jetzt kommen die Updates wieder regelmäßig. Zumindest versuche ich das. Ab jetzt kriegt auch nicht mehr jeder eine ENS von mir, sondern nur die Leute, die mir im letzten Kapitel einen Kommentar hinterlassen haben. ^^ Das wird mir sonst zu viel.
 

Außerdem möchte ich zu Rons Verhalten Stellung beziehen: ihr habt vollkommen Recht. Wahrscheinlich würde er das wirklich nicht machen. Deswegen heiße ich auch nicht JKR. ^^ Ich hoffe mit dieser kleinen, freien Interpretation meinerseits, könnt ihr leben. Geld war ja schon immer eine der mächtigsten Triebfedern menschlichen Handelns auf dieser Welt.
 

So, nun aber genug geschwafelt. Viel Spaß mit Kapitel 7... ich hoffe ihr habt genauso viel Spaß beim Lesen, wie die liebe Dahlie, die meine Beta-Fee ist. Noch ein Dank an dich, Dada.
 

Eure Darki
 


 

Kapitel 7

- Ein Mädchen kämpft. -
 

Alice sah am nächsten Morgen so aus, als habe sie die ganze Nacht kein Auge zugemacht und sich stundenlang im Bett herum gewälzt, so sehr, wie ihre Haare vom Kopf ab standen. Das Schlimme daran war, dass Rose keinen anderen Anblick gab. Und Lily hatte auch nicht geschlafen, denn sie war aufgezogen wie eine Spieluhr und machte alles, was sie tat mit doppelter Geschwindigkeit. Rose, die Lilys Enthusiasmus mit Argwohn begegnete, fragte sich, was ihre liebste Cousine in so gute Laune versetzte.
 

„Zu welchem Entschluss bist du gekommen, Alice?“, wollte Rose wissen und rührte lustlos in ihren Cornflakes herum. Sie hatte den Kopf, der gefühlte Tonnen wog, auf ihren Händen abgestützt – ihre Haare sahen kein Stück besser aus, als die von Alice.
 

„Er ist mir einen Kampf wert“, antwortete sie und lächelte müde. Nach Kampflust sah das nicht aus.
 

Lily sah zwischen ihren beiden besten Freundinnen hin und er und fragte schließlich mit vollem Mund:

„Albus?“
 

Alice verzog angewidert das Gesicht, schließlich nickte sie und ihr Blick war auf ihr Ziel gerichtet. Rose wagte es gar nicht, ebenfalls an den Tisch zu sehen, weil sie fürchtete, dass Scorpius hämisches Lächeln sie erwartete. Sie wollte ihn nicht sehen – er erregte zu viel Abscheu in ihr mit seinem schmierigen, aufdringlichen Verhalten.
 

„Ich wünsche dir viel Glück“, sagte Rose schließlich.
 

Sie bekam gar nicht mit, dass David Jordan sich ihr näherte und sich schließlich neben sie setzte. Offensichtlich guter Dinge, hatte sie ihm am Vorabend doch erklärt, dass sie wegen ihren Freundinnen anwesend war und sie sich um sie kümmern wollte. Aber dass sich keine von ihnen an den männerlosen Abend gehalten hatte, hatte sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht gewusst.
 

„Ich würde mich gerne heute Nachmittag mit dir treffen, Rosie“, sagte er unvermittelt.
 

Rose zuckte erschrocken zusammen, als sie ihn endlich bemerkte. Sie schlug die Hand vor den Mund und unterdrückte einen Schrei. Dann beruhigte sie sich wieder. Panisch sah sie sich nach Malfoy um, ob er nicht schon wieder auf dem besten Wege war, ihr ihre kleine Romanze mit David zu vermiesen. Er sah sie zwar an, stellte sie fest, doch das erste Mal schien es ihn nicht zu interessieren, dass sie gerade David Jordan ausgewählt hatte und er war auch nicht auf dem Weg zu ihnen.
 

„Klar“, besann sich Rose und lächelte.
 

Vielleicht hätte sie am Ende des Tages Gelegenheit, ihm mitzuteilen, dass sie sich nicht mehr treffen konnten. Denn was sie sich in ihrer durchwachten Nacht noch bewusst geworden war, war ihr Gewissen und ihr Moralgefühl. Sie würde niemandem Schmerzen zufügen, wenn sie es nicht verhindern konnte. Und bei David konnte sie es durch Ehrlichkeit verhindern. Sie wollte auf keinen Fall so skrupellos wie Malfoy werden – sie wollte alles andere als er sein.
 

David lächelte sie hinreißend mit weißen Zähnen an. Seine Augen funkelten sogar und ihr Herz wurde weich, wenn sie daran dachte, dass sie ihn nicht mehr würde küssen können. Auch wenn sie es nur das eine Mal getan hatte, wollte sie es unbedingt wieder. Es war so herrlich unschuldig und unerfahren gewesen – Rose würde es vermissen.
 

Alice entstieg ihrer Asche, wie ein Phönix. Noch am selben Tag, hatte sie ihre alte Selbstsicherheit wieder, ihr Selbstvertrauen und eine gute Portion Selbstbewusstsein. Das nächste Wochenende würde wieder ein Hogsmeade-Wochenende sein – das letzte vor den Weihnachtsferien. Inzwischen war es draußen Winter geworden und die Nächte wurden unerbittlich kalt.
 

Rose hatte sich vor drei Wochen wirklich mit David getroffen und sie hatte es nicht übers Herz gebracht, seinen Küssen zu widerstehen und auch nicht den treuen Augen. Seitdem verbrachten sie viel Zeit miteinander, auch wenn sie sich nicht ständig küssten und kein offizielles Paar waren, wussten sie die Anwesenheit des anderen zu schätzen. Er hatte manchmal diese Sehnsucht nach ihr in den Augen, dass sie sich fast sicher war, er wusste, dass dieser Zustand nicht von Dauer war, wenn er sie küsste. (Heimlich, nach dem Unterricht in abgelegenen Gängen.)
 

Rose fand seine Lippen so weich, wie keine Anderen und sie fand, dass seine Küsse nach Freiheit schmeckten, auch wenn ihr Scorpius' warnende Blicke nicht entgingen, schaffte sie es, sich für fast einen ganzen Monat in eine Wunschvorstellung zu verlieben, die so nie stattfinden würde.
 

Und kaum, dass sie ihren Hausaufgaben hinterher gerannt war, sie eilig zu erledigen und die Nachmittage mit David in der Bibliothek auf den Sofas zu verbringen, war das Wochenende gekommen.
 

Es war Freitagabend, als Alice sich das Haar über die Schultern warf und mit festem Schritt auf Albus zuhielt, der gerade mit dem Essen fertig geworden war. Sie setzte sich ihm gegenüber an den Tisch und sah ihm entschlossen in die Augen. Ihr Auftreten hatte etwas Offizielles, weswegen Albus sich anfangs nicht sicher war, ob sie als Schulsprecherin oder als Alice Longbottom zu ihm kam.

Nervös sah er sich nach einem Fluchtweg um. Ihm war nicht entgangen, dass sie nett zu ihm war und sich die letzen Wochen so ins Zeug legte, dass er fast dachte, sie meine es wirklich ernst.

Verflucht, natürlich wusste er das. Und es machte ihn wahnsinnig, nicht einen Schritt auf sie zugehen zu können.

Nun saß sie ihm gegenüber. Sie war bei weitem nicht so cool, wie sie tat, bemerkte er, als er ihre zitternden Hände bemerkte, die sie nur auf den Tisch gelegt hatte, um diesen Fakt zu verbergen. Sie kaute auch unbewusst auf ihrer Unterlippe herum, dann sagte sie schließlich:
 

„Geh mit mir aus am Samstag.“
 

Albus zog eine Augenbraue hoch und musterte sie lange.
 

„Wieso sollte ich, Alice?“, fragte er schließlich resigniert.
 

Er hatte keine Geduld mehr, dieses Spiel durchzuhalten, deswegen wirkte er zeitweilig etwas ungehalten, wenn sie in seiner Nähe war.
 

„Jeder hat eine Chance verdient. Das waren deine Worte in der vierten Klasse.“
 

Albus konnte sich gar nicht mehr daran erinnern, umso erstaunter war er, dass sie es tat. Alice kam nun – in der siebten Klasse – wirklich zu ihm, als habe sie nichts mehr zu verlieren und bat ihn um ein Date. Der Traum des Drittklässlers wurde in diesem Moment erfüllt und doch konnte er sich noch nicht darüber freuen.
 

„Ich habe dir dieses Jahr schon eine gegeben, Albus. Du bist lieber mit Morgana Greengrass gegangen. Aber jetzt fordere ich meine Chance“, setzte sie hinzu, als er nichts sagte.
 

Albus legte den Kopf auf seine Hände und sah sie lange an, als suche er in ihren Augen einen Funken Eigenantrieb. Wollte sie das wirklich oder wollte sie es nur, weil sie es nicht haben durfte? Albus würde es nicht herausfinden, wenn er ihr nicht diese Chance gab und genau deswegen war sie nun hier am Slytherintisch und legte ihre Karten auf den Tisch.
 

„Genau eins“, sagte er schließlich.
 

Alice Augen begannen zu strahlen, als sie ihr Glück kaum fassen konnte. Sie hatte schon damit rechnen müssen, sich ihr Date zu erbetteln, wie er es über Jahre getan hatte. Sie wäre auch vor ihm zu Kreuze gekrochen, wenn es nötig gewesen wäre, doch das musste er nicht erfahren. Offensichtlich klappte es auch ohne Demütigung ihrerseits.
 

Im selben Moment fiel eine Gabel mit lautem Scheppern auf den Teller und Morgana Greengrass – die zarten Hände zur Faust geballt, starrte ihn an – erhob sich und verließ ohne ein weiteres Wort den Raum. Albus fragte sich, was sie sich eigentlich dachte – sie waren nicht zusammen und gingen auch nur miteinander aus. Das gleiche Recht konnte momentan noch jede andere für sich beanspruchen.
 

„Danke“, seufzte Alice und versuchte sich ihre Erleichterung nicht zu sehr anmerken zu lassen. Morgana ignorierte sie komplett.
 

Er grinste. „Ich warte um drei an der Treppe auf dich.“, sagte er schließlich.
 

Sie nickte und erhob sich wieder. Als sie auf dem Weg zurück zu ihren Freundinnen war, versuchte sie nicht zu jubeln und sinnlos herum zuspringen, um ihrer Freude Luft zu machen. Kontrolliert setzte sie einen Fuß vor den anderen, doch ihr Gesicht strahlte wie 200 Watt, was Albus leider nicht mehr sehen konnte.

Rose zwinkerte ihr zu, als sie gemeinsam nach oben gingen. Sie hatte das ganze Geschehen von Weitem beobachtet.
 

„Herzlichen Glückwunsch“, flüsterte Rose und Alice grinste breit.
 

Sie machten sich auf den Weg zu ihrem Clubraum, denn schon vor zwei Tagen hatten sie sich vorgenommen, eine Pfeife zu rauchen und waren vor lauter Hausaufgaben und Schulsprecherpflichten immer noch nicht dazu gekommen. Rose sehnte sich nach einer Mädchenrunde. Es war seltsam geworden, seit Alice sie sich auf einen Jungen festgelegt hatten, obwohl sie das nie wollten und eigentlich das Jahr über vorhatten, alles mitzunehmen, was ihren Weg kreuzte. Es war überraschend wenig aus ihrem eigentlichen Vorhaben geworden.

Lily seufzte, als sie eintrat und ließ sich der Länge nach auf die Couch nieder. Ihr schien eine Mädchenrunde genauso zu fehlen, wie Alice und Rose.

Alice putzte die Pfeife aus und stopfte sich eine perfekte Mischung aus Muggeltabak und Pfeifenkraut zurecht. Sie ließ sich auf dem alten Kanapee nieder und Rose musste mit dem weichen Fell vor dem lodernden Kamin vorlieb nehmen.
 

„Was ist also seit dem letzten Mal passiert, dass wir zusammen geraucht haben?“, wollte Rose wissen und sah ihre Freudinnen mit einem fragenden Gesicht an.
 

Beide schienen sich Mühe mit einem gedanklichen Resümee zu geben, schließlich meinte Alice:
 

„Ich bin bei Albus abgeblitzt. Und habe ihn jetzt doch noch überzeugen können.“, seufzte sie.
 

Rose nickte.
 

„Und ich treffe mich mit David Jordan, der mich am liebsten den ganzen Tag küssen würde.“,

grinste Rose, auch wenn sie in Gedanken hinzufügen musste, dass sie seit der letzten Pfeife noch eine Sache zum ersten Mal gemacht hatte: Scorpius Malfoy zu küssen.
 

„Und wir haben unsere Rache vollbracht“, fügte Lily hinzu. Doch sie sah aus, als wollte sie erst etwas anderes sagen.
 

Alice nickte bekräftigend und kicherte bei der Erinnerung eines fliegenden Scarmanders auf einer Kloschüssel in der Großen Halle.

Die Tür schwang auf und wieder einmal hatten es Albus und Malfoy geschafft, genau den richtigen Moment abzupassen, um zu stören. Mehr noch, sie brachten auch noch Nathan Zabini mit, der eigentlich nie hätte eingeweiht werden dürfen.

Sie hatten sich seit der letzten Pfeife nicht einmal in diesem Raum blicken lassen, doch nun, da sie endlich ungestört rauchen wollten, tauchten sie auf.

Lily und Alice waren alarmiert aufgesprungen und versuchten zu verstecken, was sie gerade im Begriff waren zu tun, doch es hatte keinen Sinn, denn im ganzen Raum roch es schon nach getrockneten Kräutern, ohne, dass sie sich eine Pfeife anstecken mussten. Rose blickte die Eindringlinge feindselig von ihrem Platz aus an.

Albus tat so, als sei nichts zwischen ihm und Alice vorgefallen und alles beim alten. Alice tat das gleiche, um ihre Selbstsicherheit zu bewahren. Lily war plötzlich ziemlich ungeschickt und warf nach einer ausladenden Geste fast eine Vase um. Sie wirkte nervös und aufgekratzt. Rose zog eine Augenbraue hoch.
 

Irgendwas war mit Lily, wurde sie das Gefühl nicht los. Sie verschwieg ihr etwas und ihre Stimmungsschwankungen waren auch ungewöhnlich. Doch sie besann sich und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf die ungeladenen Gäste.
 

„Hey“, meinte Rose nur.
 

Scorpius nickte fahrig, dann setzte er sich ebenfalls auf den Boden, als hätte man ihn dazu eingeladen. Albus setzte sich neben Alice auf das Kanapee und starrte seine Cousine an, um nicht seine Angebetete anzustarren.
 

„Was wollt ihr hier?“, fragte Rose bemüht gleichgültig.
 

„Mitrauchen, natürlich“, sagte Albus.
 

Rose grummelte ein wenig vor sich hin. Dann seufzte sie, denn abschließen konnte sie den Raum nicht und genauso wenig ihren Cousin, ihren Verlobten oder den Freund ihres Cousins rauswerfen. In jedem Falle wäre das übertrieben gewesen.
 

„Schweine“, fluchte Rose, doch dann musste sie grinsen. Gerissene Schweine.
 

Alice nahm die Pfeife hinter ihrem Rücken hervor und zündete sie mit der Spitze ihres Zauberstabes an. Sie nahm einen tiefen Zug, zündete sie nochmal an und wiederholte das Schauspiel, dann ließ sie sich nach hinten in die Kissen sinken und überließ die Pfeife Albus, der um einiges schneller und geschickter im wiederbefüllen war. Und so machte die Pfeife ihre Runde, bis Rose an der Reihe war und langsam den schweren Rauch ausatmete. Sie hatte die Augen halb geschlossen und genoss die erste wohlige Welle der Taubheit ihrer Sinne.
 

Das war das erste Kraut aus eigenem Anbau, die Mädchen hatten so lange damit gewartet, bis es vollständig durch getrocknet war. Rose hatte sich verschätzt, denn es ließ sie bedeutend weiter abdriften, als sie es geplant hatte.
 

Alice stand schwerfällig auf und schaltete das kleine Radio an, dann ließ sie sich wieder wie ein nasser Sack neben Albus fallen und schloss die Augen, um auch keinen Ton zu verpassen. Rose tat es ihr gleich und überließ die Pfeife Scorpius, der mit Belustigung die Mattigkeit der Anwesenden bemerkte. Vor allem Rose schien sich etwas überschätzt zu haben, denn sie lag da, als warte sie darauf, in den Teppich zu sickern.
 

Als er sich ebenfalls niederließ, legte Rose sich auf die Seite und betrachtete sein Profil. Sie hatte ihre Knie an den Oberkörper gezogen und beobachtete ihn von einer sicher Zelle [Zelle? Ähm… du weißt sicher, was ich sagen will, oder? ;- ] aus. Immer wieder fing sie an zu kichern, weil sie etwas Witziges an ihm entdeckte. Zum Beispiel sah seine Ohrmuschel aus, wie der Kopf eines Kobolds bei Gringotts.
 

Er sah sie fragend an, doch dann schien er zu verstehen, dass sie wohl im Moment alles Mögliche witzig fand und es gar nicht so sehr etwas mit ihm zu tun hatte.

Er nahm die gleiche Haltung ein und sah sie eine Zeit so an. Keiner bekam es mit, weil Alice so sehr mit der Musik beschäftigt war und Albus zu sehr mit Alice. Und was Lily und Zabini machten?

Rose sah aus den Augenwinkeln, wie beide stocksteif dasaßen und kalkweiß im Gesicht waren. Als hätten sie einen Geist gesehen.
 

Sie schwiegen eine Weile und lauschten der Musik.
 

Nach einer Weile, sah Scorpius Rose an, als habe er ihr etwas zu sagen. Sie sah auf und traf seinen Blick. Dann musste sie wieder grinsen, weil sie an den Kobold in seinem Ohr dachte.
 

„Ich würde gerne morgen mit dir ausgehen, Rose“, flüsterte er, als würden sie belauscht.
 

Rose grinste. Irgendwie war das romantisch, wenn sie sich das recht überlegte. Vielleicht lag es nur am Kraut oder am Feuer im Kamin, vielleicht an der Musik.
 

„Wieso?“, fragte sie.
 

Er nahm eine ihrer Strähnen zwischen seine Finger und ließ sie hindurch gleiten, während er nachzudenken schien. Dabei hatte sich eine kleine Falte zwischen seinen Brauen gebildet, als hätte er Mühe, seine eigenen Gedanken zu vertonen.
 

„Jeder hat eine Chance verdient. Das hat Alice heute zu Albus gesagt und ich hätte gern meine Chance. Ich habe Jordan genug Zeit gegeben. Ich hätte jetzt gern meine“, antwortete er.
 

Rose zog eine Augenbraue hoch.
 

„Weißt du denn nicht, dass ich über Weihnachten bei deiner Familie bin?“, fragte sie. Dann sollte er gewiss genug Zeit haben. Sie würden sich schon früh genug nerven.
 

Scorpius nickte. „Doch. Aber das ist etwas anderes.“
 

„Hast du deswegen die Trainingszeiten der Ravenclaws auf dieses Wochenende gelegt?“, fragte Rose mit einem verschmitzten Grinsen.
 

Scorpius antwortete nicht, sondern lächelte nur. Das war ihr Wahrheit genug. Rose überlegte eine kurze Zeit lang. Auch wenn diese Idee die Ausgeburt eines Rausches war, hatte er Recht. Jeder hatte seine Chance verdient, auch wenn es Rose mehr als alles andere überraschte, dass Scorpius nach einer solchen verlangte. Schließlich war es Malfoy – verflucht, eigentlich sollten sie keine Zeit miteinander verbringen – sie wollten doch frei sein, dieses eine Jahr noch. Aber wenn er seine Chance aus welchen Gründen auch immer, haben wollte, hatte er auch ein Recht darauf, sie zu bekommen und danach konnten sie noch immer so frei wie möglich sein.
 

„Okay, ich gebe dir deine Chance“, sagte sie schließlich.
 

Zufrieden, wie ein satter Säugling, drehte er sich auf den Rücken und versuchte das Lächeln in seinen Mundwinkeln zu verstecken, die Rose gleich entdeckt hatte. Sie schloss die Augen und genoss die Musik, die nur von dem Prasseln des Feuers unterbrochen wurde.
 

Der nie geplante zweite Kuss war es gewesen, der Rose diese Entscheidung hatte treffen lassen. Manchmal waren Dinge einfach magisch, auch wenn es Dinge blieben. Küsse waren solche Dinge.
 

Rose wusste nicht, was sie erwartete, als sie sich für das Hogsmeadewochenende hübsch machte. Sie sah sich übermäßig kritisch im Spiegel an, zog eine Augenbraue hoch und versuchte sich vorzustellen, wie der Tag verlaufen würde. Als sie sich das erste Mal mit David getroffen hatte, hatte sie zumindest noch eine Vorstellung von dem, was sie tun würde. Von Scorpius musste sie sich vollkommen überraschen lassen. Sie legte ihre Stirn in Falten und schloss sorgsam die Knöpfe ihrer Strickjacke, um Zeit zu schinden. David hatte sie nichts von dieser Verabredung erzählt, er war auch viel zu beschäftigt mit seinem Training. Wenn sie ehrlich war, dann wollte sie ihm auch nichts davon erzählen. Es war ihr Geheimnis und sie musste es nicht mit jedem teilen, obwohl sie schon die Gerüchteküche brodeln hörte, sollte man sie zusammen mit dem jungen Malfoy sehen.
 

Wie seine und ihre Geschichte ausging, wusste sie schon. Da gab es keinen Spielraum für Nervenkitzel. Umso mehr wunderte sie sich, dass er außerhalb dieses Paktes sein Interesse bekunden wollte. Alice stand hinter ihr und sah ihr dabei zu, wie sie sich innerlich zerfleischte, während sie nach außen vollkommen ruhig wirkte.
 

„Warum bist du so aufgeregt?“, wollte sie wissen, den wissenden Blick einer Freundin in den Augen. Ihre Arme hatte sie abwehrend vor der Brust verschränkt. Sie selbst schien wegen ihres Kampfes um Albus kein bisschen besorgt zu sein. Rose fragte sich, was ihre beste Freundin ihrer Sache so sicher machte.
 

„Ich weiß es nicht genau. Irgendwie ist das komisch“, seufzte Rose. Alice sah sie an, als verstünde sie alles, was sie sagte, doch verstehe dabei kein Wort. Rose wunderte sich nicht, sondern drehte sich zu ihr um.
 

Ihr Blick glitt an Alice herunter und sie wunderte sich, dass Alice komplett auf Makeup verzichtet hatte und auch auf feinen, aufreizenden Fummel. Lediglich ihre Haare hatte sie zu einer schönen Frisur gesteckt. Was mochte ihr Plan sein? Auf natürlich machen? Bei Albus ein heikles Unterfangen, waren doch die meisten seiner kurzzeitigen Freundinnen eher oberflächlich gesinnt. Doch vielleicht wollte Alice genau das erreichen – anders sein, besser sein.
 

„Ich wünsche dir viel Glück heute, Alice“, sagte sie schließlich und zwinkerte ihr zu.
 

Alice nickte – Entschlossenheit hatte sich in ihrem Gesicht abgezeichnet. Sie würde Albus irgendwann für sich gewinnen, stand ihr auf die Stirn geschrieben. Und Rose zweifelte keine Sekunde länger daran, dass es ihr gelingen würde.
 

„Und ich wünsche dir einen schönen Tag mit deinem Verlobten“, grinste Alice und Rose rollte die Augen. Eigentlich hatte sie diesen Fakt fast verdrängt und sich der Vorstellung hingegeben, dass Scorpius auch noch ein anderes Interesse an ihr hatte, außer, dass sie die unmündige Ehefrau abgeben würde, wie man es von ihr erwartete.
 

Alice kicherte und Rose stimmte ein, als sie gemeinsam die große Treppe hinunterkamen. Die Situation war befremdlich, dass die Herren, die auf sie warteten, zum einen beste Freunde waren, zum anderen auf zwei beste Freundinnen warteten und ganz nebenbei Scorpius Malfoy auf Rose Weasley wartete. Das fanden auch Lucy Weasley und Parkinson – beide in zwei Grüppchen von Mädchen stehend und nun schockiert. Rose hatte Genugtuung und Stolz auf ihrem Gesicht, als sie bemüht anmutig die Treppe hinab schritt und den beiden Mädchen, vor allem aber ihrer hassgeliebten Cousine das Siegerlächeln zukommen ließ.
 

Scorpius war das nicht entgangen und er entschloss sich, dieses Spiel ein Weilchen mitzuspielen. Er konnte verstehen, dass es Rose wichtig war, einmal in ihrem Leben auf die anderen hinab zu sehen und nicht umgekehrt, wie sie es viele Jahre hatte ertragen müssen und nicht selten auch von ihm. Deswegen begrüßte er sie mit dem schönsten Lächeln, das sein Charme bot.
 

Dadurch kam sogar Rose ins Stocken und hielt einen kurzen Moment inne, bevor Alice sie erinnerte, weiterzulaufen und sich nicht irritieren zu lassen.
 

Scorpius sah ihr an, dass ihr in dieser Kombination an Menschen unwohl zumute war. Sie war in einen dicken Wintermantel gehüllt und trug eine schwarze Strickmütze auf dem Kopf, die ihre flammenden Haare nicht ganz zu verdecken vermochte. Scorpius legte ihren Arm unter seinen und so geleitete er sie ganz nach der alten Schule nach draußen, während Albus und Alice sich noch mit Förmlichkeiten abmühten, wie einem schlichten „Hi.“
 

Die ersten Schritte in seiner Nähe hatte Rose mit steifen Gliedern getan. Sie konnte es nicht ganz fassen, dass er das wirklich vor allen anderen tat. Dass er sich nicht schämte und sich nicht mit ihr versteckte oder zumindest ganz distanziert tat. Es machte Rose misstrauisch und ein wenig fröhlich zu gleich.
 

Schneeflocken tanzten durch die Luft und der Atem kondensierte. Eine Weile hatte Rose sich auf ihre eigenen Dampfwölkchen konzentriert und hoffte, dass ihre Nase nicht so rot werden würde, wie immer, wenn ihr kalt war. Schweigend lief sie neben ihm, gewöhnte sich daran, dass er in ihrer Nähe war und an sein Schritttempo.
 

Alice und Albus liefen nebeneinander her, ohne sich zu berühren und auch ohne sich zu unterhalten. Allerdings war Alices Nase schon rot. Sie warfen sich schüchterne Blicke zu und Rose hätte die beiden am liebsten durchgeschüttelt, endlich mit diesem umständlichen Verhalten aufzuhören und es sich einmal in ihrem Leben so einfach zu machen, wie die Dinge nun einmal waren.
 

Doch es würde nichts nutzen, denn genau deswegen war diese zarte Beziehung zwischen Albus und Alice so wundervoll – sie war kompliziert, umständlich und alles andere als erträglich.
 

Scorpius folgte Roses Blick auf seinen besten Freund. Er erkannte, dass Albus sich kühl und unnahbar gab, um Alice zu ermuntern, ihn aufzuwärmen und ihm seine Nähe zu geben. Es war eine seiner ganz alten, doch immer bewährten Maschen. Kaum zu glauben, dass es Longbottom noch nicht aufgefallen war.
 

Er war froh, dass es mit Rose weniger umständlich war. Auch wenn ihrer beider Leben komplett kompliziert waren, waren sie sich zumindest in einem einig – sie würden am Ende dieses Märchens heiraten, deswegen hielten sie sich nicht mit Peinlichkeiten auf, da diese ohnehin auf sie zukämen.
 

„Also, Malfoy, was werden wir unternehmen?“, fragte Rose nach einer Weile provozierend.
 

Sie versuchte fröhlich und unbeschwert zu klingen, um ihre Unsicherheit zu übertünchen, doch es klappte nicht reibungslos, weil ihre Stimme gehetzt klang. Scorpius ermahnte sich, Nachsicht und Geduld mit ihr zu haben. Für sie war es so neu, wie für ihn.
 

„Ich gebe dir einen Tipp – es hat etwas mit Wut zu tun“, sagte er schließlich und ließ sich zu einem Lächeln hinreißen.
 

Rose sah ihn verwirrt an, dann legte sie ihre Stirn in Falten und schien fieberhaft nachzudenken. Doch auch nach zehn Minuten fiel ihr nichts Passendes ein. Mittlerweile fragte sie sich, warum es ausgerechnet etwas mit Wut zu tun hatte, wenn sie ihr erstes Date mit Malfoy hatte.

Sie fand es geschmacklos.
 

„Ich habe keine Ahnung, Malfoy. Verrate es mir“, gab sie schließlich auf. Sie war etwas verstimmt, aber zum größten Teil war sie neugierig.
 

„Nein“, sagte er nur mit einem Schulterzucken, als sei sein Wort genug und er es gewohnt, dass man es unterließ, ihn weiter auszufragen. Und Rose wollte diese Tradition nicht brechen, stattdessen seufzte sie und trottete neben ihm her, wie ein treuer Hund.
 

Unterwegs begegneten sie vielen Schülern und Rose begann sich unwohl zu fühlen an seiner Seite, auch wenn sie wusste, dass es Unsinn war, denn das war ihr zukünftiger Platz. Doch angestarrt werden wollte sie auch nicht. Als ahnte Scorpius ihre Unsicherheit, verstärkte er den Druck seines Arms und beschleunigte seinen Schritt etwas.
 

Albus und Alice hatten sie längst hinter sich gelassen und Rose hätte auch nicht gedacht, dass sie den Nachmittag zusammen verbringen würden. Immerhin war es Alices erstes Date mit Albus. Und außerdem teilte Scorpius nicht alles mit seinem besten Freund.
 

„Du wirst mich nicht in den Wald führen und mich dann auf ewig verschwinden lassen?“, fragte sie unsicher. Dann musste sie doch lachen, denn das war natürlich nicht möglich, wollte Scorpius sein Leben behalten. Und das war selbst für ihn unmöglich.

Er grinste und schüttelte schließlich sein dunkelblondes Haar, das wirr auf seinem Kopf lag und wieder einmal nicht sorgsam gekämmt war, wie sie ihn eigentlich kennen gelernt hatte. War er nachlässig geworden? Rose musste sich eingestehen, dass er unordentlich viel besser aussah. Vielleicht weil er dadurch fassbar und menschlich wurde. Sie sah wieder auf den Weg und bemühte sich, Schneeflocken zu zählen.

Sie näherten sich tatsächlich dem Wald, doch Rose zeigte ihm nichts von ihrer Unsicherheit. Stattdessen sah sie sich die Gegend an und überlegte, wohin er sie brachte. Die Stadt hatten sie längst hinter sich gelassen und auch die kleinen Cafes und Lokale hatten aufgehört ihren Weg zu säumen. Sie hatte vermutet, er würde mit ihr essen gehen oder ein Butterbier trinken, doch sie hatte sich geirrt.
 

Schließlich kamen sie vor einem herunter gekommenen Tor zum Stehen. Von weiten wäre es nicht sichtbar gewesen, reihte es sich farblos in Bäume und Sträucher des Waldes ein. Doch wenn sich Rose die überwucherten Wände genauer ansah, entdeckte sie die alte Lagerhalle, die wohl mal zur Stadt gehört hatte.

Rose korrigierte sich, als sie das verwitterte, herabhängende Holzschild sah, auf dem „Sägewerk“ stand.

Überrascht zog sie beide Augenbrauen hoch und sah zu Scorpius. Sein Gesicht war noch immer so unverändert, wie am Anfang.
 

„Es ist ein absoluter Geheimtipp. Also verrate es nicht weiter. Al und ich kommen ab und zu hierher um uns abzureagieren“, erklärte er rasch.
 

Ein Frösteln kroch ihren Rücken hoch. Was auch immer hinter dieser Tür auf Rose wartete, sie hoffte, es wäre warm. Denn sie fror bitterlich und die Stadt war auch nicht mehr in der unmittelbaren Nähe, sodass sie sich einen Tee in einem Pappbecher kaufen konnte. Eigentlich wollte sie Malfoys warmen Arm nicht loslassen.
 

„Ich verspreche dir, dass wir danach was Warmes trinken gehen, okay?“, meinte er.
 

Fragte er sie tatsächlich nach ihrer Meinung? Zumindest pro forma? Rose war beeindruckt, war überrascht. Schließlich nickte sie und ermunterte ihn mit einem Lächeln, das sie sonst immer David schenkte, wenn er gerade etwas liebes gesagt hatte.
 

Schließlich ging Scorpius vor und zauberte die Tür auf. Dahinter lauerte Dunkelheit, sodass sich Rose gar nicht getraute einzutreten. Sie blieb zögernd an der Schwelle stehen, bis Scorpius sich erbarmte, zuerst zu gehen. Sobald er eingetreten war, entzündeten sich alle Lichter des Raumes.

Staunend ging sie hinein und sah sich die gewaltigen, verrosteten Sägeblätter an, die so groß waren, wie sie selbst. Ein paar alte, vermoderte Baumstämme lagen herum und ansonsten gab es diese eine große Abweichung von einem normalen Sägewerk. Hier war irgendwas explodiert – zumindest waren die wildesten Farben an den Wänden und alles war bespritzt in orange, rosa, gelb, grün und blau. Scorpius blieb hinter ihr und musste grinsen, als er sich das Schlachtfeld ansah.
 

„Es gibt einen Zauber, der einen Farbstrahl aus deinem Stab schießen lässt. Das grüne ist mir – die anderen sind von Albus, Zabini, Scarmander und den anderen“, erklärte er.
 

Rose bewunderte das Farbspiel an den Wänden, Decken, Böden.
 

„Das ist echt cool“, meinte sie schließlich mit einem Grinsen.
 

„Und werden wir das jetzt auch tun?“, wollte sie wissen. Ihre Augen funkelten mit Vorfreude.
 

Scorpius musste grinsen und nickte.
 

„Zuerst ziehst du dir das hier an“, sagte er und reichte ihr einen Ganzkörperanzug aus hässlicher, bereits farbiger Baumwolle. Er war ihr drei Nummern zu groß, doch weil sie noch ihren Mantel trug, füllte sie das Kleidungsstück voll aus.
 

Rose sah an sich herab und war sich sicher, ein leichtes Ziel zu sein, so aufgedunsen, wie sie aussah. Sie fühlte sich, als müsste sie eigentlich hundert Pfund mehr wiegen. Doch Scorpius sah genauso albern aus, als er in den Anzug kletterte und seine Kleidung darunter anbehielt.
 

„Dann der Zauber“, sagte er schließlich.
 

Er stellte sich wie ein Lehrer vor Rose und streckte seinen eigenen Stab in die Höhe. Er hielt ihn von Rose weg und zielte auf die Wand hinter ihr. Zuerst erklärte er ihr die Bewegung – ein Zucken nach rechts und ein schweifen nach unten – der Zauber war simpel.
 

„Exocoloris.“
 

Rose musste kichern, denn ein feiner, aber präziser Strahl trat aus Scorpius Zauberstab und machte einen großen, grünen Fleck an die Wand. Rose nickte, ahmte seine Bewegungen und Worte nach und sofort hatte sie ihn komplett eingefärbt, weil sie aus Versehen auf ihn gezeigt hatte.

Ihre Farbe schien offensichtlich ein kräftiges Rot zu sein. Es hob sich deutlich von allen anderen Farben in diesem Raum ab und Rose freute sich, dass es ihre Lieblingsfarbe war. Lachend über Scorpius, aus dessen Gesicht nun die Farbe tropfte, vergaß sie komplett, mit wem sie hier war und verlor ihre Befangenheit.
 

„Und jetzt spielen wir gegeneinander?“, fragte Rose.
 

Scorpius nickte. „Aber dazu brauchen wir noch Musik“, meinte er und schritt an ein großes, aber altes Radio, das er mit dem Zauberstab an tippte und das von Geisterhand ansprang.
 

„Was darf es sein? Die Verlorenen Propheten?“, wollte er wissen.
 

Rose stand der Mund offen. „Woher weißt du, dass ich die gerne höre?“, fragte sie verblüfft.
 

Scorpius winkte das Thema ab und erklärte schlicht: „Du hattest auf Zabinis Geburtstag ein T-Shirt von ihnen an. Es war nicht schwer zu erraten.“
 

Als sie das hörte, musste sie grinsen. Denn das hieß, dass er ihr mindestens einmal an diesem Abend auf die Brüste gesehen hatte.

„Die Verlorenen Propheten wären schön“, sagte sie schließlich.
 

Er nickte und drückte ein paar Knöpfe. Rose verstand nicht ganz, wie dieses Gerät funktionierte, doch plötzlich hörte die das aggressive Schlagzeug den Raum erfüllen. Sie fand, dass es die richtige Kampfmusik war. Ein glückliches Schimmern erschien in ihren Augen und sie hätte Scorpius schon allein für diese Musik in diesem Raum mit Umarmungen bestürmen können.
 

„So und jetzt suchst du dir einen Stützpunkt. Dort drüben“ Scorpius zeigte auf das andere Ende des Raumes.
 

„Und wann habe ich gewonnen?“, wollte Rose wissen, ohne auch nur daran zu zweifeln, dass sie einen Sieg davontragen würde. Doch dafür hatte Scorpius nur ein arrogantes Lachen übrig, schließlich rief er ihr nach:
 

„Wenn du nicht mehr wütend bist.“
 

Rose wandte sich abrupt um. „Woher willst du wissen, dass ich das bin?“
 

Scorpius hob die Schultern und sah sie von der Ferne aus eine kurze Weile an. Dann überbrückte er die paar Schritte, die sie gemacht hatte, zwischen ihnen und kam vor ihr zum Stehen. Er wirkte ungehalten und unbeholfen – Rose wusste nicht, wie sie mit diesen vermeintlichen Schwächen an ihm umgehen sollte.
 

„Du musst mich am Ende dieses Schuljahres heiraten, Rose. Ansonsten stirbst du. Ich für meinen Teil bin wütend darüber. Und du?“, sagte er schließlich.
 

Sie nickte, denn er hatte Recht. Sie war wütend. Auf viele Dinge, auf viele Menschen. Zum Beispiel war eines dieser Dinge der Fakt, dass sie aus dieser Sache nicht lebend herauskommen konnte. Und Menschen, auf die sie wütend war, waren Draco Malfoy für seine Durchtriebenheit und ihre Mutter, die ihr nicht mehr beistehen konnte, als Astoria ihr vorgeschlagen hatte, Rose über die Ferien zu sich zu nehmen. Sogar ihr Weihnachten hatte sie an die Malfoys verloren.
 

„Wir müssen noch eine Weile miteinander auskommen, also lass es besser jetzt raus“, rief er und rannte zum anderen Ende des Raumes um sich zu verschanzen.
 

Die Musik fing Rose ein und bei Merlin, sie lehrte Scorpius das Fürchten. Sie jagte ihn, floh vor ihm, stellte ihm Fallen und heizte ihm ein. Sie ließ alles raus, bis ihr Zauberstab zu glühen anfing. Und erst dann gönnte sie sich eine Pause.

Ein Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie sich an eines der Sägeblätter lehnte und einen Moment die Augen schloss, um ihre innere Freiheit zu genießen.

Es war eine Brandrodung aller schlechten Gefühle in ihr gewesen, soviel stand fest. Scorpius kam zu ihr herüber, vollkommen rot am Körper. Rose war ebenfalls grün, doch es war eine weniger aufdringlicher Farbe.
 

Sie öffnete die Augen und sah ihren Gegenüber an.
 

„Mit wie vielen Mädchen warst du schon hier?“, wollte sie wissen. Sie klang nicht eifersüchtig, nur neugierig. Allerdings hatte Scorpius dafür nur ein Lächeln übrig.
 

„Mit denen war ich eher an anderen Orten, Rose“, sagte er schließlich und musste lachen.
 

Das hatte sie sich fast gedacht, umso schöner fand sie es, die erste Gryffindor und wahrscheinlich das erste Mädchen gewesen zu sein, dass diesen Ort betreten durfte.
 

„Danke, Scorpius“, sagte sie schließlich.
 

Am Klang ihrer eigenen Stimme bemerkte sie, wie komisch sich sein Vorname in ihrem Mund anfühlte. Sie hatte ihn selten so genannt und fand es komisch, dass es ihr ausgerechnet jetzt wie selbstverständlich über die Lippen rutschte.
 

„Gern geschehen“, sagte er nur und lächelte auf seine äußerst charmante Art.
 

Sie schwiegen eine Weile und lauschten der Musik.
 

„Du wolltest deine Chance, oder?“, fragte Rose schließlich und nahm ihn in ihr Visier.
 

Scorpius zog eine Augenbraue hoch und vergrub seine steif gefrorenen Hände in seiner Jackentasche. Einen kurzen Moment schien er darüber nachzudenken, was sie mit dieser Frage bezweckte, doch da er auf kein Ergebnis stieß, versuchte er es mit einem Nicken.
 

Rose nickte ebenfalls, diesmal etwas langsamer. Schließlich stieß sie sich vom Sägeblatt ab und trat nah an ihn heran. Sie sah in seine sturmgrauen Augen, dann ergriff sie ruckartig seinen Kragen und zog ihn zu sich herab. Sie presste ihre Lippen eine Spur zu brutal auf seine, als dass sie zärtlich genannt werden konnten.
 

Scorpius reagierte sofort und erwiderte genauso heftig, wie sie den Kuss begonnen hatte. Rose wäre getaumelt, doch sie lehnte plötzlich an der Wand, die sich kalt an ihrem Rücken abzeichnete. Er drängte mit seinem Kuss ihre Lippen auseinander und sie musste ihm Einlass gewähren. Mit einem leisen Stöhnen gab Rose nach und schloss die Augen genussvoll.
 

Lucy hatte Recht gehabt, als sie auf dem Mädchenklo erzählte, dass Scorpius ein begnadeter Küsser war.
 

Für einen Moment gestattete sie sich, sich zu verlieren und nicht nachzudenken und für diesen Moment gestattete sie auch Scorpius, ihre Sinne zu betören und das Beste aus dieser Gelegenheit zu machen, das er konnte.
 

Nach Luft ringend setzte Rose ab und öffnete ihre Augen, auch auf die Gefahr hin, dass sie sich schämen würde, wenn er ihr auch in die Augen sah. Doch als er das tat, schämte sie sich nicht, denn sie konnte nicht darin lesen, was er dachte. Sie waren so unergründlich wie immer – Rose war fast ein bisschen enttäuscht. Trotzdem musste sie lächeln, wenn sie an den Kuss dachte, der noch auf ihren Lippen brannte.
 

„Gehen wir jetzt einen Tee trinken? Ich muss mich dringend aufwärmen“, sagte sie mit einem verschmitzten Grinsen.
 

Er erwiderte es und gemeinsam entledigten sie sich ihrer Schutzanzüge und gingen nach ein paar Zaubern vollständig gereinigt in die Stadt zurück. Diesmal hatte Rose ihren Arm freiwillig unter seinen geschoben, um etwas Wärme zu tanken.
 

Der Tee im „Drei Besen“ hatte es in sich. Er war – zum Zwecke der Aufwärmung – mit Feuerwhiskey und immer noch wusste Rose nicht, wieso man solch widerliches Zeug freiwillig trank. Doch artig und weil Scorpius es bezahlte, trank sie und versuchte die Blicke ihrer Mitschüler zu ignorieren und auch die häufige Benutzung ihres Namens im Flüsterton.
 

Doch es gelang ihr nur schwer – sie fühlte sich unwohl, so im Mittelpunkt zu stehen, aber verübeln konnte sie es niemandem. Dass sie sich mit David Jordan getroffen hatte und man beide fortan zusammen sah, war der Aufregung gerecht gewesen, doch dass sie nun mit Scorpius Malfoy hier saß und Tee trank, schlug dem Fass den Boden aus. Zumal jeder um die Feindschaft wusste, die beide verband. Vielleicht war man auch einfach nur empört darüber, wie oft Rose in den letzten Wochen Gesprächsthema war und vermutete, dass sich diese mit Absicht in den Mittelpunkt der Gerüchteküche drängte.
 

Rose war sich sicher, noch am selben Abend von David zu hören, der eine Erklärung dafür wollte, weswegen sie sich mit Scorpius Malfoy traf, sobald er wegsah. Und Rose wollte es nicht erklären müssen, denn die Entscheidung dazu war vollkommen intuitiv gewählt. Ihr Bauchgefühl hatte ihr gesagt, dass Scorpius seine Chance verdiente, wenn er sie begehrte.
 

Sie nahm ihren unsicheren, panischen Blick vom Schankraum und wandte sich wieder ihrem Gegenüber zu. Er hatte es bemerkt, erkannte sie, denn sein Blick war zu schmalen Schlitzen geworden und nun lächelte er leicht, so als habe er sie durchschaut. Sie hasste diesen Blick – er gab ihr das Gefühl angreifbar zu sein und das mochte sie nicht.

Doch anstatt davon noch verunsicherter zu sein, straffte sie ihre Schultern und sah ihm geradewegs in die Augen. Sie würde sich nicht unterkriegen lassen und noch weniger ließ sie ein paar gehässige Worte hinter ihrem Rücken so viel Macht über sie haben, sich den Abend verderben zu lassen.
 

Vielleicht lag es auch daran, dass sie vor Scorpius keine Schwäche zeigen wollte.
 

„Ich hoffe, dass du die Sache mit Jordan irgendwann bereinigst, Rose. Ich verbiete dir nichts, aber ich werde auch keine Rücksicht auf ihn nehmen, okay?“, sagte er schließlich. Rose schluckte hart – woher wusste er, dass sie gerade an David gedacht hatte?
 

Sie bemühte sich, sich ihre Überraschung durch seine direkten, vor allem aber ungewöhnlichen Worte anmerken zu lassen.

Er würde keine Rücksicht nehmen... Rose dachte nach und kam zu dem Schluss, dass es Malfoy einmal mehr nicht um sie ging, sondern um die Verlobte, die sie war. Sie war ihm versprochen und somit gehörte sie ihm und je näher das Ende rückte, desto bewusster und wichtiger wurde es ihm. Zu wissen, dass dies der einzige Anreiz war, sie heute auszuführen, schmerzte sie, aber sie hatte auch nicht mehr erwartet. Ihr war von Anfang an klar gewesen, dass die Romanze ausbleiben würde. Und sie hatte sich damit abgefunden, deswegen genoss sie die Romanze mit David so sehr. Nicht, weil sie verboten war – weil sie das einzige war, das ihr noch blieb. Ein Pflaster auf einem einsamen Herzen.
 

Sie nickte langsam um seine Frage zu beantworten. Ein bitteres Lächeln konnte sie sich allerdings auch nicht verkneifen. Schlimmer als es ihr zu verbieten war, es ihr zu verderben und sie fürchtete, dass genau das Sinn und Zweck seiner Aussage war.
 

Rose kam sich schon jetzt wie in Ketten vor.
 

Langsam fragte sie sich, ob sie die Farce dieses Dates noch länger ertragen konnte. Für wen war es gut? Und als sie sich fragte, was das alles bedeuten mochte, entschied sie, etwas zu tun, das sie noch nie getan hatte, sie fragte Malfoy gerade heraus:
 

„Rücksicht in Bezug worauf?“
 

Etwas in seinen Augen blitzte auf. Rose konnte es nicht einordnen – war es ein gutes oder ein schlechtes Blitzen? War es Berechnung? Sie hatte keinen blassen Schimmer und beschloss, sich davon nicht irritieren zu lassen.
 

„Ich werde um dich werben“, sagte er.
 

Rose verschluckte sich an dem Tee mit Schuss und verkniff sich haarscharf, ihn über den ganzen Tisch zu spucken. Dann sah sie ihn mit großen Augen an.
 

„Wie bitte?“
 

Scorpius sah sich nicht in Erklärungsnot, sondern verschränkte die Finger seiner beiden Hände und sah sie aus halb gesenkten Wimpern hervor an. Eine Geste, die er sich von seinem Vater abgeschaut hatte, wie sie feststellte und was sie ekelte.
 

„Wir werden direkt nach dem Abschlussball heiraten, Rose. Es wird allen anderen komisch vorkommen und vor allem weil es aus heiterem Himmel geschieht. Ich für meinen Teil will nicht auch noch nach meiner Schulzeit dem Gerede anderer Leute ausgesetzt sein. Deswegen beuge ich vor. Für alle sichtbar werde ich mich um dich bemühen, ob es dir passt oder nicht“, sagte er schließlich.
 

Rose sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Sie hatte gedacht, dass er sich die restliche Zeit noch austoben würde. Rose wurde, ohne es zu bemerken rot im Gesicht, bei dem Gedanken, was man denken mochte, wenn ihr Scorpius Malfoy nachstellte.
 

„Ich halte das für keine gute Idee“, sagte sie rasch. Doch es war zu spät.
 

„Diesmal ist es mir egal, was du davon hältst.“
 


 

Als er und Rose in Richtung Schloss liefen, nachdem der Tee ausgetrunken und die Stimmung gekippt war, schwiegen sie. In Rose war mit dieser Ankündigung Verzweiflung aufgestiegen, sie fühlte sich hilflos und ihr war nach weinen zumute. Sie wollte doch zumindest ihr letztes Jahr genießen und nun gab sich Malfoy alle erdenkliche Mühe, genau dieses Vorhaben zu verhindern. Sie hätte wissen sollen, dass es keine gute Idee war, ihm seine Chance zu gewähren.
 

„Du bist panisch“, stellte er fest, ohne sie anzusehen. Er sah stur geradeaus nach Hogwarts.
 

Rose ballte die Hände in ihren Manteltaschen zu Fäusten, doch sie ließ sich nicht anmerken, wie sehr er ins Schwarze getroffen hatte.
 

„Weißt du, es gibt Schlimmeres, als mich zu heiraten. Und es gibt Schlimmeres als meine Aufmerksamkeit. Zeig etwas Gryffindor-Mut, Rose.“
 

Mit diesen Worten hatte er ihre ganze Angst weggeblasen. Sie war vor Überraschung stehen geblieben, sodass er sich nach ihr umsehen musste. Zumindest sah er ihr auf diese Weise in die Augen.
 

„Du strapazierst mein Wohlwollen, Scorpius. Ich weiß nicht, wie viele Chancen und Gelegenheiten ich dir noch geben muss um meinen Gryffindormut zu beweisen. Doch dieses eine Mal, will ich es noch tun.“
 

Anstatt emotionslos zu nicken, wie er es immer tat. Bildete sich nun in seinem rechten Mundwinkel ein Lächeln, das ein Gefühl ausdrücken sollte. Da Rose es nicht kannte, konnte sie nur auf Zufriedenheit tippen, doch mit dieser Vermutung wollte sie sich nicht allzu weit aus dem Fenster lehnen.
 

Wenn sie nur wüsste, wie sie es David erklären sollte.

Gar nicht, sagte die skrupellose Stimme in ihrem Kopf. Er musste nicht erfahren, dass sie ihn geküsst hatte. Zweimal, dreimal oder auch viermal. Scropius war ohnehin ihr größtes und dunkelstes Geheimnis, dieses konnte sie dem getrost noch hinzufügen.
 

Immerhin musste sie sich dieses Jahr vor niemanden für ihr Verhalten rechtfertigen. Das gehörte auch dazu.

Sie kamen am Schultor an. Ein schmaler Weg führte hinauf zur Schule und Rose streifte die Vertrautheit des Gebäudes wie einen Pyjama über ihre Haut. Immer wenn sie Hogwarts sah, kam ihr ihr Leben ein bisschen weniger schwarz und verzweifelt vor.
 

„Oben wird David warten und eine Erklärung verlangen“, sagte Rose schließlich und blieb stehen. Sie sah Scorpius ins Gesicht und widerstand dem Drang, ihren Mantel enger um sich zu schlingen, als könnte sie sich dadurch Probleme vom Hals halten.
 

„Dann sollte ich dich jetzt küssen“, antwortete er.
 

Es war unfassbar, wie steif diese Situation durch diese Schlussfolgerung wurde. Anstatt etwas zu antworten, sah sie ihn nur an. Sie würde warten, einfach warten.
 

„Sollst du das oder willst du das?“, fragte sie skeptisch.
 

Scorpius grinste. „Beides.“
 

Er beugte sich zu ihr herab und gab ihr einen unaufdringlichen Kuss auf die Oberlippe, den Rose nicht unerwidert bleiben lassen konnte. Sie spürte seine Lippen kaum und dies versprach die größte Qual.
 

Eine Erwartung unerfüllt zu lassen, war noch nie ihre Art gewesen. Wahrscheinlich wusste er das.

Die andere Weihnachtsstimmung.

Dum di du... *nervös pfeif*

Hallo, liebste Leser (ich hoffe ein paar von euch sind noch übrig),
 

ich will micht jetzt gar nicht herausreden - dieses Kapitel ist wirklich mehr als überfällig, bedenkt man, dass wir schon Juli haben und mein letztes Update im Januar war. Mein Plan für die Zunkunft sieht folgendermaßen aus: ich gebe mir größte Mühe wöchentlich ein Chap hochzuladen (bis ihr alles habt, was ich auch schon habe), aber nebenbei werde ich die schon online gestellten Schriftstücke überarbeiten. Denn als ich mich neulich wieder reingelesen habe, um weiter zu schreiben, sind mir viele Grausamkeiten (die offensichtlich aus meiner Hand stammen) aufgefallen.
 

Wie dem auch sei... ich würde mich freuen hierfür ein paar Kommentare zu ernten, damit ich mich a) bessern kann und b)noch weiß, wer von euch mir trotz meiner Unzuverlässigkeit treu geblieben ist.
 

Ansonsten natürlich:
 

Ich wünsche euch viel Lesespaß!
 

Einen Dank an Dahlie, meine Betafee.
 


 

Eure Darki.
 


 


 


 


 

Kapitel 8

[Eine etwas andere Weihnachtsstimmung]
 

Rose hätte es nie für möglich gehalten, doch David war außer sich vor Zorn, als er von Malfoy und ihr hörte. Und er hatte es wahrscheinlich noch gehörte während sie miteinander aus waren. Und nun war es ihr unangenehm, daneben zu stehen, sich auf der Lippe herum zu kauen und David mit fragendem, bereuendem Blick anzusehen. Wie würde er erst reagieren, wenn Scorpius sein Versprechen wahr machte, sich um sie zu bemühen? Sie wusste es nicht.

Ebenso wenig wusste sie, auf welche Ansprüche sich David berief, wenn er Malfoy beschuldigte, sie ihm auszuspannen, denn sie waren kein offizielles Paar.
 

Trotzdem machte es Rose nervös, wenn er so wütend war, wie im Moment. Erschwerend kam hinzu, dass sie die Nacht schlecht geschlafen hatte und nun – völlig übermüdet – David die Stirn bieten musste und ihm erklären, welches Spiel sie mit ihm spielte.
 

„Du hattest doch sonst nichts für Malfoy übrig! Er hat dir bisher jedes Schuljahr zur Hölle gemacht und jetzt gehst du mit ihm aus, als sei das alles nicht gewesen?“, fauchte er, entschied sich nun aber endlich dazu, sich doch neben sie auf das bequeme Bibliothekssofa zu setzen. Er fuhr sich durch sein hübsches Gesicht und zerzauste dabei seine Haare. Roses Blick wurde weich, wenn sie ihn so sah.
 

„Ich habe das nicht vergessen, David. Und trotzdem hat er seine Chance verdient. Ganz davon abgesehen, hast du mich auch nicht beachtet, bevor ich nach Frankreich gegangen bin und gelernt habe, mit den Hüften zu schwingen“, entgegnete sie gereizt und rieb sich die Schläfen.
 

Er sah sie mit offenen Mund an und schien sich gerade zu fragen, ob er sich verhört hatte oder ob Rose sich tatsächlich vor ihm schlecht machte. Doch mittlerweile kannte er sie gut genug, um zu wissen, dass sie manchmal erschreckend direkt sein konnte. Er schluckte den Wunsch, sie durchzuschütteln, bis sie wieder bei Verstand war, hinunter, stattdessen machte er ein grimmiges Gesicht und verschränkte die Arme vor der Brust.
 

„Hat er dich geküsst?“, wollte er wissen.
 

Rose wollte ihn ohrfeigen – doch wie ein Hund, der aus Spaß zubiss, würde er nicht wissen, wofür er bestraft wurde. Sie hatte nun keinen Zweifel mehr daran, dass David genauso gut war, wie Malfoy. Er betrachtete sie auch nur als ein abgestecktes Territorium, das es zu verteidigen und markieren galt. Sie biss sich auf die Zunge, um ihm nicht genau das entgegen zu brüllen, dann sah sie ihn an, als habe sie ein bockiges Kind vor sich.
 

„Hat er. Mehr als einmal“, sagte sie schließlich.
 

David sah sie schockiert an, als mache sie allein diese Tat zu einer Todesserin, während sie ihn streitlustig an funkelte. Das nahm seinen Wind aus den Segeln.
 

„Hast du mit ihm geschlafen?“, fragte er und wollte viel schlimmere Worte dafür gebrauchen, so tief saß die Kränkung.
 

Sie zog beide Augenbrauen zusammen und musterte ihn aus dunklen Augen.
 

„Hältst du mich für so eine?“, fragte sie ruhig.
 

David zuckte mit den Schultern. Er wusste überhaupt nicht, was er davon halten sollte. Und allein ihre schönen braunen Augen hielten ihn davon ab, sie und mit ihr die Frauen auf der ganzen Welt zu verteufeln oder zumindest schreiend aus dem Raum zu stürmen und Malfoy einen Unverzeihlichen auf den Hals zu jagen. Es war so typisch für diesen Lackaffen, ihm dazwischen zu funken und wenn er genauer darüber nachdachte, so konnte er es nur auf Roses Rücken austragen. Damit wollte er ihm zeigen, dass er auch die haben konnte, die ihn eigentlich nie gewollt hatte. Und ohne es zu wissen, hatte er Rose wieder benutzt. Diese Tatsache schmeckte bitter und er würde es ihm um Rosies Willen nie verzeihen.
 

„Keine Ahnung, was ich davon halten soll, Rose“, fauchte er wütend. „Ich habe meine Freundin für dich verlassen und alles, was du tust, ist mit diesem...“, er unterbrach sich auf der Suche nach einer geeigneten Beleidigung, „Knatterkopf auszugehen.“
 

Rose warf sich genervt ihr Haar über die Schulter und lehnte sich näher zu ihm, damit er ihr tief in die Augen sehen konnte. „Ich habe dich nicht darum gebeten sie zu verlassen. Es war deine Entscheidung. Also mach mir jetzt keinen Vorwurf.“
 

Mit diesem Satz erhob sie sich und strich sich ihren Schulrock glatt. David sah ihr argwöhnisch nach. Natürlich wusste er, dass sie ihn nie darum gebeten hatte, doch schon allein sein Anstand gebot ihm, nicht zweigleisig zu fahren. Er hatte gehofft, Rose würde sich so für ihn interessieren, wie umgekehrt.

Doch nun gab es kein Zurück mehr. Er würde mit Malfoy um sie konkurrieren.
 

„Übrigens: ich habe nicht mit ihm geschlafen. Gleiches Recht für euch beide.“ Dann ging sie.
 

David ballte seine Hände zu Fäusten und sah ihr nach. Die Frage, ob sie ihm eine solche Anstrengung wert war, stellte er sich nicht einmal, weil es dafür zu spät war. Er musste schneller sein und besser als Malfoy.
 

Als Rose ihn verließ, auf dem Weg zu den Gewächshäusern, fühlte sie sich das erste Mal seit Zabinis Geburtstag so, als habe sie noch alle Fäden in der Hand. Als würde sie frei entscheiden und handeln und ihrem Vorhaben, nichts zu bereuen – mehr noch: keine Erfahrung zu scheuen – ganz so, wie sie es am Anfang des Schuljahres geplant hatte.

Ein gewinnendes Lächeln schlich sich auf ihre Lippen und sie genoss den Fakt, dass sich gerade zwei der begehrtesten Jungs an dieser Schule um sie rissen. Denn der Sieg war auf ihrer Seite, einen davon musste sie heiraten. Das dachte sie sich zumindest immer, wenn sie Lucy sah, ihres Zeichens Exfreundin von Scorpius. Dass sie Scorpius zurück wollte – er hatte ihr immerhin viele teure Geschenke gemacht und Lucy war ein material girl – war leicht nachzuvollziehen.
 

Und ausgerechnet Lucy traf sie auf dem Weg in die Gartenanlage.
 

„Rose, den hast du vorhin bei Alte Runen verloren“, rief sie und Rose stutzte, als ihr die Schwarzhaarige die Kette mit ihrem Verlobungsring reichte. Verwirrt tastete sie ihr Dekolletee ab. Doch es war nicht da. Fast hätte sie es wirklich verloren.
 

„Danke. Ich hätte es vermisst“, sagte sie rasch und legte sich die Kette wieder um.
 

„Was denn? Das billige Ding. Ich dachte du könntest dir nun besseren Schmuck leisten“, lachte sie, aber es klang gezwungen. Rose wollte Lucy gerade eingestehen, nett sein zu können, doch nun wollte sie diesen Gedanken lieber wieder zurück nehmen.
 

Sie hatte ihn ihr nur gegeben, um sie zu demütigen. Sie hatte von Scorpius wahre Schmuckstücke bekommen. Rose wollte nicht wissen, was sie dafür getan hatte.
 

„Wenn ich wollte, einen ganzen Juwelierladen, Luce. Aber ich will nicht“, antwortete sie steif und wandte sich wieder zum Gehen um.
 

„Genieße dein Glück, solange es geht, Sonnenscheinchen. Ich komm schon bald und hole ihn mir zurück“, rief sie ihr nach, doch Rose versuchte schon ihre Stimme auszublenden, bevor ihr ein kalter Schauer den Rücken hinab laufen konnte. Sie legte es nicht auf ein Kräftemessen zwischen ihr und Lucy an. Eigentlich wollte sie nur, dass sie ihr nicht hinein pfuschte.
 

Sie beschleunigte ihre Schritte mit dem Gedanken, Alice zu sehen. Seit ihrem Date mit Albus hatte sie sie nicht zu Gesicht bekommen und auch zum Frühstück war sie schon vor Rose gewesen. Und Lily hatte sie auch nicht gesehen, seit dem Vorabend bei einer Pfeife.

Sie wollte wissen, was passiert war und sie brauchte eine Freundin für ihr Dilemma.
 

In Kräuterkunde saßen sie und Alice gewohnheitsmäßig in der letzten Reihe, damit Alice den Blicken ihres Vaters entkommen konnte. Zielsicher steuerte Rose darauf zu, als sie die dunkle Mähne ihrer besten Freundin entdeckte. Dabei wäre sie fast mit Scorpius zusammengestoßen, der im Gang stand und sich mit Albus lachend über irgendwas unterhielt.

Sie nickte Malfoy kurz zu, dann entdeckte sie die schaurige Miene Alices, die sich tief über ein Blatt Papier beugte, wobei ihr ihre Haare ins Gesicht fielen.

Unter ihren wachen hellblauen Augen lagen dunkle Schatten und der düstere Blick verschreckte wohl jeden, der versuchte mit ihr zu reden. Rose fragte sich, wer eine Freundin nötiger hatte – sie oder Alice.
 

„Hey, Alice...“, sagte sie und legte ihre Tasche auf den Tisch. Alice hob langsam den Kopf, dann schob sie die Kopfhörer von ihren Ohren, aus denen harte Töne schrien. Rose zögerte – das war ein schlechtes Zeichen. Alice vergrub sich nur bei äußerstem Ärger in ohrenbetäubende Musik.
 

„Hey, Rosie...“, sagte sie niedergeschlagen.
 

„Was ist passiert?“, wollte sie ohne Zeitverschwendung, sodass Alice langanhaltend seufzen musste, ehe sie den Mund zu einer Erklärung öffnete. Ein bitteres Lächeln umspielte ihre Lippen, während sie sprach:
 

„Wir haben miteinander geschlafen.“
 

Rose zog überrascht beide Augenbrauen hoch. „So früh?“

Alices Blick verdunkelte sich und sie nickte langsam.
 

„Wir haben eine Partie Schach darum gespielt. Albus hat gewonnen“, erklärte sie rasch, was Rose noch ungewöhnlicher fand, als den Fakt, dass Alice und Albus so schnell zusammen im Bett gelandet waren. Doch das sprach für ein offensichtlich erfolgreiches Date, weswegen Rose Alices Stimmung nicht ganz nachvollziehen konnte.
 

„Und warum siehst du dann aus, als habe man dir dein Herz herausgerissen?“, wollte Rose wissen. Alice schluckte hart und ihr Blick huschte flüchtig hinüber zu Albus, der sich noch immer mit Scorpius unterhielt, während die gesamte Klasse auf Professor Longbottom wartete.
 

„Er hat sich einfach in Luft aufgelöst, danach. Ohne irgendwas, das mich beruhigen könnte. Er war einfach weg, als ich aufgewacht bin. Ich habe ihn jetzt eben das erste Mal seit gestern Morgen wiedergesehen“, erklärte sie.
 

„Vielleicht handelt es sich um ein Missverständnis“, seufzte Rose, auch wenn sie nicht daran glaubte. Leider klang es nach genau der Masche, die er bei allen Mädchen durchzog und nun auch bei Alice. Rose hatte einfach kein Verständnis für diese Reaktion, hatte sie doch gedacht, dass er alle anderen nur abwies, weil er auf Alice wartete. Und nun?
 

„Nein, Rose. Er hat mich benutzt und dann ist er abgehauen. Delilah Coffee hat heute Morgen im Mädchenbadezimmer erzählt, dass sie Albus und Greengrass beim Fummeln erwischt hat. Nicht einmal einen Tag nachdem er mich hatte. Ich komme mir so schrecklich billig vor“, fauchte Alice und unterdrückte die Tränen, die ihr im Zorn kamen, indem sie wegsah und angestrengt schluckte.
 

Rose legte die Stirn in Falten und überlegte fieberhaft, wie Albus Verhalten zu interpretieren war. Doch ihr fiel nichts ein, weswegen sie heimlich den Plan fasste, mit ihm zu sprechen. Und wenn er keine andere Erklärung hatte als die, die sich Alice zu recht legte, würde sie ihn umkrempeln und sein Innerstes nach außen hexen. Dagegen würde der Streich mit den Liebespralinen noch harmlos erscheinen, soviel stand fest.
 

„Und was ist bei dir passiert?“, wollte Alice wissen, nachdem sie Roses Gesicht eindringlich gemustert hatte.
 

Rose vertrieb den Rachegedanken an Albus mit einem Kopfschütteln und sah sie betrübt an. Sie seufzte, doch sie wusste, dass sie es irgendwann erzählen musste.

Und so erzählte sie die Geschichte mit Scorpius beginnend bei ihrem ersten Kuss an dem Abend, an dem Alice von Albus ungeküsst blieb. Sie endete mit ihrem Streit mit David. Das machte Alice so perplex, dass sie danach ein paar Minuten in verblüfftes Schweigen ausbrach. Vielleicht kämpfte sie in dieser Zeit auch mit ihrem Zorn über die Ungerechtigkeit, da sich die zwei tollsten Typen Hogwarts um Rose stritten und sie es nicht einmal für einen vollständigen Tag fertig brachte, einen festen Gemütszustand beizubehalten.
 

„Was willst du tun?“, war nach weiteren zwei Minuten ihre einzige Frage.
 

Rose hob die Schultern und biss sich auf die Unterlippe. Sie hatte wirklich keine Ahnung in welche Situation sie sich in den letzten zwei Tagen gebracht hatte, als sie gleiche Rechte für Scorpius eingeräumt hatte, wie für David, den sie eigentlich zu ihrem ersten und letzten festen Freund machen wollte, wenn die Zeit gekommen war.
 

„Ich habe keinen blassen Schimmer, Alice“, schüttelte Rose mit dem Kopf.
 

„Wie will Malfoy um dich werben? Wer sagt denn heutzutage noch 'werben'?“, fragte sie amüsiert. Irgendwie erschien ihr der Gedanke genauso befremdlich, wie Rose selbst.
 

„Ich hoffe nur, dass er nichts Unüberlegtes tut. Ansonsten werde ich mich überraschen lassen müssen.“ Rose klang niedergeschlagen. Andere Mädchen würden sich um dieses Recht prügeln, doch sie begehrte es nicht.
 

„Das heißt, wenn du mit David schläfst, musst du Scorpius genauso ran lassen“, schlussfolgerte Alice. Rose nickte, ihr Ausdruck verriet elementare Verzweiflung über diese Tatsache.
 

„Weiß David, dass du Jungfrau bist?“, flüsterte sie.
 

Rose schüttelte den Kopf und wirkte dabei noch verzweifelter. Sie hatte sich in den letzten Wochen alle Mühe damit gegeben, so taff und unabhängig zu erscheinen, dass sie wohl oder übel den Anschein erweckt hatte, dass sie es mit allen Dingen so freizügig nahm.
 

„Auch wenn ich es nur ungern zugebe, hat Malfoy damit recht, dass es besser ist, sich früh festzulegen. Du kannst nicht beide gleichzeitig haben.“ Alice wirkte vernünftig. Sie schien froh zu sein, einen Moment lang über etwas anderes nachdenken zu können.
 

Eigentlich hatte sie Scorpius nicht einmal wirklich gewollt. Er hatte sich einfach eingemischt und mischte auf diese Weise nun ihren ganzen Plan für ihr letzten Schuljahres auf. Er war eine unberechenbare Variable und Rose hasste diesen Fakt, dass er sich nun versuchte einen Platz in ihrem Leben zu erkämpfen, obwohl es noch nicht an der Zeit für ihn war. Sie stützte ihr Kinn auf ihre Hände und starrte verträumt in die Gegend, während sie sich eine Lösung für das Problem zu überlegen versuchte. Vergebens.
 

„Ich hasse ihn“, fluchte Rose leise. Scorpius Malfoy brachte nur Probleme – und das schon sein ganzes Leben lang.
 

„Das tust du nicht. Genau hier wird es problematisch“, sagte Alice leichtfertig.

Rose starrte sie an – wie konnte sie das behaupten?
 

Als es soweit war und die erste Etappe des letzten Schuljahres gemeistert seinem Ende entgegensah, verfielen viele ihrer Mitschüler in eine faule Apathie hinsichtlich ihres Unterrichtsinteresses. Man merkte, dass es nur noch einen Tag dauerte, bis der Hogwarts-Express sie zu ihren Eltern nach Hause brachte, damit sie gemeinsam das Fest der Liebe feiern konnten. Früher hatte sich Rose auch immer auf diesen Tag gefreut, doch dieses Jahr war ihre Feierlaune in den Keller gesunken. Mehr noch: je näher dieser Tag rückte, desto schlechter wurde ihre Laune.
 

Es half nicht wirklich, dass überall golden glitzernde Zauberengel flogen und kleine Botschaften und Geschenke überbrachten, die sich die Mitschüler gegenseitig machten. Von überall her kam der Geruch von frischen Plätzchen und das Schloss wurde wohlig warm. In der Großen Halle standen riesige Weihnachtbäume, die unter der Flut an silbernen, goldenen und jeder Art von bunten Glaskugeln erstickte.
 

Am nächsten Morgen würde sie in den Zug steigen und zusammen mit den Malfoys nach Hause gehen. Nicht ihr Zuhause, sondern das von Scorpius. Rose hasste den Gedanken an einen gemeinsamen Heiligabend in diesem dunklen, kühlen Haus in dem sie sich wohl nie wirklich Zuhause fühlen würde.

Am Abend würde sie sich ein letztes Mal mit David treffen, bevor sie zwei Wochen Ferien voneinander trennten. Sie hatte ihm nicht davon erzählt, dass sie bei den Malfoys feiern würde und sie somit Scorpius über gesamte zwei Wochen ausgeliefert war. Es hätte ihn nur unnötig aufgeregt und von Aufregung hatte Rose vorläufig genug.

Danach würde sie sich zusammen mit Alice in den Clubraum setzen und über die Männer herziehen. Einfach weil es einfacher war, sich zu beschweren, als zu weinen.

Von Scorpius Werben hatte sie noch nichts mitbekommen und eigentlich störte es sie auch nicht sehr. Es war eher so, dass sie diesen Fakt mehr fürchtete als begehrte. Ihr war diese Stille viel lieber.
 

Als sie sich am Abend, nachdem sie sich von David verabschiedet hatte mit einem zärtlichen Kuss, der ihre Laune bedeutend besserte, machte sie sich auf den Weg in den Clubraum.
 

Alice empfing sie mit dem Geruch von Muggelzigaretten, als Rose die Tür aufschob. Mit einem Seufzen setzte sie sich zu ihr und deckte den alten Quilt über sie, da der Kamin noch nicht lange genug brannte, um den Raum ausreichend zu heizen. Sie nahm sich aus der Schachtel eine Zigarette und zog, nachdem sie sie sich angesteckt hatte, genüsslich den Rauch ein. Nach einem solchen Tag hatte sie sich eine verdient.
 

„Wie geht’s dir?“, fragte Rose in die Stille hinein.
 

Seit Albus Alice so sehr hintergangen hatte, war ihre beste Freundin nicht mehr sie selbst. Sie war verbitterter und schlecht gelaunter als sonst. Sie lebte ihren Liebeskummer mit erschreckender Leidenschaft aus. Rose musterte Alice; ihre Lippen waren ausgetrocknet und eingerissen, tiefe Augenringe lagen unter trüben blauen Augen, denen jedes Tageslicht genommen wurde. Alice war leichenblass und schon die letzten fünf Tage ungeschminkt, was für sie eher eine Seltenheit war. Rose hätte die Welt für sie angehalten, wenn es ihr nur möglich wäre – doch bei ihrem Liebeskummer konnte sie ihr nicht helfen. Sie konnte nur für sie da sein und ihr zuhören.
 

„Mies. Greengrass hat heute verkündet, dass sie offiziell mit Albus zusammen sei“, antwortete Alice und ihr Blick verdüsterte sich noch ein bisschen mehr. Sie nahm sich eine Zigarette und blies den Rauch heftig aus. Sie war aufgewühlt.
 

„Weißt du was das Witzige daran ist?“, fragte Alice, nachdem Rose sich nicht dazu geäußert hatte. Es war sehr wahrscheinlich, dass sie es ebenfalls mitbekommen hatte.
 

„Sie hat richtig gestrahlt. Morgana sah aus, wie die glücklichste Hexe auf der ganzen Welt. Ich glaube sie empfindet wirklich etwas für ihn“, beantwortete sich Alice ihre Frage selbst. Sie kniff ihre Lippen zusammen, um ihrem Ärger Einhalt zu gebieten.
 

„Ich weiß von Al, dass sie ihm schon seit der vierten Klasse hinterher läuft. Also ja, es ist gut möglich, dass sie ihn wirklich liebt“, meinte Rose vorsichtig.
 

Alice schnaubte, doch es wirkte eher verzweifelt als wütend. Sie zog mit zittrigen Händen an ihrer Zigarette und versuchte, nicht in Tränen auszubrechen.
 

Rose wusste, dass sie nachts weinte. Am nächsten Morgen hatte sie verquollene Augen und sah aus, als würden ihm Körper vier Liter Wasser fehlen. Aber sie selbst hatte Alice noch nie weinen sehen. Zumindest nicht aus Kummer – Alice hatte sich immer Mühe gegeben, nach außen hin wenig angreifbar zu sein.
 

„Für ihn ist das gar nicht so schlecht. Damit ist er auch weiterhin immer mit Scorpius verbunden. Es bleibt sozusagen in der Familie“, sagte Alice verbittert.
 

„Was habt ihr eigentlich bei eurem Date gemacht?“, fragte Rose, auch auf die Gefahr hin, alte Wunden aufzureißen. Doch bis auf den Fakt, dass es am Ende zur Sache gegangen war, wusste sie nichts.
 

„Wir waren im Eberkopf. Warst du da schon mal? Da ist es echt urig und gemütlich“, antwortete Alice.
 

Rose kannte die Geschichte des Eberkopfes. Ihr Onkel Harry, ihre Mutter und ihr Vater hatten dort damals Dumbledores Armee gegründet und sich gegen Dolores Umbridge zur Wehr gesetzt. Außerdem war der Wirt Dumbledores Bruder Aberfort – Rose hatte ihn das letzte Mal als kleines Mädchen gesehen und er kam ihr schon damals recht kauzig vor.
 

„Ist das nicht das Stammlokal der Slytherins?“
 

Alice nickte, doch es schien sie nicht zu stören. Rose wusste, dass Scorpius und Albus in ihren Ferien immer im Eberkopf waren, wenn sie sich mit ihren Freunden treffen wollten. Irgendeine Anziehungskraft musste dieser Ort ja haben, auch wenn Rose noch nie dort gewesen war.
 

„Es war mir ganz recht. Ich wollte nicht, dass uns Mum sieht. Dann weiß es nämlich gleich mein Vater und der erzählt es Harry. Ich glaube, dass es auch Albus Gedanke war.“
 

Rose nickte verständnisvoll.
 

„Und was habt ihr da gemacht?“
 

Alice wurde rot und hüstelte verlegen.
 

„Na ja, ich war so aufgeregt, dass ich etwas zu tief ins Glas geschaut habe. Und Albus musste sich beeilen, dass er hinterher kam mit seinem Butterbier. Ich war also schnell ordentlich betrunken“, erzählte Alice.
 

Es klang nach einem in die Hose gegangenen Date, wenn man Rose fragte. Eigentlich hätten sie sich miteinander unterhalten müssen, zusammen lachen und flirten – etwas, das normale Schüler bei ihrem ersten Date machten.
 

„Dann haben wir uns geküsst“, fuhr Alice mit einem Seufzen fort.
 

„War Greengrass nicht da?“, wunderte sich Rose.
 

Alice grinste. „Die ist mit Lucy gekommen, weil sie plötzlich kein Date mehr hatte. Sie haben die ganze Zeit über dich und mich gelästert.“
 

Rose zog eine Augenbraue hoch. Sie konnte sich vorstellen, dass ihre Cousine nicht begeistert darüber war, dass sie sich mit ihrem Immer-mal-wieder-Freund traf. Aber sie wusste auch nicht, dass von Anfang an fest stand, dass sie Scorpius heiraten würde. So gesehen, hatte sie nie eine wirkliche Chance gehabt. Diese Beziehung mit Scorpius war also ein Fakt, an den Lucy Weasley sich noch gewöhnen musste.
 

„Seid ihr danach gegangen?“, wollte Rose wissen.
 

Alice nickte. Nun wurde ihr Blick komplett düster. „Wir wollten noch eine Pfeife rauchen. Und danach haben wir um einen freien Wunsch gespielt.“
 

Rose musste wider Willen grinsen, weil voraussehbar war, was sich Albus wünschen würde.
 

„Albus hat also gewonnen und sich eine Nacht mit dir gewünscht?“, schlussfolgerte sie.
 

„Ich hab nicht verloren. Ich war so gelöst, dass ich mir dasselbe gewünscht hätte. Verstehst du? Ich wollte es wirklich. Es war mir wichtig. Und es hat sich richtig angefühlt.“ Nun kullerte eine Träne über Alice Wangen, während sie den Kiefer zusammenpresste und ihre Träne hastig weg wischte, damit Rose sie nicht sah.
 

Doch es half nichts, denn eine weitere bahnte sich den Weg aus ihren Augenwinkeln hinab zu ihrem Kinn, wo sie einsam zitterte, bevor sie in ihr Dekolletee tropfte. Alice atmete scharf ein, es klang fast wie ein Schluchzen.
 

„Alice... es tut mir so leid“, flüsterte Rose mitgerissen. Sie zog Alice zu sich und umarmte sie so fest sie konnte. Sie erwiderte die Umarmung und bald hatten ihre Tränen Roses Pullover durchnässt.
 

Beruhigend strich sie über Alice Rücken, bis diese aufhörte unter ihrem Schluchzen zu erzittern.
 

„Es war so schön...“, schluchze sie, sodass Rose Mühe hatte, sie zu verstehen. Sie verstärkte den Druck ihrer Hände, so als könne sie Alice Form dadurch bewahren, weil sie sonst in Tränen zerfließe.
 

„Ich habe mich gefühlt, als wäre ich die einzige Frau in der Welt. So was habe ich noch nie erlebt. Als bliebe die Zeit stehen, wenn er aufhörte mich zu berühren“, presste Alice bemüht deutlich hervor, doch danach weinte sie weiter.

„Das klingt schön“, seufzte Rose und beneidete Alice fast um diese Nacht. Nicht wegen Albus, sondern wegen des Gefühls.
 

„Schön?“, fragte Alice verschnupft und hob ihren Kopf um in Roses Augen zu sehen.
 

„Ich will gar nicht wissen, wie vielen es vor mir so erging. Ich bin eine Kerbe in seinem Bettpfosten, Rose.“ Alice brach in Schluchzen aus. Ihr fiel zu zarter Körper erbebte unter ihrem Schmerz, den Rose fast mitzuempfinden vermochte. Er hatte sich wie ein Dorn ganz in das Innerste ihrer Eingeweide gegraben und infizierte alles Umliegende mit einer heißen und zugleich bitterkalten Starre.
 

„Sch“, machte Rose, auch wenn sie nicht wusste, was genau sie dadurch verhindern wollte. Aber sie musste Alice irgendwie beruhigen. Sie war völlig aufgelöst, so hatte sie sie noch nie gesehen.
 

Und als gäbe es keinen schlechteren Augenblick, hörte Rose, wie sich das Mauerwerk bewegte und Scorpius mit Albus hinein stolperte. Ihnen folgte Zabini.

Alice drehte rasch ihren Kopf weg, damit man ihre Tränen nicht sah.
 

Wie von einer Biene gestochen, sprang Rose auf. Ungeachtet des großen nassen Flecks auf ihrem roten Pullover und hielt auf Albus zu.
 

„Dass du dich noch hierher wagst, Albus Severus Potter!“, begann sie unvermittelt zu schreien. Scorpius machte unwillkürlich einen Schritt zurück, als er Roses von Wut verzerrtes Gesicht sah und die funkelnde Entschlossenheit dahinter.
 

„Dass du dich nicht schämst“, fügte sie hinzu. Sie hatte so schnell ihren Zauberstab zur Hand, dass Albus nicht reagieren konnte.
 

Levicorp-
 

Expelliarmus!“, rief Scorpius noch rechtzeitig und Rose wurde der Zauberstab aus der Hand gerissen, bevor sie Albus umher schleudern konnte.
 

Verblüfft sah sie Scorpius an, bevor sie sich wieder auf ihr Vorhaben besann. Sie visierte wieder Albus an, der gar nicht verstand, wie ihm geschah.
 

„Dann anders“, fauchte sie und im nächsten Moment hatte sie Albus mit der Faust mitten im Gesicht getroffen. Sein Kopf flog herum und er spuckte Blut, weil er sich auf die Zunge gebissen hatte.
 

Ein stechender Schmerz fuhr in Roses rechte Hand, doch sie ignorierte es und konzentrierte ihre ganze Wut auf ihren Cousin. So mit Mädchen umzugehen, hatte er bestimmt nicht von seiner Mutter gelernt! Und dann auch noch Alice, für die er die meiste seiner Schulzeit etwas empfunden hatte – sein Anstand hätte es ihm verbieten müssen. Sie war keine von den Mädchen, mit denen er diese Tour abziehen konnte; sie war etwas besonderes und vor gar nicht allzu langer Zeit, hatte auch er das gewusst.
 

„Scher dich raus!“, brüllte sie ihm entgegen und wollte schon wieder auf ihn losgehen, als sie von Scorpius an den Schultern zurück gezogen wurde.
 

Albus, der sein Blut auf den Steinboden spuckte, sah ein letztes Mal zu Alice, die ihr Gesicht abgewandt hielt. Doch er sah ihre Tränen.

Er wusste, dass sie nie weinte – nicht einmal vor Rose, ihrer besten Freundin. Offensichtlich weinte sie seinetwegen, sonst wäre Rose nie so sehr aus der Haut gefahren. So viel Wut hatte er noch nie in den Augen seiner Lieblingscousine gesehen. Sie war enttäuscht. Und er auch.

Langsam atmete er ein und wandte sich zum Gehen.
 

„Verzieh dich, verdammter Heuchler!“, schrie sie ihm nach, während Scorpius sie immer noch festhielt.
 

Albus stieß Zabini, der zur Salzsäule erstarrt war, zur Seite und verschwand in die Dunkelheit des Flurs. Erst als er aus ihrem Sichtfeld verschwunden war, beruhigte sich Rose wieder. Sie riss sich von Scorpius los, als sei er brennend heiß, dann funkelte sie ihn zornig an.
 

„Willst du dich nicht auch Meter gewinnen?“, fauchte sie.
 

Scorpius musste grinsen, als er sie so in Rage erlebte. Das hatte ihr zuletzt zugetraut. Noch nicht einmal bei ihren Duellen in den unteren Klassenstufen, hatte sie so wütend reagiert. Selbst als er ihr die schlimmsten Dinge angetan hatte, war sie noch vergleichsweise ruhig geblieben.
 

„Ich bin unschuldig.“, erklärte er ruhig.
 

„Was weiß ich? Das Slytherin-Pack steckt doch immer unter einer Decke. Und das meine ich wirklich so, wie ich es sage.“, konterte sie.

Ein roter Schopf erschien in der Tür. Lily zog beide Augenbrauen hoch, als sie den Tumult gehört hatte und ihr Albus blutend entgegengekommen war, sich aber nicht helfen lassen wollte.
 

„Was ist denn hier los?“, wollte sie wissen. Sie sah von einem zum anderen, doch als ihr keiner antworten wollte, sah sich Zabini gezwungen, für die nötige Aufklärung zu sorgen.
 

„Wir sind wohl gerade etwas ungelegen gekommen“, sagte er zynisch, dann fuhr er fort:

„Weasley hat deinen Bruder gerade gehörig vermöbelt.“
 

Lily sah zu Rose – einer ihrer Knöchel war aufgesprungen und blutete, der Zorn stand ihr noch immer in den Augen. Scorpius stand ihr mit einem schiefen Grinsen gegenüber. Dann sah sie zu Alice, die unbewegt auf dem Sofa saß und in eine andere Richtung sah, als habe sie mit all dem nichts zu tun. Auch wenn Lily sonst nichts über ihren Bruder kommen ließ und ihn immer wieder verteidigte, meinte sie:

„Sie wird ihren Grund dafür gehabt haben.“
 

Sie war sich sicher, dass es wegen Alice war. Denn obwohl es ihr keiner direkt gesagt hatte, konnte sie sich denken, dass Alice mit ihrem Bruder geschlafen hatte. Auch ihr war nicht entgangen, dass Morgana am Morgen jedem erzählt hatte, der es hören wollte, dass sie mit ihm offiziell zusammen war. Lily war eigentlich aus einem ganz anderen Grund hier aufgetaucht. Sie brauchte jemanden zum Reden. Doch nun musste sie erkennen, dass ihre beiden besten Freundinnen in letzter Zeit nur mit sich selbst beschäftigt waren. Sie hatten ihr nicht einmal mitgeteilt, dass sie sich im Clubraum treffen würden.

Auch wenn es Lily ärgerte, ließ sie sich nichts anmerken. Sie würde einfach direkt nachfragen, wenn sie wieder allein waren.

Sie wandte sich an Nathan, auch wenn es anders abgelaufen wäre, ginge es nach ihr, musste sie ihn und Scorpius wegschicken.
 

„Ich glaube, es ist besser, wenn ihr geht“, sagte sie als Stimme der Vernunft.
 

Nathan schien es genauso zu sehen und wandte sich an Scorpius, der Rose immer noch fasziniert anstarrte, als habe sie ein neues Kunststück gelernt.
 

„Komm, Scorpius. Lily hat recht“, meinte er. Roses Cousine wurde rot.
 

Scorpius entging es nicht. Er besann sich also und verließ mit Nathan den Raum. Eigentlich war er hier her gekommen, um Rose zu sagen, dass sie schon alles packen solle, damit sie nicht den Zug verpassten. Doch Nathan hatte recht, es war besser, wenn sich alle beruhigen würden und irgendwer musste dringend nach Albus sehen. Nicht, dass er sich an seinem Blut verschluckte. Zu dieser Gelegenheit würden er und Nathan nachfragen, was eigentlich vor sich ging. Dass es um Longbottom ging, konnte sich jeder denken, doch es musste schon etwas Schlimmes vorgefallen sein, um Weasley so ausflippen zu lassen.
 

„Wir sehen uns“, verabschiedete er sich und verschwand nach draußen.
 

Nun war Lily die einzige, die zurückblieb. Neben den ganzen Portraits, die heftig über das Vorgefallene diskutierten, aber keinerlei Rücksicht auf die Anwesenden nahmen. Lily konnte es ihnen nicht einmal verübeln – so viel Gesprächsstoff hatten sie seit gewiss hundert Jahren nicht mehr.
 

„Und? Wer von euch beiden möchte anfangen?“, fragte sie und hatte die strenge Stimme ihrer Mutter bekommen, wenn sie ihre Kinder ausfragte.
 

„Anfangen womit?“, fragte Alice und bewegte sich das erste Mal seit zehn Minuten.
 

Lily sah die Tränenspuren in ihrem Gesicht. Doch sie konnte keine Rücksicht nehmen und schweigen. Irgendwas schien beide zu beschäftigen und sie wollte einfach nicht einsehen, dass sie sie davon ausschlossen. Ihr war immer klar gewesen, dass Rose ein viel innigeres Verhältnis zu Alice hatte, doch so offenkundig ausgegrenzt hatten sie sie noch nie.
 

„Mir zu sagen, was euer verdammtes Problem ist. Aus irgendeinem Grund haltet ihr es nicht mehr für nötig, mich mit einzubeziehen“, entgegnete Lily, immer noch streng, aber etwas leiser.
 

Rose stand wie vom Donner gerührt vor ihrer Cousine. Es war ihr nicht aufgefallen, dass Lily sich stehen gelassen vorkam. Sie war so sehr mit sich selbst und Alice beschäftigt, dass es ihr entging. Rose hob zu einer Erklärung an, doch Alice kam ihr zuvor.
 

„Ich und Albus haben miteinander geschlafen. Danach hat er sich aus dem Staub gemacht. An nächsten Morgen hat Greengrass verkündet, mit ihm ein Paar zu sein.“
 

Lily zog beide Augenbrauen hoch. Das war hart und erklärte Roses Reaktion. Denn wenn Alice weinte, dann ging es ihr wirklich schlecht. In den letzten Jahren war es nicht einmal vorgekommen. Die Potter ärgerte sich über ihren Bruder. Endlich hatte er sie haben können und wollte sie dann nicht mehr? Das war höchst ungewöhnlich und schreiend dämlich von ihm. Hatte er denn nicht gemerkt, dass Alice sich ernsthaft um ihn bemühte?
 

Nun seufzte Rose.
 

„Und Malfoy hat mir gesagt, er will mir den Hof machen. David ist total ausgerastet, als er von unserem Date gehört hatte“, gestand Rose reumütig.
 

Lily grinste schief.
 

„Mir hat Zabini zu seinem Geburtstag erzählt, dass er mich schon seit zwei Jahren liebt. Er war sturzbetrunken“, ergänzte Lily und nun mussten alle drei Mädchen grinsen.
 

„Unsere Probleme begrenzen sich also nur auf das Haus Slytherin, wie ironisch. Wir sollten sie eigentlich hassen“, lachte Alice und griff nach einer Beruhigungszigarette. Sie fühlte sich gereinigt nach all den Tränen und Roses Rache an Albus. Ihre Kopfschmerzen vom vielen Weinen beruhigten sich ebenfalls schrittweise. Es war ein karthagisches Gewitter gewesen.
 

„Nathan Zabini also“, seufzte Rose und ließ sich auf dem Boden vor dem Kamin nieder. Lily setzte sich neben Alice und griff sich eine Zigarette aus ihrer Schachtel. Es brauchte eine Weile, bis sie anfing zu erzählen.
 

„Er war betrunken und dazu stand er noch unter dem Einfluss unseres verhexten Krauts“, versuchte sie es sogleich wieder herunterzuspielen. Doch das verräterische Lächeln in ihren Mundwinkeln, strafte sie Lügen.
 

„Was hast du ihm geantwortet?“, wollte Rose wissen. Dass Nathan Zabini ausgerechnet etwas für Lily empfand, wollte ihr nicht in den Kopf. Sie hatte nie Anzeichen dafür gesehen. Nun, das letzte Jahr war sie in Frankreich, doch auch im Verlaufe ihres siebten Schuljahres bis zu diesem Zeitpunkt, war ihr nichts dergleichen aufgefallen.
 

„Nichts“, gestand Lily.
 

Alice zog eine Augenbraue hoch. Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass Lily so reagiert hatte. Es war nicht ihre Art, Verehrer im Unwissenden zu lassen.
 

„Nichts?“, fragte Rose skeptisch nach.
 

Nun grinste Lily. „Ich habe ihn geküsst. Zweimal oder dreimal und dann bin ich weggelaufen.“

Rose musste kichern. Lily hatte also genauso reagiert, wie Rose, als Scorpius sie geküsst hatte. Vielleicht lag es ja in der Familie, von Problemen davonzulaufen. Allerdings war es keine erfolgreiche Methode, denn die Probleme trugen Siebenmeilenstiefel und waren vor einem selbst im Ziel.
 

„Und dann?“, fragte Alice neugierig weiter.
 

„Seitdem haben wir nicht mehr miteinander gesprochen“, seufzte Lily und sah unsicher in die strafenden Gesichter ihrer Freundinnen. Sie wusste selbst, dass es dumm war, sich aus dem Weg zu gehen, allein aus dem Grund, weil es einem peinlich war. Aber immer wenn sie ihn sah und sich ihr Körper anfühlte, als sei sie im freien Fall, lief sie schnell weiter um sich nicht lächerlich zu machen.
 

„Oh“, machte Rose.
 

„Und was willst du tun?“, fragte Alice ungeduldig.
 

Lily sah unsicher in die Runde. „Genau deswegen bin ich ja hier. Ich wollte euch fragen.“

Die Malfoys.

Hallo, liebe Leser!
 

Zunächst einmal: ich habe mich unglaublich über eure Kommentare gefreut und auch über die stolze Anzahl meiner Favoriten (98!). Dankeschön, dass ihr mir immer noch treu seid.

Deswegen wollte ich das neue Chapter auch nicht unnötig aufschieben und habe es auf Montag terminiert. Das gefiel mir besser als Mittwoch, weil man ja einen netten Start in die neue Woche haben will. (Ich für meinen Teil schon.)

Was die Sache mit Scorpius Werben anbelangt... ich sage nur so viel: er ist nicht der Typ für das Offensichtliche. Er wirbt eher subtil, also lest ruhig ein bisschen zwischen den Zeilen und strengt eure Phantasie an. :)
 

Zum Schluss noch der Dank an Dahlie für ihre Beta-Arbeit.
 

Und nun: Vorhang auf!
 


 


 


 

- Kapitel 9 -

[Die Malfoys.]
 

Rose stieg schweren Herzens am nächsten Morgen in den Hogwartsexpress. Die Alternative Weihnachten mit Filch in Hogwarts zu verbringen, war verlockender als die Tatsache, Heiligabend und die restlichen Feiertage mit den Malfoys zu feiern. Sie sollte die ganze Sippe kennen lernen, bevor sie Scorpius heiratete. Die Weasley kam sich vor, wie eine Schauspielerin in einem ungeliebten Stück.

Lily saß ihr gegenüber und kaute auf ihrem Fingernagel, als sei sie gedanklich ganz weit weg an einem fernen Strand. Alice und Rose war es zwar gelungen, Lily zu überreden, sich mit Nathan auseinanderzusetzen, doch sie würde es nicht vor Ende der Weihnachtsferien tun.

Sie wollte lieber noch etwas Zeit zum Nachdenken haben, hatte Lily erklärt. Und das tat sie – die ganze Nacht lang, zum Frühstück und nun im Zug.

„Lass dir die Gedanken nicht zu schwer werden“, ermunterte Rose ihre Cousine und schenkte ihr ein Lächeln. Lily sah auf und sah durch Rose hindurch, bis sie sich besann.

„Ich mag ihn sehr. Habe ich schon immer. Mehr als Scorpius, mochte ich ihn am meisten im Freundeskreis meines Bruders.“, meinte Lily.

„Das Problem ist aber ein anderes. Albus passt auf mich auf, wie auf seinem Augapfel. Er hat jedem seiner Freunde verboten, auch nur in meine Nähe zu kommen, da war ich gerade mal in der zweiten Klasse. Wenn er davon wüsste, würde er Nathan die Hölle heiß machen und ihm dann die Freundschaft kündigen“, erklärte sie nach einer kleinen Pause.

Das überraschte Rose. Eigentlich hatte sie gedacht, dass es Albus egal war, mit wem sich Lily herumtrieb. Er hatte damals Lilys ersten Freund verhext, weil er sie betrogen hatte. Ironischer Weise hatte ihm Zabini dabei geholfen. Der arme Adam Thomas lag zwei Wochen auf dem Krankenflügel und Zabini und Albus bekamen acht Wochen Nachsitzen dafür, dass sie Lily gerächt hatten. Aber seitdem hatte er sich nie wieder darum geschert, mit wem Lily ging und in wen sie verliebt war – solange es kein Slytherin war.

„Du solltest dir keine Gedanken um Albus machen. Er kann nicht über dein Glück bestimmen und wenn du Nathan wirklich willst, dann nimm ihn dir einfach“, gab Rose den Rat.

Lily lachte. „Nein, ich lasse Albus nicht über mich bestimmen, keine Sorge. Es hemmt Nathan, nicht mich.“

Jetzt verstand Rose. Er fürchtete, die Freundschaft mit Albus zu gefährden, wenn er sich mit Lily traf oder mit ihr zusammen war. Rose bekam etwas Mitleid. Es war eine echte Zwickmühle.

„Dann muss er entscheiden, was du ihm wert ist.“

„Das dachte ich mir auch. Deswegen will ich warten, bis er sich auch vor Albus dazu bekennt. Auf ein Versteckspiel habe ich keine Lust“, schloss Lily das Thema ab und begann wieder an ihrem Fingernagel zu kauen.

Rose sah aus dem Fenster und bewunderte die winterliche Landschaft. Als sei irgendwo eine riesengroße Dose Puderzucker explodiert. Dioch Idylle war trügerisch. Sie würde nicht nach Hause zu ihrem Vater oder ihren Großeltern fahren. Auf sie wartete ein unterkühltes, dunkles Haus und Schwiegereltern, die Herzen aus Eis hatten. Außerdem noch ein Verlobter, der sich aus Pflichtgefühl um sie kümmerte, aber nicht aus Hingabe.

„Ich frage mich, was meine Eltern denken würden, wenn ich ihnen mitteilen würde, dass mein neuer Freund ein Slytherin ist. Sie würden aus allen Wolken fallen. Auch wenn sie immer so tolerant tun, wenn es um Albus geht. Eigentlich denken sie wirklich schlecht von den Slytherins“, murmelte Lily nachdenklich.

„Das wird erst einmal dein geringstes Problem sein“, antwortete Rose.
 

Als sie am Bahnhof King's Cross ankamen, fiel es Rose schwer, aufzustehen und ihren Schulkoffer von der Gepäckablage zu hieven. Zumindest würde sie ihren Vater kurz sehen, wenn er Hugo abholte. Er hatte nicht gewollt, dass sie Weihnachten bei den Malfoys verbrachte, doch Rose musste sich eingestehen, dass Astoria recht hatte, als sie schrieb, dass es wichtig war, dass sie die Familie kennen lernte, in die sie einheiratete. Auch wenn es nicht gerade freiwillig war.

Und Rose mochte Astoria so sehr, dass sie es nicht übers Herz brachte, auch ihre dritte Einladung auszuschlagen. Das hatte sie auch ihrem Vater geschrieben. Es tat ihr leid, aber es war auch seine Schuld, dass sie nicht in den Fuchsbau zurückkehren würde. Das Haus ihrer Kindheit war nicht länger ihr Heim, wenn das Schuljahr beendet war.

Deswegen sah sie sich gezwungen, ein leichtes Lächeln aufzulegen und zum Abteil zu gehen, in dem sich Scorpius niedergelassen hatte. Auch wenn sie nicht gut auf Albus zu sprechen war, wünschte sie ihm zumindest noch frohe Weihnachten. Er knurrte nur zur Antwort.

Scorpius verabschiedete sich von seinem besten Freunden und lief voraus auf das Bahngleis, wo seine Eltern warteten.

Rose fröstelte, als ihr die kalte Luft um den Hals wehte. Sie ärgerte sich, ihren Schal im Mädchenschlafsaal liegen gelassen zu haben. Am Ende der Ferien hätte sie gewiss eine Erkältung.

Astoria trug einen knielangen, olivfarbenen Mantel, darunter lugten die bestrumpften schlanken Beine heraus. Sie hatte sich einen dicken, roten Schal um den Hals gebunden. Rose musste lächeln, denn sie hatte sich in einem Brief über das Slytheringrün beschwert und dass es immer kalt wirke. Die Weasley war sich sicher, dass Astoria diesen roten Schal nur ihretwegen trug.

Scorpius Mutter wiederum schenkte ihrem Sohn das erste strahlende Lächeln, schloss ihn fest in die Arme und dann wandte sie sich an Rose, drückte diese dann ebenfalls überschwänglich an ihre Brust. Die Gryffindor erwiderte dies das erste Mal in ihrem Leben, denn sie wusste, dass Astoria der einzige Mensch im Hause Malfoy war, der sie wirklich mochte und dem sie etwas bedeutete. Deswegen gestattete sie ihr auch, sie Rosie zu nennen, obwohl es sonst immer ihre Mutter getan hatte. Einige Schüler um sie herum blieben stehen und musterten die Szenerie mit Argusaugen. Rose konnte sich vorstellen, dass sie nun viel Raum für Spekulationen bot. Warum sonst, sollte eine Weasley einer Malfoy in die Arme fallen, wenn da nichts im Busch war?

„Hallo, Rosie“, begrüßte sie sie.

Die Angesprochene sah, dass Lucy mit einem skeptischem Blick an ihnen vorüber lief - offensichtlich passte ihr das Verhältnis nicht, das Rose zu Scorpius' Mutter pflegte. Ihr stand ins Gesicht geschrieben, dass sie sich fragte, was das soll. Sie sah auch David von weitem, wie er seinen Vater begrüßte und eine hübsche, schwarzhaarige Frau, die wohl seine Mutter war. Glücklicher Weise bekam er nicht mit, dass Rose sich bei den Malfoys aufhielt.

Etwas Rotes streifte ihren Augenwinkel und sie erkannte ihren Vater, der in angemessenem Abstand von der Familie stand – die Hände in den Jackentaschen vergraben, einen schüchternen Blick in den Augen und mit roten Ohren. Rose musste grinsen.

Übermäßig eilig begrüßte sie Draco Malfoy und bevor er sie fragen konnte, wie es ihr ging, wandte sich Rose schon zu ihrem Vater um und fiel ihm in die Arme.

„Hallo, Daddy“, schnaufte sie in seine Jacke.

Ronald Weasley lächelte und entblößte dabei die Zeichen seines Alters: Lachfalten. Rose war froh darüber, dass es keine Sorgenfalten waren. Sie atmete tief seinen Duft ein, der sie an ihre Kindheit erinnerte, in der noch alles sicher war und ihre Mum noch lebte.

„Wie geht’s dir?“, wollte sie wissen.

„Gut, mein Liebling. Ich schätze, dass du es dir nicht noch einmal anders überlegt hast?“, fragte er hoffnungsvoll. Doch Rose hatte nur eine enttäuschende Antwort für ihn:

„Nein, leider nicht. Ich hoffe du verstehst das.“

Ihr Vater seufzte ausgiebig, dann drückte er sie ein letztes Mal.

„Natürlich verstehe ich dich.“

Jemand hüstelte hinter ihnen. Rose wandte sich um. Scorpius stand da, ein freundliches Lächeln auf den Lippen und einen bewundernden Blick für ihren Vater in den Augen. Scorpius war ein ehrlicher Fan von den Taten ihrer Eltern und ihres Onkels. Es machte sie in gewisser Weise stolz.

„Ich wollte Ihnen nur frohe Weihnachten wünschen, Mr. Weasley“, sagte er schon fast etwas schüchtern. Rose war sich sicher, dass ihr Vater wie gewohnt unhöflich sein würde, doch diesmal lächelte er. Vielleicht war ihm endlich eingefallen, dass er in naher Zukunft mit seinem Schwiegersohn zusammenarbeiten musste, um das Geschäft auf dem Laufenden zu halten.

„Hallo, Scorpius. Ich wünsche dir und deiner Familie ebenfalls ein frohes Fest“, sagte er freundlich, dass sogar Scorpius ins Stocken geriet. Ronald Weasley nickte über Scorpius Schultern hinweg, den Malfoys zu. Astoria winkte, während Draco keinerlei Regung zeigte.

„Danke, Mr. Weasley“, antwortete er verlegen.

„Rose, wir wollen dann los“, fügte er leise hinzu, nachdem er sich durch einen Blick auf das dringliche Gesicht seines Vaters vergewissert hatte, dass sie es eilig hatten zu verschwinden.

Sie nickte und wandte sich noch einmal an ihren Vater und ihren Bruder, der gerade zu ihnen gestoßen war. Er funkelte Scorpius böse an, als sei es seine persönliche Schuld, dass er sich zu Weihnachten nicht mit seiner Schwester unterm Christbaum streiten konnte. Rose zwinkerte ihm zu und drückte ihn noch einmal.

„Wir sehen uns...“ Rose überlegte. Sie würden sich das nächste Mal zu ihrer Hochzeit sehen oder höchstens ein paar Tage davor. Sie ließ den Satz unvollendet. Sogar Ron, der kein Feingefühl für Unausgesprochenes besaß, fiel auf, dass sie sich vor dem Satzende drückte.

„Pass auf mein Mädchen auf, Scorpius. Wenn du ihr ein Haar krümmst, dann –“

„Keine Sorge, Sir. Ich bemühe mich nach Kräften, ein Auge auf sie zu haben“, fiel ihm Scorpius grinsend ins Wort, sodass Roses Vater keine andere Möglichkeit hatte, als kurz zu lächeln und dann grimmig zu nicken.

Sie wandten sich um und gingen zusammen zu den Malfoys. Ron wollte sich gerade umdrehen, als er bemerkte, dass Scorpius seine einzige Tochter beim Gehen stoppte. Verwirrt blieb seine Älteste stehen und sah zu ihm auf. Da nahm er den Hausschal der Slytherins von seinem Hals und wickelte ihn um Roses. Mit einer liebevollen Geste band er ihr ihn zusammen. Ron blickte zu seiner Nichte Lucy, die die Augen zusammenkniff und dann zur Tochter von Oliver Wood, die mit ihrer Freundin darüber tuschelte, was vor sich ging.

„Sieh einer an“, sagte Ronald Weasley mehr zu sich selbst als zu seinem Sohn, der skeptisch eine Augenbraue hochgezogen hatte. Er vertraute keinem Malfoy und Ron konnte ihn darin nur bestärken, denn seine Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass sie immer etwas im Schilde führten. Zusammen verließen sie den Bahnhof.
 

„Du kannst doch bestimmt apparieren, Rose?“, fragte Draco seine künftige Schwiegertochter.

„Aber natürlich kann sie das. Sie ist eine gute Hexe“, fuhr Astoria ihm ärgerlich dazwischen, noch bevor Rose antworten konnte.

Draco zuckte mit den Schultern und disapparierte. Astoria war mit einem Plopp ebenfalls verschwunden.

Scorpius sah zu Rose und ergriff spontan ihre Hand, damit sie nicht in die Verlegenheit kam, vor der Tür des Hauses zu apparieren. Denn innerhalb der Mauern konnte nur der apparieren, der den Namen Malfoy trug.

Als die Weasley die Augen öffnete, befand sie sich in der großen Empfangshalle der Malfoys. Es war im Vergleich zu ihrem letzten Besuch hell und wirkte einladend warm. Rose war erstaunt, denn sie hatte die Wände dieses Hauses viel dunkler in Erinnerung.

„Willkommen, Mistress Weasley“, begrüßte sie ein kleiner Hauself.

Rose musste kichern, denn er hatte einen winzig kleinen gestrickten Pullover an und eine Latzhose, die außer ihm nur einer Puppe passen könnte.

„Meine Mutter vertreibt sich die Zeit damit, unsere Hauselfen mit Winterkleidung auszustatten“, erklärte Scorpius und gab seinen langen Wintermantel einem der vorbei laufenden Elfen.

„Dann sind alle von ihnen frei?“, schlussfolgerte Rose.

Scorpius nickte. „Selbstverständlich. Sie bleiben freiwillig bei uns und arbeiten für ihre Kost und Logie. Für Gold wollen sie nicht schuften, das verbietet ihnen ihr Ehrgefühl.“

Wenn das ihre Mutter gewusst hätte, hätte sie vielleicht anders über die Familie gedacht, dachte Rose. Immerhin war Dobby, der berühmteste Hauself in der Geschichte der Zauberei, einst ein Elf der Familie Malfoy gewesen. Ihr Onkel Harry hatte viele Geschichten von ihm erzählt.

„Rosie? Rose!“, rief Astoria vom – wenn Rose sich richtig erinnerte – Wohnzimmer aus.

„Ich bin hier, Astoria“, rief sie zurück.

Scorpius zog beide Augenbrauen hoch. „Ich wusste gar nicht, dass du dich mit meiner Mutter so gut verstehst.“

Rose grinste verschmitzt. „Es gibt mehr als genug, das du nicht über mich weißt.“

Scorpius' Mutter stieß zu ihnen und nahm Rose den Mantel ab, auf den der Hauself so lange geduldig gewartet hatte.

„Danke, Tickles“, sagte sie rasch und der Elf verschwand mit dem Mantel in irgendeinen Raum, der wahrscheinlich die Garderobe war.

„Wir erwarten zu Weihnachten jedes Jahr so viele Verwandte, dass unsere Gästezimmer komplett belegt sind. Ich wollte dich fragen, ob es dir etwas ausmacht, in Scorpius Zimmer zu schlafen?“, sagte die Hausherrin.

Rose wurde rot. Mist, daran hatte sie nicht gedacht.

„Nein, das ist schon okay“, sagte die Weasley mehr als widerwillig, doch Astoria schien dadurch sichtbar erleichtert zu sein. Das wiederum brachte Rose zum Schmunzeln.

„Scorpius?“, fragte seine Mutter.

„Nein, mich stört es auch nicht“, beruhigte er sie.

„Gut“, seufzte Astoria im Weggehen. „Dein Bett ist ja ein Glück groß genug.“ Dann war sie verschwunden. Rose entgleiste das Lächeln. Sie sollte mit ihm ein Bett teilen?

„Wahrscheinlich denkt sie jetzt, dass wir miteinander schlafen“, murmelte Scorpius, als er Roses schockiertes Gesicht sah. Und schockierte sie dadurch mehr.

„Sie denkt was?“, fragte Rose zögerlich.

Scorpius lachte herzlich. „Du hast mich schon richtig verstanden. Sie ist ja nicht dämlich.“

Das beruhigte sie kein bisschen. Unsicher sah sie zu Scorpius. Sie ermahnte sich zur Ruhe. Rose würde mit ihm das Bett teilen, das war nicht weiter schlimm. Nur, dass sie nach den Ferien wahrscheinlich auch das Bett mit David teilen müsste, um fair zu bleiben. Es war nichts weiter dabei, schließlich würden sie das in den nächsten Jahren Nacht für Nacht tun. Das hieß hoffentlich nicht gleich, dass er über sie herfallen würde wie ein Tier, sobald die Nacht angebrochen war.

„Wann kommen denn deine Verwandten?“, fragte Rose, um das Thema zu wechseln.

„Meine Tante und meine Cousine kommen heute Abend. Meine Großeltern mütterlicher und väterlicherseits sind schon da. Die anderen kommen morgen“, antwortete Scorpius.

„Wie viele erwartet ihr denn jedes Jahr?“, fragte Rose überrascht.

„Es sind immer so um die fünfzig Zauberer und Hexen anwesend. Aber große Familienfeste sollten dir doch nicht neu sein, oder? Albus erzählt, dass ihr auch immer alle zusammen feiert.“

„Ja, das stimmt. Meine Großeltern versuchen immer alle an einen Tisch zu bringen.“ Rose schwelgte für ein paar Sekunden in Erinnerungen, als sie sah, dass ein Hauself ihre Koffer hinein schweben ließ.

Rose fragte sich, ob sie mit Morgana die nächsten Tage auskommen würde, wenn sie ihr ständig über den Weg lief. Außerdem waren sie nur drei Jugendliche, denn obwohl die Malfoys eine reiche Verwandtschaft hatten, verjüngte sich der Familienstammbaum in ihrer Generation.

„Wie lange willst du denn noch hier herumstehen?“, fragte Scorpius.

Sie rief sich zur Ordnung. „Ich weiß nicht, was ich sonst machen soll“, gestand sie schließlich verlegen. Sie war in einem fremden Haus mit fremden Leuten, wenn ihr kein Vorschlag gemacht würde, wusste sie auch nichts mit sich anzufangen.

„Scorpius, wie wäre es, wenn du unseren Gast herumführst. Für den Anfang zumindest“, schlug Astoria vor, als sie wie aus dem Nichts vor ihnen auftauchte, eine Schürze um die Taille und etwas Mehl in den dunklen Haaren. Backte sie wirklich selbst? Rose hatte gedacht, dass es hier für alles Personal gab.

„Ja, Ma'am“, erklärte sich Scorpius artig bereit.

„Dann fühlst du dich schon bald viel wohler. Immerhin war es kein so schöner Anlass, als du das letzte Mal hier warst“, ergänzte Astoria an ihre künftige Schwiegertochter gewandt. Rose wollte erwidern, dass es auch jetzt kein besonders schöner Anlass war, denn seit damals hatte sich nichts entscheidendes geändert.

„Wir haben auch eine Hausbibliothek“, fügte sie mit einem Augenzwinkern hinzu, dann verschwand sie wieder hinter irgendeiner Tür.

Wenigstens würde sie genug Lesestoff haben. Wenn sie schon keine Lust auf die Gesellschaft hatte, konnte sie sich den Rest der Zeit mit Büchern vertreiben und mit Briefen an Lily und Alice. Und an ihren Vater, der sie ausdrücklich darum gebeten hatte, ihm zu schreiben, ob es ihr gut ging und ob man nett zu ihr war. Rose wusste, dass er sich um Letzteres am wenigsten Sorgen machen musste, denn alle waren überfreundlich zu ihr.

Scorpius begann im letzten Stock des Hauses: das Dachgeschoss. Hier waren nur zwei Gästezimmer und eine Abstellkammer, in der seine Mutter – wie er verriet – die Weihnachtsgeschenke versteckte. Jeder schien es zu wissen, nur Astoria nicht.

Die nächste Etage, die Zweite, beherbergte vier Zimmer. Wieder zwei Gästezimmer mit den dazugehörigen Bädern, das Schlafzimmer seiner Eltern und das Arbeitszimmer seines Vaters, das man nach Möglichkeit nicht betreten sollte, denn er wurde nicht gerne gestört, wenn er Akten wälzte und irgendwelche Zahlen aufschrieb.

Die erste Etage bestand aus nur zwei großen Räumen. Das eine war die Hausbibliothek. Rose steckte ihre Nase nur kurz durch den Türspalt und entdeckte meterhohe Bücherregale – alle waren gefüllt bis unter die Decke. An manche Bücher kam man nur mittels einer Leiter. Es hing der staubige Geruch einer Bibliothek in der Luft und Rose wusste sofort, als sie das kleine Kanapee und die Sessel vor dem Kamin sah, dass sie sich hier am wohlsten fühlen würde.

Dann kamen sie in Scorpius Zimmer. Rose erwartete den gleichen Raum vorzufinden, wie vor fünf Jahren, doch sie hatte sich geirrt. Auf Kosten eines angrenzenden dritten Zimmers hatte Scorpius ein eigenes Badezimmer bekommen. Sein Domizil war immer noch so groß, wie damals, doch nun häuften sich eher die halbnackten Hexen an seiner Wand, die die verschiedensten Dinge mit ihrem Zauberstab, Besen oder Hut anstellten, als die Bilder berühmter Zauberer unter denen auch ihre Eltern gewesen waren. Scorpius persönliches Bücherregal hatte sich verdoppelt. Ein Schreibtisch war hinzu gekommen und ein Sofa vor dem Kamin. Auf dem daneben stehenden, dünnbeinigen Beistelltisch häuften sich bereits dicke Wälzer. An der gegenüberliegenden Wand stand ein großer Kleiderschrank und sein Bett stand mit dem Kopfende zwischen zwei mannhohen Fenstern, die nur lange, halb durchsichtige Chiffon-Vorhänge zierten. Das Bett hatte sich vergrößert. Es sah heller und gemütlicher aus, auch wenn die schwach leuchtenden Petroleumlampen geblieben waren. In einer anderen Ecke stand sein Besen.

„Sieht nett aus“, meinte Rose betont beiläufig.

Er lächelte schwach und führte sie ins Erdgeschoss, von dem sie schon das Wohnzimmer und den Wintergarten kannte. Außerdem zeigte Scorpius ihr die Küche, in der sich Astoria an einem riesigen Haufen Teig zu schaffen machte, während gefühlte zehn Hauselfen zwischen ihren Beinen hin und her liefen, Geschirr trugen oder einen Sack Kartoffeln schweben ließen.

Im Wohnzimmer traf sie das erste Mal auf Scorpius Großeltern. Lucius Malfoy hatte sie schon einmal auf einer Feier im Ministerium gesehen, als ihre Mutter noch lebte und dort arbeitete. Rose stellte fest, dass er alt geworden war – das wasserstoffblonde Haar war nun weiß, auch wenn der Unterschied auf den ersten Blick nicht zu sehen war. Seine Großmutter Narcissa musterte Rose streng, noch bevor sie ihr vorgestellt wurde. Es verunsicherte Rose. Sie sah für ihr Alter noch jung aus, doch ihre zugeknöpfte Art sich zu kleiden, ließ diesen Eindruck gleich wieder ermatten.

Die Großeltern Greengrass waren um einiges warmherziger. Schon allein aus dem Grund, dass Isobell Greengrass ein flammend rotes Kleid trug. Ihre blonden Haare waren nur von ein paar grauen Strähnen durchzogen, die sie aber schön geordnet stolz zur Schau trug. Hinter den grünen Augen lag der Anschein von Amüsement über Roses Unsicherheit und das Schüchternheit die sie infolgedessen an den Tag legte.

Und Scorpius Großvater mütterlicherseits, Barbarossa Greengrass, hatte noch besaß einen kräftigeren Rotton, als Roses eigene Haare. Er war wahrscheinlich ein Ire oder ein Schotte, auf jeden Fall redete er nicht sehr viel, sondern musterte alle Anwesenden neutral aus klugen blauen Augen heraus.

„Großeltern“, sagte Scorpius, nachdem er jeden vorgestellt hatte, „das ist Rose Weasley. Sie ist die Tochter von Hermine Granger und Ronald Weasley. Und die Cousine von meinem Freund Albus, den ihr letztes Jahr kennen gelernt habt.“

„Eine Weasley...“, sagte Narcissa und schüttelte mit dem Kopf. Rose war es unangenehm, dass Narcissa offenbar ein wirkliches Problem mit ihrer Abstammung hatte und dass sie nichts entgegen zu setzen hatte außer krebsrot anzulaufen.

„Reg dich nicht auf, Narcissa. Es ist nicht gut für deine Gesundheit“, erinnerte Grandma Isobell und lächelte Rose entschuldigend an.

„In unserer ehrwürdigen Familie...“, echauffierte sie sich weiter.

Rose sah fragend zu Scorpius, dessen Blick sich verhärtet hatte.

„Mutter, sei bitte nett zu ihr. Auch den Weasleys verdanke ich mein Leben“, entgegnete Draco Malfoy statt seines Sohnes, als er den Raum betrat. Narcissa war sofort ruhig, als sie das hörte und sah Scorpius Vater nur mit großen Augen an.

„Wohl wahr“, antwortete Lucius und lächelte ermunternd in Roses Richtung.

Rose war sich nicht sicher, ob sie Lucius Malfoy hassen sollte, weil er einmal ein brutaler Todesser gewesen war, oder ob sie eher Scorpius Großvater, einen alten Veteran, in ihm sehen sollte. Sie würde sich diesbezüglich entscheiden, wenn sie einige Zeit mit ihnen verbracht hatte.

„Lass dich nicht abschrecken, Mädchen. Meine Mutter keift nur, wenn sie sich bedroht fühlt“, sagte Draco und im selben Moment begann Lucius schallend an zu lachen.

„Macht euch nur über mich lustig, irgendwann seht ihr ja, was ihr davon habt“, sagte Narcissa beleidigt und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Nein, nein, Scorpius mein Junge, meinen Segen hast du. Hast dir ein schönes Mädchen ausgesucht“, sagte nun Barbarossa Greengrass als wäre Rose nicht da.

Sie errötete unter dem Kompliment noch mehr und sah auf den Boden als entdecke sie etwas Interessantes. Aus den Äußerungen ergab sich Rose vor allem eines: Scorpius Großeltern wussten nichts von dem Handel, den sie gemacht hatte. Sie glaubten, dass sie Scorpius Freundin sei und er freiwillig mit ihr zusammen war.

„Rose, willst du mir vielleicht in der Küche zur Hand gehen?“, rief Astoria vom Flur aus und die Angesprochene sah entschuldigend in die Runde. In Wahrheit freute sie sich aber über die Fluchtmöglichkeit und erschien postwendend neben Astoria, die am Küchentisch saß und überhaupt nichts tat außer Punsch zu trinken.

Einladend zog sie einen Stuhl zurück und bedeutete Rose, sich ebenfalls zu setzen. Sofort erschien ein Becher Punsch vor Rose auf dem Tisch. Sie sah hinaus durch das große Fenster in den Garten. Es hatte gerade begonnen zu schneien.

„Wie kann ich dir denn helfen?“, fragte Rose verwirrt.

Astoria schüttelte grinsend den Kopf.

„Ich nutze die Küche immer, um vor den Großeltern zu flüchten. Hier traut sich keine Frau der besseren Gesellschaft hinein, außer meiner Schwester.“

Rose grinste ebenfalls und nahm einen großzügigen Schluck aus der Tasse.

„Erzähl mir doch erst mal etwas von deinem Schuljahr. Scorpius hat mir erzählt, dass du dich mit dem Jordan-Jungen triffst.“

Rose klappte das Kinn hinunter. „Über so etwas redet Scorpius mit dir?“, fragte Rose verblüfft, nicht ganz ohne wieder einmal rot zu werden.

„Ich... äh...“, begann Rose verlegen.

„Oh nein!“, rief Astoria aus, „Das meinte ich nicht vorwurfsvoll. Ich bin auch nicht böse – es geht mich nicht einmal was an. Ich dachte nur wir könnten offen miteinander reden“, versuchte sie sie verzweifelt zu beruhigen. Sie schenkte Rose ein warmes Lächeln.

„Scorpius hat zumindest nicht gelogen, ich treffe mich wirklich mit David Jordan“, gab Rose zaghaft zu, immer noch zweifelnd, ob Astoria es ernst meinte, mit dem offenen Reden.

„Ist er hübsch?“, fragte Astoria und ihre Augen begannen zu funkeln, als wäre sie selbst noch siebzehn Jahre alt und eine ihrer Freundinnen. Rose musste lachen, als sie das sah, dann nickte sie langsam.

„Kann man so sagen, ja“, antwortete sie schließlich immer noch grinsend.

„Wie sieht er aus?“

Rose überlegte, wie man David beschreiben könnte, ohne in Schwärmerei zu verfallen.

Astoria hatte sie immerhin aufgefordert, offen zu sprechen, also konnte Rose ruhig auch die Wahrheit erzählen.

„Er ist ein ganz anderer Typ als Scorpius. Wärmer. Er sieht sehr aus, wie sein Vater“, erklärte sie sorgsam darauf bedacht, nichts falsches zu sagen, während Astoria ihr Kinn auf die Hände stützte und leicht schmunzelte.

„Und was sagt er dazu, dass du Scorpius heiraten wirst?“, fragte Astoria weiter.

Roses Lächeln erstarb.

„Ich habe es niemandem erzählt. Nur Albus, Alice und Lily wissen davon“, gestand Rose.

Das überraschte Astoria nun doch. Sie lehnte sich nach hinten und sah Rose aus den Augenwinkeln an, während sie vorgab in den Garten zu sehen. Rose hatte Angst, nun doch etwas Falsches gesagt zu haben.

„Deswegen ist Scorpius also so tobend, wenn es um den Jordan-Jungen geht. Früher waren sie mal befreundet – als Kinder, meine ich – bevor die Schule sie zu Feinden gemacht hat, in dem sie sie in verschiedene Häuser steckte“, grübelte sie laut und wandte sich wieder an Rose, die kalkweiß da saß und tausende Tode ausstand, sich die Sympathie ihrer Schwiegermutter in spe verspielt zu haben.

„Und weiß es Morgana oder Lucy?“, fragte Astoria weiter. Rose war überrascht, dass sie über Lucy Bescheid wusste.

„Nein. Und vor allem Lucy soll es nicht wissen. Sie würde mir mein Leben zur Hölle machen“, seufzte Rose, deren Blick sich mit der Nennung von Lucys Namen verdunkelt hatte.

„Das kann ich mir vorstellen. Sie würde nur zu gern den Namen Malfoy tragen“, lachte Astoria verächtlich. Rose zuckte zusammen.

„Woher weißt du das alles?“, fragte Rose – nun doch etwas irritiert von der Informationsfülle.

„Sie schreibt mir jede Woche, weil sie denkt, im Voraus eine gute Beziehung mit mir aufbauen zu können.“

Rose zog beide Augenbrauen hoch, als sie das hörte. Nicht einmal sie schrieb Astoria jede Woche. Vielleicht zweimal im Monat, wenn sie das Gefühl hatte, dass sie genug Briefe von Astoria gesammelt hatte und es ihr die Höflichkeit gebot, endlich zu antworten.

„Es wird sich nicht vermeiden lassen, Morgana zu erklären, warum du hier bist“, grübelte Astoria weiter und nahm einen Schluck aus ihrer Tasse.

„Aber wir werden ihr nicht sagen, dass ihr dazu gezwungen seid.“ Astorias Blick erhellte sich, als ihre Entscheidung feststand. „Das muss keiner wissen.“

„Danke“, sagte Rose artig.

Sie würde Lucys Zorn schon früh genug auf sich ziehen. Denn Scorpius und sie würden es nicht ewig geheim halten können.

„Na, versteckst du dich wieder vor den Großeltern, Tori?“, ertönte eine spöttische, weibliche Stimme von der Küchentür aus. Astoria, aus ihren Gedanken gerissen, sprang auf, warf den Stuhl dabei um und stürmte gleich danach in die Arme ihrer Schwester.

Rose wandte sich um und betrachtete eine große, hübsche Frau mit langen, wellig blonden Haaren. Morgana Greengrass war das Ebenbild ihrer Mutter. Sie sahen fast aus, wie Zwillinge, zwischen denen zwei Jahrzehnte lagen. Außer durch Lachfältchen an Mund und Augen, unterschieden sie sich nicht sehr voneinander.

Morgana stand in der Tür – peinlich berührt von überschwänglichen Begrüßung ihrer Tante und ihrer Mutter. Dann fiel ihr Blick auf Rose. Sie konnte ihre Überraschung, Rose hier zu sehen, kaum verbergen. Es brachte sie sogar so sehr aus dem Konzept, dass sie nicht einmal böse gucken konnte, wie sie es sonst immer tat.

„Und ist das Scorpius Freundin? Rose Weasley, richtig?“ Mit zwei großen Schritten kam Daphne Greengrass vor ihr zum Stehen und reichte ihr die Hand.

„Hallo, Miss Greengrass“, sagte Rose schüchtern.

„Du kannst mich Daphne nennen, ich halte nicht so viel von Förmlichkeiten.“ Rose errötete abermals vor Scham. Sie konnte sich nicht an die Spielregeln der besseren Gesellschaft gewöhnen, denn sobald sie das Gefühl hatte, sie zu beherrschen, wurde sie eines besseren belehrt.

„Manchmal wäre es von Vorteil“, murmelte Morgana gerade so laut, dass Rose es verstehen konnte. Offensichtlich hatte Morgana nicht vor, einen Hehl aus ihrer Abneigung zu machen – ganz, wie Rose es vermutet hatte. Schade nur, dass sie, Rose und Scorpius die jüngsten Mitglieder der Familie waren.

„Hey, Weasley...“, sagte Morgana. Rose nickte ihr nur zu. Die Schwestern schienen es nicht mitzubekommen, denn sie fingen an schnell und hoch miteinander zu sprechen, sodass Rose und offensichtlich auch Morgana Mühe hatten, ihnen zu folgen.

Die Tür ging öffnete sich ein weiteres Mal, aber nun war es Scorpius, der eintrat. Ihn schien es gar nicht zu wundern, dass statt irgendwelchem Backwerk nur zwei halbvolle Tassen Punsch auf den Tisch standen. Er wusste schon, dass seine Mutter Weihnachten über die Küche zu ihrem privaten Territorium erklärte und es ihr einziger Rückzugsort war, wenn es ihr zu viel wurde.

„Tante Daphne, wusste ich doch, dass ich deine zarte Stimme gehört habe“, grinste er und schloss seine jugendliche Tante in die Arme. Er meinte es ironisch, denn Daphne hatte eine raue Frauenstimme, die sie als jahrelange Raucherin auswiesen.

„Wenn das nicht mein Lieblingsneffe ist; du wirst von Jahr zu Jahr charmanter und vor allem hübscher...“

„Das ist auch nicht schwer, wenn man mal als Frosch angefangen hat“, murmelte Morgana sarkastisch. Rose begann schallend zu lachen, noch bevor der Witz bei allen angekommen war und auch Morgana lachte, auch wenn sie es sich anfangs verkneifen wollte.

Es hatte durchaus seinen Reiz, sich über Scorpius lustig zu machen. Das wussten sie beide.

Scorpius, der erst in diesem Augenblick seiner Cousine gewahr wurde, drehte sich langsam um und dann drückte er ihr einen Kuss auf die Wange. Morgana machte ein angewidertes Geräusch und wischte sich heftig die Wange, sodass Rose wieder lachen musste.

„Wie wäre es mit einem Spaziergang, liebstes Cousinchen? Ich habe dir etwas zu erzählen“, schlug Scorpius schnell vor.

„Das hast du allerdings, Scorpius“, meinte Morgana und ihr Blick fiel dabei abwertend auf Rose. Wieder bekamen die Schwestern diese Feindseligkeit nicht mit. Rose hatte zwar nicht erwartet, dass sie immer herzlich empfangen wurde, doch nach Scorpius Großmutter verpasste ihr Morgana noch einen zusätzlichen Dämpfer – alles, was sie sich nunmehr erhoffte, war, dass man sie zumindest in Ruhe ließ.

Sie machten sich schnell aus den Staub, Morgana musste sich nicht einmal anziehen. Rose blieb zurück mit den Schwestern, die immer noch ihr seltsames Ritual durchführten.
 

Als Morgana und Scorpius eine Stunde später wiederkamen, hatten sich Astoria und Daphne in die Bibliothek zurück gezogen und Rose wartete in Scorpius Zimmer, da sie ebenfalls das Wohnzimmer mied, in dem die Großeltern saßen und über Politik diskutierten. Zumindest hatten sie das getan, als Rose schnell an der Tür vorbei geschlichen war.

Sie hatte sich eines der Bücher gegriffen, die auf dem kleinen Beistelltisch vor dem Kamin lagen und war überrascht, dass Scorpius auch Bücher von Muggeln las. Sie selbst tat das nicht einmal so gern, weil sie immer sehr sachlich und unmagisch geschrieben waren – sogar die Belletristik. Und als Rose die ersten Seiten gelesen hatte – abgeschreckt von der vulgären Ausdrucksweise – legte sie es schnell zur Seite und griff sich ein Sachbuch über Voodoo in New Orleans.

Erst als die Tür geräuschvoll aufgestoßen wurde, entriss sich Rose den Beschwörungsformeln und der Theorie des Totenerweckens und starrte Scorpius an, als habe sie einen Todesser vor sich.

Dass sie in seinem Zimmer war, hatte sie schon ganz vergessen.

„Du scheinst dich ja doch irgendwie wohlzufühlen“, stellte er amüsiert fest. Nach ihm trat Morgana in den Raum, diesmal lächelnd. Sie setzte sich gleich neben Rose auf das ramponierte Sofa und starrte über ihre Schulter hinweg in das Buch, um herauszufinden, was sie derart interessierte, dass sie alles um sich herum vergaß.

„Du interessiert dich für dunkle Magie?“, rief Morgana überrascht aus. So etwas hätte sie Lucy zugetraut, aber nicht Rose.

Rose wurde rot und sah sich ertappt um. Ja, das tat sie wirklich. Es war schon immer sehr anziehend und faszinierend für sie gewesen, auch wenn sie es grausam fand und nie im Leben anwenden würde, war es gut zu wissen, was es alles gab und wie man sich dagegen wehren konnte.

„Ein bisschen. Alles andere hier fand ich langweilig“, antwortete sie zögerlich, verunsichert von Morganas plötzlicher Stimmungsänderung. Was hatte Scorpius ihr gesagt?

„Wir sollen dich holen. Es gibt Essen“, sagte Scorpius.

Rose wurde übel bei dem Gedanken, am Tisch einem Kreuzverhör ausgeliefert zu sein und wenn nicht, dann auf jeden Fall skeptischen bis neugierigen Blicken. Ermutigend legte er seine Handfläche in ihren Rücken und schob sie aus dem Zimmer. Als Rose im am Wohnzimmer angrenzenden Esszimmer ankam und die Familie sah, war sie noch immer verunsichert. Aber als sie zwischen Scorpius und seiner Tante platziert wurde, fühlte sie sich etwas wohler.
 

Nachdem Draco verkündet hatte, wie sehr er sich freue, auch dieses Jahr wieder alle gesund und wohl behalten an seinem Tisch vorzufinden und auch noch einmal betont hatte, dass Rose ihnen dieses Jahr Gesellschaft leistete, deckten die Hauselfen den Tisch mit atemberaubenden Köstlichkeiten aus aller Welt.

Als Rose sich durch den Salat gefuttert hatte, wurde am Tisch ein Gesprächsthema angeschnitten, das Rose nicht interessierte: Quidditch. Morgana schien sich ebenfalls zu langweilen und starrte eine Weile stumm auf ihren Teller, während sich ihr Cousin rege am Gespräch beteiligte und seinem Vater mehr als einmal widersprach. Dann wurde vom Weihnachtsgeschäft geredet – über Weasley und Malfoys gleichermaßen, weswegen Rose sich einmal mehr wunderte, von wem Draco Malfoy nur so bestens unterrichtet war in Sachen Umsatz und Gewinn.

„Jetzt redet doch mal von etwas Interessanteren, es ist ja kaum auszuhalten!“, beschwerte sich Daphne zu Roses Rechten. Ihre Tochter pflichtete ihr mit einem übertriebenen Nicken bei und auch Astoria schien sich diesem Wunsch anzuschließen.

„Ich habe gehört, du warst das letzte Schuljahr in Frankreich. Wie war es da?“, fragte Daphne, erfreut über ihren eigenen Gesprächsvorschlag. Alle am Tisch verstummten und starrten sie an, als erwarteten sie, sie würde jeden Augenblick ein Tischfeuerwerk hochgehen lassen. Rose schluckte und straffte ihre Schultern, wie immer, wenn sie sich selbst Mut machen musste. Ihr war nicht bewusst, wie sehr diese Geste zu ihrem Mienenspiel gehörte. Schließlich räusperte sie sich, weil sie lange nichts gesagt hatte, dann versuchte sie es mit einem charmanten Lächeln.

„Es war sehr schön. Vor allem im Frühling ist das Wetter sehr schön.“ Rose war enttäuscht von sich – sie hätte etwas Originelleres sagen können, stattdessen redete sie vom Wetter. Und wiederholte sich auch noch in ihrer Wortwahl, weil ihr nichts anderes eingefallen war.

„Oh, da hast du recht“, pflichtete ihr Isobell Greengrass bei und seufzte schwärmerisch, als habe sie gerade schönste Landschaftsbilder vor ihrem inneren Auge.

„In Frankreich wurde das Sportliche Duellieren wieder eingeführt. Wird es an der Schule gefördert?“, fragte Draco Malfoy und lächelte nett, weil er ihr half das Gespräch in Gang zu bringen.

„Ja, es gibt einen Duellierclub in Beauxbaton. Auch wenn ihn nicht viele besuchen, sind dort wirklich große Zauberer. Aber das Training ist sehr hart“, antwortete sie dankbar und lächelte Draco Malfoy an.

„Sag bloß du hast da mitgemacht? Das ist fürchterlich unschicklich für eine junge Dame deines Alters“, erwiderte Narcissa, erfreut über die neuerlich dargebotene Angriffsfläche.

Rose sah Narcissa schockiert und peinlich berührt gleichermaßen an, als sie Scorpius Hand unter dem Tisch spürte, die ihre ermunternd drückte. Offensichtlich fand auch er, dass sie Kontra geben sollte.

„Ich habe mitgemacht. Und dass es unschicklich sei, möchte ich bezweifeln. Schließlich ist es nie von Nachteil für eine junge Dame meines Alters, sich verteidigen zu können. Außerdem ist es eine Königsdisziplin – sie ist formvollendet und fast schon eine Kunst für sich“, sagte sie rasch und sah Narcissa fest in die Augen bis diese den Blick senkte, weil sie darauf nichts erwidern konnte.

„Warst du gut?“, wollte Draco wissen.

Rose wusste, woran er dachte.

„Ich bin gut. Ich trainiere immer noch, wenn ich Zeit habe“, antwortete sie, herausfordernd, wie Draco sie als kleines Mädchen kennen gelernt hatte.

„Und welche Zauber hat man euch gelehrt?“, fragte Barbarossa, offensichtlich beeindruckt, genauer nach. Rose konnte ja nicht ahnen, dass er in seiner Jugend ebenfalls einem solchem Club beigewohnt hatte und sich entsprechend auskannte.

„Es sind einige, auch einige, die hier in der Hogwarts aus falscher Beklemmung nicht gelehrt werden“, versuchte Rose sich aus der Sache hinaus zu reden, denn sie wollte nicht näher darauf eingehen.

„Nun mach es nicht so spannend“, sagte Daphne ungeduldig.

Rose gab auf, zuckte mit den Schultern und sagte: „Es sind Todesserzauber. Und ich glaube jedem hier am Tisch dürfte klar sein, wovon ich spreche.“

Es herrschte eine beklemmende Stille am Tisch, weil Rose gesagt hatte, was man in diesem Zusammenhang mit der Familie Malfoy öfter hörte, aber nie laut aussprach. Lucius Malfoy und Draco Malfoy waren beide Todesser und Lucius hinzukommend, noch ein sehr aktiver. Niemand war dem dunklen Lord näher gekommen, als er und ihr Onkel Harry.

Scorpius Hand war verkrampft, er zerdrückte fast ihre dadurch. Rose traf keine Schuld, man hatte es darauf angelegt und sie nicht flüchten lassen, nun mussten sie damit leben, dass sie sie soeben als Todesser bezeichnet hatte.

Endlich ein Geräusch – ein Röcheln, dann ein Lachen und Lucius Malfoy (von dem Rose es am wenigsten erwartet hatte) ergab sich einem Anfall heiteren Gelächters. Das schien auch Draco zu irritieren, obwohl in seinen Mundwinkeln das einstimmende Lachen steckte. Scorpius Hand entspannte sich langsam wieder und er entließ die angehaltene Luft stoßartig.

„Donnerwetter, Enkel, deine Freundin hat Mumm in den Knochen“, sagte er schließlich mit einem heiteren Funkeln in den Augen.

Auf Scorpius Gesicht erschien ein schmales Lächeln, so ganz zufrieden war er mit der Situation nicht und er ließ es Rose auch spüren indem er ihr ihre Hand entzog, als habe er sich an ihr verbrannt und sie für den Rest des Essens keines Blickes und keines Wortes mehr würdigte.

„Und hat man euch auch gezeigt, euch in Rauch zu verwandeln?“, fragte Lucius interessiert.

Rose musste grinsen, weil sie durch ihre waghalsige Äußerung offensichtlich im Ansehen von Scorpius Großvater gestiegen war – eine zweifelhafte Ehre, das war ihr klar.

Rose nickte rasch.

Und Morgana ersetzte Scorpius im Gespräch, als sie fragte, ob sie sich am folgenden Tag einmal duellieren könnten. Sie könne es nämlich auch sehr gut. Das wusste Rose schon, schließlich war sie eine Gryffindor und Morgana eine Slytherin, trotzdem würde sie es gerne mal darauf ankommen lassen.

„Okay, meinetwegen.“

Astoria klatschte übertrieben freudig in die Hände, als würde das die düstere Stimmung ihres Sohnes vertreiben. Das weitere Essen verlief entsprechend friedlich.
 

Danach verdrückten sich Scorpius, Morgana und Rose von der älteren Gesellschaft auf eine Partie Schach in die Bibliothek, wohin Astoria alle Stunde mit einem neuen Teller Gebäck kam, nur um sich ein paar Sekunden vor der lauernden Gesellschaft zu retten.

„Du hast Glück, Wiesel, Lucius scheint dich zu mögen. Das hat noch nicht einmal Luce hinbekommen“, sagte Morgana nicht frei von Anerkennung, nachdem ihre Tante verschwunden war. Scorpius grunzte nur abfällig. „Zufall“, sagte er ohne jede Freude.

„Du bist ja nur verstimmt, weil mal auf jemand anderen als auf dich, Lobeshymnen gesungen werden. Sei doch froh, wenn sie sie mögen“, fauchte Morgana, genervt von seiner schlechten Laune, zurück, ohne zu merken, dass sie Rose verteidigte.

„Wir werden morgen sehen, ob sie gerechtfertigt sind“, maulte er, dann stand er auf und verließ ohne das Schachspiel angefasst zu haben, die Bibliothek und verzog sich ins Wohnzimmer zu seinen Großeltern.

Zurück blieben Morgana und Rose, die sich viel zu lange verabscheut hatten, als dass sie Gemeinsamkeiten hätten entdecken können und nur zusammen gehalten von einer Bitte, die Scorpius gegenüber seiner Cousine ausgesprochen hatte. Er meine es ernst mit ihr und sie solle nett zu ihr sein, weil sie sie demnächst öfter zu Gesicht bekommen würde.

Warum war er der, der aus dem Zimmer stürmte, weil man sie mochte? Morgana war verwirrt und vor allem eines: skeptisch. Bis vor kurzen hätte er lieber ein Ei gelegt, als sich mit Rose Weasley einzulassen.

Und aus heiterem Himmel meinte er es so ernst mit ihr, dass er sie Weihnachten mit zu seiner Familie einlud? Auch Astoria schien Rose schon länger als diesen Tag zu kennen. Allerdings war es Morgana nicht möglich, sich aus den Indizien etwas zusammen zu reimen, das sie in ihrer Erkenntnis weiter brachte.

Irgendwas war faul und irgendwann würden sie auch verraten, was es war.

Geduld war schon immer ihre Stärke gewesen.

„Dann spielen wir eben, wenn er herum bocken will, wie ein kleines Kind“, sagte sie mild lächelnd.

Es war auch gar nicht falsch, die beste Freundin ihrer größten Rivalin im Haus zu haben. Vielleicht würde sie durch Rose erfahren, weswegen sich Alice plötzlich für Albus interessierte und wie weit dieses Interesse gegangen war, bevor sie mit ihm zusammen kam. In zwei Tagen bis zu Scorpius Geburtstag würde er kommen!
 


 

- tbc.
 

Blut und Alkohol.

Hallo, meine lieben Leser!
 

Tut mir leid, dass das Chap zwei Tage Verspätung hat und auch nur so kurz geworden ist. Zum ersten muss ich sagen, dass mich keinerlei Schuld trifft, da mein Netz gesponnen hat und es nicht mal innerhalb einer halben Stunde fertig brachte, Mexx zu laden. Zum letzten ist es wichtig zu wissen, dass dafür das nächste Kapitel umso länger wird, also freut euch ruhig schon drauf. Was die Fehler angeht, die immer noch gefunden werden: ich habe es zweimal gelesen und glaube, alles getilgt zu haben. Doch wenn meine fleißigen Fehlerfinder noch einen entdecken, so wäre ich euch zum Dank verpflichtet, wenn ihr mir nicht nur sagen würdet "Da is nen Fehler, Darki", sondern mir auch noch die Stelle rauskopiert, damit ich es schnell beheben kann.
 

Ich bedanke mit bei der reizenden Dahlie und euch, liebe 107 Leser (wenn denn tatsächlich alle lesen, die mich auf der Favo-Liste haben)!
 

Und nun stellt euch vor, ihr seid in einem großen neoklassizistischem Theater im Publikumsraum, während der samt-schwere, rote Vorhang zur Seite gezogen wird. ;)
 

Viel Spaß beim Lesen!
 


 

Kapitel 10

[Blut und Alkohol]
 

Rose war ins Bett gegangen, als Scorpius noch bei seinen Eltern war. Sie fand es besser, zuerst in den Federn zu sein, damit er sich noch überlegen konnte, ob er nicht lieber die Couch vorzog. Sie konnte schlafend tun und sich somit die Peinlichkeit ersparen, die sie immer überfiel, wenn sie daran dachte, dass sie sich die nächsten Tage das Bett teilen würden, als seien sie schon jetzt ein altes Ehepaar.

Die Zeit vor dem Einschlafen verbrachte sie grübelnd. Sie fand ihn immer noch schrecklich, obwohl sie ihm mittlerweile einräumen musste, zeitweilig auch ganz höflich, zuvorkommend und charmant zu sein. Aber das war alles Astorias Arbeit – es entsprach in keinem Punkt seiner eigentlichen Persönlichkeit. Langsam fragte sich Rose wirklich, wen sie heiraten würde – sie kannte ihn kein bisschen und dieser Fakt verängstigte sie zusätzlich. Wie sollte sie je einschätzen können, ob es ihm missfiel, was sie tat, so, wie beim Dinner? Sie würde es immer nur im Nachhinein wissen.

Über diesen Gedanken und mit dem Vorhaben, ihn besser kennen zu lernen, in dem sie ihn beobachtete und mit ihm redete, schlief sie fünf Minuten vor seinem Erscheinen ein.

Sorgfältig und leise ging Scorpius durch den Raum, um sie nicht wach zu machen. Es wäre nur unnötig peinlich für beide, wenn sie stocksteif wie zwei Besenstiele da lagen und nicht schlafen konnten. Es gab immerhin auch eine Zeit davor – als Schwüre und die nahende Zukunft noch unrealistisch waren – da hatten sie sich bis aufs Blut duelliert. Und nun sollten sie sich insoweit vertrauen, nebeneinander einzuschlafen? Schwierig.

Er spielte tatsächlich für ein paar Sekunden mit dem Gedanken, auf der Couch zu schlafen. Doch das würde das Vertrauen weiter untergraben und sie müssten sich ohnehin daran gewöhnen.

In Boxershort und einem weißen T-Shirt bekleidet, haderte er mit sich selbst und legte sich dann neben Rose, ohne die Matratze zu bewegen. Trotzdem schien sie es mitzubekommen und drehte sich von ihm weg, um weiter zu schlafen. Scorpius wartete – zu ein er Salzsäule erstarrt – bis sie wieder fest genug eingeschlafen war, um sich etwas von der Decke zu sichern. Verdammt, sie hatten nur die eine, weil seine Mutter davon ausgegangen war, ein junges Pärchen zu beherbergen. Wieso brachte er ihr nicht aus Anstand eine zweite Decke? Sollte sie nicht für die unbefleckte Ehe sein oder so etwas? Sie war immerhin seine Mutter.

Als er ein Stück der Decke gesichert hatte, entspannte er sich ganz langsam. Darauf bedacht, sie nicht zu berühren, dämmerte er langsam dahin.
 

Als Astoria um vier Uhr morgens die Tür öffnete und ins Zimmer trat, fand sie ihren Sohn, den Arm aus Gewohnheit um den Nebenmann gelegt und selig schlafend vor. Scorpius war noch nie ein Mensch gewesen, der gern allein war – vor allem nicht nachts. Astoria musste grinsen und gratulierte sich zu ihrem Einfall, die zweite Anstandsdecke zu vergessen. Am nächsten Abend hätten sich die zwei schon so sehr aneinander gewöhnt, dass sie sie nicht brauchten. Ihr war das Herz fast stehen geblieben, als sie von David Jordan gehört hatte. Dumme Kinder.

„Rose“, flüsterte sie und rüttelte leicht an den Schultern.

Sie regte sich, brauchte aber noch einen weiteren Anlauf um wach zu werden.

„Was ist denn los?“, flüsterte sie mit belegter Stimme, immer noch etwas desorientiert.

Rose bemerkte, dass Scorpius seinen Arm um sie gelegt hatte und wurde rot. Zu ihrem Glück konnte Astoria es nicht sehen.

„Wie spät ist es?“, fragte sie weiter.

„Es ist vier Uhr. Steh auf, Daphne und ich sind immer so früh wach am Heiligabend. Komm!“, erklärte sie rasch.

Scorpius bewegte sich und murmelte etwas Unverständliches. Mit einer ruckartigen Bewegung hatte er Rose nach hinten gezerrt und hielt sie wieder fest, wie er es gewohnt war. Die Weasley schob langsam den Arm zur Seite und stieg aus dem Bett.

„Füll' sie nicht zu sehr ab, Mum“, grummelte er warnend, als er bemerkte, dass es wohl kein Zurück in dieses Traumland gab und mit ihr auch jede Wärme aus dem Bett verschwunden war.

„Ja, ja. Schlaf weiter“, wandte sich Astoria ab und reichte Rose einen ihrer Morgenmantel.

Sie schlüpfte hinein, dann verschwanden sie hinaus aus den Flur.

„Was ist denn los?“, fragte Rose abermals, noch immer den größeren Zusammenhang nicht begreifend.

Astoria legte ihren Zeigefinger auf die Lippen und bedeutete ihr, ruhig zu sein. Dann gingen sie schweigend in die Küche, wo sie das erschrecken laute Geräusch eines Mixers empfing, sobald die Tür hinter ihnen geschlossen war. Morgana saß ebenso müde am Küchentisch, doch sie grinste. Daphne schüttete ein bisschen von jeder Flasche vor ihr in den Mixer und begrüßte Rose mit einem fröhlichen Singsang:

„Guten Morgen, Rose.“

Astoria schob sie weiter in den Raum.

„Was geht hier vor?“, fragte sie Morgana, als sie sich zu ihr setzte.

„Mom und Tante Tori veranstalten das jedes Jahr. Sie lassen sich zu Beginn von Weihnachten volllaufen, lachen und backen.“

„Backen?“ Rose klang ungläubig, denn sie hatte bereits den Berg an Teigwaren gesehen. Wozu brauchten sie weiteres?

„Wir nennen es Kickstart“, kicherte Astoria, die offensichtlich schon beschwipst war.

„Und es ist das erste Jahr, in dem ihr mitmachen dürft“, erklärte Daphne und stellte vier Gläser auf den Tisch, die sie mit einer Zitrone dekorierte. Dann schenkte sie ein neongelbes, dickflüssiges Getränk aus. Rose zog skeptisch eine Augenbraue hoch.

„Aber wieso macht ihr das?“, wollte die Weasley wissen.

Astoria grinste, als sie sich dazu setzte. „Weihnachten ist bei uns immer etwas anstrengend. Viele Menschen und alle von ihnen wollen Recht haben, etwas Besonderes sein und unsere Aufmerksamkeit haben. Deswegen stehen wir den ganzen Tag im Tee, damit wir wenigstens unseren Spaß haben.“

Rose musste lachen, als sie das hörte. Eigentlich war es also nur eine Ausrede, um sich einen katastrophalen Abschuss zu gönnen. Aber Scorpius wusste offensichtlich Bescheid, deswegen nahm sie auch an, dass es Draco wusste. Vielleicht war es mittlerweile eine Tradition.

„Klingt gut“, sagte sie also und hob das Glas zum Anstoßen bereit.

„Auf uns und dass wir die Familie im Kern zusammenhalten“, sagte Astoria und Gläserklirren ertönte.

Rose hielt inne. Hieß das das Los der Ehefrau eines Malfoys? Eine Vermittlerin sein, eine Schlichterin, eine gute Mutter und eine herzliche Frau? Jemand, der die Familie an einen Tisch holte? Um Frieden bemüht war? Rose korrigierte sich. Das war das Los jede Ehefrau. Von ihrer Mutter bis zu ihrer Großmutter konnte sie diese Einstellung zurückverfolgen. Sie lächelte, dann trank sie.

Zwei Gläser später und mit einem gehörigen Pegel, begann Astoria seltsam aktiv zu werden und auch Morgana schloss sich an, als sich ihre Mutter eine Blumenschürze über ihrem Pyjama zurecht band.

„Kannst du denn backen?“, fragte Astoria, als Rose unbewegt sitzen blieb.

Die Weasley war nun schlagartig verlegen. Eigentlich hatte sie es vermeiden wollen, je wieder in die Nähe der Essenszubereitung zu kommen.

„Ja, aber ich mache es nicht mehr“, antwortete sie ausweichend.

Astoria zog eine Augenbraue hoch. „Weshalb?“

Sie sah weg. „Ich mache es etwas zu gut.“

Irgendwas alarmierte Astoria bei dieser Aussage. Und sie hätte ihrem ersten Eindruck trauen sollen, stattdessen verwarf sie ihre Scheu.

„Wohl kaum besser als ich, junge Dame.“ Mit dieser Kampfansage hatte sie ihr ein weiteres Glas in die Hand gedrückt und band Rose eine Schürze um, während sie einen Schluck trank.

Scorpius Verlobte musste lachen, dann traute sie sich doch etwas, dass sie drei Jahre lang nicht mehr gemacht hatte, weil sie sich selbst Angst machte. Und so arbeiteten sie ein Rezept nach dem anderen ab, bis es sieben Uhr morgens war und Rose die letzte Mandel auf einem Plätzchen drapierte. Es waren kleine Meisterwerke – wie sie es nicht anders erwartet hatte. Sie hatten geradezu Perfektion, glänzten ungewollt und rochen von allen Köstlichkeiten des Raumes am besten.

Astoria hatte sie noch verspottet, doch als Rose das erste Blech aus dem Ofen holte, war sie verblüfft. Anstandshalber machte sie ihr Komplimente, die nicht verbargen, dass sie das von ihr erwartet hatte. Und zwischen Ofen und Arbeitsplatz, schnappte sich Astoria einen kleines Stück. Danach kicherte sie ein paar Minuten über einen dämlichen Witz ihrer Schwester. Auch Morgana konnte sich kaum beherrschen.

„Das ist Wahnsinn. Woher kannst du das nur so gut? Ich habe gesehen, dass du nicht einmal auf das Rezept sehen musstest und auch nie einen Messbecher oder eine Waage verwendet hast. Und trotzdem sind sie optimal.“

Rose wurde rot und ihr Lächeln etwas bitter.

„Es berauscht euch, habe ich recht?“, fragte Rose.

Astoria, Daphne und Morgana dachten einen Moment darüber nach, dann nickten sie langsam und endlich wurden sie misstrauisch. Die Bäckerin verschränkte die Arme hinter dem Rücken und sah sie verlegen an.

„Du warst fröhlich, als du das gebacken hast“, kombinierte Astoria.

Rose nickte. Die Hausherrin hatte also schon einmal von solchen Hexen gehört.

„Kochst du auch genauso gut?“, wollte sie wissen. Die Angesprochene nickte wieder.

„Sie ist so etwas wie eine umgekehrte Empathin“, schlussfolgerte Daphne erfreut.

Nun würde sie rot.

„Das ist die Magie nach dem Alten Weg. Alte, schwarze Magie“, fuhr Daphne in ihrer Begeisterung fort und lief um Rose herum, als sähe sie von einer zur anderen Minute anders aus. Als hätte das Licht, in dem sie erstrahlte, die Wattzahl erhöht.

„Schwarze Magie bei Rose Weasley?“, rief Morgana ungläubig aus.

„Ich hab mir das nicht beigebracht, kann es nicht einmal steuern. Es war einfach da“, versuchte Rose sich zu rechtfertigen. Sie wollte nicht als Abschaum dastehen, weil sie etwas tat, dass sie nicht kontrollieren konnte. Genau aus diesem Grund ließ sie die Hände davon, zu kochen oder zu backen. Schwarze Magie verband man mit dem Bösen, mit Voldemort und vielen anderen bösartigen Zauberern dieser Welt – Rose wollte ihren Namen nicht unter die Liste setzen.

„So wirkt alte Magie meistens.“, antwortete Astoria, bedacht darauf, den Begriff Schwarze Magie nicht überzustrapazieren, „Gut, wenigstens wissen wir jetzt Bescheid, aber wir werden das so hinnehmen und nicht mehr davon sprechen. Für uns bist du Rose Weasley. Es hat auch etwas Gutes, ein so fröhliches Weihnachten haben wir wohl schon jahrelang nicht mehr gehabt. Möchte jemand Tee?“, endete die Herrin des Hauses und rieb sich ihre Hände an der Schürze ab.

„Ich“, sagte Daphne, bereit sich an die Bitte ihrer Schwester zu halten. „Ich auch“, schloss sich Morgana an. Taten sie mit Absicht so, als sei das okay? Sahen sogar noch das Gute daran? Sie war unendlich erleichtert, dass man jetzt nicht behauptete, sie sei etwas Besonderes oder sonst irgendeine große Sache daraus machten. Tatsächlich war es nämlich so, dass jede zehnte Hexe eine Veranlagung dazu hatte. Bei ihr war sie nur etwas ausgeprägter.

Rose setzte sich zu ihnen und sie schwiegen eine Weile. Dann stellte Morgana etwas von ihrem Gebäck auf den Tisch, von dem jede nahm, als wüssten sie nichts von der Wirkung oder hatten keine Angst davor. Und zwei Minuten später war die Stimmung in der Küche des Hauses Malfoy wieder laut und lustig.
 

Um acht Uhr, als Rose fix und fertig war, fiel sie ins Bett und schloss die Augen. Scorpius lag unbewegt auf dem Bett und öffnete langsam seine Augen, so als sei er schon seit Stunden wach. Die Weasley, skeptisch über die Stille, blickte ihn fragend an.

„Hattest du Spaß, Rosie?“, wollte er wissen.

Ein breites Grinsen folgte. „Es ist acht Uhr morgens, ich bin sturzbetrunken und hatte den Spaß meines Lebens. Also ist meine Antwort; ja.“

Scorpius kicherte in die Kissen hinein. In dieser Nacht waren die Frauen des Hauses Malfoy lauter gewesen als je zuvor. Er war sich sicher, dass niemand in diesen vier Wänden seit vier Uhr geschlafen hatte.

„Dann schlafe deinen Rausch aus. Ich wecke dich zum Mittagessen“, sagte er nur und im selben Moment waren Roses Augen zugefallen.
 

Die einzige Tochter Ronald und Hermine Weasleys stand Scorpius mit entschlossenem Gesicht gegenüber, als sei allein ihr Name für diesen Umstand verantwortlich. Am Rande des Geschehens standen die ganze Familie Malfoy mitsamt Freunden und sah auf das Feld, das zwischen ihnen lag und das im Frühling als Garten diente. Nun war alles mit Schnee bedeckt und sah unschuldig aus. Eigentlich hatte sie sich nicht mit Scorpius messen wollen, doch Lucius bestand darauf, zu sehen, was man ihr in Frankreich beigebracht hatte. Es war zwei Jahre her, seit sie sich das letzte Mal mit ihm duelliert hatte und seitdem war sie um einiges schneller geworden und hatte ein Sammelsurium an neuen Zaubersprüchen dazugelernt.

Ganz nach Manier hatten sie sich zu Anfang voreinander verbeugt, dann waren sie zurück gegangen und starrten sich für ein paar rastlose Augenblicke in die Augen. Dass dies außerhalb der Schule möglich war, verdankte sie nur der Lockerung des Erlasses, der Minderjährigen außerhalb Hogwarts das Zaubern verbot. Insofern diese natürlich ihre ZAGs bestanden hatten und es gewährleistet war, dass jeder mit seinem Zauberstab umgehen konnte, war es nun möglich zu apparieren und sich selbst zu verteidigen.

Endlich erhob Scorpius seinen Arm. Rose blieb regungslos. Er würde einen Entwaffnungszauber wählen – so gut kannte sie ihn schon – denn eigentlich mochte er solche Duelle nicht und wollte sie schnell hinter sich bringen.

Expelliarmus!“, rief Scorpius und sie grinste selbstzufrieden. Die Weasley machte einen Schritt zur Seite und der Zauber verfehlte sie katastrophal.

Expulso.“, sagte Rose leise und plötzlich tat sich vor Scorpius erst der Schnee und dann die gefrorene Erde auf. Für einen Moment verschwand er zwischen Schneeflocken und Dreck. Aus diesem Wirrwarr heraus, sah sie einen goldenen Zauber auf sich zueilen, rief aber im rechten Moment einen „Protego“ auf den Plan um sich zu schützen.

Gleich im Anschluss sprach die trainierte Duellantin einen umstrittenen Zauber und verwandelte sich nach Gebaren eines Todessers, in schwarzen Rauch. Im eigentlichen Sinne waren es Milliarden kleinster Kügelchen in die sie sich auflöste und die nach ihrem Willen schwebten, bis sie irgendwo in der Nähe ihres Angreifers wieder Form annehmen konnten um ihn zu überraschen.

Serpensortia!“, sagte sie – immer noch von innerer Ruhe erfasst.

Eine Schlange löste sich aus ihrem Zauberstab und züngelte, sobald sie wieder menschliche Gestalt angenommen hatte, blitzschnell auf Scorpius zu. Er bekam es aber schneller mit, als geplant, erschrak und sprach den Gegenzauber. Schon hatte er Roses neue Position erkannt, jagte er einen

Furunkulus hinterher, den sie nicht abbekam, weil sich ihre Gestalt in dem Moment auflöste, als der Zauber sie treffen sollte.

Sectumsempra“, schrie Rose, ohne zu wissen, dass Scorpius das hatte kommen sehen und eben denselben Zauberspruch aussprach.

Die Duellantin bemerkte es erst, als sie die volle Wucht des Zaubers abbekam und ihre Kleider blutig und zerfetzt an ihr herabhingen. Sie ging auf die Knie, entjungferte den Schnee durch ihr Blut und spuckte aus.

„Scorpius! Rose!“, schrie Astoria vom Rand aus, doch Lucius hielt sie davon ab, einzugreifen.

Die Kriegerin blickte auf – mit Mühe, denn sie erlitt Schmerzen. Es war nicht das erste Mal, dass sie diesen bösen Zauber abbekam. Deswegen war sie schneller auf den Beinen als Scorpius, der mit der Ohnmacht kämpfte. Er lag immer noch nach hinten kippt und blutete vor sich hin. Wenn er es hatte kommen sehen, wieso hatte er sich nicht verteidigt, sondern eingesteckt? Damit auch sie litt? War es das, was er damit bezwecken wollte? Ihr Schmerzen zufügen? Doch sie gestattete sich keinen weiteren Gedanken daran.

Finite incartatem!“, rief Rose, bevor sie auch nur den Gedanken an etwas anderes opfern konnte. Durch diesen Spruch hob sie alle bereits gesagten Zauber und Flüche auf. Doch leider war es damit nicht möglich, auch sämtliche schwarzmagische Schäden zu reparieren. Sie lief auf Scorpius zu, blieb vor ihm stehen und richtete den Zauberstab auf ihn. Astoria, offensichtlich in Todesangst um ihren Jungen, schien anzunehmen, sie wolle ihm den Gnadenstoß geben, riss sich von ihrem Schwiegervater los und stürmte zu ihnen. Rose hatte indes Probleme, sich auf den Beinen zu halten, dann sprach sie mit der verbleibenden Kraft:

Vulnera Sanentur.

Dann wurde ihr schwarz vor den Augen.
 

Sie wurde erst wieder wach, als sie etwas Warmes ihr Gesicht hinab laufen spürte. Rose roch Kräuter und wie durch einen elektrischen Schlag ausgelöst, wurde ihr Körper vom Kern aus warm, während sie äußerlich noch zitterte. Die Weasley fühlte sich wie ausgespuckt. Ihr Kopf tat weh und ihr war übel. Man konnte also gut sagen, es ginge ihr schlecht.

Zuerst öffnete sie das eine, dann das andere Auge. Über ihrer Sicht hing ein Schleier, den sie erst durch hartnäckiges Blinzeln zu lichten vermochte. Sie lag auf ihrem wie Feuer brennenden Rücken, über ihr lagen viele Decken. Unter dem Gewicht konnte Rose sich kaum bewegen, doch irgendwie schaffte sie es unter immensen Kraftaufwand, sich aufzurichten und endlich zu sehen, wer sie pflegte.

Es war Morgana. Eigentlich sollte sie sie hassen, weil Lucy Rose hasste und sie ihre beste Freundin war, aber wenn Rose eines über Morgana gelernt hatte, dann, dass sie ein gerechter Mensch war. Offensichtlich war ihr größter Fehler, ihre bedingungslose Loyalität. Doch wenn Lucy nicht anwesend war, gehörte ihre Treue nur ihrer Familie. Gehörte sie etwa schon hierhin? War dies ein deutliches Zeichen, dass man Rose schon aufgenommen hatte? Sie wusste nicht, was sie davon halten sollte, außer dass sie erleichtert war, es zumindest nicht schwer beim Familieneinstand zu haben, wenn sie schon enorme Probleme mit ihrem Zukünftigen hatte.

Das brachte sie zu ihrer letzten Erinnerung, die nun wie ein Blitz vor ihrem Auge hinabfuhr. Noch bevor sie etwas anderes zu Morgana sagen konnte, fragte sie: „Geht es Scorpius gut?“

Sie klang unfreiwillig besorgt. Rose hatte große Schuldgefühle einen so brutalen, schmerzhaften Zauber an ihm ausgeführt zu haben. Sie wusste nicht mehr, was in sie gefahren war, doch in ihrem Kopf ging es für diesen Moment nur darum, sich durch den größtmöglichen Schaden am Gegner zu verteidigen. Es war, als sei irgendeine Sicherung in ihr durchgebrannt.

„Ihm geht es besser als dir. Von uns kannte keiner den Gegenzauber und du warst ohnmächtig. Ich habe dir eine Kräuterpackung aufgelegt und Astoria hat ein paar starke Heilzauber gesprochen. Vielleicht sind deine Wunden schon in ein paar Stunden verheilt“, erklärte Morgana und drückte sie zurück in die Kissen.

Rose war erleichtert, dass ihr letzter Zauber funktioniert hatte. Ihr war schon schwarz vor Augen geworden, ehe sie sicherstellen konnte, dass sie den angerichteten Schaden auch beseitigt hatte.

Die Weasley verzog das Gesicht, als ein drückendes Stechen durch ihren Körper zuckte. Ihre Bauchmuskeln taten vom aufrechten Sitzen weh.

„Meine Tante und mein Onkel haben sich mächtig mit Lucius angelegt“, grinste Morgana, „Weil er darauf bestanden hat, dass ihr gegeneinander angetreten seid.“ Offensichtlich fand sie es gerechtfertigt, denn sie hatte eine missbilligenden Zug um ihre Mundwinkel bekommen.

„Ich hätte nicht gedacht, dass du so skrupellos sein kannst. Du hast richtig kaltherzig gewirkt, als du Scorpius diese Reihe von Flüchen auf den Hals gejagt hast“, merkte sie vorsichtig an und verbarg dabei nicht, dass es ihr unheimlich war und sie nun nicht mehr wusste, was sie von Rose Weasley halten sollte. Die Verletzte konnte es ihr nicht verübeln, schließlich war sie noch am Morgen mit ihrer seltsamen Fähigkeit aufgefallen und nun kämpfte sie so konsequent, wie ein Todesser vor einem Vierteljahrhundert.

„Man hat es mir so beigebracht. In Frankreich war die Organisation des Duellierclubs sehr militaristisch“, antwortete Rose mit schwerer Zunge.

„Ich würde es nie einsetzen, um jemand außerhalb eines echten Duells wehzutun. So bin ich nicht“, setzte sie schnell hinzu, in der Hoffnung, die Sympathiepunkte bei Morgana nicht ganz zu verlieren. Schließlich würden sie noch einige Tage miteinander verbringen.

Die Tür ging auf und Scorpius trat ein. Unter seinem Arm klemmte eine große Schüssel mit dem Gebäck, das Rose am Morgen gemacht hatte. Er wirkte erleichtert und sie konnte sich denken, dass Astoria dadurch verhindern wollte, dass Scorpius ihr böse war. Ihr Verlobter setzte sich an den Rand seines Bettes und sagte einen Moment gar nichts, dann stellte er die Schüssel Gebäck ab und sah seine Cousine mit bedeutungsvollen Blicken an.

Eine Weile verstand Morgana nicht und sah ihn nur mit hochgezogenen Augenbrauen an, bis Scorpius nach einem Räuspern bat: „Mo, könntest du Rose und mich einen Moment allein lassen?“

Seiner Cousine fiel es wie Schuppen von den Augen, dann nickte sie hastig und verließ unter lautstarkem Stolpern das Zimmer, als würde sie gejagt.

Nun sah er Rose eine Weile lang an, ohne etwas zu sagen. Sie versuchte diesem Blick auszuweichen, weil sie fürchtete, was sie darin zu sehen würde. Nachdem das Knacken des Feuers unnatürlich laut die Luft zerschnitt, besann sich Scorpius.

„Du bist gut geworden im Duell“, sagte er schließlich.

Rose musste vor Anspannung lachen und wagte es, ihm kurz in die Augen zu sehen in der Hoffnung, die gleiche Belustigung zu finden. Doch sie sah nur seinen Ernst und etwas anderes, das viel intimer wirkte, viel vertraulicher.

„Wie geht’s dir?“, versuchte er es erneut.

Rose räusperte sich. „Gut, soweit.“ Hätte sie etwas Unbedeutenderes sagen können? Kaum. Sie ärgerte sich, nicht zugeben zu können, dass sie falsch gehandelt hatte. Entschuldigungen waren noch nie ihre Stärke gewesen. Genauso ungern gestand sie sich ihre Fehler ein.

„Deine Plätzchen sind sehr gut. Unten sind alle high davon. Nur bei mir wirkt es nicht ganz“, sagte er, um die Stimmung etwas zu heben. Vielleicht hatte seine anfängliche Erleichterung viel mehr mit ihr selbst zu tun, als sie dachte.

Doch Rose sah ihn nur mit einer hochgezogenen Augenbraue an. „Es wirkt bei dir nicht?“ Etwas Hoffnung glimmte auf. Scorpius schüttelte entschieden den Kopf.

„Du bist der erste, auf den es keine Wirkung hat.“ Sie freute sich ehrlich darüber. Sie mochte die Nebenwirkungen nicht, die ihre Backkunst auf andere hatte.

„Ist das gut?“, fragte er.

„Ich denke schon“, sagte sie unsicher. „Auf jeden Fall gibt es mir das Gefühl kein all zu großer Freak zu sein.“, gestand sie ehrlich und verzog das Gesicht zu einer komischen Grimasse.

Er zuckte mit den Schultern, dann lehnte er sich etwas zurück.

„Ich glaube, wir müssen darüber reden, was vorhin passiert ist“, sagte er und sah eine Weile in das prasselnde Kaminfeuer. Draußen war es schon stockdüster und Rose fragte sich, wie lange sie nicht bei Bewusstsein gewesen war.

„Wir haben beide nicht gezögert, uns etwas Schreckliches anzutun“, begann er vorsichtig und sah in ihre braunen Augen, die ihn betroffen betrachteten. Nervös begann sie an ihrem Haar zu spielen und abwechselnd zu ihm und zum Fenster zu sehen.

Scorpius erkannte, dass es keine einfache Geburt werden würde. Wie kam man sich nach all den Jahren der Ignoranz und des Hasses plötzlich näher? Sie machten sich etwas vor, wenn sie sich küssten oder Anzeichen an dem anderen sahen, dass man sich doch nicht so sehr verabscheute.

„Es tut mir leid, dass ich dir Schmerzen zugefügt habe“, sagte Rose schließlich. Sie war rot geworden und traute sich nicht, ihm dabei in die Augen zu sehen. Es hatte sie viel Überwindung gekostet, sich einzugestehen, dass es nicht okay war. Einfacher wäre es gewesen, diese Sache durch ausgedehntes Reden, aus der Welt zu schaffen ohne verstanden zu haben, was da passiert war.

Scorpius lachte nur freudlos. „Ich habe auch nicht gezögert das gleiche mit dir zu tun.“ In seiner Stimme schwang Bitterkeit – er schien es sich ebenfalls nicht verzeihen zu können.

„Irgendwie ist das komisch. Wir heiraten in ein paar Monaten und empfinden so wenig füreinander, dass uns nicht mal die Gesundheit des anderen am Herzen liegt. Wir sind uns gleichgültig“, sprudelte die Frustration aus Rose heraus.

Sie wollte nicht so sein, sie wollte kein eisernes Herz haben, sie wollte nicht kaltblütig sein, wie Morgana gesagt hatte. Und eigentlich war sie so auch nicht. Die Umstände machten das mit ihr. Scorpius lächelte schmal und fischte ihre Hand unter den vielen Decken hervor. Er schloss seine darum und sah sie einen Moment nachdenklich an.

„Ich verspreche dir, dir nie wieder etwas anzutun, Rose. Ein Malfoy respektiert seine Frau, ganz unabhängig davon, ob er sie liebt oder nicht.“ Ehrfürchtig küsste er ihre Handfläche. Seine Lippen waren warm und heilsam. Die Weasley hatte das Gefühl, dass gerade etwas in Ordnung kam, das lange kaputt war.

„Wir müssen uns irgendwie zusammenraufen, Scorpius. Ich verspreche dir im Gegenzug, mir größte Mühe zu geben“, antwortete sie.

„Okay“, sagte er.

„Okay“, sagte sie.

Sie sahen sich eine lange Zeit in die Augen, ohne etwas zu sagen. Wahrscheinlich das erste Mal, seit sie sich kannten, auf diese Weise. Als nähmen sie sich das erste Mal als eine junge Frau und einen jungen Mann wahr.
 

Man räumte Rose das Sofa, sodass sie sich im Zuge dieser Familienveranstaltung so wenig wie möglich bewegen musste. Astoria tänzelte ununterbrochen um sie herum, brachte ihr einen Tee, Gebäck und am späteren Abend auch Punsch. Rose staunte darüber, wie viele Hexen und Zauberer sich mittlerweile eingefunden hatten. Entfernte Verwandte, meistens Freunde der Familie oder Geschäftspartner, obwohl das selten zu trennen war. Lucius Malfoy hatte sich förmlich, aber nicht ehrlich bei ihr entschuldigt, auf ein Duell beharrt zu haben. Seine Absicht sei gewesen, sie zu testen und zu erfahren, ob sie es wert war, den Namen der Familie zu tragen. Rose hatte nicht nachgefragt, zu welchem Ergebnis er gekommen war. Eigentlich wollte sie diese Sache so schnell wie möglich vergessen.

Sie stimmte Scorpius zu. Es war erschütternd, wie wenig sie übereinander wusste, wie wenig sie sich für den anderen interessierten. So etwas hätte nicht passieren sollen und es war nicht die Schuld von anderen, sondern nur ihre eigene.

Als es schon spät war, brachte Scorpius sie nach oben ins Zimmer. Rose hatte immer noch Mühe, sich auf den Beinen zu halten und ihre Muskeln schmerzten brutal. Diesmal wartete Scorpius nicht, bis sie eingeschlafen war, ehe er sich zu ihr legte. Er beseitigte unnütze Decken, die Astoria inzwischen gebracht hatte, dann legte er sich neben seine Verlobte und beide schwiegen eine Weile, in der die Weasley – erschöpft und angetrunken – fast eingeschlafen wäre.

„Darf ich dich etwas Privates fragen, Wiesel?“

Rose – zu müde für Vernunft - nickte. Ihr war nicht einmal aufgefallen, wie er sie genannt hatte.

„Hast du schon mit David geschlafen?“, fragte er.

Nun war sie hellwach. Sie riss die Augen auf und betrachtete ihn, als hätte er plötzlich zwei Nasen im Gesicht.

„Wieso fragst du?“, wollte seine Verlobte wissen, denn sie konnte sich nicht sicher sein, dass es dabei keinen Hintergedanken gab.

Scorpius zuckte mit den Schultern. Er bereute fast schon nachgefragt zu haben. Vertrauliche Fragen im ungewohnten Umfeld konnten nur missglücken.

„Ich wüsste es einfach gern“, sagte er ehrlich.

Die Sechzehnjährige überlegte einen Moment, was sie ihm erzählen sollte. Doch sie entschied sich für die Wahrheit.

„Nein, habe ich nicht. Und auch mit niemandem sonst“, entschied sie sich für dieselbe Wahrheit. Unsicher blicke sie ihn an und stellte zu ihrer Überraschung so etwas wie Erleichterung fest. Sie fragte sich, wie das motiviert war. Weil David sein Erzfeind war?

„Und schlafen du und Lucy noch miteinander?“, fragte sie, bevor sie ihr Mut wieder verlassen konnte. Es war etwas, dass sie sich schon öfter dachte. Offiziell waren Lucy und Scorpius immer mal wieder zusammen und dann auch ständig an der Grenze zur Trennung. Aber sie waren nie zu einem Schlusspunkt gekommen.

„Nein, Lucy und ich sind...“, begann Scorpius leichtfertig, ohne zu merken, dass er eigentlich nicht erklären konnte, welche Rolle Lucy spielte. Er hatte seit seinem Date mit Rose nicht mehr mit ihr geschlafen. Scorpius hatte sich nicht bewusst dafür entschlossen, aber offensichtlich hatte er wirklich genug Anstand um nicht zweigleisig zu fahren.

„Wir sind eigentlich so etwas wie Freunde, denke ich. Auch wenn wir immer miteinander geschlafen haben. Wenn ich an sie denke, empfinde ich Freundschaft, aber keine Liebe.“

„Eigentlich wollte ich nur wissen, ob ihr noch miteinander schlaft“, stellte Rose fest. Ihre Stimme klang amüsiert über seine Erklärungsversuche.

Scorpius wurde verlegen.

„Nein, tun wir nicht.“, wiederholte er noch einmal.

Rose nickte zufrieden, dann schloss sie die Augen. Scorpius wertete das als Zeichen, dass die Unterhaltung damit beendet war. War sie ihm böse? Schließlich war Lucy ihre Cousine, auch wenn sie sich hassten. Durfte er mit ihr überhaupt über so etwas reden? Er fand, dass man darüber besser nicht mit seiner Zukünftigen sprach, um sie zu schonen. Er hätte auch nicht wissen wollen, was sie für David Jordan empfand, nachdem sie mit ihm geschlafen hatte.

Scorpius schloss die Augen und lauschte noch einer Weile dem Kamin und dem gleichmäßigen Atemzügen neben ihm. Rose war sofort eingeschlafen, so erschöpft hatte sie der Abend und das Duell.

Doch der junge Malfoy konnte nicht schlafen. Ihn quälte die Frage, was aus der Zukunft wurde und wie das Leben aussah, dass ihn in ein paar Monaten jeden Tag ereilte, wenn er nach Hause kam. Er hatte sich noch nie Gedanken darüber gemacht, was er für ein Ehemann sein wollte. Aber wenn er nun darüber nachdachte, war die Vorstellung, zu einer Frau nach Hause zu kommen, die sich nicht für ihn erwärmen konnte und die ihn im Grunde ihres Herzens verabscheute, furchtbar.

Das war etwas, das er noch selbst entscheiden konnte. Auch wenn ihm diese Ehe aufgezwungen wurde, konnte er bestimmen, wie sie werden würde, was für ein Mann er wäre. Er könnte es bleiben lassen und für den Rest seines Lebens unglücklich sein, sobald die Haustür hinter ihm zufiel. Oder er könnte sich mit Rose so arrangieren, dass es nicht ganz so ätzend werden würde, wie er sich die Worst-Case-Ehe vorstellte.
 

Es war vier Uhr morgens, als sie neben ihm munter wurde. Er hatte noch immer kein Auge zugetan und grübelte ununterbrochen über Rose, die Zukunft und auch über Lucy. Ihr Atem ging immer heftiger und unregelmäßiger, dann kam sie zu sich und öffnete die Augen. Sie sah Scorpius sofort in die Augen, als wisse sie genau wohin sie sehen musste und schwieg eine Weile.

„Erzähl mir etwas. Irgendwas.“, sagte Scorpius in die Stille hinein.

Es klang so verzweifelt und verloren, dass seine Verlobte ihn mit weichem Blick betrachtete. Wahrscheinlich hatte er sich die ganze Zeit Gedanken gemacht und am Ende waren die Ungeheuer so mächtig geworden, dass ihn nur Reden beruhigen konnte. Er hatte Angst, sie würden sich nicht kennen, vermutete sie. Deswegen nahm sie die erstbeste Sache, die ihr durch den Kopf ging.

„Alice und Albus haben miteinander geschlafen“, sagte sie. Ihr eigentlicher Gedanke war gewesen, ob sie, wenn sie verheiratet waren, miteinander schlafen würden und wie sie sich das vorzustellen hatte, wenn man sich eigentlich nicht liebte. Es war eine traurige Vorstellung gewesen, die sie zu David brachte und ihrer Illusion eines freien Willens.

„Das hat er mir erzählt. Aber er ist mit Morgana zusammen“, riss er sie aus den Gedanken, dankbar, nicht mehr in seinem Kopf eingesperrt zu sein.

Rose nickte. „Ich kann Al verstehen, Morgana ist wirklich liebenswürdig. Bei Alice kann er sich nicht sicher sein, ob sie ihn nur will, weil er unerreichbar ist für sie“, war ihre Antwort.

„Manchmal habe ich den Eindruck, dass er verzweifelt versucht, seine Gefühle für Alice abzutöten. Und die hat er noch. Morgana tut mir leid, aber ich denke, sie wird sein Herz nie allein für sich beanspruchen können. Longbottom hat es ihm echt angetan“, vermutete Scorpius.

Es war einfacher über die Probleme der anderen zu reden, als über die eigenen nachzudenken. Und so redeten sie weiter, kamen vom hundertsten ins tausendste und doch kamen sie sich näher, indem sie einfach miteinander sprachen, als lägen keine Welten zwischen ihnen. Rose erzählte von Frankreich, ihren Cousinen und Cousins, ihre Familie und dann redete sie über ihre Mutter. Danach fing sie an zu weinen, auch wenn sie das eigentlich nie wollte. Sie wollte nicht, dass Scorpius sie für schwach hielt. Doch er reichte ihr nur ein Taschentuch und ließ sie weiter von ihrer Mutter reden, ungeachtet dessen, dass sie heulte, wie ein Schlosshund und manchmal kaum zu verstehen war.

Danach erzählte Scorpius von seinen Vater uns seiner Beziehung zu ihm. Sie hatten große Probleme miteinander und sein einziger Wunsch war, ein guter Sohn zu sein. Es endlich fertig zu bringen, ein guter Malfoy zu sein. Anschließend kamen sie auf Astoria und dass sie sich sehr von ihrem Ehemann unterschied. Scorpius weinte zwar nicht, aber er gab mindestens genauso viel preis, wie Rose zuvor.

Als sie keine Lust mehr hatten, über sich zu sprechen, planten sie die anstehende Geburtstagsfeier, für die sie Silvester sturmfrei bekamen.

Und irgendwann war es taghell im Zimmer und das Haus erwachte langsam zu Leben. Astoria und die Hauselfen klapperten in der Küche, in einem der Badezimmer wurde geduscht.

Scorpius und Rose sahen sich abrupt um und stellten fest, dass der folgende Tag längst angebrochen war, ohne, dass sie es mitbekommen hatten. Trotzdem fühlte sich Rose kein bisschen müde.
 

Es war das erste Mal gewesen, dass sie sich wohl in seiner Gegenwart fühlte...
 


 

– tbc.
 

Die Stunden um Mitternacht.

Wunderschönen guten Abend, hochverehrte Leser...
 

...ich präsentiere nun das etwas lang geratene Kapitel 11 von The Bitter and the Sweet. Ich hoffe ihr haltet bis zum Ende durch und es ist mir gelungen, zwischendurch nicht zu langweilig zu werden. Und ebenso hoffe ich, dass es euch gefällt!

Deswegen hinterlasst mir doch einen Kommentar, wenn es gemundet hat. Ich freue mich auf jeden Fall darüber.
 

Noch einen gesonderten Dank an Dahlie, meiner bezaubernden, hinreißenden Beta-Fee.
 

Eure Darkimpression
 

p.s. Falls euch mein Stil gefällt, dann schaut doch einfach mal in meinen OS rein!
 


 

Und nun: Vorhang auf!
 


 


 

Kapitel 11

[Die Stunden um Mitternacht.]
 

Ein Mädchen mit braunen Augen und rotem Haar blickte ihr aus dem Spiegel entgegen. Sie sah amüsiert aus, hatte ein kleines Lächeln auf den Lippen. Rose müsste lügen, wenn sie sagen würde, dass die Tage bis Silvester die schrecklichsten Tage ihres Lebens waren. Sie hatte viel Zeit mit Scorpius und Morgana in der Bibliothek verbracht, bei einer Runde Zauberschach. Manchmal, wenn es schon spät gewesen war, hatten sie sich aus den Büchern vorgelesen – hauptsächlich Romanen von Astoria. Größtenteils waren es kitschige Liebesromane. Aber jedes Mal, wenn sie daran zurückdachte, erklang Scorpius angeraute Stimme in ihrem Kopf, wie er mit seiner schönen Erzählstimme die schönsten Liebesszenen las, ohne rot zu werden und so ruhig, dass Rose es als etwas intimes empfand. Sie hatte ihm dabei oft auf die Lippen gesehen und die Sorgfalt bewundert, mit der er jeden Buchstaben formte.

Ihr wurde warm bei dem Gedanken daran, wie er einmal eine Bettszene gelesen hatte.

Noch jetzt brachte es ihr Blut in Wallung. Zweimal hatte sie sich in den letzten Tagen dabei erwischt, wie sie ihn gern geküsst hätte. Und nie hatte sie es getan: aus Verlegenheit und aus Angst, damit das zarte Band zu zerreißen, dass sich zwischen ihnen gebildet hatte.

Rose Blick fiel auf das Bett hinter ihr. Die Laken waren zerwühlt, denn sie schliefen schlecht. Es war am Abend zuvor darauf hinausgelaufen, dass er sie im Arm gehalten hatte und in dieser Position hatten sie die ganze Nacht verbracht, ohne, dass jemand ein Auge zugetan hatte. Es war noch zu fremd für beide.

Die Weasley betrachtete sich erneut. Sie war geschminkt, hatte sich viel Mühe gegeben und trug einen mitternachtsblauen Bikini, in dem sie ein üppiges Dekolletee hatte. Zumindest wenn man ihrer besten Freundin Glauben schenken durfte.

„Du bist hübsch genug, keine Sorge“, sagte Alice aus dem Hintergrund.

Rose grinste und sah ihre beste Freundin an, die am Morgen zusammen mit Lily als Überraschung vor der Tür standen. Scorpius hatte ihre besten Freundinnen schon früher eingeladen, damit sie genügend Zeit hatten.

Sie hatte noch keine Gelegenheit gehabt, sich zu bedanken.

Zwar begegneten sich Alice und Morgana mit Argwohn, aber auch mit unverhohlener Neugier. Manchmal erwischte sie beide, wie sie sich verstohlen beobachteten und zu überlegen schienen, was Albus an der jeweils anderen fand. Die künftige Malfoy war froh, dass der bisherige Tag ohne Duelle und Zickenkrieg dahinglitt.

Lily war zusammen mit Albus – der ebenfalls am Morgen eingetroffen war – und dem besten Freund ihres jüngsten Bruders im Keller um die letzten Party-Vorbereitungen zu treffen. In einer halben Stunde würden die ersten Gäste eintrudeln und direkt zum Poolbereich geführt werden. Im Keller befand sich ein Felsgewölbe mit kleinen Tropfsteinen. Zwar war das kein natürliches Vorkommen, sondern stammte aus Zauberhand, doch es war ein wunderschöner und ruhiger Ort. In den nächsten Stunden würde sich das ändern. Als Rose es das erste Mal gesehen hatte, war ihr als erstes in den Kopf geschossen, dass man dort Gefangene gehalten hatte in den dunkleren Zeiten der Geschichte Malfoy Manors. In diesen Hallen war ihre Mutter mit einem Crutiatus gequält worden. Doch heute erinnerte nur noch wenig daran, dass durch diese Hallen einst der Dunkle Lord gewandelt war. Astoria hatte es geschafft das Manor zu einem angenehmen Ort zu machen. Rose schüttelte den Kopf als wolle sie das Bild ihrer schreienden Mutter vertreiben, dass ihr ihr Vater einst so lebendig geschildert hatte. Ihr Blick glitt wieder zu ihrer besten Freundin.
 

Alice und Albus gingen sich größtenteils aus dem Weg und wenn sie sich durch gewisse Umstände nicht aus dem Weg gehen konnten, redeten sie weder miteinander, noch sahen sie sich unnötig lange an.

Rose erinnerte sich an Scorpius Einschätzung zu den beiden. Und er hatte Recht, die Art und Weise wie Albus sie ansah und wie verletzt und in zwei gerissen er dabei aussah, ließ seine Gestik verzweifelt wirken. Er wirkte tot-unglücklich. Und trotzdem ging er mit Morgana so zärtlich um, als habe er Angst sie könne zerbrechen.

Ihr Cousin befand sich in der klassischen Zwickmühle – hin und her gerissen zwischen zwei charakterstarken Frauen.

„Hast du es mit Scorpius getan, Rosie?“, riss Alice sie aus den Gedanken und sie wandte sich ihrer besten Freundin zu, um sie fragend anzusehen.

„Nein.“

Die Professorentochter schien verwundert. „Ihr wirkt irgendwie vertrauter als je zuvor. Deswegen dachte ich... Ihr habt also die ganze Zeit zusammen in einem Bett geschlafen und du sagst mir, dass da nichts gelaufen ist?“ Um ihre Überraschung zu verdeutlichen deutete sie auf das zerwühlte Bett.

Doch ihre beste Freundin reagierte unerwartet amüsiert. Offensichtlich war es für die Tochter Nevilles undenkbar, sich so lange mit einem jungen Mann das Bett zu teilen ohne in Versuchung zu geraten, ihn zu verführen.

„Sag bloß, du hebst dich für David auf“, tippte Alice mit Argwohn. Dabei zog sie eine Augenbraue hoch, die sogleich verriet, was sie davon hielt. Rose fragte sich, was so schlimm daran sein mochte.

„Ich hebe mich für niemanden auf. Es ist nur einfach nie dazu gekommen“, verteidigte sich die junge Weasley. Und abgesehen davon war die erste Hürde, entspannt einschlafen zu können.

Alice konnte nur grinsen. Es war ein gutes Zeichen für Scorpius, dass sich ihre beste Freundin nicht gleich in Davids Arme warf. Das hieß, dass er ihr mittlerweile so wichtig war, dass sie sich entscheiden musste.

„Die ersten Gäste kommen“, lenkte die Longbottom ein und beendete damit das Thema.

Rose nickte und zog sich ein dunkelgrünes Strandkleid über, durch das ihr Bikini schimmerte. Es entblößte mehr, als es verdeckte. Sie war noch nie in Scorpius Nähe so unbekleidet gewesen. Deswegen war sie unnötig angespannt. Neidisch flogen ihre Augen zu ihrer besten Freundin.

Alice sah natürlich hinreißend aus. Sie war das Abbild der dunklen Schönheit mit der hellen Haut. Ein echtes Schneewittchen. Ihre Haare hatte sie sich zu einer komplizierten Frisur gesteckt, aus der sich einige Strähnen lösten und gekonnt nachlässig ihre blanke Schulter schmückten. Ihr Bikini in altrosa wirkte faszinierend auf ihrer hellen Haut.

„Lass uns nach unten gehen und uns einen Cocktail sichern, bevor es so voll ist, dass wir keine Liege mehr abbekommen“, seufzte Rose und gemeinsam gingen sie hinunter.
 

Scorpius Eltern überließen ihm jährlich zu Silvester das Haus, damit er mit seinen Freunden ausgiebig feiern konnte. Es galt die Regel, dass jeder Rausch erlaubt war, sofern nichts kaputt ging und das Haus keine Flammen fing. Pünktlich als seine Eltern verschwunden waren, waren Albus, Alice und Lily auf der Türschwelle erschienen.

Nun lag Harry Potters einzige Tochter faul in einer Hängematte. Sie hatte einen ganz feinen, weißen Badeanzug an, der an manchen Stellen nicht mehr als ein Netz war. Dazu trug sie eine riesengroße, runde Brille, mit der sie aussah, wie ein Filmstar aus den Fünfzigern. Sie war dünn geworden, stellte Rose fest, als sie sie das erste mal so leicht bekleidet sah. Dadurch wirkte sie noch zerbrechlicher als sonst.

Alice brachte ihnen einen Bloody Manfred mit und gemeinsam setzten sich die Mädchen tuschelnd an den Rand, während Albus und Scorpius die große Menge an wartenden Gästen empfing.

Lucy erschien fast als letzte. Wie eine Diva brauchte sie die alleinige Aufmerksamkeit zu ihrem Auftritt. Rose staunte, als sie ihre Cousine die lange Treppe hinunter laufen sah. Es war als hätten alle Männer in diesem Raum plötzlich aufgehört zu reden. Die Weasley empfand sie als hübsch, auch wenn sie etwas auf eine sehr kindliche Art und Weise neidisch war, als sie die edlen Federn in ihrem Haar sah, die mit kleinen Spangen gehalten wurden. Sie trug ebenfalls einen Badeanzug, denn ein Mädchen wie Lucy hatte es nicht nötig, viel Haut zeigen zu müssen um im Mittelpunkt zu stehen. Ihr Badeanzug war dunkelgrün und überall kleine silberne Ringe, sodass ihren beiden Seiten komplett entblößt waren. Dadurch hatte man den Eindruck, sie würde jeden Moment nackt vor allen stehen.

Rose bemerkte, dass selbst Scorpius, der sich sonst immer unter Kontrolle hatte, gaffte.

Lucys dunkelroten Lippen kräuselten sich unzufrieden, als sie ihre ungeliebte Cousine erblickte. Doch der Zorn flackerte nur kurz in ihrem Gesicht auf, denn sie besann sich auf den Gastgeber, der zu ihrer Rechten stand.

„Hallo, Geburtstagskind“, sagte sie mit gekonnt tiefer Stimme zu Scorpius. Albus erinnerte sie ungeduldig: „Noch nicht, erst Mitternacht.“

Lucy warf Scorpius einen vielsagenden Blick zu, dann erst begrüßte sie die gemeinsamen Bekannten. Fasziniert beobachteten die Mädchen das Schauspiel und vergaßen dabei, abschätzige Blicke zu diesem Teufelsweib zu schicken.

„Da hinten ist Zabini“, sagte Alice, aus ihrer Trance erwacht, zu Lily.

Lily versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, doch ihre Haltung in der Hängematte versteifte sich etwas.

„Wie sieht er aus?“, fragte sie bemüht desinteressiert, weil sie nicht hinsehen wollte.

Rose kicherte. „Er hat nur eine Badehose an. Er ist ganz schön muskulös. Und wer ist das Mädchen, das er dabei hat?“, fragte sie überrascht.

Die Potter machte einen Satz und fiel fast aus der Hängematte. Sie hatte ihre Sonnenbrille hochgeschoben und suchte in der Menge der Gäste nach Nathan Zabini und seiner Begleitung. Er fing ihren Blick auf und auch, dass sie sich verrenkt hatte, um einen Blick auf ihn zu erhaschen, hatte er bemerkt.

„Da ist doch niemand bei ihm“, stellte Lily verwirrt fest.

„Ich hab dich reingelegt“, antwortete Rose lachend. Alice stimmte mit einem Kichern ein und schlürfte mit dem Strohhalm den letzten Tropfen ihres Cocktails, während sie Zabini beobachtete, der sich von Albus ein Gespräch ans Bein binden ließ.

„Wieso geht denn keiner ins Wasser?“, wunderte sich die Longbottom, als sie den großen Raum voller Gäste betrachtete. Den Pool schien jeder zu meiden, als nähme er nicht die Hälfte des Gewölbes ein. Die meisten hatten noch etwas an und es herrschte tropisches Klima. Die beste Temperatur, um sich ordentlich zu betrinken.

„Wollen wir das Plantschbecken entjungfern?“, fragte Lily mit einem schiefen Grinsen.

Alice nickte übermäßig begeistert und gemeinsam erhoben sie sich mit Anmut.

Zum selben Zeitpunkt, als die Musik einsetzte, sprangen Alice und Lily kreischend ins kühle Nass und läuteten damit eine riesige Wasserschlacht ein. Alle Umstehenden, die durch ihre Bauchklatscher nass gespritzt worden waren, beschwerten sich oder sprangen ebenfalls hinein, um sich an diesem Kleinkrieg zu beteiligen.
 

Rose lachte, begnügte sich aber damit, sich an den Rand zu setzten und die Füße ins Wasser zu halten und ihren Freundinnen zuzusehen, wie sie sich auf jede erdenklich brutale Weise unter Wasser drückten oder nass spritzten. Zabini und Albus nahmen Anlauf und machten einen harten Bauchklatscher, der alle Umstehenden tropfen ließ.
 

Einige der Slytherins - unter anderem auch Morgana - schlossen sich an.
 

Die Weasley wunderte sich, wo Scorpius steckte.
 

-:-:-:-:-:-:-:-:-:-:-:-:-:-:-
 

Lucy stand im großen Wohnzimmer am Kamin und starrte in die Dunkelheit, in der sie Scorpius vermutete. Sie wusste, dass er ihr gefolgt war und genau das war ihr Plan gewesen. Er hatte gut ausgesehen in seiner Badehose. Sie kannte seinen Körper und liebte ihn. Dass er sich nun mit ihr in einem Raum befand und er sich nicht zu erkennen gab, jagte einen heißen Schauer über den Rücken.

„Was sucht Rose hier?“, wollte sie wissen, die Spannung nicht mehr aushalten könnend.

Die Dunkelheit schwieg einige Augenblicke, dann trat Scorpius ins sanfte Licht des Kaminfeuers. Er berührte sie nicht und sah sie auch nicht an. Das beunruhigte Lucy mehr als die Information, dass Rose dieser Familie als Freundin vorgestellt wurde, wie ihr zugetragen worden war.

„Sie gehört hierher.“, antwortete er nur.

Lucys Lächeln erstarb und sie machte einen mutigen Schritt auf ihn zu. Sie berührte seine Wange und er schloss einen Moment die Augen. Das wertete sie als Zustimmung und wurde bestimmter. Sie stellte sich vor ihn, hob sein Gesicht an, um in seine Augen zu sehen, doch das, was sie sah, gefiel ihr nicht. Er wirkte traurig.

Die Slytherin wollte dieses Gesicht beseitigen, deswegen versuchte sie es mit einem Kuss. Ihr Angebeteter stieß sie nicht von sich, seine Lippen waren weich, aber er erwiderte nicht.

Lucy trat einen Schritt zurück und biss sich auf die Unterlippe, um nicht anzufangen, zu weinen.

„Was willst du mit ihr? Du konntest sie doch nicht mal leiden bis vor kurzem.“

Als sie sich vor Augen führte, wie sie immer gemeinsam über sie hergezogen waren, wurde Lucy zornig, denn ihr fehlte jegliches Verständnis, woher der plötzliche Sinneswandel kam. Sie ballte ihre zierlichen Hände zu Fäusten und bemühte sich um Beherrschung. Wenn es um Scorpius Malfoy ging, hatte sie nie welche gehabt.

Ausgerechnet Rose! – es kränkte sie zutiefst. An seiner Seite fühlte sie sich immer so akzeptiert, wie sie war, während ihre eigene Familie nur Kritik für sie übrig hatte und stattdessen Sonnenscheinchen lobte.

Und nun wendete sich der eine, der sie wirklich mochte, ebenfalls ihrer scheußlichen Cousine zu? Das war ungerecht.

Eine Träne rollte ihre Wange hinab. Doch es blieb bei genau einem Tropfen, denn jede Art von Trauer, wurde im nächsten Moment von einer Welle unfassbarer Wut abgetötet.

Dafür würde Rose bezahlen.

Sie würde nicht wieder alles, was sie liebte, an sie verlieren. Nie wieder.

„Ich habe meine Meinung geändert, Lucy. Wir sind kein Paar mehr und ich kann machen, was ich will“, erinnerte er sie. Einen Augenblick lang versuchte sie sich daran zu erinnern, was sie zuvor gefragt hatte. Der Hass ließ sie kaum einen klaren Gedanken fassen.

Lucy presste ihre Lippen zu einer schmalen Linie zusammen.

„Und dass sie nebenbei mit Jordan vögelt ist okay?“, spie sie in ihrer Verzweiflung aus, in der Hoffnung dadurch einen Keil zwischen beide treiben zu können.

„Das geht dich nichts mehr an, Luce.“

Scorpius blieb konsequent und sah seiner Exfreundin bedauernd, aber nicht reuig in die Augen. Er hatte seine Entscheidung gefällt und am Ende würde er sie ohnehin unglücklich machen, denn dass er Rose heiraten würde, stand außer Frage.

Es tat ihm unglaublich leid, denn Lucy war ein unglückliches Mädchen. Und nun trug er zu diesem Unglück noch bei. Doch er konnte es nicht ändern und Lucy musste endlich lernen, sich mit manchen Dingen abzufinden. Sie konnte nicht alles haben, was sie wollte.

„Du wirst noch bereuen, mich gegen sie eingetauscht zu haben.“

Ohne weitere Worte stürmte Lucy aus dem Raum und ließ Scorpius zurück. Er hatte gehofft, seine Exfreundin hätte gefasster reagiert. Doch es war nötig, jetzt einen Strich zu ziehen, bevor dumme Fragen aufkamen.

Er fuhr sich durchs Gesicht, dann verließ er ebenfalls das Wohnzimmer. Schließlich musste er sich noch um seine Gäste kümmern.
 

-:-:-:-:-:-:-:-:-:-:-:-:-:-:-
 

Rose saß am Rand des Schwimmbeckens und schlug mit ihrer Fußsohle auf das Wasser. Geistesabwesend starrte sie durch die Gegend und irgendwann fragte sie sich, was mit ihr eigentlich los war. Alice und Lily planschten immer noch und sie selbst langweilte sich. Sie wollte nicht in die Verlegenheit kommen, sich bis auf den Bikini auszuziehen.

„Hallo, Weasley“, merkte Nathan Zabini an und setzte sich neben sie, um Lily besser beobachten zu können. Rose lächelte ihn freundlich an. Sie zweifelte nicht daran, dass der Slytherin ihre Cousine vergötterte.

„Hallo, Nathan. Hast du Spaß?“, fragte sie, weil sie nicht wusste, worüber sie sonst mit ihm reden sollte. Sie kannten sich kein bisschen. Irgendwie war er immer in Albus und Scorpius Nähe gewesen, aber nie auffallend in Erscheinung getreten.

Nathan lachte und nickte. Offensichtlich fiel ihm ebenfalls auf, dass sie wenig miteinander verband. Seine braunen Augen schweiften immer wieder zu Lily, die gar nicht bemerkt hatte, wie nah Zabini mittlerweile war.

„Warum bist du eigentlich hier?“, fragte er.

Die Gryffindor wurde verlegen und ihr Gesicht warm. Sie hoffte nicht rot zu werden, weil Nathan der erste war, der sie so direkt danach fragte. Alle wunderten sich, schloss sie nach den Blicken, die ihr zugeworfen wurden.

„Ich habe Weihnachten mit den Malfoys verbracht“, antwortete sie nur, sich wohl bewusst, dass sie dadurch nur noch mehr Fragen aufwarf. Nathan nickte langsam, fragte aber nicht weiter nach, sondern suchte die Menge nach Scorpius ab. Er hatte gesehen, dass er Lucy Weasley gefolgt war, nachdem sie sich ihren Auftritt gegeben hatte.

Es passte nur umso weniger mit Weasleys Anwesenheit zusammen. Er hatte schon bemerkt, dass sich Scorpius für Rose interessierte, auch wenn es ihm vorkam, wie aus heiterem Himmel.

Wollte er nun Rose – und wenn ja, warum – oder wollte er Lucy – und wenn ja, war er noch ganz bei sich?

Er schüttelte langsam den Kopf und war froh darüber, dass er keine Probleme hatte, die solche Ausmaße trugen. Sein einziges Problem war er selbst und der kleine Rotschopf vor ihm im Pool.

Lily. Albus kleine Schwester – er kannte sie schon, seit sie klein war. Er hatte die Potters in den Ferien oft besucht und als Lily nach Hogwarts kam, wollte sie nichts mehr mit ihm zu tun haben. Wahrscheinlich lag es an seinem Haus oder an ihrem. Er hatte sich nie viel daraus gemacht, schließlich war sie noch ein Kind. Und nun? Nein, ein Kind war sie nicht mehr.

Auch wenn Albus es nicht wahr haben wollte, war sie ein richtiges Luder. Doch sie wirkte immer rastlos, blieb nie lange bei jemanden, als sei sie immer auf der Suche nach etwas anderem.

Und als er das erkannt hatte, hatte er begonnen, sich mehr mit ihr auseinander zu setzen. Al hatte das gar nicht gefallen. Er hatte ihm ein Versprechen abgenommen, dass er nicht halten konnte.

Nathan konnte nicht einfach aufhören, sich den Kopf über sie zu zerbrechen! Jemand musste sie beschützen. Albus tat es nicht, er wollte nicht einmal wahrhaben, dass seine Schwester zu einer jungen Frau geworden war, die sich viel zu schnell mit jemandem einließ.

Bei diesem Gedanken ballte er die Fäuste. Rose sah ihn fragend an, dann grinste sie.

„Soll ich dir etwas Gryffindormut leihen, damit du sie ansprichst?“, fragte sie hämisch.

Der Zabini sah sie erschrocken an. Die Cousine von Lily brach bei diesem Anblick in Gelächter aus.

„Denkst du im Ernst, du kannst ihr deine Liebe gestehen, ohne dass ich oder Alice davon erfahren?“, spottete sie liebevoll.

Nathan war verlegen. Augenblicklich sah er bemüht unauffällig zu Lily, dann wandte er sich seinem Gegenüber wieder zu.

„Hat sie etwas dazu gesagt?“ Seine Stimme triefte vor Vorsicht.

Die Rothaarige zog eine Augenbraue hoch.

„Sie wartet darauf, dass du deinen Mut zusammen nimmst.“, war die Antwort.

„Aber das weißt du offiziell nicht und vor allem nicht von mir.“, setzte sie im verschwörerischem Tonfall hinzu.

Als sei ihm gerade eine Tonnenlast von den Schultern genommen worden, entspannte er sich vollkommen.

„Du weißt auch, dass das nicht möglich ist, oder?“, fragte Nathan.

Nun musste Rose wirklich bitter auflachen. „Wegen Al? Du solltest nicht immer auf andere Rücksicht nehmen.“ Vor allem, wenn er keinen unbrechbaren Schwur geleistet hatte und nicht sein Leben davon abhing. Manchmal waren Sachen erschreckend einfach ohne Magie.

„Wieso sagst du mir das?“, fragte Nathan.

Er fand es seltsam, dass er nie ein Wort mit der Weasley gesprochen hatte und sich das erste ernsthafte Gespräch, dass beide führten, sofort um eine so wichtige Sache wie Lily drehte.

Die Gryffindor seufzte und hob die Schultern. Sie hatte eigentlich keine Ahnung.

„Ich schätze, dass das Maß an ertragbaren Unglück voll ist.“

Nathan wusste nicht im geringsten wovon sie sprach, doch es spielte auch keine Rolle, denn seine besten Freunde kamen zu ihnen hinüber und zerstörten jede Vertrautheit.

Er tat, als hätten sie über nichts besonderes gesprochen, während sich Albus neben seiner Verwandten niederließ.

„Liebstes Cousinchen...“, begann er und zwinkerte Rose zu. Sie musste schon jetzt lächeln, denn der jüngste männliche Pottererbe erheiterte immer ihr angeschlagenes Gemüt. Selbst dann, wenn ihr nicht danach war. So war es schon gewesen, als sie noch Kinder waren.

Sie hatten nie viel miteinander zu tun gehabt, nur in den Ferien, aber wenn es dem jeweils anderen schlecht ging, waren sie komischer Weise immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort.

Rose hatte sogar ihren Zorn wegen Alice vergessen.

Blut war dicker als Wasser und Albus konnte sie schlechter aus dem Weg gehen, als Lucy.

„Was willst du denn?“, fragte Albus Cousine gespielt misstrauisch.

Der Angesprochene räusperte sich, dann glitt sein Blick an ihr hinab.

„Hast du dich schon mal umgesehen? Alle tragen Bikini, nur du versteckst dich noch“, stellte er fest. Den besorgten Tonfall nahm sie ihm nicht ab, auch wenn er gut schauspielte.

Skeptisch zog Ron Weasleys Tochter eine Augenbraue hoch.

Albus wusste sehr genau, weswegen Rose sich immer bedeckt hielt. Wieso führte er sie jetzt vor?

„Al, du weißt warum.“, erinnerte sie panisch.

Scorpius zog eine Augenbraue hoch, dann sah er seinen besten Freund an. Er setzte sich zum Potternachkömmling an den Beckenrand und folgte Nathans abwesendem Blick. Der Malfoy wunderte sich, dass Albus noch nicht den Braten gerochen hatte. In den letzten zwei Jahren war es kaum noch zu übersehen.

„Ausreden, Rosie, Ausreden“, tat Albus es ab und schubste die Rothaarige mit einem heftigen Ruck ins Wasser. Vollkommen unvorhergesehen sahen ihn Nathan und Scorpius erschrocken an.

Rose kam unter heftigen Luftholen wieder zurück an die Oberfläche. Sie strich ihr dunkel gewordenes Haar nach hinten. Scorpius starrte sie einen Moment lang an, dann ließ sich Albus ins Wasser fallen und zog Nathan an seinem Fuß in die Tiefe.
 

„Albus, ich töte dich“, schwor Rose blutige Rache.

Sie sah sich gezwungen, ihr sacknasses Strandkleid auszuziehen, denn dank der Hilfe des Slytherins war es schwer und klebte unangenehm an ihrem Körper. Unter enormer Kraftaufbringung hievte sie sich an den Beckenrand und streifte es langsam ab. Scorpius folgte ihren Bewegungen fasziniert. Er hatte sie noch nie so nackt gesehen. Es war seltsam aufregend.

Umso erstaunlicher war, was sie offensichtlich verstecken wollte. Rose legte das Tattoo einer Rosenranke auf ihrem Rücken frei. Die Dornen sahen ungewöhnlich plastisch aus und die Ranken bewegten sich, als ginge ein unsichtbarer Wind.

Ein magisches Tattoo? Aber das durfte man sich erst stechen lassen, wenn man auch in der Muggelwelt volljährig war.

Sie fing seinen Blick auf und schien beschämt. Doch sie sagte nichts weiter, sondern ließ sich ins Wasser gleiten um an Albus Rache zu üben.

„Hast du das noch nie gesehen?“, fragte Lucy und setzte sich neben ihn, während sie Sonnenschein beobachtete.

„Nein.“, antwortete Scorpius ehrlich.

„Dann seid ihr euch offensichtlich noch nicht sehr nahe gekommen“, höhnte sie und rutschte näher an ihn heran.

Doch er bewegte sich als Antwort nur weiter von ihr fort und betrachtete Rose, während sich die allgemeine Aufmerksamkeit wieder anderen Dingen zuwendete.

„Sie lag meistens auf dem Rücken“, antwortete er leichtfertig.

Lucy biss sich auf die Zunge.

„Du kennst Rose kein bisschen, Scorpius. Wem versuchst du etwas vorzumachen?“, wollte seine Exfreundin wissen. War es ein neuer Trick von ihm? Wollte er ihr damit wehtun? Er wusste, wie sehr sie sie hasste. Scherte sich Scorpius so wenig um ihre Gefühle?

„Halt dich raus“, ermahnte er sie ein letztes Mal.

Der drohende Unterton ließ sie zu ihrer Besinnung finden.

„Was du da siehst ist ein Fluchmal.“, sagte sie nach einer Weile und besah sich beiläufig ihre Nägel.

Nun hatte sie seine Aufmerksamkeit wieder. Scorpius sah sich das einmalige Bild abermals an, während seine Zukünftige auf Albus zuschwamm. Lucy hatte recht, es war kein gewöhnliches Tattoo. Das stammte nicht aus der Hand eines Zauberers, sondern von der Magie selbst. Es war fast so, wie die berühmte Blitznarbe.

„Nur Liebeszauber zeichnen einen so sehr...“, fuhr Lucy fort.

Sie traf direkt seinen Blick.

„Willst du wissen, wieso sie das hat?“ Offensichtlich genoss sie, es spannend zu machen.

Scorpius wollte es eigentlich nicht von Lucy erfahren. Allerdings schien sie die einzige zu sein, die davon wusste, deswegen nickte er langsam.

„Rose hat versucht, mich als kleines Mädchen zu verfluchen, weil Lysander Scarmander in der ersten Klasse gesagt hat, er sei in mich verliebt. Das hat das kleine Sonnenscheinchen nicht verkraftet und mir einen Kuchen gebacken. Backen kann sie sehr gut. Hast du schon mal etwas gegessen, das sie zubereitet hat, Scorpius?“

Er nickte. Langsam ahnte er, worauf sie hinaus wollte.

„Die kleine Rosie hat also ihre ganzen negativen Emotionen einfließen lassen und den Wunsch, ich könne mich nur noch einmal im Leben verlieben“, seufzte Lucy und ein gemeines Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie zu ihrer skeptischen Cousine sah.

Rose beobachtete die beiden mit zunehmendem Misstrauen.

„Wieso ist das ein Fluch?“, fragte Scorpius.

Lucy lachte. „Sie wollte, dass ich für immer genau einer Person hinterher laufe. Das sollte mich vermutlich unglücklich machen.“

Das ergab einen Sinn. Zumindest grob.

„Meine Großmutter kam dahinter und erteilte Sonnenscheinchen eine Lektion. Sie erklärte ihr, dass schwarze Magie schlecht sei und man sie nicht benutzen soll, um anderen Schaden zuzufügen. Am Ende zwang sie sie dazu, ihren Fluch selbst zu essen. Und das tat Sonnenscheinchen aus lauter falschem Schuldbewusstsein“, endete Lucy.

Sie kramte aus ihrer kleinen Umhängetasche eine Schachtel Zigaretten und zündete sich mit zittrigen Fingern eine an. Einen Moment schloss sie die Augen, um sich zu beruhigen.

Sie hasste Rose, sie hasste sie aus ganzem Herzen. Lucy war eigentlich ein schlechter Mensch und niemand sah es.

Scorpius wirkte nachdenklich.

„Und wieso eine Rose?“, fragte er.

„Liegt das nicht auf der Hand? Die Rose ist die Blume der Liebe und – O, Überraschung - ihr Name.“

Lucy nahm einen Zug und aschte in ein leeres Cocktailglas.

„Und die zwei Knospen?“, fragte er nach.

Seine Exfreundin zuckte mit den Schultern. Sie wusste nicht alles.

„Ich vermute, dass eine der beiden Knospen blüht, wenn sie liebt“, antwortete sie.

„Besser du bringst sie zum Blühen, sonst ist es verschenkte Liebesmüh. Wenn du mich fragst, solltest du dir lieber ein normaleres Mädchen suchen, Scorpius.“, urteilte Lucy hart und erhob sich mit diesen Worten.

Sie würde zu verhindern wissen, dass Sonnenschein und er glücklich wurden. Irgendwann würde Lucy den Namen Malfoy tragen, nicht Rose. Wahrscheinlich würde man sie verstoßen, wenn ihre Familie erfuhr, wen sie sich ausgesucht hatte. Gerade Onkel Ron hasste die Malfoys mit Inbrunst.

Ein intrigantes Lächeln umspielte ihre Züge als sie Scorpius hinter sich ließ und nach Morgana suchte.
 

-:-:-:-:-:-:-:-:-:-:-:-:-:-:-
 

Morgana saß im Wintergarten ihrer Tante und starrte nach draußen. Auch wenn sie glücklich sein müsste, mit Albus zusammen zu sein, war sie es nicht. Denn Albus hatte wieder nur Augen für Alice.

Wie immer, wenn sie irgendwo anwesend war, hatte Longbottom alle Aufmerksamkeit. Auch wenn er nicht mit ihr sprach, wurde dadurch nur umso deutlicher, dass er noch etwas für sie empfand.

Wie sollte sie es nur fertig bringen, ihn von Alice abzulenken? Sie schlief mit ihm und tat alles Erdenkliche, um ihn für sich zu begeistern. Und endlich, als sie dachte, es geschafft zu haben, tauchte Longbottom auf. Sie hasste Scorpius dafür, dass er sie eingeladen hatte. Wieso?

Nur, weil sie Roses beste Freundin war? Er wusste doch, dass sie nicht gut für Albus war.

Scorpius hatte es ihr versprochen. Und am Ende hatte er sein Versprechen nicht gehalten. Morgana hatte doch auch einfach akzeptiert, dass Rose jetzt die Freundin ihres Cousins war und nicht mehr länger ihre beste Freundin. Damit zog sie sogar Lucys Zorn auf sich.

Vorhin hatte sie sie herabgewürdigt, weil Morgana gesagt hatte, sie möge Rose.

„Morgana, hier steckst du also“, bemerkte eine Stimme hinter ihr.

Sie schloss einen Moment die Augen. Eigentlich wollte sie Albus nicht sehen. Und auf der anderen Seite war sie seltsam froh, dass ihm aufgefallen war, dass sie verschwunden war. Vielleicht war sie ihm doch nicht so unwichtig, wie sie befürchtete. Als sie die Augen wieder öffnete, zauberte sie ein angestrengtes Lächeln auf ihre Lippen.

Eine gute Miene zum bösen Spiel zu machen, war schon immer ihr Schicksal gewesen. Das lag wohl an ihrem Namen. Irgendwann würde Rose es ebenso beherrschen.

„Wieso sitzt du denn hier allein?“, wollte er wissen und ließ sich neben ihr auf das antike Sofa fallen. Es gab nach unter seinem Gewicht und Morgana rutschte ohne ihren Willen auf ihn zu.

„Ich habe ein Problem mit Longbottom“, antwortete sie ehrlich.

Albus zog eine Augenbraue hoch. Etwas alarmierendes lag in seinem Blick.

„Wieso?“, verlangte er zu wissen. Dabei klang seine Stimme ungewollt scharf.

Morgana war es peinlich über ihre Eifersucht zu reden. Doch ihre Bedenken waren gerechtfertigt, oder? Schließlich hatte er sich im Pool mit der Professorentochter vergnügt und miteinander gelacht, als kannten sie sich schon seit dem Sandkasten. Morgana wurde schlecht bei der Vorstellung, sie könne Albus an Alice verlieren. Es machte ihr Angst. Angst vor Einsamkeit und Verletzungen.

„Weil es offensichtlich ist, dass du sie lieber hättest als mich“, bebte sie wütend, weil sie sich mit keinem anderen Gefühl helfen konnte. Sie presste ihre Lippen aufeinander und wirkte seltsam verkniffen. Aus ihren Augen sprach die Verzweiflung. Diesmal bemerkte es sogar er, der die Augenleserei nicht beherrschte.

„Mach dich nicht lächerlich“, sagte er nur herablassend. Sie musste freudlos lächeln, denn durch diese Abwehrhaltung verriet er sich umso mehr.

Dass er diesem Problem mit männlicher Arroganz begegnete, machte sie nur wütender und verletzte sie noch mehr. Sie machte sich nicht lächerlich!

Jeder in diesem Keller wusste, dass Albus und Alice zusammen gehörten, nur die beiden selbst nicht. Und man sah sie nur deshalb so mitleidig an, weil man wusste, dass sie als Lückenbüßer herhalten musste.

Morgana traten Zornestränen in die Augen. Sie liebte ihn! Mehr als Alice oder sonst jemand auf der Welt. Sie meinte es gut mit ihm. Wieso sah er sie nicht?

In all dem Jahren war sie direkt vor seiner Nase gewesen, hatte sich verrenkt, um Aufmerksamkeit zu bekommen, zeigte ihm durch unzählige kleine Gesten ihre Zuneigung und er hatte immer nur einer hinterher gesehen, die ihn nicht einmal wollte und die nicht sah, wie großartig er war.

Sie hielt Albus für einen Witzbold. Einen Klassenclown, der alles ins Lächerliche zog und nichts ernst nahm. Morgana wusste aber von Anfang an, dass er das nicht war. Dass er eigentlich ein nachdenklicher Mensch war. Doch niemand verstand seinen Zynismus. Nur sie.

Sie war die einzige, die sein wahres Ich erkannte.

Und Albus?

Nein, Albus dachte, sich weiter für Longbottom zum Hampelmann machen zu müssen, damit sie ihn endlich bemerkte.

„Ich mache mich nicht lächerlich, Albus. Ich habe genau die gleiche Beachtung verdient, wie sie. Und in Anbetracht der Tatsache mit wem du zusammen bist, habe ich sogar mehr verdient.“

Sie wischte sich hastig eine Träne aus dem Gesicht. Sie wollte nicht schwach wirken, weil sie wie ein kleines Mädchen vor ihm weinte. Das hatte sie nicht nötig. Sie war eine stolze Greengrass.

„Du allein hast meine ganze Aufmerksamkeit, Liebste“, versuchte er es sanft.

Doch Morgana hielt nur abwehrend die Hand nach oben. Sie wollte ihren Kosenamen nicht hören und schon gar nicht von ihm.

„Wenn du nur einmal schätzen könntest, was du hast und nicht immer dem Ende des Regenbogens nachjagen würdest, Albus. Dann würde selbst dir auffallen, dass sie nichts für dich übrig hat.“

Sie ballte ihre Hand in ihrem Schoß zu einer Faust.

„Woher willst du wissen?“, fragte er ärgerlich. Sein Ego war so gekränkt, dass er in diesem Moment genau das Falsche sagte.

Morgana entgleisten die Züge. Erwartete er jetzt von ihr, dass sie ihm Mut in Sachen Alice machte? Dieser Ziege? Sie war tausendmal besser als diese sprunghafte, schlampige Kuh.

„Albus, du bist der letzte Abschaum. Wie könnte man dich nur lieben?“, entfloh es Morgana ungehalten, auch wenn es ihr schon leid tat, sobald sie es aus ihrem eigenen Mund gehört hatte. Sie schlug die Hand vor den Mund, erschrocken über sich selbst. Er sah sie verletzt aus, zu erschüttert um etwas zu sagen.

Doch sie war zu wütend, um sich zu entschuldigen. Er gab auch noch zu, dass er ihr hinterher hechelte und gleichzeitig log er ihr mitten ins Gesicht. Wieso nur musste sie ausgerechnet ihn lieben?

Er wusste sie nicht einmal zu schätzen.

Sie sprang auf und verließ ohne ein weiteres Wort den Wintergarten. Albus ließ sie allein zurück.
 

-:-:-:-:-:-:-:-:-:-:-:-:-:-:-
 

Es war kurz vor Mitternacht und alle standen im Garten beisammen, der extra geheizt wurde, damit sich niemand eine Erkältung holte.

Rose stand neben Scorpius, weil er ihr gesagt hatte, dass ihr Platz an seiner Seite war. Sie hatte es nicht weiter hinterfragt, sondern war ihm nach draußen gefolgt. Er unterhielt sich mit Nathan, der noch immer nicht den Mut aufgebracht hatte, sich mit Lily zu unterhalten. Sie sahen sich zwar ständig an, brachten es aber nicht fertig den Mund aufzumachen.

Lily stand neben Rose und beobachtete Nathan unter gesenkten Lidern, während sie nervös an einer Zigarette zog. Rose konnte sich nur zu gut vorstellen, dass sie diese Anspannung fertig machte.

Albus sah aus, als sei er der traurigste Mensch der Welt. Er zog nicht an seiner Zigarette, sondern ließ sie langsam abbrennen, als habe er sie vollkommen vergessen. Als die Glut seine Finger erreichte, kam er wieder zu sich und schüttelte die Zigarette ab. Ertappt sah er sich um. Dabei fiel sein Blick auf Morgana, die zu Tode betrübt neben Lucy saß und sich offensichtlich eine Hasstirade über Rose anhören musste.

Doch Albus merkte, dass sie ihr nicht zuhörte. Sie starrte nur auf den Schnee und hatte die Arme um ihren Körper geschlossen, als könne sie das vor Albus und der Kälte schützen. „Wenn du meiner Cousine das Herz brichst, breche ich dir das Genick. Auch wenn wir gute Kumpels sind, verstanden Albus?“, hatte Scorpius vor einigen Wochen zu ihm gesagt und schon jetzt hatte er sein Versprechen gebrochen. Sein Blick fiel auf das Übel – nein, er suchte die Schuld nicht bei sich – Alice. Sie stand hinter Nathan und neben Lily. Sie lachte über etwas, aber sie bemerkte, dass er sie beobachtete.

Ihr Lächeln gefror und sie begegnete seinem Blick.

Anstatt ihn abweisend zu mustern, schenkte sie ihm ein warmes Lächeln und ein Zwinkern.

Verdammt, er wollte sie.

Mit jeder Faser seines Körpers. Morgana hatte Recht.

Er musste sich diesen Dämon austreiben, sonst würde er nicht nur eine verlieren, sondern beide und Morgana war alles, was ihm noch geblieben war, nachdem Alice ihn offensichtlich nicht mehr wollte, da sie ihn nun einmal hatte.
 

Scorpius wandte sich an Rose und gab ihr ein Glas Zuckersekt in die Hand.

„Gefällt dir der Abend bis jetzt?“, fragte er sie. Sie lächelte und nickte, auch wenn sie sich unwohl fühlte, weil jeder ihre Rose sah. Die Weasley wollte gar nicht wissen, wie sich die Gerüchteküche dieses Tattoo erklärte. Doch es war zu spät, es hatten schon alle gesehen.

„Obwohl diese Party so schön ist, sind die anderen alle betrübt“, stellte sie fest. Scorpius zog eine Augenbraue hoch.

„Wieso?“, fragte er. Es war ihm gar nicht aufgefallen. Vielleicht weil er so bemüht gewesen war, die Gäste bei Laune zu halten und Lucy aus dem Weg zu gehen. Und dann war da noch Rose in ihrem knappen, mitternachtsblauen Bikini der ihr unglaublich gut stand. Das Tattoo wirkte wie Spitze. Es machte ihn fast wahnsinnig und er hasste sich für diese Triebhaftigkeit und dafür, dass er sie ausgerechnet empfand, wenn er Wiesel ansah.

„Sieh sie dir doch mal an. Lucy, Morgana, Albus, Lily und Nathan. Und Alice spielt ihre gute Laune auch nur. Ich kenne sie“, erklärte Rose.

Scorpius stellte sich dicht neben sie und folgte ihrem Blick. Sie hatte Recht. Es sah nach ganz großem Drama aus, wenn man ihn fragte. Aber eigentlich war es kein schlechtes Zeichen, denn auf jeder guten Party musste gelacht, geliebt, geweint und getanzt werden. Es war die Triebfeder menschlichen Handelns und der einzige Grund, weswegen man so gern auf Partys ging. Man suchte Emotionen. Egal auf welche Weise.

„Das legt sich, wenn alle betrunken sind“, tat Scorpius es ab.

Rose war sich nicht sicher, ob es so einfach war, wie er tat. Sie kannte diese Menschen. Und keiner von ihnen war Meister darin, es sich einfach zu machen.

„Noch ein letzter Tanz, Miss Weasley?“, fragte ihr Zukünftiger.

Sie sah auf die Uhr. Es war der letzte Tanz in seinem siebzehnjährigen Leben. Und er wollte mit ihr in seinen Geburtstag tanzen? Sie fühlte sich geehrt.

„Wir haben noch nie miteinander getanzt“, stellte sie fest, während er ihre Hand nahm.

Scorpius führte sie in eine etwas entlegenere Ecke, in der sie ungestört waren. Trotzdem waren noch viele Menschen um sie herum und viele der Mädchen wirkten ungehalten darüber, dass ausgerechnet Rose Weasley den ersten Tanz mit dem baldigen Geburtstagskind an diesem Abend bekam.

Zu Lucy traute sie sich kaum zu sehen. Wahrscheinlich würde sie zu einer Salzsäule erstarren, wenn sie ihr in die Augen sah.

„Dann wird es Zeit.“, sagte Scorpius und lächelte schief, wie immer, wenn er eigentlich unsicher war. Es war ihr schon mehrfach aufgefallen.

Sie fühlte sich steif in seinen Armen an. Scorpius bemerkte ihre Unsicherheit, ihre Vorsicht und ihr Misstrauen. Auch wenn sie sich in den letzten Tagen etwas näher gekommen waren, war ihre seltsame Beziehung noch im Aufbau und auf keinen Fall alltäglich.

Scorpius schloss einen kleinen Moment lang die Augen, als sie wegsah und genoss das Gefühl ihrer nackten, weichen Haut auf seiner. Eine Schwäche, die er sich erlaubte.
 

Die Musik setzte ein. Es war eine Ballade, natürlich, denn es war auch nie anders geplant gewesen, als dass Scorpius mit einem Mädchen in seinen Geburtstag tanzte. Das hatte er bis jetzt jedes Jahr getan. Kein einziges Mal war es dasselbe Mädchen gewesen. Und Lucy hatte er diese Ehre nie gestattet. Er hatte schon immer gewusst, dass sie zu viel hinein interpretieren würde.

Und Rose? Er hatte das Gefühl, woher es auch immer rühren mochte, dass sie es wert war.

Ironischerweise war es die einzige Ballade, die die Verlorenen Propheten jemals heraus gebracht hatten.

Rose musste grinsen, als sie die Töne ihrer Lieblingsband hörte.

Es war reiner Zufall, Scorpius hatte keine Ahnung, welche Platte Melody Flint auflegen würde. Sie bezeichnete sich gerne als DJane, wie die Muggel sie nennen würden. Er warf ihr einen Blick zu und sie zwinkerte.

Offensichtlich kannte sie den Musikgeschmack seiner Tanzpartnerin.

Langsam wiegte er sie in den Armen, bewusst, dass sie sich fremd anfühlte, aber auch gut. Ihre Hände, die sie auf seine Schulter gelegt hatte, schwitzten, doch dass sie aufgeregt war, würde sie nie zugeben, soweit kannte er sie schon. Er grinste, als sie verlegen in die Gegend starrte, nur um ihn nicht ansehen zu müssen. Der Malfoy drehte die Weasley um ihre eigene Achse und damit begannen auch andere zu tanzen. Rose entspannte sich etwas, denn dass sie beobachtete wurde, konnte sie nicht ertragen. Dafür war sie ihrer Meinung nach zu nackt.

Scorpius zog sie näher zu sich, Rose errötete, doch sie schritt nicht zurück. Sie war sich bewusst, dass sie ihre Brüste gegen seine Brust drückte und seine Hand kurz über ihrem Hintern schwebte, wie eine stumme Andeutung.

Es musste so sein.

Er war ihr Verlobter und sie mochte ihn seit ein paar Tagen. War es wie ein Flirt? Sie wusste es nicht, doch so lief es. Es war als seien sie sich gerade erst begegnet. Seltsam.

Rose musste lächeln, als sie den Gedanken vertrieb.

Sie sah über Scorpius Schulter und erblickte Lily und Zabini.

„Na endlich“, seufzte sie.

„Hm?“, machte Scorpius, der beide nicht sehen konnte.

„Nathan und Lily tanzen“, erklärte Rose nur. Und tatsächlich tat es das.

Er drehte sich mit ihr und suchte die Menge selbst nach seinem besten Freund ab. Morgana und Lucy standen am Rand und blickten grimmig, Albus war ein Häufchen Elend, dass sich an die Hauswand lehnte und sich offensichtlich wünschte unsichtbar zu sein. Vier Meter weiter weg stand Alice und sah zu ihnen. Sie zwinkerte Rose zu.

„Irgendwann kommt es bei allen in Ordnung“, beruhigte Scorpius seine Zukünftige.

„Ich hoffe es.“, seufzte sie, sich bewusst, dass sie gegen ihre eigene Regel, sich nur um sich selbst zu kümmern, verstoß und wieder auf andere Rücksicht nahm.

Rose vergaß einen Moment die Zeit und ließ sich von Scorpius im Takt der Musik wiegen und genoss die Wärme, die von ihm ausging.
 

Ein Countdown wurde angestimmt und jeder fieberte mit, als sei es ein guter Partyhit. Einige grölten, andere sprachen noch relativ nüchtern. Scorpius öffnete die Augen und in Roses. Er mochte das Braun darin mehr und mehr. Gleich, gleich wäre diese Ungestörtheit vorbei. Dann musste er sie loslassen und er wusste schon jetzt, dass er frieren würde.
 

...acht...sieben...sechs...fünf...vier...drei........ zwei.....eins.....
 

Scorpius schloss ein letztes Mal die Augen und genoss ihre Nähe.
 

Null.
 

Jemand stimmte ein Happy Birthday an, dem sich alle anschlossen.

Rose sah auf.

„Alles Gute zum Geburtstag, Scorpius“, sagte Rose.

Er sah ihr direkt in die Augen. Verdammt, da war es wieder. Sie konnte es nicht schon wieder ignorieren, sie wollte ihn küssen, sonst würde sie explodieren.

Ohne weiter darüber nachzudenken zog sie ihn zu sich herab, schloss die Augen und küsste ihn. Ein Feuerwerk ging in die Luft und tauchte die Nacht in rot. In Roses Bauch entfaltete sich ebenfalls eine Feuerblume und rieselte wie tausend kleine Glitzerpartikel in ihrem Magen herab. Schmetterlinge.

Er schmeckte nach Zuckersekt.

Seine Lippen waren weich.

Er war warm.

Rose öffnete die Augen und schon war der Augenblick vorbei. Die anderen sangen anlässlich zu Silvester „For He's a Jolly Good Fellow“. Kaum, dass sie sich von ihm gelöst hatte, stürmten Albus und Nathan auf ihn zu und warfen ihn zu Boden. Die Weasley musste lachen.

Ihre Wangen waren rot, ihr Magen spielte noch immer verrückt.

Und langsam wurde ihr bewusst, dass sie gerade Scorpius vor allen anderen geküsst hatte. Alle waren aus Hogwarts. David würde es noch vor dem Ende der Ferien erfahren.

Rose sollte es bereuen.

Sollte.

Sie tat es aber nicht, sie konnte nicht, denn es war richtig gewesen und hatte sich richtig angefühlt. So, wie Alice es immer beschrieb, wenn man sie fragte, wieso sie immer Dummheiten tat. Ihre beste Freundin antwortete stets, dass es sich richtig angefühlt hatte.

Eine Torte wurde gebracht, achtzehn Kerzen brannten darauf und wirkten zusammen mit dem Feuerwerk romantisch.
 

Ein jeder Anwesender gratulierte Scorpius persönlich, deswegen hielt sie es für ratsamer, sich zurück zu ziehen. Sie verschwand nach drinnen um sich etwas zu trinken zu holen und einen Moment Ruhe zu genießen.

Während sie das Feuerwerk durch die große Glasfront beobachtete und sich ein Glas Feuerwhiskey einschenkte, sah sie Lucy auf sich zusteuern. Ihr Gang wirkte nicht wahllos, sie kam direkt auf sie zu. Rose war alarmiert und beobachtete jeden ihrer Schritte, bis sie hinein kam und sich vor ihr aufbaute.

Betont beiläufig zog sie an einem Strohhalm und leerte ihren Cocktail. Lucy beobachtete Rose bei jeder ihrer Bewegung. Keine vertraute der anderen. Das war schon immer so gewesen, schon seit sie Kinder waren, bekämpften und hassten sie sich.

„Hallo, Rose...“, sagte sie langsam. „Hast du deinen Auftritt genossen?“

Es klang gehässig und die künftige Malfoy formte ihre Augen zu schmalen Schlitzen.

Abwährend verschränkte sie die Arme unter der Brust.

„Wovon redest du?“

Lucy lachte geschauspielert. Sie knallte ihr Glas auf den Tisch und machte einen Satz auf Rose zu. Schnell hatte sie sie in die Haare gegriffen und sah ihr aus nächster Nähe in die Augen. Diese Person widerte Lucy an.

Falsche Schlange.

Eine Schlampe.

Scorpius neue Schlampe.

Sie musste sich beherrschen, Rose nicht die Haare herauszureißen.

„Du hast es doch genossen in aller Munde zu sein. Erst mit deinem beschissenen Mal, dann mit dem Kuss“, fauchte Lucy.

Rose war innerlich aufgewühlt, sie fühlte sich angegriffen, wollte sich aber ihre Furcht nicht anmerken lassen, sondern viel lieber zurückschlagen. Lucy hatte keine Macht über sie, keine. Die Gryffindor war eine viel bessere Kämpferin als sie, doch wenn es nun auf einen körperlichen Kampf hinauslief, wollte sie lieber etwas vorsichtiger sein. Denn man durfte ihre dünne Cousine nicht unterschätzen – in ihren schmalen Armen schlummerte die Kraft zahlloser Handjobs.
 

Die Verachtung für Lucy schmeckte bitter auf ihrer Zunge. Sie hielt nichts von ihr.

„Deine Zeit ist vorbei, Luce“, antwortete Rose beherrscht.

Das machte ihre Cousine noch rasender vor Zorn. Sie warf einen Blick nach draußen. Keiner bekam mit, was hier drin geschah. Alle sahen nur auf das Feuerwerk.

„Du dreckiges Miststück lässt gefälligst deine Finger von Scorpius. Er gehört mir“, schrie ihr ihre Cousine entgegen. Ihr Atem war von Alkohol geschwängert. Sie klang verzweifelt und ängstlich – eine gute Mischung für Wut.

„Ich lasse gar nichts. Eher sterbe ich“, antwortete Rose ruhig und musste über ihre eigene Ironie lachen, denn Lucy hatte keine Ahnung, wie ernst das gemeint war.

Lucy gab ihr einen kräftigen Stoß und ihre Cousine knallte mit dem Rücken gegen die Bar und rutschte dann auf dem nassen Boden aus. Sie riss Lucy mit sich, die sich nicht schnell genug aus den roten Haaren befreien konnte.

Der Gryffindor entfuhr ein Schrei. Sie war benommen, denn sie war mit dem Kopf irgendwo angestoßen. Doch sie kam schnell zu sich und stürzte sich auf Lucy, die wie eine Furie auf die einschlug, kratzte und an ihren Haaren zog.

„Lass mich in Ruhe, du verdammte Kröte“, brüllte die Gryffindor wie eine Löwin und versuchte Lucys Arme unter Kontrolle zu bringen. Doch wie schon vermutetet war sie stärker als sie dachte.
 

„Lucy, Rose!“, ertönte eine schockierte Stimme hinter ihnen. Morgana stand in der Tür und traute ihren Augen kaum, als sie die sich balgenden Mädchen sah. Beide trugen Kratzer im Gesicht und endlose ausgerissene Haare lagen auf den hellen Fliesen.

„Oh Merlin!“, rief eine andere Stimme. Alice.

Beide Mädchen stürmten auf ihre jeweilige beste Freundin zu. Der Lärm lockte andere Schaulustige an. Einige der betrunkenen Jungs grölten beim Anblick des Mädchenkampfs. Doch für Rose war das nicht zum Lachen. Sie hatte das dringende Bedürfnis, Lucys Nase mit ihrer Faust zu korrigieren. Sie wusste nicht, wie sie den ganzen Hass und die ganze Gewalt verdient hatte.

Alice zog ihre beste Freundin von Lucy herunter, die nun anfing auf ihre Cousine einzutreten, bis sie außer Reichweite ihrer Beine war. Dabei traf sie sie auch ziemlich hart zwischen Beinen. Für einen Moment faltete sich die Angegriffene zusammen, doch die Professorentochter fing sie auf.

„Ich brech' dir die Beine!“, tobte Rose und wollte schon auf Lucy zu stürmen, ungeachtete dessen, dass sie damit ihre beste Freundin hinter sich herzog.

Das schwarze Schaf der Familie Weasley höhnte mit einem Lachen, dass blutgetränkt war. Die Rothaarige hatte sie wohl inmitten der Rangelei mit ihrem Ellenbogen getroffen.

„Seht euch das Engelchen an! Eine Harpyie ist sie!“, schrie Lucy hysterisch, als sie das Publikum bemerkte. Doch keiner nahm sie ernst, denn jeder hatte den heftigen Tritt zwischen ihre Beine gesehen. Und das fand keiner lustig.

Endlich schritten die Herren der Schöpfung ein. Zabini half Morgana mit Lucy, doch um Rose zu bändigen, brauchte es Albus und Scorpius.

Sie trat um sich, wandte sich in der Hoffnung, Lucy doch noch ihre Faust spüren zu lassen und bemerkte nicht einmal die Schmerzen, die ihr ihre Cousine bereits beigebracht hatte.

„Eher stirbst du, Sonnenscheinchen?“, lachte Lucy, während man sie weg schleifte, als wäre sie eine gefährliche Irre. „Das lässt sich einrichten“, setzte sie hinzu. Und unbemerkt ließ sie die gerissene Kette mit dem Ring verschwinden, die sie Rose abgerissen hatte.

„Jetzt lass sie in Ruhe, Lucy. Du hast schon genug angerichtet“, herrschte Morgana ihre beste Freundin an, während Zabini ihr half, sie hinauszuwerfen. Das schockte Lucy so sehr – denn noch nie hatte Morgana es gewagt, sie anzuschreien – dass sie verstummte und sich das erste Mal gewahr wurde, was sie gerade für eine Szene gemacht hatte; vor all den Leuten, denen sie nach den Ferien wieder unter die Augen treten musste. Sie ließ sich wegbringen.

„Ich bring sie nach Hause“, rief Morgana Scorpius zu. Er konnte nur nicken, denn er hatte immer noch alle Hände mit Rose voll.
 

„Rose“, sagte er geduldig, während sie sich noch sträubte, sich wegbringen zu lassen.

„Rose“, wiederholte er.

„Rosie“, sagte nun Albus, dem der Geduldsfaden riss. Er hatte heute schon genug Drama erlebt und außerdem blutete seine Cousine am Kopf.

„Rosie, reiß dich zusammen. So benimmt sich keine Weasley“, meinte er.

„Ich scheiß drauf, wie ich mich benehmen muss. Diese Schlampe hat angefangen. Wie eine Irre hat sie sich auf mich gestürzt“, spie sie, während Scorpius und Albus sie ins Wohnzimmer brachten.

„Soll ich das denn einstecken, nur um eine gute Weasley zu sein?“, fragte sie ihn, außer Puste. Albus und Scorpius setzten sich neben sie, beide erledigt. Rose verschränkte die Arme vor der Brust und starrte mit düsterer Miene ins Feuer. Es schmerzte zwischen ihren Beinen. Wahrscheinlich hatte sie eine Prellung.

„Du hast ganz schön Kraft“, bemerkte Scorpius nicht ohne Bewunderung.

Rose musste lachen. Der Stress fiel von ihr und wenn sie daran dachte, kam ihr die Show ganz schön lächerlich vor. Doch wie auch schon den Kuss zuvor, bereute sie auch nicht die Prügelei. Sie fühlte sich wesentlich besser. Sonst hatte sie immer eingesteckt und Lucy toben lassen. Nun, wo sie auf niemanden mehr Rücksicht nehmen musste, konnte sie sich endlich verteidigen.

Der ganze Frust war von ihr gefallen.

Alice kam von hinten. Sie hatte ihren Zauberstab und ein paar Kräuter bei sich und kniete sich vor ihre beste Freundin. Sie machte eine geschäftige Miene.

Es wurde ruhig im Zimmer. Die jungen Männer sagten nichts und nur das Kaminfeuer prasselte. Rose wurde ganz ruhig in der Gegenwart ihrer Freundin.

„Bist du mir böse, weil ich mich so vergessen habe?“, fragte sie Alice, die mit einer Kräutertinktur ihre aufgeschürften Knie abtupfte.

Die Angesprochene hob den Kopf und sah in ihre Augen.

„Ich bin stolz auf dich“, sagte Alice. Und ihre Miene sprach Bände – sie lächelte und sah die Weasley an, als habe sie sie ernsthaft überrascht.

Scorpius und Albus grinsten ungläubig.

„Du findest das gut?“, fragte der Malfoy erstaunt.

Er hatte es als schrecklich empfunden, so etwas mit ansehen zu müssen. Sie hatten sich beide schrecklich wehgetan, unfair gekämpft und der Tritt in Roses Schritt hatte ihn unzählige Augenblicke die Luft vor Mitgefühl anhalten lassen.

Nun war es an Albus zu lachen.

„Wenn du wüsstest, welche schlimmen Dinge Lucy unserer Rosie schon angetan hat, würdest du dich auch freuen, wenn sie sich endlich gewehrt hätte. Ehrlich, ich hätte schon sehr an deinem Verstand gezweifelt, wenn du das auch noch mit dir hättest machen lassen.“ Er sah seine Cousine bedeutungsschwer an.

„Ich habe doch gesagt, ich nehme keine Rücksicht mehr.“

Scorpius zog eine Augenbraue hoch. Von welchen schlimmen Dinge sprach Albus? Er hatte den Zwist zwischen den Cousinen für eine verbale Angelegenheit gehalten. Zumindest hatte er nie etwas mitbekommen.

„Heißt das, du hast auf Lucy Rücksicht genommen?“, wollte er wissen.

Rose erhob sich langsam, als Alice fertig war, sie zu verarzten. Der Slytherin sah zu ihr auf, wie das Feuer sie anstrahlte und ihren Körper in warmes Licht tauchte. Sein Kumpel bemerkte den Blick und verkniff sich ein Grinsen. Endlich war seinem besten Freund aufgefallen, dass Rose eine Frau war. Scorpius fielen die ersten blauen Flecken auf, die ihren Körper übersäten.

„Lucy ist unglücklich. Sie hat mir immer leidgetan“, sagte Rose leichtfertig.

„Aber ich dachte du hasst sie“, verlautbarte er hörbar verwirrt.

„Ja, das tue ich auch. Leben und leben lassen.“ Rose zuckte mit den Schultern, als habe sie selbst keine Erklärung für ihr Verhalten, dann verließ sie zusammen mit Alice das Zimmer.

Scorpius und Albus – beide etwas ratlos - folgten den Mädchen.

„Ich brauche jetzt etwas hartes Zutrinken“, seufzte Rose aus tiefstem Herzen.
 

-:-:-:-:-:-:-:-:-:-:-:-:-:-:-
 

Lily stand wie geschockt da. Sie hatte eine solche Eskalation zwischen ihren Cousinen nicht kommen sehen. Und sie hatte Lucy noch dabei beobachtet, wie sie Rose nach ihrem Kuss mit Malfoy gefolgt war. Aber sie hatte sich nichts weiter dabei gedacht und stattdessen lieber Nathan beobachtet. Vielleicht hätte sie dieses Desaster verhindern können, schließlich hatten sie und Lucy sich immer verstanden. Zwar nicht so gut, wie sie und Rose, aber für ein Gespräch hätte es gereicht.

Ein Glas Feuerwasser erschien in ihrem rechten Blickfeld. Sie nahm ihn und stürzte ihn in einem Schluck hinunter. Erst dann fragte sie sich, wer ihr dazu verholfen hatte, ihren Schock zu überwinden.

Ihr Herz setzte einen Schlag aus.

Nathan.

Hier neben ihr.

Sie schluckte noch einmal, dann erinnerte sie sich daran, dass sie lächeln könnte. Sie tat es, aber es endete eher in einer furchtbaren Grimasse, die Nathan zum Lachen brachte. Nachdem er Lucy und Morgana zum Kamin gebracht hatte, durch den sie gereist waren, kam er zurück zu Lily. Er hatte noch nie erlebt, dass sich zwei Mädchen so benommen hatten. Und auch für die Potter schien es etwas neues gewesen zu sein, denn sie war käseweiß im Gesicht, als er sie gefunden hatte.

„Danke“, sagte sie mit belegter Stimme.

Nathan nickte und zwinkerte.

„Noch einen?“, wollte er wissen.

Lily überlegte. Seine plötzliche Gegenwart beruhigte sie kein bisschen.

„Ehrlich gesagt – ja, bitte.“

Nun lachte er umso herzlicher. Dabei lehnte er sich sogar nach hinten. Dann zauberte er hinter seinem Rücken eine ganze Flasche hervor. Lily zog eine Augenbraue hoch. Offensichtlich hatte er heute noch mehr vor, als sich zu beruhigen.

Sie sah von der Flasche auf und traf direkt seinen Blick.

Eine stumme Frage lag darin.

Dann machte sie auf dem Absatz kehrt und steuerte den Wintergarten von Scorpius' Mutter an. Nathan folgte ihr unauffällig, die Flasche Feuerwasser immer noch bei sich, aber keine Gläser.

Er war aufgeregt.

Das letzte mal war er zu seinem Geburtstag mit ihr allein gewesen. Und damals war er so fertig und betrunken gewesen, dass seine Gefühle auf seiner Zunge lagen. Sein ganzes Leid war förmlich aus ihm herausgesprudelt. Seitdem hatten sie kein weiteres Mal miteinander gesprochen.

Sie hatte ihn geküsst und dann war sie geflohen.

Der schönste Kuss, den er je mit einem Mädchen geteilt hatte.

Sie setzte sich nicht auf die Couch, die einladend dastand, sondern kniete sich zwischen die Orchideen auf den blanken Boden. Auffordernd sah sie ihn an und deutete auf den Boden vor ihr. Ohne ein weiteres Wort setzte er sich vor sie und sah in ihre Augen.

„Reden wir nicht um den heißen Brei herum, Nathan“, begann sie und ihr Ausdruck war entschlossen. So sah sie eigentlich nur aus, wenn sie sich mit einem Slytherin duellierte, bemerkte er und sah in ihre hellbraunen Augen, die sie von ihrer Mutter hatte.

„Ja?“, fragte er unsicher. Er war sich nicht sicher, ob er es wissen wollte.

Er lächelte nervös, seine Hände schwitzten und er hasste sich dafür, seine Schwäche für sie nicht verstecken zu können und auch seine Aufregung nicht.

Lilys Blick wurde weich, als sie es bemerkte. Sie versuchte es mit einem aufmunternden Lächeln. Leider fühlte sie sich gar nicht so taff, wie sie sich gab. Um sich selbst Mut zu machen, griff sie zur Flasche und nahm einen großzügigen Schluck.

Erst als der Alkohol in ihrer Kehle brannte, fühlte sie sich bereit.

Dann sah sie Nathan an und musste lachen, weil sie es sich so schwer machte. Im selben Augenblick schmiss sie sich auf ihn und fiel der Länge nach auf den Boden. Noch bevor seine Beschwerde seine Kehle verlassen konnte, presste sie ihre Lippen auf seine.

Sie küssten sich eine gefühlte Ewigkeit.

„Wieso bist du so stürmisch?“, fragte Nathan atemlos. Lily grinste.

„Sie dir doch die anderen an, was sie davon haben, wenn sie es sich schwer machen. Also ich würde die Zeit lieber damit verbringen, dich zu küssen.“

Nathan lachte, dann zog er sie zu sich hinunter und übersäte ihr Gesicht mit kleinen, respektvollen Küssen, bevor sich ihre Lippen ein weiteres Mal verbanden und sie die Zeit um sich herum vergaßen.
 

-:-:-:-:-:-:-:-:-:-:-:-:-:-:-
 

Rose, Scorpius, Alice und Albus saßen an einem Tisch. In der Mitte stand eine Flasche Feuerwhiskey und das Vorhaben, sich zu betrinken flackerte in den Augen eines jedem. Alkohol machte viele Dinge einfacher. Der Pegel, den Alice hatte, löste ihre Zunge und sie unterhielt sich mit Albus über Quidditch, wovon sie keine große Ahnung hatte. Um sie herum wurde noch getanzt, gelacht und gefeiert. Die Musik war gut und die Laune hatte sich schlagartig verbessert, nachdem sich Rose entladen hatte bei ihrem Streit mit Lucy.

Mit den blauen Flecken im Gesicht und an den Schultern, sah Rose auf seltsame Art und Weise bezaubernd aus. Ihr Lächeln wirkte noch strahlender als sonst. Scorpius mochte ihr Lächeln. Er mochte auch, wie sie lachte. Sie verstellte sich nicht, lachte laut und herzlich, wenn sie etwas lustig fand und kümmerte sich nicht darum, wie das auf andere wirkte.

Jemand brachte Karten an den Tisch und bald spielten sie eine Runde Bell Explodiert. Nachdem Rose Bell drei Mal hintereinander gezogen hatte, explodierte die Karte in ihren Händen und schwärzte ihr Gesicht mit Ruß.

Alle lachten.

Albus genoss die heitere Laune, die herrschte. Der Abend war bis zu diesem Punkt nicht sehr fröhlich für ihn verlaufen und er begrüßte es, sein schlechtes Gewissen und seinen Kummer in Whisky ertränken zu können, wie am Anfang, als noch nichts zwischen den hier Anwesenden stand. Rose erholte sich von ihrer Prügelei mit jedem weiteren Schluck, den sie nahm und bald schwirrte ihr der Kopf.

Während um sie herum alle durch die Kamine verschwanden, und die, die nicht mehr laufen konnten, auf den Sofas eingeschlafen waren, schlug Albus vor, noch eine Runde zu schwimmen. Rose würde das kühle Wasser zu einem klaren Kopf verhelfen, deswegen stimmte sie zu und sprang als erste hinein.

Irgendwann tauchten Lily und Zabini wieder auf. Beide strahlten und hielten Händchen. Albus fiel sein Lächeln aus dem Gesicht als er bemerkte.

Scorpius schwamm zu ihm herüber und versuchte ihn notdürftig zu beruhigen. Er erklärte ihm, was er in den letzten Monaten beobachtet hatte und auch Rose kam Lily zur Hilfe, als sie ihm erzählte, was Lily von Nathans Geburtstagsfeier zu berichten wusste. Albus sah immer noch grimmig drein, doch dann nickte er langsam.

„Brich meiner Schwester das Herz und ich breche dir die Beine, Zabini“, rief er ihm zu und es sollte der einzige Kommentar bleiben, den er je beisteuern würde.

Lily sah erleichtert aus. Sie nickte Rose in stummen Dank zu.

Scorpius fand es aberwitzig, dass er den gleichen Wortlaut gewählt hatte, wie er, obwohl er zu diesem Zeitpunkt bereits wusste, dass Albus seiner Cousine das Herz brechen würde. Der Malfoy hoffte, dass sein bester Freund nicht auch befürchtete, Nathan könne es nicht so ernst meinen.

„Wie wäre es mit einer Runde Steh Troll, Schwimm Troll?“, fragte Alice.

Alle stimmten begeistert zu.

„Wer spielt den Troll?“, fragte Scorpius.

Albus schnaubte.

„Lily macht den Troll“, sagte er spöttisch und zwinkerte seiner Schwester zu. Er wollte ihr begreiflich machen, dass er nichts dagegen hatte und sich für die freute. Deswegen konnte Lily nicht ablehnen.

Sie lehnte sich an den Beckenrand und ließ sich alle verteilen.

Rose verzog sich in den hinteren Teil des Gewölbes, wo der kleine Wasserfall war. Albus hielt sich in Lilys Nähe, wohl bewusst, dass er im Notfall türmen und alle anderen, die von Lily erwischt worden waren, aus der Starre befreien konnte.

„Können wir?“, rief Lily.

„Ja“, antworteten Rose und Alice.

Lily schwamm los und hielt wie zu erwarten auf ihren Bruder zu, doch der war schneller als sie und schwamm davon, ehe sie ihn berühren konnte. Die erste Frustration machte sich bemerkbar, als auch Scorpius schneller war als sie. Also entschied sich Lily, sich an ihre Freundinnen zu halten.

Denn von denen wusste sie, dass sie nicht wie Fische im Wasser bewegten und hinzukommend noch katastrophal ungelenk waren.

Und tatsächlich war es so, dass sie Alice als erste erwischte.

„Mist“, fluchte Alice und musste mit gespreizten Beinen dastehen, bis jemand, der noch frei war, unter ihr durchschwamm und sie dadurch befreite.

Dummerweise waren alle am anderen Ende des Pools, auf das Lily gerade zuhielt. Doch hinter dem Wasserfall kam Rose hervor und durchschwamm ihre Beine.

„Danke, Rosie“, sagte Alice und brachte so viel Abstand wie möglich zwischen sie und Lily. Rose verschwand wieder hinter dem Wasserfall und hoffte vergessen zu werden.

Doch der Potter war diese Rettungsaktion nicht entgangen. Die anderen stoben auseinander, sobald sie in ihre Nähe kam, doch sie erwischte Nathan und Scorpius an den Armen. Außer Atem suchte sie den Pool nach ihrem Bruder oder Alice ab. Doch sie waren abgetaucht und so hielt sie in großen Zügen sie auf ihre Cousine zu, die sich noch immer in Sicherheit wähnte.

„Verdammt, ich wollte mich doch hier verstecken“, jaulte Rose, als Lily sie überraschte, in dem sie vor ihr auftauchte und mitten auf der Nasenspitze anstieß.

„Alice, rette mich!“, flehte Rose mit erhobener, übertrieben dramatischer Stimme.

„Ist gerade schlecht“, rief Alice zurück, denn sie durchschwamm gerade Scorpius und Zabini. Doch Lily erwischte sie, als sie wieder auftauchte. Scorpius und Nathan machten sich vom Acker.

„Ich komme gar nicht an euch ran“, beschwerte sich Lily. Dabei klang sie wie ein bockiges Kind. Scorpius nahm ein paar Armspannen zu Rose um sie zu befreien. Als er sie erreichte, grinste sie ihn herausfordernd und sagte gar nichts. Ihr war bewusst, dass sie gerade ungesehen waren. Ihm wurde es umso deutlicher, als er das Planschen der anderen hörte, was meilenweit entfernt klang.

Ihr Grinsen wurde breiter.

„Hab dich.“, sagte Lily und fror Scorpius direkt vor seiner Zukünftigen ein.

„Oh nein! Ich war abgelenkt.“, maulte Scorpius halbherzig und zwinkerte ihr zu.

Eine Weile blieben sie voreinander stehen, sahen in unterschiedliche Ecken und vermieden es, sich anzusehen.

Wann kam denn endlich jemand, der sie erlöste? Hatten die anderen sie vergessen?
 

In Wahrheit (doch das konnten sie nicht sehen) verhielt es sich so, dass die Übrigen längst aufgehört hatten, sich zu jagen und am Beckenrand saßen, um eine Geräuschkulisse zu erschaffen. Sie reichten sich die Flaschen zu und riefen abwechselnd „Eulenscheiße“ und „Danke, Albus“ oder „Mach mich frei, Alice.“
 

Aus Versehen erwischte sie sich dabei, wie sie Scorpius musterte. Zugegeben: so zufällig war es nicht. Sie fühlte sich durch die Wassertropfen an ihren ersten Kuss erinnert, als sie in sein Zimmer eingebrochen war.

(„Alice, mach mich schnell frei.“)

Rose sah zu Scorpius auf und ihre Blicke trafen sich.

(„Ich kann grade nicht, Nathan!“ Alice nahm von ihm die Flasche entgegen und reichte sie danach an Albus weiter.)

Verdammt, offensichtlich hatte Lily langsam alle gefangen.

„Rose...“, flüsterte Scorpius und sah sie an.

Ihr Blick wurde weich. „Verdammt, Malfoy.“, fauchte sie, als wisse sie genau, was er gerade dachte und überbrückte die Zentimeter zwischen ihnen. Die Weasley stieß sich vom Boden ab und schlang die Beine um ihn. Sie war im Wasser ganz leicht. Scorpius drückte sie an die hinter ihr liegende Felswand und küsste sie unbeherrscht hart.

(„Ich hab dich, Albus!“, rief Lily erfreut.)

(„Nathan!“, rief Albus.)

(„Gleich, Mann.“)

Rose fühlte sich, als wäre der ganze Druck wie weggespült. Sie seufzte, öffnete ihre Lippen und gewährte ihm Einlass. Sie stöhnte unterdrückt, schnaufte und küsste ihn wieder. Sie schlang ihre Arme um seinen Hals, wollte, dass nicht einmal ein Blatt Papier zwischen sie passte.

„Merlin“, fluchte Scorpius, als ihm der Druck seiner Lenden unerträglich vorkam. Er musste sich beherrschen. Dieser verfluchte mitternachtsblaue Bikini machte ihn schon den ganzen Abend verrückt. Er konnte kaum noch klar denken.

„Sag mal, Lily? Wenn Scorpius und Rose irgendwie zusammenhängen, reicht es dann, wenn ich unter einem durchschwimme, um beide zu befreien?“, rief Alice.

Scorpius und Rose fuhren auseinander, wie ein Schwarm erschreckter Tauben.

„Igitt“, presste Albus hervor, doch die Heiterkeit in seiner Stimme konnte er nicht unterdrücken.

„Ich glaube, ja“, antwortete Lily, dann lachte sie.

Rose wurde feuerrot im Gesicht und tauchte unter. Das veranlasste Alice nur noch mehr zum Lachen.

„Wie wäre es mit einem Feuerwhiskey, Scorpius?“, fragte Nathan im väterlichen Tonfall, sobald Scorpius unter dem Wasserfall hervor geschwommen war.

„Ja, danke.“

„Komm raus.“

Scorpius kratzte sich verlegen am Kopf. „Ich bleibe noch etwas drin“, murmelte er, was Nathan und Albus zum schallenden Lachen brachte, während sich die Mädchen nur fragend ansahen.

Rose tauchte auf – noch zu sprachlos, um mit jemanden zu reden oder jemanden anzusehen. Sie hatte sich gehen lassen. Schon das dritte mal an diesem Abend und zweimal war Scorpius daran Schuld.

„Hier, Rosie“, sagte Lily fürsorglich und gab ihr die Flasche in die Hand.

Rose schraubte sie ohne Worte auf und stürzte eine gehörige Menge hinab. Ihr Zustand konnte sich kaum verschlechtern. Der Alkohol rehabilitierte sie wieder und brachte ihr neuen Mut, endlich allen wieder in die Augen sehen zu können.

„Und jetzt?“, fragte sie.
 

-:-:-:-:-:-:-:-:-:-:-:-:-:-:-
 

Die Tür fiel ins Schloss. Alice fühlte etwas Weiches im Rücken, dabei konnte es sich nur um Handtücher handeln. Es war schließlich die Wäschekammer. Albus übersäte ihren Hals mit tausenden kleinen Küssen, bevor er wieder zu ihrem Mund gelangte und ihr einen leidenschaftlichen Kuss gab. Er schmeckte nach Verzweiflung und Begehren. Alice empfand dasselbe, schloss die Augen und biss leicht in seine Zunge.

Sie wollte es noch einmal spüren – das Gefühl die Eine zu sein. Seine Eine.

Es war verboten, er war mit Morgana zusammen, das wusste sie.

Sie wusste auch, dass ihr Stolz sie davon abhalten sollte, das zu tun. Doch sie konnte nicht anders, es war ein Ziehen im Bauch und in ihrem Herzen, die Augen zu schließen, zu genießen und es einfach zu tun, ohne an jemand anderen zu denken als an sich und ihn. Wie konnte etwas so Gutes verboten sein?

Sie wollte es.

Sie wollte es.

Oh ja, sie wollte es und alles andere wäre eine Lüge gewesen.

Mit hektischen Fingern zerrte sie an seiner Badehose, griff darunter, ließ ihn Stöhnen.

„Ich will dich“, bebte er.

Alice stöhnte, als sie es vernahm. Es jagte ihr einen Schauer über den Rücken, den sie nie empfunden hatte, bevor er sie berührt hatte.

Vielleicht war es so, dass sie ihn anfangs allein aus dem Grund wollte, weil er sie abwies. Aber das hatte sich geändert. Dass hatte sich geändert, als er sie das erste Mal geküsst hatte. Da wusste sie es.

Sie wollte lieber verbrennen, als erfrieren.

Alice wollte riskieren, dass er sie danach wieder sitzen ließ, doch dieses eine mal wollte sie noch hell lodern, auch wenn es ihr Untergang sein sollte.

Da machte sie sich nichts vor.

Er öffnete ihr Bikinioberteil und schmiss es achtlos zu Boden. Wo es landete, wussten sie nicht, denn es war dunkel. Mit einem Seufzen küsste er ihre Brüste, doch viel zu leidenschaftlich, um zärtlich zu sein. Alice schloss die Augen und lehnte ihren Kopf an die Wand hinter ihr.

Sie ließ seine Hose zu Boden gleiten und schubste ihn nach hinten auf einen Wäschehaufen, den sie beim Eintreten noch gesehen hatte.

„Du machst mich wahnsinnig“, stöhnte er, als sie ihr Höschen auszog und sich auf ihn setzte.
 

-:-:-:-:-:-:-:-:-:-:-:-:-:-:-
 

Die Tür fiel ins Schloss.

Rose war verlegen, vor allem jetzt, wo sie mit Scorpius alleine war und sich mit ihm ein Bett teilen musste.

Würde es passieren? Sie rechnete damit.

Sie dachte einen kurzen Moment an David und daran, dass er es gut mit ihr meinte. Was tat sie hier also? Es war nicht richtig.

Wenn sie doch nur klar denken könnte! Aber der Alkohol benebelte ihre Sinne.

Scorpius machte keinen Hehl aus seinen Absichten. Natürlich tat er das nicht, er war genauso betrunken, wie sie. Er presste sie an die Tür in ihrem Rücken und küsste sie.

Rose stöhnte, schloss die Augen und beschloss, einfach gar nicht mehr nachzudenken. Es hatte ihr ohnehin nie Glück gebracht. Sie erwiderte seinen Kuss so heftig und bereitwillig, dass Scorpius vor Überraschung absetzen musste. Nur die Petroleumlampen, die sie so altmodisch fand, erleuchteten den Raum. Es war nicht zu hell, um sie zur Besinnung zu bringen und nicht dunkel genug, um zu vergessen, wo sie war.

„Ein Wort von dir genügt und ich höre auf“, sagte er, als er ihren unsicheren Blick sah.

Merlin, das wollte er schon tun, seit sie das erste Mal unter ihm gelegen hatte, auch wenn er sich lieber die Zunge abgebissen hätte, als das zuzugeben. Es kam ihm vor, als wäre es erst gestern passiert und trotzdem schien so viel in der Zwischenzeit geschehen zu sein. Sie hatten sich angefreundet. Etwas, das er sich nie erhofft hatte, seit er diesen Schwur abgelegt hatte.

Er könnte es jetzt kaputt machen, Rose kaputt machen, und am Ende musste sie ihn trotzdem heiraten, obwohl sie ihn dafür verachtete.

Wie würde es wirken? Dass er sie abgefüllt und dann verführt hatte.

„Ich weiß“, sagte sie zu atemlos um nicht aufgeregt zu klingen. Dann küsste sie ihn wieder und Scorpius warf alle Bedenken über Bord.

Er öffnete ihren verfluchten Bikini, der alleinige Übeltäter war und sah das erste Mal ihre Brüste. Es war nicht so, als hätte er nie Brüste gesehen, trotzdem fühlte er sich wie ein kleiner Schuljunge und schluckte hart vor aufwallender Aufregung. Rose biss sich auf die Unterlippe und sah ihn abwartend, fragend und verlegen an. Eigentlich wollte sie lieber die Augen schließen und so tun, als wäre sie wirklich so taff, wie sie immer vorgab.

Scorpius bemerkte ihre Unsicherheit und lächelte schief. Sie mochte dieses Lächeln, doch in diesem Moment hatte es den unerwünschten Nebeneffekt, dass das Feuerwerk in ihrem Magen wieder aufwallte und sie noch benebelter war.

„Keine Sorge, sie sind schön“, sagte er amüsiert.

Rose wurde rot und sah schnell woanders hin. Hatte man ihr ihre Zweifel so sehr angesehen? Sie verfluchte sich, dass ihr Gesicht manchmal ein offenes Buch war. Für ihn schien es so leicht zu sein.

Er berührte zuerst ihre rechte Brust und Rose war schlecht vor Erregung. Sie richtete ihren Blick wieder auf ihn, wollte ihn abhalten, doch sie brachte es nicht fertig. Es war ein vollkommen neues Gefühl, dass er dadurch in ihr auslöste. Und es war gut.

Sie wollte keine Angst haben.

Scorpius zog einen kleinen Kreis um ihre Brustwarze. Dabei waren seine Fingerspitzen so leicht, wie Schmetterlingsflügel. Rose stöhnte und schloss die Augen. Konnte er sie nicht küssen? Dann konnte sie sich zumindest auf etwas anderes konzentrieren, als ihre Nacktheit. Mit der anderen Hand umschloss er die andere Brust komplett.

Rose fürchtete, ihre Knie würden nachgeben und sie würde einfach hinfallen. Doch auch wenn es sich so anfühlte, passierte es nicht. Sie blieb stehen, wartete ab.

„Scorpius...“, hauchte sie, als die Erregung zu groß wurde. Er erstickte den Seufzer, der ihr danach entweichen wollte mit einem zärtlichen Kuss. Er wanderte von ihren Mundwinkeln zu ihrer Halsbeuge und Rose glaube, innerlich explodieren zu müssen.

Alles in ihr schrie nach mehr. Nach mehr! Aber wonach? Wie sollte sie das Angestaute loswerden?

Sie schloss die Augen und wartete sehnsüchtig auf die immer nächste Berührung seiner warmen Lippen auf ihrer Haut. Überall, wo er seine Haut auf ihre traf schien ein unsichtbares Feuer zu entfachen. War es das, wovon Alice gesprochen hatte? Dass man so etwas nicht planen konnte, sondern es einfach passierte, wenn man es als richtig empfand.

„Es fällt mir schwer, mich zu beherrschen“, gab Scorpius unter einem hilflosen Lächeln zu.

Rose öffnete die Augen und schluckte.

Sie nahm ihren ganzen Gryffindormut zusammen, ergriff seine Hände und zog ihn mit sich zum Bett, ohne ihn dabei aus den Augen zu lassen.

Als er davor stand und sie vor sich sah, halb nackt und genauso unsicher, wie er selbst, hielt er es nicht mehr aus. Er warf sie nach hinten auf die Matratze und kam über sie. Er konnte einfach nicht mehr an sich halten, er war auch nur ein Mann.

Und sie machte ihm das mehr als bewusst.

Er küsste ihre Brustwarze mit hungrigen Mund, saugte daran, bis er ihr einen kleinen Schrei entlockte. Dann küsste er die andere Brust. Sie waren perfekt. Rund und fest und genau eine Hand voll. Rose hatte die Augen geschlossen und bog ihm unter den Wellen der Erregung ihre Hüften entgegen. Es war etwas, dass sie vollkommen selbstständig machte, ohne zu wissen, dass man so etwas tat.

Sie fuhr hilflos, nach Halt suchend durch seine Haare, zog daran, ließ locker und zog wieder, als er ihren Bauch küsste.

Er zog ihr ohne große Umschweife ihr Höschen aus. Die Weasley versteifte sich etwas, doch als er ihre Brust erneut bestürmte und seine Hand zwischen ihre Beine hinab gleiten ließ, entspannte sie sich und bog sich ihm wieder entgegen. Rose hielt die Luft an, als er zwischen ihre Schenkel glitt.

Sie glaubte, nicht mehr zu wissen, wo Boden und wo Himmel war. Sie bog sich nach hinten, krallte ihre Fingernägel in seinen Rücken, auf der Suche nach Beherrschung.

Scorpius gab ihre Brust frei und küsste Rose, ohne mit seinen aufreizenden Berührungen innezuhalten.

Sie riss ihr Lippen auseinander und empfing ihn sehnsüchtig, da wusste er, dass er sie soweit hatte.

Automatisch hielt sie die Luft an, dann riss sie den Kopf nach hinten und schrie leise. Davon, dass Lucy sie Stunden zuvor ziemlich hart an jener Stelle getroffen hatte, war nun keine Spur mehr.

Einen Moment lang konnte sie sich nicht bewegen.

Dann kam sie zu sich und zog an seiner Hose, bis er nackt neben ihr lag. Scorpius schloss die Augen, als sie ihn berührte. Ihre Finger wirkten dagegen richtig kalt. Er beugte sich wieder über sie und befand sich zwischen ihren gespreizten Beinen.

Er wartete ab, bis sie die Augen öffnete.

Als sie es tat, bemerkte er den verträumten Blick.

„Bereit?“

Rose kam schlagartig zu sich.

„Nein“, sagte sie aus einem ersten Impuls heraus.

Er hielt inne, wirkte fast schon enttäuscht.

„Ich kann das nicht, Scorpius“, versuchte sie hektisch zu erklären, als habe ihr gerade jemand einen Eimer kaltes Wasser ins Gesicht geschüttet.

Sie wirkte erschüttert und Scorpius bereute schon fast, was er getan hatte.

„Ich kann David nicht betrügen. So bin ich nicht.“

Scorpius ließ sich wie ein nasser Sack neben sie fallen und starrte an die Decke, als frage er sich, ob das ihr Ernst war.

„Du würdest mich betrügen, tätest du es mit ihm. Ich bin dein Verlobter, nicht er“, patzte er sie an. Es war frustrierend. Und seine Lenden pochten immer noch vor Verlangen, als hätten sie nicht verstanden, dass es sinnlos war.

Er würde kalt duschen müssen, um das in den Griff zu kriegen.

Der Malfoy sah Rose aus den Augenwinkeln an. Sie wirkte verlegen, als hätte sie ein schlechtes Gewissen.

Und das hatte sie auch, denn sie wusste, dass es gemein war, ihn so weit gehen zu lassen und dann abzubrechen. Sicherlich fühlte er sich, als habe sie ihm ins Gesicht geschlagen.

„Teufel, Rose“, entfloh es ihm zornig. Bald würde er seine Entrüstung wieder in den Griff bekommen haben. Immerhin war sie noch unschuldig und hatte keine Ahnung, welche Kraft es ihm abverlangt hatte, den ganzen Abend lang nicht über sie herzufallen.

Sie zuckte zusammen. „Es tut mir leid.“, stammelte sie.

Scorpius besann sich. „Nein, du hast nichts falsch gemacht, also entschuldige dich nicht.“, versicherte er ihr rasch.

Rose wirkte erleichtert.

Scorpius wollte noch vieles anderes sagen, doch er wusste, dass Rose es nicht verstehen würde. Sie grinste ihn an und er fand sie seltsam schön, wie sie nackt in seinem Bett lag und lächelte. Auch wenn sie tausende kleine blaue Flecke und Kratzer von Lucy hatte, konnte sie das unmöglich entstellen.

„Lass uns... lass uns einfach schlafen“, sagte er – noch zu aufgewühlt, um einen klaren Satz auszusprechen.

Sie nickte und legte sich neben ihn. Dann schloss sie die Augen und er legte den Arm um sie, weil er dachte, dass es nett wäre. Er griff nach seinem Zauberstab, der auf den Nachttisch lag und löschte alle Lichter, dann umfing ihn Dunkelheit.

Es war, als sei es die natürlichste Sache der Welt.
 

Und doch war es das nicht. Denn sie lag neben ihm im Bett.
 


 


 

- tbc.
 

Gedanken.

Hallo, Leser...
 

... einige von euch, genau wie ich, hätten es vermutlich nicht für möglich gehalten, aber ja: Das ist ein neues Kapitel. Und danach gibt es noch andere bereits fertig geschriebene, die unter den ermahnenden Blicken meiner bezaubernden Beta-Fee Dahlie wöchentlich oder anderthalbwöchentlich hochgeladen werden. :)
 

Wenn ihr noch da seid, dann wünsche ich euch viel Spaß und hoffe auf Kommentare.
 

Bis zum nächsten Mal.
 


 


 

Kapitel 12

– Gedanken –


 

Silvester war zwei Tage her, es war der 2. Januar und Rose spürte immer noch Scorpius' Küsse, wenn sie die Augen schloss und sich erinnerte. Und jedes Mal, wenn sie danach in den Spiegel sah oder in die Scheibe des Hogwartsexpresses, bemerkte sie die Röte in ihrem Gesicht.

Am nächsten Morgen hatte sie einen schlimmen Kater und keinem der noch Anwesenden ging es besser. Sie hatten zusammen am Frühstückstisch gesessen und sich mit Kaffee und Kopfschmerztabletten über Wasser gehalten. Außerdem war eine seltsame Stille zwischen Scorpius und ihr eingetreten, von Albus und Alice ganz zu schweigen. Doch sie konnte ihm schlecht aus dem Weg gehen, immerhin teilten sie sich denselben Wohnraum. Auch wenn Rose versuchte, sich immer wieder in die Bibliothek zurückzuziehen, tauchte Scorpius auf und sie vertrieben sich die Zeit mit weiterem Schweigen bei einer Partie Schach, in der sie jedes Mal katastrophal versagte.

Nun saßen sie, Alice und Lily gemeinsam im Abteil des Schulzugs, wie zu Beginn des Schuljahres. Und unter ihnen wurden nur wenig Worte verloren. Es war als wären die Vorhaben von Beginn des Schuljahres an den Klippen des Alltags zerschellt.

Vieles hatte sich verändert. Es entsprach zwar Roses Erwartungen, doch dass die Veränderungen so gravierend waren, hätte sie nie für möglich gehalten.

Sie fühlte sich schlecht, auch wenn sie sich nicht rechtfertigen wollte. Ob David schon von dem Kuss wusste, den sie mit Scorpius geteilt hatte? Sie hatten viele Augenzeugen gehabt und einige davon zählten zu seinen treuen Freunden.

Wahrscheinlich würde er mit ihr Schluss machen und sie konnte es ihm nicht einmal übel nehmen. Sie hatte schändliche Dinge mit Scorpius getan – die sie nicht einmal vollständig bereuen konnte. Was war denn das für ein Mädchen, das sich mit Jungs einließ, die nicht ihre Freunde waren und nicht einmal Reue empfanden? Flittchen.

Ganz einfach. Und Rose war jetzt eine von ihnen.

Ihre Mutter würde sich im Grabe umdrehen, wüsste sie davon. Für sie hatte es immer nur ihren Vater gegeben und auch wenn sie sich mit anderen traf, war es am Ende doch er, der ihr Herz voll und ganz gewann. Sie war eine sehr moralische Frau gewesen, doch Rose hatte nichts davon abbekommen. Nur das Wissen darum, dass sie sich schlecht benahm.

Die einzigen, für die der Abend gut ausgegangen war, waren Lily und Nathan. Und Rose freute sich aufrichtig für sie, denn seit sie mit ihm zusammen gekommen war, strahlte Lily auf eine seltsame Art und Weise. Sie war verliebt und konnte sich voll darauf einlassen. Die Unsicherheiten, die Peinlichkeiten, alles.

Bei Alice und ihr waren es keine unschuldigen Verliebtheiten mehr. Es waren Liebe, die nicht gut tat. Die nur Schmerzen bereitete. Auch wenn sie das Verhältnis zwischen Scorpius und ihr nicht als Liebe bezeichnen würde, war es eine Art Beziehung. Eine seltsame Art, wohl gemerkt.

Eine fremde Vertrautheit, sozusagen. So waren sie sich fremd und zugleich körperlich vertraut. Aber Rose wollte nichts Körperliches. Sie wollte eine ehrliche Liebe. Und die – so hatte sie erkannt – konnte sie mit Scorpius einfach nicht haben.

Wie Freunde, die miteinander schliefen, weil sie einsam waren.

So stellte sie sich ihre Ehe vor und es machte ihr eine Heidenangst.

Sie fühlte sich schmutzig .

Ihr Blick fiel auf Alice. Sie wirkte abwesend, schon seit Tagen. Ihr Blick schweifte immer wieder ab und Rose bemerkte, dass ihr oft grundlos die Tränen in die Augen traten, die sie hastig weg blinzelte. Ihre beste Freundin wollte stark sein – so war sie schon immer: der starke, selbstbewusste Teil ihres Trios. Sie hatte Rose immer das Gefühl gegeben, sicher zu sein.

Doch nun bröckelte diese Illusion, wie schon viele vor ihr.

Sie hatte mit Albus geschlafen. Zwar hatte sie es noch nicht erzählt, aber Rose wusste es mit Sicherheit, weil man es in ihren Augen sah. Der Selbsthass, die Vorwürfe die Traurigkeit.

Rose fragte sich, weshalb sie sich ausgerechnet die stolze Alice ein zweites Mal hergegeben hatte und ihm ihr Herz auf einem Silbertablett servierte. Wider besseren Wissens.

Eine ungesunde Liebe.

Sie würde warten müssen, bis Alice von allein zu ihr kam.

Und dann war da noch der Konflikt mit Morgana. Wie sollte sich Rose verhalten? Sie mochte sie, weil sie aufrichtig war. Sie war ehrlich, wenn auch etwas gefühlsduselig. Die Weasley würde es nur schwer ertragen können, ihr in die Augen zu sehen und gleichzeitig zu wissen, dass sie der Grund für das Unglück ihrer besten Freundin war.

Nein, sie korrigierte sich. Albus war das Unglück beider Mädchen. Und selbst war er der Unglücklichste von allen. Ein tragischer Antiheld. Deswegen konnte sie ihm nicht böse sein – er war sich seiner Schuld bewusst und hatte dennoch nicht den Mumm, endlich Klartext zu reden.

Rose musste Lächeln. So seltsam es war und so viel auch passiert war – etwas hatten die beiden Zugfahrten gemeinsam: Sie waren ein Neuanfang. Alice und sie hatten beide die Chance, alles zurückzusetzen und sich neu zu orientieren.

„Es ist mir zu ruhig hier“, sagte die Professorentochter unvermittelt und stand auf. Sie griff nach einer Schachtel Zigaretten und verschwand aus dem Abteil, um heimlich aus einem der Zugfenster zu rauchen. Rose folgte ihr nicht, weil sie vermutete, dass Alice nur aus dem Grund allein sein zu wollen, verschwand.

Beide Mädchen sahen ihr nachdenklich hinterher. Lily hatte die selbe besorgte Miene, wie sie.

„Ich habe Albus gefragt, weswegen er abgehauen ist.“, sagte Lily plötzlich. Es schien sie zu bedrücken.

Die Angesprochene zog eine Augenbraue hoch: „Und hat er es dir erzählt?“

Lily nickte und legte die Hände übereinander.

„Will man es wissen?“ Die Weasley war unsicher.

„Ich weiß es nicht. Ich glaube, dass es schwer nachzuvollziehen ist, weil es so banal ist.“

Das machte Rose neugierig.

„Erzähl“, forderte sie ihre Cousine auf.

Lily holte tief Luft und ließ sie wieder ausströmen auf der verzweifelten Suche nach passenden Worten.

„Für ihn war es die tollste Nacht seines Lebens. Er hat gesagt, dass er nichts bereut, bis auf den Fakt, auf Alice hereingefallen zu sein.“

„Was?“

„Ja, seiner Meinung nach ist es Alice' Schuld. Er ist frühmorgens aufgewacht und ist dann in die große Gemeinschaftsdusche gegangen. Im Anschluss wollte er Alice Frühstück bringen.“

Rose hustete vor Überraschung. Ihr gingen tausende Dinge durch den Kopf.

„Und als er wiederkam, war sie weg. Er hat es für ein Zeichen gehalten, dass sie jetzt das hatte, was sie wollte und weiter kein Interesse an ihm zeigte“, fuhr Lily fort.

„Alice ist aber in der Zwischenzeit aufgestanden und hat ebenfalls geduscht. Sie hat gedacht, er würde sie sitzen lassen. Albus war also nie weg. Nie wirklich. Und vor allem nie mit der Absicht, nicht mehr wieder zu kommen“, kombinierte die Ältere ihre Version der Geschichte mit der von Lily.

„Das ist alles?“, fragte Rose nach einer Weile ungläubig. „Das hätten sie nicht aus der Welt schaffen können?“

Lily hob die Schultern. „Er war so gekränkt, dass er sich auf Morgana besann, die es wirklich ernst mit ihm meinte und die nicht nur mit ihm spielte. Beider größte Charakterschwäche ist die gekränkte Eitelkeit.“

Rose zog beide Augenbrauen zusammen. Das war doch dämlich. Ein typisches Missverständnis.

„Ja, da ist nur diese eine Sache“, gab Lily zögerlich preis.

„Welche?“

Sie seufzte. „Alice hatte in ihrem Nachttisch ein Bild von James.“

Rose schlug die Hände vor den Mund.

„Beim Barte Merlins, das besitzt sie schon ewig. Es stammt noch aus der Zeit, in der sie in ihn verliebt war. Das hätte ich fast schon wieder vergessen. Und außerdem: Ist nicht Albus ebenso auf diesem Foto zu sehen?“

Lily lachte bitter.

„Albus Gedächtnis war besser. Ich weiß noch, dass es ihn krank gemacht hat, zu wissen, dass Alice auf James stand und nicht auf ihn. Und du kennst die Differenzen zwischen meinen Brüdern.“

„Er dachte also, sie schliefe nur mit ihm, weil sie eigentlich an James gelangen wollte?“

Lily nickte.

„So ähnlich hat er es sich sicherlich gedacht, so genau war er nicht in seinen Ausführungen.“

Die Weasley schüttelte den Kopf und sah Lily nachdenklich an.

„Sollen wir es ihnen sagen? Dass es nur ein Missverständnis ist?“

Rose haderte mit ihrem Gewissen. Doch auch darauf hatte die Potter eine Antwort, weil sie sich offensichtlich schon länger darüber den Kopf zerbrach. Sie schüttelte ebendiesen energisch.

„Das Missverständnis ist nur daraus entstanden, weil beide zu feige sind, darüber zu reden. Erinnerst du dich an Silvester?“

Ironische Frage. Sie dachte in den letzten Tagen an nichts anderes.

„Albus ist schon immer vor seinen Problemen geflüchtet. Und Alice... das weißt du ja selbst. Sie redet nicht gern über ihre Gefühle und auch nur dann, wenn es wirklich akut ist“, erklärte Lily.

Rose erinnerte sich nur allzu lebhaft daran, wie sie im geheimen Clubraum saß und sich die Augen aus dem Kopf geweint hatte.

„Deswegen bin ich zu dem Entschluss gelangt, dass es für beide die bessere Lektion wäre, wenn wir ihnen gar nichts sagen. Kommen sie nicht von selbst darauf, haben sie sich auch nicht verdient. Und wenn sie darauf kommen, lernen sie vielleicht endlich etwas über sich“, endete Lily.

Die Weasley war skeptisch. Sie hielt es für eine durchdachte Idee, aber rein vom Gefühl her für Unsinn.

„Es ist nicht unsere Aufgabe, sie zu belehren.“, stellte sie zurecht fest.

Lily nickte, denn das wusste sie. Doch sie blieb dabei.

„Verstehst du zumindest meinen Gedankengang?“, erkundigte sich die Potter und ihre Cousine musste nicken.

„Wir könnten ihnen Herzschmerz ersparen, wenn wir reden würden.“, gab Rose zu bedenken.

„Denk doch nach. Alice und Albus können nicht die Finger voneinander lassen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis diese Geschichte kollabiert und sich entlädt. Und dann kommt endlich der Punkt, an dem sie ehrlich sind. Hoffe ich zumindest. Es ist auf jeden Fall ein Selbstläufer.“

Da musste Rose ihrer Cousine zustimmen. Es würde kein Ende nehmen, bis sie nicht endlich ehrlich waren. Und sie stimmte ihr auch zu, dass sie das ohne Hilfe von anderen schaffen mussten um für die Zukunft gefestigt genug zu sein, einer solchen Problematik durch Wahrheit vorzubeugen.

Wenn sie sprachen, kamen Alice und Albus vielleicht zusammen. Doch es würde nicht lange dauern und sie würden wieder vor ihren Problemen und Gefühlen davon laufen.

Rose machte es zu einem Ratschlag an sich selbst.

Sie würde ebenfalls ehrlich sein müssen und eine Entscheidung treffen, wenn sie daraus etwas lernen wollte.

Schließlich nickte sie.

„Okay, schweigen wir.“

Lily war zufrieden, dann sah sie wieder aus dem Fenster und träumte von ihrem Freund, der nur ein paar Abteile weiter eine ähnliche Seelsorge veranstaltete.

*
 

Nathan war etwas ungeduldiger mit Scorpius und Albus. Keiner von beiden wollte mit der Sprache herausrücken, was sie beschäftigte. Es war fast eine Beleidigung an seine Auffassungsgabe, wenn sie behaupteten es sei nichts und dann wieder nachdenklich irgendwohin starrten. Sie verhielten sich wie kleine Mädchen.
 

Er hatte sich immer als den passiven Teil dieses Trios bezeichnet, aber langsam wurde ihm das Schweigen der anderen zu bunt.
 

„Okay“, sagte er in seiner Verzweiflung. „Al, du hast es mit Longbottom getrieben und Scorpius, du hattest was mit Wiesel.“
 

Beide sahen ihn an, als hätte er ihnen gerade eröffnet, dass er der Nachfahre des Dunklen Lords war. Albern, aber tatsächlich war es vergleichbar mit der Erschütterung und der Überraschung, die sie ihm durch ihre Blicke entgegen spülten.
 

„Woher weißt du das?“, fragten sie wie aus einem Mund.
 

Nathan ärgerte sich.
 

„Ich bin nicht auf den Kopf gefallen, falls euch das entgangen ist“, entgegnete er gereizt.
 

Die Jungs schwiegen. Wieder einmal.
 

„Okay, offensichtlich bringen euch Tatsachen nicht zu Verstand“, resignierte der junge Zabini und fuhr sich entnervt, vor allem aber müde, durchs Gesicht.
 

„Ihr seid Schwachköpfe – alle beide. Ihr macht euch euer Leben nur unnötig schwer.“
 

„Hey, kein Grund gemein zu werden“, maulte Scorpius betroffen.
 

Zabini riss der Geduldsfaden. Er schloss genervt die Augen, um den langen Gesichtern seiner besten Freunde zu entgehen.
 

„Ist es denn nicht schwachsinnig, sich Vorwürfe zu machen, seine eigene Verlobte zu begehren?“
 

Scorpius sprang von seinem Sitz auf.
 

„Du weißt davon?“, rief er ungehalten.
 

Zabini versuchte ihn durch eine einfache Geste mit den Händen zu beruhigen und erst als sich Scorpius wieder hingesetzt hatte, fuhr er fort:
 

„Lily hat es mir im Vertrauen erzählt. Aber schon vor einer Weile.“
 

Albus zog eine Augenbraue hoch. „Wie lange geht das zwischen euch beiden denn schon? Wie lange spielt ihr mir schon etwas vor?“
 

Er war gereizt und suchte Streit. Das kannte Nathan schon, doch dass er auch noch egoman war, war selbst ihm neu. Die Leute regten sich nur über die Fliege an der Wand auf, wenn sie eigentlich etwas anderes quälte.
 

„Mit dir hatte das gar nichts zu tun, Albus. Auch wenn du es nicht glaubst, du bist nicht der Nabel dieser Welt“, entgegnete Nathan genauso heftig.
 

Scorpius schritt ein. „Hört auf, beide.“
 

Er wirkte mittlerweile als hätte er die meiste Beherrschung.
 

„Ich glaube, wir sind alle etwas empfindlich“, vermutete der junge Malfoy. Dass er dabei klang, wie die Leiterin einer Selbsthilfegruppe für Menstruationsbeschwerden, kam ihm nicht in den Sinn.
 

„Und außerdem begehre ich Rose nicht“, fügte er an. Er liebte es das letzte Wort zu haben.
 

Nathan lachte herzlos. „Das ist eine Lüge, Scorpius und das weißt du. Warum sonst seid ihr denn im Pool übereinander hergefallen, als ihr euch in Sicherheit wähntet?“
 

„Da muss ich dir Recht geben“, gab Albus seinen Senf dazu und das erste Mal trat Heiterkeit in seine Züge. Er fand die Geschichte zwischen seiner Cousine und seinem besten Freund mehr als amüsant. Sie waren unbeholfen und kannten sich kaum. Und trotzdem mochten sie sich, was keiner wirklich verstand oder zugeben wollte.
 

Scorpius war verlegen und lachte hilflos.
 

„Ihr habt euch verschworen“, murmelte er, weil er wusste, dass sie recht hatten.
 

Er dachte praktisch an nichts anderes mehr, als an das, was er mit Rose in jener Nacht getan hatte. Er bekam schon einen Ständer, wenn er es sich vorstellte. Ungelogen. Und er hasste sich dafür.
 

„Habt ihr es eigentlich getan?“, fragte Albus.
 

Scorpius Blick verfinsterte sich schlagartig.
 

„Nein, sie hat mittendrin mit Jordan angefangen und dass sie es unmöglich tun könne.“
 

Albus nickte anerkennend.
 

„Das ist hart.“
 

Oh ja, wenn man wusste, wie sehr Scorpius den Ravenclaw hasste, war es jedem verständlich.
 

„Und dann?“, hakte Zabini nach, der sich nicht vorstellen konnte, dass dies das Ende der Geschichte war. Scorpius seufzte und zum ersten Mal, seit die Jungs ihn kannten, wurde er rot im Gesicht.
 

„Nichts, ich bin kalt duschen gegangen.“
 

„Und Longbottom?“, fragte Nathan Albus.
 

Nun wurde es still im Abteil.
 

Nach einer Weile, in der man ein faszinierendes Mienenspiel an Albus beobachten konnte – Verzweiflung, Selbsthass, Ekel und Erregung – öffnete er den Mund.
 

Zuerst wandte er sich an Scorpius.
 

„Es tut mir leid, Mann“, entschuldigte er sich für den Betrug an Morgana.
 

Scorpius nickte – in Wahrheit hatte er nichts anderes erwartet, schließlich kannte er Al, wie niemanden sonst.
 

„Es war irre. Sie hat mit mir geschlafen und auch Spaß dabei – glaube ich zumindest – aber sie hat die ganze Zeit geweint.“
 

Betretenes Schweigen.
 

„Nicht laut. Nicht einmal ein Schluchzen. Ich habe nur die Tränen bemerkt“, erklärte Albus weiter.
 

„Kein Wunder, offensichtlich bist du ein schlechter Liebhaber“, versuchte Scorpius die Stimmung aufzuhellen, doch er erntete nur einen bösen Blick von Nathan und Albus.
 

„Danach ist sie wortlos aufgestanden und verschwunden – wie beim letzten Mal“, endete Albus und wirkte hilflos. So als stünde er vor einem großen Rätsel auf das niemand die sichere Antwort wusste – selbst wenn er es meinte zu erraten, konnte er sich nicht vergewissern, ob es stimmte.
 

Damit war das Gespräch beendet. Denn wie gesagt; keiner konnte ihm das erklären oder ihm dabei helfen.
 

*
 

Alice war verbrannt.

Sie hatte es kommen sehen und war mit einem hilflosen Lächeln darüber, dass sie nicht anders konnte, von der Klippe gestürzt. Sie fühlte sich elend und schmutzig.

Sie hatte sich selbst verraten, indem sie ein zweites Mal mit ihm geschlafen hatte. Sie hatte ihre Gefühle verraten und ihre Prinzipien.

Auch wenn sie es sehr freizügig mit ihren Liebhabern hielt, so ließ sie immer die Finger von denen, die vergeben waren. Sie stellte sich vor, wie schrecklich es wäre, wenn sich ein Mädchen wie sie, an ihrem Freund vergreifen würde. Auch wenn sie Morgana nicht mochte, so hatte sie ihr gegenüber große Schuldgefühle.
 

Nachdenklich blies sie den Rauch aus dem Fenster.

Sie drehte sich im Kreis, sie musste aufhören mit der Selbstzerfleischung in dem sie sich immer wieder vor Augen rief, was sie sich und anderen damit angetan hatte.
 

Ihr letztes Schuljahr läutete zur zweiten Halbzeit und sie würde diesen Fakt für einen Neuanfang nutzen.
 

Einer von vielen, die sie schon gewagt hatte.
 


 

... t. b. c. ...
 


 

Die Unerträglichkeit.


 

Kapitel 13

Die Unerträglichkeit
 

Rose drehte den Ring, den sie schon seit fünf Jahren um ihren Hals trug nachdenklich in den Fingern. Morgana hatte ihn ihr am Morgen zurückgegeben mit der Erklärung, dass Lucy ihn in ihrem Wahn an sich gerissen hatte. Sie war froh, dass sie ihn wieder hatte und zugleich bedrückte sie ihn, weil er sie an ihre Bestimmung erinnerte.
 

Keine Bestimmung, die der Mensch nicht verstehen konnte – eine von Zauberern erschaffene Bestimmung, die sie als dummes Mädchen so hingenommen hatte, in der Hoffnung, ihrer Familie etwas Gutes damit zu tun. Das war ihr Fehler gewesen: Sie wollte es früher allen recht machen, besonders ihrer Familie. Und nun war sie der Grund, der sie in ihr Verderben stürzte.
 

Familie. Rose hatte in der letzten Woche häufig darüber nachgedacht, was Familie eigentlich war. Sie hatte nun Scorpius' Familie kennen gelernt und wusste, wie man es von ihr erwartete. Nur zu gut erinnerte sie sich daran, dass Astoria gesagt hatte, die Frauen der Familie hielten alles zusammen.

Die Weasley wusste nicht, ob sie dieser Aufgabe schon gewachsen war.
 

Sie war erst siebzehn. Auch wenn sie noch vor dieser Hochzeit ein Jahr älter wurde, fühlte sie sich nicht im Ansatz reifer oder auch nur bereit für das, was ihr diese neue Familie abverlangen würde.
 

Was hieß es, eine Ehefrau zu sein? Niemand gab ihr eine Antwort darauf, wie sie sich mit dem Gedanken abfinden sollte, den Rest ihres Lebens an nur einen Mann und vor allem diesen Mann gebunden zu sein.
 

„Rose? Träumst du schon wieder?“ Sie schüttelte den Kopf und besann sich auf die Gegenwart. Mit Erschrecken stellte sie fest, dass sie inmitten der Großen Halle saß und im ersten Moment nicht wusste, wann sie hergekommen war und wie lange sie schon geistesabwesend in ihrem Kartoffelpüree herumstocherte.
 

Alice wirkte amüsiert – sie lächelte in der letzten Zeit selten, deswegen schindete es Eindruck.
 

„Hast du dich endlich mit David getroffen oder gehst du diesem Problem immer noch aus dem Weg?“, wollte sie wissen.
 

Ach ja, David. Sie war in der letzten Woche wie ein Phantom gewesen – durchsichtig und nicht zu fassen, allerdings nur für David Jordan, der irgendwann in der Mitte der Woche mit seinen Versuchen aufgehört hatte und sich darauf beschränkte, sie zu beobachten und abzuwarten, was passierte.
 

„Ich gehe ihm immer noch aus dem Weg.“, gestand sie mit einem Seufzen. Der Rothaarigen war bewusst, dass es feige war. Im Moment hatte sie den Kopf so voll, dass sie sich nicht auch noch mit ihm beschäftigen konnte.
 

Alice zog ihre Augenbrauen zusammen, weil sie sie nicht als Feigling kannte. Allerdings hatte ihre beste Freundin auch nie soviel mit dem anderen Geschlecht zu tun, wie in diesem Schuljahr. Woher sollte sie also wissen, wie Rose reagierte, sobald es etwas komplizierter wurde? Ihr Leben war eine einzige Charakterprobe geworden.
 

„Es ist unfair, das ungeklärt zu lassen.“, meinte Alice schließlich, versuchte es mit einem Lächeln, aber scheiterte an Roses Blick, der mit einem Schlag eiskalt geworden war.
 

„Das sagt die Richtige.“ Ihre Stimme triefte vor Sarkasmus.
 

Mit diesen Worten erhob sie sich und verließ fluchtartig die Große Halle. Sie wollte damit nichts mehr zu tun haben. Hätte ihr jemand gesagt, wie kompliziert ihr Leben werden würde, hätte sie sich nie auf diesen Schwur eingelassen und ein glücklicheres Leben geführt, ohne Schuldgefühle und ohne Rechtfertigung.
 

Auf dem Weg zum Kräuterkundeunterricht, für den sie viel zu früh war, lief sie Scorpius über den Weg.
 

Sie hatten nicht mehr miteinander gesprochen, seit sie von Malfoy Manor abgereist waren und mieden auch sonst jeden Kontakt. Es war unnötig kompliziert geworden an seinem Geburtstag. Scorpius war unzufrieden damit, aber er konnte Rose nicht helfen, diese Sache zu überwinden. Er hatte es kommen sehen, dass er damit dieses zarte Band zerstören würde, hatte aber alle Bedanken in den Wind geschlagen und nun lag es vor ihm in Scherben.
 

Vielleicht lag es in ihrer beider Natur unglücklich zu sein. Miteinander und mit allen anderen. Es würde ein harter Weg werden, Rose zu heiraten und daran zu arbeiten, dass sie miteinander auskamen. Eigentlich wollte er es ihr ersparen.

Es war das erste Mal, dass es ihm auch um Rose leidtat. Vielleicht war es auch das erste Mal, das er nicht ausschließlich an sich dachte. Zuvor hatte es ihn nicht interessiert, wie sie sich fühlte und es war auch nie eine Notwendigkeit gewesen, sich damit auseinanderzusetzen. Doch nun, da das zweite Halbjahr angefangen hatte und sie sich dem Unvermeidlichen näherten, war es schwer weiterhin so zu verfahren, wie die restlichen Jahre.
 

Sein Blick wurde weich, als er sah, wie niedergeschlagen Rose war. Sie trug den Ring immer noch an einer Kette um den Hals und klammerte sich an die einzige gute Erinnerung, die sie von ihm hatte, nur um nicht ganz den Mut zu verlieren.
 

Er wollte mit ihr reden und ihre Stimme hören. Doch wo sollte er anfangen? Er hatte keine Ahnung, denn alle Möglichkeiten in seinem Kopf klangen zu banal.
 

Und nun standen sie sich gegenüber und wussten sich nichts zu sagen.
 

Zwei Fremde.
 

Scorpius schluckte hart und durchforstete seinen Verstand nach einer Beschreibung für das Gefühl, das sein Herz fast zerbersten ließ. Er fand nichts, also musste er es einfach hinnehmen.
 

„Rose...“ Er hatte gesprochen, ehe er gedacht hatte.
 

Sie sah auf.
 

„Was ist?“, es klang ungewollt hart. Sie beeilte sich, noch etwas anderes, Freundlicheres zu sagen, doch ihr fiel nichts ein.
 

„Wie geht’s dir?“, fragte Rose schnell und rang sich ein Lächeln ab, das sie nicht ernst meinte und das nicht ihre Augen erreichte. Scorpius wusste, wie ein ehrliches Lächeln aussah.
 

„Ganz gut.“, sagte er schließlich und fügte schnell an: „Und dir?“
 

Es trat eine betretene Stille ein.

Rose sah zu den Gewächshäusern, dann wieder zu ihm.
 

„Hast du Lust mit mir Kräuterkunde zu schwänzen?“, fragte sie recht unverblümt.
 

Er sah über seine Schulter, dann zu ihr.
 

„Ist das dein Ernst?“, kam es ihm ungläubig über die Lippen. „In meiner Erinnerung hast du noch nie eine Stunde gefehlt. Und auch sonst nie blau gemacht.“
 

Rose hob ratlos die Schultern und ließ sie wieder fallen, als wögen sie Tonnen. Sie suchte in seinem Gesicht nach einer Antwort oder einem netten Zug. Doch es war nur die gewohnte glatte Maske, die nichts von ihm verriet.
 

„Und was möchtest du machen?“, fragte er, als sie sich schon abwenden wollte, um allein zu verschwinden. Sie hielt inne und für einen Moment leuchtete Freude in ihren Augen. Doch sie verschwand zu schnell wieder, als dass Scorpius sie hätte greifen können.
 

„Wir könnten in den geheimen Raum gehen und eine Pfeife rauchen.“, schlug Rose vor und sie betete, betete, betete, er würde es akzeptieren.
 

„Okay.“, sagte er. „Dann müssen wir uns vorbei schleichen.“
 

Scorpius hatte keine Ahnung, warum er sich darauf einließ. Vielleicht, weil er ihr eine Freude machen wollte, vielleicht auch, weil ihm selbst der Sinn nach einer kleinen Alltagsflucht stand. Ein Grund war auf jeden Fall, dass es ihn immer wieder zutiefst erschütterte, wenn er bemerkte, wie wenig er die junge Frau kannte, die er in wenigen Monaten heiratete.
 

*
 

Der Raum lag kalt und dunkel vor ihnen, doch sobald sie ihn betreten hatten, sprang ein Kaminfeuer an und leckte sich an einer halb ausgebrannten Feuerstelle empor. Rose schnappte sich eine der vielen Decken, die sich hier angehäuft hatten und wickelte sich vollständig darin ein.

Scorpius setzte sich neben sie auf das ramponierte Sofa und sah ihr in die Augen.
 

Ihn beschlich immer mehr die Vermutung, dass mit ihr etwas nicht stimmte. Sie war schon immer eigenartig und impulsiv gewesen, aber nie zugleich niedergeschlagen. Hatte es mit ihm zu tun oder mit Silvester? Hatte sie deswegen Ärger mit Jordan?
 

Rose nahm die Pfeife aus dem Regal und säuberte sie, danach stopfte sie eine Mischung aus Kraut und Tabak hinein und entzündete sie mit einer kleinen Flamme aus ihrem Zauberstab, den sie mit umständlichen Griffen aus der Decke hervorholte.
 

„Tobt Lucy immer noch so sehr?“, fragte sie nach einer Weile, in der sie sich entspannt zurückfallen ließ.
 

„Sie ist wieder etwas erträglicher. Ich glaube es liegt daran, dass sie sich so sehr mit Beruhigungstränken vollstopft.“, antwortete Scorpius nicht ohne ein Grinsen.
 

„Haben sich die Wogen zwischen Morgana und Albus wieder geglättet?“, wollte sie weiter wissen. Scorpius wollte nicht an dieses Desaster denken.
 

„Soweit, ja. Aber es wird auf Dauer nicht halten.“, antwortete er und fragte sich während dieser Antwort, weshalb sie überhaupt noch ein solches Theater veranstalteten.
 

„Und was wird das mit uns?“, fragte Rose rund heraus.
 

Scorpius schreckte innerlich zurück. Eine derart offene Frage hatte er nicht erwartet. Es war etwas, worüber sie sich offensichtlich beide den Kopf zerbrachen. Vielleicht wäre es fair, mit der gleichen Ehrlichkeit zu reagieren, mit der sie auch die Frage formuliert hatte.
 

„Ich weiß es nicht.“
 

Rose musste freudlos auflachen. „Super.“ Denn sie wusste es auch nicht.
 

„Wir sollten zumindest versuchen, Freunde zu werden.“, versuchte er es mit einem Lösungsansatz.
 

Rose gefiel diese Antwort nicht, auch wenn sie sich glücklich schätzen musste, dass er überhaupt eine Freundschaft in Betracht zog. Sie fuhr sich durchs Gesicht. Wenn sie nur etwas klarer denken könnte, doch in ihrem Kopf entwickelte sich alles zu einem reißenden Abgrund sobald sie über ihre Zukunft nachdachte. Sie wollte weinen, gestattete es sich aber nicht, weil sie die letzten Jahre genug Zeit dazu gehabt hatte. Nun musste sie Nägel mit Köpfen machen.
 

„Es ist wohl alles, was ich zu erwarten habe.“
 

Scorpius holte lange Luft und ließ sie langsam ausströmen. Sie hatten ein seltsames Verhältnis zueinander, das war schwer zu leugnen. Er hatte versucht, es zu verstehen und alles, was er dazu sagen konnte, war, dass er keine romantischen Gefühle für Rose hegte.
 

„Das mit uns wird wohl nie eine Love-Story.“, sagte er, in der Annahme, dass sie das genauso sah. Er wusste nicht, dass er damit die Illusion zerbrach, in die sie sich heimlich gestürzt hatte.
 

Denn Rose hatte Gefühle für ihn entwickelt. Romantische Gefühle im Gegensatz zu ihm. Und sie waren noch neu, gerade einmal ein paar Wochen alt, in denen sie ihn zu mögen anfing. Doch Rose ließ sich nichts anmerken. Nichts davon.

Sie behielt die Beherrschung und Astoria wäre verdammt stolz auf sie gewesen, hätte sie davon gewusst. Denn genau das war es, was man von den Malfoy-Frauen erwartete.
 

„Das ist mir klar.“, sprach sie die große Lüge aus.
 

Scorpius war erleichtert. Sicherlich war eine körperliche Anziehungskraft vorhanden und die wollte er nicht leugnen, doch sie war keine Liebe. Nicht einmal im Ansatz. Es war eine Sympathiebekundung. Höchstens.
 

„Ich glaube wir müssen einfach versuchen, das Beste daraus zu machen. Ich werde auf jeden Fall nett zu dir sein.“, grinste er äußerst jungenhaft, weil er sich an ihre kindliche Bedingung erinnerte, die sie vor ein paar Jahren geäußert hatte. Es brachte sie zumindest zu einem schwachen Lächeln.
 

Sie reichte ihm die Pfeife.
 

„Wenn du nichts dagegen hast, dann würde ich mich wieder mit David treffen und die letzten freien Atemzüge tun, bevor unser Schicksal zuschlägt.“, sagte sie nach einer Weile. Sie hoffte, ihm einen kleinen Stich damit zu versetzen. Auch wenn es gemein war.
 

Scorpius biss die Kiefer aufeinander und bemühte sich um eine gutartige Miene. Er verachtete Jordan für viele Dinge, vor allem aber dafür, wie er mit Mädchen umging. In all den Jahren hatte die Gerüchteküche nicht bemerkt, wie häufig und aus welch fadenscheinigen Gründen er seine Freundinnen wechselte. Er wusste, dass er sie nur für sein Bett haben wollte. Das machte ihn noch nicht zu einem schlechten Menschen, schließlich hatte er selbst es einige Zeit so gemacht. Aber er ging damit nicht offen und ehrlich um und kam damit überall durch.
 

Scorpius stand hingegen dazu, es ging ihm häufig nur um den Spaß und dafür hielten ihn viele für einen Mistkerl. Aber er hatte nie den Mädchen vorgemacht, mehr zu sein als eine kurze Affäre, ein Flirt oder eine Übergangslösung. Und Rose würde sich nun in Jordans Schlange einreihen ohne es zu merken. Es war ihr Leben, erinnerte er sich, und er konnte ihre verzweifelte Abenteuerlust verstehen.
 

„Es ist deine Entscheidung, Rose. Ich werde mich nicht mehr einmischen. Aber in Anbetracht der Umstände will ich dich zumindest um Diskretion bitten. Die Hochzeit liegt in nicht allzu weiter Ferne.“, sagte er, anstatt all das zu sagen, was ihm sonst noch auf der Zunge lag. Sie sollte bloß die Finger von ihm lassen, damit er nicht mit ihr spielte, wie mit allen anderen.
 

Rose war enttäuscht von seiner Antwort.
 

„Gut.“ Ihre Stimme war belegt, kleinlaut.
 

Eine betretene Stille trat ein.
 

„Freunde also.“ Rose grinste, doch wieder erreichte es nicht ihre Augen. Wusste sie nicht, dass er es sehen konnte?
 

Irgendwie war Scorpius kein Stück erleichterter. Ihm ging es nicht besser und er war immer noch seltsam unzufrieden mit der Situation, in der sie sich befanden. Doch er schwieg fürs erste darüber und beschloss, sich frühstens in ein paar Wochen noch einmal Gedanken darüber zu machen. Falls es sich bis dahin nicht von selbst aufgelöst hätte.
 


 

*
 

Es war eines der Hogsmeade-Wochenenden und Alice saß in den Drei Besen. Sie hatte Glück, dass ihre Mutter heute nicht arbeitete, sondern mit ihrem Vater aufs Land gefahren war. Sie schüttete sich in Windeseile drei Spanische Feuerbälle in den Rachen, einen Schnaps den man anzündete. Dann wandte sie sich an den entsetzt ausschauenden Cameron Finnigan, der elend aussah, seit seine Freundin ihn verlassen hatte um eine Party später mit Albus gesehen zu werden. Da sie ihr Unglück beide dem Potter zu verdanken hatten, fand Alice es angemessen, sich mit ihm zu treffen. Irgendwie hatten sie sich dadurch verdient, auch wenn es eine abstruse Logik war. Vielleicht auch nur ein Grund zum Trinken.
 

Dieses Date fühlte sich mechanisch an. Sie redeten seit zwei Stunden darüber, was Albus ihr angetan hatte und was seine Freundin ihm. Und dabei tranken sie in zu kurzen Abständen Hochprozentige.
 

Alice konnte schon jetzt sagen, wie dieses Date ausging. Sie würden sturzbetrunken nach der Sperrstunde in Hogwarts ankommen, sich irgendwie an den Kontrollen vorbei mogeln und dann in einem der geheimen Gänge anfangen sich zu küssen. Alice hatte sich schon entschieden, dass sie mit ihm schlafen würde. Sie brauchten beide ein bisschen etwas für das Ego und vor allem eines: Ablenkung und die Illusion, dass sie alleine besser dran waren. Was hatte Alice zu verlieren? Sie hatte sich endlich die in die lange Reihe von Albus' Flittchen gereiht und konnte sich nun auch so benehmen. Wen interessierte es? Es war ihr letztes Jahr und im letzten Hogwartsjahr passierten viele ungewöhnliche Dinge mit den Schülern.
 

*
 

Albus beobachtete Alice heimlich unter gesenkten Lidern, wenn Morgana, mit der er ausging, nicht hinsah oder auf der Toilette verschwunden war. Sie trank Finnigan ganz schön unter den Tisch und er liebte sie dafür. Sie konnte trinken wie ein Kerl, flog einen Besen wie ein Kerl und tat ansonsten viele sehr starke Sachen, die diese unscheinbaren Mädchen, die er sonst immer kennen gelernt hatte, nicht taten. Auch Morgana tat sie nicht, dafür war sie zu zierlich und mädchenhaft. Jedes Mal wenn sie das Bett miteinander teilten, hatte er Angst sie und ihre seelische Unberührtheit zu zerstören. Das mag perfekt für den jungen Mann gewesen sein, der er war. Er wollte sie zerstören – jede einzelne und ihnen zeigen, dass die Welt kein Streichelzoo war und man sehr aufpassen musste, nicht verarscht zu werden. Und er hatte sie wirklich jedes Mal völlig desillusioniert von dannen gehen sehen. Doch nun – nach Alice – war er der Desillusionierte.
 

Es war mit großer Wahrscheinlichkeit die Rache für seine ganzen Eroberungen. Und wenn Alice selbst nicht so elend dabei aussah, würde er ihr für die Lektion, die sie ihm erteilt hatte, gratulieren. Doch langsam kam er zur Ansicht, dass Alice sich selbst mehr Schmerz zufügte, als er je könnte. Sie hasste sich, gewann er den Eindruck.
 

Manchmal, wenn er Morgana gar nicht so übel fand, war er heimlich froh, sich nicht mit Alice herumschlagen zu müssen. Eine so willensstarke Frau war unerträglich. Dann war er ausnahmsweise zufrieden mit dem, was er hatte. So, wie es sich Morgana immer wünschte. Und bald würde die Enttäuschung über Alice verblassen.

Wenn er sich nur genügend anstrengte.

Er musste nur jedes einzelne Gefühl eliminieren. So schwer es war. Es musste sein.
 

Albus durfte nicht mehr an Alice denken.
 

„Sie will dich nicht, sieh es ein.“, sagte Morgana mit eiskalter Stimme. Sie hatte es mitbekommen – das bedeutete Stress, sobald sie wieder in Hogwarts waren.
 

Rose, die ihm gegenüber saß, biss sich auf die Lippen. Morgana versuchte jede gute Erinnerung an Alice aus seinem Verstand zu tilgen. Und zwar rigide.

Scorpius' Cousine hatte nicht aufgegeben zu kämpfen und am Ende gewonnen, wenn auch nur auf Zeit. Wenn das, was die Weasley über Sehnsucht und Liebe wusste, wirklich der Realität entsprach, dann würde dieses ganze Schmierentheater implodieren. Früher oder später.
 

Scorpius saß neben ihr und schien in Gedanken versunken zu sein, während er sich mit Zabini unterhielt. Lily war an die Bar verschwunden um eine Runde Butterbier zu holen. Ihr Blick fiel immer wieder besorgt auf ihre beiden besten Freundinnen. Sie wünschte, sie könnte ihnen helfen. Was allen fehlte, war etwas Distanz und sie würden sehen, wie einfach alles war. Lily sah es. Aber keine von ihnen würde sich den Weg aus dem emotionalen Labyrinth merken, wenn sie ihnen half und sie würden sich im Laufe der Zeit immer wieder verlaufen. Sie mussten ihren Scheiß selbst regeln.
 

Rose war auf sich selbst gestellt und das war schlimmer, als sich ihre Freunde vorstellen konnten.
 

*
 

Sie stand auf einem brachliegenden Feld, dessen Ende sie mit bloßem Auge nicht ausmachen konnte. Über ihr braute sich der Himmel zu einer schwarzen zähen Masse zusammen und das unterschwellige Donnern klang wie das Grollen eines Ungeheuers, das sie verschlingen wollte. Rose sah nach oben und ihr Herz raste. Dann sah sie auf den Boden, der von den plötzlich niederfallenden Regentropfen schnell durchweicht und schlammig war. Als ihr klar wurde, dass sie hier nicht verweilen konnte bis das Unwetter vorbei war, sah sie sich nach einem Baum um. Er stand entfernt auf einem kleinen Hügel und sah einladend aus im Vergleich zum Himmel, obgleich er schon viele Blätter in vielen Stürmen eingebüßt hatte. Barfuß schritt sie durch den Schlamm und verzerrte immer wieder vor Schmerzen ihr Gesicht, wenn sie in einen scharfen Stein trat. Nach einer endlos wirkenden Weile erreichte sie den Hügel, stand aber schon bis zu den Knien im Schlamm und hatte große Mühe Halt zu finden auf dem rutschigen Untergrund. Sie fiel vielmehr aufwärts, als dass sie lief und endlich hatte sie das schützende Blätterdach erreicht.

Und unter dem Baum saß jemand, wie Rose nach heftigen Atemzügen in der schwülen Umgebung feststellte. Es war ein rothaariges Mädchen, dass ihr den Rücken zugewandt hatte.

„Du hast es wirklich geschafft. Ich habe dir das gar nicht zugetraut.“, sagte sie und Rose erkannte ihre eigene Stimme. Doch sie ließ ihr den Rücken weiterhin zugewandt.

„Das ist ein Traum.“, stellte Rose nüchtern fest und hoffte durch diese magischen Worte aufwachen zu können.

Das Mädchen lachte freudlos auf. „Ja und nein. Aber das weißt du selbst.“

Rose zog beide Augenbrauen hoch und überlegte fieberhaft, was sie meinte. Doch sie hatte keine Ahnung, deswegen sagte sie nichts mehr und hoffte nur noch auf ihr Aufwachen, doch es kam nicht.

Sie stand immer noch auf dem weiten Feld und der aufziehende Wind war täuschend echt.

Die Weasley fröstelte in ihrem dünnen Nachthemd, dass sie immer noch trug.

„Lass uns doch deine Situation nüchtern betrachten, Rosie.“, sagte das Mädchen mit Roses Stimme.

„Welche Situation?“

„Deine voranschreitende Zukunft. Du kannst der Hochzeit nicht aus dem Weg gehen. Aber das willst du auch nicht mehr, richtig? Hast gehofft es würde alles ein Happy End werden. Dass er sich in dich verliebt, ein bisschen zumindest. Wenn du mich fragst hast du in der letzten Zeit zu viel Kraut geraucht.“ Sie lachte wieder, diesmal spöttisch. „Dich in eine solche emotionale Situation zu stürzen ist dämlich. Das nimmt ein böses Ende mit dir.“

„Wie meinst du das?“, fragte Rose. Sie fühlte sich unwohl in dem nicht enden wollenden Traum mit sich selbst als Gesprächspartner.

„So, wie ich es sagte. Du wirst eine verbitterte Frau und ein garstiges, ungeliebtes altes Weib, wenn du ihn heiratest. Er wird viele Affären mit hübscheren und jüngeren Mädchen haben. Und du wirst es jedes Mal wissen. Und es wird dir jedes Mal dein Herz zerreißen. Und verlassen kannst du ihn nicht, weil du ihn liebst. Wenn du aufwachst blüht die Rose, liebe Rosie.“

Mit diesen Worten drehte sie sich um und Rose wich mit Schrecken zurück. Es war sie selbst bis ins kleinste Detail, nur zehn Jahre älter. Ihre Augen waren kalt und freudlos. Das Haar unverändert, nur stumpf. Und es gruben sich Sorgenfalten in ihr Gesicht.

Sie musste schnell aufwachen.

„Es ist dein Fluch, das weißt du. Das schlimmste ist nicht der Schwur, sondern nur einen Menschen auf dieser Erde lieben zu können. So, wie es Mann und Frau tun und du hast dich an ihn verschwendet. Und wirst es immer wieder tun.“

„Wenn ich unglücklich mit ihm werde, ist mir das egal. So lange ich noch meine Freunde habe, ist mir kein Lebenssinn geraubt.“, fauchte Rose. Verteidigend schlang sie ihre Arme ineinander und betrachtete das Traumgespenst vor sich. Sie suchte einen Fehler, die diesen Traum unmöglich machte, doch sie fand keinen.

„Keine Sorge, das kommt auch noch. Es hat sogar schon angefangen. Lily ist mit Nathan glücklich. Weißt du, dass sie planen zusammenzuziehen, sobald Lily Hogwarts absolviert hat? Die beiden sind für die ganz große Liebe gemacht.“

Rose grinste zufrieden. Das konnte sie gar nicht wissen. Es war Spekulation.

„Und Alice und Albus haben schon jetzt keinen Kopf mehr für dich und deine Problemchen. Mehr noch erliegen sie deinem Schauspiel, alles sei okay.“

Rose überlegte, ob es wirklich so war und kam zu dem Schluss, dass es stimmte. Sie erinnerte sich nicht, noch einmal ernsthaft mit Alice gesprochen zu haben seit das zweite Halbjahr begonnen hatte. Alice war wie ferngesteuert.

„Der Tod ist gar nicht so schlimm, Rose. Wunderschön, vergleicht man ihn mit dieser Hölle, die du deine Realität schimpfst.“

Rose trat zu ihrem älteren Ich und blickte nun in die gleiche Richtung, wie sie.

„Ich habe mich entschlossen.“, sagte die Ältere. Rose blickte hinab und sah hinter dem Hügel einen reißenden Abgrund steiler Felswände und einem Fluss, der sich hindurch schlängelte, der von hier oben aussah, wie ein Miniaturbau.

Die Ältere riss an Roses Hand und ehe sie sich versah, sah sie sich in den Abgrund stürzen.
 

Rose warf sich mit einem Schrei nach hinten und versuchte sich zu halten. Mit diesem Schrei wachte sie endlich auf und es dauerte einige Minuten, bis die Angst die Traumgebilde fortgelassen hatte. Und endlich sah sie sich um und erschrak ein zweites Mal.
 

Ein kalter Wind riss an ihrem Nachthemd. Es waren gewiss Minusgrade und Rose stand am Rande des Schuldaches. Die Eulerei lag hinter ihr und der Mond schien in einer wolkenlosen Sternennacht voll und hell auf sie hinab.
 

Sie war im Schlaf gewandelt.
 

Einen Schritt mehr und sie wäre hinab gestürzt.
 

*
 

Es war drei Uhr morgens und Scorpius lag noch immer wach. Zuerst hatte er versucht, sich mit einem Buch in die ausreichende Ruhe zu versetzen oder sich müde zu lesen. Aber das hatte nicht funktioniert, abgesehen von dem Fakt, dass er für eine Seite ewig brauchte, weil seine Gedanken immer wieder abschweiften.
 

Er fühlte sich rastlos, wie immer. Auch wenn er sein Verhalten jetzt geändert hatte, kam keine Ruhe in seinen aufgewühlten Geist. Es war zum wahnsinnig werden – als fehle ihm irgendein Organ und alle anderen mussten doppelt so viel arbeiten, um es zu ersetzen. Vor allem sein Kopf.
 

Er wollte nur ein bisschen Ruhe und geregelte Verhältnisse.
 

Zur Abwechslung den langweiligen Alltag, der aber im Vergleich zur Aufregung der letzten Monate verlockend einfach zu bewältigen war.
 

Eine weitere Sache, die ihn nicht zum Schlafen brachte, war der Liebesakt, der sich im Zimmer nebenan abspielte. Alice schien zumindest ihren Spaß zu haben. Der Typ bei ihr war ein Glückspilz, wenn man die Fähigkeiten glaubte, die Albus ihrem Liebesspiel zu gute hielt.
 

*
 

David war skeptisch, dass Rose ihn tatsächlich nach zwei Wochen aufsuchte. Man hatte ihm erzählt, was bei den Malfoys vorgefallen war. Und er wusste nicht, was er von diesem Verhalten halten sollte. Er hatte es nicht nötig einem Mädchen hinterher zu laufen, dass nicht wusste, wen sie wollte. Das hatte er noch nie gehabt.
 

Aber Rose hatte es ihm wirklich angetan. Sie war erfrischend ehrlich und vor allem eines: Herzlich. Ihre fröhliche Art hatte ihn angezogen. Mit dem Trauerkloß, der sie nun war, konnte er nicht viel anfangen. Sie saß ihm nun schon fünf Minuten gegenüber und hatte nichts über die Lippen gebracht als ein Hallo und eine Entschuldigung für ihre Schandtaten. Sie machte nicht einmal den Versuch, sich zu rechtfertigen.
 

Wahrscheinlich hätte er ihre Familie oder ihre tote Mutter beleidigen können und sie hätte aus lauter Schamgefühl nichts dazu gesagt.
 

Irgendwie hatte er sie anders und vor allem lauter kennen gelernt.
 

„Wenn dir wirklich etwas an mir liegt, wie du sagst, dann können wir uns wieder zusammenraufen.“, sagte er schließlich, auch wenn er wusste, dass ein geflickter Reifen nicht mehr ewig fuhr.
 

Rose wirkte irgendwie verkniffen und nickte langsam. Wieder eine Lüge.
 

Er gab ihr einen erleichterten Kuss, den sie kaum erwiderte.
 

*
 

Alice sah neben sich und betrachtete die ebenmäßigen Züge des Hufflepuffs. Er war sehr hübsch, auch wenn er sich am Abend zuvor tödlichst mit ihr betrunken hatte. Sie hatte vergessen, wie schön es sein konnte, nicht alleine aufzuwachen.
 

Er schlug die Augen auf und sah in ihre aufgewühlten blauen Augen. Letzte Nacht hatte ein wahrhaftes Gewitter zwischen ihnen getobt und der Morgen danach war sonnig. Er musste lächeln, als er sie sah und brachte sie damit ebenfalls mit einem schmalen Grinsen. Um bei der Wahrheit zu bleiben, war er schon lange wach, aber er konnte sich nicht von ihrer Seite reißen. Sie war so schön warm und weich und es tat unheimlich gut, jemanden in den Armen halten zu können. Nicht einmal der Hunger konnte ihn aufscheuchen. Das Frühstück hatten sie nun verpasst.
 

„Hallo“, sagte sie lieblich und ein kurzes Strahlen huschte von einem zum anderen Auge. Cameron glaubte nicht, dass sie es nun bereute und war erleichtert, denn er hätte es ohne Frage wieder so gemacht und das nicht, weil sie atemberaubend im Bett war, sondern weil er fand, sie war ein besonderes Mädchen, das man nicht so einfach weggeben sollte. Vor allem nicht mit Morgana Greengrass. Alice besaß mehr Feuer im kleinen Finger als Morgana unter aller Willensanstrengung hervorbringen konnte. Des einen Pech ist des anderen Glück. Cameron könnte dankbarer nicht sein.
 

„Was machen wir heute?“, fragte er.
 

Sie grinste und beugte sich zu einem Kuss hinab, der alle seine Fragen beantwortete.
 

Wer brauchte schon Essen.
 

*
 

Rose stopfte sich frustriert die letzten Nudeln in den Mund und versuchte sich an einem Gespräch mit Lily, weil Alice weder zum Frühstück noch zum Mittagessen aufgetaucht war. Rose vermutete, dass sie einen üblen Kater hatte und nicht auf die Beine kam. Wenn sie unglücklich war, betrank sie sich nämlich meistens.
 

„Du siehst aus, als hättest du Nächte lang nicht geschlafen.“, stellte Lily fest.
 

Rose hatte keine Lust sich mit anderen darüber zu unterhalten, wie schlecht sie aussah. Es war deprimierend, dass sie schlief und doch tagsüber so müde war, als mache sie nie ein Auge zu.

Mittags fand Rose es immer angenehm, denn zu dieser Uhrzeit war sie wieder aufgedreht.
 

„Ich habe ein paar krasse Alpträume die letzten Nächte. Sonst ist nichts.“, antwortete sie und vermied Lily die Wahrheit zu sagen – das ihre Träume sie nicht nur an den Rand des Schuldachs brachten, sondern auch an den Rand des Wahnsinns. Vor lauter Müdigkeit schlief sie tagsüber kurz ein, doch selbst in diesen Sekundenschläfen blieb sie nie verschont von ihren älteren Ichs.
 

„Das ist bestimmt der Stress. Das geht vorbei, keine Sorge. Notfalls gehst du zu Poppy und fragst nach einem Schlaftrunk.“, sagte Lily leichtfertig.
 

Rose bezweifelte, dass ein Schlaftrank die Alpträume fernhalten würde. Er würde sie eher zu ihrer Gefangenen machen.
 

Die Mittagseulen flogen herein und eine ließ vor ihrem Platz ein kleines Päckchen fallen mit ihrem Namen darauf. Lily sah Rose fragend an.
 

„Von Astoria.“, erklärte Rose ruhig und öffnete es.
 

Sie schluckte, als sie den Inhalt sah.
 

„Was ist?“, wollte Lily wissen und schielte über Roses Schulter.
 

In dem Päckchen lagen ein paar Notizblöcke, die vollgeschrieben waren und oben drauf ein Katalog für Brautmoden. Eine kleine Notiz, die in Eile geschrieben wurde, hing daran.
 

Die Vorbereitungen sind am Laufen, leider haben wir nicht viel geschafft, als du zu Besuch warst. Such die die schönsten Kleider aus und bestelle sie. Dann probiere sie an und entscheide dich. Und bitte sieh nach, ob meine Pläne für die Hochzeit soweit okay sind und was du ändern möchtest.
 

Liebste Grüße
 

Astoria.
 

„Wow, planen denn die Malfoys alles für dich?“, wollte Lily wissen.
 

Rose war froh, dass sie sich darüber nicht auch noch Gedanken machen musste. Deswegen hatte sie mit Astoria vor einiger Zeit ausgemacht, dass sie alles für Rose regelte und sie in die gefassten Pläne einweiht. Rose sollte sich ganz und gar auf ihre UTZe vorbereiten.
 

„Ich habe im Moment nicht den Kopf dafür. Aber ich vertraue Scorpius' Mutter, was das angeht.“, antwortete Rose und packte wieder alles ein, bevor es noch jemand mitbekam.
 

Ohne ein weiteres Wort erhob sie sich und verließ den Tisch. Sie wollte alleine sein.
 

Auf dem Weg in den geheimen Clubraum lief ihr Hugo über den Weg. Sie hatten schon lange nicht mehr miteinander gesprochen und in den Ferien hatte sie ihn auch nicht gesehen. Sie hielt an und sah ihrem kleinen Bruder in die Augen. Als sie aber den durchdringenden Blick sah, der nach ihrem Zustand forschte, senkte sie schnell die Lider.
 

„Hallo, Brüderchen.“, sagte sie matt.
 

Hugo steckte die Hände in die Hosentaschen und beobachtete jede Regung seiner Schwester. Und das erste Mal kam jemand auf die Idee, dass Roses zurückgezogenes Verhalten ungewöhnlich war und dass mit ihr etwas nicht stimmte.
 

„Dir geht’s scheiße, ich sehe es dir an.“, sagte er ohne Umschweife.
 

„Ist es Scorpius?“, wollte er wissen. Rose verschränkte die Arme vor der Brust und wehrte alle Feststellungen zu ihrem Gemütszustand ab. Sie hatte die Schnauze voll, dass offensichtlich jeder sah, wie es ihr ging und dass es keinen so wirklich interessierte.
 

„Scorpius ist nicht für jede meiner Gefühlsregungen verantwortlich.“, patzte sie, da sie vermutete, dass die Gerüchte von der Party bei Malfoys auch ihn erreicht hatten. Hoffentlich erzählte er nichts ihrem Vater – der würde sich vor Selbstzerfleischung krümmen, wenn er wusste, wie es um Rose stand.
 

Hugo antwortete nicht gleich, sondern zog eine Augenbraue hoch, wie immer, wenn er seinem Gegenüber kein Wort glaubte.
 

„Was ist los?“ So, wie Hugo es sagte – als wolle er es wirklich wissen und als sei sie ihm nicht egal – gab er ihr den Eindruck, offen mit ihm reden zu können, auch wenn sie sich gerade zwischen Tür und Angel befanden. Er nahm sich Zeit für sie.
 

„Mir ist alles zu viel. Ich soll in ein paar Monaten Scorpius heiraten, der mir deutlich gemacht hat, dass jede Aussicht auf eine Love-Story irrwitzig ist. Ich glaube ich sterbe als verbitterte alte Schachtel.“, brach es aus ihr heraus und damit die Tränen, die sie schon so lange zurückhielt. Sie lehnte sich an die Wand und hoffte, dass keiner lauschte.
 

Hugo zog mit einer lässigen Bewegung ein Taschentuch aus seiner Hosentasche. Rose musste leicht schmunzeln und nahm es entgegen.
 

„Ich glaube manchmal, dass es einfacher wäre, den Schwur zu brechen und Scorpius damit seine Freiheit und mir meine Selbstbestimmung wieder geben zu können.“, schluchzte sie und ließ sich an der Wand herabsinken, weil ihre Füße sie nicht mehr länger tragen wollten.
 

Hugo setzte sich mit einem alarmierten Blick neben sie und suchte forschend ihren Blick. Doch die Augen seiner Schwester sahen ihn leer an. Als sei ihnen jedes Licht geraubt und jede Erwartung, die sie noch an ihr Leben stellte. Neben ihr lag ein Brautmodekatalog.
 

Er zweifelte keine Sekunde daran, dass seine Schwester es ernst meinte. Er zweifelte auch nicht daran, dass sie tot unglücklich war. Tiefe Augenringe gruben sich in ihr Gesicht. Ihre Lippen waren aufgesprungen und abgenagt. Ihre Haare waren wirr und stumpf. Fiel denn niemanden auf, dass es ihr schlecht ging? Nicht einmal Alice?
 

Er nahm ihre Hand in seine und versuchte es mit einem aufmunternden Lächeln.
 

„Egal was passiert, Rosie, deine Familie verlierst du nicht und du kannst immer zu mir und Dad kommen, wenn dir die Decke über dem Kopf einstürzt.“ Rose schniefte lauter und schluchzte verzweifelter.
 

„Eine Notlösung zu haben ist wirklich schön, aber ich denke, dass von mir erwartet wird, eine eigene Familie zu gründen. In eine andere Familie zu wachsen. Ein braves Frauchen zu werden.“, antwortete sie.
 

Hugo wusste, dass sie recht hatte. Eine Malfoy zu sein barg viele Pflichten und viel Verantwortung. Immerhin war es eine sehr mächtige und erfolgreiche Familie. Es brach ihm das Herz sich Rose als einsame Hausfrau vorzustellen.
 

Kein Wunder, dass sie Selbstmordgedanken hatte. Rose hatte sich immer gewünscht, Heilerin zu werden, ein eigenes Leben zu haben und erfolgreich zu sein. Unabhängig und frei wie ein Vogel, doch man hatte ihre Flügel gestutzt und verhindert, dass sie zum Überflieger wurde.
 

Wie konnte er ihr helfen?
 

Er hatte Angst um sie. Angst, dass sie es ernst meinte und er nicht nur eine Mutter zu Grabe tragen musste, sondern auch seine Schwester. Man musste ihr wieder Hoffnung geben und ihr sagen, dass sie trotzdem das Richtige tat und ihr die Familie sehr dankbar dafür war. Zumindest zu dem Teil, der von dieser arrangierten Ehe wusste.
 

Er musste mit Lily oder Alice reden.
 

*
 

Albus war schlecht vor Eifersucht. Er konnte sich nichts mehr vormachen, es trieb ihn in den Wahnsinn, als er hörte, mit wem Alice nun in den Federn kämpfte. Als Scorpius ihm im Nebensatz gesagt hatte, er konnte ihretwegen nicht schlafen, hatte er sich nichts anmerken lassen, weil Morgana neben ihm saß. Doch nun, da er alleine mit Scorpius im Zimmer war, schüttete er seinen Kummer mit einer Flasche Feuerwhiskey hinunter.
 

Doch ihre Einsamkeit wurde jäh unterbrochen, als es an der Tür klopfte. Sein Cousin Hugo stand dort und stierte Malfoy wütend an. Der Ältere schreckte sogar einen Moment zurück. Albus zog eine Augenbraue hoch und wollte gerade anfangen zu motzen er solle sie alleine lassen, als Scorpius zu Wort kam:
 

„Ist etwas mit deiner Schwester?“, fragte er sofort. Alarmiert von den Blicken seines künftigen Schwagers.
 

„In der Tat!“, kam es ungehalten zurück.
 

Und ehe sich Scorpius versah, hatte ihm der Sechstklässler seine Faust ins Gesicht gedrückt. Scorpius Kopf flog herum.
 

„Das ist für das Herz meiner Schwester.“, sagte er nur. „Und jetzt muss ich mit dir reden“, erklärte Hugo weiter. Zu Albus Überraschung holte Scorpius nicht zum Vergeltungsschlag aus, sondern wirkte erschüttert und ernüchtert. Albus fragte sich, was sein Freund ihm verschwiegen hatte. Immerhin ging es um Rose und sie war auch seine Cousine.
 

„Warte hier.“, sagte Scorpius zu seinem besten Freund und sie gingen ins Studierzimmer, wo ein einladendes Feuer im Kamin prasselte. Hier stapelten sich Dokumente und Pläne, die das Schulsprecheramt begleiteten. Seit Weihnachten hatten sie viel zu erledigen für das angebrochene Halbjahr.
 

Scorpius setzte sich auf das Sofa und machte eine einladende Geste, doch Hugo stand lieber, so aufgewühlt war er.
 

„Eigentlich wollte ich zuerst mit Alice sprechen, aber sie ist nicht da. Dann habe ich mir überlegt, doch mit der Wurzel allen Übels anzufangen, Malfoy.“, begann er zu erzählen und lief dabei vor dem Kamin hin und her. Sein Verhalten beunruhigte Scorpius, doch er nahm sich vor, Hugo erst ausreden zu lassen.
 

„Du hast Rose nicht einmal im Ansatz verdient, Malfoy. Sie ist viel zu gut für dich.“
 

Er wollte protestieren, doch Hugo fiel ihm ins Wort. „Es ist eine Tatsache. Wenn du ihr Leben ruinierst, erwürge ich dich eigenhändig. Du behandelst sie gefälligst so, wie sie es verdient hat, verstanden? Und zwar hat sie alles verdient, was du ihr geben kannst und mehr.“
 

„Ich hatte nichts anderes vor.“, sagte Scorpius kleinlaut.
 

„Wir haben uns noch nie darüber unterhalten, Scorpius. Aber auch Rose hat einen Bruder, der dir mit dem Tod droht, wenn du ihr das Herz brichst. Und glaub mir, ich meine das so. Meine Schwester ist bis auf den Punkt perfekt, in dem es um ihre Familie geht. Sie tut alles für uns. Ich hoffe du wirst auch alles für sie tun.“
 

Hugo wurde ruhiger, als er sich das von der Seele geredet hatte.
 

„Sie spielt mit Selbstmordgedanken. So weit habt ihr sie alle schon gebracht, mit eurer Rücksichtslosigkeit. Verdammte Malfoys.“
 

Scorpius sprang auf und fasste Hugo an den Schultern. Der Knoten war geplatzt in seinem Magen, er wusste endlich, was ihn rastlos machte und erstickte fast daran: Sorge. Er machte sich Sorgen um Rose.
 

„Wann hat sie das gesagt?“, wollte er wissen. Etwas Dringendes lag in seinen Augen, das Hugo die Luft aus den Segeln nahm. Er sah zur Seite und überlegte.
 

„Vor zwei Stunden ungefähr.“
 

„Und was hat sie genau gesagt?“
 

„Das sie es einfacher fände, den Schwur zu brechen und dir deine Freiheit zurückzugeben.“, antwortete er wahrheitsgetreu.
 

Scorpius machte ein verzweifeltes Gesicht.
 

„Wir müssen sie suchen.“, sagte er.
 

„Auf ihrem Zimmer ist sie nicht, da habe ich schon nachgesehen.“, sagte Hugo, der ihre Worte gar nicht so ernst genommen hatte, wie Scorpius nun.
 

„Nein, ich muss sie suchen. Ich muss mit ihr reden.“, korrigierte sich Scorpius selbst. Er nahm seinen Mantel vom Stuhl.
 

„Bleib du bei Albus, er hat Liebeskummer und braucht jemanden zum Trinken. Ich kümmere mich um deine Schwester.“, sagte er zu Hugo, ohne ihn richtig anzusehen. Denn alles, was vor seinem inneren Auge schwebte, war ein Bild, das er aus seinen Alpträumen kannte.
 

„Scorpius!“, rief Hugo, als er noch nicht ganz die Tür hinter sich geschlossen hatte.
 

„Was ist noch?“, fragte Scorpius genervt.
 

Hugo grinste hilflos. „Es ist nicht schwer sie zu lieben.“
 

„Kann ja sein.“, sagte Scorpius leichtfertig, auch wenn er es nicht auf die leichte Schulter nahm.
 

*
 

Es war kalt.

Es war bitterkalt.

Aber Rose fühlte sich sicher hier draußen. Als wäre sie am richtigen Ort zur richtigen Zeit. Ihre Augen waren halb geschlossen, als sie auf den zugefrorenen See sah. Für Schlittschuhfahrer sah er einladend aus, und auch für Rose, die keine Schlittschuhe trug.
 

Es war ruhig hier. Zu dieser Jahreszeit tummelten sich keine Schüler an den Ufern um sich zu sonnen. Sie kamen nicht einmal durch den Hochschnee, der sich mit dem letzten Schneesturm gebildet hatte.
 

Die Rose auf ihrem Rücken stach, immer wenn Rose nicht damit rechnete. Es war ein furchtbares Gefühl und sie hatte das dringende Bedürfnis davor zu fliehen und sich der Verheißung zu entziehen. Sie wollte nicht zu der Frau werden, die sich in zehn Jahren von einer Klippe stürzte. Sie wollte nicht die verbitterte Rose werden, die ein einsames Leben fristete und die Augenblicke, die sie nicht bei Freunden, sondern Zuhause war, lieber sterben als allein zu sein.

Lieber tat sie es jetzt.
 

Um sich Schmerzen zu ersparen. Um ihre Mutter zu sehen, die das alles gewiss nicht gewollt hätte.
 

Sie machte einen Schritt auf das Eis. Am Rand war es stabil und trug sie ohne Knarren. Zur Mitte hin, würde dünner werden. Würde ihr Gewicht vielleicht nicht mehr tragen. Es war ein würdiges Ende im Wasser zu sterben, fand sie. Denn sie war schon immer gern geschwommen. Es war kalt, aber man konnte nicht alles haben, bis zum Sommer und somit bis zur Hochzeit wollte sie nicht warten.
 

Es war glatt und sie musste aufpassen nicht hinzufallen, sonst brach die Eisfläche, bevor sie die Mitte des Sees erreicht hatte.
 

Ihr Kopf war seltsam klar in diesem Moment. Es gab keine Zweifel mehr.
 

„Rose!“
 

Sie fuhr herum zum Ufer. Dort stand Scorpius, die Hände in die Knie gestützt, schwer keuchend, weil er so sehr gerannt war. Doch er sah unentwegt zu ihr.
 

„Was ist?“, wollte sie wissen.
 

Was tat er hier? Sie sollte allein sein, wie sie es so oft geträumt hatte.
 

„Was machst du da?“, rief er.
 

Rose hob die Schultern. Sie hatte keine Ahnung was er jetzt hören wollte. Es sah doch aus, wie ein Selbstmordversuch, oder? Brauchte er weitere Erklärungen?
 

„Ich will allein sein, Scorpius. Kümmere dich nicht um mich.“, antwortete sie und lief einen Schritt weiter. Das Eis wurde langsam dünner, Rose merkte es.
 

„Aber ich kümmere mich um dich!“, rief er wieder. Es klang wie von weiter Ferne. Scorpius traute dem Eis nicht. Wenn sie beide darauf wären, bräche es vielleicht schneller. Verzweiflung stand in seinem Gesicht, doch Rose konnte es von der Entfernung nicht sehen.
 

„Ja, jetzt.“, spottete Rose. Die wandte sich wieder zu ihm um. „Und was ist mit morgen und übermorgen und die Tage darauf? Mach dir doch nichts vor – ich bin dir egal und es wäre besser, wenn einer von uns den Mut aufbringt, diesen dämlichen Schwur zu lösen.“
 

Scorpius war verblüfft, dass sie das ernsthaft glauben konnte. Sie sprach wie im Fieberdelirium.

Aber er musste sie irgendwie dazu bringen umzukehren. Ihm kam eine Idee.
 

„Ich schwöre es, ich kümmere mich um dich. Weißt du, Familie hört niemals auf, Rose. Sie kümmert sich um jedes Schaf in der Herde. Und sie fordert und fordert dich. Und man fragt sich, wann man wieder zurückkriegt. Aber irgendwann kommt man zur Einsicht, dass es die Familie selbst ist, die man dafür bekommt. Zusammenhalt, Rose!“
 

Er gestikulierte wild und Rose war versucht zu lachen, doch es kam nur ein irres Kichern heraus.
 

„Es steht gar nicht so schlecht um uns! Nicht alles ist beschissen. Also komm wieder her und lass es mich beweisen.“
 

Rose steckte die Hände in ihre Manteltasche und sah Scorpius einen Moment lang an.
 

„Du lügst. Nichts ist okay. Das weißt du auch. Aber ich für meinen Teil mache mir nichts mehr vor. Ich könnte ein Leben an deiner Seite nicht ertragen!“, schrie sie.
 

Scorpius stand da wie geohrfeigt. Ein Leben an seiner Seite konnte sie nicht ertragen? Was war falsch an ihm? Hasste sie ihn so sehr?
 

Sie brach in Tränen aus. Doch er hörte nur ihr Schluchzen.
 

Die Kette um Roses Hals wog auf einmal Tonnen.
 

Ein lautes Krachen brachte die Umwelt zum Schweigen. Rose erwachte aus ihrer Trance und sah Scorpius am Rand des Sees stehen. Was hatte da aus ihr gesprochen? Es war als würde sie sich selbst dabei zusehen.
 

Im nächsten Moment stürzte die Eisschicht unter ihr ein.
 

„Scorp-!“, schrie sie, doch dann verschluckten sie die Wassermassen.
 

Hätte sie seinen Namen nicht gerufen, wäre er sich sicher gewesen, dass sie Sterben wollte und hätte sie gelassen, so paralysiert war er durch ihre Worte. Doch ihre Stimme war plötzlich panisch und klang wieder wie Rose. Einem inneren Impuls folgend, rannte er auf das Eis, doch er kam nicht weit, denn es war so brüchig, dass er sie nie rechtzeitig erreichen würde.
 

Er griff nach seinem Zauberstab und schrie mit aller Kraft seiner Lunge: „Expulso.“
 

Die Eismasse wurde in seine kleinsten Teile zerlegt. Wie zerstoßenes Eis auf dem ganzen See. Scorpius schmiss seinen Mantel in den Schnee und sprang, sobald er ihren roten Schopf auf dem Wasser sah, in das eiskalte Wasser. Es fühlte sich an, wie tausend Stiche am ganzen Körper. Doch er ignoriertes es und schwamm so schnell er konnte zu Rose, ohne auch nur einen Gedanken an etwas anderes außer sie zu verschwenden. Er zog sie aus dem Wasser, sie war schon ohnmächtig. Mit ein paar schnellen Zügen, an die er sich später nicht mehr erinnern konnte, schwamm er an Land und legte sie an das Ufer.
 

„Rose, Rose, Rose.“, sagte er unablässig und versuchte es mit ein paar Schlägen auf die Wange. Doch sie regte sich nicht. Er beugte sich hinab zu einer Mund-zu-Mund-Beatmung.
 

Hustend fuhr sie auf und spuckte ihm Wasser entgegen. Nach einiger Zeit beruhigte sie sich. In ihren Haaren hingen Algen.
 

„Was? Was ist passiert?“, fragte sie.
 

Scorpius war so erleichtert, dass er am liebsten weinen wollte. Doch es rollte keine Träne über seine Wange. Stattdessen sah er sich selbst dabei zu, wie er ihr eine heftige Ohrfeige verpasste.
 

„Rose Weasley, bist du noch ganz bei Trost? Hast du eine Ahnung, welchen Unsinn du redest? Um Himmelswillen, du bist mir nicht egal.“, schrie er sie an.
 

Sie saß vor ihm, wie ein Häufchen Elend. Dabei sah sie ihn mit großen, braunen Augen an, wie einen Hund, den er zu Unrecht verprügelt hatte.
 

Doch die Erleichterung gewann wieder Überhand und er gestattete sich, ihr einen raschen Kuss auf die Lippen zu drücken und einen Moment dabei die Augen zu schließen. Er genoss das Gefühl ihrer, wenn auch kalten, trotzdem weichen Lippen.
 

„Mach das nie wieder, Rose. So schlimm ist das nicht, hörst du? Wir werden das irgendwie wieder hinbekommen.“, flüsterte er unablässig und strich ihr grob ein paar nasse Strähnen aus dem Gesicht.
 

Sie nickte langsam.
 

Der Malfoy legte ihr seinen Mantel um die Schultern und half ihr auf die Füße.
 

„Wir müssen uns dringend abtrocknen und aufwärmen.“, sagte er mehr zu sich selbst als zu ihr.

Der Fluch.


 

Kapitel 14

- Der Fluch. -
 

Rose konnte sich kaum auf den Beinen halten. Ihr war bitterkalt und mit nassen Kleidern durch den Schnee zu laufen, war nicht gerade das, was sie als angenehm bezeichnen würde. Sie hielt sich an Scorpius Schultern fest, der große Mühe hatte, sie beide durch das kniehohe Weiß zu manövrieren. Erschwerend kam hinzu, dass er selbst in das eiskalte Wasser gesprungen war. Und seine Sachen schon steif froren in Anbetracht der Außentemperaturen.

Alice, alarmiert von Hugo, der sie bei ihrem Eintreffen abgefangen hatte, rannte ihnen entgegen. Sie hatte sich nicht einmal eine Jacke angezogen. Und sie dankte Merlin, dass hier draußen nicht so viele Schüler herumlungerten, wie im Sommer. Für die Gerüchteküche wäre es ein gefundenes Fressen gewesen. Sie half Scorpius ohne ein weiteres Wort zu verlieren und zusammen schafften sie es ungesehen Schule zurück.

Als sie eintrafen, saßen Albus und Hugo immer noch in Scorpius' Zimmer mit einer Flasche Feuerwhiskey.
 

„Wie geht es ihr?“, fragte Albus.
 

„Sie lebt noch, wie ihr seht!“, rief Alice und schob ihre Sorgenkinder in das kleine Badezimmer. Auch wenn es nicht sonderlich luxuriös war, besaß es zumindest eine Dusche.
 

Ihr Ton wurde instruktiv: „Ihr zwei geht unverzüglich heiß duschen, sonst holt ihr euch den Tod.“
 

Nach einem Blick in Roses missmutiges Gesicht, fügte sie hinzu: „Es ist glücklicherweise nicht das erste Mal, dass ihr euch nackt seht.“

Dann schloss sie abrupt die Tür, bevor Rose einen weiteren Protest anbringen konnte. Ganz davon abgesehen, dass ihre Zähne ohnehin klapperten. Mit Alices beherztem Schließen der Tür trat eine unangenehme Stille ein. Rose wusste noch nicht, wie ihr geschehen war. Es kam ihr vor, als könne sie sich selbst zusehen, wie sie in der Mitte des quadratischen Raumes stand und nicht weiterwusste.
 

Betretenes Schweigen trat ein. Mit einem prüfenden Blick in den Spiegel, stellte sie fest, dass ihr Makeup verlaufen war und hässliche Streifen über ihr Gesicht zog. Die Weasley besaß eine beängstigende Ähnlichkeit mit einer Todesfee.

Aus den dunklen Augen nur ratlose Blicke eines kleinen Mädchens.

Scorpius konnte nicht anders, als sich zuerst um sie zu kümmern. Sie wirkte völlig verstört und hilflos. Als sei sie aus einem bösen Traum aufgewacht und noch nicht ganz bei sich.
 

„Ist alles okay?“, fragte er unbeholfen und suchte ihren rastlosen Blick. Es war selbstredend, dass nichts, aber auch gar nichts okay war. Das Mädchen mit den roten Haaren – seine Verlobte – hatte soeben einen Selbstmordversuch begangen. Wenn Hugo keinen Ton verloren hätte, wäre sie vermutlich jetzt tot. Das bedeutete zwar seine Freiheit, war aber trotz dessen ein unerträglicher Gedanke für ihn. Jetzt, wo er langsam begann sich an sie zu gewöhnen.
 

Sie hielt inne und traf seine Augen. Dann rang sie sich ein Lächeln ab.
 

„Ich habe den Ring verloren.“, antwortete sie scheinbar zusammenhangslos. Doch der Malfoy ließ sich nicht beirren, obgleich er wusste, wie viel ihr dieses Schmuckstück bedeutete. Das Bild von ihr auf dünnem Eis hatte sich in sein Gedächtnis eingebrannt. Ebenso sein Gefühl der absoluten Machtlosigkeit. Die Welt, in der Scorpius die Kontrolle besaß – wovon er zumindest immer ausgegangen war – hatte einen gefährlichen Riss bekommen. Noch in diesem Moment schlug sein Herz bis zum Hals. Diese Angst würde er wohl nie wieder vergessen können – alles, was ihm Stabilität gegeben hatte (ob er es nun wollte oder nicht), war in Gefahr gewesen für immer verloren zu gehen.
 

„Wie bist du nur auf die Idee gekommen auf das Eis zu laufen?“, fragte er und unternahm einen Schritt in ihre Richtung.
 

Er begann die Knöpfe ihrer Bluse zu öffnen und ihr aus den Klamotten zu helfen, weil er seine Hände irgendwie beschäftigen musste. Offensichtlich war Rose apathisch. Dabei versuchte er, nicht zu sehr auf ihre nackte Haut zu achten. Doch sein Körper stand derart unter Stress, dass es sich ihm förmlich aufzwang.
 

Es war nicht an der Zeit für Zimperlichkeiten. Sie würden sich tödlich erkälten, wenn sie nicht bald unter das warme Wasser kamen.

Ein sehr vernünftiger Grund sie zu entkleiden, fand er.
 

„Überall war Dunkelheit und dann diese fürchterlichen Alpträume.“, antwortete sie ohne sich gegen Scorpius zu wehren, vor dem sie nun splitternackt stand.
 

Sie ahnte nichts von ihrer Anziehungskraft, die nicht einmal von den Algen gemildert werden konnte, die auf ihrer Haut klebten. Wie eine Wassernymphe, ergänzte er gedanklich.
 

„Ab unter die Dusche mit dir.“, sagte er und gab ihr einen Klaps auf den Po.
 

Sie lief einen Schritt und drehte sich dann mit einem drohenden Blick zu ihm um.
 

„Tu das noch einmal und du verlierst deine Hände.“ Ihr Blick war düster geworden und fixierte ihn bedrohlich, um keine Zweifel daran zu lassen, dass sie es ernst meinte.
 

Er grinste und hob entschuldigend die Hände. „Allem kann ich widerstehen, nur der Versuchung nicht.“, zitierte er.
 

Er gewann ihr Lächeln. Sie drehte das Wasser auf und begann sogleich zu schreien.
 

„Merlin, heiß!“
 

„Das kommt dir nur so vor.“
 

Sie drehte sich zu ihm um, doch hinter der mattierten Duschwand konnte er ihren Gesichtsausdruck nicht richtig deuten. Er konnte nur ihre nackte Silhouette erfassen und das brachte ihn fast um den Verstand. Tod und der Wunsch nach Lebendigkeit lagen sehr nah beieinander.
 

„Worauf wartest du?“, fragte sie. Ihr Gesicht erschien im schmalen Spalt der Duschwand. Er bildete sich sogar ein, dass er für einen Moment ein berechnendes Lächeln aufblitzen sah.
 

Er schwieg, zu verblüfft für irgendeine Reaktion. Sein für ihn sonst so typisches Verhalten, verunsicherte die Gryffindor diesmal. Rose war sich nicht sicher, ob sie damit eine Grenze überschritten hatte.
 

„Ich dachte nur...“ Sie wurde rot. „Ach, vergiss es.“
 

Er musste grinsen, wenn es ihr auch entging, da sie eilig den Kopf zurückzog und im Eifer des Rückzugs ihren Kopf stieß. Auf eine seltsame Art und Weise war ihr Verhalten erleichternd für ihn. Vielleicht aus dem Grund, dass sie endlich wieder sie selbst war und typische Rose-Dinge tat und sagte. Eine unbeholfene Rose. Eine, die er kennen gelernt und lieb gewonnen hatte.
 

Die Entscheidung, ob er ihrem Gedanken nachkommen sollte, machte er sich nicht leicht.

Ob es nicht vielleicht besser wäre, ihr die Privatsphäre zu lassen? Scorpius kam zur Erkenntnis, dass er nur ein Feigling wäre, wenn er es nicht tat. Das könnte alles ändern.
 

Er wollte ihre Situation nicht ausnutzen. Es wäre etwas, das er sich nie verzeihen konnte.
 

Der Malfoy schüttelte heftig den Kopf. Unsinn.
 

Sie hatten schon mehr miteinander geteilt als eine Dusche, wieso sollte er gerade in diesem Moment auf sein Gewissen hören?
 

Sie war seine Verlobte, richtig?

Richtig.

Es war nicht schlimm mit seiner Verlobten, die man körperlich sehr anziehend fand, zu duschen, richtig?

Richtig.
 

Ehe er sich versah, gab er sich einen Ruck.
 

Und sie hatte recht: Selbst das lauwarme Wasser fühlte sich kochend heiß an.

Rose drehte ihm den Rücken zu, um eine erträgliche Temperatur einzustellen. Und da sah er es: Eine der beiden Knospen war gewelkt, ohne sich je geblüht zu haben.
 

Ihm wurde schlecht. Was hieß das? Für wen hatte sich ihr Herz entschlossen? Jordan?
 

Er war sich nicht einmal sicher, ob er sie darauf ansprechen sollte oder nicht. Stattdessen berührte er nur die Stelle ihrer Haut und versuchte das unebene Tattoo zu ertasten. Rose zuckte zusammen und erstarrte, als habe sie sich gerade erst wieder daran erinnert.
 

Sie drehte sich zu ihm um und starrte ihm direkt in die Augen. Dann schluckte sie, als sie seinen weichen mitleidigen Blick sah. Sie wollte dieses Mitleid nicht – nicht von ihm und nicht von sonst irgendwem. Sie würde damit leben.
 

„Darüber werden wir nie ein Wort verlieren.“, stellte sie klar und ihre Stimme klirrte vor Kälte. Sie wollte sich nicht demütigen und erklären, was er sich ohnehin denken konnte.
 

Scorpius wertete es als Zeichen für Jordan. „Okay.“, sagte er mit belegter Stimme, doch es war alles andere als okay. Sein Adrenalinspiegel erhöhte sich ein zweites Mal, während seine Kiefermuskeln arbeiteten und versuchten die aufwallende blinde Wut zu kompensieren.

Die Bilder der schändlichen Dingen, zu denen sie sich vermutlich hatte hinreißen lassen, gruben, kratzten und fraßen sich in seinen Schädel, als seine Phantasie das Zepter seiner sonst sehr rationalen Gedankengänge übernahm.
 

Was trieb sie nur in Jordans Arme? Er konnte es nicht verstehen.
 

Ebenso wenig war dem Malfoy klar, wieso ihn das gerade in diesem Augenblick so rasend machte. Vielleicht war es die Endgültigkeit ihres eigenen Fluches, der ihn bangen ließ. Er beobachtete jede ihrer Bewegungen, während sie unbeirrt weiter duschte. Wie konnte es ihr derart gleich sein?
 

Rose summte ein Lied, mehr um sich zu beruhigen als aus Gleichgültigkeit. Doch gerade das war es, dass Scorpius' Sicherung durchbrennen ließ.
 

„Rose! Hör auf damit!“, schrie er sie an.
 

Erschrocken fuhr die Angesprochene herum und starrte ihn an, wie ein Reh ins Scheinwerferlicht. Sie konnte sich nicht daran erinnern, dass er jemals die Beherrschung verloren und sie angeschrien hätte.
 

Der Malfoy, erschrocken über sich selbst, machte kehrt und trat aus der Dusche heraus, ehe er etwas unüberlegtes tun oder sagen konnte. Verdutzt sah sie ihm dabei zu, wie er sich ein Handtuch griff und anschließend die Tür hinter sich zuschmiss.
 

Die Zurückbleibende schluckte, als sich ein reißendes Gefühl in ihrer Brust ausbreitete und ihr Tränen in die Augen trieb. Sie schloss die Augen um nicht zu weinen – egal, was sie tat, es war ihm nicht recht. Vielleicht würde diese Angst ihr Leben irgendwann beherrschen.

Sie fühlte sich zurückgewiesen. Dass er so auf ihr Tattoo reagieren würde, auf die Botschaft, die ihm innewohnte, hatte sie nicht geahnt. Sie dachte es sei ihm gleich. Stattdessen machte es ihn wütend.
 

Seufzend schaltete sie das warme Wasser ab und griff sich selbst ein Handtuch, zog es aber vor, in Alices Morgenmantel zurückzukehren.
 

Besagte beugte sich gerade über einen Stapel wichtiger Unterlagen und kritzelte wild auf Pergament herum, als sie ihre beste Freundin bemerkte, die nun noch elender aussah als zuvor. Sie hatte keine Ahnung, was sich gerade zwischen beiden abgespielt hatte, doch dass Scorpius' wutentbrannt die Badezimmertür zuschlug und anschließend seine Zimmertür, bedeutete, dass es hässlich geworden war.
 

„Ich habe ein paar Decken besorgt und Tee gekocht.“, erklärte sie und deutete auf die Couch. Das Mienenspiel der Schulsprecherin ließ nicht vermuten, dass sie sich extrem sorgte. Und dass sie versuchte, sich den Anlass der Auseinandersetzung zusammenzureimen.
 

Sie setzt sich zu ihrer besten Freundin und starrten eine Weile mit ihr gemeinsam ins Kaminfeuer, bis Alice das Schweigen nicht mehr ertragen konnte.
 

„Was ist passiert?“, platzte es aus der Professorentochter heraus. Rose kniff die Lippen zusammen und starrte auf die Teekanne. Schließlich entschloss sie sich, ihnen beiden einzuschenken.

Alice, der Rose eine Antwort schuldig blieb, seufzte und versuchte sich die Sorgenfalte zwischen ihren Augenbrauen glatt zu streichen, während sie fieberhaft überlegte. Gerade als Rose ansetzen wollte, ging Scorpius' Tür erneut auf. Er hatte sich inzwischen angekleidet, doch sein Gesicht war noch immer mürrisch.
 

Wie ein Goldfisch klappte Rose ihren Mund wieder zu und beobachtete seine tigernden Bewegungen aus den Augenwinkeln. Ihre Schultern verspannten sich und ihre Augen füllten sich unbeabsichtigt mit Tränen.
 

„Dann sag du es mir.“, sagte die Schulsprecherin an ihren Kollegen gewandt. „Was ist da gerade passiert?“
 

„Rose wollte sich umbringen, das reicht als Erklärung.“, wich er der neugierigen besten Freundin aus. Noch immer grollte seine Stimme vor Zorn.
 

Dass Rose gerade im Begriff gewesen war, sich das Leben zu nehmen, war ihr nicht entgangen. Umso unverständlicher fand sie es, dass Scorpius die Arme nun so in Terror versetzte.
 

„Wollte ich nicht. Das Eis ist eingebrochen.“, verteidigte sich Rose mit brüchiger Stimme. Die Empörung stand ihr ins Gesicht geschrieben, als sie ihre Arme abwehrend vor der Brust verschränkte.
 

„Nachdem du zum Sterben darauf gegangen bist.“ Scorpius lachte bitter.
 

Rose schnappte nach Luft. „Ich wollte zu dir umkehren, da ist es eingebrochen.“
 

Scorpius sah sie mitleidlos an, was Roses Herz erneut krampfen ließ. Sie fühlte sich schäbig – mit den Nerven am Ende, aufgerieben und rastlos zugleich. Und Scorpius Zorn versprach ihr keine Besserung. Sie konnte die Kraft nicht aufbringen, ihm dieses Mal die Stirn zu bieten.
 

„War das bevor oder nachdem du mir gesagt hast, das du ein Leben mit mir nicht ertragen könntest?“
 

Alice Kopf flog zu Scorpius und betrachtete sein Gesicht. Dass Rose diese Dinge gesagt hatte, verwunderte sie weniger als der Fakt, dass er dadurch so verwundbar war. Es geschah nicht oft, dass er sich so tief in die Seele blicken ließ. Und als habe er ihre Gedanken gehört, senkte er den Blick auf den Teppich und sortierte seinen Gesichtsausdruck. Als er wieder aufsah, war er so aalglatt wie zuvor.
 

Rose konnte sich nicht erinnern, das gesagt zu haben. Dennoch war sie gewillt, es zu glauben. Doch gewiss hatte sie es anders gemeint, als er vermutete. Sie wäre lieber gestorben, als ein Leben an seiner Seite zu fristen, ohne auch nur die Chance darauf, dass er ihr Gefühle entgegenbrachte.
 

„Das meinte ich nicht so.“, sagte sie ruhig.
 

„Das entschuldigt dich nicht.“, konterte er erbost. Da war sie wieder: die beherrschte, unfaire Strenge eines Malfoys. Dass sie auch noch versuchte, sich so leicht aus der Affäre zu ziehen, gab ihm noch mehr das Gefühl... welches Gefühl eigentlich? Abgewiesen zu werden? Egal, es fühlte sich nicht gut an.
 

„Es ist keine Entschuldigung.“, flackerte der Stolz der Weasley auf. „Ich habe es nur nicht so gemeint, wie du denkst.“
 

Rose wandte den Blick ab, bevor er bemerken konnte, dass sie ihre Tränen nicht mehr halten konnte. Dann sah sie zu Alice. Sie wusste, dass ihre beste Freundin verstand, was sie eigentlich zu sagen versucht hatte. Das einvernehmliche Nicken und ihr Schweigen darüber, waren eine Wohltat für die Rothaarige.
 

„Für mich war es eindeutig.“, endete er. Damit hatte er das Thema abgehakt. Ein Malfoy hatte immer das letzte Wort, so stand es in den Regeln des Spiels. Er hatte keine Lust auf Kompromisse und er hatte keine Lust darauf, immer zu vergeben und zu verstehen.
 

Er sah zu Alice, die verlegen aussah. Bei dieser Auseinandersetzung Zeuge gewesen zu sein, war ihr mehr als unangenehm gewesen. Allerdings hätte sie unmöglich zulassen können, dass Rose ihrem Verlobten schutzlos entgegen trat nach einem derartigen Ereignis.

Das schlechte Timing witternd, trat Albus aus Scorpius' Zimmertür. Mit einem bedrohlichen Schwanken beugte er sich über die Couchlehne, um Rose aus nächster Nähe in die Augen zu sehen. Sie rümpfte die Nase, denn er stank nach Whiskey und Zigarettenrauch.
 

„Jede Wette, dass wir das unserer wahnsinnigen Cousine zu verdanken haben.“, hauchte er ihr entgegen. Rose lehnte sich ein wenig weiter von ihm weg.
 

„Welchen Grund hätte sie gehabt?“
 

„Grund?“, lachte Hugo im Hintergrund auf. Wenige Sekunden später erschien auch er im Studierzimmer. Seine Augen flogen mit glasigem Blick zwischen allen Anwesenden hin und her.
 

„Sie gönnt dir nicht einmal die Butter auf dem Brot, geschweige denn Malfoy. Sie denkt, dass ihr freiwillig miteinander zu tun habt und das passt nicht in ihr Weltbild. Vermutlich ist sie sogar der Ansicht, dass man auf diese Weise um einen Mann kämpft.“
 

Sein Blick wurde düster und er sah für einen Moment drei Jahre älter aus. Rose zweifelte keinen Moment daran, dass er – genau wie sie – Lucy verprügeln würde, wenn es darauf ankäme. Rose wunderte sich nur, weswegen er sich ausgerechnet jetzt für seine ältere Schwester interessierte.
 

„Das halte ich für wahrscheinlich. Wir sollten dem nachgehen, bevor sie auf schlimmere Ideen kommt.“, meinte Alice nach einigen Sekunden des Schweigens nachdenklich.

Wenn es stimmte, hatte Lucy keine Skrupel. Gepaart mit ihrer rasenden Eifersucht, ihrem Wahnsinn, ergab das eine tickende Zeitbombe. Fast hätte sie Rose auf dem Gewissen gehabt, eine zweite Chance sollte man ihr gar nicht erst geben.
 

„Ich kümmere mich darum.“ Ohne Zweifel fühlte sich Scorpius dafür verantwortlich. Er hatte Lucy erst in die Position versetzt, sich etwas einzubilden, das nie geschehen würde und ihm verdanke Rose es letztendlich, dass sie fast ums Leben gekommen wäre.

Solche Zeiten erforderten keine Pläne, sondern konsequentes Handeln.
 

*
 

Lily war erschüttert als sie von dem Selbstmordversuch ihrer Cousine hörte. Sie hatte die Situation falsch eingeschätzt. Rose ging es elender mit ihrer Zwangsverlobung, als sie zunächst vermutet hatte. Aus irgendeinem Grund war sie der Ansicht gewesen, dass am Ende die Liebe siegte und nicht die Verzweiflung.
 

Nun hinterließ diese Naivität einen bitteren Beigeschmack.
 

Vielleicht lag es daran, dass sie selbst so ungebrochen glücklich war. Sie war von Nathans und ihrer Verliebtheit geblendet gewesen. Wer konnte es ihr verdenken? Das erste Mal in ihrem Leben hatte sie das Gefühl, dort zu sein, wo sie sein sollte. Im Laufe ihrer Schuljahre hatte sie sich oft mit Jungs verabredet und war zu vielen Schandtaten bereit gewesen, doch dieses eine Mal wollte sie sich Zeit lassen. Es war, als ahnte sie, dass es diesmal etwas mehr war, als einfach nur Spaß.
 

Sie sah ihren Freund an, der neben ihr durch den Hochschnee stapfte. Er schien besorgt zu sein. Vor einer Stunde hatte Albus ihnen gesagt, was vorgefallen war. Vermutlich schlug er sich mit denselben Schuldgefühlen herum, wie sie.
 

Nach endlosen Minuten erreichten sie den See, auf dem tausende Eissplitter schwammen. Scorpius hatte also alles hochgehen lassen. Sie dankte Merlin, dass er die richtige Eingebung zur richtigen Zeit gehabt hatte, sonst wäre Rose vermutlich ertrunken.

Ihr Magen zog sich zusammen.

Wie war sie auf die Idee gekommen, dass es besser wäre zu sterben?

Lily presste ihre Kieferknochen aufeinander bis ihre Zähne knirschten. Sie konnte einfach nicht verstehen, wie man sich für den Freitod und gegen das Leben entscheiden konnte.

Das Leben hatte so viele endlose Facetten – einige waren dunkel, aber viele waren hell. Ihr war es unmöglich zu glauben, dass Rose ihrem Vater und ihrem Bruder das angetan hätte.

Vor allem nicht nach dem frühen Tod Tante Hermines.

Ihre Cousine hatte sich immer als die einzige Frau im Haus bezeichnet und in den Ferien den kompletten Haushalt geschmissen, um ihren Vater zu entlasten. Allein dies war Zeichen genug, wie verantwortlich sie sich fühlte.
 

„Ich würde Draco Malfoy am liebsten verprügeln. Das ist nur wegen diesem infamen Mistkerl passiert.“, bebten ihre Lippen. Es war das erste Mal seit fünf Minuten, dass sie gesprochen hatte. Nathan ließ die Luft in kleinen Dampfwölkchen vor seinem Mund aufsteigen. Die Hände hatte er in seinen Manteltaschen vergraben.
 

„Rose leidet nicht allein.“, setzte er hinzu. Doch Lily schüttelte nur eifrig die Mähne.
 

„Aber Scorpius wollte sich nicht umbringen. Ich dachte wirklich, dass nach Silvester die Fronten geklärt wären.“ Der Frust in ihrer Stimme ließ ihre Töne überschnappen. Nathan nahm ihre Hand in seine und drückte sie kurz.
 

„Albus betrinkt sich zu jeder möglichen Uhrzeit, Alice ist wieder mannstoll, Rose wollte sich umbringen und Scorpius – keine Ahnung wie er leidet, man merkt ihm nichts an.“, fuhr sie fort. Sie verschränkte die Finger mit denen ihres Freundes und wandte sich zu ihm um.
 

„Wir lagen eben falsch mit unserer Annahme, Silvester hätte es Klick gemacht.“, sprach Zabini geduldig. „Es ist nicht unsere Schuld, dass es sich diese Idioten in ihrem Elend bequem machen.“, versicherte er ihr. Lily nickte langsam, obwohl sie die Verantwortung für das Glück ihrer Liebsten nicht so einfach von sich weisen konnte, wie Nathan es von ihr verlangte.
 

Lily besann sich auf ihr Vorhaben und zückte den Zauberstab. „Accio Verlobungsring!“ Zunächst hatte sie das Gefühl, dass sich gar nichts regte, doch nach ein paar Sekunden konnte sie in der Mitte des Sees einen goldenen Schimmer ausmachen, der auf sie zugeflogen kam. Nathan fischte es aus der Luft, als die Kette samt Anhänger das Ufer erreichte und ließ ihn in seiner Manteltasche verschwinden.
 

„Alles, was wir für sie tun können, ist, für sie da zu sein, wenn sie uns brauchen. Mehr steht nicht in unserer Macht.“, sagte er im väterlichen Tonfall und zog Lily hinter sich her zum Schloss zurück.
 

*
 

Alice seufzte, als sie Albus über der Toilette hängen sah. Wie konnte man sich so früh am Tag schon so betrinken? Dass er vor allem ihre Toilette vollkotzte, störte sie. Und überhaupt störte es sie, dass er sooft im Wohnbereich der Schulsprecher war. Es war ihr einziger Rückzugsort und selbst hier war sie vor seiner Anwesenheit nicht sicher.

Ein weiterer Schwall schallte durch den Raum.

Die Schulsprecherin sah zu Hugo, der ebenfalls wie ein Häufchen Elend dasaß und ins Feuer starrte. Wahrscheinlich bereute er bereits, sich mit Albus betrunken zu haben. Doch Hugo war entschuldigt, da ihm vor wenigen Stunden der Verlust seiner Schwester gedroht hatte, nachdem er schon seine Mutter zu früh zu Grabe getragen hatte.
 

„Albus – ich hoffe das wischt du danach auch wieder auf.“, rief sie.
 

Sie schlenderte hinüber zu Rose und Scorpius, die noch immer schweigend nebeneinander saßen, ohne ein Wort miteinander zu wechseln. Das lästige Gefühl der Sorge flammte in der Professorentochter auf. Wahrscheinlich waren sie und ihre beste Freundin die einzigen in diesem Raum, die wussten, wie es gemeint war. Doch dieses Missverständnis ließ sich nicht aus der Welt schaffen, wenn Rosie ihr Gesicht vor Malfoy wahren wollte.
 

Sie ging zu ihrem Schreibtisch und zog eine Schachtel Zigaretten aus dem Schubfach. Mit einem leisen Klacken ihres Feuerzeugs, entzündete sie die Glut, dann nahm sie einen tiefen Zug und ließ ihn in einer riesigen Rauchwolke wieder ausströmen.
 

Ihre beste Freundin wollte sich umbringen.
 

Die Erkenntnis war noch nicht in ihrem Großhirn angekommen, doch schon jetzt wusste sie, dass sie in der Nacht vor Sorge kein Auge zu bekommen würde, so lange nicht geklärt war, inwiefern diese Idee aus Rose selbst kam und zu welchen Teilen ein eventueller Fluch daran Schuld war.

Sie stand eigentlich in der Pflicht ihrem Vater davon zu erzählen, denn es handelte sich hier um einen Selbstmordversuch und vermeintlich um versuchten Mord. Das war kein Kavaliersdelikt und Lucy schien mit großer Wahrscheinlichkeit geistesgestört zu sein. Als hätten sich ein paar Drähte in ihrem Kopf gelöst und einen Kurzschluss erzeugt, als sie den Kuss zwischen Scorpius und Rose beobachten musste.
 

Doch Alice konnte es ihrem Vater nicht erzählen, weil sie dann auch erzählen musste, welche Motive Lucy haben könnte. Sie hatte Stillschweigen versprochen, als Rose ihnen damals beim Flaschendrehen die Wahrheit eröffnet hatte. Alice lächelte schmal – es kam ihr vor, als sei es Jahre her gewesen, seit sie das letzte mal so ausgiebig gelacht hatten und albern waren.

Wann hatte das Erwachsenwerden angefangen? Sie hatte keine Ahnung.
 

Endlich traten Lily und Nathan ein. Beide hatten rote Nasen und sie hielten Händchen, wie es verliebte Teenager taten, die sie waren. Aus irgendeinem Grund fand Alice das kindisch.
 

Gerade als sie die Tür schlossen, übergab sich Albus ein weiteres Mal. Seine jüngere Schwester rümpfte die Nase und blickte zur Badezimmertür. Nathan besann sich auf seine Aufgabe als bester Freund und trat in die Höhle des Löwen, um Albus beizustehen. Vorher warf er Alice noch den Ring zu.

Nachdenklich betrachtete sie das billige Stück, bei dem Rose regelmäßig nostalgisch wurde. Es war einer dieser verstellbaren Ringe mit einem Plastiksteinchen. Dafür hatte Scorpius nicht einmal eine Galleone ausgegeben. Ihr kam eine Eingebung, als ihr der Geruch von verbranntem Plastik in die Nase stieg.
 

Morgana hatte ihn Rose zurückgegeben, nachdem Lucy ihn hatte mitgehen lassen.
 

„Der Ring war es.“, sagte sie in die Stille hinein. Nur das Knistern des Feuers war zu hören, dann wandten sich alle Anwesenden fragend zu ihr um.
 

„Es hat angefangen, seit du den Ring wieder hast. Lucy hat ihn dir Silvester entwendet.“, fuhr Alice an Rose gewandt fort.
 

Diese Erklärung war einleuchtend und zaghaft nickte die Weasley.
 

„Und beheben wir dieses Problem?“, fragte Scorpius.
 

„Gar nicht. Wir zerstören ihn und hoffen, dass es damit aufhört.“ Ihre Stimme war entschlossen. Es war nicht möglich, mit Lehrern darüber zu sprechen, insbesondere nicht mit ihrem Vater, weil er ein guter Freund der Familie war. Sie wollte Rose davor bewahren, noch weiter im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen. Hogwarts tuschelte immer noch hinter vorgehaltenen Händen, was das mit dieser Malfoy-Weasley-Kombination auf sich hatte.
 

Alice sah auf und bemerkte, dass Rose alle Farbe aus dem Gesicht gewichen war und ihre Augen matt wurden. Auch wenn es ihr Gesicht nicht verriet, hing ihr Herz an diesem wertlosen Schmuckstück. Hilflos sah sie zu Scorpius, der nur mit den Schultern zuckte.
 

„Ich kann dir einen neuen kaufen.“, schlug er Rose vor. Es verletzte sie, dass er annahm, das das ausreichen würde, um sie glücklich zu machen.
 

Die Weasley schüttelte ihr rotes Haar energisch, dann verschränkte sie die Arme vor der Brust. Ihr Kinn zitterte und alles an ihrer Haltung verriet, dass sie einem zweiten Nervenzusammenbruch gefährlich nahe war.
 

„Ich möchte keinen neuen.“
 

Scorpius riss der Geduldsfaden. „Das Ding hätte dich fast dein Leben gekostet.“ Und seines noch dazu, ergänzte er gedanklich, als er daran dachte, ihr hinterher gesprungen zu sein. Er hätte genauso gut bei dem Versuch, sie zu retten, ertrinken können.

Rose hörte seine Ermahnung, doch sie reagierte nicht, sondern blieb eisern. Bis zu einem gewissen Punkt konnte er nachvollziehen, dass sie sich an diese gute Erinnerung klammerte – gerade weil in den letzten Monaten alles so kompliziert geworden war – doch Lucy hätte sie damit fast ermordet. Man konnte keine derart schwarzmagischen Flüche von einem Gegenstand bannen; alles, was man tun konnte, war, den Ring zu zerstören.
 

Alice blies ihren Rauch aus, während der Raum wieder diese Art Schweigen versank, das immer weiter anschwoll. Sie musste fast Lachen, als sie sich fragte, ob das die Bilanz des letzten Halbjahres war. Die Mädchen waren wirklich erfolgreich darin gewesen, alles Gewesene im Nachgang zu zerstören. Nur um sich nun in einer festgefahrenen Situation zu befinden, die eine von ihnen fast das Leben gekostet hätte.
 

*
 

Es war fast Mitternacht, als sich die Gruppe der sieben eingeweihten Schülern aus dem Schloss schlich. Ihre Mienen waren entschlossen, Rose und Scorpius fröstelten immer noch, doch als sie einen Kreis in den Schnee unter der Eulerei geschmolzen hatten, zückte jeder seinen Zauberstab. Alice zog den Ring an seiner Kette aus ihrer Jackentasche und warf ihn zielgenau in die Mitte. Sie sah zu ihren Mitstreitern und bemerkte, dass Nathan und Lily sich an den Händen hielten. Ein gemeinschaftliches Nicken folgte.
 

„Bereit?“, fragte sie.
 

Sie richteten ihre Zauberstäbe auf den Ring. Wenn etwas mit einem derart starken Fluch belegt war, brauchte es die Zauberkraft jedes einzelnen, um ihn zu zerstören.
 

„Auf drei.“ Alice zählte langsam von Null aufwärts, während die Gruppe ihre Zauberstäbe bei zwei zusammen hoben.
 

Reducio!“, schmetterten sie unisono durch die Nacht. Die Gemäuer der Schule warfen den Hall mehrfach zurück und blaue Blitze trafen auf den schmale Objekt. Die geballte Zauberkraft, ließ die kleine Kugel um den Ring herum implodieren, bis nichts mehr davon übrig blieb.
 

Erleichtert atmete Lily aus. Endlich hatte dieser Spuk ein Ende. Rose schluckte leise und wandte sich als erste ab. Sie hatte das Gefühl, dass ihr ein Organ fehlte, nun, da sie nichts mehr hatte, an das sie sich erinnern konnte und das ihr die Kraft gab, nicht den Mut zu verlieren.

Alleine lief sie zurück zum Eingang und ließ eine betretene Gruppe zurück, die ihr nachsah.
 

„Du solltest ihr einen neuen kaufen“, sagte Albus an seinen besten Freund gewandt. Scorpius nickte – sein Blick hatte sich verdunkelt.
 

„Tu es nicht, Scorpius.“, sagte Alice barsch. „Diese Trauer ruft nicht der Ring hervor, sondern ein Mangel an anderen positiven Erinnerungen.“
 

Sie holte Luft für die nächsten, für sie sehr wichtigen Worte: „Du hast dir nicht gerade Mühe gegeben.“
 

Hugo räusperte sich. Die Kälte tat seinem schwirrendem Schädel gut. Langsam kehrte sein Verstand zurück. „Es ist vielleicht auch ein bisschen viel verlangt, Alice. Scorpius Leben wurde ebenso in die Waagschale geworfen.“
 

Roses Bruder war gerne bereit, Verständnis aufzubringen. Diese Situation war für niemanden einfach, dessen war er sich trotz seines Alters mehr als bewusst. Jede Medaille hatte zwei Seiten.
 

Was ihm wesentlich mehr am Herzen lag, war etwas anderes:
 

„Wir müssen ein Auge auf sie haben. Es ist möglich, dass dieser Fluch nur ihre wahren Gefühle verstärkt hat.“, sagte er schließlich.
 

*
 

Auch wenn Rose das Gefühl hatte, ihr sei nun alles genommen, was sie je als wertvoll erachtet hatte, fühlte sie sich von Stunde zu Stunde besser. Als sauge ihr jemand das Gedankengift aus den Venen.

Am nächsten Morgen saß sie mit roten Wangen und leicht erhöhter Temperatur am Frühstückstisch bei einer Schüssel Cornflakes. Ihre besten Freundinnen und ihr Bruder saßen ihr gegenüber. Hugo vergrub sein Gesicht in den Handflächen, als versuche er jede Reizüberflutung zu verhindern. Seine Schwester grinste schadenfroh und stieß ihm aufmunternd mit dem Ellenbogen in die Seiten. Es war wahrscheinlich der schlimmste Kater, unter dem Hugo je zu leiden hatte.
 

Cameron Finnigan kam vom Tisch der Hufflepuffs zu ihnen geschlendert und ließ sich gegenüber Alice nieder, die ihn überrascht ansah. Als habe sie sich eben erst daran erinnert, dass es ihn auch noch gab.
 

Rose und Lily wechselten verschwörerische Blicke, bis Lily anfing zu kichern. Rose bebte mit den Schultern, als sie Alice neuen Verehrer sah. Sie blickten beide zu Albus, der vor Schreck aufgehört hatte, zu essen und nur zu ihnen hinüber sah.
 

„Machst du mit mir nach der Schule einen Spaziergang?“, fragte er.
 

Alice versuchte Zeit zu schinden und nahm einen großen Schluck schwarzen Tee, den sie fast wieder in die Tasse gespuckt hätte, weil sie sich die Zunge daran verbannte. Ärgerlich bemerkte sie die Bläschenbildung. Dann sah sie zwischen ihren Freundinnen hin und her, die beide aufmunternd nickten. Lily zwinkerte sogar ermutigend.
 

„Klar, wieso nicht?“, sagte sie schließlich.
 

Er wirkte erleichtert und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. Aus irgendeinem Grund hatte er mit mehr Kontra gerechnet, da Alice wieder einige Zeit mit Albus verbracht hatte. Er hatte schon befürchtet, dass sie sich wieder umentschieden haben könnte.
 

„Super.“ Er erhob sich und verließ sie Gruppe mit beschwingten Schritten.
 

Ein Eulenschrei ertönte kurz darauf und kündigte die Post an. Die Blicke aller Anwesenden gingen in Richtung Decke, wo eine Vielzahl an Vögeln durch schmale Schneisen im Gemäuer herein flogen. Einige trugen kleinere Päckchen von Verwandten, andere Zeitungen und wieder andere hatten einen Brief an den Fuß gebunden bekommen.
 

Rose erwartete nicht, dass etwas für sie kam. Doch dann erregte etwas Ungewöhnliches ihre Aufmerksamkeit, als eine fast zahllose Masse an Eulen hereinkam. Drei Vögel auf einmal trugen einen Kleidersack herein, dann noch einen und noch einen – insgesamt fünf Stück. Ihr lief es eiskalt den Rücken hinab, als sie auf sie zuflogen. Alice, geistesgegenwärtig, nahm die ersten beiden Kleidersäcke, Lily nahm die nächsten und Rose nahm das letzte, wohl voluminöseste Sonderpaket an. An einer der Eulen befand sich ein Brief, der an sie adressiert war.
 

Liebe Rose,
 

ich hatte Sorge, dass wir es zeitlich nicht mehr schaffen. Die meisten Kleider müssen geändert werden. Ich habe die schönsten rausgesucht, also bitte probiere sie an und schick mir die anderen zurück. In den Osterferien gehen wir zum Änderungsschneider.
 

Liebe Grüße,
 

Astoria.
 

Der Weasley wich jegliche Farbe aus dem Gesicht, als Alice dabei war, einen der Säcke zu öffnen. Hastig riss sie es ihr aus der Hand und zog den Reißverschluss wieder nach oben, um das darunter lauernde Weiß zu verstecken.
 

Alice sah Rose vielsagend an. Auch ihr stand die Überraschung ins Gesicht geschrieben. Als sie bemerkten, dass sie beobachtet wurden, war Alice die erste, die angemessen reagierte:
 

„Rose“, rief sie, sodass es genug Schüler hören konnten und der Rest sich wie ein Lauffeuer verbreiten konnte, „endlich kommen die Kleider für den Abschlussball!“
 

Ihrer besten Freundin stand die Erleichterung ins Gesicht geschrieben. Sie lächelte sie dankbar an, dann schnappten sich die Mädchen die Säcke und verließen die Große Halle, um das Gefahrengut angemessen zu verstecken.
 

Auf dem Weg in die nächste Etage beschlossen sie, dass die Kleider im Geheimen Clubraum wohl am besten aufgehoben wären. Bei dieser Gelegenheit sah Alice gleich nach ihren heißgeliebten Pflanzen.

Von Glück und Bequemlichkeit.

Liebe Leser,
 

ich begrüße euch zu diesem wieder sehr lang geratenen Kapitel. Aber ich habe es nicht übers Herz gebracht, zu kürzen oder zu trennen, deswegen viel Spaß beim durchkämpfen. Ich persönlich mag es ja sehr und meine Lieblingsszene kommt darin auch vor, deswegen bibbere ich eurer Meinung entgegen.
 

Außerdem danke ich noch einmal Dahlie, die mich immer wieder ermutigt.
 

Liebe Grüße,
 

Darki.
 

Vorhang auf und: Ta, ta!
 


 


 

Kapitel 15

Von Glück und Bequemlichkeit.

*

Wir geben mit großer Freude bekannt,

dass sich unser Sohn

Scorpius H. Malfoy mit Rose Weasley

verlobt hat.

Es freut sich,

die Familie Malfoy.

*
 

Roses Nerven waren zum Zerreißen gespannt, als sie nach dem Zaubertankunterricht vor der Tür wartete, um ihre Cousine abzufangen. Sie hatte niemandem erzählt, dass sie vorhatte Lucy zur Rede zu stellen. Nicht einmal Alice hatte sie es gewagt zu sagen, aus Angst sie könne sie daran hindern.

Lucy hatte versucht sie umzubringen, persönlicher ging es nicht.

Die Weasley sah sich in der Lage ihre Probleme allein zu lösen. Die Zeiten in denen sie die anderen mit ihren Problemen belastete, sollten ein Ende finden und genau aus diesem Grund, war sie hier.

Als sie Kinder gewesen haben, hatten sie sich immer gehasst. Seelische und körperliche Gewalt standen an der Tagesordnung. Nun wollte Rose nicht mehr in Angst vor Lucys nächsten Anschlag leben. Aus ihrer Verantwortung Scorpius zu heiraten, konnte sie nicht fliehen und ihre Cousine musste das akzeptieren.

Denn obwohl sie Lucys Taten nicht verzeihen konnte, ebenso wenig im Stande war, ein gutes Haar an ihr zu finden, hatte sie ihre Rivalin zu keiner Sekunde für dumm gehalten. Es musste also eine Möglichkeit geben an ihre Vernunft zu appellieren.

Lucy kam als letzte aus dem Raum, weil sie sich mit ihrem Hauslehrer angelegt hatte. Grund dafür war ein Annehmbar im letzten Test gewesen. Als die Dunkelhaarige ihre rothaarige Cousine erkannte, machte sie einen Satz zurück und hatte ihren Zauberstab in der Hand. So schnell konnte die Gryffindor gar nicht reagieren, schon bohrte sich die Spitze des Stabes zwischen ihre Rippen.

„Was willst du?“, fragte Lucy. Sie kniff die Augen zusammen und musterte Rose, als sei sie ein besonders abartiges Geschöpf Merlins. Astorias Verlobungsannonce im Tagespropheten gab Anlass genug dazu. Und natürlich hatte es Lucy nicht überhören können, da die ganze Schule davon redete. Rose selbst hatte diese Anzeige genauso kalt erwischt, wie Scorpius, der noch immer nur das Nötigste mit ihr redete. In Anbetracht dieser Umstände hätte sie ihr Vorhaben fast verworfen, doch dann hatte sie sich ein Herz gefasst. Nun, da die Katze aus dem Sack war, kam sie sich noch unsicherer vor, als sonst. Und stellte fest, dass es vielleicht doch keine sehr gute Idee gewesen war.

„Mit dir reden, mehr nicht.“, sagte Rose mit zitternder Stimme und nahm die Hände nach oben, um zu demonstrieren, dass sie in friedlicher Absicht kam.

„Ich wüsste nicht, was wir zu bereden hätten.“ Lucy nahm den Zauberstab herunter und Rose ließ die Arme wieder fallen. Doch ihre Hand schwebte gefährlich nahe über ihrem Zauberstab unter ihrem Umhang.

„Du hast versucht mit umzubringen.“ Rose bemühte sich um eine feste Stimme. Sie wollte es nicht wie eine Frage klingen lassen, weil sie es wusste.

„So, so.“ Ihre Stimme war arrogant. Die Slytherin reckte streitlustig ihr Kinn, sie schien sich keiner Schuld bewusst zu sein. Rose ließ langsam die Luft ausströmen, als ihre Cousine nicht einmal versuchte, einen Hehl daraus zu machen. Sich noch nicht einmal versuchte aus der Affäre zu ziehen.

„Wir haben den Ring zerstört.“, antwortete sie nur.

Lucy wollte gehen, weil sie für nichts garantieren konnte, seit sie diese verfluchte Annonce gelesen hatte – zu entrüstet war sie über die Vorstellung, dass ihr Scorpius einen Ring anstecken wollte, doch Rose hielt sie am Handgelenk davon ab. Sonnenscheinchen würde sich noch wünschen, das nicht getan zu haben.

„Fass mich nicht an, Miststück!“ Ihre Stimme war nur noch ein Fauchen, als sie sich aus ihrem Griff riss und gefährlich anfunkelte. Sie hielt es noch immer für ein Spielchen, das Scorpius mit ihr trieb, wobei die Anzeige im Propheten fast schon etwas zu weit ging. Nur in manchen Sekunden drängte sich ihr der Gedanke auf, dass es vielleicht der Wirklichkeit entsprach.

„Wieso tust du das?“, verlangte Rose zu erfahren. Ihr Blick machte unmissverständlich klar, dass sie sie nicht ohne eine Antwort gehen lassen würde.

„Warum?“ Lucy zog eine schmal gezupfte Augenbraue in die Stirn. In ihren Augen funkelte es irre und das schiefe Lächeln in den Mundwinkeln verriet sie als Psychopathin, die kurz davor stand die Kontrolle über sich zu verlieren. Etwas, mit dem sie schon seit Monaten kämpfte.

„Du hast mir alles weggenommen, was ich habe. Merlin, sogar mein Vater mag dich mehr als mich.“, begann sie. Ihre Stimme bebte vor Zorn. „Ich hab mich nie beschwert, dass dich jeder mehr mochte als mich, Sonnenschein. Aber als du angefangen hast mit Scorpius anzubandeln, hast du einen Krieg heraufbeschworen.“ Sie warf sich ihre dunkelbraunen Haare über die Schulter.

„Ihr wart schon getrennt.“ Roses Stimme war nüchtern.

Die Slytherin holte aus und gab ihr eine Ohrfeige, die ihren Kopf herumfliegen ließ. Rose schluckte, dich sie wehrte sich nicht. Ohnehin war sie viel zu geschockt für den ungerechten Ausbruch ihrer Feindin.

„Aber wir haben uns immer wieder versöhnt! Es war von Anfang an klar, dass ich Scorpius heiraten werde!“, schrie sie zurück.

„Das ist jetzt vorbei, Luce.“ Roses Stimme zeugte noch immer von gefährlicher Ruhe. Sie hatte nicht vergessen, dass ihre Cousine gewalttätig werden konnte, wenn sie das wollte. Noch immer spürte sie den äußerst schmerzhaften Tritt zwischen ihren Beinen, wenn sie an Silvester dachte.

„Du kannst dich entscheiden, ob du weiter tobst oder ob du mir verzeihst.“, fügte sie hinzu. Sie stieß sich von der Wand ab und kam Lucy einen Schritt näher.

„Fakt ist, dass er zu mir stehen wird.“ Wenn auch unfreiwillig, ergänzte sie gedanklich.

Ihre Cousine holte noch einmal zum Schlag aus und noch einmal steckte Rose ein. Doch offensichtlich reichte es nicht, um ihre Gefühle in die richtigen Bahnen zu lenken. Roses nachsichtiges Lächeln interpretierte sie als Häme.

Das reichte, um das Fass zum Überlaufen zu bringen.

Von einem Moment auf den nächsten war es, als hätte Lucy Weasley ein zweites Gesicht bekommen. Ihre Mundwinkel zogen sich nach unten, ihre Augenbrauen zusammen und ihr Gesicht wurde rot.

„Ich bring dich um!“, schrie sie und ein wahnsinniges Lachen klirrte mit Kälte durch den Raum. Sie zückte erneut ihren Zauberstab, doch diesmal war Rose schneller.

„Avad-!“, schrie die Slytherin. Roses Augen weiteten sich vor Überraschung.

„Expelliarmus!“, ertönte es in dem Moment hinter Rose, als sie schon den Tod auf sich zueilen sehen konnte. Der Zauberstab flog zum Ursprung der Störung. Die Mädchen wirbelten herum und erkannten Scorpius Malfoy zusammen mit Neville Longbottom. Der Schulleiter fing den Zauberstab geschickt auf, doch er war zu geschockt, um etwas zu sagen. Noch nie hatte es jemand gewagt, in Hogwarts zu morden, der kein Todesser war.

Langsam ließ Rose den Stab sinken. Wie lange standen sie dort? Was hatten sie gehört?

„Miss Weasley, in mein Büro!“, schrie Neville Lucy an, die erschrocken zusammenzuckte. Verwirrt sah sie zwischen allen Anwesenden hin und her, als habe sie nicht verstanden, was sie soeben im Begriff war zu tun.

Doch die Geduld, bis sie zu ihrer Besinnung fand, wies der Schulleiter nicht auf. Er machte einen beherzten Schritt auf sie zu und zog sie unliebsam am Arm mit sich mit. Lucy jaulte auf, doch sie wehrte sich nicht weiter.
 

*
 

Rose, der der Schock noch tief in den Knochen saß, lehnte sich mit aufgerissenen Augen an die Wand bis ihre Knie nachgaben und sie zu Boden rutschte. Den Zauberstab hielt sie fest umklammert – ihr Gesicht war weiß bis auf ihre Wangen, die von den Schlägen rot glühten.

Sie erwartete, dass Scorpius sie nun anschrie, wie er es vor einigen Tagen gemacht hatte, doch er sagte nichts, sondern blieb einfach stehen. Wer hätte denn damit gerechnet, dass Lucy in der Lage war, einen Unverzeihlichen Fluch auszusprechen? Eigentlich hatte sie nur vorgehabt, sie zur Rede zu stellen.

Scorpius seufzte und setzte sich neben sie in den Staub. Eine unendliche Zeit lang schwiegen sie sich an.

„Wieso wart ihr hier?“, fragte sie nach einer Weile mit brüchiger Stimme.

Scorpius ließ sich einige Zeit mit der Antwort. Er hatte ein ungutes Gefühl gehabt – schon den ganzen Tag. Doch trotzdem war es nur Zufall, dass sie Roses Leben ein weiteres Mal retten konnten.

„Im Klassenraum für Zaubertränke gibt es einige Mängel für die Professor Longbottom ein paar Galleonen zur Verfügung stellen soll.“, erklärte er.

Rose schloss für einen Moment die Augen. Sie war innerhalb einer Woche zweimal haarscharf dem Tod entkommen und ein weiteres Mal wollte sie den Fährmann nicht herausfordern.

„Wann hört das endlich auf, Scorpius?“

Der Slytherin schwieg in Ratlosigkeit.
 

*
 

Die Sanitäter der Abteilung Seelenleiden des St. Mungos kamen in zivil, um kein Aufsehen zu erwecken. Sie nahmen die verstörte Lucy Weasley mit sich, was sich trotz der Diskretion wie ein Lauffeuer in Hogwarts verbreitete. Rose hatte inzwischen die wildesten Spekulationen gehört.

Sie saß an der langen Tafel der Gryffindors und bekam kaum einen Bissen hinunter. Alice und Lily, die inzwischen bestens über den Vorfall mit ihrer Cousine informiert waren, schwiegen schockiert.

Und der Terror hatte nahm dennoch kein Ende.

Rose hätte wirklich gewünscht, sie hätte Astorias letzten Brief, der eine Warnung vor der morgendlichen Zeitung enthielt, gelesen. Als sie ihn aber erhalten hatte, waren ihr ganz andere Gespenster durch den Kopf geschwirrt. Und nun bohrte die gesamte Schülerschaft ihren Blick in den Rücken der Gryffindor, die für mehr Aufsehen gesorgt hatte, als Lucy es je vermocht hätte. Ein Umstand, der ihre Cousine wohl zusätzlich aufgebracht hätte.

Die Fragen, die sie sich stellten, waren einfach. Wann war Malfoy mit Weasley zusammengekommen? Und warum zum Henker waren ausgerechnet die Erzfeinde ein Paar geworden? Hinzu gesellten sich weltanschauliche Konflikte, wie man in einem solchen Alter schon heiraten wollen könne oder wieso nur die mächtigen Familien Englands zusammenhielten.

Den meisten Antworten konnte Rose bisher aus dem Weg gehen, doch Scorpius, der gerade am gegenüber liegenden Tisch sichtbar gelöchert wurde, schien kein derartiges Glück vergönnt gewesen zu sein.

Die offizielle Version war an Kitsch nicht zu übertreffen und würde wohl einiges an ihrem Auftreten in Hogwarts Öffentlichkeit verändern: Zusammengekommen seien sie Halloween. Und beide seien sich so sicher, die Große Liebe endlich gefunden zu haben, dass sie nicht zögerten sich Neujahr – zu Scorpius' Geburtstag – zu verloben. Den Termin verrieten sie allerdings nicht, da sonst „die Überraschung“ verdorben sei.

Rose bekam langsam ein Gespür dafür, was es hieß prominent zu sein und mit der Privatsphäre zu bezahlen.

Ein anderes Problem, dass sich ihr stellte, war David Jordan. Noch hatte er sich über diese vermeintliche Täuschung nicht geäußert, doch er beobachtete sie die ganze Zeit vom anderen Ende des Tisches aus. Um ihn herum bildeten seine Freunde eine Trauergemeinde, um dem Gryffindor beizustehen und Rose für dieses Spielchen zu verfluchen.

Wäre sie darauf vorbereitet gewesen, hätte die offizielle Version vielleicht anders ausgesehen. So war sie nun aus dem Moment heraus geboren worden ohne an die Konsequenzen gedacht zu haben.

Rose war sich bewusst, dass es ab diesem Moment mit ihrer Freiheit vorbei war. Man würde sie nun nur noch in einem Atemzug mit Scorpius nennen und sie auf jeden Schritt und auf jeden Tritt beobachten.

Lily seufzte als erste, als sie die Blicke und das Tuscheln der anderen bemerkt hatte. Alice folgte ihr nur eine Sekunde später, dann betrachteten sie ihre gemeinsame Freundin.

„Irgendwann wird es ihnen zu langweilig. Es ist nur eine Frage der Zeit, Rosie.“

Doch das war es nicht, was die Gryffindor zermürbte.

Es war Scorpius, der wider Erwarten nicht zu ihnen gekommen war als sie zum Abendessen in die Große Halle kamen. Fast kam es ihr so vor, als wolle er sie bestrafen dafür, dass seine Mutter an die Öffentlichkeit getreten war. Oder dafür, dass sie mit ihrem Leben gespielt hatte. Schon wieder.
 

*
 

Ihre selbstquälerischen Gedanken hielten jedoch nicht lange an, dafür sorgten ihre besten Freundinnen. Seit Rose die Nächte wieder Schlaf gefunden hatte, kehrte ihre gute Laune zurück, selbst dann wenn sie immer wieder auf die Probe gestellt wurde. Sie blendete für ein paar Tage aus, dass sie am Ende dieses Schuljahres verheiratet sein würde und genoss die Zeit mit Alice und Lily.
 

Es war schon spät am Abend und ihre Freundinnen waren gelöst, nachdem sie den Nachmittag mit Hausaufgaben verbracht hatten.

Alice ließ sich auf das Kanapee des Clubraumes fallen und kramte eine Pfeife aus ihrer Umhangtasche. Sofort machte sie sich geschäftig daran, alles vorzubereiten. Es war eine Wohltat in Roses Augen, ihre beste Freundin wieder mit Lebensmut zu sehen. Der Weasley kam es vor, als strotzte sie nur so vor positiver Energie und Lebensfreude. Seit dem Albus-Drama hatte sie nicht mehr so befreit gelacht, wie in diesem Augenblick.

Lily ging zu den Kleidersäcken, die an Bügeln auf den Rahmen der Portraits hingen. Mit einem lauten Surren öffnete sie die Reißverschlüsse.

„Wow.“, sagte sie sprachlos. Rose kam zu ihr und musterte neugierig die Auswahl.

„Deine künftige Schwiegermutter hat Geschmack.“, sagte nun auch Alice und entzündete die Friedenspfeife mit der Zauberstabspitze.

Sie hatte es sich immer schrecklich vorgestellt, diese Kleider anprobieren zu müssen und es lange genug herausgezögert. Doch nun fühlte sie sich wie ein kleines Mädchen im Spielzeugladen. Das hatte sie nur ihren Freundinnen zu verdanken und Rose liebte sie dafür.

Inzwischen bereute sie es keine Sekunde, ihnen von diesem Schwur erzählt zu haben – sie halfen ihr über die bedrückende Trauer über ihre verlorene Zukunft hinweg.

Alice nahm einen Zug und ließ den Qualm in einer lasziven Geste zwischen ihren Lippen hervorquellen. Schließlich erhob sie sich wieder und gab Rose den nächsten Zug.

Sie gab sie an Lily weiter und befreite anschließend das erste Kleid aus dem grauen Kokon.
 

Rose sog scharf die Luft ein, als sie den fließenden Stoff weißer Seide in den Händen hielt. Langsam ließ sie sie wieder ausströmen. Sie hatte plötzlich das Gefühl weinen zu müssen, weil es so schön und so kostbar war. Einen Moment kam ihr der Gedanke, dass sie es gar nicht verdient hatte, solch etwas schönes zu tragen.

„Man heiratet nur einmal im Leben.“, sagte Alice, die Roses Blick bemerkt hatte. Langsam nickte ihre beste Freundin und schluckte.

„Worauf wartest du noch?“, fragte Lily ungeduldig und stützte sich auf die Lehne des Kanapees.

Ein spitzbübisches Grinsen lief über Roses Gesicht. Sie schmiss ihren Umhang von sich, öffnete mit geübten Fingern die Knöpfe ihrer Bluse, zog ihren Rock aus, bis sie nur noch in Unterwäsche vor ihnen stand. Aufmunternd nickten ihre Freundinnen.

Alice nahm das Kleid vom Bügel und reichte es ihrer besten Freundin als sei es das wertvollste, das sie je in Händen gehalten hatte. Dann half sie ihr hinein zusteigen, was sich als schwieriger herausstellte, als es aussah. Rose hielt die Luft an, bis Alice verschiedene Häkchen und Reißverschlüsse geschlossen hatte.

Schließlich drehte sie sich um und schlug die Hände vor den Mund, als sie sich im großen Spiegel ansah, den Lily aus dem Raum der Wünsche mittels Schrumpfzauber hergebracht hatte.
 

Sie hatte sich nie vorgestellt, wie sie zu ihrer Hochzeit aussehen würde. Nicht einmal, als sie ein ganz kleines Mädchen gewesen war. Ja, nicht einmal, als sie ehrfürchtig über das perlenbestickte Hochzeitskleid ihrer Mutter gestreichelt hatte – zu besorgt darüber, es kaputt zu machen, um es heimlich anzuziehen.

Die Mädchen waren verstummt.

Die erste, die eine Träne in den Augen hatte vor Ergriffenheit, war Alice, nicht etwa Rose. Stürmisch drückte sie ihre beste Freundin an ihren Busen und umarmte sie so fest sie konnte.

„Diese Hochzeit ist zwar Eulenscheiße, aber du wirst verdammt noch mal die schönste Braut aller Zeiten sein.“, flüsterte sie in ihr Haar. Verblüfft schloss Rose die Arme um die zierliche Gestalt der Professorentochter.

„Ich glaube dieses Kleid nehme ich.“, sagte Rose.

Alice löste sich von ihr. „Nein, erst ziehst du die anderen an.“

Ihr Ton ließ keinen Zweifel daran, dass sie sie nicht eher gehen ließ, bis sie alle gesehen hatte. Der künftigen Braut blieb keine andere Wahl, als sich dem mütterlichen Stimmklang zu ergeben.
 

Nachdem Rose sich aus ihrem ersten Kleid geschält hatte, und das nächste anzog, löste sich die Stimmung wieder, denn es war ein Meer aus Tüll und Rüschen. Wieder war es Alice, die Tränen vergoss. Diesmal vor Lachen.

„Damit auf die Toilette zu gehen, wird schwierig.“, kommentierte sie. Rose kicherte bei der Vorstellung und drehte sich im Kreis, bis der harte Rockreifen gegen ihre Knöchel schlug und sie fast hingefallen wäre.

„Ich hasse dieses Kleid.“, stellte Lily fest. Rose stimmte mit einem grimmigen Nicken zu.

Alice zuckte mit den Schultern und meinte, dass es gar nicht so schlecht aussah. Sie öffnete eine Flasche Sauerwein und Rose quälte sich aus dem Kleinmädchentraum von einem Prinzessinnenkleid. In Unterwäsche stolperte sie zu ihrem ersten Glas, während Lily es zurück in den Kleidersack stopfte und ersichtliche Mühe hatte, nichts vom Kleid im Reißverschluss einzuklemmen.

Erst als sie das erste Glas in einem Zug geleert hatte und das nächste mit Genuss trank, hatte Rose genug Elan, um fortzufahren.

Das folgende Brautkleid war schlichter als das vorherige. Es hatte ein steifes Korsett, war schulterfrei und mit kleinen Perlen bestickt. Der Rock war aus dem gleichen Stoff, doch aus gut sitzenden Einschnitten quollen großzügige Rüschen aus Chiffon. Rose lächelte, als sie sich im Spiegel betrachtete, während Alice sich am Saum der Schärpe zu schaffen machte, damit alles lag. Lily fummelte den winzigen, grobmaschigen Schleier über ihr Gesicht.

„Weißt du schon, wie du dein Haar tragen willst?“, fragte Alice.

Rose schüttelte den Kopf.

„Offen, schätze ich.“ Es war das erste Mal, dass sie sich Gedanken darüber machte.

Sofort schnalzte Lily mit der Zunge.

„Nein, was du brauchst ist eine Hochsteckfrisur, ganz klassisch. Dein Hals ist schmal, das kannst du ruhig zeigen.“

Probeweise griff ihr ihre Cousine in ihr Haar und hob den Wust aus Schnittlauchlocken an. Sie drehte ihre Mähne zu einer Kordel und legte es an ihrem Hinterkopf an.

„So ungefähr.“, erklärte sie.
 

Scorpius lachte noch über einen von Albus Witzen, als er die Tür zum versteckten Raum aufschob, um etwas Kraut zu klauen – in der Hoffnung die Mädchen würden es nicht mitbekommen. Nach den letzten Ereignissen hätte er seine Hand dafür gegeben, um etwas Entspannung zu finden.

Zu seiner Überraschung war der Raum jedoch hell erleuchtet, während der Kamin knisterte.

Erschrockene Blicke dreier Mädchen trafen ihn, als Scorpius das Lachen aus dem Gesicht gefegt wurde.

Albus stolperte hinter ihm hervor – sich darüber beschwerend, dass sein Freund so plötzlich stehen geblieben war. Zabini kam hinter ihm zum Vorschein, auch er lachte noch.
 

Rose stand mit ihrer linken Seite zu ihm gewandt und hinter ihr bauschte sich ein weißes Kleid auf, dass eine perfekte Naht mit dem Boden bildete.

Er schluckte.

Scorpius wusste, er sollte irgendwas sagen oder irgendwas machen, doch er konnte nicht. Es war als gehorchte ihm sein Körper nicht mehr. Sein Hirn war so leer, dass man eine Stecknadel mit tausendfachem Echo hätte fallen hören können.

Erschrocken über diese unerwartete Unterbrechung ließ Lily Roses Haare fallen, bis die Strähnen über das feine Rosentattoo fielen, das ihr einen schmerzlichen Stich versetzte.

Scorpius hatte sich nie vorgestellt, wie seine Braut einmal aussehen würde. Es hatte ihn nie interessiert und war immer in unerreichbarer Ferne gewesen, doch nun, da er sie dort stehen sah, ohrfeigte ihn das Schicksal und rief ihn zurück in die Realität.

„Ein Schmuckstück.“, sprach Albus Scorpius' ersten Gedanken aus und pfiff anerkennend durch die Zähne. Scorpius sah seinen besten Freund zu, wie er sich an ihm vorbei drängte, dann sah er auf den Boden um sich zu sammeln. Als er wieder aufsah, begegnete er Roses unsicheren Blick, der ihn immer wieder an ein verschrecktes Reh erinnerte.

Die Worte, die sie am See gesagt hatte, standen noch immer zwischen ihnen, wie ein Mahnmal, sich nicht der Illusion hinzugeben, die sie für Hogwarts erfunden hatten. Er befürchtete, dass genau dieser Blick ein Zeichen ihrer Angst vor ihm sein könnte.

Das überwältigende Verlangen, alles zu vergeben und zu vergessen bemächtigte sich seines Geistes, als er sie dort stehen sah. Verängstigt, unsicher.

Es dauerte einen Augenblick, bis er wieder zur Besinnung fand und sich gewahr wurde, dass er sie immer noch entgeistert anstarrte.

Zabini ging zu Lily und drückte ihr einen kurzen Kuss auf die Lippen. Alice machte einen Schritt nach hinten, während Albus um Rose herumlief. So als fürchtete sie sich vor seiner zufälligen Berührung.

„Danke.“, kam Roses verzögerte Antwort auf Albus' Kompliment, anschließend errötete beschämt.
 

Scorpius ging, seinem ersten Impuls folgend, auf Rose zu. Im Gegensatz zu ihr gab er einen nachlässigen Eindruck – die Schuluniform voller Knitter, die Krawatte falsch gebunden und die ersten Hemdknöpfe geöffnet.

Doch sie... Er schüttelte den Kopf. Merlin, sie war so schön.

Zwischen ihr und dem Spiegel blieb er stehen, doch es war zu nah, um es Distanz zu nennen. Vorsichtig hob er die Hände und legte sie auf ihre nackten Schultern. Sie glitten zärtlich an ihren porzellanfarbenen Oberarmen hinunter zu ihren Händen.

Rose bekam eine Gänsehaut. Das Herz schlug ihr bis zum Hals.

Er wagte es nicht etwas zu sagen – die Worte waren ihm ohnehin abhanden gekommen seit er diesen Raum betreten hatte.

Als sie schließlich ihren Mut zusammennahm und aufsah um in seine Augen zu blickte, war es als wolle sie in seine Seele sehen.

Scorpius hob sein Kinn und schloss seine Augen, während er ihr einen Kuss auf die Stirn gab, der eine gefühlte Ewigkeit andauerte.

Die Anspannung perlte von ihren Schultern, als sie seine warmen Lippen an einer Stelle spürte, die er noch nie geküsst hatte.

Der Raum war menschenleer. Zumindest kam es ihm so vor, als er mit seiner Nase ihren Nasenrücken hinab strich und seine Lippen beinahe ehrfürchtig auf ihren platzierte.

Das würde ihm gehören. Bald.

Und das erste Mal fand er keine Einwände.

Im Gegenteil: Ihre Lippen waren so warm, so weich, dass er sich einen Moment lang gestattete, den Kuss zu vertiefen.

Ein tollwütiger Schwarm Schmetterlinge stob in Rose auf, den sie nicht zu bändigen im Stande war.
 

Schließlich war es ein Räuspern, das den Sekundenzeiger weiter vorantrieb.
 

„Raus mit dir!“, schrillte Alices Stimme so unerwartet, dass das künftige Brautpaar zusammenfuhr.

Fragend sahen sie alle Anwesenden an.

Sie machte ein Gesicht, als sei dieser Ausbruch verständlich, doch als keiner zu verstehen schien, stemmte sie die Hände in die Hüften: „Es bringt Unglück, das Kleid vor der Hochzeit zu sehen!“
 

Scorpius nahm die Augen von der Störquelle und sah in Roses. Sie hätte nicht den Blick senken müssen, um zu wissen, dass ihr Verlobter neckisch grinste, doch sie tat es.
 

Ohne weiteren Aufhebens traten die Slytherins den Rückzug an. Die Braut sah ihnen nach, bis die Tür wieder verschlossen war, erst dann wagte sie es, ihren Freundinnen in die Augen zu sehen.

„Merlin, der war hin und weg.“, kicherte Lily.
 

*
 

Albus saß auf seinem Bettrand und schlug die Hände über seinem Kopf zusammen. Rose hatte ihm in ihrem Brautkleid einen Stich im Herzen versetzt. Doch nicht, weil er es bedauerte, dass sie einen Mann heiraten musste, den sie nicht liebte, sondern weil er sich unweigerlich vorstellen musste, wessen Gesicht unter dem gelüfteten Brautschleier zum Vorschein kam, wenn er irgendwann vor dem Altar stand.

Wann war er erwachsen geworden? Es kam ihm vor, als sei es nur ein paar Stunden her, dass er mit seinen Freunden albernd über die Flure gelaufen war. Es war nicht lange her, dass er Flausen im Kopf hatte – ein paar Stunden? Nein, in Wirklichkeit waren es schon Monate.

Scorpius hatte einen Schnaps gebraucht, um wieder Farbe im Gesicht zu bekommen, nachdem sie sie Mädchen ihrer Anprobe überlassen hatten. Er und Nathan hatten alles Menschenmögliche getan, um ihm über diesen Schock hinwegzuhelfen. Der Potter konnte nicht beurteilen, ob es ein positiver Schock war oder ein negativer. Und wenn er ehrlich war, wollte er es auch gar nicht wissen.
 

Er schloss probeweise die Augen und lüftete den Schleier. Sein Herz klopfte, als er die Züge seiner Braut erkannte. Es war Morgana. Seine Enttäuschung stieg ins Unermessliche.

Er atmete zitternd aus und wagte einen neuen Versuch.

Alice – sie strahlte ihn mit ihren mandelförmigen Augen an, dabei grinste sie breit, wie sie es immer tat, wenn sie sich freute. Und diesmal klopfte das Herz mit Hammerschlägen gegen seinen Brustkorb.
 

Es hatte sich entschieden, auch wenn ihm die Vernunft nicht folgen wollte. Übereifrig wischte er eine Träne weg, die sich unglückseliger Weise aus seinem Augenwinkel löste.

Es folgte keine weitere.
 

*

Fuchsbau, 11. Februar
 

Liebste Rose,
 

gestern Morgen haben wir in der Zeitung von deiner Verlobung mit dem jungen Malfoy gelesen und sind fast aus allen Wolken gefallen. War das der Grund, weswegen du uns Weihnachten nicht besuchen kamst? Das hättest du uns sagen können. Du weißt doch, dass dein Großvater und ich kein Problem mit den Reinblütern haben. Mehr noch sind wir den Malfoys zu großem Dank verpflichtet, dass sie George davor bewahrt haben, den Laden aufzugeben.
 

Wir hoffen wirklich, dass es dir gut geht und du schon fleißig für deine Prüfungen lernst. Wisst ihr denn schon ein genaues Hochzeitsdatum? Ich würde es gern rot im Kalender markieren.

Lass bitte bald etwas von dir hören,
 

deine Großeltern.
 

*
 

Beauxbaton, 10. Februar
 

Liebstes Cousinchen,
 

mir haben die Großeltern gerade berichtet, dass du vorhast zu heiraten. Und mir drängt sich nur ein einziger Gedanke auf: BIST DU NOCH GANZ ZU RETTEN? Was ist mit deiner Freiheit, die du dabei verlierst? Du musst wirklich nicht den erstbesten heiraten, den du rangelassen hast. Es wird Zeit deine moralischen Grundsätze zu überdenken, denn die sind mehr als mittelalterlich.

Ich hoffe wirklich, du machst keine Dummheiten und löst dieses Verlöbnis bald. Sonst springe ich bei der Hochzeit auf und rufe, dass ich Einwände habe, so wahr ich hier sitze und dir schreibe.

Berichte mir, wie es ausgegangen ist.
 

Au revoir,

Dominique
 

p.s. Wenigstens haben die Malfoys genug Geld, aber untersteh' dich in den nächsten zwei Jahren zu werfen. Kleine Großcousinen fände ich ätzend.
 

*
 

11. Februar
 

Liebe Nichte,
 

dein Onkel Harry und ich haben gestern Morgen nichts ahnend den Tagespropheten aufgeschlagen. Normalerweise lesen wir diese extrem peinlichen Anzeigen nicht einmal, aber sie haben sich eine Seite mit den Todesanzeigen geteilt. Ich wünsche dir, dass du dir das gut überlegt hast. Eine Ehe ist nichts einfaches und man muss immer Kompromisse schließen. Traust du dir das in deinem Alter schon zu?

Egal wie du dich vor dem Altar entscheidest, wir stehen hinter dir. Ein Glück, dass deine Mutter nichts davon weiß, sie würde sich im Grabe umdrehen, wenn sie wüsste, dass du ausgerechnet einen der Malfoystinktiere heiratest.

Nicht, dass ich etwas gegen Scorpius habe, er ist wirklich anständig, doch ich zweifle sehr daran, dass du zu ihm passt. Ihr seid grundverschieden.
 

Achso, nachdem ich mich nun ausgelassen habe: Herzlichen Glückwunsch.
 

Deine Tante Ginny.
 

p.s. Ich sehe keine Tragödie darin, so lange du deinem Herzen folgst. Dass es die Liebe eilig hat, macht sie so unberechenbar und spannend. Nur Mut, Rosie, bald ist das Kontra vergessen. Harry.
 

*
 

London, 12. Februar
 

Merlin, das ist nicht dein Ernst!
 

- Fred
 

*
 

Lily hatte mit ihrem Gewissen gerungen, als sie Alice und ihren Bruder beobachtet hatte und wie sie in Angst umeinander herum tänzelten. Sie konnte ihren Bruder nicht leiden sehen. Das hatte sie noch nie gekonnt. Wenn sich Albus, weil er unbedingt fliegen lernen wollte, das Knie aufrissen hatte, da er zu tief am Boden entlang schwebte, war sie es gewesen, die ihm ein Pflaster aufgeklebt und Mut gemacht hatte. James war in dieser Beziehung anders gewesen – er war der radikalere, der konsequentere von beiden. Er redete nie über Dinge, sondern machte sie einfach. Doch Albus war ein Mensch, der sich über alles einen Kopf zerbrach und jedes Tun nahezu bis zur Perfektion durchdachte. Dummerweise nie, wenn es um Liebe ging – sonst hätte er sich vor viel Unheil schützen können. Als sie vor ein paar Minuten auf die Karte der Herumtreiber gesehen hatte, sah sie seinen Punkt auf dem Astronomieturm. Der Ort, an den er sich immer zurückzog, wenn ihm alles zu viel wurde. Nach einigem Für und Wider hatte sich ein Herz gefasst und war ihm gefolgt. Dabei wäre sie Filch fast in die Arme gelaufen, doch sie hatte sich schnell genug hinter einem alten Wandteppich verstecken können.

Langsam stieg sie schließlich die unzähligen Stufen hinauf, während sie sich zurechtlegte, was sie ihm sagen wollte. Die Potter schritt durch die Tür auf die Plattform und sah Albus mit einer Flasche Feuerwhiskey an der Brüstung lehnen. Sie verlangsamte ihren Schritt.

„Brüderchen.“, machte sie auf sich aufmerksam.

Überrascht sah Albus Potter auf. „Was machst du denn hier?“

Sie grinste und ließ sich neben ihm nieder, während sie ihren Mantel enger um sich zog. Ihr Atem kondensierte vor ihren Augen, als ihr Bruder die Flasche reichte. Dankend nahm sie einen Schluck und fragte sich, wie lange er wohl schon in der Kälte hockte und seinen Kummer ersäufte.

„Ich wollte mit dir reden.“, antwortete sie.

Albus stöhnte genervt und raufte sich die Haare. Wenn sie ihm wieder mit Nathan kam, würde er sich auf der Stelle übergeben. Er hatte dieses Thema mehr als satt – offensichtlich war seine kleine Schwester die einzige, die den Dreh in Sachen Romanze heraus hatte und dafür beneidete er sie. Sie lebte ihm damit vor, was er nicht hatte und nie haben würde (es war die neuste Erkenntnis, denn am Morgen war ihm aufgefallen, wie sehr Alice Cameron Finnigan anhimmelte).

„Es geht um Alice.“, beeilte sie sich zu sagen und hatte nun seine volle Aufmerksamkeit errungen. Bei der Nennung ihres Namens hatte sein Herz einen Schlag ausgesetzt. Allein der Klang flutete seinen Bauch mit Schmetterlingen. Dafür hasste er sich.

„Was ist passiert?“ Er versuchte betont gleichgültig zu klingen, doch seine Schwester durchschaute seine Maskerade und schnalzte abschätzig mit der Zunge.

„Ich würde sagen, dass es ein Missverständnis gab.“, begann sie, wie sie es sich auf dem Weg hierher überlegt hatte. „Eigentlich habe ich versprochen, keinen Ton zu sagen. Aber ich weiß, was damals passiert ist nach eurem ersten Date.“

Lily holte tief Luft und erzählte ihm in ein paar schnörkellosen Sätzen, was sie wusste. Sie endete damit, zu vermuten, was Alice fühlte.

„Aber was sollte dann Silvester?“, fragte Albus verblüfft über dieses bloße Missverständnis.

Er konnte kaum fassen, wie einfach dieses Problem hätte aus der Welt geschafft werden können. Wie sinnlos das ertragene Leid gewesen war, seines und Alices.

„Ihr wart sehr betrunken.“, tat sie es ab. Und konntet die Finger nicht voneinander lassen, dachte sie. Energisch schüttelte Albus den Kopf und nahm einen großen Schluck aus der Flasche.

„Sie hat geweint. Unablässig.“

Lilys Gesicht wirkte betroffen, als sie das hörte. „Sie war unglücklich und verzweifelt?“ Sie hatte nicht auf alles eine Antwort.

Ihr Bruder räusperte sich.

„Ich bin mit Morgana zusammen.“, stellte Albus klar, als müsse er sich selbst erst daran erinnern. Sein Magen machte Sprungrollen.

„Trotzdem ist es nicht das, was dich glücklich macht. Komisch.“ Lily setzte den wissenden Blick ihrer Mutter auf, als sie ihrem Buder in die Augen sah.

„Sie ist ein wirklich nettes Mädchen und -“, verteidigte er sich.

„Das will ich auch gar nicht bestreiten“, fiel sie ihm unwirsch ins Wort.

Sie seufzte und nahm einen Schluck aus der Flasche, die sie zunächst seinem Klammergriff entwenden musste.

„Was ich sagen will, ist, dass du auf dein Herz hören solltest. Dein Verstand hat dich nicht sehr weit gebracht.“Albus zuckte mit den Schultern als ginge ihn das nichts an. Doch dass sie ihn an einer empfindlichen Stelle getroffen hatte, konnte er nicht verstecken.

„Morgana vergöttert mich und es tut gut, wenn etwas mal einfach ist.“, setzte Albus an. Lily nickte und starrte einen Augenblick in die Sterne am Winterhimmel.

„Es wird dir irgendwann zu langweilig werden. Alice ist leidenschaftlich in allem, was sie tut. Sie würde dich in Atem halten und dich wirklich glücklich machen. Davon bin ich fest überzeugt.“, wandte Lily ein. „Aber es bedeutet auch Arbeit.“

Nach diesen Worten trank er einen weiteren Schluck und fummelte eine Zigarette aus der Brusttasche. Mit steifen Fingern zündete er sie mit einem Zippo an.

„Ich habe keine Lust auf Arbeit. Das bedeutet nur Anstrengung.“

Lily lachte glockenhell auf, doch es klang herablassend. Als hätte ein kleines Kind einen altklugen Spruch von sich gegeben.

„Du bist ein Idiot, Al.“, urteilte sie.

Er schnaubte und nahm einen Zug von seiner Zigarette. Er wusste, dass es unreif klang, aber er meinte es so. Es würde niemanden weiterbringen, wenn man immer nur an einer Beziehung arbeitete ohne sie je zu leben. Irgendwann würden sie sich hassen, weil sie ständig miteinander kämpften. Abgesehen davon war sie glücklich mit Finnigan, wie er in den letzten zwei Wochen hatte beobachten können. Sie lachte endlich wieder aus vollem Herzen. Auch wenn es hart war, musste er zugeben, dass er ihr nur Unglück gebracht hatte; Missverständnis hin oder her. Wie unfähig sie waren für diese Fastromanze, zeigte sich schon in dieser Situation, in der sie sich nur um Minuten verpasst hatten. Es war nie zur Sprache gekommen und jeder hatte nur das möglichst schlechteste vom jeweils anderen angenommen.

Und er hatte im Ernst gedacht, sie hätte es nur gemacht, um an James heranzukommen. Er wusste noch heute, wie hart ihn dieser Schlag getroffen hatte, als er das Foto in ihrem Nachttisch fand. In ihm war die alte Schmach hoch gekrochen, die er damals bei ihrer Schwärmerei für seinen Bruder meinte vergraben zu haben.

„Wenn du bei Morgana bleibst, tust du das, weil du die Herausforderung scheust. Das ist keine Entscheidung zwischen richtig und falsch, Al.“, sagte Lily. Sie erhob sich und richtete ihren Rock, während Albus zu ihr aufsah. Sie bückte sich nach einem letzten Schluck Feuerwhiskey und als sie die brennende Flüssigkeit hinab gequält hatte, sah sie ihn besorgt an:

„Es ist eine Entscheidung zwischen Glück und Bequemlichkeit.“

Mit diesen Worten verließ sie ihn.
 

*
 

Obwohl man meinen könnte, dass im 21. Jahrhundert Streitigkeiten aller Art auf eine friedliche Weise gelöst werden könnten, gab es dennoch Dinge, die man als ehrenvoller Gentleman anders regelte.

Eine Woche nach der Verlobungskundgebung, in der sich die Gerüchteküche erst hochgekocht und dann schnell wieder abgekühlt hatte, weil es nichts zum Reden gab, entschied sich David Jordan aus gekränkter Eitelkeit heraus, den Stab über seinem Kindheitsfreund zu brechen.

Für denjenigen, der sich schon immer wunderte, woher das Sprichwort „Den Stab über jemanden brechen“ herkommt, sei nun erklärt, dass ein Ast in der symbolischen Form eines Zauberstabes über dem Kopf des Feindes zerbrochen wird. Dies war früher und wird heute noch als eine Herausforderung zu einem Duell verstanden.

Und genau das war es, was Jordan heraufbeschwören wollte. Es lag nicht in seiner Natur, einfach das Handtuch zu werfen und schon gar nicht, wenn er die Gelegenheit hatte mit Scorpius Malfoy in den Ring zu steigen.

Er kannte Scorpius' Hang zur Geschichte und wusste, dass er es sofort verstehen würde. Also nutzte er die Zeitspanne, in der ganz Hogwarts sein Zeuge war und sich noch kein Lehrer an der Tafel eingefunden hatte.

Mit schlenderndem Schritt peilte er seinen Rivalen an, schaffte es sogar unbemerkt an den ersten Slytherins vorbei, bis er schließlich von Albus Potter erkannt wurde, dessen Blick sich in derselben Sekunde verdunkelte. Ohne Worte an seinen besten Freund zu verlieren, nickte er nur in Jordans Richtung, doch ehe der Hochwohlgeborene reagieren konnte, splitterte der Ast schon über seinem Kopf entzwei.

„Duell!“, schrie einer der Slytherins enthusiastisch, als er diese befremdliche Geste endlich einordnen konnte. Im selben Moment wurde es gefährlich ruhig in der Großen Halle, bis schließlich ein tausendfaches „Duell!“ widerhallte.

Scorpius, verdutzt, schluckte sein Mittagessen hinunter und blickte den Hufflepuff an, als habe er eine Erscheinung. Er hätte mit vielen Reaktionen gerechnet, aber nicht mit dieser.

„Ein Duell um Rose.“ Jordan grinste breitmäulig wie eine Kröte, als es dem Slytherin langsam dämmerte.

„Jordan, Rose und ich sind verlobt. Dein blinder Aktionismus kommt ein bisschen spät.“

Scorpius Miene hatte inzwischen alle Aussagekraft verloren, wie immer wenn er sich beherrschte. Zabini räusperte sich und erinnerte seinen Freund daran: „Er hat den Stab über dir gebrochen, Mann. Damit stellt er deine Ehre in Frage.“

Der Malfoy schloss ein paar Sekunden die Augen, in denen er fieberhaft versuchte, nachzudenken. Doch egal wie er es drehte und wendete, er konnte es nicht auf sich sitzen lassen.

„Geht es hierbei wirklich um Rose? Oder begleichst du offene Rechnungen?“, fragte er.

David straffte die Schultern, während sein Blick an engherziger Entschlossenheit gewann. Er würde sich nicht aus dem Konzept bringen lassen, durch Fragen, die ohnehin unerheblich waren.

„Ich denke Rose hat ein Mitspracherecht.“, mischte sich Morgana ein, die unruhig auf ihrem Platz herum rutschte. Sie sah zwischen den Beteiligten hin und her, doch alles woran sie denken konnte, war, dass Scorpius eine Niederlage nicht gebrauchen konnte.

„Irgendetwas ist an dieser Geschichte faul, Malfoy. Und ich werde es, wenn nötig ohne Zauberstab, aus dir heraus prügeln.“

Die Streithähne hatten enormes Glück, dass das Mädchen, um das es ging, nicht anwesend war. Dieser Überzeugung war zumindest Morgana, die sich Roses Reaktion nur zu bildlich ausmalen konnte. Es trat eine betretene Stille ein und die Duellrufe wurden immer leiser.

Schließlich seufzte der Herausgeforderte.

„Wann?“

Mit einem voreiligen Siegerlächeln antwortete Jordan: „Nach dem Abendessen. In aller Dunkelheit, draußen auf dem Quidditchfeld.“

Nach seiner Ansage verließ der Herausforderer den Schauplatz und setzte sich wieder zu seinen Freunden, die hastig die Köpfe zusammensteckten um die Antwort des Malfoys in Erfahrung zu bringen.

Morgana, die seinen Rückweg mit gerümpfter Nase verfolgt hatte, prophezeite: „Rose wird ausrasten, wenn sie das hört.“

„Dann erfährt sie es wohl besser nicht.“, war Scorpius' Standpunkt und er machte ihn mit einem strengen, eindrücklichen Blick deutlich.
 

*
 

Rose Weasleys Augen waren klein geworden im schwachen Licht der Bibliothek, in die sie sich zum Lernen für ihre Abschlussprüfungen zurückgezogen hatte. Was auch immer im vergangenen halben Jahr geschehen war, ihre Schulleistung hatte erheblich darunter gelitten. Sie war über jede Mitschrift froh, die sie fand und das war eine Seltenheit. Gerade in der Woche nach Silvester fehlten sie komplett.

Zur Abwechslung war trockener Lernstoff eine Erholung gewesen. Zusammen mit dem sich einstellenden Alltag und den abflauenden Nachfragen zu ihrer Beziehung mit Malfoy, bildete das ein echtes Wellnesserlebnis für ihre geschundenen Nerven.

Mit dem Wissen, sich den Ausklang des Abends redlich verdient zu haben, schlenderte sie als letzte zum Abendessen. Die meisten Schüler waren längst fertig und in ihren Gemeinschaftsräumen verschwunden – eine gespenstische Ruhe hatte sich demnach der Großen Halle bemächtigt. Sie genoss jede Sekunde davon.

In aller Seelenruhe tat sie sich das restliche Kartoffelpüree auf den Teller und bediente sich der gebratenen Zwiebelringe, für Fleisch war sie eindeutig zu spät gekommen. Doch bedachte man ihre Tiefenentspannung, war es das wert gewesen.

Nachdenklich ließ die Weasley ihren Blick über die verbliebenen Schüler streifen. Viele davon hatten mit ihr im Bücherei-Refugium gesessen und sich ebenso endlich dazu durchringen können, essen zu gehen.

Gerade als sie sich einen Löffel voll Kartoffelbrei in den Mund stecken wollte, rannte ein aufgeregter Erstklässler in die Halle. Seine Nase und seine Wangen waren gerötet. Vermutlich hatte er sich verbotener Weise draußen herumgetrieben, denn er trug einen abgewetzten Wintermantel. Überrascht, hier so wenige anzutreffen, hielt er inne. Dann fiel sein Blick auf Rose, die skeptisch eine Augenbraue nach oben zog, als könne sie nicht fassen, dass jemand ihre Ruhe störte.

Für einen Moment schien der Elfjährige mit dem Entschluss zu spielen, zu ihr zu gehen, doch als er ihren gefährlich genervten Gesichtsausdruck wahrnahm, entschied er sich für die unkompliziertere Methode: „Auf dem Quidditchfeld duellieren sich zwei aus der Oberstufe.“

„Was? Wer?“, schallte es aus einer anderen Ecke des Raumes. Einer der Hufflepuffs rückte seine Brille zurecht, konnte aber die Skandalfreude in seiner Stimme nicht kaschieren.

„Ein Slytherin und ein Hufflepuff.“ Der Junge zuckte mit den schmalen Schultern, denn mehr wusste er auch nicht. Doch das reichte bereits als Auskunft, denn Rose schoss wie von einer Tarantel gestochen auf. Eilig griff sie sich ihren Umhang und warf ihn sich auf dem Weg nach draußen über die Schulter. Ihre Hand schwebte bereits über ihrem Zauberstab, als sie durch den Innenhof über die Freitreppe hinaus auf den Weg zum Feld trat.

Ihre Blicke flogen über den platt getretenen Schnee. Vermutlich war ganz Hogwarts hier versammelt.

Ihre Vermutung sollte sich schon bald bestätigen, als sie aus der Ferne Jubelrufe vernahm, vereinzelt auch Buhrufe. Ihr Schritt beschleunigte sich, je leidenschaftlicher die Unterstützung aus dem Zuschauerraum sich äußerte.

Innerlich betete sie zu allen Vorfahren, dass es nicht so war, wie sie dachte. Nicht Scorpius. Nicht Jordan.

Doch Rose brauchte keine weiteren Vermutungen anzustellen, als ein Entwaffnungszauber in Potter-Manier den Nachthimmel erhellte. Sie näherte sich der Menschentraube, doch noch konnte sie sich keine Gewissheit verschaffen. Mit einem mürrisch-besorgtem Gesicht bahnte sie sich mit Ellenbogen einen Weg durch die anonyme Masse an Schülern. Erst als sie Nancy O'Hara wie eine Schneeschippe vor sich her schob, erkannte sie in der zweiten Reihe den Rotschopf ihrer Cousine, die gegen die Duellierenden anschrie. Allerdings ging ihre Stimme in den donnernden Flüchen der Parteien unter.

Rose wurde am Ärmel gepackt und zur Seite gezogen.

„Jordan und Malfoy schlagen sich deinetwegen die Köpfe ein.“, sagte Susan McPherson mit träumerischer Stimme und schaffte zumindest etwas Klarheit.

Die Angesprochene reagierte mit groben Unverständnis auf die romantisierte Ausstaffierung dieser altmodischen Tradition. Wann, beim Barte Merlins, war das passiert?

„Rosie!“ Ihr Kopf flog herum und sie erkannte Alice, die – überraschender Weise – direkt neben Morgana stand, ohne einen zweiten Konfliktherd auszulösen.

„Lasst mich durch, um Himmelswillen!“, plärrte sie die Umstehenden an, die sich ihr in den Weg stellten, um besser zu sehen oder sie davon abzuhalten, einzugreifen. Nach drei Beschwerden und zahlreichen blauen Flecken, bahnte sich Rose endlich einen Weg zu ihrer besten Freundin. Zwischen Morgana und Alice kam sie schließlich zum Stehen.

„Was geht hier vor?“, verlangte sie nach Auskunft.

Morgana räusperte sich, dann vergrub sie ihre eisigen Hände in ihren Manteltaschen.

„Jordan hat den Stab über Scorpius gebrochen. Deinetwegen.“, erklärte sie schließlich knapp. Sie sah zu Alice, um sich dies bestätigen zu lassen. Zu ihrem Leidwesen konnte sie nur nickten.

Ein gewaltiges „Sectumsempra“ durchschnitt die Dunkelheit und veranlasste die schaulustige Meute zum spannungsgeladenen Schweigen. Wer hatte diesen Zauber gesprochen? Wer war getroffen?

Rose versuchte in der Schwärze etwas ausmachen zu können. Der Schnee reflektierte das Mondlicht glücklicherweise ausreichend, um Scorpius von David unterscheiden zu können. Und was sie sah, sah nicht gut aus.

Ihr Verlobter hielt sich seinen verletzten Arm, aus dessen Ärmel dickes Blut sickerte und den unberührten Schnee entweihte. Verdammt, Jordan hatte ihn getroffen.

„Komm schon, Malfoy. Gib mir einen kräftigen Expulso.“, flüsterte Rose zu sich selbst, in der Hoffnung er würde sich ihrer Taktik bedienen. Wenn er jetzt die Umwelt in die Luft gehen ließ, würden beide halbwegs unbeschadet aus der Sache herauskommen.

Morgana, die ihr Selbstgespräch verfolgt hatte, zog eine Augenbraue hoch.

„Du unterstützt das?“

Rose schnaubte verächtlich. „Niemals. Aber Jordan hat auch meinen Namen beschmutzt, als er dachte er könne mich als seine Trophäe mitnehmen. Vom Namen Malfoy ganz zu schweigen.“

„Männer!“, entfuhr es jemandem hinter ihnen. Lily hatte sich den Weg freigekämpft und war nun endlich hinter ihnen zum Stehen gekommen.

„Wirst du eingreifen?“, fragte sie ihre Cousine, da sie offensichtlich keinerlei Anstalten machte.

„Wie sieht es denn aus, wenn Malfoys Verlobte zur Hilfe eilen muss? Das würde ihn mehr kränken, als Jordan es je könnte.“, antwortete die Weasley und verfolgte das Geschehen. Offensichtlich hatte sich einer der beiden für eine kurze Zeit unsichtbar gemacht.

„Hoffentlich bringen sie sich nicht gegenseitig um.“, bangte Alice.

Rose schüttelte allerdings ihre Lockenmähne. „Nicht, wenn er aufgepasst hat.“

Expulso!

Scorpius' Fluch ging im aufwallenden Grollen des Erdreiches unter. Rose schickte ein kurzes Stoßgebet gen Himmel und ein kleines Lächeln schlich sich in ihre Züge.

„Ich dachte es wird ein ruhiger Abend.“, seufzte sie.

Incacerus!“ Ein überraschter Ruf des Malfoys durchtrennte die Atmosphäre.

Roses Besorgnis wuchs parallel zum Takt ihres Herzens. Jordan war geschickt, das hatte sie nicht erwartet. Irgendwo dort draußen lag Scorpius nun gefesselt auf dem Boden und wartete auf seinen Henker.

„Das wird heftig.“, murmelte Alice und starrte gespannt auf den dunklen Fleck, von dem sie vermutete, dass es sich um Scorpius handelte.

Rose wandte sich ab, weil sie nicht hinsehen konnte. Auch wenn ihre Sicht ohnehin begrenzt war, wollte sie sich nicht einmal ausmalen, was Jordan ihm antat.

Sie hörte die knirschenden Schritte des Hufflepuffs durch den Schnee, als wäre es das Ticken eines Countdowns.

„Rose, unternimm' etwas.“, zischte Lily, doch die Stunde ihrer Cousine war noch nicht gekommen.
 

Jordan beugte sich über den bewegungsunfähigen Slytherin und grinste. Allerdings konnte er noch immer das Aufflammen des Widerstandes im Gesicht seines Gegners ausmachen: Er würde noch nicht aufgaben, doch das würde er ihm schnell austreiben.

„Ich sagte doch, ich prügele es aus dir heraus. Also, was steckt hinter dieser fragwürdigen Verlobung?“

Scorpius ließ sich zu einem herablassenden Lächeln hinreißen, dass er bald bezahlte. David holte aus und schlug ihm mit geballter Faust ins Gesicht.

Sofort rannten Tränen über die Wangen des Unterlegenen, doch er ließ sich zu keinem Schmerzensschrei herab. Das Gesicht des Unterlegenen wurde brennend heiß, als habe man ihn mit kochenden Wasser überschüttet.

Jordan schüttelte seine Hand aus, um den Schmerz aus seinen Knöcheln zu vertreiben.

„Du wirst es nie erfahren und dich ein Leben lang fragen, was ich habe, das du nicht hast.“

Scorpius hatte etwas Mühe beim Sprechen, da sich in seinem Mund das Blut sammelte. Spott war allerdings keine kluge Entscheidung gewesen, denn abermals sauste die Faust hinab in sein Gesicht. Der Verwundete stöhnte leise.

„Dir ist hoffentlich klar, dass du verloren hast.“, stellte er fest.

Doch sein Rivale, obwohl er in wesentlich schlechterer Verfassung war, als er selbst, schüttelte den Kopf.

„Ich halte meinen Zauberstab in den Händen.“

Jordan sah überrascht an ihm herab. Seine Hand ergriff reflexartig den Stab seines Gegners.

„Reiß ihm den Stab aus den Händen und ich lehre dich das fürchten.“

Morgana hatte es nicht ausgehalten und war eingeschritten. Mit der Meute im Rücken, richtete ihre Funken sprühende Zauberstabspitze auf Jordan.

„So lange er ihn hält, hast du nicht gewonnen.“, erklärte sie.

„Morgana!“, rief Rose sie zurück um das Schlimmste zu umschiffen. Es war auch nicht wesentlich besser, wenn sich irgendjemand außer ihr einmischte. Zumindest erfüllte es seinen Zweck, denn der Hufflepuff ließ von seinem Opfer ab.

Expelliarmus.“ Scorpius brachte es nicht mehr fertig, zu schreien.

Jordan war überrascht, als ihm der Zauberstab aus der Hand flog und neben seinem Feind im Schnee landete. Er hatte nicht damit gerechnet, dass Scorpius sich noch bewegen konnte.

„Jordan hat den Stab verloren, Malfoy gewinnt!“, rief Alice in die zwiespältige Menge, bevor auch nur irgendjemand etwas anderes annehmen konnte. Die eine Gruppe, die auf der Seite des Slytherins stand, ließ sich zu Freudenausbrüchen hinreißen, die andere buhte und trat enttäuscht den Weg zurück ins Schloss an. Sie hatten mehr Blutvergießen erwartet als das.
 

Für Rose gab es keinen Grund mehr, weitere Zeit zu verlieren. Rennend brachte sie den Abstand zwischen sich und Scorpius hinter sich und kam auf den Knien schlitternd vor ihm zum Stillstand.

Noch immer starrte Jordan verdutzt auf den Slytherin.

„Scorpius!“ Sie zog ihren Zauberstab und befreite den Verletzten aus den Seilen, dann funkelte sie ihren ehemaligen Verehrer aus finsteren Augen an.

„Ich sollte dich durchhexen für diesen Mist, David. Denkst du im Ernst, dass ich dir in die Arme fallen würde, nachdem du meinen Verlobten so zugerichtet hast?“

Sie half dem unter Schmerzen stöhnenden Malfoy auf die Beine, indem sie sich seinen Arm über ihre Schultern legte. Albus kam ihr zur Hilfe und übernahm die andere Seite.

„Wir sind quitt, Jordan.“, presste Scorpius nur hervor und unterbrach Roses Schimpftirade.
 

*
 

Die Weasley hatte eine geschäftige Miene bekommen, nachdem sie Scorpius zusammen mit Albus in sein Zimmer gebracht hatten.

Mit energischem Tupfen von Kräutertinktur auf Scorpius' Wunden, versuchte sie sich zu beruhigen.

„Was hast du dir nur dabei gedacht?“, schimpfte sie mit ihm.

Sie tauchte ein Leinentuch in eine Schüssel voll dampfendem Sud, der ein starkes Brennen auf seinen frischen Wunden verursachte. Scorpius, der ihre Misshandlung bislang wortlos hingenommen hatte, sog scharf die Luft ein und stieß ihre Hand aus Reflex von sich.

„Ich hatte keine Wahl.“, antwortete er schließlich. Durch einen Heilzauber war die Schwellung seiner Zunge und seiner Lippen zurückgegangen. Die rissig-blutige Haut verheilte bereits, doch noch immer musste sie die feinen, gesprungenen Äderchen fasziniert beobachten.

„Du hättest nein sagen können.“, riss sie sich selbst aus den Gedanken. Rose schüttelte den Kopf und bog den seinen ohne Fingerspitzengefühl nach hinten, um die Schnittwunden an seinem Hals zu versorgen. Doch ihr Patient dachte nicht im Traum daran, stillzuhalten. Wieder hielt er ihre Hände zurück und versuchte in ihre Augen zu sehen, um ihr das klarzumachen, das er ihr sagen würde:

„Wenn du die Fronten mit Jordan geklärt hättest, wäre es gar nicht erst soweit gekommen.“ Die Weasley ließ ihre angewinkelten Arme fallen und hielt inne, weil sie ihm zweifelsfrei Recht geben musste. Es war nur ihretwegen geschehen – deswegen musste Scorpius nun dafür Rechnung tragen.

Mit einem Seufzen ließ sie sich neben ihm auf der Matratze nieder. Ihre Hände faltete sie bedächtig im Schoß und musterte sie eine Weile, während sie nachdachte:

„Es tut mir leid.“, sagte sie schließlich aufrichtig.

Doch alles, was sie erhielt war ein Murren und eine Zornesfalte zwischen seinen Augenbrauen. Ihren forschenden Blick, der nach versöhnlicheren Anzeichen gesucht hatte, nahm sie schnell von ihm.

„Du wusstest, dass wir auf Kriegsfuß stehen. Ich habe es von Anfang an gesagt.“

Rose nickte stumm. „Das hast du.“

„Merlin, Rose, ich kann wirklich verstehen, dass du es eilig -“

„Was willst du hören, Malfoy?“, unterbrach sie ihn, als sie eine weitere Vorwurfssalve erahnen konnte. „Du hast Recht, das habe ich gesagt. Und ich habe auch gesagt, dass es mir leidtut.“

Scorpius war allerdings zu erbost, um ihre Beteuerungen ernstzunehmen. Das machte es nicht wieder gut, eine Entschuldigung war keine Zeitmaschine. Rose hatte das Geheimnis immerhin ernsthaft in Gefahr gebracht, dazu noch sein Ansehen und ihr eigenes. Wenn er sich ausmalte, was passiert wäre, wenn er Jordan nicht hätte besiegen können, geriet er noch weiter in Rage.

Doch er stoppte seine eigenen Horrorvorstellungen und versuchte sich zu beruhigen.

Als er die folgenden Worte sprach, war seine Stimme wieder bedrohlich ruhig geworden:

„Ich will hören, dass das nie wieder passiert.“

Seine Worte waren nicht auf Widerspruch ausgelegt. Das wusste auch Rose, doch hier ging es um mehr als einen kleinen Machtkampf oder eine Eifersuchtsszene. Es war eine Grenze, die er zu überschreiten drohte.

„Das ist mehr verlangt als dir zusteht, Scorpius.“, entgegnete sie zischend wie eine Schlange. Sie erhob sich abrupt und begann damit, durch den Raum zu wandern. Am liebsten würde sie ihn dahin wünschen, wo der Pfeffer wuchs.

„Nein, Rose. Das ist mein Recht als dein zukünftiger Ehemann.“

Ihm war bewusst, dass er sich auf gefährliches Terrain begab, doch im Moment setzte seine Logik einfach aus. Er wollte sie reizen. Er wollte ihr mit Worten wehtun und er wollte, dass sie seine Wut verstand, indem er ihre eigene heraufbeschwor.

„Du besitzt keinerlei Rechte über mich.“, stellte sie klar.

Etwas an dem Ton, in dem sie das gesagt hatte, forderte ihn heraus.

„Wirklich?“ Mit einer abrupten Bewegung hatte er sie abgefangen und an den Hüften auf sein Bett geschleudert. Rose begann sich, sobald sie der Situation gewahr wurde und die Überraschung überwunden hatte, heftig zu wehren. Viel Spielraum blieb ihr allerdings nicht, denn er schnürte ihr regelrecht die Luft zum Atmen ab, indem er sie mit seinem ganzen Körpergewicht in die Matratze drückte.

Als sie in seine Augen sah, erblickte sie unermesslichen Zorn, Kampfgeist und eine Spur Grausamkeit. Da wurde ihr bewusst, dass er noch unter den Nachwirkungen des Duells litt ohne eine Ahnung davon zu haben. Dieser Ausbruch galt nicht ihr allein, er galt auch Jordans Hohn.

Er beugte sich hinab und presste seine Lippen unsanft auf ihre. Mit einem Kuss hatte das sehr wenig zu tun, es war eher ein Stempel, den er seiner erlegten Beute aufdrückte.

Rose, empört über ihre Hilflosigkeit, verzieh es ihm dennoch, ehe er es überhaupt getan hatte.

Allerdings drehte sie anschließend den Kopf zur Seite um ihre Tränen zu verbergen.

„Nicht so, Scorpius. Lass mich gehen.“
 

Darum musste sie nicht betteln, denn ihrem Verlobten schoss sofort das Blut ins Gesicht, als er begriff, was er gerade gesagt und getan hatte. Wieso war er gerade so außer sich, um einfach über sie herzufallen? Abrupt ließ er von ihr ab und setzte sich in sicherer Entfernung auf die Bettkante ohne sie anzusehen, während Rose einige Sekunden liegen blieb und um ihre Fassung kämpfte.

„Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist. Das wird nie wieder passieren.“, beeilte er sich zu sagen, als er merkte, dass sich seine Verlobte langsam aufrichtete und im Begriff war wortlos zu verschwinden. Er fühlte sich elend und konnte sich den Schreck nur allzu genau vorstellen, die sie davon erhalten haben musste.

„Dafür sorge ich.“, waren ihre letzten Worte.

Ad Absurdum.

Lieber Leser,
 

wir nähern uns im Wienerwalzerschritt dem Unvermeidlichen. :) Hier ein Kapitel zum Luftholen.
 


 


 

Kapitel 16

- Ad Absurdum -
 

Rose Weasley wälzte sich unter einem genervten Stöhnen durch ihre gestärkten Laken.

Sie wollte keine weitere schlaflose Nacht verbringen. Scorpius kreiste durch ihre Gedanken, jedes Mal wenn sie die Augen schloss. Sie war die Spielchen leid, die sie gespielt hatte.

Eine müde gewordene Kriegerin, auf dem Boden ihrer Seele angelangt, die Grenzen ihres Seins bereits abgetastet.

Sie fühlte sich verloren. Die Pläne waren ihr ausgegangen und nur die Hilflosigkeit bestimmte ihre Emotionen. Kein Gefühl blieb länger als fünf Minuten – zwischen Wahnsinn und Fliegen.

Was sollte sie tun?

Was blieb ihr noch?

Es war kompliziert geworden. Es war anstrengend geworden, jeden Tag erneut in die Schlacht zu ziehen.

Sie schob die Füße unter ihrer Decke hervor und ertastete den kalten Stein unter ihren Füßen. Das Gefühl war wie eine Erlösung – etwas anderes, das sie spürte.

Unter einem zermürbenden Stechen gebar die Rose auf ihrem Rücken eine neue Dorne. Sie hörte nie auf zu wachsen.

Langsam erhob sie sich und bedachte ihre selig schlummernden Mitbewohnerinnen mit einem ratlosen Blick. In traumwandlerischer Sicherheit, griff sie blind nach dem dunkelroten Morgenmantel, der einmal ihrer Mutter gehört, jedoch schon jeden vertrauten Geruch eingebüßt hatte.

Sie verließ ihre Folterkammer und glitt barfuss die Trappe hinab in den Gemeinschaftsraum. Es war schon eine Weile nach Mitternacht – unter der Woche hielt sich um diese Zeit keiner mehr darin auf. Selbst das Kaminfeuer war verglimmt.

Unentschlossen griff sie nach einem Politmagazin, das auf dem Tisch lag. Es interessierte sie jedoch zu wenig, um es länger als zwanzig Sekunden in den Händen zu halten.

Was sollte sie unternehmen? Die Nacht durchwachen?

Auf der Suche nach einer anderen Beschäftigung sah sie sich um.

Nachdem die Ratlosigkeit keine Anstalten machte, von ihrer Seite zu weichen, schlenderte sie ziellos zum Portaitloch und kletterte hinaus.

Es war ihr gleich, ob Filch sie erwischte oder einer der Vertrauensschüler, während sie durch die unbelebten Gänge streifte – dann passierte zumindest etwas. Zu ihrer Enttäuschung begegnete sie niemanden. Ohne es als Ziel gehabt zu haben, stand sie nach einer Viertelstunde vor den Schulsprecherräumen.

„Passwort?“, fragte der Ritter schläfrig.

Rose runzelte die Stirn.

Es hatte sich verändert, aber nicht maßgeblich. So weit konnte sie sich noch erinnern. Gerade wollte sie kehrt machen, als es ihr einfiel. „Incubus.“, nannte sie das männliche Äquivalent zu dem vorherigen Passwort. Der Ritter nickte, dann schwang das Portrait zur Seite um einen in Stein gehauenen Durchgang preiszugeben.

Zögernd trat Rose ein. Der warme Teppich an ihren kalten Füßen war eine willkommene Wohltat.

Ob Alice noch wach war?

Nein, wegen ihrer besten Freundin war sie nicht hier.

Sie schlich zu Scorpius' Zimmertür und zögerte. Die Weasley konnte umkehren, noch hatte sie die Gelegenheit. Immerhin hatte sie nichts bestimmtes hierher geführt.

Das Zögern verwandelte sich in einen Impuls. Ohne anzuklopfen öffnete sie die Tür und schlüpfte durch den schmalen Spalt hinein.

Ein kleines Licht auf seinem Nachttisch empfing sie. Rose hielt inne und betrachtete ihn einen kurzen Moment, wie er von seinem Buch aufgesehen hatte und sichtlich überrascht war. Sein Oberkörper war nackt und seine Lesebrille saß tief auf dem Nasenrücken.

„Ist etwas passiert?“, fragte er, als er ihren schüchternen Blick mit Betroffenheit verwechselte. Er nahm seine Brille ab und legte sie beiseite. Der Malfoy vermutete, dass sie seine Taktlosigkeit von vor Stunden hierher geführt hatte. Es tat ihm unendlich leid, so die Kontrolle über sich verloren zu haben.

Noch immer lief es ihm eiskalt den Rücken hinunter, als er sich vor Augen führte, wie entsetzt sie ihn angesehen hatte. So ein Mensch wollte er nie sein.

Ihre ausbleibende Antwort veranlasste ihn dazu, die Decke zurückzuschlagen und in einer dunkelgrünen Satinhose auf sie zuzukommen.

„Du siehst verstört aus.“, stellte er fest, als er sie in ihrem seidenen Morgenmantel betrachtete, der sich perfekt an ihren Körper schmiegte, sodass er in Versuchung kam, zu glauben, sie wäre darunter nackt. „Ist alles in Ordnung?“, fragte er noch einmal geduldig, gequält von der Ungewissheit, vielleicht das zarte Band zwischen ihnen zerstört zu haben. Sie blickte das erste Mal auf und begegnete seinem Blick, was seinen Eindruck bestärkte.

Die Stille zwischen ihnen schwoll erneut an, dann schluckte sie hart.

„Schlaf mit mir.“ Ihre Stimme war leise und belegt.

Scorpius war sich nicht sicher, verstanden zu haben.

„Was?“ Dieses abstruse Hirngespinst ließ Belustigung in seine Augen treten. Rose war jedoch geduldig und räusperte sich.

„Ich sagte: schlaf mit mir.“, wiederholte sie etwas lauter, aber mit einem Zittern in der Stimme.

Vielleicht war dies der einzige noch verbliebene Plan. Vielleicht war dies die einzige verblieben Antwort, die überhaupt existierte. Die Rothaarige schloss einen Moment die flatternden Lider, um Fassung ringend.

Befremdet zog der Slytherin, als er bemerkte, dass er sich nicht verhört hatte, seine Augenbrauen zusammen und versuchte zu verstehen, wie es nun dazu gekommen sei. Sie kam ihm vor wie eine nächtliche Erscheinung, genauso undurchdringbar waren auch ihre Absichten.

Geschickt löste sie den Knoten ihres Gürtels, der ihren Morgenmantel zusammenhielt. Er glitt an ihren nackten Schultern hinunter und legte ein knappes weißes Nachthemd frei.

Scorpius sog scharf sie Luft ein, als er bemerkte, dass es ihr ernst war. Der dünne Stoff, den sie am Leibe trug war fadenscheinig. Ihre Brustwarzen zeichneten sich dunkel darunter ab. Den Blick weiter abschweifen zu lassen, wagte er nicht.

Sie hatte es wirklich so gemeint. Ein Gefühl der Beklommenheit ergriff ihn, als er ihre traurigen Augen sah. Etwas in ihr hatte aufgegeben.

Nein, so sah man nicht aus, wenn man das wollte, was sie forderte.

„Ich habe dieses Spiel so satt, Rose.“ Er klang nicht wütend, aber enttäuscht.

Stumm bückte er sich nach dem Morgenmantel und legte ihn ihr wieder um die Schultern, wobei ihre Brust seine nackte Haut streifte.

Gedemütigt schloss die junge Frau die Augen und rang um ihre Beherrschung. Ihr Körper erzitterte, als er sich abwandte. Wie viele Verschmähungen sollte sie noch ertragen?

„Geh schlafen.“, sagte er sanft und drehte ihr den Rücken zu.

Sie wollte das nicht. Nicht wirklich zumindest und es kränkte ihn, dass sie annahm, ihm würde das entgehen. So ein Mensch war er nicht. Er ließ sich vieles nachsagen, aber nicht, rücksichtslos zu sein. Scorpius hatte vielleicht die Beherrschung verloren, jedoch nicht seine Skrupel.

Roses Stimmung wandelte sich abermals in diesen Sekunden. Von einem Gefühl der Blöße zu Wut, die ihre Wangen und Ohren in rot tauchte.

„Deine Antwort hätte mir klar sein sollen.“, machte sie ihrem Ärger Luft. Scorpius hielt inne, drehte sich aber nicht um, sondern starrte auf sein Bett.

„Was hast du erwartet? Dass du wie ein billiges Flittchen zu mir schleichen kannst und ich das auch noch gut finde?“ Er mochte Rose für ihren Stolz und nicht für ihre Unterwerfung.

Seine Stimme klang eisern. Empört hörte er sie nach Luft schnappen. Wenn er sie hätte sehen können, würde er feststellen, dass sie wie vom Donner gerührt dastand und keine Erwiderung wusste. Seine Abweisung veranlasste die Dorne zu einem weiteren Stich, der sich bis in ihr Herz fortsetzte und es aufzuspießen drohte.

„Vorhin hat dich das nicht halten können.“, entgegnete sie mit gehobener Stimme. Eigentlich wollte sie etwas viel gemeineres sagen, aber ihr waren keine passenden Schimpfworte eingefallen. Sie wusste, dass es ihm leidtat, aber das Salz in dieser Wunde blieb die einzige Waffe, die sie noch führen konnte.

„Vorhin wärst du mir um ein Haar gleichgültig gewesen, Rose. Du hast keine Ahnung wie viel Anstrengung es mich gekostet hat, dich loszulassen. Also fordere mich nicht heraus.“ Seine Stimme war gereinigt von jeder Emotion. Er war noch immer voller Zorn – sie wünschte, diese Spannung würde sich entladen. Egal, welcher Preis dafür zu zahlen war.

Ein Gefühl – nur eins, das er preisgab. Mehr wollte sie nicht verlangen. Irgendwas, das ihr sagte, dass sie nicht die einzige war, die den Boden unter den Füßen verlor.

„Wovor hast du Angst? Ich kann dir nicht fortlaufen.“, sprach sie vor Verbitterung.

Als sie keine Antwort erhielt, bückte sie sich hinab und raffte den Morgenmantel zusammen.

Rose kam sich erschreckend billig vor, sie sollte besser verschwinden. Die Ideen, die man nach Mitternacht hatte, waren immer zum Scheitern verurteilt.

Scorpius drehte sich schwungvoll um und brachte den Abstand zwischen ihnen mit einem großen Schritt hinter sich. Er presste sie, als sei es eine einzige Bewegung gewesen, gegen die Tür. Vor Erstaunen brachte sie es nicht fertig, ihren Kopf zu bremsen, der nun mit einem dumpfen Ton gegen die Tür schlug.

Ein heller Schmerz überwältigte sie und beraubte sie für einige Sekunden ihrer Sinneswahrnehmung. Kaum, dass sich das Schwarz vor ihren Augen lichtete, drückte ihr der Malfoy mit aller Heftigkeit seine Lippen auf den Mund, als wolle er ihr drohen.

Auch wenn sie sich diese Reaktion vor ein paar Augenblicken noch gewünscht hatte, hinterließ sie der harte Kuss mit einem Schrecken, der sich in ihre Knochen fraß. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass ihn ihre Worte erreichten. Noch weniger war ihr bewusst gewesen, eine Grenze zu überschreiten in ihrer blinden Wut über seine Abweisung.

Er ließ von ihr ab. Mit boshafter Verzückung betrachtete er ihre geweiteten Augen.

„Ist dir dieses Verhalten lieber?“

Sie wagte nichts zu erwidern.

„Das dachte ich mir.“, spie er ihr entgegen. Seine Stimme war dunkel geworden und klang voller Hohn und Verachtung.

Die Weasley schluckte, als sein Atem auf ihre Lippen traf. Dabei versuchte sie ihn nicht aus den Augen zu lassen. Ihr Verstand arbeite nun mit der Schärfe eines Skalpells.

„Oder“, fragte er und hob seine Hand, „hättest du es lieber gefühlvoller?“

Noch immer beschwörte sein Zorn ein dunkles Grollen herauf. Als würde ein Gewitter nicht lange auf sich warten lassen.

Mit seinem Zeigefinger strich er von ihrer Wange, vorbei an ihrem Ohr, am Hals hinab zu ihrem Dekolletee, wo er inne hielt. Rose, deren Kopf gerade wieder seine Tätigkeit aufgenommen hatte, wurde überrannt von einer Gänsehaut, die aus einer Mischung aus Angst und Erregung entstanden war. Ungewollt hatten sich ihre Augen geschlossen, doch als sie sie wieder öffnete, sah er sie triumphierend an.

Ihr dämmerte, dass das ein Machtspiel war und ihr Stolz rührte sich. Sie sah direkt in seine sturmgrauen Augen. Ein kleines Lächeln wartete in ihren Mundwinkeln.

„Beides.“ Ihre Stimme war fest wie ein Diamant geworden, dessen scharfe Kanten die Luft zerteilten.

Er hatte vorgehabt, sie abzuschrecken. Nun richtete sie seinen Speer allerdings gegen ihn selbst und das faszinierte ihn.

Sie forderte.

Und sie sollte auch bekommen, was sie verlangte.

Er verlagerte sein Gewicht, sodass ihr die Luft wegblieb. Ihr Herz schlug kräftig gegen seine Brust und strafte ihren Mut Lügen. Doch fürchtete zurecht den nächsten Augenblick, denn diesmal würde er es ihr nicht durchgehen lassen.

Vernunft und Anstand, seine treuen Begleiter seit vielen Jahre, verloren ihre Stimme.

Scorpius beugte sich hinab und küsste sie liebevoll. Eine Entschuldigung für etwas, das geschehen würde.

Rose, deren Saiten längst überspannt waren, biss ihm in die Unterlippe. Er vertiefte ihn und verschaffte sich drängend Einlass. Mit einem Seufzen schloss sie die Augen, als ihre Münder verschmolzen. Sie konnte dieses Gefühl beinahe schmecken, dann setzte er tief einatmend ab.

„Wenn das nicht der berühmte Gryffindormut ist.“, flüsterte er anerkennend.

Seine Hände glitten hinab zu ihren Händen und legten sie sich um den Hals. Sie wanderten wieder hinab zu ihrem Hintern und strichen über die sanften Rundungen unter dem seidigen Hemdchen. Erschreckend schamlos drängte sich ihm entgegen. Wie selbstverständlich schlang sie ihre nackten Beine um ihn, als er sie anhob.

Die Generalprobe eines leeren Orchesters.

Sie zog an seinen Haaren, als er sie erneut zu zärtlich küsste. Er stöhnte und verlor einen Augenblick an Spannung.

Sie spürte ihn zwischen ihren Beinen, als er sich gegen sie stemmte um sie am Luftholen zu hindern. Schwer atmend setzte sie ab. Seine Augen funkelten dunkel vor Erregung. Die Hitze stieg ihr ins Gesicht. Scorpius ließ sie an sich hinunter rutschen, bis sie wieder auf eigenen Beinen stand, die sich anfühlten als würden sie ihr Gewicht nicht mehr halten können. Anstatt sie freizugeben, hob sie hoch und warf sie wie ein Sack Mehl über seine Schulter.

Sich lautstark beschwerend, trommelte sie mit ihren Fäusten gegen seinen Rücken und quiekte während er sie wie eine Trophäe zum Bett trug.
 

~
 

Eine Weile bewegte er sich nicht und Rose, die keinerlei Erfahrung damit hatte, befürchtete bereits, dass er in Ohnmacht gefallen war, als er sich ihr entzog und sich neben sie legte.

Seine Augen fixierten dabei einen unbestimmten Punkt an der Decke des Bettes, während sich sein Atem langsam beruhigte.

Rose bewegte sich als erste und bemerkte einen kleinen blutigen Fleck zwischen ihren Beinen und auf den Laken.

Verlegen sah sie zur Tür. Am liebsten würde sie weglaufen.

„Du hättest mir sagen sollen, dass es dein Erstes Mal ist.“, sagte er mit belegter Stimme und ließ seinen Blick von der Decke zwischen ihre Beine wandern. Es schwang kein Vorwurf im Unterton, nur Bedauern.

„Ich dachte, das wusstest du.“, antwortete sie nach ein paar Sekunden, in der sie die aufwallende Scham niedergekämpft hatte.

Scorpius lachte freudlos auf.

Was er gedacht hatte, seit er mit ihr unter der Dusche gestanden hatte, war in Jordans Richtung gelaufen.

Es war eine zweifelhafte Ehre, dass sie ausgerechnet ihm ihre Unschuld geschenkt hatte.

„Habe ich dir sehr wehgetan?“, erkundigte er sich fürsorglich und richtete sich auf. Er erkannte, als sie den Blick abwendete, dass er sie mit diesem Thema in Verlegenheit brachte.

Anstatt ihm Auskunft zu erteilen, schüttelte ihre zerzauste Mähne. Sie verriet wozu sie sich gerade hatte hinreißen lassen.

Schließlich gewann die Euphorie eines Siegers die Überhand in ihrem Gefühlschaos und sie musste grinsen: „Ich bin hart im Nehmen, das solltest du nach den zahllosen Duellen und Prügeleien wissen.“

Er lachte.

Und als es verklungen war, kramte er aus seiner Schublade zwei Zigaretten und einen Aschenbecher hervor.

„Nächster Schritt: die Zigarette danach.“
 

*
 

Es war ein wunderschön sonniger Morgen irgendwann im Februar, als die ersten Strahlen des anbrechenden Tages Rose Weasleys Nase kitzelten. Als sie die Augen öffnete, fragte sie sich einen Augenblick lang, wo sie sich befand und wer das war, der neben ihr lag. Gleich darauf brach eine Flutwelle an Erinnerungen der letzten Nacht auf sie herein und sie wurde rot. Sie konnte nicht glauben, dass es allein aus der Tatsache resultiert war, Scorpius zu beleidigen. Immerhin war er dabei gewesen, sie aus Anstand wegzuschicken. Sie seufzte.

Rose hätte gern nachgesehen, wie er aussah, aber die wagte es nicht aus Angst, seinem Blick zu begegnen. Stattdessen starrte sie eine gefühlte Ewigkeit den Aschenbecher und die vier darin befindlichen Zigarettenstummel an. Sie wünschte Alice hätte ihr erzählt, wie man sich am Morgen danach verhielt, denn einen groben Leitfaden konnte sie dringend gebrauchen. Aber vielleicht gab es dafür auch kein Standardverhalten und wenn es eines gab, wäre es für ihre Situation nicht angemessen, immerhin handelte sich um ihren Verlobten, den sie zwangsweise heiraten musste.

Und dem sie ihr Erstes Mal geschenkt hatte.

Am liebsten hätte sie sich mit der flachen Hand an die Stirn geschlagen, weil diese Tatsache mehr als peinlich war. Welche verdrehte Logik ihr am Vorabend auch innegewohnt haben mochte, sie wusste, dass sie lieber sterben wollte als unbefleckt in diese Ehe zu gehen. Andererseits war sie trotzdem noch unbefleckt, weil ihr erster Mann besagter künftiger Ehemann war. Zugegeben, Rose hatte schon ausgeklügeltere Pläne geschmiedet, wenn man ihren Überfall überhaupt als einen solchen bezeichnen konnte.

Einen Moment lang spielte sie die Situation durch, wenn sie verschwunden wäre und nun in ihrem eigenen Bett aufwachte. Dann hätte sie den peinlichen Moment zumindest bis zum Frühstück hinausgeschoben. Wäre es allerdings beim Essen dazu gekommen, wäre ganz Hogwarts Zeuge ihres feuerwehrroten Gesichts geworden. Nicht gut.

Scorpius musste sie heiraten, richtig? Dann konnte er auch ihr beschämtes Verhalten vertragen. Ihr Blick streifte die Uhr, als er sich neben ihr bewegte. Er rückte näher an sie heran und Rose hoffte, er würde nun nicht den Arm um sie legen, wie er es in den Ferien so oft getan hatte. Ihre Augen weiteten sich.

„Scheiße!“, entfuhr es ihr und sie sprang auf.

Scorpius warf sich auf die andere Seite des Bettes um ihrem Lärm zu entkommen, doch unnachgiebig zerrte sie ihm die Decke weg und dann auch das Kopfkissen mit dem er seine Blöße zu verdecken versuchte.

„Wach auf, Malfoy!“, schmetterte sie, wobei ihr das Distanz wahrende 'Malfoy' wie selbstverständlich über die Lippen glitt. Etwas planlos streunte sie durch den Raum auf der Suche nach einem Anhaltspunkt, womit sie den Tag beginnen konnte.

„Scorpius!“, entfuhr es ihr schärfer, als er immer noch keine Regung von sich gab.

Müde öffnete der Schulsprecher erst das eine, dann das andere Auge. Irrte er sich oder lief Rose Weasley gerade nackt durch sein Zimmer? Die Zahnräder in seinem Kopf sprangen an und summierten den letzten Abend. Deswegen hatte er also gut geschlafen.

„Was ist denn los?“ Seine Stimme triefte vor Müdigkeit.

Rose bückte sich und streifte sich schnell ihr Nachthemd über, dann wandte sie sich zu ihm um. Ihre Wangen waren gerötet, ihre Haare standen zu Berge und ihre Augen sahen panisch von einer Ecke des Raumes zur anderen. Er musste grinsen, als ihm der Vergleich mit einem aufgescheuchten Huhn einfiel.

„Es ist fast acht!“ Sie wirkte ungehalten. „Wir verpassen die erste Stunde und ich habe nicht mal... Kleidung.“ Am liebsten wollte sie weinen, wenn sie daran dachte, in einem Morgenmantel durch die Gänge zu huschen, der mehr preisgab als er versteckte. Scorpius erhob sich in aller Gemütlichkeit und griff sich eine Unterhose aus der Kommode. Verschreckt sah Rose in eine andere Ecke, selbst wenn sie mittlerweile bestens darüber Bescheid wusste, wie er nackt aussah.

„Willst du was von mir anziehen?“, fragte er nicht ganz bei Trost.

Rose lachte. „Hast du auch nur den Hauch einer Ahnung, was im Mädchenklo abgeht, wenn ich in einer Slytherinuniform für Jungs herumlaufe?“

Nein, Scorpius konnte sich das nicht vorstellen. Viel aufsehenerregender fand er es, wenn sie in diesem Aufzug durch die mittlerweile belebten Gänge lief. Die meisten der Schüler würden wohl gerade vom Frühstück kommen und noch schnell ihre Bücher holen.

„Rose.“, rief er sie zur Besinnung. „Nebenan wohnt deine beste Freundin.“

Überrascht sah sie ihn an. „Du bist genial!“, rief sie und stürmte aus dem Zimmer. Hinter ihr fiel die Tür mit einem lauten Knall ins Schloss.

„Darauf hätte sie auch selbst kommen können.“, sprach er mit sich selbst, dann betrachtete er die Unordnung im Raum.
 

*
 

Alice war, weil sie zwei Tage in Folge unter dem Zeichen ihrer Schulsprecherpflichten wach geblieben war, am Abend um zehn Uhr ins Bett gegangen, um sich ihre verdiente Mütze Schlaf abzuholen. Es hatte auch funktioniert, schnell einzuschlafen, obwohl sie tagsüber Unmengen schwarzen Tees konsumiert hatte. Doch kurz nach Mitternacht meinte es Merlin nicht mehr gut mit ihr. Ein lauter Knall ließ sie aus ihren Träumen fahren.

Es hatte geklungen wie ein Kanonenschuss.

Erschrocken tastete sie im Bett herum und versuchte Cameron wach zumachen. Es dauerte einen Augenblick, bis sie verstand, dass ihre Hände ins Leere griffen, weil er nicht da war. Ihr Herz hatte bis zum Hals geschlagen, als sie erhobene Stimmen im Nebenraum hörte.

'Das darf doch nicht wahr sein', hatte sie gesagt und sich allerlei Foltermethoden für Malfoy ausgedacht, der es wagte ihre heilige Ruhe mit einem Betthäschen zu stören.

Hätte sie gewusst, dass man in den Nebenräumen so viel mithören könnte, wäre sie die eine oder andere Nacht gewiss etwas leiser gewesen. Doch aus Anstand hatte sich der männliche Teil der Schülervertretung nicht beschwert.

Sie überlegte, ob sie Razzia im Nebenzimmer machen sollte, als ihr das erste Stöhnen in den Ohren klang und mitteilte, dass es für eine Störung zu spät war. Ihr wurde schlecht bei der Vorstellung, wie Scorpius vermutlich beim Sex aussah. Das gehörte zu den Erfahrungen im Leben, auf die sie mit Freuden verzichtete. Aber aus irgendeinem Grund drängte sie sich ihr in äußerst passiver Weise auf. Alice gebot sich also Ruhe und hatte sich wieder hingelegt. Verzweifelt drückte sie die Kissen gegen ihre Ohren, doch die Bässe des Bettes, das sacht an die Wand schlug, vermochten die Daunen nicht zu dämpfen. Und so geschah es, dass sie bei jedem 'Rums', bei jedem 'Qietsch' und bei jedem 'Scorpius!' zusammenzuckte, wie ein erschrecktes Kind.

Doch das Schlimmste war es nicht. Zu gegebener Stunde war sie schließlich so paranoid, dass sie förmlich auf das nächste Geräusch wartete und jedes Mal fast aus dem Bett sprang, wenn es kam.

Und als endlich die lang ersehnte Ruhe eingekehrt war, war Alice nur noch ein Schatten ihrer selbst. Sie hockte im Bett und wippte kichernd vor und zurück, während sie vor Müdigkeit Stimmen hörte, die nicht da waren. Zum Beispiel hörte die Roses Stimme und Lily. Es ging sogar so weit, dass sie in das Knacken des Holzes irgendwelche geheimen Botschaften interpretierte, bis sie irgendwann zur Seite umgekippt war und in ein Koma fiel.

Doch mit dieser Ruhe war es nach knappen vier Stunden Schlaf vorbei, als jemand ihre Zimmertür aufriss und mit einer mehr als quengelnden Stimme „Guten Morgen, Alice.“ sagte. Sie fragte sich, was an diesem Morgen nun noch Gutes sei.

Als sie das Amt der Schulsprecherin angetreten hatte, war sie mehr als froh gewesen, Roses unangenehmer Morgenstimme zu entkommen, die stets eine Oktave höher war, als ihre Tagesstimme. Doch offensichtlich war sie nun nicht einmal in diesen Räumen davor sicher.

Sie öffnete ein Auge und nahm rote Seide wahr. Dann fiel es wieder zu. Moment, rote Seide! Sie riss die Augen auf und versuchte verzweifelt ihren Blick zu schärfen.

„Was machst du hier? Wieso hast du nichts an?“, grummelte sie in ihr Kissen.

Verlegen trat ihre beste Freundin von einem Bein auf das andere. Allerdings sah es eher aus, als müsse sie dringend auf Toilette. Dringend. Das war das Stichwort.

Alice öffnete abermals die Augen, diesmal hoffentlich bleibend.

„Ich habe da ein winziges Problemchen und brauche deine Hilfe.“, sagte Rose mit überschnappender Stimme, die sie als aufgeregt auswies. Langsam begab sich Alice in die Senkrechte und schwang ihre Füße über den Bettrand. Für einen kurzen Moment wurde ihr schwarz vor Augen, als sich ihr Kreislauf unter Kopfschmerzen verabschiedete. Alice gab sich also ein paar weitere Sekunden, um zu sich zu kommen.

„Okay“, sagte sie schließlich voller Tatendrang und sah Rose das erste Mal mit geschärftem Blick. „Wo liegt das Problem?“

Doch Rose musste nichts sagen. Mit gekonntem Blick scannte sie die Aufmachung ihrer besten Freundin und zählte Eins und Eins zusammen. Rose trug einen Morgenmantel, es war schon spät, also war sie schon länger hier. Ihre Haare waren zerzaust. Und – Merlin! War das etwa ein Knutschfleck auf ihrer linken Brust? Als Rose ihren Blick bemerkte, richtete sie verlegen ihren Ausschnitt.

Alice nahm Luft, um etwas zu sagen, ließ sie aber unvollendeter Dinge wieder ausströmen. Dann sah sie Rose erneut an.

„Rose“, begann sie schließlich und runzelte die Stirn, „das ist eine Seite an dir, die ich nie kennenlernen wollte.“

Sofort schmiss Rose ihre Pseudo-Metamorphmagus-Fähigkeiten an und wurde so rot, wie ihr Morgenmantel. Das mit der Tarnung sollte sie besser noch einmal üben.

„So laut?“, erkundigte sie sich kleinlaut.

Alice lachte freudlos auf, dann ging sie zu ihrem Schrank und kramte eine alte Schuluniform und etwas Unterwäsche hervor.

„Laut genug, um mich an den Rande des Wahnsinns zu treiben.“
 


 

*
 

Scorpius wog den Verlobungsring seiner Mutter in den Händen und starrte nachdenklich auf die weiße Landschaft, die sich vor Hogwarts auftürmte. Er stand auf dem Astronomieturm, weil Albus ihm gesagt hatte, dass es ein guter Ort zum Nachdenken sei. Und sein bester Freund hatte damit Recht gehabt. Am Vormittag war noch eine Eileule herbei geflogen und hatte ihm den Brief seiner Mutter auf den Schoß geworfen. Sie wollte, dass Rose ihren eigenen Verlobungsring bekam, damit sie nicht in Verlegenheit geriet, nicht einmal einen funkelnden Stein vorzeigen zu können, wenn die anderen Mädchen sie fragten.

Er war seiner Mutter dankbar, dass sie im Hintergrund die Fäden für die anstehende Hochzeit zog, damit er und Rose den Kopf frei hatten, um ihre letzten Prüfungen zu meistern. Das hatte ihn allerdings in die Illusion gestürzt, dass die Zeit nicht auf den ersten Juli zuraste und ihn in manchen Situationen vergessen lassen, dass er seine Pflicht zu erfüllen hatte, wenn sie Zeit reif war. Seine Erinnerungen schweiften zur vorherigen Nacht ab und einmal mehr fragte er sich, wieso sie ausgerechnet ihm die Unschuld geschenkt hatte, die sie sich so lange bewahrte. In seiner Annahme, dass Jordan sie schon längst gehabt hatte, war er sogar zu einem grundlegenden Verständnis für ihre Situation gekommen. Nun musste er sich fragen, wie Roses Handlungen wirklich motiviert waren oder ob sie nicht nachgedacht hatte, wie sie es so oft tat. Ein Schauer aus Erregung lief ihm den Rücken hinab, als ihm noch immer ihre Stimme in den Ohren klang, wie sie seinen Namen geseufzt hatte.

Sie war leidenschaftlich gewesen.

Und er nicht er selbst.

Scorpius wusste, dass es besser gewesen wäre, hart zu bleiben und sie wegzuschicken. Aber er hatte es nicht übers Herz gebracht und dann war ihm sein berechnender Verstand abhanden gekommen, kaum, dass er ihre Brüste an seinem Körper spürte.

Er rollte die Augen und verfluchte seine Triebe.

Schließlich, als die Einsicht sich nicht eingeschlichen hatte, zuckte er mit den Schultern, schnippte den Ring in die Höhe und fing ihn mit geschickter Hand auf, sodass er ihn in seiner Hosentasche verschwinden lassen konnte.

Dagegen, dass man ab und zu miteinander schlief war doch nichts einzuwenden, oder?
 

*
 

Morgana konnte nicht leugnen, aufgewühlt zu sein, als sie ihre zitternden, kalten Finger bemerkte, die ungeduldig auf das Holz einer mannshohen Fisteldistel trommelten. Albus hatte ihr beim Abendessen gesagt, er wolle sie hier treffen – seine Augen hatten Dringlichkeit verraten. Ein ungutes Gefühl bemächtigte sich ihres Körpers und Morgana stand ihm machtlos gegenüber. Ab und zu schielte sie auf ihre Armbanduhr, doch das brachte ihren Freund auch nicht schneller in die Gewächshäuser.

Endlich vernahm sie ein leises Räuspern vom anderen Ende des Raumes. Sie wandte sich mit fliegendem Rock zu ihm um, doch das Gesicht, das sie erkannte, ließ ihre eigenen entgleisen.

„Was ist los?“ Ihre Mundwinkel zitterten vor Unsicherheit.

Langsamen Schrittes schlenderte Albus auf sie zu. Sie bekam das Gefühl, dass er sich absichtlich so viel Zeit ließ. Ein Quäntchen Zorn spross in ihrem Herzen empor. Das war ein Zug, den sie an ihm hasste. Zeit schinden.

„Ich muss mit dir reden.“, begann er mit fester Stimme.

Eilig schüttelte Morgana den Kopf, als könne sie ihn somit dazu bringen, gleich zu seinem Anliegen zu kommen. „Das sagtest du mir bereits und deswegen bin ich hier. Also sprich, Potter.“

Sie hoffte ihn zu treffen, wenn sie ihm beim Familiennamen nannte, doch sein Gesicht blieb ausdruckslos.

„Mir ist vor einigen Tagen klar geworden - “, versuchte er es erneut, doch die Slytherin fiel ihm barsch ins Wort: „Dass du mich abgöttisch liebst?“ In ihrer Stimme schwang Angst, Verachtung, aber auch ein Funken Hoffnung, dass er die Frage mit Ja beantworten würde. Doch diese verpuffte jäh, als Albus mit dem Kopf schüttelte und unabwendbar näher kam. Zurück blieben Wut und Verachtung.

„Du bist wirklich ein wunderschönes, superschlaues und begehrenswertes Mädchen, Mo.“

Am liebsten würde sie sich die Ohren zuhalten und summen, bis der Spuk vorbei wäre und sie sich in den Armen lagen. Sie hasste solche Spielchen – sie hasste es, dass sie verzweifelt nach jedem Hinweis griff, den er aus vermeintlicher Liebe an sie richtete.

„Und ich glaube du würdest jeden Mann glücklich machen, der -“

„Jeden Mann außer dir, meinst du.“ Ihre Stimme klang kalt.

Albus seufzte, schließlich kam er vor ihr zum Stehen und suchte ihren Blick. Als Morgana mit gerecktem Kinn aufsah, zersprang ihr fast das Herz in der Brust, als ihr dämmerte, was er damit beabsichtigte.

„Es liegt nicht an dir, verstehst du...“ Albus war sich nicht im Klaren darüber, dass er nun in Floskeln abdriftete - seines Erachtens nach, war es die Wahrheit. Es lag nicht an ihr, es lag nur an ihm allein.

„Es liegt nicht an mir?“, fragte sie leise. „Es liegt nicht an mir?“, wiederholte sie nun schreiend. Sie machte einen Satz auf ihn zu und bohrte die Spitze ihres Zauberstabes in seine Brust. Doch Albus unternahm nichts, um sie davon abzuhalten. Wenn sie ihn durchhexen wollte, würde er sich nicht beschweren, denn das hatte er verdient.

„Was genau liegt nicht an mir? Dass du lieber Longbottom nachhängst und dabei sabberst wie ein Ghoul? Oder dass du nicht die Eier hast, eine Entscheidung zu treffen?“ Ihre Stimme wurde immer lauter. Nun setzte sie sich in Bewegung und drängte Albus so lange zurück, biss sein Becken an einen Pflanzkasten voller Alraunen stieß. Die kleinen Babyschreie wurden von der feuchten Erde gedämpft, verliehen der Atmosphäre jedoch einen unheilvollen Soundtrack.

„Dass du mich an der Nase herumführst? Dass du mein Herz brichst? Dass du nur mit mir spielst? Oder dass du es zu keinem Zeitpunkt ernst gemeint hast?“ Morgana Ton überschlug sich. Eine Träne rann aus ihren Augenwinkeln zu ihrem Kinn, doch sie tat so, als hätte sie es nicht bemerkt. Ihre Augen waren zusammengekniffen und ihr Gesicht hatte hässliche rote Flecken bekommen, die sich bis in ihren Ausschnitt fortsetzten.

„Ja.“, entgegnete Albus kleinlaut.

Sein Gegenüber bohrte die Spitze noch ein bisschen tiefer zwischen seine Rippen, bis er die Funken auf der nackten Hand spürte und das angesengte T-Shirt roch. Scharf sog er die Luft ein, als ein feiner Schmerz sein Hirn erklomm.

„DA HAST DU VERDAMMT RECHT, ALBUS SEVERUS POTTER!“

Brüllend warf sie den Zauberstab weg. Sie gab ihm eine Ohrfeige und dann eine zweite, die er stillschweigend einsteckte. Es war nicht das erste Mal, dass er verdient geschlagen wurde. Und er wusste, dass man sich besser nicht wehrte, wenn der Gegner ein Mädchen war. Das beruhigte sie keinesfalls, sondern ließ sie nur noch mehr zur Furie werden.

„Ich bin viel zu gut für dich!“ Sie schlug wieder zu. „Du hast meine Liebe nicht einmal im Ansatz verdient!“ Wieder ein Schlag. Seine Wangen kribbelten und wurden warm. „Und dann denkst du im Ernst, du könntest mit mir Schluss machen? Mit mir?“ Sie zog beide Augenbrauen in die Höhe und brachte etwas Abstand zwischen sie. Ein höhnisches Lachen, das nicht ehrlich war, glitt zwischen ihren feinen Lippen hervor. „Das kannst du knicken! Ich mache mit dir Schluss.“

Mit diesen Worten wirbelte sie auf dem Absatz herum und verließ das Gewächshaus, als sei sie eine Dampfwalze in den Gängen der Schule.

Albus kramte in der Brusttasche seines T-Shirts nach einer Zigarette, um sie sich mit zitternden Fingern anzuzünden.
 

*
 

Rose lief gerade mit ein paar Mädchen schnatternd durch die Flure Hogwarts.

Ravenclaw-Mädchen, die aufrichtiges Interesse an ihr zeigten, hatten sie umringt und quetschten sie bezüglich ihrer anstehenden Hochzeit aus. Doch sie würde nicht verraten, wann sie stattfand, obgleich sie wusste, welches Datum Draco Malfoy gewählt hatte. Immer wenn sie danach gefragt wurde, antwortete sie, es sei noch in Planung.

Gerade als sie an einem Portrait von Olga der Schreckhaften vorbeigingen und die Bewohnerin dieses Bildes wie üblich zusammenzuckte, als die Mädchen kichernd aufkreischten, wurde Rose an der Hand gepackt und aus der Menge gerissen. Erschrocken sah sie sich um, doch es herrschte nur Dunkelheit um ihre Augen. Sie hatte sich gerade mit Blossom Applefelder über ihr Date für den heutigen Valentinstag unterhalten, doch nun wurden zwei Lippen stürmisch auf ihren Mund gepresst. Sie schreckte zusammen, als sie immer noch niemanden ausmachen konnte. Als der in Finsternis vermummte absetzte, stieg Rose ein allzu bekannter Duft in die Nase, die sie von den Kopfkissen kannte, auf denen sie eines Morgens in den Schulsprecherräumlichkeiten aufgewacht war.

„Scorpius!“

„Wen hast du denn erwartet?“ Seine Stimme klang amüsiert.

Sie zuckte mit den Schultern, auch wenn sie wusste, dass er es unmöglich sehen konnte. Ihr Blick wandte sich ab und sie erkannte durch schwaches Licht, dass hereinfiel, dass sie sich hinter einem Wandteppich befanden, in den die Geschichte der Schlacht von Hogwarts gewebt war.

„Niemanden“, erwiderte sie etwas zu schnell.

Sie konnte sich förmlich vorstellen, dass er nun eine Augenbraue hochgezogen hatte und versuchte sie streng zu mustern. Automatisch glitten ihre Finger zu dem Punkt, an dem sie sein Gesicht vermutete – sie hatte Recht, er zog eine Augenbraue hoch.

„Warum entführst du mich?“, fragte sie leise.

Rose befürchtete nun, von eben jener Gruppe gestört zu werden, der sie entrissen wurde. Ein Bataillon Schmetterlinge stob durch ihren Bauch, als sie sich gewahr wurde, dass sie das erste Mal seit Tagen mit Scorpius allein war.

Als er sich zu einem erneuten Kuss hinab beugte, bemerkte sie noch das schiefe Lächeln, dass seinen Mundwinkeln anhaftete. Bereitwillig kam sie ihm entgegen und erwiderte. Wie selbstverständlich glitten seine Hände an ihren Seiten hinab und schoben sich unter ihren Rocksaum.

„Es ist Valentinstag – sogar ich weiß, dass man an diesem Tag Zeit mit seiner Zukünftigen verbringt.“, flüsterte er, als er absetzte.

Die Weasley war perplex und antwortete nicht. Nun war sie sich nicht einmal mehr sicher, ob sie die Augen geöffnet oder geschlossen hielt.

„Wenn das zu Publicity-Zwecken geschehen sollte, hättest du es nicht heimlich machen dürfen.“, wies sie hin.

Scorpius reagierte etwas verschnupft.

„Beschwerst du dich?“, fragte er ernst.

Rose seufzte. „Nein.“, patzte sie zurück und hätte am liebsten gekichert über dieses Missverständnis, denn eigentlich war sie geschmeichelt, weil er es nicht öffentlich gemacht hatte.

Scorpius schien sich auf sein Vorhaben zu besinnen.

Er nahm Roses linke Hand und strich liebevoll ihre Finger glatt. Sie wollte schon zurück zucken, aber er umschloss sie etwas fester. Dann streifte er etwas Kühles über ihren Ringfinger.

Er hörte sie laut schlucken, als ihr dämmerte, was er da tat.

„Frohen Valentinstag, Liebes.“

Scorpius drückte ihr einen weiteren Kuss auf die Lippen, den sie inbrünstig erwiderte, sodass sogar ihm für eine Sekunde Hören und Sehen verging, dann schob er sie zurück zu ihren Freundinnen auf den Gang, die sich bereits wundernd umgesehen hatten.
 

*
 

Alices hohe Absätze klapperten über den Steinboden des ausgestorbenen Ganges. Es war ein paar Minuten vor Mitternacht. Bis jetzt hatte sie mit ihrem Vater diskutiert, wie er mit Scorpius verfahren sollte, der anhand verschiedener Augenzeugenberichte von Ravenclaws überführt werden konnte. Erleichtert hatte sie das Direktorenbüro verlassen und blies sich als Zeichen von Erschöpfung eine widerspenstige Strähne aus der Stirn. Den Valentinstag hätte sie gern anders verbracht, doch ihre Bemühungen waren zumindest nicht vergebens gewesen: Scorpius musste dreimal nachsitzen und zu Ostern würde sie für ihren Vater seine geliebten Waffeleier mit Cognac-Schokolade füllen.

Alice musste darüber grinsen, wie banal diese Strafe war. Sie hoffte nur, dass ihr Kollege es ihr ausreichend dankte, denn dieses Zwischenspiel hätte ihn sein Amt kosten können und über einen Schulverweis hatten sich die Lehrer auch schon beratschlagt. Sie seufzte, als ihr wieder einmal bewusst wurde, dass es durchaus Vorteile hatte, die Tochter des Schulleiters zu sein. Als sie in den nächsten Gang einbog, um zum Rittergemälde zu kommen, erkannte sie eine in Schwarz gehüllte Gestalt, die auf dem Boden kauerte. Als er ihre Schritte hörte, rappelte er sich eilig an der Wand hoch. Alice stockte der Atem, als sie Albus erkannte. Sie verlangsamte ihr ihr Tempo.

„Hast du das Passwort vergessen oder hat dich Scorpius rausgeworfen?“, fragte sie. Sie gab sich Mühe, ihre Stimme nicht allzu freundlich klingen zu lassen. Schließlich blieb sie vor ihm stehen. Da er nicht postwendend mit der Sprache herausrückte, zogen sich ihre Augenbrauen zu einer kleinen Falte an ihrer Nasenwurzel zusammen.

„Nein, ich wollte zu dir. Aber...“ Er suchte nach Worten. Alice sah hinab zum Boden und bemerkte eine Vielzahl ausgedrückter Zigarettenstummel auf dem Stein. Hoffentlich hatte er vor, diesen Dreck wieder zu beseitigen. Er seufzte und sackte etwas in sich zusammen. Unentschlossen, was er mit seinem Bein anfangen sollte, stützte er es an der Wand hinter ihm ab, um möglichst lässig auszusehen. „Ich wollte dir die Entscheidung überlassen, ob du mich hereinbittest.“

Am liebsten hätte Alice gelacht, doch stattdessen verschluckte sie sich an ihrer eigenen Spucke bei dem Versuch ihm zu zeigen, was sie von dieser Vorstellung hielt.

„Und was machst du, wenn ich Nein sage?“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust.

Albus entging die abwehrende Geste nicht, doch das erste Mal in seinem Leben, ließ er sich nicht von ihr und seinen Zweifeln aus dem Konzept bringen. Er bemühte sich, ihr in die Augen zu sehen, doch immer wenn es ihm gelang, sah sie schnell auf einen anderen Punkt in ihrer Umgebung.

„Dann gehe ich.“, antwortete er mit Verzögerung. „Aber bis jetzt hast du mich nicht mit Flüchen weggejagt, also scheinst du dich noch nicht entschieden zu haben.“

Alice sah seinen berechnenden Geist für eine Sekunde in seinen Augen aufblitzen. Es verschlug ihr fast den Atem, als ihr bewusst wurde, dass Albus sein Verhalten geändert hatte. Nun stand wieder der berechnende Zyniker vor ihr, der Spielchen spielen wollte.

Auch wenn es sie ängstigen sollte, dass er sie durchschaute, war sie dennoch fasziniert, endlich wieder den echten Albus vor sich zu haben, an den sie damals ihr Herz verloren hatte.

„Ich hoffe für dich, es ist wichtig.“, knurrte sie, dann nannte sie das Passwort.

Gemeinsam traten sie ein, als Alice in ihr Zimmer voran ging, das Albus seit jenem ereignisreichen Morgen nicht mehr betreten hatte. Die Einrichtung rief in ihm schmerzvolle Erinnerungen wach, als er die vielen Tücher und Kissen sah, die fast schon orientalisch anmuteten. Auf ihrem Boden lagen noch immer alle Bücher verteilt. Alice wanderte mitleidslos über knackende Buchrücken zu ihrem privaten Schreibtisch, um sich dort auf den Stuhl nieder zu lassen. Wie bestellt und nicht abgeholt, stand Albus nun mitten im Raum und wurde abwartend angesehen. Er hatte sich in den vielen Minuten des Wartens zurechtgelegt, wie er es sagen wollte, doch nun gingen ihm die vielen Wörter verloren. Er kam sich vor, wie vor Gericht und Alice war die Jury, von der sein Todesurteil abhing. „Ich habe mich damals nicht aus dem Staub gemacht.“, platzte es aus ihm heraus, noch ehe er Gelegenheit hatte, die Worte mit Bedacht zu wählen. Danach verstummte er, erschrocken über den rechtfertigenden Klang seiner Stimme. Der Satz hing im luftleeren Raum, dessen Temperatur um zehn Grad gefallen zu sein schien, als er Alices kalten Blick und die zusammengekniffen Lippen bemerkte.

„Lily hat mir vor ein paar Tagen gesagt, was du von mir gedacht hast. Aber so war es nicht.“, fuhr er fort. Seine Hände wurden kalt und schweißig zugleich, also vergrub er sie in den Hosentaschen und sah seine Henkerin an.

„Ich bin gespannt was du herausgefunden hast.“ Ihre Worte passten nicht zu ihrem Gesicht und ihr Gesicht passte nicht zu ihrem herablassenden, skeptischen Unterton.

Albus wusste, dass er nun alles auf eine Karte setzen musste. Er hatte nicht vor, sie für sich zu gewinnen oder sie zu überzeugen. Das einzige Begehren, das er hatte, war, ihr endlich die Wahrheit zu sagen. Also webte er die folgenden Sätze mit Bedacht zu einer lückenlosen Schilderung zusammen. Es fühlte sich für ihn an, als würde er ihr stundenlang erzählen, was wirklich geschehen war. Und als er endete, fühlte sich seine Kehle heiser an.

Abwartend sah er zu Alice, die verstummte und deren Mienenspiel in den letzten Minuten in die unterschiedlichsten Richtungen geschwankt war.

„Mir ist zum ersten Mal in meinem Leben klar, was ich will. Und ganz gleich, was du nun antworten oder tun magst – ich bin mit mir im Reinen.“, setzte er hinzu und fuhr sich durch die Haare. Er hatte ihr nicht erzählt, dass er mit Morgana Schluss gemacht hatte (oder besser gesagt: Sie mit ihm), weil er sie damit nicht einlullen wollte. Wenn es sie wirklich interessierte, würden ihr der Buschfunk gewiss mitteilen, was im Gewächshaus geschehen war.

„Danke für deine Ehrlichkeit, Albus. Nun wäre ich gern allein.“, sagte sie freundlich, aber nicht zu überschwänglich, um ihn zu verraten, was in ihrem Kopf vor sich ging.

Er war etwas enttäuscht, dass sie ihm nicht gleich um den Hals fiel. Andererseits würde er es an ihrer Stelle auch nicht tun... aber für einen Moment lang hatte er den Funken Hoffnung gehabt und sich dieser Phantasie hingegeben, während er auf sie wartete.

Langsam nickte er und verließ das Zimmer, wie sie es von ihm gewünscht hatte.

Als er das Portrait, die Gänge und den Gemeinschaftsraum der Slytherins hinter sich brachte, war sein Herz so leicht in seiner Brust, dass er sich fragte, warum er es sich so lange so schwer hatte werden lassen.

Der letzte Tanz.

Hallo, verehrter Leser!
 

Zwischendurch möchte ich mich bedanken, dass ihr meiner Story immer noch oder wieder treu gewesen seid und ebenso ein kleines "Hurray" auf 171 Kommentare und 129 Favoriten.
 

Dies ist das letzte Kapitel bevor es ernst wird. :) Ich hoffe ihr genießt die letzten Atemzüge meiner Fantasterei und hinterlasst einen Kommentar wenn es gemundet hat. Oder auch, wenn nicht.
 

Liebste Grüße,
 

Darki
 

Vorhang!
 


 

Kapitel 17

- Der letzte Tanz -
 


 

Malfoy Manor, 15. März
 

Liebe Schwiegertochter in spe,
 

ich hoffe, der Monat, der nach meinem letzten Brief an dich ins Land gezogen ist, war ein schöner Monat. Ich habe deine Nachricht erhalten und freue mich, dass dir der Verlobungsring so sehr gefallen hat. Du bist mir auf die Schliche gekommen – es ist wirklich meiner gewesen und ich verbinde ein paar sehr schöne Erinnerungen damit. Nun ist es mein Wunsch, dass er dir auch ein paar glückliche Momente beschert hat. Verzeih mir bitte, dass ich erst heute schreibe, aber die Vorbereitungen für eure Hochzeit rauben mir alle zur Verfügung stehende Zeit. Ich bin froh, dass dir der ganze Trubel nicht zu Kopf steigt und du dich noch aufs Lernen konzentrieren kannst.

Doch bevor ich weiterschreibe, muss ich noch etwas loswerden: Herzlichen Glückwunsch zum 17. Geburtstag, liebe Rosie. Du hast das Paket, das ich dir mitsende, sicherlich schon erhalten. Scorpius wollte mir leider nicht verraten, was er dir schenkt, aber gewiss machst du kein ebenso großes Geheimnis daraus, wie er. Vermutlich ist es ihm nur peinlich oder er wusste bis zum letzten Moment nicht, was er dir kaufen könnte. So ist er nun einmal.

Ich hoffe wir sehen uns in ein paar Wochen in den Osterferien, weil wir beide noch zum Schneider müssen, um das Kleid zu ändern, das du ausgesucht hast. Übrigens war es eine sehr gute Wahl.

Wir machen uns einfach einen schönen Tag in der Winkelgasse und lassen die Männer zuhause versauern, dann bringe ich dich zu deiner Familie. Sicherlich vermissen sie dich schon schrecklich, nachdem sie Weihnachten ohne dich verbringen mussten.

Leider muss ich nun auch schon aufhören. Ich muss die Hauselfen einweisen, die ich für die Hochzeit geordert habe und die mir hoffentlich etwas zur Hand gehen.
 

Liebe Grüße (und feiere deinen Ehrentag noch schön!)
 

Astoria
 

*
 

Hogwarts, 18. März
 

Liebe Astoria,
 

Dankeschön für deine Glückwünsche und das neue Briefpapier. Wie geht es dir mit dem ganzen Stress? Ich habe ein schlechtes Gewissen, dass du das allein stemmen musst. Aber um Buße zu tun, lerne ich jeden Tag so viel ich kann. Langsam bekomme ich das Gefühl, ich könne eine ganze Bibliothek mit Wissen füllen (Scherz). Scorpius redet in letzter Zeit nicht sehr viel mit mir. Das liegt zum einen daran, dass er selbst pauken muss (hinzu kommen die Pflichten seines Amts) und zum anderen vermute ich, dass es den Ursprung in einem üblen Gerücht hat, dass über mich in Umlauf gebracht wurde. Bisher hat er mir keine Gelegenheit gegeben, das klarzustellen. Aber bitte mach dir keine Sorgen – solche Meinungsverschiedenheiten gehören nun einmal dazu, wie ich lernen musste.

Richte Mr. Malfoy liebe Grüße aus (auch wenn ich der Ansicht bin, dass es ihn nicht interessieren wird)!
 

Ich wünsche dir noch eine schöne restliche Woche,
 

Rose.
 

p.s. Scorpius hat mir eine edle Uhr geschenkt, weil es Brauch ist, eine zu bekommen, sobald man volljährig wird.
 

*
 

10. 4.
 

Lieber James,
 

in deinem letzten Brief hast du dich nach mir und Rosie erkundigt, deswegen nehme ich mal stark an, dass Hugo bei dir schon Alarm geschlagen hat, die kleine Petze. Leider hast du Recht damit, dass hier etwas oberfaul ist. Aber ich bin mir unsicher, ob dich der Tratsch von Hogwarts wirklich interessiert. Nun denn, man erzählt sich, dass Rose es mit David Jordan noch nach der Bekanntgabe der Verlobung getrieben hat. Allerdings kann ich meine Hand dafür ins Feuer legen, dass das nicht die Wahrheit ist. Du kennst das ja – wenn es einmal lodert, ist das Feuer nicht mehr zu ersticken.

Al ist ein kleines Weichei, aber endlich kriegt er es wieder geschissen, die Zähne auseinander zu kriegen. Was auch immer vorgefallen ist, es hat ihn dazu gebracht, ein paar wichtige Entscheidungen zu treffen. Nur so viel: Diese Morgana-Kuh sind wir los.

Dass es Lucy besser geht, freut mich und ist mir gleichzeitig egal. Sie hat Rose einen Unverzeihlichen an den Hals jagen wollen. Egal was sie macht, das werde ich ihr nie vergeben. Dass sie nicht einmal versuchen kann, sich nicht in der negativen Aufmerksamkeit unserer Familie zu suhlen, nervt mich tierisch an.

Ich glaub mal, dass sich Rosie und Malfoy wieder zusammenraufen. Das haben sie bis jetzt immer getan in ihrer jungen Beziehung. Ansonsten heimsen wir einfach alle Hochzeitsgeschenke ein, das ist auch nicht schlecht.

Ach so und bevor ich es vergesse: Bitte beleidige meinen Freund in deinen nächsten Briefen nicht so arg. Mir ist schon klar, dass du dir einen besseren Jungen für mich vorstellen kannst. Aber soll ich dir mal was flüstern? - Er ist der TOLLSTE Typ aller Zeiten, trägt mich auf Händen und es ist nicht von der Hand zu weisen, dass du keinerlei Mitspracherecht besitzt, wem ich meine Liebe schenke. Ja, du liest richtig. Liebe. Das ist dieses eklige Wort, dass sich junge Pärchen sagen, wenn sie es ernst meinen. Nicht, dass du davon auch nur den Hauch einer Ahnung hättest.
 

Egal, ich hoffe dir geht es gut und wenn nicht, erwarte ich schnellstmöglich davon zu erfahren,
 

deine äußerst liebreizende Schwester Lily.
 

*
 

Malfoy Manor, 20. April
 

Lieber Sohnemann,
 

ich hoffe dieser Brief erreicht dich noch, bevor du abreist. Denk bitte daran, deiner Großmutter Zissy eine Geburtstagskarte zu schicken. Den Rest besprechen wir Zuhause.

Vertrag dich endlich mit deiner Verlobten, sonst mach ich dir das Leben zur Hölle!
 

Ich liebe dich.
 

Deine Mutter.
 

*
 

4. Mai
 

„Heirat ist nicht das Happy End - sie ist immer erst ein Anfang.“ (Federico Fellini)
 

Zur Trauung unserer Kinder,

laden wir Sie am 1. Juli nach Malfoy Manor ein.

Die Zeremonie beginnt um 13 Uhr, anschließend feiern wir 'den Anfang' von Rose und Scorpius gebührlich.

Für ein rauschendes Fest wird garantiert.

Bitte geben Sie uns zeitnah Bescheid, ob wir mit der Ehre Ihrer Anwesenheit rechnen dürfen.
 

Familie Weasley & Familie Malfoy
 

*
 

(18. Mai)
 

Al – habe herausgefunden, dass es Jordan höchstpersönlich war, der dieses Gerücht in die Welt gesetzt hat. Warte nach dem Unterricht auf mich! Müssen handeln! - N.
 

*
 

Hogwarts, 1. Juni
 

Liebste Mom,
 

ich habe soeben meine erste Prüfung beendet und bin ziemlich erledigt. Aber ich wollte dir zumindest schreiben, damit du mir nicht wieder mit einem Brüller befiehlst, ich solle mich bei dir melden. Nate und Al werden nicht zur Anprobe der Smokings kommen können – sie sitzen noch für den Rest des Schuljahres nach, weil sie einen Mitschüler drangsaliert haben. Manchmal geht eben ihr Temperament mit ihnen durch, aber ich soll ihre Entschuldigungen ausrichten.

Mit Rose habe ich nie gestritten, also ist eine Versöhnung unnötig. Wir haben beide den Kopf voller anderer Sorgen. Meistens hockt sie in der Bibliothek und will nicht gestört werden. Lily Potter bedankt sich für das Kleid der Brautjungfern. Und Longbottom lässt fragen, ob sie einen Hosenanzug tragen darf – sie nervt mich jetzt schon seit einer Woche damit, also gib schnell Antwort, hier sind nämlich alle etwas gereizt durch den Lernstress. Ich rechne quasi jeden Augenblick damit, dass sie mich im Schlaf ermordet. Sollte dies also der letzte Brief an dich sein: Ich liebe dich.

Kommt es mir nur so vor, oder schmeißt du die ganze Hochzeit allein? Was macht Dad?Lass mich raten: Er arbeitet und kommt erst spät nach Hause.

Kannst du mir meinen Festumhang für den Abschlussball zuschicken?
 

Muss jetzt weitermachen – Longbottom hat ein nervöses Zucken im Gesicht,
 

Scorpius
 

*
 

Hogwarts, 14. Juni
 

Lieber Dad,
 

bitte mach dir keine Sorgen um mich. Ich genieße meine letzten Schultage. Rose hat es sogar möglich gemacht, dass ich eine Begleitung zum Abschlussball habe. Ihr geht es gut, glaube ich. Aber sehr oft sehe ich sie auch nicht. Heute hat sie einen Slytherin umgerannt, weil sie ihre Nase in ein Buch vergraben hat. Für einen Moment dachte ich, Mom stünde vor mir.

Die Einladung zur Trauung sieht übrigens echt gut aus – man hat kaum gemerkt, dass deine Hand bei der Unterschrift gezittert hat. Malfoy behandelt sie, soweit ich das beurteilen kann, gut. Schätze es gehört zu seinen Genen, reserviert zu sein. Denk dran deinen Festumhang in die Reinigung zu geben. Beim letzten Bankett hast du Tomatenbraten drüber gekleckert.
 

Wie läuft es Zuhause?
 

Liebe Grüße,
 

Hugo
 

*
 

Rose saß mit Alice auf dem kleinen Sofa vor dem Kamin in den Schulsprecherräumen. Sie hielten beide ein Glas Wein in der Hand und starrten nachdenklich ins Feuer ohne zu sprechen. Es war auch nicht nötig, viele Worte zu verlieren, weil sie sich besser kannten, als irgendwer sonst auf der Welt. Alice musste Rose nicht einmal erzählen, dass Albus bei ihr aufgekreuzt war – schon allein an der Art ihres Schweigens erkannte sie, dass sie an ihn dachte. Sie seufzte. Eigentlich hatte sie gehofft, dieser Spuk habe ein Ende gefunden, nachdem sie sich mit Cameron zusammen getan hatte. Doch in den letzten Wochen des exzessiven Lernens, dachte sie wohl häufiger an ihn, als an den smarten Hufflepuff.

Ein Räuspern durch geschlossene Türen hindurch, ließ sie aufsehen. Scorpius hatte sich in seinem Zimmer verkrochen und erledigte die letzten Papiere seiner Laufbahn als Schülervertretung. Nachdem sie die Prüfungen hinter sich gebracht hatten, schob er eine neue Ausrede vor, weshalb er sich in seinem Domizil verbarrikadierte. Jedes Mal, an dem sie versucht hatte ihm die Lage zu erklären, wies er sie mit einer rauen Geste ab.

Sie wusste nicht, wie sie mit ihm umgehen sollte, würde sich dieses Verhalten in den nächsten Tagen manifestieren. Immerhin stand die Hochzeit unmittelbar bevor. Es war nicht einmal mehr eine Woche bis zu diesem entscheidenden Punkt in ihrem Leben.

Aber vielleicht war er noch verkatert von seinem Junggesellenabschied am Vorabend. Rose ging es nicht besser, immerhin hatten sich Alice und Lily größte Mühe gegeben, Rose abzufüllen und viele unanständige Dinge tun zu lassen. Anschließend war die baldige Braut in einem weißen Overall durch Hogwarts gelaufen und ließ jeden jungen Mann, der ihren Weg kreuzte, für ein paar Sickel ein vorgezeichnetes Herz ausschneiden. Der Clou daran war, dass sie darunter nichts trug und das letzte Herz direkt auf ihrer Brustwarze saß.

Keiner traute sich, weil sich niemand mit Scorpius anlegen wollte, nachdem er Jordan derart zugerichtet hatte. Gerade als Alice ihren Freund Cameron beschwatzt hatte und ihm keine Gelegenheit gab gegenzusteuern, tauchte Scorpius mit seiner Männerrunde auf. Er hatte den Zauberstab gezückt und Finnigan die Schere aus der Hand gehext, bevor er auch nur ansetzen konnte. Für einen Moment stand dem Hufflepuff die Todesangst ins Gesicht geschrieben. Erst als Scorpius zwei ganze Galleonen in das kleine Kästchen geworfen hatte, entspannten sich alle Umstehenden. Rose wurde rot, als sie daran dachte, dass er sie schweigend in einen geheimen Gang gezogen hatte, um das Herz höchstpersönlich auszuschneiden. Sie erinnerte sich daran, wie ihr der Geruch von Feuerwhiskey in die Nase gestiegen war, als er einen kurzen Kuss auf die Brust drückte. Als sie mit diesem ziemlich schlüpfrigen Loch nach draußen traten, bemühte sich jeder anwesende junge Mann sichtlich, in die genau entgegen gesetzte Richtung zu starren.
 

Ein lauter Knall ertönte, dann erklang das Geräusch von Scherben. Aus ihren Gedanken gerissen, zuckten die Mädchen zusammen und sahen zur Tür. Dem Geräusch folgte ein weiteres Scheppern. Alice und Rose tauschten verwirrte Blicke. Der nächste Knall klang, als hätte jemand ein ganzes Tablett fallen lassen. Sie erhoben sich und gingen mit erhobenen Zauberstäben zum Portraitloch.

Sogar Scorpius kam aus seinem Zimmer und zuckte bei jedem Splittern zusammen.

„Was soll das?“, fragte er Alice.

Die Schulsprecherin hob die Schultern, auch wenn sie bereits einen Verdacht hatte. Das Portrait schwang auf, als sie näher traten und vor ihren Augen lag bereits ein Scherbenmeer auf dem Natursteinboden. Sie sahen eilig ein paar Schüler weg rennen, doch neue kamen nach und zerschmissen alte Keramikteller und Tassen, die schön Sprünge hatten, vor ihren Füßen. Lily kam mit einem breiten Grinsen auf die zu, an der Hand führte sie Nathan wie einen Hund an der Leine.

„Was schaut ihr mich denn so dumm an? Nicht daran gedacht, dass es vor der Hochzeit einen Polterabend gibt?“, fragte sie.

Rose schlug die Hände über dem Gesicht zusammen und lugte unsicher zwischen ihren Fingern hervor. Sie hatte davon gehört aber nie daran gedacht, dass es in Hogwarts möglich war, so einen Krach zu machen. Und sie hätte auch nie vermutet, dass sich so viele Schüler daran beteiligten. Die meisten waren eher skeptisch gegenüber dieser baldigen Heirat. Doch die Reihe an Besuchern mit alten Zinnkesseln, Schüsseln und Krügen schien nicht abzureißen. Roses Blick glitt den Flur hinunter und erfasste, dass sich bereits eine Schlange gebildet hatte.

„Und was macht man dann mit diesem ganzen Schutt?“, fragte Scorpius irritiert.

Lily schnalzte mit der Zunge und hob zu einer Erklärung an:

„Es heißt, dass Scherben Glück bringen. Das da“, sie deutete auf die vielen Splitter, „sind die Glückwünsche eurer Mitschüler.“

Alice grunzte. „Sieht eher danach aus, als freuten sie sich den ganzen Krempel loszuwerden, den sie nicht mit nach Hause schleppen wollen.“

Scorpius lachte, denn den gleichen Gedanken hatte er auch gehabt. Zumal alte Kessel keine Scherben ergaben. Rose traten die Tränen in die Augen, so gerührt war sie, doch nur Lily schien das mitzubekommen.

„Wenn du etwas tun willst, Cousinchen, dann hol den restlichen Vorrat an Butterbier und Feuerwhiskey, denn ein paar Leute wollen noch nicht schlafen gehen.“, lenkte die Potter ein. Damit meinte sie die Menschen, die nach der verrichteten Tat noch nicht verschwunden waren, sondern eisern kleine Schnapsgläser umklammert hielten.

„Und es ist normal, dass sie sich dann auf unsere Kosten betrinken?“, erkundigte sich Scorpius, als Rose sich aus der Gruppe löste um allen Alkohol, der sich im Raum befand, zusammenzuklauben. Als sie fand, dass es nicht genug war, sprach sie einen Verdopplungszauber, während die Schüler zwischen die Schulsprecher in den Raum drangen.

„Ich hatte gehofft, früh Schlafen gehen zu können.“, seufzte der Malfoy und ergab sich seinem Schicksal, als Nathan Zabini ihm ein Butterbier reichte.
 

*
 

Alice fand, dass sich Lily ausgesprochene Mühe gegeben hatte bei der Planung der letzten illegalen Feier in Hogwarts, bevor der Abschlussball das Schuljahr feierlich beendete. Sogar Morgana Greengrass war erschienen und mit Würde an Albus vorbei geschritten, als wäre er ihres Blickes nicht würdig. So gesehen war er es auch nicht, meinte sogar die Schulsprecherin. Man erzählte sich seit Monaten die halsbrecherischsten Geschichten über ihre Trennung.

Ihre Anwesenheit verdankte man aber eher Scorpius, denn es war ein halboffizieller Anlass. Dabei durfte die Familie nicht fehlen. Wahrscheinlich hatte Morgana nicht einmal große Lust dazu verspürt, sich zu betrinken. Doch in den fünf Minuten, die sie nun anwesend war, kippte sie schon den dritten Rumänischen Feuerball. Das war ein Zeichen, dass sie die Geschichte wohl noch nicht ganz überwunden hatte – oder sie in der letzten Zeit ohne Lucy vereinsamte.

Man hatte das Sofa und alle lästigen Möbelstücke an den Rand geschoben. In der Mitte des Raumes stand ein Tisch, an dem Lily gerade in einer großen Runde „Dumbledore hat seinen Hut verloren“ gespielt wurde. Jedes Mal, wenn einer nicht aufpasste, wer ihn hatte, musste ein Schluck Russisches Bitterwasser getrunken werden. Alice bemerkte amüsiert, dass Lily ihren Freund fast unter den Tisch trank, aber nicht mehr weit davon entfernt war, selber mit dem Kopf auf die Tischplatte zu schlagen.

Ihr Blick wanderte weiter, als Scorpius mit Albus in ihr Gesichtsfeld rückten. Der Schulsprecher saß auf seinem Schreibtisch und sein bester Freund schien ihm gerade einen Witz zu erzählen, sodass er das halbe Bier über den Teppich prustete.

„Ich hätte niemals gedacht, dass so viele Leute in diesen Raum passen.“, verlautbarte Rose und ließ sich neben Alice auf dem Sofa nieder. Eisern hielt sie eine Flasche Butterbier umklammert um nicht in Verlegenheit zu kommen, mit irgendeinem Gratulanten Hochprozentiges auf ihre Hochzeit zu trinken.

„Sie haben sich auch schon in Scorpius und mein Zimmer ausgelagert. Ich hoffe sie lassen nichts mitgehen, sonst werde ich fuchsig.“, antwortete sie mit finsterer Miene.

Rose kicherte, aber sie schließlich nickte sie und beobachtete ihre Cousine am Spieltisch. Die Ärmste schien sich kaum noch konzentrieren zu können – umso öfter musste sie trinken. Das mit dem Gedächtnis wurde deswegen auch nicht zwingend besser.

Cameron Finnigan war endgültig aus dieser Runde ausgeschieden und hatte sich zum Kotzen auf die Toilette zurückgezogen, aber seine Freundin schien kein gesondertes Mitleid mit ihm zu haben, wusste sie doch, dass er sich gern mal übernahm.

„Wir sollten ein neues Spiel anfangen“, rief Lily gegen die Musik an. Sie klang, als würde ihre Zunge am Gaumen kleben. Wahrscheinlich war es Taktik, um aus dem Spiel auszusteigen und wieder etwas auszunüchtern. Die Erleichterung in den Gesichtern ihrer Mitspieler schien ins Unermessliche zu steigen, als man ihr lauthals zustimmte.

„Okay“, sagte Lily und kam auf die Beine, wo sie noch ein paar Sekunden um ihre Körpermitte pendelte, bis sie einen festen Stand bekam. Die Musik aus dem alten Radio wurde herunter gedreht und die ganze Aufmerksamkeit ruhte auf ihr.

„Wir sollten das Brautpaar etwas mehr einbinden. Ist ja schrecklich, wie nüchtern die noch sind.“, kicherte sie und zwinkerte Rose zu.

Scorpius und Albus unterbrachen sich in ihrem Gespräch und sahen zur jungen Potter.

„Das nächste Spiel heißt Mexikanische Teufelsschlinge.“, kündigte sie an. Die Schüler, die es kannten, grölten, die anderen sahen sie fragend an. Unter ihnen war auch das Brautpaar.

„Die künftige Familie Malfoy verlässt bitte diesen Raum, bis wir euch rufen.“

Rose seufzte und erhob sich. Zusammen mit Scorpius verließ sie die heitere Gesellschaft. Als das Portrait hinter ihnen zu schwang, setzte Lily mit ihrer Erklärung ein.

„Alle, die mitspielen wollen – aber es müssen mehr als zehn sein, sonst ist es unspannend – bilden jetzt einen Kreis!“ Ungefähr zwanzig Schüler kamen ihrer Anweisung nach. Mit einem leichten Stöhnen erhob sich die Schulsprecherin und reihte sich so weit von Albus entfernt, wie nur möglich, ein. Sie wollte kein Spielverderber sein.

„Gut. Jetzt verknoten wir uns, aber wir dürfen die Hände unserer Partner nicht loslassen und auch nicht umgreifen.“ Sie machte mit Nathan an ihrer linken Hand den Anfang und kroch unter den Armen von Morgana Greengrass und Hogan Richards hindurch. Als man verstand, wie sie das meinte, entwickelte sich eine Eigendynamik, bei der unter Armen hindurch über andere Arme hinweg geklettert wurde. Einige schrien unter den Schmerzen der Verrenkung leise auf und entspannten sich wieder, als man ihnen Platz einräumte. Alice drängte sich zusammen mit Gwendolin Higgs unter den Beinen Shiva Patils hindurch, sodass irgendwer hinter ihnen ächzend in die Knie ging, während Higgs versuchte sich aufzurichten. Die Longbottom wollte sich einmal eindrehen, um es noch komplizierter aussehen zu lassen, doch der Platz war begrenzt und sie schaffte nur eine halbe Drehung als die anderen an ihren Armen nachrückten. Ihr stieg die Hitze ins Gesicht, als der anfänglich große Kreis zu einer undefinierbaren Masse an Armen und Beinen wurde. Ein bekannter Geruch stieg ihr in die Nase und veranlasste sie zum Aufsehen. Albus Potter stand direkt vor ihr. Er war ihr so nah, dass sie ihren Busen an seiner Brust platt drückte und sie den alkoholgeschwängerten Atem riechen konnte. Röte kroch ihren Hals hinauf und färbte ihr Gesicht für einen Moment mit roten Flecken. Sie war mit Absicht so weit weg von ihm gegangen und nun war das Vermeidbare zum Unvermeidbarem geworden.

„Herein“, presste Lily hervor, doch Alice konnte ihren roten Schopf nicht ausmachen. Sie musste sich wohl unter irgendwem versteckt haben. Das Portrait schwang geräuschvoll auf, aber Alice konnte nicht sehen, dass ihre Erretter eintraten.

„Beim Barte Merlins, ihr habt euch ganz schön Mühe gegeben.“, staunte Rose und lief einmal um das Menschenknäuel herum. Vereinzelt legte sie den Kopf schief, um nachzuempfinden, wie manche akrobatischen Höchstleistungen zustande gekommen waren.

„Ihr müsst uns jetzt entknoten bis wir wieder stehen wie am Anfang.“, erklärte Nathan, der etwas besser Luft bekam, als seine Freundin, die sich wohl irgendwo an seinem Rücken befinden musste, wenn er den Winkel seiner Arme recht einschätzte.

Scorpius folgte seiner Verlobten und rieb sich nachdenklich das Kinn. Als sein Blick auf Albus und Alice fiel, konnte er sich das breite Grinsen nicht verkneifen.

„Das hast du wohl nicht beabsichtigt, was, Longbottom?“, höhnte er über die Köpfe der anderen hinweg.

„Klappe, Malfoy“, antwortete sie nur und hätte ihre Worte am liebsten mit einer rüden Geste untermalt, doch sie durfte die schweißigen Hände ihrer Mitschüler nicht loslassen. Albus gluckste vergnügte, erntete aber nur einen wilden Blick seiner Angebeteten.

„So nah sind wir uns seit Silvester nicht mehr gekommen.“, stellte er amüsiert fest. Seine Stimme hatte sich gedämpft und die Worte schlugen ihr gegen die Stirn. Alice schloss einen Moment die Augen, während sie verzweifelt versuchte, die aufwallenden Gefühle und Erinnerungen zu verdrängen. Ihr wurde schmerzlich bewusst, wie sich seine Haut auf ihrer angefühlt hatte und wie er ihren Namen ins Ohr wisperte. Albus hatte wie ein gewaltiges Erdbeben Gefühle in ihr wachgerüttelt, von denen sie nie dachte, sie zu besitzen. Und danach hatte sie eine dicke Bleischürze darüber gelegt, und Cameron nicht erlaubt, diese Erinnerungen mit neuen zu besudeln. Ihr Herz stach bei diesem Gedanken in ihrer Brust.

„Das war Absicht.“, sagte sie mit brüchiger, belegter Stimme und war erschrocken darüber, dass man genau hören konnte, was in ihrem Inneren vor sich ging. Albus Blick wurde weich. Als Scorpius ein paar Schüler anwies, ein paar Bewegungen zu machen, wurden sie weiter gegeneinander gepresst, sodass es kaum mehr möglich war, zu atmen.

„Du klingst unglücklich.“, stellte er fest. Eigentlich wollte er sie fragen, ob sie von sich denke, glücklich zu sein, doch er kannte die Antwort bevor er die Frage stellen konnte. Alice wich seinem Blick aus, doch blieb dabei nicht konsequent. Wieder sah sie auf und ihre Augen blieben einen kurzen Moment an seinen Lippen hängen, bevor sie es wagte, in seinem Blick zu lesen.

„Das ist nicht deine Sache.“, wies sie ihn zurecht, doch sie klang dabei nicht streng, sondern formulierte ihre Worte wie eine Frage. Ein schiefes Lächeln erhellt sein Gesicht.

„Ich habe es zu meiner Sache gemacht. Schon vor Jahren.“

Ihr Herzschlag beschleunigte sich und unwillkürlich musste sie ihre Entscheidung, bei Cameron zu bleiben hinterfragen. Sie hatte sich eingeredet, dass sie ihre Chance hatten und versagten. Sie hatte sich über den Zustand ihres Herzens belügen wollen. Für ein paar Wochen, in denen sie weder glücklich noch unglücklich gewesen war, war es ihr auch gelungen, selbst daran zu glauben. Aber Albus hatte nur ein paar Worte gebraucht, um den Staub von den Erinnerungen zu pusten und sie erneut zum Glänzen zu bringen.

„Ich wünschte du könntest mich endlich in Ruhe lassen.“, sagte sie mit zittriger Stimme.

Als Albus damals in ihr Zimmer gekommen war, um sie darüber aufzuklären, was vorgefallen war, war nicht ein Wort über seine Lippen gekommen, das ihr verriet, dass er sie liebte. Er hatte sich gerechtfertigt, mehr nicht. Wenn er ihre Gefühle erwidert hätte, wäre ihre Entscheidung anders ausgefallen. Doch so hatte sie Tag um Tag damit verbracht, jeden kleinen Schmetterling in ihrem Bauch mit einer Stecknadel aufzuspießen, bis keiner mehr mit dem Flügel schlagen konnte.

„Ich glaube dir kein Wort.“, antwortete er.

Seine Stimme triefte vor tiefgehender Überzeugung, doch Alice wollte ihm nicht Recht geben. Sie wollte ihn nicht gewinnen lassen. Der Einsatz dieses Spiels war zu hoch und würde sie bei ihrem Verlust viele weitere Tage, Wochen, Monate in Trauer kosten.

„Hör auf damit.“ Sie klang verletzt und sie schloss die Augen, um von seinem Gesicht verschont zu bleiben. Sie hasste die Konfrontation mit der Wahrheit. Es war einfacher, sich in eine Traumwelt zu stürzen, in der sie die Naturgesetze aufstellte. In dieser Welt bereute Albus Potter nicht und in dieser Welt war er ein Mistkerl vor dem Herrn.

„Alice...“

Sie zog die Augenbrauen zusammen und blickte ihm wie ein bockiges Kind entgegen. Sie wollte ihn nicht eine Sekunde so nah an sich heran lassen, dass er sie noch einmal so sehr verletzen konnte. Egal, was damals passiert war. Anstatt dieses Hindernis aus der Welt zu räumen, hatte er sich lieber schnell mit Greengrass eingelassen. Dadurch hatte er sie verraten.

„Albus.“ Ihre Stimme klang unnachgiebig.

Der Potter seufzte, als er erkannte, dass es keinen Sinn machte. Nun wünschte er sich, Rose und Scorpius würden sich beim Entknoten etwas beeilen. Er wollte hier so schnell weg, wie möglich.

Wahrscheinlich war dies die letzte Gelegenheit, bei der sie ihm zuhören würde.

Innerlich zählte er bis zehn und kramte all seinen Mut zusammen. Es fühlte sich wie ein glühender Schürhaken in seiner Brust an.

„Ich liebe dich.“

Wie vom Donner gerührt sah sie zu ihm auf, direkt in seine Augen. Ihre Züge waren entgleist, fast hätte sie die Hand ihres Partners losgelassen und unwillkürlich, hatte sie sich angespannt. Albus schluckte hart, wagte es aber nicht ihren Augenkontakt zu unterbrechen.

Nein, er bereute nichts.

Nie wieder in seinem Leben.

Ungeachtet der Menschen, die sie mit sich zog, stellte sie sich auf die Zehenspitzen und kam seinen Lippen gefährlich nahe. Er beugte sich hinab, bis er ihren Atem spüren könnte. Ihr Herz hämmerte gegen seine Brust und zusammen ergaben sie einen eigenartigen Takt, der wie eine Walze alles niedermachte, was je Zwietracht zwischen ihnen gesät hatte.

Er überbrückte den letzten Millimeter und spürte ihre weichen Lippen auf seinen. Es war der erste keusche, der erste aufrichtige und der erste gefühlvolle Kuss, den sie miteinander teilten, ohne dass er vertieft werden musste.

Abrupt wurden sie auseinander gerissen und Alice wurde durch Shiva Patils Beine hindurch gezwängt. Eilig kam sie wieder auf die Füße und suchte nach Albus in der Menge.

Er sah sie noch genauso an.

Ihre Lippen zierte ein mildes Lächeln, während sich alle um sie herum aus den Verrenkungen lösten und um sie herum tänzelten, ohne, dass sie ihre Augen von ihm nehmen musste.

Sie schloss sie und wusste.

Alice wusste, dass es niemanden gab auf dieser Welt. Niemanden, der ihr Herz verdiente. Niemanden, der ihre Gefühle lodern ließ. Niemanden, außer Albus Potter.

Und dieses Wissen schrieb mit glühender Feder seinen Namen auf ihr Herz.
 

*
 

Astoria hatte seinen Festumhang erst am Morgen des letzten Tages in Hogwarts geschickt. Er musste schmunzeln, als er das kleine Anstecksträußchen entdeckt hatte. Es stand außer Frage, dass es für Rose war, auch ohne, dass sie einen begleitenden Brief dazu schreiben musste. Wie auch immer sie es fertig brachte, an alles zu denken – er bewunderte seine Mutter dafür.

Rose hatte sich den ganzen Vormittag lang mit einem üblen Kater herumgeschlagen und nicht einmal beim Mittagessen etwas essen können. Sie sah elend aus und Morgana wies erschreckende Ähnlichkeit mit ihr auf.

Doch nun, da er an der Treppe stand und seine Verlobte auf sich zu schweben sah, stockte ihm der Atem. Sie trug ein rotes Kleid, das sich eigentlich mit ihren Haaren beißen müsste, es aber wundersamer Weise nicht tat. Eine weiße Lilie steckte in ihrer kunstvoll hochgesteckten Frisur, der Glockenrock umwogte ihre schlanken Beine. Ihr Blick war unsicher, ihr Gang verriet Schüchternheit. Sie schien noch nicht bemerkt zu haben, dass es dazu keinen Anlass gab. Er stieß sich vom Treppengelände ab und reichte ihr die Hand, um ihr bei den letzten Stufen eine Stütze zu sein.

„Wie sehe ich aus?“, flüsterte sie heißer, als sie nebeneinander in die festlich geschmückte Große Halle kamen. Er lächelte.

„Wie immer.“ Umwerfend, ergänzte er in Gedanken.

Rose entspannte sich etwas mehr, sichtbar erleichtert, weder herauszustechen, noch in den Hintergrund zu rücken. Dass in dem Moment, in dem sie die Treppe hinunter kam, alle Blicke der jungen Männer, die ebenfalls auf ihre Begleitung warteten, auf ihr ruhten, verschwieg er ihr.

Sie setzten sich gemeinsam an einen der runden Tische und blickten zu den Lehrern, die sich auf ihren gewohnten Plätzen eingefunden hatten. Neville stand am kleinen Rednerpult und begutachtete die Schülerschaft, die sich Tröpfchenweise ins Geschehen begab.

Wenn man die Zeugnisse übergeben hatte, würde man gemeinsam essen und zum Ende hin, würde man die Tanzfläche räumen. So hatten es Scorpius und Alice geplant, wie Rose wusste. Den ganzen Vormittag hatte die Schulsprecherin damit verbracht, die Halle herauszuputzen und sich nicht einmal eine kurze Pause gegönnt. Nahtlos war sie dazu übergegangen, Roses Haare zu machen und sich selbst anzukleiden.

Endlich erreichte sie zusammen mit Albus den Tisch. Diese Romanze war noch so frisch, dass sie es nicht einmal in die Schlagzeilen des Tratsches geschafft hatte. Doch nun, da man sie gemeinsam auftauchen sah, begann man leise zu tuscheln und mit manikürten Fingern auf sie zu zeigen. Rose hatte Alice nicht gefragt, wie sie nun mit Cameron verfahren war, der ja immerhin ihr offizieller Freund war. Aber sie hoffte, Alice habe das geklärt.

Als alle anwesend waren und Platz genommen hatten, begann Neville mit einer Rede, mit der er die Schüler feierlich für ihre restlichen Lebensabschnitte freigab.

„Liebe Schüler des Abschlussjahrgangs,

mit Freude sehe ich, dass es jeder durch die Prüfungen geschafft hat und nun im Kreise seiner Freunde den letzten Abend an dieser Schule verbringt. Als Sie vor sieben Jahren das erste Mal in diese Halle kamen, standen Ihnen Ehrfurcht und auch ein bisschen Angst, ins falsche Haus zu kommen, ins Gesicht geschrieben.“ Er erntete ein paar müde Lacher. „Doch nun sehe ich, wenn ich in Ihre Gesichter sehe nicht nur Vertraute, sondern auch Zuversicht, den weiteren Schritt in ein eigenes Leben zu meistern.“ Der Schulleiter machte eine Kunstpause. „Sie haben Mr. Filch einige graue Haare gekostet. Besonders im letzten Jahr verdichteten sich die Streiche um diesen Jahrgang. Auch wenn wir nie herausgefunden haben, wer dahinter steckte, brachten sie doch etwas Wirbel in die gähnende Langeweile der ersten Monate.“ Alice und Rose wechselten Blicke. Lily, die Nathan begleitete, gluckste leise, als sie sich das Bild vom fliegenden Klo in Erinnerung rief.

„Einige von Ihnen werden im Anschluss mit einer Ausbildung beginnen, die andere Hälfte hat sich aus dem Fächerreichtum der Zaubereruniversitäten eine Richtung ausgesucht. Fünf von Ihnen werden Auroren, wie ich erfahren habe und drei versuchen sich an einem Medizinstudium.“

Rose seufzte, denn sie gehörte nicht zu den Schülern, die ihren Traum verwirklichten. Ihr Schicksal hatte ihr anderes bestimmt. Auch wenn sie der Meinung war, an ihr ging eine gute Heilerin verloren. Nein, ihr weiteres Leben würde sie als berufslose Ehefrau fristen, denn die Malfoy-Frauen arbeiteten nicht. Nicht einmal im Familienunternehmen. Geld war eine Sache, die den Männern bestimmt wurde. Während der Professor weiter von Hoffnung und Freundschaft sprach, sah sie in die Gesichter der anderen Schüler in diesem Raum. Ihre Augen glitzerten, Freundinnen fielen sich in die Arme und schworen sich, ewig zusammen zu bleiben und die Pärchen blickten sich tief in die Augen, während andere ihren Zusammenzug planten. Rose bemerkte nicht, wie sie sich versteifte.

Sie würden all das haben, was sie selbst nicht haben konnte. Die Menschen, mit denen sie sieben Jahre an dieser Schule verbracht hatte, gingen studieren oder bereisten die Welt, sobald sie aus dem Hogwartsexpress ausstiegen. Das hatte sie sich auch immer gewünscht. Stattdessen saß ihre Bestimmung direkt neben ihr, dachte vermutlich das gleiche, wagte es aber nicht, sie anzusehen.

Sie schluckte den Kloß in ihrem Hals hinunter, straffte die Schultern und blickte wie eine furchtlose Kriegerin wieder auf den Schulleiter.

„Im Namen des kompletten Lehrkörpers wünsche ich Ihnen alles Gute, viel Erfolg und viel Glück, sobald sie dieses Schloss verlassen.“ Seine letzten Worte gingen in tosendem Applaus unter. Die Mädchen waren sich nicht sicher, ob sie seiner Rede Beifall klatschten, oder dem Fakt, dass er endlich mit der Faselei aufgehört hatte. Im Anschluss dessen, wurden die Zeugnisse jedem einzeln übergeben. Die besonders Erfolgreichen wurden erwähnt, den Schulsprechern wurde gedankt und den Kapitänen der Hausmannschaften schenkte man kleine Ansteckbesen mit dem Hogwartsemblem.

Man servierte das Essen und eine Zeit lang hörte man nur das übliche Gemurmel. Rose kam in Versuchung, sich vorzustellen, es wären noch zwei Jahre bis zu ihrem Abschluss. Nur zu gern würde sie die Zeit zurückdrehen. Es wäre schön gewesen, einfach vor der Zukunft zu fliehen, auf die sich alle anderen in dieser Runde freuten.

Sie sah Scorpius an und kniff die Augen zusammen, um ihn sich im Anzug vorzustellen. Rose schluckte hart, als ihr bewusst wurde, dass sie nur noch ein paar Stunden von diesem Anblick trennten. Das Unausweichliche war näher und näher gerückt, ohne, dass sie es hatte aufhalten können.

Sie hätte gern verhindert, dass die kleinen Feen in ihrem Bauch einen Tango tanzten, jedes Mal, wenn er ihr in die Augen sah oder etwas tat, das sie nicht vorhergesehen hatte. Aber dies war wohl der erste Kinnhaken der Realität.

Wenn sie nun an den morgigen Tag dachte, fühlte sie sich so traurig, als würde sie an eine Beerdigung denken. Nicht, weil sie sich nicht auf das Kleid und die Feier freute, sondern weil damit ein eintöniges Leben an der Seite eines Mannes besiegelt wurde, der sie nicht liebte.

Nach den drei Gängen, die sich in die Unendlichkeit gezogen hatten, schwang Professor Longbottom seinen Zauberstab und die Tische und Stühle schwebten an den Rand. Musik erklang, doch die Schüler waren zu beschämt, um den Anfang zu machen. Entsprechend beherzt war auch der Ansturm auf das Getränkebuffet, bei dem sich der Schulleiter hatte bereden lassen, Alkohol zu erlauben. Das war mit Sicherheit Alice zu verdanken, die ihren Vater im Griff hatte, wie sonst keine Frau auf dieser Welt.

Scorpius erhob sich, um sich ebenfalls ein Glas Silberbowle zu sichern. Rose blieb sitzen und starrte auf die ersten Pärchen auf der Tanzfläche. Was gäbe sie darum, mit einem von ihnen zu tauschen.

Ein Räuspern ließ sie aufblicken. Hugo hatte einen schwarzen Festumhang an. Eine weiße Nelke steckte in seinem Knopfloch. Irritiert sah sie ihn an, als er ihr die Hand reichte.

„Tanzt du mit mir, Schwesterherz?“, fragte er.

Ein Lächeln glitt über ihre Lippen, als sie sich erhob und ihrem Bruder auf die Tanzfläche folgte. Sanft nahm er sie in die Arme und wiegte sie zur Musik.

„Solltest du den ersten Tanz nicht besser mit deiner Begleitung haben?“

Hugo nahm einen Arm von ihrer Taille und kratzte sich verlegen am Hinterkopf.

„Das habe ich Morgana auch vorgeschlagen, aber sie fand, dass du traurig aussahst.“, antwortete er. Rose suchte über seine Schultern hinweg nach Scorpius Cousine. Sie saß an einem Tisch und drehte ein Martiniglas in zwischen ihren Fingern. Als sie Roses Blick bemerkte, hob sie es zum stummen Tost. Rose nickte ihr dankbar zu.

Andere Pärchen gesellten sich zu ihnen. Zabini wirbelte Lily unpassend zum Lied wild über die Tanzfläche und schloss sie danach wieder liebevoll in die Arme, während er ihr einen Kuss auf die Schulter hauchte. Scorpius tanzte mit Kimberly Clark, seiner ersten festen Freundin an dieser Schule. Ein Seufzen entwich ihr, als sie das sah. Wahrscheinlich hätte er mit ihr tanzen wollen und sie war nicht mehr an ihrem Platz.

„Darf ich abklatschen?“, fragte eine weibliche Stimme hinter ihnen.

Es war Alice und Rose wollte ihren Bruder schon freigeben, als sie Roses Hände ergriff und sich um die Schultern legte. Amüsiert kicherte Rose.

„Wir haben noch nie miteinander getanzt.“, stellte sie fest.

Die Longbottom zuckte mit den Schultern. „Ab Morgen bist du vergeben, dann habe ich keine Chance mehr bei dir.“, scherzte sie, dann streckte sie die Zunge raus.

„Aber ich gebe zu, ich habe auch ein paar Hintergedanken, werte Rosie.“, fuhr sie fort und ließ ihre beste Freundin eine Pirouette drehen.

„Habe vor, dich jeden Augenblick zu entführen.“, gestand sie schließlich, erntete aber anstatt Empörung nur ein dümmliches Gesicht.

Sie grinste. „Die Mission läuft unter den Decknamen Brautentführung.“

Langsam fiel die Galleone bei Rose, als sie den Namen des Hochzeitsbrauchs vernahm. Unsicher schielte sie zu Scorpius, der von dieser Sache noch keine Ahnung hatte. Sie war sich nicht sicher, ob er überhaupt bemerken würde, dass sie fehlte, so vertieft war er in dem neuerlichen Tanz mit einer seiner Exfreundinnen.
 

*
 

Scorpius geriet ins Schwitzen, als er an der Buckligen Hexe den Hinweis erhielt, wo er als nächstes nach Rose suchen sollte. Nachdem Hugo zu ihm geschlendert war und mitteilte, die Braut sei entführt worden, hatte es einen Moment gedauert, bis er sich daran erinnerte, dass dies einer der unzähligen Bräuche rund um die Hochzeit war. Er hatte angenommen mit dem feuchtfröhlichen Polterabend hätte es endlich ein Ende gefunden, doch nun war es seine Aufgabe Rose zu finden. Scorpius gestand sich ein, dass er lieber mit Shiva Patil getanzt hätte, die in einem reizenden Sari zu ihrem Abschlussball erschienen war. Sie waren in der fünften Klasse ein paar Mal miteinander ausgegangen – sehr zum Ärgernis von Lucy Weasley.

Beim letzten Hinweis hatte man ihm einen Feuerwhiskey hingestellt, den er anstandslos geschluckt hatte. Der nächste Hinweis war der Geheime Clubraum. Als er dort ankam, meinte er entferntes Gelächter zu hören, doch dort war nichts außer der süßliche Geruch von Kraut.

Er raufte sich die Haare und fischte den nächsten Hinweis aus einem Aschenbecher. Halb verbrannt, stand in Alices zierlicher Handschrift: „Der Ort eures ersten Kusses.“

Er legte die Stirn in Falten und erinnerte sich an den Abend an Zabinis Geburtstag. Es kam ihm vor, als seien seitdem Äonen ins Land gezogen. Damals war es noch so einfach gewesen, obwohl es nur ein paar Monate her war. Sie hatten sich geküsst – zweimal, obwohl der erste Kuss nie auf einen folgenden angelegt war. Selbstständig trugen ihn seine Füße zu den Schulsprecherräumen. Dort hing noch immer der Geruch von Alkohol in der Luft. Zwischen den Ritzen der Steine keilten noch die restlichen Geschirrsplitter.

Auf seinem ordentlichen Bett lag der nächste Zettel. „Der Ort, an dem du deinen Nebenbuhler vergrault hast.“

Scorpius lief zum Hinterhof. Wieder nahm seine Nase den süßlichen Geruch wahr. Er kam sich reichlich bescheuert vor, wie der den Botschaften hinterher lief, während sich alle köstlich amüsierten. Lilys Handschrift war besser zu lesen, als er den nächsten Hinweis auffaltete. Er trank den Schnaps, der das Papier vor dem Wegfliegen gehindert hatte. „Dort, wo ihr den Verlobungsring gegeben hast.“

Hoffentlich hatte er noch den genauen Lageplan im Kopf. Es war dunkel gewesen und er erinnerte sich an einen stürmischen Kuss. Wenn er daran dachte, wurde ihm warm. Sie hatte ihn in Atem gehalten. Er erinnerte sich daran, dass es hinter dem Wandteppich geschah, auf dem die Geschichte um die Schlacht von Hogwarts geschrieben stand. Nachdem er sich zweimal fast verlaufen hatte, erreichte er nun auch diesen Ort. Er wäre froh, wenn es endlich ein Ende nähme. Er trank den letzten Kurzen und nahm einen Zug von der Kräuterpfeife, die man ihm freundlicherweise noch mit einem Rest hinterlassen hatten. Scorpius lehnte sich an die Wand und genoss einen Moment die Stille. Wenn er die Pergamentfetzen nacheinander las, bekam er fast den Eindruck, er lese eine Liebesgeschichte. Ohne Happy End. „Gehe an den Ort, an dem du aus allen Wolken gefallen bist, als du sie im weißen Kleid sahst.“ Albus hatte eine liederliche Handschrift, bemerkte Scorpius einmal mehr. Seufzend trat er den Rückweg zum Geheimen Clubraum an.

Als er das Gemäuer aufschob, begrüßte ihn ausnahmsweise keine gähnende Leere, sondern Nathan, der auf dem Kanapee saß und Pfeife rauchte. In den Händen hielt er ein Cognacglas und Albus lehnte sich ins Feuer starrend, über den Kamin. Sie sahen beide zum Eingang.

Scorpius steckte die Hände in die Hosentaschen und schlenderte durch den Raum, bis er vor der Feuerstelle zum Stehen kam.

„Wie viele Hinweise sind es noch?“, fragte er leicht genervt.

„Die Mädchen fanden, du hast eine Pause verdient.“, antwortete Zabini auf die falsche Frage. Er erhob sich und reichte seinem Freund die Pfeife. Scorpius inhalierte einen Zug und entspannte sich zunehmend.

„Sehr human.“, quittierte der Bräutigam und ließ sich auf einem der freien Sessel nieder.

Albus setzte sich ihm gegenüber und schenkte ihm ein Glas Cognac ein.

„Jetzt haben wir allerdings Zeit, uns zu unterhalten.“, setzte der Potter an und zog beide Augenbrauen in die Höhe. Scorpius ließ sich in den Sessel sinken, während seine Fingerspitzen über den Glasrand fuhren.

„Du weißt, Rose ist meine Lieblingscousine?“ Zögernd nickte der Malfoy.

„Gut, denn ich nehme das mit der Familienehre verdammt ernst. Wenn du sie also in den Schmutz ziehst, dann kriegen wir beide Ärger.“

Scorpius war sich nicht sicher, ob er lachen sollte oder nicht. Albus hatte ihm noch nie gedroht und er zweifelte ernsthaft daran, ob er je im Stande sein würde, diese wahrzumachen. Von ihm hätte er als letztes erwartet, Roses Bewacher zu spielen.

„Eine Sache möchte ich noch loswerden, bevor du den letzten Hinweis bekommst.“, setzte er erneut an. Gespannt räusperte sich auch Nathan.

„Es ist nicht schwer, sie zu lieben. Und ich wünsche dir, dass du es merkst, bevor sie dir wegläuft.“

Scorpius schluckte hart. Er wiederholte Hugos Worte. Dass Rose ihm weglaufen könnte, hatte er noch nie in Betracht gezogen. Bislang hatten seine Gedanken daran gehangen, es bis zur Hochzeit zu schaffen ohne sich umzubringen. Scorpius wollte darauf nichts erwidern, sondern räusperte sich nur und sah sich scheinbar interessiert im Raum um. Nathan strafte ihn mit einem strengen Blick.

„Und wo stecken sie nun?“

Albus lächelte bitter. Doch er hatte nichts anderes von seinem besten Freund erwartet. Er sah in seiner Cousine nur eine Bürde, die ab und zu ein guter Bettwärmer war. Am liebsten hätte er ihm dafür eine reingehauen, doch Scorpius konnte ebenso wenig dazu, wie seine Cousine nichts dazu konnte, Opfer eines infamen Plans geworden zu sein, das Familiengeschäft in die gierigen Hände der Malfoys zu bringen. Und dennoch passte irgendetwas in dem Blick seines bestens Freundes nicht zu den Worten die er sprach.

„In der Großen Halle.“

Sie erhoben sich alle zeitgleich und verließen den Raum.
 

*
 

Alice schloss die Augen und genoss die Art, wie Albus ihren nackten Rücken berührte. Allein das war es wert gewesen, ein schulterfreies Kleid zu tragen. Offiziell war sie gerade einmal ein paar Stunden von Cameron getrennt, der es mit überraschender Fassung getragen hatte und meinte, er habe damit gerechnet. Offensichtlich war jedem klar gewesen, dass Alice und Albus in einem Atemzug genannt werden mussten, nur ihnen nicht. Sie machte sich keine Gedanken mehr darum, was die Leute denken würden, wenn sie sich so schnell in seine Arme schmiss. Alice vergeudete auch keine Sekunde mehr damit, zu überlegen, ob es sinnvoller gewesen wäre, ihm nicht gleich um den Hals zu fallen. Denn jedes Mal, wenn sie es tat, fühlte es sich richtig an.

Und mit jedem weiteren Mal noch richtiger.

Er lehnte seine Stirn gegen ihre und zog sie noch näher an sich.

„Die glorreiche Ära an dieser Schule geht zu Ende.“, bemerkte er mit Wehmut in der Stimme, als er all die Jahre an seinen Augen vorüberziehen ließ. All die Streite mit Alice, all die ruhelosen Nächte ihretwegen, jeden Streich und jede glückliche Minute mit seinen Freunden. Ihm war, als würde er jemandem beim Sterben zusehen. Albus wusste, dass es nun zum Abschluss kam und danach nur noch das Abenteuer wartete, dass sich Leben nannte. Davor verspürte er gehörigen Respekt. Er würde sich auf die eigenen Füße stellen müssen und sich ein Leben aufbauen, dass lebenswert war.

Er blickte in Alices mandelförmige Augen. Sie glitzerten ihm entgegen, wie dunkle Edelsteine. Alice die Frau an seiner Seite nennen zu dürfen, war ein guter Anfang für ein solches Leben.

„Würdest du es noch einmal anders machen, wenn du könntest?“, fragte sie.

Er überlegte einen Augenblick. Dabei dachte er an den Schmerz der letzten Monate, die schlimmen Geschichten, die er sich mit seinen besten Freunden geleistet hatte und auch an die hässliche Trennung von Morgana, die mehr als überfällig gewesen war. In diesen Momenten hatte er sich oft gewünscht, die Zeit zurückdrehen zu können um alles noch einmal besser zu machen. Doch nun?

„Ich würde keine Sekunde verändern wollen.“

Alice schenkte ihm ein hinreißendes Lächeln.

Sie hatten gelitten, das stimmte.

Aber es hatte sich am Ende gelohnt.
 

*
 

„Scorpius Hyperion Malfoy.“ Der Angesprochene öffnete nur widerwillig die Augen, denn gerade hielt er Luciana Dragomer in den Armen, das Mädchen, dem er sein erstes Mal geschenkt hatte. Er hatte sich diesen letzten Tanz mit ihr gegönnt, um sich von seiner Jungesellenzeit zu verabschieden - mit gerade mal achtzehn Jahren. Konnte man ihn also nicht einmal in Erinnerungen schwelgen lassen, bevor er sein Todesurteil unterschrieb?

„Verzieh dich, Morgana.“

Scorpius Cousine dachte allerdings nicht im Traum daran, seinem Befehl Folge zu leisten. Stattdessen wippte sie mit ihrem Fuß ungeduldig auf der Tanzfläche. Seufzend löste sich der Slytherin von seiner Partnerin, die mit einem enttäuschten Gesichtsausdruck abrückte.

„Was ist dein Problem?“, wollte er wissen. Er machte keinen Hehl daraus, dass sie ihn mit dieser übertrieben mütterlichen Geste nervte. Diese Art schien wohl in denen Genen der Greengrasses zu liegen.

„Rose sitzt dort drüben mutterseelenallein am Tisch und darf dir dabei zusehen, wie du mit jedem Mädchen tanzt, dass mal unter dir gestöhnt hat. Nur mit ihr tanzt du nicht!“, stauchte sie ihn zusammen und hätte sie einen Zauberstab bei sich, würde sie ihn gehörig durchhexen. Ihr Cousin folgte ihrem Fingerdeut, dann verschmälerten sich seine Augen.

Gelangweilt stützte Rose Weasley ihren Kopf in die Hände und nippte ab und zu an ihrer Bowle. Die Schuhe hatte sie unter dem Tisch schon längst ausgezogen, als erwarte sie nicht mehr, sie heute noch einmal zu gebrauchen.

„Sie hat vorhin mit Hugo und Alice getanzt.“, versuchte er sich zu verteidigen. Doch sein lauer Einwand prallte an der Kälte ihres Blickes ab.

„Offensichtlich ist es das Schicksal aller nahezu verheirateter Frauen, nur noch mit Männern tanzen zu dürfen, die ihnen nicht mehr gefährlich werden können.“

Missbilligend schnalzte sie mit der Zunge.

„Alle Jungs in diesem Raum haben solche Angst vor dir, dass sie sie nicht einmal gefragt haben.“, fuhr sie fort.

Leichte Schamesröte kroch seinen Hemdkragen empor, verschwand aber ehe sie einen bleibenden Eindruck hinterlassen konnte.

„Wenn ihr euch also nicht gestritten habt, dann finde ich keine Erklärung in deinem rücksichtslosen Verhalten, denn es ist auch ihr Abschlussball.“

Fragend zog sie eine Augenbraue hoch und erwartete seine Zustimmung. Wenn ihm nicht ab und zu mal jemand einen Tritt in den Allerwertesten gab, dann sah sie schwarz für diese Ehe. Ihr war sowieso schleierhaft, wieso sie es, kaum dass sie sich an den Gedanken gewöhnt hatte, so eilig mit dem Heiraten hatten.

Die Haltung ihres Cousins entspannte sich etwas, was sie als Zuspruch auffasste. Er nickte langsam und machte einen Schritt von der Tanzfläche, doch bevor er gänzlich verschwand, fragte er Morgana mit Amüsement in der Stimme: „Seit wann bist du eigentlich eine Freundin von Weasley?“

Der Blick der Slytherin verfinsterte sich. „Seit Weihnachten, du Schrumpfkopf.“

Lachend verschwand der Malfoy.
 

Close enough to start a war

All that I have is on the floor

God only knows what we're fighting for

All that I say, you always say more
 

Als eine einladende Hand in ihrem Blickwinkel erschien, hätte sich Rose fast an ihrem Killermartini verschluckt. Den ganzen Abend hatte sie sich gewünscht, von jemandem zum Tanzen aufgefordert zu werden. Das Tanzen lag ihr am Herzen, doch es hatte sich keiner dazu bereit erklärt, außer ihr Bruder und Alice. Und das zählte nicht wirklich, weil sie zusammen nicht einmal ein Lied durchgehalten hatten. Sie traf einen warmen Blick aus viel zu vertrauten Augen.

Nachdem er ein kleines Ständchen mit schiefen Tönen gesungen hatte, um seine Braut freizukaufen, hatte sie ihn nur noch aus der Ferne sehen dürfen, wie er andere mit dem Tanz beglückte, der ihr zustand. Wenn sie nicht mit ihm verlobt gewesen wäre, hätte man sich vermutlich um ihre Hand gerissen und wenn schon nicht ganz so heftig, so hätte sie zumindest den einen oder anderen Song bekommen.

„Gehen dir die Mädchen aus?“, fragte sie verstimmt.

Scorpius war versucht, die Hand zurückzuziehen, als er ihren Missmut bemerkte. Er fragte sich, warum sie sich nun sträubte. Nun war er doch da.

„Eines habe ich noch.“, sagte er charmant. Er ließ keinen Zweifel daran, dass er Rose meinte, doch was nett gemeint war, brachte sie offensichtlich noch mehr auf.

Rose hätte am liebsten mit der flachen Hand auf den Tisch geschlagen.

„Letzte Wahl, das ist bitter.“
 

So I won't let you close enough to hurt me

No, I won't ask you, you to just desert me
 

Geduldig lächelte Scorpius. „Ich gebe zu, dass mich Mo erst darauf aufmerksam machen musste. Aber so wahr ich hier stehe, den letzten Tanz will ich gern mit meiner Zukünftigen tanzen.“

Rose geriet ins Stocken.

So hatte er sie noch nie genannt. Er hatte tunlichst vermieden, irgendwelche Anspielungen zu machen, die sie daran erinnerten, was am Ende dieses Schuljahres auf sie wartete. Besänftigt reichte sie ihm ihre Hand und ließ sich von ihm auf die Tanzfläche führen.
 

Under hardest guise I see ooh

Where love is lost, your ghost is found
 

Es war nahezu ironisch, dass sie ihren letzten Tanz in Freiheit ausgerechnet zu diesem Lied tanzten. Doch diesmal ließ sich Rose nicht von Kleinigkeiten in die Irre führen.
 

I braved a hundred storms to leave you

As hard as you try, no I will never be knocked down
 

Seine Hand glitt, als sei es selbstverständlich, zu ihren Hüften und ruhte knapp über ihrem Hintern. Die andere verhakte er mit ihren Fingern. Er zog sie näher zu sich, kaum, dass sie sich entspannt hatte, bis ihr Becken gegen seine Lenden drückte. Rose sog scharf die Luft ein, als sie verstand, was er mit dieser Andeutung sagen wollte.
 

I can't keep up with your turning tables

Under your thumb, I can't breathe
 

Rose lehnte sich gegen seine Brust und gestattete sich, die Augen zu schließen und den Moment festzuhalten. Scorpius legte sein Kinn an ihren gesenkten Kopf. Mit halb geschlossenen Lidern ließ er es zu, sich einen Moment gehen zu lassen. Für die Dauer dieses Tanzes dachte er nicht daran, dass die Frau in seinen Armen ein Versprechen war, dass er einlösen musste. Sie war das Mädchen, dass ihm ihre erste Nacht geschenkt hatte. Die ihm in den vergangenen Monaten mehr als einmal den Atem geraubt hatte. Und Rose war die Frau, die seinen letzten Tanz verdient hatte.
 

When the thunder calls for me

Next time I'll be braver

I'll be my own savior

Standing on my own two feet
 

Das Lied endete mit den sanften Klängen eines unsichtbaren Flügels, als Scorpius und Rose ihre Augen öffneten und bemerkten, dass sie unter den letzten auf der Tanzfläche waren. Sie holte so tief Luft, als hätte sie sie die ganze Zeit angehalten. Als sie sich lösen wollte, um zu ihrem Tisch zurückzukehren, zog er sie am Handgelenk zurück.
 

Er beugte sich hinab zum Kuss. Die letzten Zeilen klangen in seinem Kopf nach und ein unendliches Gefühl von Bedauern flutete seine Brust, als sie ihre Lippen öffnete um ihm Einlass zu gewähren. Sie schmeckte nach Martini. Wie konnte er sich die Tage seit Valentinstag damit zufrieden geben, sie nicht zu küssen? Wegen eines Gerüchtes, das er ohnehin nie von ganzem Herzen geglaubt hatte.

Auch nur ein kussloser Tag kam ihm vor wie ein Verbrechen.
 

So I won't let you close enough to hurt me
 


 

--------
 

* Adele, Turning Tables, Album: Adele 21

Das Bittere und das Süße.

Hallo Leser,
 

ich kann nicht mehr warten und genauso wenig kann ich es euch länger vorenthalten. :) Nein, das ist nicht das letzte Kapitel, aber das am liebsten geschriebene.
 

Ich wünsch euch viel Spaß und lasst mich wissen, ob Teil eins gemundet hat.
 

Grüße
 

Darki
 

p.s. Tiberia widme ich Dahlie, aber das weiß sie ja schon.
 


 


 

Kapitel 18

- Das Bittere und das Süße. -
 

Dass er heute heiraten würde, kam Scorpius vor wie ein schlechter Scherz. Auch wenn er Jahre lang Zeit hatte, sich an den Gedanken zu gewöhnen, kam es ihm erschreckend plötzlich vor. Nachdenklich strichen seine Finger über den teuren Stoff des Fracks. Seine Mutter hatte entschieden abgelehnt, dass er einen Festumhang trug, weil es nicht mehr zeitgemäß war. An ihrer Meinung war nicht zu rütteln, auch wenn er sich in einem Umhang bedeutend wohler gefühlt hätte, da er zu jeder Feierlichkeit einen getragen hatte. Dass er nun von dieser Tradition abrücken musste, machte ihm umso schmerzlicher bewusst, dass heute nicht eines von vielen Bällen und Banketten stattfand, sondern seine Hochzeit. Eine weiße Rose steckte in seinem Knopfloch und die Haare hatte er streng nach hinten geklemmt. Er fand, dass er aussah, wie ein Muggel von vor hunderten Jahren.

Es klopfte und Albus trat ein. Seine Haare standen in alle Richtungen und die Art, wie er außer Atem war, ließ Spekulationen offen, die Alice und ein kleines Date in der Besenkammer betrafen. Als sein bester Freund Scorpius Gesicht sah, verlangsamte er seinen Schritt.

„Du hast kalte Füße.“, stellte er fest.

Der Angesprochene rang sich ein kleines Lächeln ab, das ihm zustimmte.

„Deine Mutter hat gesagt, dass ich dich ohrfeigen soll. Also, bestehst du darauf?“ Er vergrub die Hände in den Taschen seiner Stoffhose. Im Gegensatz zu ihm durfte er einen Festumhang tragen. Darunter schmückte ihn ein weißes Hemd, dessen Kragen er um ein paar Knöpfe offen stehen ließ.

„Nicht unbedingt. Weglaufen ist zwecklos.“, antwortete er. Und er hatte auch nicht einen Gedanken daran verschwendet. Dann drehte er sich abermals zum Spiegel um und band seine Fliege. Im Alter von zehn Jahren hatte er gelernt, wie man das machte. Er konnte sich noch genau daran erinnern, wie er mit seinem Vater vor Spiegelung eines Fensters geübt hatte.

„Wenn deine Hochzeit dein Todestag wird, hole ich dich höchstpersönlich wieder ins Leben, um dich umzubringen.“, warnte der Potter. Er ließ sich auf einem Sessel nieder und beobachtete seinen besten Freund eine Weile. Nicht einmal er hatte das Ende so schnell kommen sehen.

„Geht es Rose inzwischen besser?“, erkundigte sich der Bräutigam.

Sein Freund lachte herzhaft auf, als er sich an die Szene erinnerte, die ihn im Schlafzimmer von Scorpius Eltern erwartet hatte. Dort hatten sich alle Brautjungfern, die Trauzeugin und die Braut zum Ankleiden zurückgezogen. Man hörte, wenn man auf dem Flur an der geschlossenen Tür vorbei ging, nur hysterisches Geschnatter und zotige Witze.

„Ich glaube sie ist in bester Gesellschaft.“, versicherte Albus.

Der Bräutigam wandte sich um. „Hast du das Kleid schon gesehen?“ Er machte keinen Hehl daraus, neugierig zu sein, denn Scorpius bezweifelte, dass sie sich für das Kleid entschieden hatte, dass er schon gesehen hatte. Was das anging, waren die Mädchen sehr abergläubisch, einschließlich seiner Mutter.

„Nein. Aber Roses Unterwäsche ist verdammt heiß.“ Der Cousin der Braut machte ein anerkennendes Gesicht, indem er die Mundwinkel hinunterzog und langsam nickte.

Aufregung machte sich in Scorpius breit, als er dies hörte. Als hätte man ihm mal wieder klar gemacht, dass er heiraten würde und es schon bald soweit sein würde.

„Du verstehst es wirklich einen aufzumuntern.“ Er gab seinem besten Freund einen Klaps auf die Schulter. Dann machte er sich am weinroten Kummerbund zu schaffen.

Abermals klopfte es. Diesmal war es Nathan, der zögernd eintrat. Er trug einen schwarzen Anzug und ein schwarzes Hemd darunter. Doch es wirkte sehr schnittig und passte zu seiner athletischen Gestalt.

„Deine Mutter hat Angst, du rennst weg.“, entschuldigte er sein Eindringen.

Genervt verdrehte er die Augen. „Meine Mutter macht nur die Pferde scheu.“

Nathan lachte mit dunkler Stimme, dann griff er in die Innentasche seines Smokings. Klappernd brachte er drei kleine Flaschen Feuerwhiskey zum Vorschein.

„Habe ich an ihr vorbei geschmuggelt. Dachte du könntest etwas Mut gebrauchen.“

Erleichtert nahm Scorpius ein Fläschchen entgegen und schraubte es eilig auf. Das hatte er sich schon seit Stunden gewünscht. Ihm war flau im Magen und dem rückte man am besten mit Alkohol zu Leibe.

„Auf...“ Nathan unterbrach sich und überlegte, ob man auf die Hochzeit anstoßen sollte. Freiwillig ging man sie nicht ein, soviel stand fest. „...deine bezaubernde Braut.“, endete Albus hastig für ihm, bevor dem Bräutigam die Pause auffallen konnte.

Das Glas klirrte.
 

*
 

Roses schlanke Finger umklammerten den Toilettensitz, als sich ihr Körper aufbäumte und sie giftgrüne Galle auf die weiße Keramik spuckte. Tränen traten ihr bei dem beißenden Geruch in die Augen und sie überlegte, welchen Anblick sie in ihren weißen Seidenstrümpfen und dem Korsett geben mochte. Sie konnte sich nicht einmal vernünftig leidend zusammen krümmen, sondern beugte sich wie ein Klappmesser im Neunzig-Grad-Winkel hinunter. Es klopfte an der Tür.

„Geht es wieder, Rosie?“ Alices Stimme war besorgt.

Die Angesprochene wollte lachen, doch sie übergab sich abermals. Ihre Nacht hatte drei Stunden gehabt und sie war vor zwei Stunden als erste von Hogwarts mit einem Portschlüssel nach Malfoy Manor gereist, um stur Astorias Plan abzuarbeiten. Doch dass es ihr so elend gehen würde, stand in keinem der unzähligen Punkte auf der Liste. Unter Magenkrämpfen kam sie auf die Beine und spülte sich den Mund mit Wasser aus. Zaghaft öffnete sie die Badezimmertür auf, dann trat sie in das gleißend helle Licht des Schlafzimmers. Sie kam sich vor wie in einem Alptraum aus weiß, als sie das Zimmer zum ersten Mal betreten hatte. Wenn sie erst einmal ihr Kleid tragen würde, verschmelze sie mit der Umgebung, so viel stand fest.

Jemand riss die Schlafzimmertür auf und fegte Alice damit fast von den Füßen.

„Sie wird doch nicht schwanger sein?“, fragte eine herrische Stimme, nachdem sich zwei blaugrüne Augen einen Überblick verschafft hatten. Ein paar dunkle Locken umwogten ein herzförmiges Gesicht, das nun etwas verkniffen dreinschaute, als man sie erschrocken anstarrte.

„Dann müsste ich schon“, Rose rechnete nach, „im fünften Monat sein. Ich denke das wäre mir aufgefallen.“

Irritiert zog der Eindringling eine Augenbraue hoch und schien sich zu fragen, wie man so lange ohne Sex auskommen konnte.

„Entschuldigung für mein abruptes Auftreten.“, sagte sie nachdem sie sich besonnen hatte.

Rose seufzte und fühlte sich genötigt, Alice vorzustellen.

„Tiberia, das ist Alice Longbottom, meine Trauzeugin. Alice, das ist Tiberia Heroidas – eine der Brautjungfern, ehemalige Mitschülerin in Beauxbaton und wie ich kürzlich erfuhr auch eine Freundin der Familie Malfoy.“

Alice reichte ihr nur mit Vorsicht die schmale Hand, als befürchte sie, Tiberia könne sie jeden Moment abbeißen. Beherzt ergriff die Brautjungfer sie und schüttelte sie so heftig, als wolle sie ihr den Arm aus kugeln.

„Du bist also die Tochter von Neville Longbottom.“ Sie nickte und machte ein Gesicht, als würde sie gerade diese Information in einen Setzkasten stecken, auf dem ihr Familienname geschrieben stand.

„Wie geht es voran mit dem Projekt Brautkleid?“, erkundigte sie sich bei Rose.

Die Angesprochene blickte zur Antwort an sich herunter. Wie wohl unschwer zu erkennen war, hatte sie es noch nicht angezogen.

„Wann kommt die Friseuse?“ Alice schien es gerade wieder einzufallen, als sie die stumpfen Haare ihrer besten Freundin betrachtete.

„Sie sollte schon vor einer Stunde hier sein.“, unterrichtete Tiberia, bestens vertraut mit dem Zeitplan Astorias.

„Ich mache vorerst schon einmal dein Makeup. Du siehst aus wie ein Inferi.“ Sie ergriff die Braut an den Händen und platzierte sie an Astorias Frisiertisch. Rose schloss ihre vor Müdigkeit brennenden Augen und gönnte sich eine kleine Ruhepause, während Tiberia ihr unter den kritischen Blicken ihrer besten Freundin ein Gesicht aufmalte, dass sich sehen lassen konnte.

Als die Tür knallte, zuckte Rose so arg zusammen, dass ihr Lidstrich bis über die Wange ausgedehnt wurde.

„Beim Barte Merlins! Noch nie etwas von anklopfen gehört?“, zeterte die junge Hexe vor ihr. Rose öffnete neugierig die Augen. In ihrem Spiegelbild erkannte sie Hugo mit geröteten Wangen und außer Atem.

„Musst du gerade sagen.“, murmelte Alice verstimmt und machte sich daran, das Make up zu korrigieren, während Tiberia Hugo mit einer Salve an unziemlichen Worten bedachte.

„Ist etwas passiert?“, fiel ihr Rose ins Wort. Wenn Hugo so rannte, dann war es wohl dringend.

„Dad hätte sich fast mit Malfoy duelliert.“, erzählte er. „Dem Älteren.“

Rose wich alle Farbe aus dem Gesicht. Wenn sie verletzt waren, konnte die Hochzeit ins Wasser fallen! Es war so typisch für ihren Vater, sich nicht zusammenreißen zu können.

„Das ist also dein Bruder.“ Tiberia rechnete die Fakten zusammen.

Schließlich erhob sie sich in einer fließenden Bewegung und kam dem gerade einmal sechzehn Gewordenen gefährlich nahe.

„Pass mal auf, du kleiner Flubberwurm. Wenn du die Braut noch einmal so aufregst, halse ich dir einen Fluch auf, der dir die Schamesröte ins Gesicht treibt. Denkst du denn wirklich, es ist gut, wenn sich deine Schwester an ihrem großen Tag noch mehr Gedanken macht, als sie es ohnehin schon tut?“ Ihre Zauberstabspitze bohrte schmerzhaft sich in sein weinrotes Oberhemd.

Er sah ihr furchtsam in die Augen, dann schüttelte er schnell den Kopf.

Rose zuckte indes zusammen, als ein lautes Grummeln ihren Körper verließ. Dies entging nicht einmal der entfernt stehenden Harpye von einer Hexe.

„Und jetzt holst du deiner Schwester etwas zu Essen, anstatt hier unproduktiv die Luft zu verschwenden.“, setzte sie hinzu.

Hugo wandte sich fragend an seine Schwester. „Was hättest du gern?“

Rose überlegte. „Am liebsten einen Burger. Aber ich nehme auch alles andere.“

„Einen Burger?“ Ihr kleiner Bruder zog beide Augenbrauen hoch und musterte den weißen Stofffetzen an ihrem Körper.

„Wenn die Braut einen Burger verlangt, dann kriegt sie auch einen. Es ist ihr Ehrentag und jetzt mach dich vom Acker, sonst mach ich dir Beine!“, schrie ihn Tiberia mit erhobener Stimme an.

Der Schuljunge zuckte zusammen, machte auf dem Absatz kehrt und nahm die Beine in die Hand.

Als sie sich wieder zu den Mädchen umdrehte, zierte ein zuckersüßes Lächeln ihr Gesicht. Rose jagte ein kalter Schauer über den Rücken. Tiberias Stimmungsschwankungen waren gruselig.
 

*
 

Unermüdlich rieb sich Astoria Malfoy ihre Schläfen um ihre nervös zuckende Augenbraue in den Griff zu bekommen. Sie stand im Garten und betrachtete, wie Unzählige Hauselfen das große Festzelt aufbauten. Eine von Hand geschnitzte Säule war bei dem Versuch schon zu Bruch gegangen und nur schwer wiederherzustellen gewesen. Um sie herum liefen Kellner und Hilfskräfte für die Köche. Einige polierten filigrane Champagnerkelche, andere kümmerten sich um die Tischdekoration.

Sie beschlich das ungute Gefühl, dass die Hochzeit den Bach runtergehen würde, als sie den bewölkten Himmel über ihrem Kopf sah. In den letzten Tagen war das Wetter hervorragend gewesen und ausgerechnet heute verbarg die Sonne mit Wolken ihr Antlitz. Sie hoffte nur, dass Rose es fertig brachte, sich rechtzeitig in ihr sündhaft teures Brautkleid zu werden, für das sie nur zu gern aufgekommen war. Oder besser gesagt ihr Ehemann, der die Abrechnung noch nicht bemerkt hatte. Wenn er den Kindern so etwas schon antun musste, sollte er sich auch nicht wundern, wenn es ihn ein paar hundert Galleonen kostete, die Braut herauszuputzen.

Sie sah auf das Klappbrett in ihren Händen. Es fehlten noch zu viele Häkchen und immerzu musste sie einen weiteren Punkt hintanstellen.

Ungeduldig blickte sie auf ihre schmale Armbanduhr. Es waren nur noch zwei Stunden bis zum Beginn der Zeremonie und von der unzuverlässigen Friseuse war immer noch keine Spur. Sie hatte deutlicher machen sollen, wie wichtig es war pünktlich zu sein. Wenn sie es sich recht überlegte, hätte sie wohl Gewalt anwenden müssen.

Etwas Hellblondes streifte in ihren Augenwinkeln über die Wiese. Die eine Hand in der Hosentasche vergraben, in der anderen ein Glas Feuerwhiskey haltend, schlenderte ihr Gatte zwischen den Hauselfen umher.

Unermessliche Wut überkam sie, als sie die lockere Haltung bemerkte, die der Hausherr an den Tag legte. Mit ein paar großen Schritten kam sie auf ihn zu, entriss ihm das Glas bevor er sich wehren konnte und schüttete den Inhalt auf den Boden.

„Draco Malfoy!“ Ihre Stimme war nun mehr ein Zischen.

Erschrocken blickte der Angesprochene in ihr Gesicht. In all den Jahren der Ehe, hatte sie es nie geschafft ihm diesen Ausdruck zu entlocken. Ironisch, dass es ausgerechnet der Tag der Hochzeit ihres Sohnemanns war, als es ihr gelang.

„Warum bist du so gereizt?“, fragte er mit herrischer Stimme.

Doch seine Angetraute lächelte nur lieblich. Er kniff die Augen zusammen, um abzuschätzen was sich dahinter verbarg.

„Während ich mich hier krumm schufte, wagst du es doch tatsächlich Löcher in die Luft zu starren und unser Personal zu behindern!“

Draco legte den Kopf schief und betrachtete seine Frau in den hohen Schuhen, deren Absätze sich in die Wiese bohrten. Sie sah nicht danach aus, als ginge sie nun mehr am Stock, weil sie so hart arbeitete. Für die meisten Aufgaben hatten sie Leute eingestellt.

„Ich kann mir vorstellen, dass dich diese Schuhe umbringen. Aber das reicht nicht, um den Titel 'harte Arbeit' zu tragen, meine Liebe.“

Die Angesprochene stemmte die aristokratischen Hände in die schmalen Hüften. So, wie sie ihn nun ansah, erinnerte sie ihn an eine Todesfee sondergleichen.

„Du hast nichts für diese Feier getan, nichts. Maße dir im Namen Merlins nicht an, zu urteilen.“, entgegnete sie gebieterisch. Diesen Ton hatte er noch nie von ihr gehört.

Überrascht breitete er die Hände aus. Wenn er sich nicht zusammenriss, würde sie ihm das restliche Jahr über verwehren, im Ehebett zu schlafen. Wahrscheinlich würde sie sogar Arsen unter sein Essen mischen, wenn er ihre Stimmung richtig einschätzte.

„Was soll ich tun?“

Nun war es an Astoria, verblüfft zu sein. Sie hatte erwartet, er würde sich abkehren um sich ein neues Glas zu holen. Nach so vielen Jahren Ehe erlebte man tatsächlich noch Wunder, kaum zu glauben. Wäre sie nur früher auf die Idee gekommen, ihn etwas härter anzufassen. Sie schüttelte den Kopf und vertrieb die Hirngespinste.

Mit einem Blick auf die Liste, verkündete sie feierlich seine Aufgabe: „Die Gästetoiletten müssen noch gereinigt werden. Und danach krallst du dir einen Staublappen und putzt die Bücherregale im Wohnzimmer.“

Skeptisch wanderte die Augenbraue des Hausherren in die Höhe. „Das ist nicht dein Ernst.“

Sie lächelte, denn das hatte sie erwartet. „Wenn du für all das einen Zauberspruch beherrschst, steht es dir natürlich frei, Magie anzuwenden.“ Ihre Stimme war unerbittlich.

Resigniert ließ Draco den Kopf auf die Brust sinken.

„Und jetzt beeil dich, du hast eine Stunde Zeit dafür. Danach wirst du deinem Sohn etwas Mut zusprechen.“

Er kehrte sich ab und entfernte sich mit kleinen Schritten, als wolle er Zeit schinden.

„Ach und Liebling?“, rief sie ihm nach. „Wenn du noch einmal mit Ronald Weasley aneinander gerätst oder ihn auch nur schief ansiehst, isst du für die nächsten Wochen nur noch Kürbissuppe.“
 

*
 

Eine Stunde später traf endlich die Hexe ein, die Roses widerspenstige Haare in den Griff kriegen sollte. Als sie den Wust auf dem Kopf der Braut sah, hatte sie gestöhnt, dann eine Reihe magischer Pflegeprodukte ausgepackt und mit viel Liebe jedes einzelne Haar in das Gesamtkunstwerk eingewoben.

Als Rose im Anschluss das Kleid aus dem Schrank holte, seufzten die Mädchen unisono. Rose betrachtete sich im großen Spiegel. Ihr blieb die Luft weg, was zum einen am straff geschnürten Korsett und zum anderen am engelsgleichen Aussehen lag.

Ihre Wangen waren so perfekt geschminkt, dass niemandem auffallen würde, wie blass sie in Wirklichkeit war.

Lily, die das himmelblaue Kleid aller Brautjungfern trug, erhob sich und kam um sie herum. Es war eine gute Entscheidung, das erste Kleid zu nehmen, dass sie anprobiert hatten. Sorgsam drapierte sie den Schleier um ihre Frisur, der aussah wie ein weißes Fischernetz, an dessen Knotenstellen kleine unscheinbare Perlen funkelten. Der Schleier war nicht lang, weil schon das Kleid eine Schleppe hatte. Er bedeckte lediglich ihr Gesicht.

„Die schönste Braut, die ich je gesehen habe.“ Alice nickte anerkennend und wurde von Tiberia, die gerührt daneben stand, in die Rippen gestoßen. Das sollte wohl ein Zuspruch sein, doch nun rieb sich die ehemalige Schulsprecherin die schmerzende Seite.

„Jetzt kommen wir zum eigentlichen Spaß.“, kündigte Lily an und kramte aus ihrer kleinen, perlenbesetzten Handtasche ein blaues Strumpfband.

„Etwas blaues.“, erklärte sie und half Rose dabei, es überzustreifen.

Alice war als nächstes dran. Sie holte eine kleine Schatulle hervor, in der ellenlange Handschuhe aus Seide lagen.

„Etwas geborgtes.“

Schließlich kam Hugo, der sich von seinem Burgersprint nicht wieder erholt hatte um die Mädchen herum. Er legte eine alte Perlenkette um den schmalen, freiliegenden Hals seiner Schwester.

„Die Kette von Mom.“ Rose war den Tränen nahe, als ihr bewusst wurde, dass ihre Mutter bei diesem Feiertag nicht dabei sein konnte. Eifrig versuchte sie sie weg zu blinzeln, um ihr Makeup nicht zu ruinieren. Doch das beklemmende Gefühl um ihre Brust blieb.

„Etwas altes.“

Zufrieden betrachtete Tiberia Heroidas das Gesamtbild. „Und das Brautkleid ist neu.“

Sie wurden von einem zaghaften Klopfen unterbrochen.

Nachdem Alice ein Herein gerufen hatte, streckte Morgana ihren blonden Kopf durch den Türspalt. Als sie Rose sah, begannen ihre Augen zu strahlen. Der Braut fiel ein Stein vom Herzen, dass sie an diesem Tag nicht auf die Cousine ihres Zukünftigen verzichten musste. Auch wenn sie die Jahre über gewisse Differenzen hatten, war sie ihr sehr ans Herz gewachsen. Sie fragte sich immer wieder, aus welchem Grund sie ausgerechnet Lucys beste Freundin war.

„Der Bräutigam wünscht noch ein Gespräch mit seiner Braut.“, kündigte sie an.

Panisch sahen sich die Mädchen in die Augen. „Aber er darf sie nicht sehen“, sagte Tiberia eisern.

Langsam nickte Morgana und verschwand aus dem Türschlitz. Man hörte erklärendes Gemurmel vom Flur.

„Es ist wichtig, sagt er.“, war die Antwort.

Seufzend zückte die herrische Brautjungfer den Zauberstab und ließ einen Paravent, der vor dem Ehebett stand, heran schweben. Dann sah sie in die Runde. „Eine von euch muss hier bleiben und darauf achten, dass er sich keinen Blick gönnt. Er wäre nicht der erste Mann, der seine Frau noch vor der Hochzeit vernascht vor lauter Anspannung.“

Alice nickte. „Ich bleibe.“

Die anderen Mädchen verließen das Zimmer, während Scorpius leise eintrat und die Tür hinter sich schloss. Alice positionierte sich zum Raumteiler, sodass sie beide Seiten sehen konnte.

„Rose...“ Seine Stimme klang leise.

Sie schloss die Augen, denn ihr war nie klar gewesen, wie sehr sie sich über seine sanfte Stimme freute. Es war das erste mal an diesem Tag, dass sie ihn hörte, nachdem Astoria zwei verschiedene Portschlüssel veranlasst hatte.

„Ich höre dich.“, antwortete sie mit einem Lächeln in der Stimme.

Auf der anderen Seite ließ jemand die Luft ausströmen. Vermutlich weil er erleichtert war.

„Du musst mir etwas versprechen.“, fuhr er fort.

Rose legte die Stirn in Falten. Noch ein Versprechen und sie war ausgelastet für ihr Lebensende.

„Was?“, fragte sie mit überschnappendem Ton.

Scorpius räusperte sich und lehnte sich leicht gegen die Papierwand, hinter der er Rose nur schemenhaft erkennen konnte. Sie trug bereits das Kleid.

„Sag nicht nein. Auch nicht, wenn du aufgeregt bist, okay?“

Die Weasley kicherte unsicher. Ihren fragenden Blick konnte er nicht sehen.

„Wie kommst du denn darauf?“, stellte sie die Gegenfrage.

Ihr Blick fiel auf Alice, die zwischen beiden hin und her sah. Sie lächelte leicht, weil sie die Gesichter beider sehen konnte. Wenn sie jemand zu dieser Szenerie befragen würde, würde sie wahrscheinlich nur seufzen und geheimnisvoll grinsen.

„Ich weiß es nicht. Alles was ich sagen will, ist, dass ich es nicht ertragen könnte, wenn du tot umfallen würdest.“

Zitternd atmete Rose aus. Das war wohl das netteste, das er je zu ihr gesagt hatte und das schönste, was er wohl je sagen würde. Er wollte nicht, dass sie starb. Also bedeutete sie ihm etwas. Irgendwas; was es war, war unwichtig.

„Ich verspreche es dir.“

Eine Weile wurde es so still, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können. Sie nahm ihm nicht dasselbe Versprechen ab, weil er sich offensichtlich keine Sorgen darum machte. Es war das erste Mal, dass er nicht ausschließlich an sich gedacht hatte.

„Dann sehen wir uns in ein paar Minuten.“, endete er wispernd. Rose sah zu Alice und bemerkte, wie ihr ein Arm ihr ein kleines Fläschchen in die Hand gab. Verwirrt sah die Longbottom auf den Schnaps.

„Wenn es dir auch nur im Ansatz so geht wie mir, wirst du den brauchen können.“

Mit diesen Worten verließ er den Raum.
 

*
 

Zu behaupten, Scorpius habe kalte Füße, war untertrieben. Denn er hatte auch kalte, schweißige Hände und wenn er es zuließ, würden sie zittern. Er betrachtete die Gäste, sie sich auf weißen Holzstühlen niedergelassen hatten und ihn erwartungsvoll ansahen. Ein paar Mädchen, mit denen er zur Schule gegangen war und auf der Seite des Bräutigams saßen, seufzten sogar, vereinzelt winkten sie ihm auch heimlich zu, was er nur mit einer hochgezogenen Augenbraue zu quittieren vermochte.

Seine Eltern saßen in der ersten Reihe. Während sein Vater lässig die Arme über die Lehne baumeln ließ, saß seine Mutter da als habe sie einen Besenstiel gefrühstückt. Nervös begutachtete sie die Dekoration und sah auf die Finger der Hauselfen, die den letzten Gästen ihren Platz zeigten. Dann schenkte sie ihrem Sohn wieder ein aufmunterndes Nicken, das nicht echt wirkte.

Scorpius Mundwinkel zuckten verräterisch, ansonsten wies nichts in seinem versteinertem Gesicht darauf hin, dass er aufgeregt war. Albus räusperte sich neben ihm.

„Ist es normal, dass sie so lange auf sich warten lassen?“, erkundigte sich der ehemalige Slytherin. Man konnte fast meinen, er würde bald das Eheversprechen ablegen, so nervös wie er von einem Bein auf das andere trat.

„So erzeugen sie Spannung.“, antwortete der Bräutigam grinsend, doch er sah unentwegt auf die Gäste. Albus schnaufte.

„Ich würde die Zeit zum Weglaufen nutzen.“, murmelte Albus wohl wissend, dass dies nicht möglich war. Stattdessen versuchte er seinen besten Freund etwas aufzumuntern. Auch wenn es keiner sah, wusste er, dass er es bei weitem nicht so locker nahm, wie es den Anschein hatte.

„Ich glaube deine Mutter springt mir gleich ins Gesicht.“, gluckste er.

Scorpius folgte seinem Blick zur Hausherrin, dann nickte er zustimmend.

„Du zappelst als hättest du einen epileptischen Anfall.“, erklärte er leise.

Albus sah an sich hinab, sofort stellte er das Zittern ein. Dann warf er der Mutter des Bräutigams einen entschuldigenden Blick zu. Zufrieden nickte sie.

Endlich setzte sie Musik ein.

In diesem Augenblick rutschte Scorpius das Herz in die Hose. Seine Knie gaben fast unter seinem Gewicht nach, als er seinem Schicksal entgegensah. Es war so weit. Nach fünf Jahren und ein paar Tagen war es soweit, dass er den Schwur einlösen und eine Frau, eher noch ein Mädchen, heiraten musste.

Albus stieß ihm den Ellenbogen in die Rippen, als er bemerkte, dass Scorpius ein wenig zu ängstlich dreinschaute, als es sich für einen glücklichen Mann vor dem Altar gehörte.

Zuerst kamen die Brautjungfern in himmelblau hinein, angeführt von Alice Longbottom, die den geliebten Hosenanzug nicht tragen durfte, sich stattdessen für ein konservatives Kleid entschieden hatte, dass an einen Smoking erinnerte. Morgana, Lily und Tiberia trugen einen kleinen Strauß lachsfarbener und weißer Rosen in den Händen. Sie zwinkerten dem Bräutigam aufmunternd zu.

Alice stellte sich an den Kopf der kleinen Treppe, während die anderen Mädchen einen hübschen Rahmen bildeten.

Die Köpfe aller Anwesenden zuckten herum, als sich der Takt änderte und den Brautmarsch einläutete. Zuerst schob sich Ronald Weasley in einem dunkelblauen Festumhang durch den Zelteingang.

Scorpius wagte es nicht, den Blick weiter nach links gleiten zu lassen, doch als ihm eine zart weiß behandschuhte Hand auffiel, konnte er nicht wegsehen. Rose entlockte allen anwesenden Frauen ein langes Seufzen und den Männern ein anerkennendes Grunzen, das sich an den glücklichen Bräutigam richtete.

„Merlin, sie ist die schönste Braut, die ich je gesehen habe.“, sagte Albus atemlos.

Er hatte die Augen aufgerissen und Rose angestarrt, deren Blicke verdeckt vom stilvollen Schleier nervös in alle Richtungen huschten.

„Sag doch was“

Doch Scorpius war sprachlos. Seine ganze Unsicherheit war wie weggefegt, als ihm bewusst wurde, dass es sich allein für diesen Anblick gelohnt hatte. Alles, jeder Atemzug und jeder Kuss.

„Steh erst Mal an seiner Stelle.“, flüsterte Lily verheißungsvoll und zwinkerte ihm zu.

Alice sah ihre beste Freundin voller Stolz an.

Als sei sie der Maler, der dieses Gemälde erschaffen und der Welt zum Staunen überlassen hatte.

Es kam Scorpius vor, als schreite sie in Zeitlupe auf ihn zu. Als würde sie ihn ersticken lassen wollen, da sie ihn nun dazu gebracht hatte, die Luft anzuhalten.

Ron Weasley kam vor ihm zum Stehen. Seine Augen waren feucht seit dem Augenblick, an dem er seine Tochter das erste Mal in ihrem weißen Brautkleid gesehen hatte. Mit einem gewissen Zögern übergab er die Hand seiner Tochter in die Hand des Mannes, der sie zu ehelichen gedachte, wie es der Brauch verlangte. Dann setzte er sich zu den Malfoys.

Astoria hatte ein Spitzentaschentuch gezückt und betupfte sich energisch die Augenwinkel. Dass ihre Schwester es ebenso hielt und sie sich dadurch glichen, wie ein Ei dem anderen, war wohl niemandem bewusst außer Scorpius.

Eine unendliche Sekunde lang, sah er Rose in die Augen, dann half er ihr die letzte Stufe hinauf.

„Verehrte Gäste“, machte ein kleiner Mann mit Fistelstimme auf sich aufmerksam. Seine Nase ragte gerade mal über die Altarkante, trotzdem rückte er ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Rose wusste, dass ihr Onkel Harry dafür gesorgt hatte, dass sie den besten Zeremonienmeister bekamen, den das Ministerium zu bieten hatte.

„Heute haben wir die Ehre, die Vereinigung zweier junger Seelen zu feiern, die sich den ersten Juli ausgesucht haben um keine weitere Zeit zu verschwenden.“

Ein leises Kichern wogte durch die Hochzeitsgesellschaft. Scorpius sah zu Rose und umfasste ihre zitternde Hand fester, als könne er sie dadurch davon abhalten.

„Eine berühmte Schriftstellerin hat einmal gesagt, dass die Liebe das einzige ist, das wächst, wenn man es verschwendet.“, fuhr er fort, doch diesmal richtete er seine Worte direkt an das Brautpaar. „Wenn das so ist, so sehe ich euch, Scorpius und Rose, jede Verschwendungssucht nach. Es ist für mich schön nach all den Jahren zu sehen, dass es durchaus noch junge Paare auf dieser Welt gibt, die diesen mutigen Schritt einer Ehe wagen und sich von keinem Wenn und Aber beeindrucken lassen...“

„Ich hoffe er beeilt sich, ich komme fast um vor Hunger.“, flüsterte Tiberia Lily zu, die leise kicherte, ihr aber beipflichtete. Alice strafte sie mit einem warnenden Blick, während sie Roses Brautstrauß aus weißen Lilien in den Händen hielt, als sei es ein Schwert, dass jeden darnieder strecken würde, der es wagte diese Zeremonie zu stören.

„Wenn jemand von Ihnen einen Grund kennt, warum diese beiden nicht vermählt werden sollten, der spreche nun oder schweige für immer.“

Mit einem ängstlichen Lächeln wandte sich das Brautpaar dem Publikum zu. Rose registrierte, dass ihre Cousine Dominique im Begriff war aufzustehen, doch Fred Weasley warf sich elegant wie eine Katze mit dem ganzen Gewicht seiner Einmeterachtzig über ihren Schoß. Wütend zischte sie ihm etwas zu und er antwortete auch etwas, doch Rose konnte es nicht verstehen.

Abgesehen davon, machte sich keiner bemerkbar.

„Nun denn, willst du Scorpius Hyperion Malfoy, die hier neben dir stehende Rose Weasley zu deiner Frau nehmen, sie lieben und ehren, in Krankheit wie in Gesundheit, bis dass der Tod dies Bündnis trenne?“

Rose hielt unmerklich die Luft an, dann sah sie ihm unerschrocken ins Gesicht. Scorpius wandte sich nicht an den Zeremonienmeister, als er ein „Ja, ich will“ mit rauchiger Stimme hervor brachte. Seine Augen ruhten nur im warmen Braun, das das Fenster zu ihrer Seele war.

„Und willst du, Rose Weasley den Mann an deiner Seite, Scorpius Hyperion Malfoy, zu deinem rechtmäßig angetrauten Ehemanne nehmen, ihn lieben und...“ Rose bekam die restlichen Worte nicht mit. Panik legte eine eisige Fessel um ihr Herz. Sie würde ein Versprechen geben müssen. Ein Eheversprechen. Und sie würde sich daran halten, weil sie noch nie ein Versprechen gebrochen hatte. Egal wie diese Ehe ausging, sie würde bei ihm bleiben und sich um ihn kümmern. Ganz gleich, ob er sie je lieben würde. Ganz gleich, wie viele Affären er hätte. Seltsamerweise war ihr diese Möglichkeit früher nie in den Sinn gekommen.

Sie schloss die Augen und erinnerte sich daran, dass Scorpius zu ihr gekommen war. Rose war ihm nicht egal, denn er wollte nicht, dass sie starb. Langsam öffnete sie ihre Augen, nachdem sie ihr Herz befragt hatte.

„Ja, ich will.“, erfüllte sie zeitgleich ihr ältestes und ihr jüngstes Versprechen.

Erleichtert senkte Scorpius die Schultern. Rose hatte keine Ahnung davon, dass sie fast eine halbe Minute geschwiegen hatte, in der das Publikum unruhig wurde. Von einer glücklichen Braut erwartete man fast schon, dass sie dem Zeremonienmeister ins Wort fiel, weil sie es nicht erwarten konnte. Selbst der kleine Mann schien eine Last von den Schultern gefallen zu sein.

„Dann erkläre ich euch auf Lebenszeit miteinander verbunden.“

Der Zeremonienleiter hob seinen Zauberstab und legte in einer kleinen Pirouette ein silbernes Band aus Licht über sie. Symbolisch zurrte er es eng zusammen und band das Paar aneinander. Scorpius befreite seine Arme und lüftete ihren Schleier. Bewundernd betrachtete er ihre kirschroten Lippen, die kaum das Glitzern in ihren Augen in den Schatten zu stellen vermochten.

Rose spürte sein Herz gegen ihre Brust hämmern, als sie sich auf ihre Zehenspitzen stellte, die Augen schloss und seinen Kuss erwartete. Er schluckte, legte seine Lippen ehrfürchtig auf ihre, ohne den Kuss zu vertiefen.

Rose war ein bisschen enttäuscht, als er absetzte, ließ sich aber nichts anmerken. Mit einem Räuspern machten Albus und Alice auf sich aufmerksam. Sie waren vor sie getreten und trugen auf einem kleinen Kissen die Ringe. Mit zitterigen Fingern lockerten sie die Knötchen. Scorpius nahm Roses rechte Hand und streifte ihr den Ring über. Dabei nahm er nicht eine Sekunde den Blick von ihren Augen. Sie tat dasselbe; blind.

Astoria erhob sich und schwang ihren Zauberstab. Alle Zeltwände stoben auf und legten einen inzwischen strahlend blauen Himmel frei. Alle anderen standen ebenfalls auf und unter ein paar Zaubersprüchen aus den unterschiedlichsten Stäben, flogen die Stühle hinaus und reihten sich um große runde Tische, die eine Tanzfläche umsäumten.

„Ladies und Gentlemen, der Hochzeitswalzer von Mr. und Mrs. Malfoy!“, rief der kleine Mann.

Rose bekam nicht mit, dass er sie zur Tanzfläche geleitete. Es war vollbracht.

Sie hatte es hinter sich.

Nun schwebten Gefühle wie Erleichterung und Traurigkeit in ihrem Bauch. Gepaart mit ein paar verirrten Schmetterlingen, ergab es eine explosive Mischung, die sie fast zum Weinen gebracht hätte.

Unter Applaus wirbelte Scorpius seine Frau in seine Arme. Scheinbar leichtfüßig folgte sie seinen Schritten, aber in Wahrheit war sie froh, nicht nachdenken zu müssen und sich führen zu lassen.

Unter der Musik eines kleinen Streichquartetts tanzten sie den ersten Walzer ihres gemeinsamen Lebens.
 

*
 

Nach diesem Tanz bestürmte das junge Paar die Hälfte der Gäste, während sich die andere Hälfte ausgehungert über die Vorspeisen in Form von Minihochzeitstorten hermachte. Rose begrüßte ihre Onkel und Tanten, Cousins und Cousinen mit einem unerschöpflichen, aber gekünsteltem Lächeln. Scorpius schüttelte gefühlte tausend Hände und der Rücken schmerzte ihm bereits, nachdem jeder Mann ihm einen freundschaftlichen Schlag auf die Schultern gegeben hatte. Mit Freuden empfing sie auch Roxanne, die gerade ihren sechzehnten Geburtstag gefeiert hatte und in einem weiß geschmückten Rollstuhl von ihrer Schwester Molly umher geschoben wurde. Auch wenn sie schwach wirkte, so war ihr Lächeln strahlend.

Ängstlich blickte die Braut zu dem Berg an Geschenken, der zu kippen drohte bei jedem weiteren Päckchen, dass hinzukam. Rose fragte sich, was sie mit dem ganzen Krempel anfangen sollte, denn sie würden zwar im Südflügel des Malfoyanwesens wohnen, der weitaus geräumiger war als Scorpius Zimmer, doch dieser Haufen Präsente nahm fast die Größe ihres baldigen Wohnzimmers ein.

„Du siehst so wunderschön aus, Weas-“, begann Morgana, „Mrs Malfoy“, korrigierte sie sich rasch und zwinkerte. Herzhaft ergriff sie Roses immer noch kalte Finger, doch als sie fand, dass dies nicht reichte, um ihrer Freude, nun eine Verbündete in dieser Familie zu haben, auszudrücken, zerrte sie sie in ihre Arme.

„Danke, Mo.“ Rose schenkte ihr eines ihrer seltenen Lächeln.

„Es steht natürlich außer Frage, dass ich euch alles Glück auf Erden wünsche.“, ergänzte sie hastig, als ihr bewusst wurde, dass sie den Verkehr aufhielt und die Gäste hinter ihr bereits eine Schlange gebildet hatten, die nahtlos in die Wartenden des Kuchenbuffets überging, das man bereits aufbaute.
 

*
 

Fred Weasley wunderte sich auch noch nach dem gegebenen Ja-Wort, welcher Dämon von seiner Cousine Besitz ergriffen hatte, ausgerechnet Scorpius Malfoy zu heiraten, der ihr die meiste Schulzeit mit Duellen und Streichen das Leben zur Hölle gemacht hatte. Konsequent hatte er jedem anderen verboten, sie zu ärgern, doch selbst ließ er nie eine Gelegenheit dazu aus. Was auch immer im letzten Jahr, in dem er mit seiner Ausbildung zum Auroren begonnen hatte, vorgefallen war, es musste viele Jahre wieder gut machen. Zumindest hatte er ihnen pflichtbewusst gratuliert, damit sollte seine Beteiligung an dieser Seifenoper beendet sein. Mit einem nachdenklichen Blick sah er zu Dominique Weasley, die in mitten ihrer anderen Cousinen Geschichten aus Beauxbaton zum Besten gab und einige Lacher erntete. Nur unter Aufbringung seines ganzen Gewichts hatte er sie daran hindern können, einen gesellschaftlichen Fauxpas während der Zeremonie zu begehen. Sie hatte sich noch nie Gedanken darüber gemacht, wie die Konsequenzen ihres Handelns aussahen. Ein bitteres Lächeln umspielte seine Mundwinkel.

„Wenn du sie schon so anstarren musst, solltest du dabei den Mund schließen.“

Er sah auf und betrachtete die einzige Brautjungfer, die er nicht kannte. Musternd glitt sein Blick von ihrem dunkelbraunen Scheitel bis zu ihren dunkelblauen Sohlen. Hübsches Ding, dachte er anerkennend und fragte sich mit dem nächsten Gedanken, ob sie wohl in Begleitung auf dieser Hochzeit tanzte. Dann erinnerte er sich, dass sie ihn ja soeben beim Beobachten von Dominique erwischt hatte.

„Schon besser.“ Sie zwinkerte ihm zu.

„Und du bist?“ Er klang etwas unfreundlich, doch die Unbekannte schien ihm zu verzeihen.

Dann stellte sie ihren Kuchenteller auf einem Tisch ab, ergriff seine Hand und ließ ihn unter einem kräftigen Händedruck dumm dastehen.

„Tiberia Harmonia Heroidas. Wer du bist, weiß ich schon.“

Fred musste grinsen. „Ziemlich epischer Name, Heroidas. Und woher weißt du das, wenn ich fragen darf?“ Sie legte den Zeigefinger ans Kinn und tat überlegend.

„Ich habe die Gästeliste auswendig gelernt.“ Fred zog eine Augenbraue hoch, als könne er es nicht glauben. Dass sie einfach ein gutes Gedächtnis hatte, konnte er nicht ahnen. Es lag in der Natur dieser Brautjungfer, immer bestens informiert zu sein.

„Es war übrigens sehr ehrenhaft von dir, sie am Einspruch zu hindern.“, lobte sie weiter, nahm den Kuchenteller wieder auf und klaute einem ahnungslosen alten Zauberer, der gerade in ein Gespräch vertieft war, ein Stück Feenkusstorte.

„Man tut, was man kann.“ Er war etwas sprachlos über ihre Unverblümtheit, mit der sie ihn ansprach. Manche mochten es auch anstandslos nennen.

„Ich hätte fast nicht gemerkt, dass du auf sie stehst.“, verriet sie im Plauderton und folgte noch einmal seinem Blick an den Tisch der Mädchen, während sie den Kuchen herzlos vertilgte, als nähme sie an einem Wettessen teil.

„Okay, woher auch immer du dir die Frechheit herausnimmst -“

„Ich bin nicht frech, schätze das ist einfach meine Art.“

„ - ich möchte dich nur darauf hinweisen, dass sie meine Cousine ist.“

Einige Sekunden hatte er es geschafft die Fremde sprachlos zu machen. Sie sah in dieser Zeit zwischen den beiden hin und her, als versuche sie sich vorzustellen, worin bei ihnen die Ähnlichkeit bestand. Doch wer bei diesem ungleichen Paar nach äußerlichen Gemeinsamkeiten suchte, würde nicht fündig werden, soviel stand fest.

„Interessant.“

Fred zog eine Augenbraue hoch. „Ja, durchaus.“

„Du solltest dich mal mit einem der Reinblüter unterhalten.“, sagte sie schließlich mit beschwingter Stimme, dann machte sie eine Ausladende Geste, um alle, die auf der Seite des Bräutigams saßen, einzuschließen.

„Ich glaube nämlich die haben ein paar entscheidende Gegenargumente. Vor einem Jahrhundert war es noch Gang und Gäbe in diesen Kreisen unter sich zu bleiben.“, erklärte sie.

Fred verschränkte die Arme vor der Brust um deutlich zu machen, dass er keinesfalls mit ihrer Meinung konform ging.

„Da sieht man ja, was dabei herauskommt.“ Er nickte hinüber zu dem Ehemann seiner Cousine. Tiberia hätte sich fast an ihrem Kuchen verschluckt, so plötzlich musste sie lachen. Für einen Augenblick dachte er, sie würde ersticken, weil ihr Gesicht rot anlief, doch als er ihre bebenden Schultern bemerkte und die Tränen in ihren Augenwinkeln, wusste er, dass sie durchaus in der Lage war, seinem Humor etwas abzugewinnen.

„Zu köstlich.“, presste sie schließlich hervor, dann ließ sie ihn wieder stehen, um sich ein weiteres Stück Kuchen zu holen.
 

*
 

„Wenn ich noch einen Klaps auf die Schulter kriege, zerbreche ich wie Glas.“ Scorpius klang finster, als er sich aus der Traube an Gratulanten schälte und Rose an den Händen mit sich zog. Sie beschwerte sich nicht, sondern war ihm heimlich dankbar, sie für einen Augenblick dieser Meute zu entreißen.

„Mein Arm tut weh vom Händeschütteln.“, beschwerte sich auch die Braut, während sie sich geistesabwesend die Muskeln rieb, in der Hoffnung der Krampf würde sich bald lösen.

„Danke, dass du ja gesagt hast.“, sagte er recht unvermittelt.

Sie hielt in ihrem Weg zur Hochzeitstorte inne, dann blickte sie ihm in die Augen.

„Das kann ich nur zurückgeben.“

Scorpius zog seine Frau in seine Arme und platzierte einen Kuss auf ihre Stirn. Ein strahlendes Lächeln entfloh ihren Lippen, auch wenn sie sich nicht sicher war, ob er das nur tat, um die nach Romantik hungernden Gäste zu besänftigen.

„Habe ich dir eigentlich schon gesagt, wie unglaublich großartig du aussiehst?“, fragte er rhetorisch. Die ganze Anspannung des vergangenen Jahres war aus seiner Seele abgerückt seitdem sie ihm ein Ja geschenkt hatte. Rose grinste und ließ es zu, dass er sie einmal im Kreis drehte, um sie zu bewundern.

„Das hast du nicht, mein lieber Mr. Malfoy.“, sagte sie gespielt streng, als er sie wieder näher zu sich zog. Seine Lippen schwebten knapp über ihren, als würde er die ganzen Blicke, die verträumt auf ihnen ruhten, nicht bemerken.

„Du siehst großartig aus, Rose.“, flüsterte er.

Fordernd zog die Angesprochene beide Augenbrauen hoch.

„Und?“, verlangte sie.

„Was und?“

Sie seufzte und entfernte sich etwas von seinen Lippen. „Du hast unglaublich vergessen.“, erinnerte sie. Der Malfoy grinste. „Oh, jetzt wo ich dich anfassen darf, bin ich durchaus gewillt zu glauben, dass diese Dame in Weiß nun die meine ist.“ Seine Stimme klang ironisch.

Sanft berührte er ihre Lippen mit seinen. Nur zu bereitwillig öffnete Rose ihren Mund, denn diesmal würde sie sich nicht mit weniger als einem anständigen Kuss zufrieden geben. Es war ihre Hochzeit, verdammt. Schwur hin oder her, sie hatte sich einen verdient. Und er verwehrte ihn ihr auch nicht, sondern verband seine Zunge mit ihrer.

„Du schmeckst nach Feuerwhiskey“, stellte er fest.

Sie grinste. „Den hatte ich nötig.“

Mit diesen Worten umgriff sie seinen Hemdkragen und zog ihn erneut zu sich hinab. Sollten sich doch alle zum Teufel scheren, nun konnte sie ihn küssen so oft sie wollte und so lange er mitspielte. Sie wäre eine Idiotin, wenn sie dies nicht ausnutzen würde.

„Nehmt euch ein Zimmer, verflucht.“, fauchte Dominique, doch ihre Stimme verriet, dass sie es nicht ernst meinte. Zwinkernd lief sie davon und murmelte noch etwas von wegen 'widerlich' und 'es sind Kinder anwesend'.
 

*
 

Nachdem die Hochzeitstorte angeschnitten war und man sehr zum Bedauern der besagten Kinder, darauf verzichtete, dass es sich das Brautpaar ins Gesicht schmierte, saßen alle beisammen und genossen jedes einzelne Stückchen Kuchen. Rose hätte am liebsten ein ganzes Tablett verdrückt, doch die Sitte gebot ihr, sich zu zügeln. Leider war ihr Angetrauter weniger zimperlich und kämpfte nun mit dem vierten Stück Buttercremetorte des Grauens.

Mit einem leisen Hüsteln erhob sich Alice, unterließ es aber, an ein Glas zu klopfen, da sie gelesen hatte, dass es von wenig Stil zeugte. Sie hätte allerdings Albus davon in Kenntnis setzen sollen, der nun so heftig an seinen Sektkelch schlug, dass das Glas zu splittern drohte. Genervt verdrehte die Professorentochter die Augen, dann zauberte sie das schönste Lächeln auf ihre Lippen, das Rose je zu Gesicht bekommen hatte.

Als sie die Aufmerksamkeit der ganzen Hochzeitsgesellschaft sicher hatte, strich sie verlegen über die Falten ihres Kleides. Mit zittriger Stimme begann sie:

„Als ich mir überlegt habe, was es zu Rose und zu Scorpius zu sagen gäbe, habe ich nächtelang dicke Wälzer durchforstet. Fündig geworden bin ich aber erst, als ich den Hochzeitstost meiner eigenen Eltern fand. Meine Tante hat mit einem Zitat eingeleitet.“ Sie unterbrach sich räuspernd, dann blickte sie wieder zum Brautpaar. „'Die Ehe funktioniert, wenn es den Eheleuten immer wieder gelingt, Pflicht in Kür zu verwandeln.' hat sie geschrieben und ich musste ihr Recht geben. Eine Ehe ist nicht nur eitel Sonnenschein, sie muss auch mit Wolkenbrüchen fertig werden, aber mit Zärtlichkeit und Geduld wird es euch gelingen, nach jedem Regenguss erneut ein Handtuch zu finden, dass euch trocknet.“ Alice war sich nicht sicher, ob jemand diese Metapher verstand. Am Vorabend hatte sie Albus den Tost herunter gebetet, aber der fand alles, wirklich alles, toll, das sie tat. „Was ich damit sagen will, ist, dass schlechte Zeiten nicht zu vermeiden sind und es nur darauf ankommt, ob ihr immer wieder den Mut aufbringt, aufeinander zuzugehen und euch zu verzeihen.“ Ratlosigkeit stand in den Gesichtern der Gäste. Man war sich nicht sicher, ob sie ihnen nun Glück wünschte oder sie warnte. Doch diejenigen, an die diese Worte gerichtet waren, lächelten ihr zu, denn sie verstanden, was sie meinte. Als sie sicher gegangen war, dass ihr Rat angekommen war, lächelte sie und fuhr fort. „Im besten Falle wird es aber nie nötig sein. Ich wünsche euch viele glückliche Momente, angefangen mit diesem Tag. Möge auf jede bittere Träne ein süßer Kuss folgen!“, endete sie. „Auf euch und euer Glück“, sagte sie mit erhobenem Glas. Das Klirren der Gläser aller Gäste klang fast wie ein Applaus und das Brautpaar bedankte sich, indem es nickte. Offensichtlich schien niemandem aufgefallen zu sein, dass Alice mit keiner Silbe das Wort Liebe erwähnt hatte.

Darf ich bitten.

Lieber Leser,
 

hier der angekündigte Teil II. Nein, die FF ist immer noch nicht abgeschlossen. Ich hoffe es mundet und scheut euch nicht vor Kommentaren. :D Da freu ich mich immer so.
 

Und nun Vorhang auf:
 


 

Kapitel 19

-Darf ich bitten?-
 

Morgana Greengrass musterte scheinbar desinteressiert ihre Nägel, während direkt vor ihrer Nase ihr Exfreund mit Alice Longbottom eng umschlungen tanzte. Doch sie bekam jede Regung mit, die sie miteinander teilten und es war purer Schmerz, den sie dabei spürte. Sie hätte ihre linke Hand gegeben, um mit ihr zu tauschen, doch so, wie Albus sie nun ansah, hatte er sie nie angesehen. Morgana erkannte, dass es wohl nie zum grausigen Plan des Schicksals gehört hatte, dass sie Albus Freundin blieb, egal wie innig und aufrichtig sie ihn liebte. Merlin war ihrer nicht gnädig, was wohl daran lag, dass sie die meisten Streiche und Grausamkeiten zusammen mit Lucy durchgezogen hatte, ohne sich je zu fragen, ob es nicht eine Spur zu hart sei. Sie konnte sich glücklich schätzen, dass Weasley – nein, Malfoy – ihr dies verzieh. Mehr war für sie nicht aus dem Hut zu ziehen und langsam erkannte sie, dass sie es wohl auch ein bisschen verdient hatte.

Schaute man sich Albus und Alice an, stand außer Frage, dass sie zusammengehörten. Als fessle sie eine unsichtbare, aber kräftige Kette aneinander. Irgendwann würde sie aufhören, Zorn auf den Potterspross und ihren Hass auf die Professorentochter zu hegen. Aber Merlin möge ihr nachsehen, dass dieser Tag nicht der heutige war.

„Stört es dich, wenn ich mich zu dir setze?“

Die Blondine blickte den Neuzugang an. Sofern man ihn überhaupt so nennen konnte, denn sie saß allein am Tisch und langweilte sich, während alle andere tanzten, aßen oder sich das Anwesen ansahen. Sie machte eine einladende Geste mit der Hand und Hugo Weasley zog den Stuhl zurück. Erschöpft ließ er sich darauf nieder, dann atmete er ein paar Mal tief durch.

„Wieso siehst du so geschafft aus?“, wollte sie von Scorpius Schwager wissen.

Hugo lächelte schmal, dann fuhr er sich mit einer lässigen Geste durch die Haare, doch das brachte den Wust mehr durcheinander, als es ihn glättete. Entzückt bemerkte sie die Ähnlichkeit mit einem verrückten Professor in jungen Jahren. Ihm fehlte nur noch eine kleine Halbmondbrille, um das Bild abzurunden.

„Ich habe mit den Kindern 'Hoppelchen hasch mich' gespielt.“, erklärte er.

Morganas Blick wurde weich, denn sie war froh, dass sich jemand um die Kinder kümmerte. Sie mussten diese Veranstaltung todlangweilig finden. Es gab nicht mal einen Spielplatz oder ähnliches und die Eltern ermahnten sie ständig, ruhig zu sitzen.

„Das ist wirklich sehr lieb von dir.“, lobte sie und tätschelte seine Hand, als habe sie einen Rotzlöffel vor sich sitzen.

Hugo lachte freudlos auf und starrte auf die Tanzfläche.

„Lieb?“, hakte er nach, als könne er nicht glauben, dass man ihn mit diesem Attribut bedachte.

„Würdest du dich mehr freuen, wenn ich dich als abgrundtief böse, abgekartet und verrucht bezeichnen würde?“, gluckste sie. Was erwartete er? Schließlich war er gerade mal sechzehn. Er lag alterstechnisch näher an den Kindern, als sie. Er rieb sich die Stoppeln seines spärlichen Bartwuchses und sinnierte einen Augenblick über das neuerliche Angebot.

„Verrucht gefällt mir.“, sagte er schließlich und zwinkerte ihr äußerst jungenhaft zu.

Morgana lachte. Wie süß pubertierende Jungs doch sein konnten!

„Also, wie sieht es aus, Mo?“

Fragend blickte sie ihn an. „Schenkst du dem Bruder der Braut einen Tanz?“

Eigentlich hatte sich Morgana vorgenommen, weiterhin zu grübeln und die Welt zu verfluchen, weil sie Albus Potter nicht haben konnte. Doch innerhalb zweier Minuten, hatte sie Hugo zum Lachen gebracht. Schief lächelte sie, als schäme sie sich dafür, so leicht zu erheitern zu sein.

„Du glaubst auch, du seist wichtig, nur weil du das Wort Braut im Titel führst, oder?“, fragte sie. Gespielt entrüstet griff sich der junge Weasley an die Brust. „Ich käme nie auf die Idee, diese Macht im Namen meiner Schwester zu missbrauchen.“, antwortete er schließlich.

Morgana schob seufzend den Stuhl zurück, dann erhob sie sich und reichte dem, von seinem plötzlichen Erfolg perplexen Hugo Weasley die Hand.

„Na komm, Hoppelchen. Zeig mir, wie verrucht du tanzen kannst.“, höhnte ihre lachende Stimme, denn sie glaubte kein Wort von dem, was er von sich selber sagte.

Morgana hatte allerdings auch keine Ahnung, dass Hugo ein begnadeter Tänzer war.
 

*
 

Scorpius und Rose futterten sich ohne falsches Schamgefühl durch das Abendbuffet, nachdem sie vom Kuchen so wenig abbekommen hatten. Er fand es seltsam, dass keiner auf dieser Hochzeit daran denken zu schien, dass auch das Brautpaar Hunger haben könnte. Rose hatte sogar einen hektischen Kellner zusammengestaucht, nachdem er an ihrem leeren Glas vorüber gegangen war, ohne es zu bemerken.

Entnervt ließ sie sich neben ihm am Tisch nieder und starrte eine Weile auf ihren übervollen Teller. Scorpius musste grinsen, als sie auf Besteck verzichtete und direkt in einen Hähnchenschenkel biss. Für eine Frau in einem Brautkleid, sah es nahezu barbarisch aus, doch er würde sich hüten, sie am heutigen Tag auf Tischmanieren hinzuweisen. Er wusste, wie groß ihr Hunger gewesen war und wie schnell ihr der Alkohol zu Kopf stieg.

In gewisser Weise nahm es auch den Bann von ihm, unter dem er sie immer nur ehrfürchtig anstarren konnte. Nun, da sie tat, was Rose nun einmal immer machte, kam sie ihm wieder menschlich vor.

„Rose!“, erklang Astorias Stimme. Eilig schob sich die Hausherrin zwischen den Gästen hindurch zur Tafel.

„Du musst noch -“, begann sie, doch Scorpius fiel ihr unwirsch ins Wort.

„Mutter, im Moment muss Rose gar nichts außer essen. Wir haben uns brav an deinen Plan gehalten, aber jetzt lässt du uns unsere Hochzeit bitte entsprechend genießen.“ Sein Ton ließ keinen Spielraum für weitere Diskussionen und er ahnte nicht, wie ähnlich er seinem Vater in diesem Punkt war. Verdutzt blickte sie ihrem Sohn ins Gesicht. Sie sah so aus, als läge ihr schon eine passende Erwiderung auf der Zunge, doch sie schluckte es hinunter und verschwand murmelnd. Seine Frau sah ihn überrascht an, dann brachte sie mit großen blinzelnden Augen das Hühnchen hinunter.

„Danke.“

Er grinste. „Anstatt dich zu bedanken, solltest du lieber essen, so lange du noch kannst. Wer weiß, wann wir wieder dazu kommen.“ Er küsste sie aufs bare Schulterblatt, dann holte er sich einen Teller Nachschlag.
 

*
 

Lachend sah Fred dabei zu, wie sich Alice und Lily zusammen mit Rose in die kleine Gästetoilette im Erdgeschoss zwängten. Das Brautkleid war so voluminös, dass es den kleinen Raum vollständig ausfüllte. Wenn ein solches Kleid so unpraktisch war, wieso zog man es dann an?

Nach dem Hochzeitsdinner hatte man das Streichquartett entlassen und nun legte Melody Flint Musik auf, die in jedem Alter erträglich war. Während sich die Sonne dem Horizont entgegen neigte, wurden die Zungen gelöster und es wurde bedeutend öfter nach dem Kellner gerufen. Dominique löste sich aus einem Pulk Mädchen und kam zu ihm herüber geeilt.

„Tiberia hat mir gesagt, du wolltest mich sprechen.“, sagte sie.

Fred sah sie verdutzt an, dann glitt sein Blick hinüber zur Amor spielenden Braujungfer, die aus der Ferne beide Daumen nach oben reckte, während sie ihn feixend die Zunge herausstreckte. Wer auch immer sie eingeladen haben musste, war offensichtlich nicht bei Verstand gewesen.

„Hat sie das?“, fragte er nach, um Zeit zu schinden. Da sie einmal da war, musste er sich schnell überlegen, was es so wichtiges gab, über das sie reden könnten.

„Wusstest du, dass die meisten Reinblüter Inzestkinder sind?“

Er schloss die Augen. Fred konnte nicht fassen, dass es tatsächlich das erstbeste war, das ihm in den Sinn kam. Unwillkürlich musste er dieser ominösen Brautjungfer dazu gratulieren, sich in seine Gedanken eingenistet zu haben. Dominique zog eine Augenbraue hoch.

„Das solltest du keinen Malfoy hören lassen.“, antwortete sie lachend, wenn auch verwirrt, weil sie nicht wusste was daran so wichtig war.

„Wir haben uns schon lange nicht mehr gesehen.“, beeilte sich der künftige Auror zu sagen.

Wieder erntete er skeptische Blicke.

„Wenn man die Zeit von Ostern bis heute lang nennen kann...“

„Was macht die Schule?“

Dominique musste lachen. Diese Szene war doch mehr als suspekt. Während sie über eine passende Antwort nachdachte, strich sie sich gedankenverloren eine silberblonde Strähne hinters Ohr. Dabei fiel ihr auf, dass Freds Blick weich wurde.

„Ich habe meinen Abschluss in der Tasche. Was soll die Fragerei?“

Gerade als Fred zum Sprechen anheben wollte, mischte sich eine allzu vertraute Stimme ein:

„Eigentlich wollte er dich fragen, ob du mit ihm tanzen willst.“

Tiberia war gerade dabei, sich wieder aus dem Staub zu machen, um irgendwelche anderen zu verkuppeln, als Dominique sie energisch zurückzog und in hastigem Französisch ein paar Sätze presste. Dummerweise war es wohl nicht so geheim, wie sie gehofft hatte, denn Fred genoss im Zuge seiner Ausbildung Fremdsprachenunterricht.

Ria, was soll das? Ich hab dir doch gesagt, dass es nur ein alberner Traum war...

Fred räusperte sich und die Mädchen blickten irritiert auf.

„Ihr beleidigt meinen Intellekt.“, stellte er trocken fest.

Dominique errötete schlagartig, während sich die Brautjungfer auf die Unterlippe biss und überlegte, ob Fred tatsächlich etwas verstanden haben könnte. Er seufzte resigniert, schließlich bot er seiner Cousine die Hand dar.

„Würdest du mir die Ehre erweisen, liebste Cousine?“

Nun, da ihn Amors böse Zwillingsschwester schon in Teufels Küche gebracht hatte, konnte er auch den Sprung ins kalte Wasser wagen. Im Notfall würde er das Land verlassen und seinen Namen ändern müssen, um diese Peinlichkeit von seiner weißen Weste zu waschen. Wer war auch schon so dämlich und verguckte sich in seine eigene Cousine? Strafe musste sein.

Er wollte die Hand schon wieder zurück nehmen und sich eiligst von dannen machen, als er plötzlich ihre zarten Finger in auf seiner Haut spürte. Fred sah auf und begegnete ihrem äußerst verschämten Lächeln.
 

Oh, das hatte er nicht kommen sehen.
 

*
 

Draco Malfoy reichte seiner Frau ein Glas Schlehenglut, wohl wissend, dass sie eigentlich nichts anderes trank, als ab und zu mal ein Gläschen Sauerwein fürs Herz. Doch wie er es erwartet hatte, lehnte sie den Likör nicht ab, sondern stürzte ihn in einem Zug hinunter. Undamenhaft schüttelte sie sich, als sie das Brennen in ihrer Speiseröhre bemerkte, dann knallte die den dicken Glasboden auf dem Tisch. Ein vorbeiziehender Kellner wertete das als Zeichen und schenkte ihr nach.

„Bist du zufrieden mit dir?“, erkundigte sich ihr Mann. Seine Hand strich nachdenklich über ihren in grün gekleideten Rücken. Sofort entspannte sie sich unter seiner zärtlichen Geste. Ein mädchenhaftes Funkeln trat in ihre Augen, als sie sich zu ihm wandte, um zu antworten.

„Ja. Es ist ein wunderschönes Fest und alles ist glatt gelaufen.“

Er grinste.

„Du hast so hart gearbeitet als sei es deine eigene Hochzeit.“

Sie zuckte mit den schmalen Schultern. Dabei glitt ihr der schwarze Seidenschal von den Schultern und legte ihren nackten Hals frei.

„Es sollte alles perfekt werden.“, wiederholte sie monoton.

„Aber wieso?“

Sie zog ihre schmal gezupften Augenbrauen zusammen, als frage sie sich, ob ihr Ehemann noch ganz bei Sinnen war. „Wieso?“, äffte sie ihn nach.

„Er ist unser einziger Sohn, Draco. Und man heiratet nur einmal im Leben.“ Sie sah ihn mit ihrem Nicht-mal-das-weißt-du-Gesicht an.

„Wie wäre es, wenn du mal Pause machst und ein Tänzchen mit mir wagst?“, fragte er, ohne auf ihre Worte einzugehen.

Die Überraschung stand ihr ins noch sehr jugendliche Gesicht geschrieben. Der rot bemalte Mund verzog sich zu einem Lächeln.

„Es ist Jahre her, seit du das letzte Mal mit mir tanzen wolltest. Ich bin gewiss ganz eingerostet“, antwortete sie und räumte ihm eine letzte Gelegenheit ein, das Angebot zurückzuziehen. Doch Draco war schon aufgestanden und hatte ihre Hand ergriffen.

„Es ist die Hochzeit unseres Sohnes, mein Engel. Und er heiratet nur einmal im Leben.“, waren seine alles erklärenden Worte, als er sie mit sich zog.
 

*
 

Verlegen zupfte sich Lily Gras aus den Haaren, als sie aus dem Gebüsch, dass das Anwesen der Malfoys einzäunte, hervorkroch. Sie hoffte inständig, keine verräterischen Grasflecken auf dem Kleid zur Schau zu tragen. Zumindest auf den ersten Blick konnte sie keine entdecken.

Schwesterchen

Erschrocken blickte sie auf und traf direkt den aus den braunen Augen ihres Bruders. Sie bemerkte blitzschnell, dass er angetrunken sein musste, deswegen schwebte ihre Hand achtsam über der Stelle ihres Kleides, unter der sie ihren Zauberstab an einem Strumpfband trug.

„James, was machst du hier?“, fragte sie atemlos und betete zu allen guten Geistern, dass Nathan es mitbekam und nicht gerade diesen Zeitpunkt für sein Auftauchen erwählte.

Doch es raschelte und sie schloss die Augen. Wenn James ihr nun eine Szene machen würde, wäre der Abend ruiniert.

„Ich habe dich gesucht - guten Abend, Zabini.“

Der ehemalige Slytherin klopfte sich den Staub vom Anzug und nahm die dargebotene Hand zum Gruß an. Doch James kam es nicht in den Sinn, sie wieder loszulassen. Eine stumme Drohung lag zwischen ihnen.

„Du dachtest also, du kannst meine minderjährige Schwester mal eben vernaschen, ohne dass ich das mitbekomme?“ Die Frage war nie auf eine Antwort ausgelegt.

Verlegen um Worte, blickte er zu Lily, in der Hoffnung sie möge die Spannung zwischen ihnen mit einem Witz lockern. Doch die Potter war verstummt. Er hatte keine große Lust, sich mit dem mittlerweile zu Ruhm gekommenen Quidditchspieler anzulegen.

„Es ist eine Hochzeit. Da passieren immer merkwürdige Dinge.“ Nathan hoffte, James Potter würde lachen, doch da hatte er sich geirrt. Okay, mit Sarkasmus war ihm also nicht beizukommen.

„James, lass seine Hand los.“, befahl Lily mit strengem Ton, doch er leistete ihrer Bitte keine folge, sondern schüttelte sie immer noch langsam. Wie absurd diese Geste war, war ihm offensichtlich nicht bewusst.

„Ich habe damit gerechnet, dass du wohl ein Problem damit hättest.“, begann Nathan erneut, wissend, dass er nun alles auf eine Karte setzen musste.

„Wie wäre es also, wenn wir einen trinken gehen und du mich dann ins Kreuzverhör nimmst, um herauszufinden wem du deine kleine Schwester anvertraust?“, schlug er sehr zur Überraschung des Älteren vor.

„Das überlebst du nicht. James trinkt dich unter den Tisch.“, warnte Lily.

Es war nun einmal so, dass der Slytherin weniger vertrug als sie selbst und wenn sie James trainierte Leber dagegen betrachtete, schwante ihr Böses.

„Es scheint, als müsse ich es darauf ankommen lassen.“, antwortete ihr Freund.

Endlich ließ der älteste der Potters seine Hand los. Er nickte langsam und bedeutete Nathan, ihm an einen der entlegeneren Tische zu folgen. Unterwegs entriss er einem Kellner eine Flasche Ungarisches Hexenbräu, einem ziemlich harten Fusel.

Das Mädchen, um das es bei diesem Gelage gehen würde, blieb aber zurück. Damit wollte sie nichts zu tun haben und sie würde weder James, noch Nathan dabei helfen, diesen Alkohol wieder der Natur zu übergeben.
 

*
 

Lucy Weasley legte beim Anblick ihrer besten Freundin den Kopf schief, um diese Pose nachvollziehen zu können. Dass sie sich heimlich querfeldein auf diese Feier geschlichen hatte, war nun, da sie am Rande der Tanzfläche stand, kein Geheimnis mehr. Offensichtlich hatte ihr Cousin Hugo ein Talent für exotische Tanzschritte und als sie Morganas glockenhelles Lachen hörte, musste sie selbst lächeln. Verlegen, da nun auch die Familie Malfoy auf sie aufmerksam wurde, vergrub sie die Hände in ihrer beigen Sommerjacke. Lucy war mehr als underdressed in ihren bequemen Jeans und den Turnschuhen. Aber sie hatte sich beeilen müssen, als man sie das erste Mal seit drei Monaten aus der forensischen Psychiatrie entließ. Hierher kommen zu dürfen, hatte sie eine Menge guten Willen und Überzeugungskraft gekostet. Sie war sich mehr als unsicher gewesen, was geschah, wenn sie Sonnenscheinchen Malfoy das erste Mal sehen würde. Vorausschauend hatte sie also ihren Zauberstab in der Klinik gelassen.

Astoria Malfoy kam in großen Schritten auf sie zu, den Zauberstab bereit. Ihr Gesicht war angespannt. Lucy konnte es ihr nicht verübeln.

„Was machst du hier?“, fragte sie harsch.

Die ehemalige Slytherin versuchte es mit einem gewinnenden Lächeln, doch im Angesicht des Stabes endete es in einer grauenvollen Grimasse. Sie nahm die Hände aus den Taschen, um der Hausherrin zu symbolisieren, dass sie unbewaffnet kam. Astoria verstand und ließ langsam den Arm sinken.

„Ich wollte Scorpius und meiner Cousine lediglich meine Glückwünsche ausrichten.“, antwortete sie leise. Sie konnte im Gesicht ihrer Wunschschwiegermutter sehen, dass sie ihr nicht traute, was dieses Unterfangen um einiges erschwerte.

„Meine ganze Familie feiert hier ihren Ehrentag, Astoria. Ich empfände es als Schande, wenn du mich wieder wegschicken würdest.“, beeilte sie sich hinzuzusetzen.

Einen Augenblick konnte sie die Zahnrädchen in Mrs. Malfoys Kopf rattern hören. Dann machte sie ein Gesicht, als könne sie sich nicht ganz entscheiden, was nun zu tun sei. Unsicher blickte sie zu ihrem Ehemann, der diese Szene aus dem Hintergrund mit wachsamen Augen überblickte.

Er nickte seiner Frau schwerfällig zu.

„Ich werde dich zu ihnen begleiten.“, erhielt Lucy ihre Zustimmung.

Ein freudiges Lächeln glitt über ihre Lippen. Am liebsten hätte sie sie dafür umarmt, denn sie wusste, wie schwer man es mit der Resozialisierung hatte. In vielen Fällen hatte man alle Brücken hinter sich abgebrannt und konnte nicht mehr zurück. Dass sie nun die Gelegenheit bekam, ließ sie fast in Tränen ausbrechen.

Sie folgte ihr am Rand der Tanzfläche entlang zu einem Tisch, der am üppigsten dekoriert war. Hinter Astorias Rücken versteckt, wartete sie ab, bis sie angekündigt wurde.

„Rose, Scorpius – hier möchte euch jemand sprechen.“

Scorpius betrachtete seine Mutter mit Vorsicht, da sie immer noch einen Zauberstab in der Hand hielt und sich verhielt, wie ein Gefängniswärter.

„Wer ist es?“, fragte Rose mit vollem Mund und versuchte um die schmale Gestalt ihrer Schwiegermutter herum zu sehen.

Lucy zählte innerlich von drei abwärts und legte sich die Worte, die sie sich im Bus hierher (sie durfte nicht magisch reisen, weil es zum Klinikverbot gehörte) zusammen gesponnen hatte, zurecht. Dann rückte sie in den Vordergrund.

Ihr stockte der Atem, als sie Rose in einem wunderschönen weißen Kleid sah. Ihr Schleier war gelüftet und in ihrem Haar glitzerten ein paar kleine Perlen. Lucy erkannte sofort, dass sie die Perlenkette ihrer Mutter trug. Auch wenn es tief in ihrem Inneren einen tiefen Riss offenbarte, musste sie sich eingestehen, dass Sonnenscheinchen das Outfit einer Braut gut zu Gesicht stand. Als Rose ihrer ansichtig wurde, sprang sie erschrocken auf und kramte irgendwo in ihrem Kleid herum. Lucy vermutete, dass sie ihren Zauberstab suchte. Doch Scorpius ergriff beherzt ihren Arm und zwang sie, sich wieder zu setzen, bevor sie sich noch entblößte.

„So weit ich weiß, haben wir dich nicht eingeladen.“, stellte er fest. Seine Stimme klang unerbittlich, seine Miene war glatt. Unsicher sah Lucy zwischen ihrer Cousine und dem Bräutigam hin und her.

„Das weiß ich und ich will auch nicht lange bleiben. Ich wollte nur...“

Ihre Stimme versagte, als sich der Kloß in ihrem Hals, den sie nun schon seit einer halben Stunde mit sich herumschleppte, löste. Sie schloss die Augen um die Beherrschung wieder zu erlangen, dann setzte sie erneut an.

„Ich wünsche euch alles Gute und viele glückliche Momente in eurer Ehe.“, sagte sie mit zittrigem Tonfall. Das Lächeln in ihren Mundwinkeln, das sie einstudiert hatte, falls ihr Mut versagte, zuckte.

Sie sah zu ihrer Cousine, die langsam die Luft ausströmen ließ, aber immer noch ihren Blick mied.

„Es tut mir leid, Rosie.“ Diesmal waren ihre Worte fest.

Die Angesprochene traf ihre Augen mit einem anschuldigendem Ausdruck. Damit hatte Lucy ebenfalls gerechnet.

„Ich weiß... was ich dir angetan habe, werde ich nie wieder gut machen können. Und heute bin ich mehr als froh, dass sich Professor Longbottom eingeschaltet hat. Ich wollte dir lediglich meine Entschuldigung anbieten.“

Eisern presste sie die Kiefer aufeinander, doch ihr Kinn zitterte. Sie ließ sich ihre langen, braunen Haare ins Gesicht fallen, um ihre Tränen, die sie nun nicht mehr zurückhalten konnte, zu verstecken. Nein, vor diesen Menschen wollte sie sich nicht die Blöße geben. Es war ihr zu wichtig gewesen, sich bei Rose zu entschuldigen, als dass sie diesen Augenblick mit Heulen kaputt machen würde, von dem man am Ende nur von Taktik ausgehen würde. Lucy hatte sich damit abgefunden, dass man in Zukunft immer nur das schlechteste von ihr annahm.

„Luce...“

Erschrocken sah sie die Braut an. In Roses Miene spiegelte sich Mitleid wieder. Das milde, nachsichtige Lächeln, das sie früher immer so an ihr gehasst hatte, läuterte sie nun.

„Rose, was -“, fiel ihr Scorpius ins Wort, ehe sie weitersprechen konnte. Doch die Braut hob nur in einer herrischen Geste die Hand und gebot ihm zu schweigen. Sie erhob sich und reichte Lucy quer über den Tisch hinweg ihre schmalen Finger. Irritiert, was diese Geste sollte, nahm ihre Cousine sie entgegen.

„Was du getan hast, werde ich nicht vergessen, Luce. Aber ich werde es dir verzeihen.“

Rose schüttelte die Hand, dann entglitten ihr ihre Finger wieder.

Scorpius, verdutzt über die Noblesse seiner Angetrauten, starrte sie nur an. Selbst Astoria stand die Überraschung ins Gesicht geschrieben.

„Was seht ihr mich so an?“, fragte Rose lachend. „Gerade euch dürfte wohl klar sein, dass Blut dicker ist als Wasser.“

Der Bräutigam, wieder zur Besinnung gekommen und offensichtlich nicht in der Lage, seiner Frau zu widersprechen, räusperte sich. „Danke für deine Glückwünsche, Lucy.“

Das Lächeln auf dem Gesicht des einstmaligen Biestes, brachte sogar die Kerzenbeleuchtung des Tisches in Verlegenheit.

„Nimm dir was vom Buffet, du siehst aus als könntest du ein saftiges Schnitzel vertragen.“, setzte Rose hinzu, als ihre Cousine immer noch keine Anstalten machte zu gehen. Um ihren Worten Schwere zu verleihen, nahm sich die Braut eine übervolle Gabel und stopfte sie sich, dem Rat ihres Mannes folgend, in den Mund.

Erst langsam dämmerte Lucy, was Rose soeben für sie getan hatte.

„Danke, Rose.“ Ihre Cousine zwinkerte, dann begleitete Astoria Lucy zum Buffet, um sie schließlich mit einem unguten Gefühl wieder allein zu lassen. Gerade als die Weasley sich an der Lasagne labte (sie hatte Recht gehabt, im Krankenhaus gab es wirklich nur Fraß), ertönte ein gellender Schrei. Erschrocken wirbelte sie herum. Noch ehe sie sich versah, hatten sich zwei schlanke, nackte Arme um ihren Hals gelegt.

„Merlin, Lucy! Was machst du hier? Hast du dich rein geschlichen? Wissen die Malfoys, dass du da bist? Warum hast du dich nicht hübsch gemacht? Wie lange bist du schon wieder draußen?“, wurde sie mit Fragen bestürmt.

Lucy zweifelte keine Sekunde daran, dass sich ihre beste Freundin trotz der Umstände an ihrer Anwesenheit erfreute. Sanft drückte sie sie an sich, dann schob sie sie weg.

„Ich freue mich auch dich zu sehen, Mo.“, antwortete die Ältere.

„Wenn du mir beim Essen Gesellschaft leistest, erzähle ich dir alles, was du wissen willst.“
 

*
 

Ronald Weasley kam mit vom Feuerwhiskey ermutigten Schritten aus dem Festzelt hervor, wohinein sich alle etwas älteren Zauberer und Hexen zurückgezogen hatten, als es ihrer Meinung nach in der sehr sommerlichen Nacht etwas kühler wurde. Soeben hatten er, sein bester Freund Harry Potter und seine Schwester zusammen mit Neville Longbottom, einem Freund der Familie, der immer zu spät kam, auf seine verstorbene Frau angestoßen. Als er seine Tochter zum Altar geführt hatte, hatte jede Faser seines Körpers nach Flucht geschrien, doch da er das Leben seines ältesten Kindes nicht gefährden wollte, war er mit bleiernen Füßen weitergelaufen und hatte sie in die Hände des jungen Malfoys übergeben, in dem nun seine Hoffnung ruhte, er möge sie auf welche Weise auf immer, glücklich machen.

Und zwar meistens, nicht nur ab und zu einmal.

Zu seiner unheimlichen Erleichterung war diese Hochzeitsfeier keine Trauerfeier, wie er anfangs befürchtet hatte. Wenn er Rose dabei zusah, wie sie tanzte und mit ihren Cousinen scherzte, ging ihm das Herz auf. Offensichtlich hatte sie nicht die gleiche Veranlagung zur Grübelei, wie er, wenn die Probleme wieder einmal über seinen Kopf hinauswuchsen. Er seufzte und lehnte sich an einen leeren Tisch, dessen ehemalige Besetzer sich nun auf der Tanzfläche tummelten, auf der die Musik immer gewagter wurde.

Rose war in vielen Dingen wie ihre Mutter – unerschütterlich optimistisch, klug und vorausschauend. Das war, wie er fand, die Rezeptur für ein glückliches Leben. Wenn dieser Malfoyspross es nicht zu schätzen wusste, würde er ihm schon beibringen, was es hieß, wenn man mit einer Weasley verheiratet war.

Etwas an der Art und Weise, wie er sie küsste, verriet ihm, dass er sich vermutlich umsonst sorgte.

Rose, die ihn an der Tanzfläche stehen sah, kam mit kleinen Schritten und einem bauschenden Brautkleid auf ihn zu geschlendert. Ein zuckersüßes Lächeln, das ihn sehr an ihre Mutter erinnerte, ließen sein Herz schwer werden, als er sie betrachtete. Es war schwer, seine Kinder gehen zu lassen, damit sie ihre eigenen Erfahrungen machen konnten.

„Wie wäre es mit einem Vater-Tochter-Tanz?“, schlug sie vor.

Ron grinste und stieß sich vom Tisch ab. Wer würde der Braut schon einen Tanz verwehren?
 

*
 

Als es auf Mitternacht zuging, konnte Scorpius Malfoy immer noch nicht glauben, dass er ab dem heutigen Tag ein verheirateter Mann war. Diese Feierlichkeit war für ihn von Anfang an mit so viel Stress und Selbstbeherrschung, Voraussicht und Bitterkeit verbunden, dass ihm es erst in dieser Sekunde dämmerte, als er seine junge, wunderschöne Braut in den Armen hielt und der Tag sich dem Ende zuneigte.

Ihr dezentes Parfum und ihr Lachen hatten ihm beinahe berauscht, als sie nebeneinander die ersten Gäste verabschiedeten und noch einmal viele Glückwünsche entgegennahmen. Er konnte sich nicht erinnern, wann er sie in den letzten Monaten so durch und durch glücklich erlebt hatte. Vielleicht lag es daran, dass endlich die Anspannung von ihnen gefallen war, vielleicht hatte es aber auch den Grund, dass sie ihre eigene Hochzeit genoss. Ganz gleich, was die Ursache für dieses strahlende Lächeln und die leicht geröteten Wangen war, er würde diesen Moment wahrscheinlich immer im Gedächtnis verwahren und nie wieder verblassen lassen.

Rose hatte die Augen halb geschlossen, jedes Mal, wenn er sie um ihre eigene Achse drehte, nur um sie im Anschluss schnell wieder an sich zu pressen, um von ihren warmen Lippen zu kosten.

„Wie fühlst du dich?“, wollte er wissen.

Sie sah ihn aus klaren, braunen Augen an. Ihre langen Wimpern wirkten wie Fächer vor ihrem Blick, der kleine Leberfleck über ihren feinen Brauen, wirkte wie Zierde.

„Als hätte ich den ganzen Abend Pfeife geraucht“, kicherte sie.

Scorpius zwinkerte ihr zu, denn er wusste genau, wovon sie sprach. Es war wie ein verdammt lang anhaltender Kraut-Trip. Nachdenklich begann er mit dem Reißverschluss ihres Kleides zu spielen. Er fragte sich schon seit seinem vierten Whiskey, wie die Wäsche, von der Albus ihm am Vormittag berichtet hatte, wohl aussehen mochte. Kichernd löste sie seine Hand, bevor er damit anfangen konnte, sie gleich auf der Tanzfläche vor den Augen ihrer Freunde auszuziehen.

„Nathan und sein Schwager in spe sehen ziemlich fertig aus“, versuchte Rose ihn abzulenken. Er folgte ihrem Blick und entdeckte zwei junge Männer am Rande einer der Tische. Zwei leere Flaschen Ungarisches Hexenbräu standen zwischen ihnen, von denen er hoffte, sie seien zumindest schon angebrochen gewesen, als sie sich zum Wetttrinken niedergelassen hatten. Doch Nathans Einfall schien gut gewesen zu sein, denn nun lagen sie sich halb ohnmächtig in den Armen und schmetterten leise ein paar ziemlich peinliche Schlager.

„Hast du vorhin gesehen, was dein Bruder mit Mo angestellt hat?“

Rose nickte kichernd. „Das war voll niedlich.“

Scorpius schnaubte ungläubig.

„Niedlich?“ Er schüttelte seinen Kopf. „Das war schon nicht mehr jugendfrei.“

Die Braut sah sich dabei ertappt, damit schon gerechnet zu haben, als sie sie einander für den Abschlussball vorgeschlagen hatte, doch ihr Ehemann besaß genug Anstand, sie nicht noch einmal explizit dafür zu rügen.

„Wieso hast du Lucy eigentlich verziehen?“

Er drehte seine Braut um ihre Achse, sodass die kleinen Strähnchen, die sich schon aus ihrer aufwendigen Frisur gelöst hatten, im Gegenwind flatterten. Fasziniert betrachtete er, wie perfekt sie zu ihrer porzellanfarbenen Haut passten.

„Mein Gefühl hat mir gesagt, dass sie es ernst meint.“, antwortete sie schließlich.

Zärtlich berührte sie seine Schulter, während seine Hände, weniger auf Manieren bedacht, hinunter zu ihren Hüften glitten und diesen konservativen Tanz beendeten.

„Das war sehr großherzig von dir.“, lobte er sie, auch wenn er ihre Entscheidung noch immer nicht nachvollziehen konnte. Wahrscheinlich was dies eines der vielen Geheimnisse um die Persönlichkeit von Rose Weas – Malfoy.

„Und kommst du dir schon unglaublich altehrwürdig vor mit deinem neuen Familiennamen?“

„Verhörst du mich jetzt?“, stellte sie die Gegenfrage. Frech streckte sie ihm eine Zunge raus, als sie bemerkte, dass sie wohl genau ins Schwarze getroffen haben musste.

„Wir hatten nicht gerade viele ruhige Momente heute.“, rechtfertigte er sich.

Seine Braut stimmte ihm seufzend zu. Eigentlich sollte man annehmen, auf einer Hochzeit würde es dafür genügend Platz geben, doch unter dem Ansturm an Gratulanten und Tanzaufforderungen, kam man in Wirklichkeit nur selten dazu, ein paar ruhige Minuten zu nutzen.

„Rose Malfoy.“, sagte sie ernst und zog die Augenbrauen zusammen. „Rose Malfoy.“, wiederholte sie, diesmal mit einem anderen Klang. „Rose Malf- hey, hör auf zu lachen! Ich finde wirklich, dass es seltsam klingt.“

Doch anstatt auf ihre Gezeter einzugehen, umfasste er ihren Rücken, beugte sie über sein Knie und verschloss er seine Lippen mit ihren. Als er mit der Zunge ihre Lippen auseinander drängte, schloss sie die Augen unter einem leisen Seufzen, das ihn dazu anstachelte, das Absetzen noch etwas hinauszuzögern.

„Ich störe ja nur ungern, liebstes Cousinchen, aber wir wollen mit der Anstoßen.“

Scorpius brachte seine Frau wieder in eine aufrechte Position. Genervt blickte sie ihre Cousine, die sich nun schon ein zweites Mal eingemischt hatte, an.

Dominique wirkte etwas verlegen.

„Du hast ein paar Kletten in den Haaren, Dom.“, wies Rose sie unfreundlich zurecht, dann strafte sie sie mit dem Ich-weiß-genau-was-du-getan-hast-Blick. Energisch griff sich die Französin in die Haare und fischte ein paar der ungeliebten Begleiter heraus. „Das haben Hochzeiten so an sich“, murmelte sie währenddessen. Doch dann besann sie sich wieder auf die Mission, die ihr Roxanne mit herrischer Stimme vom Rollstuhl aus befohlen hatte. Ohne weitere Zeit zu verschwenden, zog sie Rose am Handgelenk mit sich, während ein etwas enttäuschter Bräutigam seiner Braut einen leichten Klaps auf den Hintern gab. Sie wirbelte herum und riss ihre Cousine fast aus den hohen Absätzen.

„Ich habe gesagt, du sollst das nie wieder tun, Malfoy.“, fauchte sie, doch der Anschein trog, denn dann musste sie lachen. Richtig, sie war ja jetzt eine von ihnen. Er zwinkerte, dann wurde sie ihm endgültig entrissen.

Doch er stand nicht lange allein auf der Tanzfläche, als Albus Anlauf nahm und seinen besten Freund zu Boden riss. Rose bekam in den Augenwinkeln mit, wie sie sich wieder auf die Beine rappelten, dann empfing sie auch schon das Gegröle der gesamten Weasley-Frauen.
 

*
 

Das helle Pfeifen einer Rückkopplung ließ die redselige Gemeinde schlagartig verstummen. Rose hatte gerade noch das letzte Klirren der Champagnergläser in den Ohren, als sie zusammenzuckte und in Richtung des kleinen Pavillons sah, in dem am Nachmittag noch das Quartett herzzerreißende Liebeslieder klassisch neu interpretiert hatte.

„Einen wunderschönen guten Abend, verehrte Gäste. Mein Name ist Cowin Styles.“, sprach eine äußerst charmante Männerstimme im Singsang.

Ein Glas fiel scheppernd auf den Boden der Tanzfläche und zersplitterte in tausend feine Scherben. Der Bräutigam unterbrach sich im heiteren Gespräch mit seinem Trauzeugen und sah zum Ursprung des Lärms. Rose stand zu einer Salzsäule erstarrt am Rande der Tanzfläche. Ihre Finger schienen noch immer den Stiel des Glases zu umfassen, dass sie soeben hatte fallen lassen.

Die Augen waren weit aufgerissen, als sie den Mann auf der kleinen Bühne ansah, als erblicke sie gerade das Antlitz Merlins.

„Für diejenigen, die es nicht wissen...“, fuhr der Mann fort und schenkte der Braut ein äußerst spitzbübisches Grinsen. „Wir sind die...“ Die Sticks des Schlagzeugers wirbelten über die Snerdrums zu den Tom-Toms und zurück zur Highhead. „Verlorenen Propheten!“

Der Jubel, der das fassungslose Publikum einen nach dem anderen mitriss, ging in den ersten Takten des zu Lärm anschwellenden Liedes unter.

„Wie es aussieht sind wir ein Hochzeitsgeschenk. Und wenn ich den Blick dieser bezaubernden Dame in weiß richtig deute, ist diese Überraschung wohl gelungen!“, rief der Sänger gegen das Schlagzeug an.

Rose merkte nicht, wie sie eilendes Fußes die Strecke zwischen sich und Scorpius fast schwebend hinter sich ließ.

„Das hast du nicht gemacht!“, schrie sie, nahm Anlauf und sprang an ihm hoch. Aus Reflex griff der Bräutigam unter den Hintern seiner Frau und hielt sie fest. Sie ließ ihm allerdings keine Gelegenheit zur Antwort, denn kaum dass er den Mund geöffnet hatte, küsste sie ihn so leidenschaftlich, dass Scorpius schwindelig wurde.

Rose wusste, dass niemand außer ihr Ehemann dafür verantwortlich sein konnte. Kein Mensch erinnerte sich je daran, wie ihre Lieblingsband hieß, außer er. Kaum, dass sie abgesetzt und nach Luft gerungen hatte, versenkte sie sich in einem weiteren stürmischen Kuss.

Alice kam zu ihnen hinüber geeilt und zupfte an Roses weißem Kleid.

„Rose, das ist... das sind...“, versuchte sie zu sagen, doch vor Aufregung vergaß die Professorentochter, dass ihre beste Freundin sehr genau wusste, wer diese vier Männer im Pavillon waren. Scorpius ließ sie wieder auf ihre Füße gleiten und unterbrach den Kuss.

„Das muss ein Vermögen gekostet haben!“, rief sie. Plötzlich verlautete sie ein Schluchzen und dann rann ihr die Sturzbach von Tränen über die gepuderten Wangen. Gerührt zog sie ihren Ehemann noch einmal an seinem Kragen zu sich hinab und küsste ihn so innig sie vermochte

Das Publikum, das sich langsam vom Schock erholte und nun nur noch aus jungen Leuten bestand, rannte auf die Tanzfläche, um der Band näher zu kommen.

„Das verdanken wir den Kontakten von Melody Flint und Nathans Bruder.“, antwortete er seiner Frau grinsend, während sie dazu über gegangen war, sein Gesicht über und über mit kleinen Küssen zu bedecken.

„Jetzt hör auf hier nur dumm rumzustehen, Mrs. Malfoy, sondern geh tanzen!“, ermahnte er sie und schob sie in Alices Richtung, die ihre Freundin rennend über die Tanzfläche zum Pavillon zog. Unterwegs hielt Rose an, bückte sich und schlüpfte aus den weißen Brautschuhen, die sie achtlos ins Gras warf. Barfuß folgte sie anschließend ihrer Freundin mitten ins Epizentrum der euphorisch hüpfenden Gäste.
 

*
 

Albus reichte dem Ehemann seiner Cousine grinsend ein Glas Feuerwhiskey.

„Du bist ein Teufelskerl“, sagte er noch immer angetan von Roses Freudentränen. Sein Blick fiel auf seine Freundin, die in ihrem sehr hochgeschlossenem Kleid die meiste Zeit der Party äußerst streng wirkte. Doch nun hatte sie sich die langen Haarnadeln aus dem Dutt gezogen und schmiss ihren Kopf vor und zurück. Da war sie wieder – die alte Alice Longbottom, die sich einen Dreck darum scherte, wie sie auf ihre Umstehenden wirkte. Amüsiert beobachtete er alle Hexen und Zauberer der älteren Generationen dabei, wie sie im durch Zauberkraft schallgedämmten Zelt nach Schutz suchten, während die harten Töne der dreihälsigen E-Gitarre durch die Nacht schnitten.

„Meine Mutter hat mich fast wahnsinnig gemacht, als sie mich gedrängt hat, endlich ein Brautgeschenk zu besorgen.“, antwortete sein bester Freund und exte den kompletten Inhalt des Glases. Einer der letzten noch arbeitenden Kellner schenkte ihm nach, wobei er fast den Inhalt verschüttete, weil der Takt der Musik seine Finger zittern ließ. „Sie können ruhig tanzen gehen.“, sagte Scorpius, dem dies nicht entgangen war, freundlich. Mit einem dankbaren Lächeln nickte der sechzehnjährige Ferienjobber, lockerte seine Fliege und verabschiedete sich auf die Tanzfläche.

„Flint flucht immer noch, dass du ausgerechnet bis zur letzten Minute gewartet hast, um ihr dein Anliegen vorzutragen.“, antwortete Albus und nickte mit dem Kopf gegen den Takt.

Sein bester Freund zuckte mit den Schultern. Noch immer war ihm die Luft zu dünn, nachdem Rose ihn so bestürmt hatte.

„Es hat noch geklappt.“, setzte er hinzu.

Albus stimmte ihm, wieder passend zum Takt, nickend zu, sodass Scorpius sich anfänglich nicht sicher war, ob er gemeint war, oder die Band.

Sogar James hatte seinen tonnenschweren Kopf von der Tischplatte erhoben, sich aufgerafft und sich den Feiernden angeschlossen, bemerkte der Potter belustigt. Nathan hingegen zog es vor, das Minikonzert im Sitzen zu verfolgen. Er konnte sich nur zu gut vorstellen, dass er sich kaum aufrecht halten konnte, nachdem der trinkfeste älteste Sohn des einstigen Auserwählten ihm so zugesetzt hatte.
 

Als die Uhr Mitternacht schlug und die Band das erste Lied anstimmte, zu dem Rose und Scorpius damals auf seinem Geburtstag getanzt hatten, fanden sich die Pärchen des Abends und solche, die es noch werden wollten, zusammen. Scorpius entschuldigte sich bei seinem besten Freund und schlenderte auf Rose zu, die dankend alle anderen Angebote zum Tanz ausgeschlagen hatte.

Albus grinste schief, als er auf Alice zuschritt und sie zärtlich in den Arm nahm.

„Wusstest du das?“, fragte sie und nickte in Richtung der Band.

Er grinste, was ihr wohl Antwort genug war.

„Wüsste ich es nicht besser, würde ich behaupten Malfoy hat was für Rose übrig.“, flüsterte sie in sein Ohr. Ein Schaudern durchfuhr ihren persönlichen Auserwählten, als ihr heißer Atem gegen seine Haut schlug.

„Scorpius liebt sie, er hat es nur noch nicht gesagt.“

Ohne sein Glück weiter überzustrapazieren, fuhr er mit seiner Nasenspitze ihren Nasenrücken hinab und küsste ihren linken Mundwinkel, den sie bei ihrem Gedanken an ihre beste Freundin zu einem schiefen Lächeln heraufgezogen hatte. Albus hatte keine Lust, sich weiter den Kopf über seinen besten Freund und seine Cousine zu zerbrechen. Sie hatten geheiratet, keiner der beiden war dabei gestorben und an die Feier würde er sich noch in Jahren erinnern. Ende gut, alles gut.

Als er absetzte, schlich sich ein heimliches Lächeln in ihre Züge. Ihre großen mandelförmigen Augen glitzernden ihm aus einer dunkelbraunen Iris entgegen. Sie wurden von einem anderen tanzenden Pärchen angerempelt. Gerade als sich Albus beschweren wollte, verstummte er, als er seinen Cousin mit seiner Exfreundin an sich vorbei tänzeln sah.

„Sorry, Al, war volle Absicht.“, sagte er und Morgana kicherte amüsiert.

Er war sich nicht ganz sicher, ob er ihm eine reinhauen sollte, oder lieber lachen. Da er aber keinen Groll gegen Morgana hegte und auch Hugo schätzte, entschied er sich für letzteres.

Trotzdem fand er diesen Anblick mehr als gruselig.

Wann war das denn bitte passiert?

Irgendwie war es grenzwertig. Doch Alice räusperte sich vernehmlich und forderte seine Aufmerksamkeit zurück.
 

Nachdem das Lied endete, löste sie sich von ihm und alle Brautjungfern stürmten auf die Braut zu, die noch immer versunken im Blick ihres Gatten war. Brutal rissen sie ihr den Schleier vom Kopf und zerrissen ihn jubelnd in vier Teile, um sich am Zauber der darüber lag, ein Stück zu sichern. Danach klemmten sie es sich mit Haarnadeln in die eigene Frisur.

Albus erinnerte sich, dass es so Brauch war, denn ab Mitternacht hörte legte die Braut ihren Titel ab und war nun mehr Ehefrau. In Roses Fall Mrs. Malfoy. Vergnügt begossen es die Frauen mit Ungarischem Hexenbräu, weil der Champagner ausgegangen war und sich wohl alle einig waren, dass dieses Mädchengetränk zu so später Stunde nicht mehr taugte.

Albus grinste. Seine Schwester, seine Freundin und seine Cousine waren von der Sorte Frau, die den ganzen Tag Hochprozentiges getrunken hätte, ginge es nach ihnen.
 

*
 

Die Tür fiel ins Schloss - als lägen kein exakt halbes Jahr zwischen diesem Zeitpunkt und dem letzten Mal. Im Stillen danke sie Astoria, dass diese nicht darauf bestanden hatte, die Osterferien ebenfalls in Malfoy Manor zu fristen. Doch eine Sache hatte sich verändert. Sie befanden sich nun nicht mehr in seinem alten Kinderzimmer, sondern in einem ziemlich erwachsen anmutendem Schlafzimmer ohne Poster von halbnackten Hexen an den Wänden. Dies war das Hochzeitsgeschenk ihrer Schwiegereltern gewesen. Den selten genutzte Südflügel hatte Astoria renovieren lassen, damit sich das frischgebackene Ehepaar etwas Privatsphäre herausnehmen konnte. Man hatte Rose nie gefragt, ob sie hier leben wollte. Gegen eine kleine Wohnung in London hätte sie auch keine Einwände gehabt, aber stillschweigend war man davon ausgegangen, dass dies der Ort war, um heimisch zu werden.

Zumindest Nathan, ihr Cousin und ihre besten Freundinnen profitierten im Augenblick davon. Unter Ächzen hatten sie und Lily den sturzbetrunkenen Slytherin aufs Sofa gehievt, während Albus und Scorpius sich über die Reste des Buffets hermachten. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass die Sonne in einer halben Stunde wieder aufgehen würde. Hätte ihr jemand gesagt, wie anstrengend Hochzeiten waren, hätte sie sich krank gemeldet.

Sie nahm am Frisiertisch, der sich gar nicht so sehr von Astorias unterschied, Platz und blickte in den ovalen Spiegel. Ganz gleich, wie erschöpfend der hinter ihr liegende Tag auch war, Tiberia hatte dafür gesorgt, dass sie auch in diesen Minuten noch perfekt aussah. Ein paar Strähnen hatten sich im Gemenge des kleinen Konzerts gelöst. Die Band hatte sie, um diese Erinnerung zu bewahren, auf ihren Seidenstrümpfen unterschreiben lassen. Kichernd dachte sie daran, dass Scorpius beim Anblick des sabbernden Schlagzeugers fast an die Decke gegangen wäre. Immerhin stand noch ihr blütenweißes Brautkleid als Leinwand für ein Autogramm zur Debatte. Da sie allerdings wusste, dass ihre Schwiegermutter keine Galleone daran gespart hatte, entschied sie sich dagegen.

Sie löste ihre Haarnadeln von Hand, bis sich ihre roten Locken in Wellen über ihren Rücken ergossen. Noch immer konnte sie ihr Glück, die Verlorenen Propheten live und auf ihrer eigenen Hochzeit spielen gesehen zu haben, kaum in Worte kleiden. Wieder machte sich ein Kloß in ihrem Hals bemerkbar. Bedachte man vorrangig, dass sie Scorpius zur Hochzeit nur ein Paar schlichte Manschettenknöpfe geschenkt hatte, ließ er sie ganz schön alt aussehen.

Seufzend griff sie zu ihrer Haarbürste, als die Tür leise geöffnet wurde.

Scorpius schob sich durch den Spalt und ließ das Schloss leise klicken, dann schlüpfte er aus seinen glänzenden italienischen Lederschuhen. Er löste den Knoten seiner Fliege, die er anschließend achtlos auf den Boden warf. Ihr folgte der Frack, den er schon den ganzen Tag von sich schmeißen wollte.

Während Rose ihr Haar kämmte, beobachtete sie ihn nachdenklich. Er wirkte genauso müde, wie sie. Doch sie sah es optimistisch: Endlich hatte das gebannte Warten ein Ende und sie wurden ihrer Bestimmung zugeführt.

Geräuschlos lief er über den Teppich und geriet in den kostbar aussehenden Rahmen ihres ovalen Spiegels. „Mrs. Malfoy“, flüsterte er, noch immer amüsiert über den Klang dieses Titels. Geschickt platzierte er sich auf das schmale Stück Hocker hinter Rose.

Sie hielt inne und forschte in seinem Spiegelbild nach seinem Ausdruck, doch er vergrub sein Gesicht in ihrem Haar, als wolle er sich dort vergraben. Seine langen, schlanken Finger umfassten ihre Locken und schob sie zur anderen Seite. Eine Gänsehaut überzog ihre nackten Schultern, als er einen sanften Kuss zwischen Schulter und Hals hauchte. Rose nahm seine andere Hand und schloss ihre Lippen um seine Knöchel.

Manchmal sagte ein Handkuss mehr, als tausend Küsse auf den Lippen je ausdrücken könnten.

Er zog mit seinem Mund eine heiße Spur zu ihrem Nacken, die sie schwinden ließ.

„Solltest du nicht todmüde sein?“, wisperte sie, denn zu allem anderem fehlte ihr der Atem.

Ein Lächeln zeichnete sich auf ihrer Haut ab.

„Dazu ist man nie zu müde.“

So leicht wie Schmetterlingsflügel löste er seine linke Hand aus ihrem Haar und ließ sie ihre Wirbelsäule hinab zum Reißverschluss ihres Kleides streichen. Gespannt bis auf den letzten Nerv, drücke Rose ihren Rücken durch, um der quälend zärtlichen Berührung zu entkommen.

Fast schon enttäuscht bemerkte er, dass sich unter dem Stoff keine nackte Haut, sondern ein Korsett befand, was durchaus seinen Reiz hatte, doch nun mehr als hinderlich wirkte. Wortlos fuhr seine Hand hinab zu ihrem Rocksaum, streifte ihn zärtlich nach oben und zog aus den Strumpfhaltern ihren Zauberstab. Sie atmete ganz flach, als wolle sie nicht verraten, wie sehr sie innerlich erbebte, als seine Finger ihre nackten Oberschenkel streiften.

Scorpius murmelte einen Spruch, doch nur widerwillig führte ihr Zauberstab seinen Befehl aus. Zum Leben erwacht, entknoteten sich die weißen Baumwollschnüre und entwanden sich selbstständig den ein gestanzten Löchern, bis das Korsett nachgab und aufklaffte. Das erste Mal an diesem Tag holte sie so tief Luft sie konnte. Seine Arme fuhren um sie herum und streiften den vorderen Teil des Kleides in ihren Schoß.

Reizend“, flüsterte er mit verspielter Stimme, als er bemerkte, dass ihre Brüste nur in weißer Spitze ruhten, die sich an den gefährlichen Stellen zu einer Stickerei verdickten.

„Das war Alices Idee. Sie hat mich in den Osterferien in die entlegensten Läden der Winkelgasse geschleppt.“, erklärte sie unnötigerweise. Ihre Stimme klang aufgewühlt.

„Dann bin ich deiner besten Freundin wohl zum Dank verpflichtet.“, bebte er rau.

Sie antwortete nicht, weil er tastend jedes Muster ihrer Unterwäsche erkundete und ihr damit einen Schauder nach dem nächsten bescherte. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie nie einen Gedanken an ihre Hochzeitsnacht verschwendet. Es lag immer in unerreichbarer Ferne, doch nun, da es soweit war, ärgerte sie sich, nicht besser vorbereitet zu sein.

Von dem Abend, an dem sie in sein Zimmer geschlichen war, hatten sie nie ein weiteres Wort verloren, als wollten sie sich jedes weitere Drama ersparen. Neckend rieb seine Haut über ihre Spitzen und sie biss sich auf die Unterlippe, um nicht laut zu seufzen. Halt suchend grub sie ihre Fingernägel in seine Oberschenkel.

Hastig erhob sie sich und fegte dabei fast den Frisiertisch leer. Fragend sah Scorpius in Roses errötetes Gesicht. Seine Frau schien sich gerade zu besinnen, dass sie ihm geflohen war, als sie mild lächelte, um sich stumm zu entschuldigen. Die quälenden Empfindungen hatten ihren Verstand kurz eigenmächtig handeln lassen.

Scorpius zog heftig an ihrem Kleid, bis es zusammen mit dem Korsett rauschend zu Boden ging. Rose wollte nicht wissen, wie sie nun wirkte und bedeckte sich beschämt den Oberkörper mit den Händen. Aber er ließ es ihr nicht durchgehen, nahm ihre Hände und drückte ihre Arme hinter ihrem Rücken zusammen, bis sie aufstöhnte und sich ihr Busen an seinen Oberkörper presste. Es folgte ein zärtlicher Kuss, bis die Tatsache, dass sie nackt war, aus ihrem Bewusstsein getilgt war. Etwas mutiger als sie sich fühlte, stieß sie ihn aufs Bett, nur um seinen Protest mit ihren Lippen zu ersticken.
 

*
 

Scorpius lag zwischen den Beinen seiner Frau; den Rücken lehnte er gegen ihren Busen und nachdenklich zog er an seiner Zigarette. In der einen Hand hielt sie ebenfalls eine Kippe, mit der anderen zwirbelte sie seine Haarspitzen. Mit einer zärtlichen Geste strichen seine Fingerkuppen über die unglaublich weiche Haut an den Innenseiten ihrer Oberschenkel, als könne er kaum fassen, das sie ihm für einen Augenblick voll und ganz gehört hatte. Ab und zu entwich ihr noch ein Seufzen, was ihn immer wieder zum Schmunzeln brachte.
 

Die Summe dieses Freudentages belief sich nebst dieser romantischen Hochzeitsnacht, auf die glückliche Wiedervereinigung zweier bester Freundinnen; auf einen sturzbetrunken Slytherin und einem nicht minder alkoholisierten großen Bruder, die von Lily mit verkniffener Miene bemuttert wurden; auf die Vergebung zweier Feindinnen; auf die Möglichkeit einer zarten Romanze zwischen Cousin und Cousine; auf die überraschend glühenden Blicke zwischen dem Bruder der Braut und der Cousine des Bräutigams; und auf eine Hochzeitsgesellschaft, die sich bei einem Überraschungskonzert komplett verausgabte. Man konnte also durchaus davon ausgehen, dass die Hochzeit zwischen Scorpius und Rose Malfoy, einer geborenen Weasley, zu den gelungensten Festen in der Geschichte Malfoy Manors gehörte …
 

…...

.

„Heirat ist nicht das Happy End - sie ist immer erst ein Anfang.“
 

Ein guter Abend.


 

Epilog
 


 

- Ein guter Abend. -
 

Scorpius Malfoy saß in einem schwarzen Vauxhall, in den er ein paar Straßen weiter appariert war. Sie wohnten in einem ausschließlichen Muggel-Viertel und obwohl Kuriositäten aus der Zaubererwelt inzwischen zum Alltag gehörten, wollte er dadurch seine Nachbarn nicht beunruhigen.

Er starrte auf die kleine rote Haustür des Natursteingebäudes. Die Fenster waren in sanftem Licht erhellt und sahen einladend warm aus, im Gegensatz zu den winterlichen Außentemperaturen. Neben ihm lag seine lederne Aktentasche, die eigentlich nichts anderes enthielt, als einen Kugelschreiber, den er zum Kauf dazubekommen hatte.

Heute hatte er es geschafft, Weasleys Zauberhafte Zauberscherze in die schwarzen Zahlen zu bringen, ohne dass er auch nur einen Tag lang eine Ausbildung zum Geschäftsmann gemacht hatte. Diese Tatsache erfüllte ihn mit Stolz. Vor einem Jahr noch hatte das Unternehmen gedroht gänzlich pleite zu gehen und von Malfoy's geschluckt zu werden um so seinen Namen einzubüßen. Aber er hatte keine Nacht länger als vier Stunden geschlafen, hatte in Kauf genommen später nach Hause zu kehren zu seiner Familie, nur um Rose heute sagen zu können, dass es vorbei war.

Er spürte Erleichterung und gestattete sich einen Moment, die Augen zu schließen und sich zu beruhigen. Nicht, dass sein Leben sonderlich spannend war – aber es war anstrengend gewesen. Wie es Rose mit ihrer Dreifachbelastung ging, wollte er nicht einmal ahnen.

Seufzend griff er nach seiner Tasche und stieg aus dem Wagen. Mit einem geübten Klicken auf eine kleine Fernbedienung flimmerten die Blinklichter auf und verriegelten den Wagen.
 

Es war ein Spätherbstabend mit der klaren Luft, die den ersten Schnee verhieß. Der Malfoy holte tief Luft auf seinem Weg über die kleine Treppe des Reihenhauses. Er drehte den schweren Schlüssel im Schloss und öffnete die Tür mit dem gewohnten Knarren.

Ein Gefühl von Zuhause stellte sich ein, als ihm die Wärme entgegenschlug und der Geruch von Abendessen ihn umfing. Rose hatte keine Ahnung, dass er heute das erste Mal pünktlich nach Hause kam, seit sie verheiratet waren.

Geduldig und voller Verständnis hatte sie sich an seine Abwesenheit gewöhnt. Er wusste nicht, wie er ihr dafür danken sollte, ihm keine Vorwürfe gemacht zu haben.
 

Er zog die Schuhe direkt hinter der Tür aus und lief leise über den Burgunderteppich in Richtung Küche, wo man Rose leise fluchen hörte. Sie bemerkte ihn nicht, wie er sich an den Türrahmen lehnte und die Idylle genoss.
 

Sie lehnte sich gerade über ihre gemeinsame Tochter, die in ihrem Kinderstuhl amüsiert quiekte. Gerade hatte die Einjährige ihrer jungen Mutter einen Schwall Spinat entgegen gespuckt und dabei die vielen Medizinbücher, die sich auf dem Küchentisch stapelten, getroffen. Offensichtlich war seine Frau gerade von der Universität gekommen und hatte ihre Unterlagen sortieren wollen, als sie nach Essen quäkte.
 

„Finja, wir hatten doch ausgemacht, dass du den Spinat zumindest mal probierst.“, sprach die Rothaarige entnervt mit ihrer Tochter. Sie klang erschöpft. Offensichtlich musste sie einsehen, dass man mit einem Kleinkind schwer verhandeln konnte. Denn anstatt schuldbewusst den Spinat zu schlucken, verzog die Jüngste nun ihren Mund zu einem Halbmondgrinsen. Ihre braunen Augen funkelten ihre Mutter erheitert über die Sauerei an, während sie ihren Zeigefinger gedankenversunken in die Spinatschale tauchte.
 

Scorpius musste grinsen, als Finja ihn bemerkte. Sie streckte ihre kleinen, speckigen Babyärmchen in seine Richtung aus und befahl ihm mit Öffnen und Schließen ihrer Fäuste, näher zu kommen.
 

„Ba-ba.“

Rose drehte sich überrascht zur Tür herum und registrierte ihren Ehemann. Er wirkte müde, stellte sie fest, doch seine Augen funkelten.
 

„Du bist schon Zuhause!“, stellte sie überrascht fest. Sie schenkte ihm eines ihrer besonderen Lächeln, weil sie sich aufrichtig über seine Anwesenheit beim Essen freute. Mit einem Kleinkind zu Abend zu essen, bot auf die Dauer keine gehaltvollen Konversationen.
 

Sofort sprang sie auf und rannte Richtung Herd, wo bereits in zwei kleinen Töpfen das Abendessen köchelte. Die Küche sah aus, wie das übliche Schlachtfeld, wenn seine Angetraute kochte. Glücklicherweise war sie bewanderter in Haushaltszaubern, als er selbst, sonst steckten sie in einem ganz schönen Dilemma.
 

Sein Blick glitt von seiner rotblonden Tochter auf die junge Frau am Herd, die gerade einen Salzstreuer betätigte und wie immer zu viel würzen würde. Sie trug einen ausgeleierten Pullover, der ihr bereits von einer Schulter hing, über ein paar schwarzen Jeans. Ihre Haare hatte sie sich zu einem unordentlichen Dutt gebunden, damit sie nicht im Spinatkrieg ihrer Tochter in Mitleidenschaft gezogen worden.
 

Und da wusste er es.
 

Er ging zu ihr und platzierte einen Kuss in ihren Nacken. Ein verschämtes Grinsen lugte über ihre Schulter hinweg zu ihm, verwirrt über die unerwartete Geste.
 

„Guten Abend. Ich liebe dich.“
 

Im nächsten Moment schepperte der Salzstreuer auf den Küchenfliesen. Finja erschrak sich und begann zu schreien, doch in dieser Sekunde war ihre Mutter nicht sofort zur Stelle.
 

Scorpius fragte sich wirklich, wie er von Guten Abend auf Ich liebe dich kam. Aber er wusste es einfach: Es war ein guter Abend und er liebte sie.
 

„Kannst du das wiederholen?“, bat sie atemlos und drehte sich in seinen Armen um.
 

Ihre Augen suchten seine, als wolle sie sich vergewissern, dass sie nicht den Verstand verloren hatte. Sie hatte es ihm schon viele Male gesagt – dass er sie als Antwort immer innig geküsst hatte, war ihr in den letzten Jahren Antwort genug geworden.
 

„Ich liebe dich.“
 

Rose schluckte hart und ihr Ehemann wusste, dass sie sich gerade zusammenriss nicht zu weinen. Er lächelte etwas verlegen.
 

„Du liebst mich.“, wiederholte sie mit brüchiger Stimme. Ohne zu zögern zog sie ihn zu sich hinunter.
 

Sie küssten sich unter den Protestlauten ihrer Tochter.
 


 

...:. Ende .:...
 


 


 


 


 


 


 


 

Ich danke: allen Lesern für die Aufmerksamkeit und die Ausdauer und danke der zauberhaften Dahlie für die Tritte in den Allerwertesten.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (203)
[1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10] [11...20] [21]
/ 21

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  EsistJuli
2015-06-16T17:57:49+00:00 16.06.2015 19:57
Vor Jahren hab ich deine wundervolle Geschichte schon einmal gelesen. Und weil ich sie so toll fand, hab ich die letzten zwei Tage damit verbracht, es noch einmal zu tun.

Und da ich vor 2 Jahren keinen "abschließenden" Kommentar hinterlassen habe, hole ich das jetzt nach :)

Du hast wirklich einen tollen Schreibstil und noch viel wichtiger: wahnsinnig gute Ideen. Du schaffst eine perfekte Traumwelt und als Leser ist man richtig gerne Teil davon. Man taucht wirklich in eine andere Welt!

Ich werde deine Geschichte also sicher nicht zum letzten Mal gelesen haben und möchte dir dafür von Herzen danken!
Von:  darkbird
2014-02-22T03:22:33+00:00 22.02.2014 04:22
Einmal mehr hat mich deine geschichte gefesselt. Gerade hab ich ein paar tränen in den augen, aufgrund deines prologs, bzw der letzten zeilen.

Hab das handy schon ein paar mal weg gelegt diese nacht und konnte doch nicht einschlafen.
Mir kam so in den sinn das ich demnächst auch mal wieder an meinen FF`s weiter arbeiten sollte.

An dieser stelle muss ich mich doch bei dir bedanken, für deine blühende fantasie und das du uns daran teilhaben lässt.

Vlg
darkbird
Antwort von:  Asketenherz
22.02.2014 07:30
:) Mensch, ich wollte doch keine schlaflosen Nächte bereiten... aber wenn sie inspiriert hat, dann war es wohl doch ertragreich. Danke für den wunderbaren Kommentar, hat mir gerade meinen Morgen versüßt!

Liebe Grüße zurück
Von:  Chamie
2013-09-05T18:54:50+00:00 05.09.2013 20:54
tja es ist jetzt schon etwas länger her, dass die fanfic abgeschlossen ist, aber irwie glüht sie bei mir immernoch nach...
die stimmung, die du in ihr kreierst, finde ich einfach fantastisch. die charaktere, die in j.k. rowlings original ja gerademal beim namen erwähnt werden, sind toll ausgearbeitet, ihre persönlichkeiten genauso interessant wie ihre beziehungen zueinander. und dann halt die story; meine güte; als harry-potter-fangirl war es einfach ein geniales gefühl endlich wieder nach hogwarts zurückzukehren. :3 es ist alles so authentisch! und dann dieses ganze liebesdrama um rose und scorpius, die verwicklungen und verwirrungen... *schwärm* *^*
naja, der grund, warum ich so lange nach abschluss der fic einen kommentar hinterlasse, obwohl ich sie eigentlich in ihrem erscheinen verfolgt habe, ist, dass ich keine andere next-gen-ff mehr lesen kann, ohne sie mit dieser hier zu vergleichen. die next-generation in dieser geschichte ist diejenige, wie ich sie mir immer vorstelle. deine fanfiction lässt mich einfach nicht los, und egal wie viele andere tolle fanfics ich hier auf animexx und andereswo lese, "The Bitter & the Sweet" bleibt mein absoluter liebling!!

danke für diese tolle geschichte!! :)
Liebe Grüße
Antwort von:  Asketenherz
10.12.2013 09:42
Ach Gott, vielen vielen Dank für deinen Kommentar. :) Das ist ein so schönes Kompliment, es hat meinen Tag veredelt. Ich habe gar nicht damit gerechnet, dass sie für irgendwen einen so hohen Stellenwert einnehmen könnte. Also Dankeschön! :)
Von:  Dahlie
2013-04-06T11:11:04+00:00 06.04.2013 13:11
Liebe Resa,

200!!! Hier ist er (hoffe ich) und es ist geschafft, nach ewigen hin und her, Gedanken der Löschung, einen Herzinfakt, einer Tiberia und ganz ganz viele Gespräche auf Skype später sind wir nun hier, bzw. DU hast es hiermit wirklich geschafft. Es ist immer super super schwer eine solche FF zu beenden, weil das Leben IMMER weiter geht und sich die Welt dreht und dreht.
Den Tritt habe ich dir immer gern gegeben, weil es doch ein bezauberndes Gefühl ist so etwas Großes abgeschlossen zu haben, richtig?
Ja Richtig! Kannst mir ruhig Recht geben ;D
Ich finde, dass du den Schluss gut gewählt hast, eine typische Situation, die doch etwas anders zu sein scheint als sie wirklich ist. Drei kleine Worte aus seinem Mund und der Zauber war da :)
Resa, ich kann mich jetzt einfach nur noch wiederholen und schön, bezaubernd und klasse sagen, ebenso Respekt und Kniefall. Etwas anderes wird dem hier einfach nicht gerecht.
Du hattest eine ungewöhnliche Idee, aber mit deiner Macht der Worte hast du die Außergewöhnlichkeit so umgewandelt, das man gefesselt war und das ist deine große Stärke, etwas kann noch so anders sein, du schaffst es, dass man es liebt. Frei von jedem Klischee.

Nun denn...
*zum Mantel greift*
Hiermit verabschiede ich mich, es ist der letzte Kommentar und jetzt habe ich allen Grund etwas melodramatisch zu sein, nicht wahr?
Hab dank für dieses schöne Werk, für so viel Lesefreude, Tränen und Träume :)

Liebste Grüße, Deine Blume :D
Antwort von:  Asketenherz
06.04.2013 13:13
Frei von jedem Klischee. - Du weißt, was du sagen musst. :) Was für ein schöner letzter Kommentar mit Mantel und allem. Hach.
Von:  Dahlie
2013-04-06T11:04:22+00:00 06.04.2013 13:04
Heyho~

Gleich knallen die Korken und auch hier möchte ich ein wenig Zeit investieren und die Hochzeit zu Ende genießen.
Irgendwie werde ich jetzt schon leicht wehmütig xD ja, lach nicht!
Okay, zurück zum Thema. Ich fand es witzig, das Hugo, anders als Ron ein begnadeter Tänzer ist :)wir wissen ja alle, das Ronald Weasley nicht für sein Geschick bekannt war ;D
Dann James Auftritt, so muss dein sein, dominanter als Albus, trinkfest wie ein Russe und hart im nehmen :D Macho zu 100 Prozent!
Die kleine Erwähnung der Älteren, Harry und Co. hat wunderbar hinein gepasst, auch hier kann ich nur applaudieren und nicken, wie ein besserwisserrischer alter Opa xD
Das Konzert war dann die Kirsche auf den Sahnehäufchen, ich meine, wer kann DAS schon von sich behaupten? Die Lieblingsband spielt auf der eigenen Hochzeit? Bei mir wird da niemals geschehen, sie haben sich ja schon aufgelöst, aber ich glaube, gerade diese Geste zeigt noch einmal verdeutlicht, wie wichtig Rose für Scorpius geworden ist, nicht war?
Knapp gesagt war es wohl eine Hochzeit, wie sie nicht berauschter hätte sein können *verbeug* wirklich wirklich wirklich toll geschrieben mit diesen zig tausend kleinen Ideen, die sie einfach herrlich gemacht hat.

Liebe Grüße Dahlie
Von:  Dahlie
2013-04-06T10:43:39+00:00 06.04.2013 12:43
Tamtam, das Bittere und das Süße, der Titel lässt Großes vermuten <3
Und mit Tiberia ist es sowieso keine Frage, das sie unschlagbar cool ist 8D, danke für die tollste Widmung forever!
Ich liebe jede Zeile, jeden Buchstaben mit Tiberia, sie bringt noch einmal Schwung mit rein und das an den richtigen Ecken. In diesem Kapitel liebe ich es sowieso, dass du so vielen Charakteren einen Auftritt bescherst, die bislang noch nicht vorkamen, aber wo man das Gefühl hatte, sie waren die ganze Zeit dabei und das sie sich wunderbar ins Geschehen einfügen <3
Die kleine Szene mit Draco und Astoria war zum grinsen toll, man sah deutlich, wie ihre Beziehung wirklich ist und das es nichts Schlechtes daran gibt, sondern sie doch ein Team sind, auch wenn es auf den ersten Blick nicht so wirkt. Sie tun gegenseitig so, als hätten sie die Hosen an, aber in Wirklichkeit trägt wohl eher Draco das Röckchen und Astoria die Hosen ;D
Weißt du, was irgendwie sehr ironisch ist?
Als ich mit taluna auf einer Hochzeit war, habe ich so etwas ähnliches wie Tiberia zu ihr gesagt. „Ich hoffe er beeilt sich, ich komme fast um vor Hunger.“ xD wir durften nämlich beide nichts zum Frühstück essen, weil es ja später richtig gutes Zeug gab (was eeeewig gedauert hat)
welche Stille ich zum schießen komisch fand? ey, das ist doch wohl keine Frage!
Rose registrierte, dass ihre Cousine Dominique im Begriff war aufzustehen, doch Fred Weasley warf sich elegant wie eine Katze mit dem ganzen Gewicht seiner Einmeterachtzig über ihren Schoß
XD Yeah! Das ist Dominique! Wie sie leibt und lebt!
Danach folgt die, wie Tiberia zusammen mit Fred einen sehr offenen Plausch hat ;D ja, ja allwissende Herodias <3333 *sie anliebt* vielleicht sollte ich sie irgendwo noch einmal aufkreuzen lassen ;D also in einer FF oder so <3 Besonders die Aussagen, dass er sich mit einen Reinblüter unterhalten soll, war wirklich ein Feuerwerk <3

Resa, eine tolle Hochzeit! Und das kannst du dir auf den Hintern tattowieren. Die Meisten machen einen übelst großen Kitsch raus, aber bei dir passt es vorne und hinten wie abgemessen! respekt respekt respekt <3

Und jetzt lass mich das Fest zu Ende bringen *Gläschen Sekt nimmt* und bis zum bitteren Ende mitfeiern ;D

Liebe Grüße Dahlie
*In Gestalt von Tiberia unter den Gästen verschwindet*

Antwort von:  Asketenherz
06.04.2013 12:48
Aw... :D du gehst als tiberia, genau so hab ichs mir auch vorgestellt.
Von:  Dahlie
2013-04-06T10:26:21+00:00 06.04.2013 12:26
Hello :D

Die Briefform ist ein wunderbarer Anfang und du hast es tatsächlich geschafft, dass das die Schreiber der Briefe wirklich komplett verschieden in Erscheinung treten. Viele verhunzen das, aber du nicht <3
Astoria ist Zucker <3 eine wirklich tolle Schwiegermutter, am schönsten finde ich jedoch den Brief von Hugo an Ron, er ist einfach, ich weiß es nicht, er rührt etwas in mir, weil ich mir alles ganz genau so vorstellen kann. Besonders das mit der zitternden Hand und den Braten mit Tomatensoße, kann mir erzählen wer will, Ron ist und bleibt verfressen x3
Der Polterabend ist übrigens auch sehr schön, alleine die Ideen die du wieder hattest wegen den Spielen, jaaa~ ich erinnere mich noch, dass wir da mal drüber geschrieben haben und sich spiele auszudenken ist wirklich immer schwer, jetzt können wir beide ein Liedchen drüber singen.
Alice und Albus verknotet ist herzallerliebst <3 es passt zu ihnen in deiner FF, auf ihre Weise einfach. Diesen beiden Charakteren bist du herrlich treu geblieben, zwar haben sie Veränderungen gemacht, aber irgendwie haben sie sich im gleichen Tempo bewegt.
Die Art, wie Albus gerade heraus sagt, dass er sie liebt, zeugt von wirklicher größer. Ich teile diese Ansicht mit dir, also das er fähig ist die Worte direkt auszusprechen. Geradeheraus und laut und deutlich. Irgendwie macht ihn das in meiner Vorstellung aus und umso schöner ist es, wo anders ebenfalls davon zu lesen.
Wegen dem Tanz, also ich hätte Rose ehrlich gesagt keinen gegönnt... in diesem kapitel mochte ich sie nicht besonders, keine Ahnung warum, vielleicht weil ich es nicht mag, wenn sie als "Lieblingscousine" betitelt wird und so... na ja, es war ja kein reines Rose Kapitel und da ich weiß, wie es weiter geht kann ich dir ruhig sagen, dass sich meine Meinung über sie im nächsten Kapitel sowieso ändert ;)
Dieses Kapitel war irgendwie die Ausnahme. Denn ich hatte das Gefühl, dass immer nur Scorpius tat und machte und ja...~
Trotzdem, ein schöner Abschluss aus Hogwarts

Zum Ende hin:
Bitte beleidige meinen Freund in deinen nächsten Briefen nicht so arg. Mir ist schon klar, dass du dir einen besseren Jungen für mich vorstellen kannst. Aber soll ich dir mal was flüstern? - Er ist der TOLLSTE Typ aller Zeiten, trägt mich auf Händen und es ist nicht von der Hand zu weisen, dass du keinerlei Mitspracherecht besitzt, wem ich meine Liebe schenke
LILY THE COOL QUEEN!!!!
Sich gegen solche Brüder durchzusetzten ist sicherlich nicht leicht und DAS war alle Male nötig <333 I love it!

at last ~ wir lesen uns gleich Dahlie
Von:  Dahlie
2013-04-06T10:13:21+00:00 06.04.2013 12:13
Hallöchen ;D

Die Flucht geht weiter und mein Lesetag ebenfalls :) bin ja fest entschlossen es heute zu schaffen.
*Ärmel hoch*
OMG!
Ich sehe gerade, es wird mein Lieblingskapitel, jawohl <3 Gut, du hast es gekürzt, aber ich habe ja die unzensierte Version gelesen *stolz ist* und somit kann man in Gedanken wunderschön fortsetzen und sich erinnern. :3 Am besten ist sowieso ihr kleines, stummes Machtspiel, also alles was vor dem eigentlichen Akt kommt. Einfach, weil man atemlos vor dem Bildschirm klebt und merkt, wie der Hals ganz trocken wird ;)
Als sie ihn bittet mit ihr zu schlafen, muss ich gestehen, dass sein was berechtigt, denn nach allem was passiert ist und irgendwie glaube ich, dass dieses Gefühl von Ablehnung nicht so einfach aus jemandes Gemüt verschwindet. Ich an Scorpius Stelle hätte auch vermutet, dass sie eher zu Jordan gehen würde. Und dann nicht mit solch einer Bitte um die Ecke biegt - im wahrsten Sinne des Wortes.

Ihre Stimme war fest wie ein Diamant geworden, dessen scharfe Kanten die Luft zerteilten. Ein wirklich schöner Satz, ich weiß nicht, woher du ihn hast, aber er ist sehr gelungen.
Nun, am Ende des ersten Akts haben wir seine Überraschung darüber, dass sie noch Jungfrau ist. Ich glaube, das ist ebenfalls berechtigt, denn ich erinnere mich, das Rose voller Selbstbewusstsein wieder kam, die Jungs datete und auch sonst eher einen verwegenen Eindruck machte. Auch hier schiebe ich den Gedanken, dass sie es mit Jordan getan hat, auf vollkommen schlüssig :)
Morganas Ansage fand ich dabei endlich einmal dringend nötig, dass hätte sie schon viel eher tun sollen, als sich von Albus so verarschen zu lassen, schließlich hatte sie es ja irgendwie schon gewusst, nicht?
Alles in einem ist dies ein Kapitel wo du anfängst die Fronten zu klären, zwar anders, als man es glauben mochte, aber es ist getan ;) und für ein Ende ja sowieso unausweichlich.
Wie bereits erwöhnt, ich mag das Kapitel, würde es sogar fast zu meinem Liebsten zählen, denn du weißt ja glaube ich schon, welches wirklich mein liebstes ist ;D

Liebe Grüße und bis zum nächsten Kommentar Dahlie
Von:  Dahlie
2013-04-06T09:59:50+00:00 06.04.2013 11:59
Guten Morgen Resa :)

Für mich ist es zumindest noch morgen ;D immerhin bin ich ja offiziell seit etwa knapp zwei Stunden auf der Flucht und was bietet sich besser an, als in der Uni, im hintersten Winkel der Bib endlich nachzuholen, was ich bereits so oft versprochen habe. Ich knacke dir heute die 200, aber ich möchte dir auch noch einmal schreiben, was ich wirklich gut fand und was nicht so <- wobei ich nicht glaube, dass ich da etwas finden werde xD
Nun gut, fangen wir einfach einmal an, du Feedbackjunkie ;D

Der Fluch, ja, ich erinnere mich prompt an die Badezimmerszene und hätte an Rose Stelle Alice sicherlich getötet: "Ist ja nicht das erste Mal das ihr euch nackt seht" xD
Sehr freundlich und totaaaal angebracht.
Habe ich dir schon einmal gesagt, dass ich die Idee mit dem Tattoo und den Rosenranken wunderschön finde? Darauf muss man erst einmal kommen und es ist durch und durch ungewöhnlich, wirklich außergewöhnlich, für diese Idee bin ich nämlich ein wenig eifersüchtig, ich wünschte, mir wäre so etwas eingefallen xD
Das Zitat des Kapitels war allerdings wohl wirklich das von Nathan: „Es ist nicht unsere Schuld, dass es sich diese Idioten in ihrem Elend bequem machen.“ du lässt sie alle leiden und leiden und leiden T_T da bricht das Herz gleich mit...
Alles in einem war es ein Kapitel, das den Karbum im Vorkapirel aufgelöst und weitergeführt hat, ein wenig ein Zwischenkapitel könnte man meinen ;)
Notwendig, aber nicht immer schön zu schreiben D:

Nun denn Resa, ich husche dann zweite zum nächsten Stück Kuchen <3

Liebe Grüße Dahlie

Antwort von:  Asketenherz
06.04.2013 12:03
Meine Blume!
Von:  darkbird
2012-12-28T11:41:40+00:00 28.12.2012 12:41
Hach Seufz.
Scorp hat nur acht jahre und neun Monate gebraucht um es ihr zu sagen *g*

Es ist das perfekte ende *schmacht*

werde sie in nächster Zeit noch mal von vorne und ganz *mich schon darauf freu*

ganz liebe grüße
darkbird


Zurück