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Lost Prince

Krieg auf Aira
von

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Klänge der Erinnerung

Der Anfang in Destercity war schwer gewesen. Nun aber, wo Tracy bei ihnen war, schien alles leichter zu sein.

Sie erklärte ihnen zum Beispiel, was Firmengebäude sind, dass dort jede Menge Angestellte unter einem Boss arbeiten, diese dafür mit Nima bezahlt werden, die sie sich wiederum bei einer so genannten Bank abholen konnten.

In Siris Augen war dies zu Beginn ein großer Schwachsinn. Immerhin arbeiten die Leute, um Nima zu verdienen und um Nima zu verdienen, müssen die Leute arbeiten. Es war ein ewiger Teufelskreis aus dem man, wenn man einmal begonnen hatte, nicht mehr herauskam – so meinte sie.

Auch Lyze war diese Art von Arbeit fremd, immerhin hatte er bis jetzt keinen richtigen Boss, abgesehen von den Engeln in der Lichtarmee. Er verdiente sein Geld mit Obsternten aus seinem vom Haus nahe gelegenen Wald, die er in Dörfern seiner Umgebung verkaufte und dort hin und wieder durch Hilfsbereitschaft Nima geschenkt bekam.

Hier aber, in Destercity, war all dies unmöglich. Keiner würde einem Nima geben, wenn man eine alte Dame über die Straße führt oder ihren Einkaufskorb trägt. Wenn man hier keine Arbeit hatte, dann war man obdachlos und lebte auf den Straßen.

Dies wiederum brachte Siri zu der Erkenntnis, eigentlich obdachlos zu sein…

Während Avrial den Tag damit verbrachte, Tracys Bruder Oto, einen Arzt in Ausbildung, zu suchen, spielte Tracy die Fremdenführerin und brachte Siri und Lyze in ein so genanntes Hotel. Dies war schon wieder anders als im Rest Desterals. Gasthäuser beherbergten Leute auf ihrer Durchreise, in denen man sich für ein paar Tage ein Zimmer zum Übernachten mieten konnte. Hier war es ebenfalls so, aber viel, viel teurer – und moderner. Vielleicht ja gerade deshalb der hohe Preis.

Jedenfalls hatte Avrial der Gruppe 65 Nima gegeben, um Siris versprochenes Wunschessen zu bezahlen und um drei Zimmer zur Übernächtigung zu buchen… nun ja, aus den drei Zimmern wurde eines.

Als Lyze den enormen Preis an der Rezeption sah (drei Zimmer – 60 Nima für eine Nacht), hatte er beschlossen nur ein Zimmer mit drei Betten zu nehmen (insgesamt 30 Nima). Natürlich freute sich Siri darüber nicht besonders, aber über den enormen Wucher ärgerte sie sich richtig.

Tracy erklärte ihnen, dass Destercitybewohner viel Lohn ausgezahlt bekamen und darum die restlichen Preise der Stadt stiegen – so was nannte man angeblich Inflation.

Siri meinte: „Dann müssten alle Leute, wenn sie die Stadt verlassen, sehr reich sein!”

Selbstverständlich hätten sie außerhalb mehr Geld. Doch durch den Krieg wollte niemand die sichere Stadt verlassen. Es waren bereits so viele Einwohner und Flüchtlinge innerhalb der Mauern, dass ihnen langsam die Gebäude ausgingen – doch sich ausbreiten ging auch nicht, gerade weil diese schützende Mauer um der Stadt herum existierte.

Sei es wie es sei, Tracy begleitete die zwei noch bis in ihr Zimmer; denn so ein Aufzug war auch was Besonderes, was ihnen erklärt werden musste.

Oben, im 21. Stock angekommen, sperrte Lyze die Tür auf und fand kurz danach auch gleich den Grund für den hohen Preis heraus: für eine Unterkunft war das Zimmer riesig. Ein Bad, ein Wohnzimmer mit Bar und ein gemeinsames Schlafzimmer für drei Personen, Zimmerservice war inbegriffen, doch eigentlich nicht von Nutzen.

Während Lyze die Bar unter die Lupe nahm (und dabei herausfand, dass er nicht freiwillig etwas davon trinken würde), inspizierte Siri das Sofa. Sie schmiss sich hinein und entspannte sich erstmals, bevor ihr Blick durch den Raum wanderte und sie direkt vor sich einen merkwürdigen Kasten entdeckte. Zögernd lehnte sie sich nach vorne. Zuerst fragend, dann auch neugierig, näherte sie sich mit ihrer Hand den zwei Knöpfen, neben der mit Glas bedeckte Fläche.

Als sie den oberen Knopf „ON” drückte, erschien plötzlich, wie durch Magie, ein Bild unter der Glasfläche. Siri zuckte erschrocken zurück ins Sofa, denn der Kasten mit Bild gab Geräusche von sich!

„Nein, Siri!”, Tracy kam herbei, schüttelte den Kopf und drehte die Lautstärke des Gerätes leiser. „Das ist ein Fernseher, du Dummerchen.”

„Ein Fernseher…?”, Lyze lehnte sich fragend hinten über das Sofa.

Das Katzenmädchen musste kichern. „Ja… wie erkläre ich es euch am Besten…? Hmm. Wart ihr schon mal im Theater? Ein Fernseher kann so ein Schauspiel wiedergeben, es wird mit einer so genannten Kamera gedreht und dann über ganz Destercity ausgestrahlt – mehr müsst ihr für den Anfang nicht wissen. Es gibt allerdings einen Unterschied zwischen Film und Nachrichten. Nachrichten sind Life, also jetzt gerade in diesem Augenblick und real. Da stehen oder sitzen meistens Leute mit Mikrofon vor der Kamera und berichten über Ereignisse. Über den Krieg, über einen Bankraub, einer Heldentat, einem neuen Gesetz… und so weiter! Verstanden?”

Schweigend wurde sie von den zwei Außenstehenden angeschaut, dann erst hoben sie die Schultern und gaben ein „Ja… so halbwegs.” von sich.
 

Inzwischen, angekommen im Ärztezentrum, wurde Avrial von Oto untersucht. Wenn man davon ausging, dass der Arcaner zuletzt vor sehr vielen Jahren bei einem Arzt war, konnte man sich denken, wie unangenehm es ihm war.

Oto war zwar ein Arzt in Ausbildung, konnte aber mit Standartuntersuchungen sehr gut umgehen. In erster Linie kam Avrial wegen seinem verletzten Brustkorb, doch angesichts dessen, dass er schon lange nicht mehr angesehen wurde, machte Oto ein paar Untersuchungen kostenlos hinzu.

So saß der Arcaner am weißen Tisch und wartete geduldig auf den Arzt, der mit den Ergebnissen den Raum betrat.

„Alles in Ordnung.“, Oto lächelte dabei, „Die verursachten Schäden sind oberflächlich und werden bald abheilen. Zum Glück ist keine Rippe gebrochen!“

„Wunderbar.“, so Avrial, der dankend nickte und den Untersuchungstisch verließ.

„Allerdings…“, bei Otos leisen Worten blieb der Arcaner im Raum stehen. Nun sah der Arzt ernst aus; da Avrial ein Bekannter von Tracy war, auch ein wenig sorgvoll: „Wie lange sind deine Lippen schon violett verfärbt? Weißt du, wann es angefangen hat?“

Avrial antwortete nicht. Er sah gespannt in Richtung Oto und wartete das Ergebnis ab.

„Die Blutuntersuchung deutet stark auf Zyanose hin. Es könnte erblich bedingt sein – jedenfalls steht fest, dass wenn du schon länger darunter leidest, es sich um eine chronische Erkrankung handelt. Ich würde empfehlen-“

„Vielen Dank.“, Avrial schritt zur Tür und lächelte, „Aus dir wird bestimmt ein hervorragender Arzt.“

„Ja- aber…“, Oto sah dem Magier überrascht nach. Scheinbar hatte er mehr aufgedeckt, als dass Avrial wissen wollte…
 

Nach zwei weiteren Stunden verstrich langsam der Nachmittag. Von einem so hohen Raum aus, wie das Hotelzimmer der Reisenden, konnte man halb Destercity überblicken – und die sinkende Sonne gut beobachten. Sie warf ein sanftes, orangenes Licht auf die Stadt, die sonst so kühl in ihrem weiß-blau wirkte. Siri stand am Fenster und blickte eine Zeit lang hinaus. Rechts neben ihr das Sofa und der aufgedrehte Fernseher. Lyze und Tracy waren hinunter in die Rezeption gegangen, um Avrial abzuholen, der von Oto zurück war und sich nun fragte, in welchem Zimmer die gemeinsame Unterkunft lag.

Ein tiefer Seufzer klang durch den Raum. Siri fragte sich, wie sie die Person aus ihrem Traum jemals finden sollte. Die Stadt war zu groß, um sie unter eine Woche abzusuchen, und Gesetzeshüter an der Suche beteiligen konnte sie auch nicht, denn es gab weder ein Aussehen, noch einen Namen, den sie ihnen mitteilen hätte können.

Wie soll man jemanden finden, den man nicht kennt?

Für Siri schien es eine Suche nach einer Nadel im Heuhaufen zu sein; von der man nicht weiß, wie sie aussieht.

Einige Minuten lang stand sie am Fenster, wurde nebenbei leise vom Fernseher berieselt und hatte ihren Kopf auf dem Arm gestützt.

Zuerst bekam sie den Fernseher nur im Hintergrund mit, dann begann sie aufzusehen.

Musik.

Klänge, die ihr so vertraut vorkamen und doch noch nie gehört hatte. Es war eine sanfte, traurige Musik, die leise aus dem Fernseher raunte.

„Was ist das…?”, Siri konnte nicht anders. Sie ging zu dem Gerät hinüber und setzte sich ganz nah vor das Bild.

Es war ein Bericht einer Reporterin gewesen, die vor einer großen Menschenmasse stand, die wiederum pfeifend und rufend vor einer Bühne standen und ein paar Leute bejubelten – ein Rockkonzert.

Siri konzentrierte sich auf die Musik im Hintergrund, schärfte den Blick auf die Musikgruppe: doch niemand von denen kam ihr bekannt vor. Sie würde sich doch bestimmt daran erinnern, sollte sie einen Rocker kennen, oder?

Da öffnete sich die Tür.

„Siri, wir sind zurück!”, rief Lyze, doch dies schien sie nicht mitbekommen zu haben.

„Bin ich froh, dass es vorbei ist.”, sprach Avrial, „Und dass ich mir den Brustbereich nur geprellt, nicht gebrochen habe…”

„Was habt ihr denn gemacht, dass du dich so verletzt hast?”, Tracy erschrak kurz, hielt sich die Hände vor dem Mund: „Tut mir leid, das geht mich nichts an, oder?”

„Ist schon okay, Tracy.”, Lyze zog sich die Schuhe aus, „Wir sind Tarrence in eine Falle getappt und Avrial musste uns verteidigen – dabei wurde er von seinen Hörnern gerammt.”

„Ach so.”, sie stellte sich auf die Zehenspitzen und legte eine Hand auf Avrials Schulter, „Dann, gute Besserung!”

Er nickte schmunzelnd. „Danke.”

„Siri!”, erneut rief Lyze, „Wir sind zurück, hörst du?”

Doch es kam keine Antwort.

„Siri?”, nun fragte auch Tracy und folgte besorgt Lyze ins Wohnzimmer. Siri saß noch immer dicht vor dem Fernseher und starrte auf das Bild.

„Was tut sie?”

„Sie… sieht fern.”, antworte Tracy dem Halbengel, ehe sie näher schritt, sich streckte und die Tonlautstärke des Fernsehers erhöhte, damit Siri nicht mehr so dicht vor dem Gerät klebte.

Dann stützte sie die Hände auf ihre Knie ab und sah seitlich zu ihrer Freundin: „Was schaust du denn?”

Keine Antwort.

„Ah.”, meinte das Katzenmädchen, „Ein Bericht über das heutige Konzert. Es findet am Hauptplatz, nicht weit von hier hinter dem Park statt-”, kaum hatte sie dies fertig gesprochen, war Siri aufgesprungen: „Am Hauptplatz!”

Lyze und Avrial bekamen die Situation nicht so recht mit, als sie an ihnen vorbei lief, den Flur hinaus und verschwand.

„Siri…!”, Lyze wollte ihr hinter her, doch Avrial hielt ihn am Arm zurück.

„Lass sie laufen.”, er sah zum Fernseher, woraus die Musik raunte, „Ihre Suche ist beendet. Doch es wäre besser, ihr nicht zu folgen. Hier in Destercity kann ihr kein Dämon an den Kragen und ihre Erinnerungen muss sie alleine zurückgewinnen.”

Tracy kam herbei, sah traurig zur Tür hinaus. „Können wir denn gar nichts tun?”

„Nein.”, Avrial lächelte, „Außer warten, können wir nichts tun. Wie ein Spruch die Situation gut beschreibt: wir haben sie bis zur Tür gebracht, doch hindurch gehen muss sie alleine.”



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Azahra
2013-04-08T08:42:10+00:00 08.04.2013 10:42
Bis jetzt das beste Kapitel in meinen Augen. Siri und Lyze freunden sich nach und nach mit der Technik an und das finde ich toll!
Das mit den Nima erinnert mich stark an unsere Gesellschaft. Ich finde es toll, dass du das mit deiner Geschichte kombinierst :)

Bis bald
Azahra
Von:  Ireilas
2010-04-05T17:30:49+00:00 05.04.2010 19:30
> Ich als Ex-LK-Wirtschaftlerin habe tatsächlich nachgeschlagen, ob es Inflation ist oder doch Deflation...Inflation ist richtig, Deflation ist das Gegenteil ^^°

Und woher wusste dat Ireilas das?
Aus dem Rechnungswesen-Unterricht! Also Kinder, geht zur Schule und lernt für eure Geschichten! xD

> Wirklich? ôo Die Stadt ist doch so groß, irgendwie bin ich mir da nicht zu 100% sicher, nur zu 95 % ^^° Agh, ich male mir schon wieder Schreckliches aus! xD° *es wegradier*

Nya, dass eine Stadt gefährlich sein kann mit all seinen Pennern, Obdachlosen und Gaunern is mir auch erst im nachhinein eingefallen... |D Für den Abschnitt überleg ich mir nochmal etwas.

Freut mich jedenfalls, dass fast das gesamte Kapitel deine Lieblingsstelle ist xD
Von:  SunnyFlower
2010-04-04T21:15:35+00:00 04.04.2010 23:15
Oh wow~ *-* Ich mag das Kapitel unheimlich gerne! *Herzchen-Aufkleber draufkleb* Es strahlt eine gewisse Ruhe beim Lesen aus, obwohl auch vieles passiert x3

"Dies wiederum brachte Siri zu der Erkenntnis, eigentlich obdachlos zu sein…"

Das merkt sie aber früh! xD° Trotzdem irgendwie blöd óo

"Natürlich freute sich Siri darüber nicht besonders, aber über den enormen Wucher ärgerte sie sich richtig."

*kichert* Das kann ich mir richtig gut vorstellen! x3 Lyze und Tracy mussten sie bestimmt erst beruhigen |D

"so was nennt man angeblich Inflation… oder so ähnlich."

Ich als Ex-LK-Wirtschaftlerin habe tatsächlich nachgeschlagen, ob es Inflation ist oder doch Deflation...Inflation ist richtig, Deflation ist das Gegenteil ^^°

"denn so ein Aufzug ist auch was besonderes, was ihnen erklärt werden musste."

Awww~ ^-^ Dass selbst Lyze soetwas nicht kennt |3

"Oben, im 21. Stock angekommen, [...]"

Oh mein Gott! Wären Siri und Lyze die ganzen 21 Stockwerke hochgegangen, wenn sie nicht von den Fahrstuhl erfahren hätten?! Oo xD°

"Während Lyze die Bar unter die Lupe nahm (und dabei herausfand, dass er nicht freiwillig etwas davon trinken würde)"

XXXXXXXD Warum wohl? :P

Die Stelle mit den Fernseher ist herrlich, besonders Siris Reaktion x3 Tracy versucht, es so gut wie möglich zu erklären, doch die beiden verstehen es trotzdem nicht^^°

"Nach zwei weiteren Stunden verstrich [...]"

Ab da fängt meine Lieblingsstelle an ^-^ Sie ist so schö~n ;.; x3 Der Ausblick aus dem Hotel muss großartig gewesen sein, wenn sie im 21. Stockwerk sind ^-^

"um Avrial abzuholen, der von Oto zurück war und sich nun fragte, in welchem Zimmer die gemeinsame Unterkunft lag."

Ich denke, das ist berechtigt bei 21 Stockwerken - Wieviele Zimmer das Hotel wohl hat? x3 +/- 220? xD°

"Sie ging zu dem Gerät hinüber und setzte sich ganz nah vor das Bild."

Sie ist ja genauso schlimm wie ich beim Wii spielen! Oo xD°

"Sie würde sich doch bestimmt daran erinnern, sollte sie einen Rocker kennen, oder?"

Rocker vergisst man nicht so schnell, das stimmt ;D

"Hier in Destercity kann ihr nichts passieren [...]"

Wirklich? ôo Die Stadt ist doch so groß, irgendwie bin ich mir da nicht zu 100% sicher, nur zu 95 % ^^° Agh, ich male mir schon wieder Schreckliches aus! xD° *es wegradier*

"[...] wir haben sie bis zur Tür gebracht, doch hindurch gehen muss sie alleine.“"

Lieblingsstelle zu Ende *-* Okay, sie ist etwas~ lang, aber das ganze Kappi ist toll xD ^-^~

*schmunzelt* Ich bin gespannt, was Siri nun auf dem Hauptplatz erwartet - Trotzdem ist es etwas gemein, dass sie ihre Freunde einfach zurück gelassen hat, wenn auch verständlich...^^°

*Autorin einmal heftig knuddel* Schüssel Süßes hast du bestimmt genug :P

Gruß,

Sun^^


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