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Woge der Dunkelheit

von

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Der neue Kontinent

Der neue Kontinent
 

Sand und Staub legten sich und die Sicht wurde klarer. Mühselig richteten Raidon und Fudo sich auf. Diese Explosionswelle hatte die beiden Jungen von den Füßen gerissen, als sie Yokato hatten verfolgen wollen. Aus vielen kleinen Wunden quollen Blutstropfen und sie wirkten zerschunden.

„Verdammt“, fluchte Fudo. „Wären wir nur einige Stunden schneller gewesen, hätten wir den Gegner vernichtet. Diese Disziplinlosigkeit ist wohl beispiellos.“

„Mich würde interessieren, wieso dein Bruder damit keine Probleme hat“, sagte Sakura. „Egal wann wir auf sie treffen, sie scheinen wesentlich konzentrierter zu sein als unsere Digimon.“

„Furcht“, erklärte Raidon. „Unsere Truppen haben anscheinend nie in Furcht gelebt, sie leben in der Gewissheit, dass sie unschlagbar und mächtig sind. Das hat sie träge gemacht. Die Truppen meines Bruders jedoch wissen, dass sie nur überleben können, wenn sie jederzeit auf der Hut sind, wenn sie in ihrer Wachsamkeit niemals nachlassen. Und genau diese Furcht hat mein Bruder ausgenutzt, um die Digimon anzutreiben.“

„Dann müssen wir also Furcht verbreiten?“ fragte Sakura. „Das lässt sich sicherlich einrichten, aber ich denke, wir sollten uns etwas einfallen lassen.“

„Wir sollten uns darum kümmern, diesen Kontinent vollständig einzunehmen“, meinte der Samurai. „Meinen Bruder zu verfolgen bringt uns nichts, außer dass wir vermutlich schon auf dem Meer abgeschossen werden und das ist nun wirklich nicht der Tod, den ich wünsche.“

„Sehe ich ebenso“, nickte der Ninja. „Diesen Kontinent werden wir wohl nie wieder so leicht unter unsere Kontrolle bekommen, dein Bruder dürfte die meisten Kämpfer der Gegenseite zusammengezogen haben. Wenn wir es richtig machen, müssen wir nicht mal groß einen Krieg führen, um hier alles zu übernehmen. Ein bisschen Einschüchterung und schon haben wir hier alles eingenommen und den Kontinent gesichert. Wir werden Truppen am Strand zurücklassen, falls Yokato wieder zurückkommen sollte, aber ich denke, hier werden wir Ruhe haben.“

„Nicht lange“, meinte Raidon. „Wenn er der Meinung ist, dass er genug Truppen beisammen hat, wird er wieder kommen. Aber wenn er wiederkommt, werden wir ihn erwarten.“

„Und dann werden wir ihn vernichten“, lachte Fudo.

„Vorher solltet ihr aber selbst wieder auf die Beine kommen“, sagte Sakura. „Ihr seht wirklich schlimm aus, fast so, als hättet ihr versucht, mit einem Bären zu kuscheln.“

„So schlimm ist es nicht“, widersprachen die Jungen unisono.

„Habt ihr euch denn mal genauer angeschaut?“ wollte das Mädchen wissen. „Ihr blutet, ihr seid total verschmutzt und die Kleidung sieht aus, als würdet ihr vom Müll Anderer leben.“

„Es sieht schlimmer aus, als es ist“, behauptete Fudo. „Ich habe mich nur mit Yokato duelliert.“

„Ihr habt euch nach allen Regeln der Kunst verprügeln lassen“, lachte Sakura. „Bei Fudo sah anfänglich zwar nicht so aus, aber im Großen und Ganzen war es nicht weiter als eine Abreibung und von Raidon hier brauchen wir glaub ich gar nicht erst angefangen.“

„Da gibt’s auch nichts zu erzählen“, murrte der Junge. „Los, wir wollen doch diesen Kontinent endlich überrennen.“
 

„Findest du nicht, dass Yokato deutlich entspannter wirkt, seit er sich nicht mehr verbietet, Gefühle zu zeigen?“ fragte Rai Atoeru leise. Die beiden Kinder standen am anderen Ende des Floßes und beobachteten die beiden Samurai, die Arm in Arm vorne standen und in den Sonnenuntergang blickten.

„Doch, das wirkt er“, nickte der gelehrte Junge. „Vermutlich ging ein großer Teil seiner Kraft dafür drauf, seine Gefühle zu unterdrücken.“

„Jetzt müsste ich nur noch zeichnen können“, überlegte Rai murmelnd. „Ein solches Bild werden wir so auch nie wieder zu sehen bekommen. Ach, bevor ich es vergesse, du schuldest mir immer noch eine Antwort.“

„Ach ja?“ tat der Junge überrascht. „Daran kann ich mich gar nicht erinnern.“

„Lüg mich nicht an“, lachte das Mädchen. „Du solltest wissen, dass ich weiß, wenn ich angelogen werde. Natürlich erinnerst du dich noch daran, dass ich dir eine Frage gestellt habe, auf die ich noch keine Antwort erhalten habe.“

„Stimmt, gerade ich sollte es besser wissen“, brummte der Junge und versuchte, dem Thema auszuweichen. Nach wie vor wollte er darüber nicht mit ihr reden, auch wenn ihm klar war, dass das Mädchen so schnell nicht locker lassen würde.

„Kann es sein, dass Yokato nicht der Einzige ist, der seine Gefühle zu kontrollieren versucht?“ fragte Rai und sah den Jungen prüfend an. Dieser drehte sich weg, damit das Mädchen nicht sehen konnte, wie er rot anlief, doch vor ihr konnte niemand etwas verheimlichen. „Warum? Warum versucht ihr immer, so beherrscht zu sein? Ist es denn wirklich so schlimm, seine Gefühle nach außen hin zu zeigen?“

„Vielleicht ist es auch einfach nur unangenehm“, erwiderte Atoeru. „Ich bin mir sicher, dass Yokato früh gelernt hat, dass es falsch ist, Gefühle zu zeigen, vergiss nicht, er entstammt einer Kriegerfamilie. Womöglich will er sich so auch einfach davor schützen, Angst vor Verlusten zu empfinden, das ist bei Kriegern immerhin nicht allzu selten.“

„Und wovor willst du dich schützen?“ wollte das Mädchen wissen. „Es muss doch einen Grund haben, dass auch du versuchst, deine Gefühle zu beherrschen.“

„Ich habe einfach früh gelernt, dass es schlecht ist, Gefühle zu zeigen“, meinte der Gelehrte. „Ich war schon immer etwas anders als die Anderen, ich habe nie mit Ritter bewundert oder Waffen geschnitzt. Stattdessen habe ich früh angefangen, mich für alte Schriftrollen zu interessieren. Du kannst dir wohl nicht denken, was ich mir alles anhören musste deswegen.“

„Vermutlich einige nicht sehr nette Dinge“, meinte Rai. „Das ändert aber nichts daran, dass es eine schlechte Idee ist, deswegen all seine Gefühle zu unterdrücken. Und du solltest mittlerweile gelernt haben, dass du von uns keine bösen Worte deswegen hören musst. Wir vertrauen einander und wir verachten niemanden wegen seiner Herkunft. Selbst Yokato hat dich von Anfang an respektiert, von uns allen hätten er und Jeanne noch am ehesten Grund, dich herablassend zu behandeln ob deiner Herkunft.“

„Wissen ist das Eine, die Umsetzung das Andere“, antwortete Atoeru. „Du kannst wissen, dass eine Speise gesund ist, aber wenn du das einmal gegessen hast und danach Schmerzen hattest, wirst du diese Speise so schnell nicht wieder essen, auch wenn du genau weißt, dass dir normal nichts passieren kann.“

„Dann fang doch einfach damit an, dass du mir erzählst, was ich wissen will“, lachte das Mädchen. „Der Rest kommt dann von ganz alleine.“

„Vielleicht später“, murmelte der Junge. „Für den Moment bevorzuge ich es, das Ganze für mich zu behalten und mir meine Gedanken darüber zu machen. Wenn ich dann weiß, was ich davon halten soll, werde ich nochmal darüber nachdenken, dir davon zu erzählen.“

„Na gut, wenn du nicht freiwillig reden magst, muss ich es eben aus dir rauskitzeln“, brummte Rai. „Aber beschwer dich am Ende nicht, wenn ich dabei etwas erfahre, was ich weder wissen soll noch wissen will.“

Mit verkniffenem Gesicht blickte der Junge das Mädchen an, machte jedoch keine Anstalten, das Wort zu erheben. Auch sonst machte er keine Anstalten, sich kooperativer zu verhalten, auch wenn er wusste, dass er es nicht schaffen würde, sein Geheimnis vor ihr bewahren zu können.

„Also gut, fangen wir an“, meinte Rai. „Du willst nicht darüber sprechen, also sind es ziemlich private Gedanken. Mit der Vehemenz, mit der dich dagegen sträubst, hast du deine Zukunft gesehen, vermutlich in ein paar Jahren.“

„Ja“, meinte Atoeru. „Das habe ich bereits erzählt, ebenso, wie ich erzählt hatte, dass Raidon und ich gemeinsame Forschungen angestellt habe.“

„Genau“, nickte das Mädchen. „Und deswegen bin ich mir sicher, dass du nicht gesehen hast, was deine Forschungen ergeben haben oder welche Auswirkungen sie haben werden. Nein, ich denke, du hast etwas gesehen, was dich geschockt hat. Es wird etwas mit zwischenmenschlichen Beziehungen zu tun haben.“

„Du scheinst echt überzeugt zu sein“, meinte der Gelehrte. „Aber was lässt dich denken, dass es so ist.“

„Ganz einfach“, lachte sein Gegenüber. „Das ist das einzige Thema, über das du nicht reden magst, obwohl du sonst zu Allem irgendetwas zu sagen hast. Also ist es ein logischer Rückschluss, dass es damit zu tun haben musst. Du hast dich mit deiner Familie gesehen.“

„Nein“, antwortete der Junge. „Das stimmt nicht.“

„Das ist die halbe Wahrheit“, überlegte das Mädchen. „Also hast du nur einen Teil davon gesehen. Du hast unser gemeinsames Kind gesehen.“

„Auch nicht“, sagte Atoeru und bemühte sich, seine Miene unbewegt zu halten. Rai musterte ihn derweil kritisch.

„Na gut, auch zur Hälfte wahr“, meinte sie. „Aber du hast deinen Nachwuchs gesehen und ich denke, du hast eine Ahnung, wer die Mutter ist.“

„Verdammt, wie ist es dir möglich, so zielsichere Tipps abzugeben?“ zischte der Junge. „Das kann einfach nicht sein.“

„Du vergisst meine Gabe“, erwiderte das Mädchen grinsend. „Noch dazu habe ich einen wachen Geist und ich konnte schon immer gut raten.“

„Eine unglückliche Mischung wie ich finde“, brummte der Junge. „Ich finde es äußerst unseelig, dass es nicht möglich ist, Geheimnisse vor dir zu haben.“

„Vielleicht ist es dir nicht bestimmt, Geheimnisse zu haben“, lachte Rai. „Zumindest nicht vor mir. Jetzt musst du nur noch lernen, dass es nicht schlecht ist, seine Gefühle zu zeigen. Denke nur an die vielen Naturphilosophen, ich könnte mir denken, dass nur die wenigsten von ihnen mit Waffen gespielt haben. Und mit Sicherheit werden sie eine Familie gehabt haben, alles andere würde mich sehr verwundern.“

„Ja, Familie zu haben ist bei uns Menschen nicht so selten“, murmelte Atoeru.

„Na also“, grinste das Mädchen. „Wenn es dann doch normal ist, wieso bereitet es dir dann solche Probleme?“
 

Yokato stand mit Jeanne am vorderen Ende des Floßes und betrachtete den Sonnenuntergang. Für den Moment genoss er die Ruhe, aber seine Gedanken drehten sich um den Krieg. Der Junge war sich sicher, dass sein Bruder und dessen Armee ihnen nicht folgen würde, aber untätig würde er nicht bleiben. Würden Yokato und seine Freunde nach Server zurückkehren, würde sie ein komplett übernommener Kontinent erwarten. Um den Krieg also gewinnen zu können, müsste der Samurai entsprechend viele Digimon auf dem Kontinent der Elemente zusammentreiben können, ansonsten wäre die Rückkehr nach nur kurzer Zeit beendet.

„Du denkst zu viel nach“, murmelte Jeanne. „Hier auf dem Meer können wir nichts mehr tun und du wirst noch genug Zeit haben, dich um das Schicksal zu sorgen.“

„Ich weiß, aber mein Verstand rast einfach“, sagte der Krieger. „Andauernd sehe ich vor Augen, was passieren kann, wenn wir scheitern.“

„Wir alle sollten die Zeit auf dem Meer nutzen, an etwas anderes zu denken. Hier holt der Krieg uns nicht ein, hier sind wir weitestgehend sicher.“

„Jeanne hat recht“, sagte Ely, die sich angeschlichen hatte. „Lass uns wenigstens einen Tag lang mal nicht an den Krieg denken. Hier gibt es so viele andere Dinge, um die wir uns Gedanken machen müssen, die wir einfach vergessen haben.“

„Unsere Fähigkeiten zum Beispiel“, sagte die Samurai. „Wir wissen, dass wir sie haben, aber wir können kaum etwas damit anfangen. Ely ist bislang die Einzige, die wirklich geübt hat, wir anderen haben uns immer darauf ausgeruht, dass wir zur rechten Zeit wissen würden, was wir tun müssen.“

„Da habt ihr höchstwahrscheinlich recht“, nickte der Krieger. „Niemand von uns weiß wirklich, wie wir unsere Gaben nutzen müssen, mit Ausnahme von Ely und Atoeru. Rai steht außen vor, weil ihre Gabe eher passiver Natur ist. Ebenso ist Riro uns gegenüber im Vorteil, da auch er seine Gabe intuitiv nutzt.“

„Rai wird aber sicher gerne helfen“, meinte Jeanne. „Dir hat sie ja auch ein wenig unter die Arme gegriffen, jetzt, wo wir Zeit haben, geht das sicherlich besser. Da solltest du dich drauf konzentrieren, aber nicht auf den Krieg. Der kommt schon wieder früh genug.“
 

Raidon warf einen Blick auf die Armee, die ihm und den beiden anderen Kindern folgte. Sie war wieder beachtlich angewachsen, auch wenn die letzte Schlacht viele Opfer gekostet hatte. Die Verteidiger hatten verzweifelt gekämpft und dumm waren die Menschen nicht. Er selbst hatte sich zu sehr von seinem Hass auf seinem Bruder blenden lassen, Fudo war über seine eigene Arroganz gestolpert und Sakura war einfach keine Kriegerin. Sie mochte beachtliche Fähigkeiten haben, was ihre Dolche betraf, gegen eine Kriegerin allerdings würde sie in einem direkten Zweikampf immer den Kürzeren ziehen. Während sie alle sich hatten in private Zweikämpfe hatten reißen lassen, hatte die Armee seines Bruders noch Kinder, die sich um die Strategie kümmern konnten.

„Du denkst mal wieder nach“, meinte Fudo. „Hoffentlich trägt es auch Früchte.“

„Würde mich bei Raidon wundern“, meinte Sakura. „Bislang war es selten nützlich, wenn er nachgedacht hat.“

Die beiden Jungen ignorierten das Mädchen einfach und liefen weiter.

„Naja, zumindest habe ich eine Ahnung, wieso wir mal wieder gescheitert sind“, sagte Raidon. „Während bei meinem Bruder noch jemand die Digimon mit Verstand angeleitet hat, haben wir uns zu sehr von unseren Gefühlen leiten lassen. Während ich meinem Hass erlegen bin, hast du dich von deiner Arroganz blenden lassen und Sakura dachte, sie hätte einfaches Spiel mit dem Mädchen. So haben wir uns ablenken lassen und unsere Digimon rannten blind und führungslos an. Die Koordinierung passte einfach nicht, das hat uns dieses Mal den Sieg gekostet.“

„Unsere Digimon sind echt zu nichts zu gebrauchen“, fluchte der Ninja. „Wir haben eine drückend überlegene Armee und verlieren, weil die Digimon zu dämlich sind, von alleine einfache Züge auszuführen. Wir müssen einfach mehr fähige Kommandanten finden.“

„Oder wir sollten die Commandramon stärker einbinden“, sagte der Samurai. „Wir haben sie in unseren Reihen, aber wir setzen sie nicht vernünftig eingesetzt. Wir dürfen sie nicht als eigene kleine Truppe behandeln, wir müssen sie aufteilen in die anderen Truppenteile. Wir müssen vorher absprechen, was wir erreichen wollen und diese Anweisungen an die weiterleiten, die uns vertreten in der Armee.“

„Sollten wir wirklich so umsetzen“, nickte Fudo. Vorgenommen haben wir uns das schon vor langer Zeit, doch wir haben es immer wieder vergessen.“

„Dann merken wir uns, dass das unser erstes Projekt wird, wenn wir uns bei unserer Burg sammeln“, schloss Sakura. „In der Zwischenzeit sollten wir uns Gedanken darüber machen, wie wir diesen Kontinent am schnellsten überrennen. Sonst stehen wir auf einmal Yokato's Armee gegenüber und der halbe Kontinent gehört noch nicht uns. Und wir sollten Deemon wenigstens diesen Kontinent darbieten können, bisher konnten wir ihm nur berichten, dass wir seine Burgen verloren haben.“

„Wir teilen uns auf“, sagte Fudo. „Jeder bekommt eine gleichmächtige Armee und dann reisen wir in verschiedene Richtungen, so kommen wir am schnellsten voran. Wenn wir unser Ziel erreicht haben, dann werden wir uns hier am Strand treffen und die Rückkehr abwarten.“

„Vielleicht schaffen wir es ja, bevor Deemon hier eintrifft“, meinte Sakura. „Nach den Berichten der Digimon wird das allerdings eng werden.“

„Ob mit oder ohne Deemon, mein Bruder wird samt seiner Armee vernichtet werden“, sagte der Samurai. „Wichtig ist nur, dass wir es schaffen, unser Ziel endlich zu erreichen.“
 

Ely saß mit überkreuzten Beinen auf dem Floß und konzentrierte sich. Ihrer Meinung nach kamen sie viel zu langsam voran, weshalb sie sich bemühte, die Reise mit Hilfe ihrer Gabe zu beschleunigen. Aber auch das half bei weitem nicht in der Maße, wie sie es gerne hätte, denn diese Konzentration kostete eine Menge Kraft und sie hielt nie besonders lange durch. Frustriert zischte sie, denn ihre Kraft ließ schon wieder nach. Vor gerade einmal zwei Stunden hatte sie angefangen, verglichen mit der Dauer, die sie zu bewältigen hatten, fielen ihre Bemühungen gar nicht mal auf.

„Du verausgabst dich zu sehr“, meinte Yokato, der sie beobachtet hatte. „Du gönnst dir kaum Pausen und sitzt hier, um eine Beschleunigung zu erzwingen.“

„Weil wir keine Zeit mehr haben“, erwiderte Ely. „Wenn wir uns nicht beeilen, dann ist diese Welt dem Untergang geweiht.“

„Wir können Deemon's Zug in diese Welt nicht mehr verhindern“, sagte der Samurai sanft. „Wir müssen auf dem Kontinent der Elemente noch Verbündete finden und wir werden viel laufen müssen. Wenn ein jeder von sich bis an seine Belastungsgrenze geht, könnten wir vielleicht die Küstenregionen Servers zurückerobern, aber dann wird Deemon auch schon da sein.“

„Aber es muss einfach zu schaffen sein“, rief das Mädchen unglücklich. „Wenn ich mich nur mehr anstrenge, dann kann ich es schaffen.“

„Ely“, sagte der rothaarige Junge behutsam und legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Wir alle sind zu Tode erschöpft, wir haben eine lange Reise hinter uns und einen beschwerlichen Krieg vor uns. Jetzt haben wir vielleicht die letzte und einzige Möglichkeit, uns auszuruhen und wieder zu Kräften zu kommen. Jeder von uns, selbst ich, sollte diese Gelegenheit nutzen. Die kommenden Monate auf dem Kontinent der Elemente werden uns viel Kraft kosten und die Rückreise wird kaum so einfach sein wie jetzt die Hinreise. Erzwinge nicht die Beschleunigung, ruhe dich aus und finde deine Mitte, dann wirst du viel mehr Erfolg haben als jetzt.“

„Und wie viele Digimon werden sterben, nur weil ich versagt habe?“ stieß Ely bitter hervor. „Wie viele, nur weil ich einfach nicht mehr Kraft habe?“

„Wie viele werden sterben, wenn du dich vollkommen verausgabst?“ hielt Yokato immer noch mit sanfter Stimme entgegen. „Wie viele Digimon werden sterben, wenn wir vor Erschöpfung nicht mehr dazu in der Lage sind, diesen Krieg zu gewinnen? Für den Moment sind die Digimon auf Server noch sicher. Klar werden unsere Feinde diesen Kontinent unterwerfen, aber es gibt keinen organisierten Widerstand, mein Bruder kann ziemlich überzeugend sein und mein Bruder wird keine Leben sinnlos wegwerfen, wenn er weiß, dass wir mit einer Armee wiederkommen könnten. Die Drei werden versuchen, so verlustlos wie möglich vorzugehen und so lange werden die wenigsten leiden. Erlaube dir selbst, Ruhe zu finden und Kraft zu schöpfen Ely, bitte.“

Einige Augenblicke sahen die beiden Kinder einander an, bevor das Mädchen schließlich den Kopf senkte.

„Vielleicht hast du Recht, aber ich bin einfach so rastlos“, seufzte sie. „Wie kann ich da Ruhe finden?“

„Einfach ist nicht“, meinte Yokato. „Aber dabei können Jeanne und ich dir helfen. Nebenbei haben wir vielleicht sogar auch endlich die Gelegenheit, unsere Gaben weiter kennenzulernen und einzusetzen lernen.“

Etwas weniger verzweifelt noch als wenige Minuten zuvor nickte das Mädchen und erhob sich. Wenigstens für ein paar Augenblicke schaffte sie es, an etwas anderes zu denken.
 

Seit fast einem Monat lebten die Kinder samt der Armee nun auf ihren Flößen und kam dem Kontinent der Elemente immer näher. Selbst Yokato, der Geduldigste von Allen, war am Ende mit seiner Geduld. Eingeengt auf so wenig Raum gab es keine Möglichkeit, mal ein paar Augenblicke für sich selbst zu haben. Jedes der Kinder hatte die Zeit genutzt, seine Gaben so gut es ging beherrschen zu lernen, doch je länger die Reise dauerte, desto schwieriger fiel es Allen, sich weiter zu konzentrieren. Auch Rai, die ebenso wie Yokato eine schier unendliche Geduld besaß, war mit ihren Nerven am Ende. Ely nörgelte schon seit langem an Allem und Jedem, ob ihr nun der Platz zum schlafen zu hart war, die Wäsche zu feucht oder auch einfach nur, dass niemand in Ruhe baden und sich waschen konnte. Auch Riro und Jeanne erging es kaum besser, auch sie beschwerten sich über Alles. Atoeru, Rai und Yokato ertrugen es zwar schweigend, aber ihnen war deutlich anzusehen und anzumerken, wie genervt sie waren. Bei jedem falschen Wort gerieten sie einander in die Haare, verfluchten einander oder stritten sich lauthals.

„Wir müssen uns Gedanken darum machen, wie wir vorgehen, sobald wir gelandet sind“, sagte Yokato, als die Laune der Kinder einigermaßen erträglich war. „Wir müssen es irgendwie schaffen, die dortigen Digimon auf unsere Seite zu ziehen.“

„Wir teilen uns auf“, rief Ely sofort. „Ich will endlich wieder mal unbeobachtet baden können.“

„Nach all diesen Wochen sollte es dich mittlerweile nicht mehr stören“, brummte Rai, die sich als erstes Mädchen an diese Situation gewöhnt hatte. Zwar hatten die anderen Kinder sich stets bemüht, wegzugucken, während jemand badete, doch das Gefühl, beobachtet zu werden, verging nie.

„Trennen sollten wir uns in jedem Fall“, ging der Samurai dazwischen, ehe die beiden Mädchen sich streiten konnten. „Wir müssen ein möglichst großes Gebiet abdecken und das schaffen wir nicht, wenn wir gemeinsam als Gruppe reisen. Ich bin mir allerdings noch nicht sicher, ob wir die Digimon mitnehmen sollen oder nicht.“

„Jeder von uns sollte eine eigene Leibgarde haben“, warf Atoeru ein. „Den Rest lassen wir an der Küste als Wachen. Damit wecken wir nicht das Misstrauen der Bevölkerung und eventuell nachreisende gegnerische Truppen können hier nicht Fuß fassen und uns einen Hinterhalt legen. Dieser Kontinent dürfte auch so schon gefährlich genug sein.“

„Atoeru hat recht“, sagte Agumon. „Hier auf diesem Kontinent leben viele mächtige Digimon und wenn sie sich angegriffen fühlen, dann verteidigen sie sich. Diesen Angriffen werden wir kaum standhalten können.“

„Aber eine Leibwache hält die Digimon auch davon ab, uns einfach so anzugreifen“, nickte Guilmon. „Außerdem können wir somit bestimmt auch zeigen, dass wir wichtig sind, dann wird man uns eher zuhören als wenn wir heimlich durch die Gegend schleichen.“

„Dann wäre das also beschlossen“, schloss Atoeru. „Läuft jeder alleine weiter oder bilden wir Gruppen?“

„Ich denke, wir sollten uns ganz aufteilen“, sagte Jeanne. „Umso schneller können wir den Rückweg antreten und dennoch möglichst viele Digimon besuchen.“

„Wenn ich die Karten richtig in Erinnerung habe, werden wir nahe des Waldes landen, der hier in der Digiwelt Narn Tathren genannt wird“, überlegte Yokato. „Haben wir Tentomon dabei, mit deren Hilfe wir vielleicht Karten anfertigen können? Je eher wir überlegen, wie wir reisen wollen, desto schneller kommen wir voran.“

„Tentomon haben wir dabei“, nickte Gabumon. „Sie befinden sich auf einem der Flöße, die weiter hinten sind.“

„Ich schwimme los und hole sie“, bot Turimon sich an.

„In Ordnung“, nickte der Samurai. „So lange werden wir überlegen, wann und wo wir uns treffen wollen.“
 

Zufrieden betrachtete Raidon die Armee, die ihm folgte. Mit den Digimon, die ihm unterstellt waren, war er das Gebiet nördlich des Thangordrim, des riesigen Bergmassives, abgereist und hatte mittlerweile nahezu das gesamte Gebiet unter seine Kontrolle gebracht. In dem Monat, den er nun unterwegs war, hatte er nicht eine Schlacht schlagen müssen oder ein Digimon verloren, eine Bilanz, auf die er stolz war. Alleine mit seinen Worten hatte er die anderen Digimon dazu bewegt, sich ihm anzuschließen, eine Fähigkeit, in der er seinen Bruder bei weitem übertrumpfte. Der bösartige Zwilling verstand sich darauf, Reden zu halten und Massen mitzureißen, selbst wenn es bedeutete, dass es in das sichere Ende gehen würde. Einen Teil der neuen Digimon hatte er zum östlichen Ende des Kontinentes geschickt, dort sollten Wachposten errichtet werden um zu verhindern, dass sein Bruder würde unbemerkt auf dem Kontinent landen können. In seinen Augen war es zwar nicht sonderlich wahrscheinlich, dass Yokato sein Glück dort versuchen würde, aber alleine schon deshalb, weil dieses Gebiet kaum dazu reichte, als erste Wahl durchzugehen, könnte Raidon's Bruder auf die Idee kommen, dort zu landen in der Hoffnung, nicht bemerkt zu werden. Der weitaus größere Teil der Digimon folgte ihm und seiner Armee, der Rest blieb in den Dörfern zurück um weiterhin die Ressourcen dieses Landes zu ernten und zu verarbeiten. In dem schier endlosen Wald Taur-im Duinath gab es Pflanzen, aus denen man wertvolle Heiltränke und tödliche Gifte gewinnen konnte, der Junge war sich sicher, dass Sakura besonders die Gifte zu schätzen wissen würde. Zu seinem Bedauern hatte Raidon es nicht einmal ansatzweise geschafft, diesen Wald zu erkunden, er war so gewaltig, dass es einfach zu lange dauern würde. Er hatte sich lediglich die Orte nennen lassen, an denen er Dörfer finden würde, dann war er dorthingereist. Alle anderen Gebiete hatte der Samurai ignoriert, nun befand er sich auf dem Rückweg.
 

Fudo wischte sich grimmig den Schweiß aus dem Gesicht. Der Ninja hatte seine Truppen östlich des Flusses Ladros geführt und Dörfer erobert. Die meisten Dörfer hatten sich der Übermacht gebeugt, doch an vereinzelten Stellen hatte sich erbitterter Widerstand geformt, gerade nachdem er den Digimon das große Ziel erzählt hatte und große Versprechungen geleistet hatte. Doch die Digimon zeigten sich unbeeindruckt und hatten sich ihm entgegengestellt. Insgesamt hatten sich weniger Digimon als erhofft angeschlossen und in den Gefechten hatte er einige verloren. Jeder Widerstand hatte bis zur endgültigen Vernichtung gekämpft, die Furcht vor Deemon musste immens sein, wenn so viele Gegner lieber dem Tod ins Auge blickten als sich zu unterwerfen. Dieser Punkt gab dem Ninja zu denken, denn zwar kannte er die furchteinflößende Gestalt seines Herren, aber er hätte niemals freiwillig den Tod gewählt. Dann jedoch verwarf er diese Gedanken wieder, die wenigsten Digimon konnten seine Willenskraft und Stärke haben, zudem sollte er sich auf die Schlacht konzentrieren. Dass er als Sieger hervorgehen würde, war offensichtlich, doch es gab kein nachgeben des Feindes, keine Kapitulation, nur verzweifelten Widerstand. Grimmig hob der Ninja seine Hand und schleuderte einen Strahl schwarzer Energie auf einige Feinde, die ihm zu nahe kamen. Innerhalb eines Augenblickes lösten die Wesen sich auf, doch die schmerzerfüllten Schreie waren ohrenbetäubend. Wenige Augenblicke später war die Schlacht endlich beendet, überall lösten sich Digimon auf und nach Meinung des Menschen viel zu viele eigene. Seine Hochrechnungen hatten ergeben, dass auf hundert neue Digimon zehn Verluste wegfielen, eine Quote, die dringend gesenkt werden musste. Erschöpft richtete der Junge sich auf und betrachtete die Umgebung. Dieses Widerstandsnest war das Letzte gewesen, das Land östlich des großen Flusses war nun vollständig unterworfen. In der Hoffnung, dass die Anderen erfolgreicher waren, drehte er sich um und befahl einem kleinen Teil der Armee, entlang des Strandes Wachposten aufzustellen, dem Rest befahl er den Marsch zu dem Punkt, an dem sie sich treffen wollten.
 

Westlich des Ladros fluchte Sakura. Anscheinend war hier kein Digimon an einer Gefolgschaft interessiert. Die Meisten wollten einfach nur in Ruhe gelassen werden, der Rest gehörte zu Deemon's erbittertsten Gegnern. Einige Dörfer hatten sich mit einiger Überzeugungskunst dazu bewegen lassen, sich dem Mädchen und den Truppen ihres Herren anzuschließen, die meisten Anderen hatte das Mädchen einfach per Gedankenkontrolle übernommen, doch es gab Digimon, die immun gegen solche Beeinflussungen waren und diese erklärten Sakura umgehend den Krieg. Zu ihrem Bedauern verstanden sich diese Gegner auch auf Kriegstaktiken und machten ihr das Leben schwer. Hätte sie die Commandramon nicht an ihrer Seite gehabt, hätte sie ihre Schlachten wohl bereits verloren. Ihre Stärke waren Intrigen, keine Feldschlachten, auch wenn sie eingesehen hatte, dass ein Abgesandter Deemon's die Gebiete erobern musste. Sehr zu ihrem Missfallen hatte sie auch feststellen müssen, dass es nicht reichte, einfach nur die gegnerischen Kommandanten zu töten, um den Kampf zu gewinnen, die Digimon wollten lieber ihr Leben geben als Deemon zu gehorchen. Mit einem verschlagenen Grinsen dachte Sakura, dass sie den Digimon das Leben, dass sie so bereitwillig gaben, gerne nehmen würde. Während die Schlacht tobte, glitt sie einem Schatten gleich über die Schlachtfelder und meuchelte alle Digimon, die wie Kommandanten wirkten. Ihre Armee indessen fegte wie ein Sturm über die Reihen der Verteidiger hinweg und zeigte keine Gnade. Mit einem Mal endete die Schlacht, auch der letzte Widerständler hatte sein Leben gelassen und das Mädchen versuchte, sich einen Überblick zu verschaffen. Etwa jedes zwanzigste ihrer Digimon war gefallen, eine Quote, mit der sie leben konnte.

„Herrin, das war das letzte Gebiet, dass wir zu erobern hatten“, sagte Candlemon, das Sakura als Leibwache gefolgt war. „Wir können umkehren und uns zum Sammelpunkt begeben.“

„Sehr gut“, nickte das Mädchen. „Bereite die Armee darauf vor, den Rückweg anzutreten, danach will ich so schnell wie möglich den Treffpunkt erreichen.“

Gehorsam nickte ihr Partner und lief dann los, um die Digimon die Befehle zu überbringen.
 

„Land, ich habe Land gesehen“, rief Ely begeistert aus. „Wir sind bald angekommen.“

Schlagartig besserte sich die Laune der Kinder, auch die Digimon sahen so aus, als könnten sie es nicht mehr erwarten, die Flöße endlich zu verlassen.

„Ok“, nickte Yokato. „Jeder bekommt eine Eskorte von fünfzehn Digimon, dann reisen wir los. Dank der Tentomon haben wir einige detaillierte Karten erhalten. Ely reist den Norden des Talanarda'S ab, Riro den Süden. Atoeru und Rai teilen sich das Nenarda auf. Jeanne sucht die Digimon im Naurarad auf und ich reise bis in den Menelarad. Beeilt euch, aber übereilt nichts, jedes Digimon, dass wir für uns gewinnen können, ist ein Gewinn. Nach zwei Monden treffen wir uns wieder hier am Strand, wo wir gelandet sind.“

„Falls ihr die Orientierung verlieren solltet, fragt nach, wie ihr zur Bucht von Balar gelangen könnt“, riet Guilmon. „Laut den Tentomon ist diese Bucht hier sehr bekannt. Hier soll eine gigantische Schlacht stattgefunden haben, in der sich die hier lebenden Digimon von ihren Unterdrückern befreien konnten.“

„In Ordnung“, nickte Atoeru. „Bucht von Balar, das kann man sich sogar noch merken. Wenn wir dann alle bereit sind, würde ich sagen, brechen wir auf.“

„Mögen eure Reise sicher sein und die Pfade klar“, sagte Jeanne und rief ihre Digimon um sich. Dann hob sie ihren Rapier zu einem Gruß und lief gefolgt von ihren Digimon los.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  fahnm
2013-06-09T20:38:53+00:00 09.06.2013 22:38
Spitzen Kapi^^


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