Zum Inhalt der Seite

Küchengeflüster

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Zuschnappende Türen

Kimura Yuu befand sich auf dem Weg zur vereinbarten Haltestelle. Er würde etwas früher dran sein, aber das störte ihn wenig. Satō Hiroki hatte ihn vor ein paar Minuten angerufen und gebeten, Kouya für ihn vom Bahnhof abzuholen, weil er es nicht rechtzeitig schaffen würde. Hiroki klang aufgebracht, weil Kouya früher kommen und mit ihm sprechen wollte, als er es selbst geplant hatte.

Hiroki kommt mit solchen Aktionen schwer zurecht, vor allem, wenn er nur den Part des Reagierenden und nicht den des selbstbestimmt Agierenden inne hat, dachte sich Yuu. So war er schon immer.

„Er ist wohl der geborene Herrscher...“, murmelte Yuu amüsiert vor sich hin, als er den Bahnsteig betrat. Der Zug würde in einer viertel Stunde eintreffen.
 

Yuu dachte an die Person, die er hier gleich treffen würde. Kouya.

Kouya hatte sich während seines Aufenthaltes im Ausland verändert. Es schien, dass sein Selbstbewusstsein und sein Selbstwertgefühl gewachsen waren und er dadurch seinem Leben eine entscheidende Wende gegeben hatte. Yuu mochte den neuen Kouya – mehr noch als den Alten. Er musste lächeln. Der neue Kouya hatte sich mit seinem Auszugsvorhaben Hiroki gegenüber durchgesetzt. Er hatte Hiroki niedergekämpft und das empfand er als eine große Leistung. Nur selten schaffte er es selbst, sich Hiroki gegenüber durchzusetzen.

Hiroki erscheint wie ein unüberwindbarer Berg, aber gleichzeitig bot er denen, die er in sein Herz gelassen hatte, eine nicht zu erschütternde Bereitschaft des Schutzes und der Hilfe an, wie Yuu sie bis heute kaum erfahren hatte. Dafür liebte er Hiroki.

Und Hiroki liebte seinen Bruder. Es fiel ihm ersichtlich schwer, Kouya ziehen zu lassen. Kouyas Veränderung vor mehr als einem Jahr war nicht unentdeckt an Hiroki vorbeigegangen. Irgendetwas schien Kouya in sein Leben integrieren zu müssen, was aber unter den damalig herrschenden Umständen nicht möglich war. So zog er es vor, das Jahr im Ausland früher als geplant zu absolvieren und es gleichzeitig für persönliche Veränderungen zu nutzen. Dieses Unwissen über Kouya und seine derzeitige Verschlossenheit gegenüber der Familie nagte an Hiroki. Er konnte diese Situation kaum aushalten. Von diesem Eingeständnis hatte er Yuu in den letzten Monaten immer wieder berichtet.
 

Yuu selbst hatte ebenfalls mit Zweifeln zu kämpfen. Im Gegensatz zu Hiroki, der seinen Bruder auf geschwisterliche Weise liebte, empfand Yuu mehr für Kouya. Diese Gefühle gingen weit über rein freundschaftliche hinaus. Wann diese Veränderung seiner Gefühle stattfand, konnte er nicht mehr nachvollziehen, aber sein Verlangen, Kouya in den Arm zu nehmen und zu küssen, wuchs mit jedem Tag an. Er dachte, dass dieses Gefühl nicht mehr steigerungsfähig wäre, aber als er Kouya bei der Ankunft am Flughafen sah, musste er schwer schlucken. Sein Herz raste beim Anblick Kouyas. Er realisierte mit einem Mal, wie sehr er ihn vermisst hatte. Er würde ihn nicht wieder gehen lassen. Nicht, bevor er ihm seine Gefühle gestanden hatte.
 

Als sich die Türen des Zuges öffneten, hielt Yuu mit angehaltenem Atem Ausschau nach Kouya. Um diese Uhrzeit, es war kurz nach neun, verließen viele Passanten den Zug, um ihren Weg von der Arbeit nach Hause anzutreten. Es würde ihm schwer fallen, Kouya in diesem Getümmel ausfindig zu machen, doch er hatte Glück. Kouya entstieg dem Zug aus der vorletzten Tür und befand sich somit in Rufweite. Yuu wollte gerade ansetzen, Kouyas Namen zu rufen, als dieser ihn entdeckte und anstarrte. Yuu konnte einfach nur zurückstarren. Er hatte das Gefühl, die Zeit würde stehen bleiben. Alles um ihn herum verschwand. Einzig und allein Kouya schien zu existieren. Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, als plötzlich Kouya vor ihm stand und etwas sagte, was er nicht verstand.

„Äh... Was hast du gesagt?“, stammelte Yuu gedankenverloren.

„Ich fragte, wo Hiroki ist und was du hier machst. Kommt Hiroki nicht...“

Kouya kam nicht dazu, diesen Satz zu beenden, da Yuu ihn an die Hand genommen hatte und ihn hinter sich her Richtung Bahnhofstoilette zog. Überrascht über Yuus ungewöhnliches Verhalten, ließ er sich führen und genoss insgeheim die Berührung ihrer Hände.

Da sich der Bahnsteig genauso schnell leerte, wie er sich füllte, nahm kaum jemand das Verhalten der zwei wahr.
 

Yuu überprüfte, ob sich noch jemand im Raum befand und drängte Kouya anschließend in eine der zwei freien Kabinen. Eh Kouya wusste, wie ihm geschah, presste ihn Yuu auch schon an die Innenseite der Kabinentür, hielt seinen Kopf in beiden Händen und küsste ihn auf den Mund. Kouya hielt den Atem an. Als er realisierte was geschah, versuchte er Yuu von sich zu schieben und ihn zur Rede zu stellen, aber dieser presste sich einfach stärker an ihn und küsste ihn noch fester. Dabei wanderte eine seiner Hände hinunter zu seinem Po, um ihn zu dort massieren, während er gleichzeitig eines seiner Beine zwischen Kouyas schob, um ihn mehr spüren zu können. Kouya konnte Yuus Erektion deutlich an seinem Unterkörper spüren, was ihn vollends verwirrte.

Wieso reagiert er so auf meine körperliche Anwesenheit? Warum drängte er sich mir auf? So plötzlich, wie sich diese Fragen in Kouyas Kopf auftaten, waren sie auch schon wieder verschwunden, als sich Yuu seinen Weg weiter über Kouyas Körper bahnte. Yuus Küsse wanderten von seinen Lippen hinauf zur Stirn. Liebkosten seine Lider und wanderten seitlich zu seinem Ohr. Kouya konnte ein Schaudern nicht unterdrückte. Yuus heißer Atem streifte seinen Hals als er seinen Namen in sein Ohr flüsterte. Kouya bekam eine Gänsehaut. Er wusste, wenn sie jetzt nicht durch irgendwas gestört würden, würde sich seine Gegenwehr im Nichts auflösen. Zu oft hatte er sich ausgemalt, wie es wohl wäre, Yuu zu küssen oder von ihm geküsst zu werden. Natürlich hatte er sich dabei nicht vorgestellt, dass ihr erster Kuss so einseitig und rücksichtslos verlaufen würde. Yuus Verhalten irritierte ihn nicht nur, es bestürzte ihn in erster Linie.

Als hätte jemand seinen innerlichen Konflikt wahrgenommen, war plötzlich die Eingangstür zu vernehmen. Augenblicklich erstarrte Yuu und rückte von Kouya weg. Als Kouya Blickkontakt mit Yuu suchte und fand, musste er schlucken. In Yuus Augen spiegelten sich die unterschiedlichtsten Gefühle und Fragen wider. Neben glühender Leidenschaft fand er Scham, Wut über die Unterbrechung, Angst vor den Folgen und die Frage der Vergebung. Kouya konnte den Blick nicht ertragen und schaute weg.
 

Plätscherndes Wasser war zu hören und anschließend die Eingangstür, als sie zurück ins Schloss fiel. Sie waren wieder allein. Kouya holte tief Luft. Er hatte das Gefühl, er hätte, seit sie die Toilette betreten hatten, die Luft angehalten. Er schaute rüber zu Yuu und wollte gerade etwas sagen, als sich Yuu mit gesenktem Blick sanft an ihm vorbeischob, um die Kabine zu verlassen.

„Ich warte draußen im Auto vor der Station auf dich. Hiroki hat mich gebeten, dich nach Hause zu fahren, weil er nicht rechtzeitig hier sein konnte, um dich abzuholen. Er wartet daheim auf dich.“

Mit diesen Worten verließ Yuu die Toilette. Kouya hörte ein zweites Mal die Eingangstür ins Schloss fallen und lehnte sich erschöpft an die Kabinenwand. Er konnte nicht glauben, was da eben passiert war. Er schloss die Augen und verharrte ein paar Minuten.
 

Er trat aus der Kabine und stellte sich ans Waschbecken. Er ließ kaltes Wasser über seine Hände laufen und schaute sich dabei im Spiegel an. Aus dem Spiegel blickten ihm ratlose grüngraue Augen entgegen. Er fuhr sich mit den nasskalten Händen übers Gesicht und anschließend durch die rotbraunen kurzen Haare. Er dachte an Yuu und seine Berührungen. Augenblicklich schoss ihm die Röte ins Gesicht und er musste sich bemühen, nicht aufzustöhnen. Er wollte mehr, er war sich seiner Gefühle sicher. Und Yuu? Er wusste überhaupt nichts mehr über ihn, obwohl er meinte, alles über ihn zu wissen. Dieser neue Yuu überraschte ihn, erregte ihn, aber gleichzeitig ängstigte er ihn auch.

Wie soll ich ihm jetzt nur gegenübertreten?, fragte sich Kouya und verließ die Toilette.
 

Als sich Kouya in das Auto setzte, erleichterte ihm Yuu die Situation, indem er das Radio einschaltete. Ein aktueller Popsong erfüllte das Auto und ließ damit keinen Raum für ein Gespräch. Sie fuhren schweigend zum Familiensitz der Satō. Yuu konzentrierte sich auf das Fahren und Kouya schaute aus dem Beifahrerfenster.

Einige Minuten waren vergangen, als plötzlich Yuus Handy klingelte. Kouya nutze die Gelegenheit um kurz zu Yuu rüber zu schauen. Sein Blick blieb an Yuus Lippen hängen, als dieser sich am Handy meldete. Ihm wurde heiß. Als Yuu unerwartet in seine Richtung sah, drehte er schnell seinen Kopf weg, um nicht ertappt zu werden. Er lauschte dem Gespräch. Hirokis Name fiel, also schien er der Anrufer zu sein.

„Ja. Wir sind schon auf dem Weg. Wir werden noch ein paar Minuten brauchen, obwohl der schlimmste Verkehr schon vorüber ist. Ach so. ... Hm. ... Du bist selbst gerade auf dem Weg. Verstehe. Soll ich dich irgendwo abfangen?“

Bloß nicht..., dachte Kouya, der es jetzt nicht ertragen würde, gleichzeitig mit beiden in einem Auto zu sitzen.

„Gut. Dann sehen wir uns gleich. Ja, werde ich ihm ausrichten. Bis gleich.“

Yuu legte das Handy an die Seite und schaute kurz zu Kouya rüber, der noch immer aus dem Fenster schaute.

„Das war Hiroki. Ich soll dir ausrichten, dass er etwas zu Essen geholt hat und sich auf deinen Bericht über die WG-Besichtung freut. Er wird wohl gleichzeitig mit uns ankommen.“

Kouya blieb still. Yuu schaute erneut zu Kouya, bevor er an der Ampel rechts abbog.
 

Er konnte noch immer nicht verstehen, wieso er das getan hatte. Er hatte sich Kouya in einer Toilette aufgedrängt. Ganz, wie aus einem schlechten Film. Er hasste sich dafür. Und Kouya musste ihn erst recht dafür hassen, ganz zu schweigen von Hiroki, sollte er es je erfahren. Er hatte Kouyas Vertrauen ausgenutzt. Was war nur in ihn gefahren? Wieso konnte er nicht die Kontrolle behalten? Er dachte zurück an die Situation in der Toilette, an sein aufkommendes Gefühl, als er Kouyas Lippen mit den seinen berührte, an Kouyas Stimme, an seinen an eigenen Körper, der sich an Kouyas presste, die Hitze, das Kribbeln...und an Kouyas Wegschauen. Der Gedanke daran ließ ihn verzweifeln. Er hatte alles unnötig verkompliziert, und sich damit wohl selbst aller Chancen beraubt. Nicht, dass er dachte, er hätte eine bei Kouya gehabt, aber er wollte ihm zumindest seine Liebe auf eine einfachere und rücksichtsvollere Art gestehen. Die Situation eben war alles andere als ein gefühlvolles Geständnis, sondern eher eine Gewalttat. Er konzentrierte sich wieder auf die Straße und bog in die letzte zum Sitz führende ein. In etwa zwei Minuten wären sie da. Yuu schaute nochmals in Kouyas Richtung, aber dieser schien seine Umgebung völlig zu ignorieren. Er unterdrückte ein Seufzen und wartete auf das Ende ihrer gemeinsamen Fahrt.
 

Als Yuu seinen Wagen vor der Residenz der Satō zum Halten brachte, sah er im Rückspiegel die Scheinwerfer eines weiteren ankommenden Autos, das in der Einfahrt des Hauses einparkte. Hiroki öffnete die Fahrertür und stieg aus. Er schaute in ihre Richtung und kam auf das Auto zu.

Kouya rührte sich als erster und verließ das Auto ohne ein Wort an Yuu. Er ging auf seinen Bruder zu, sagte etwas und verschwand anschließend im Haus. Hiroki schaute ihm kurz irritiert nach, bevor er zu Yuu ging, der das Auto inzwischen auch verlassen hatte.

„Hey, was ist denn mit Kouya los? Du hast am Telefon gar nicht erwähnt, dass er sich nicht wohl fühlt und lieber erst einmal ein Bad nehmen möchte. Das gemeinsame Gespräch hat er auf morgen verschoben. Dabei hatte ich das Gefühl, dass es ihm total wichtig wäre, als wir vorhin miteinander telefonierten. Und essen will er jetzt auch nichts. Der bringt mich noch ins Grab mit seinen Stimmungsschwankungen. Kommst du noch mit rein und isst mit mir den mitgebrachten Imbiss?“

Yuu schaute kurz zum Haus rauf und anschließend zu Hiroki, der ihn erwartungsvoll anschaute. Nichts lieber würde er tun, als sich im gleichen Haus wie Kouya aufzuhalten, um ihn vielleicht heute Abend noch einmal sehen zu können, aber er entschied sich anders.

„Tut mir leid Hiroki, aber ich habe noch etwas anderes vor. Wenn du mich also entschuldigst. Wir sehen uns morgen.“

Ohne auf Hirokis Antwort zu warten, stieg Yuu zurück ins Auto und fuhr davon. Hiroki blickte ihm nach und fragte sich, was hier los war. Selten hatte er Yuu so gedankenverloren und kurz angebunden erlebt. Er rätselte, ob sich Kouya und Yuu vielleicht gestritten hatten, was er sich aber nur schwer vorstellen konnte, da Yuu genau wie er, total vernarrt war in Kouya und keinen Streit zwischen sich duldete.

Hm, falls sie sich doch gestritten haben, will ich wissen warum, dachte Hiroki. Das Verhalten der beiden ließ ihm keine Ruhe. Er drehte der Straße den Rücken zu und ging mit der Hoffnung zum Haus, dass Kouya zu einem späteren Zeitpunkt vielleicht noch reden würde, nicht nur über seine Besichtung, sondern auch über den möglichen Konflikt mit Yuu.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2008-08-24T18:55:50+00:00 24.08.2008 20:55
So damit das hier mal einen Anfang nimmt! Ich fand das Kapitel unheimlich toll, vor allem die Szene im Bahnhofsklo, war richtig abgefahren.
Kann man nur hoffen, das sich die beiden zusammenraufen. Wäre ja schade wenn nicht!
Also bitte fix weiterschreiben!

LG
Zuckerschneggsche


Zurück