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The Resurrection of Hyperion

Final Fantasy Ⅷ –
von

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A new Companion

Nicht nur Cifer Almasy war auf dem Weg, um Ellione zu finden. Die SEEDs weiteten ihr Suchgebiet nun auf den nächsten Kontinent aus. Während der gescheiterte Hexen-Ritter jedoch auf eigene Faust unterwegs war, ohne seine Freunde darüber in Kenntnis zu setzen, teilte Squall seine Kameraden in drei Gruppen, die sich auf ganz Galbadia verstreuten.

Selphie Tilmitt und Irvine Kinneas hatten sich das Lallapalooza-Tal im Süden vorgenommen. Zu ihrem Aufgabenbereich zählte auch das Bezirksgefängnis D, das sie beide nur zu gut kannten, nachdem man sie und die anderen nach dem Attentat auf die Hexe Edea dort eingesperrt hatte. Ursprünglich hatte Squall begründeten Einspruch gegen den Wunsch der beiden erhoben, Gruppe C unter dem Pseudonym [Chocobo] zu bilden, denn ihm schwante, dass sie sich nicht würden auf die Mission konzentrieren können, wenn sie unter sich waren, aber Rinoa hatte wieder einmal das letzte Wort gehabt. So kam es, dass die zwei sich zwar auf die Reise machten, aber doch nur eines im Kopf hatten: Ihren Teamkollegen. Sein verschmitztes Lächeln, während sie ihn heilte, ihr süßes Grinsen, nachdem er ein Monster niedergeschossen hatte, kurz bevor es sie hatte attackieren können… Selphie und Irvine sahen sich weniger auf einer Mission denn inmitten eines bezaubernden Rendezvous, das Squall für sie arrangiert hatte.

Xell Dincht und Quistis Trepe, die nach Deling City unterwegs waren, fanden das Ganze nicht so blumig: Die Ausbilderin war bemüht, sich in die Suchaktion zu vertiefen, aber ihr ehemaliger Schüler brachte sie wieder und wieder aus dem Konzept mit seiner Besessenheit, sich über den Namen ihres Teams aufzuregen.

„Mogry!“, spuckte er tief gekränkt. „Mogry! Warum hat Squall uns ausgerechnet den Decknamen [Mogry] gegeben? Ein Mogry ist so ein schwaches Monster!“

„Es ist kein Monster, es ist ein Maskottchen“, korrigierte Quistis ihn mit strapazierten Nerven.

Xell sah sie völlig verzweifelt an. „Das wird ja immer schlimmer!“

„Stell dich nicht so an, Xell. Es ist doch nur ein Name.“

„Jahaaaa~! Ein Name, der uns in der Öffentlichkeit repräsentiert!“

Die blonde Schönheit, welche im Balamb-Garden von einem eigenen Fan-Club gestalkt wurde, pustete ein Seufzen der Resignation aus. Sie hatte nichts gegen Xell, aber lieber wäre es ihr doch gewesen, mit dem Anführer der SEEDs loszuziehen.

Der und sein Teampartner waren vollkommen bei der Sache. Sie mussten auf die Monster Acht geben, welche seit der jüngsten Träne des Mondes deutlich stärker geworden waren, und wechselten deswegen kaum ein Wort miteinander. Auch sie hatten immense Erfahrungen gesammelt; ohne Shiva und Leviathan jedoch wären sie aufgeschmissen gewesen, ermöglichten es doch erst die G.F., dass sie Zauber verwenden und koppeln konnten, um stärker zu werden. Rinoas Freundin Angel unterstützte sie tatkräftig, indem sie für die Heilung sorgte, nützliche Gegenstände aufspürte und so manchen Gegner mit dem Angel-Strike umlegte. Squall registrierte, dass sich die Zusammenarbeit von Hündin und Frauchen langsam, aber sicher perfektionierte: Immer besser gelang es Rinoa, das Tier gezielt herbeizurufen und auch zu entscheiden, was in welcher Situation angebracht war. Und standen sie dann doch einmal einem gefährlicheren Feind gegenüber, verwendete Squall sein [Multi], um ihm schnell den Garaus zu machen.

„Hast du mal darüber nachgedacht, an der SEED-Prüfung teilzunehmen?“, kam Squall nicht umhin, sie zu fragen, nachdem sie sich des ungezählten Thrust Avis’ entledigt hatten.

Einen Augenblick lang starrte Rinoa ihn förmlich schockiert an. Als er sich gerade nach ihrem Wohlbefinden erkundigen wollte, entspannte sich ihr hübsches Gesicht und sie lachte. Squall bemerkte, dass er dieses Lachen bereits vermisst hatte.

„Was ist?“

„Du fragst deine Freundin, ob sie dem Militär beitreten möchte?“, wiederholte sie seinen Vorschlag, als hätte er ihr angeboten, dass sie für ihre Freunde zusammen ein Kaspertheater vorbereiten könnten.

„Ich bin auch SEED. Was ist falsch daran?“, wollte er ehrlich wissen.

„Ohhh, Squaaaall~…“ Ihre Gesten nahmen ausschweifenden Charakter an, und sie näherte sich ihm, als würde sie auf Wolken spazieren. „Du setzt deine Freundin leichtsinnig der immer bestehenden Gefahr eines Söldnerdaseins aus? Du lässt deine Freundin in entfernte Länder abkommandieren? Du bestehst darauf, dass sie kämpft und Kriege führt? Mir scheint, ich habe noch eine Meeeenge Arbeit vor mir…“

„Halt“, warf er dazwischen und war derart ernst geworden, dass es Rinoa an den alten Squall Leonhart erinnerte. „Wenn dich hier irgendjemand einer ständigen Gefahr aussetzt, dann bist du das selbst, Rinoa! Du hast darauf bestanden, uns SEEDs zu begleiten! Außerdem habe ich nur deine Kampffertigkeiten gelobt… Das ist alles.“

Freudig schüttelte sie ihre Hand zur Beschwichtigung. „Nun spiel doch nicht gleich die beleidigte Bratwurst, Squall, ich mache doch nur Spaß! Aber wie wär’s, wenn du – statt meiner… "Kampffertigkeiten", wie du sagst – einfach mal mein Aussehen lobst? Oder sagst, was für eine tolle Freundin du hast und dass du glücklich bist, mit ihr zusammen sein zu dürfen?“

Seine Stimme gab sich gewohnt unbeteiligt. „Ich dachte, so etwas fühlt der Partner. Erwartest du echt von mir, dass ich dir andauernd sage, wie toll du bist und dass ich froh bin, dich zu haben?“

Sie hatte ihn erreicht. Ihre Hände umfassten die seinen, die sich in Handschuhen verbargen. Dann legte sie den Kopf zurück, um ihn anlächeln zu können. „Nein, Squall, natürlich nicht“, lenkte sie sanft ein. „Früher habe ich Worte gebraucht, an die ich mich klammern konnte. Oft waren Worte alles, was mir blieb, wenn die Leute, die ich kenne und kannte, mir Schnarchnase mal wieder vorausgelaufen sind. Aber dann kamst du… und – ohne viel zu sagen – hast du meine Hand genommen und mich mit dir gezogen. Ich bin dir dafür so dankbar, dass selbst mir kein Wort einfällt, mit dem ich diese Dankbarkeit dir gegenüber angemessen ausdrücken kann. Aber vielleicht kann ich’s ja in Taten, so wie du.“

Sie küsste ihn lang und intensiv.
 

Reflexartig schloss Cifer die Augen, als der Zug aus dem Unterwassertunnel zurück an die blendend helle Oberfläche des galbadianischen Kontinents gelangte. Ohne Geld für eine Fahrkarte hielt er sich notgedrungen im Vorraum auf, hatte in der Schwärze der Unterführung die misstrauischen Augen des Schaffners sich im Fenster spiegeln gesehen, wurde jedoch nicht einmal von ihm angesprochen. Er wusste, dass diesen Mann weniger die mögliche Anwesenheit eines Schwarzfahrers beschäftigte als die eines Mörders, eines Massenmörders. Noch schien er sich nicht sicher zu sein, ob er tatsächlich Cifer Almasy, den Ritter der unheilbringenden Hexe Edea, vor sich hatte, und Cifer hoffte, dass die Ungewissheit ihn solange zügelte, bis der verfluchte Zug sein Ziel endlich erreicht hatte.

Da das Licht des warmen Nachmittags über dem Rosfohl-Areal die Fenster wieder durchsichtig machte, konnte er den skeptischen Kerl hinter sich ausblenden. Stattdessen wandte sich seine Aufmerksamkeit dem Mobiltelefon zu, welches er hielt, unentschlossen, ob er ihnen doch eine Nachricht hinterlassen sollte. Er wollte die Geschwister da nicht wieder mit hineinziehen. Würde eine Nachricht sie heraushalten? Würde keine Nachricht sie heraushalten?
 

„Geh zurück!“
 

Er trat in eine vollkommene Dunkelheit. Als er es vor wenigen Minuten verlassen hatte, war es noch ein edel möbliertes, langweiliges Direktorat gewesen. Alles, was jetzt der gähnenden Schwärze nicht zum Opfer fiel, bestand in einem Gebilde aus weiß leuchtenden Seidenstreifen, das an ein dichtes Spinnennetz erinnerte. Die Hexe lag in dessen Mitte. Offensichtlich fühlte sie sich bereits ganz wie zuhause.

„Edea, meine ehrwürdige Herrin“, sprach er mit einer Ergebenheit, die seiner Stimme noch fremd war. „Der Direktor des Gardens hat denselbigen soeben verlassen, so wie Ihr es wünschtet. Euer Euch untertäniger Ritter erwartet seine nächste Anweisung.“

Doch die Hexe antwortete nicht.

„Herrin.“ Er begab sich auf das Knie. „Eure Antrittszeremonie wurde von großem Erfolg gekrönt. Das Volk liegt Euch zu Füßen. Was den kleinen Zwischenfall betrifft, so seid gewahr, dass seine Verursacher ihrer gerechten Strafe zugefügt werden. Seid Ihr zufrieden gestellt, ehrwürdige Edea?“

Noch immer verschluckte die Finsternis seine Worte.

„Warum schweigt Ihr?“, fragte er, eine Nuance fordernder. Es kostete ihm Aufwendung, sich zurückzuhalten. „Habe ich es nicht verdient, durch den Klang Eurer Stimme wenigstens einen kleinen Teil des Lohnes zu erfahren, den Ihr mir verspracht? Wenn ich etwas getan haben sollte, das Euer Missfallen erregt hat, so lasst mich darüber nicht im Unklaren, damit ich meinen Fehler korrigieren kann.“

Sie strapazierte ihn durch anhaltendes Schweigen.

„Edea.“

Dann – endlich – ein langes, tiefes Seufzen, das ihm einen ungewohnten Schauer durch den Körper jagte. Erst jetzt nahm er zur Notiz, dass sie schlief.

„Edea…“

Es war das erste Mal, dass er Zeuge ihrer Menschlichkeit wurde. Nun, wo sie ihn überraschend konfrontierte, sah er ein, dass er sie ihr vorher gar nicht zugetraut hatte, obwohl es doch nur natürlich war, dass sie nach all den Ereignissen sehr erschöpft sein musste. Er war ihr nicht mehr böse. Er war ihr nicht mehr böse, wie man auch einem Kind nicht böse sein kann, das einer zu großen Erwartung nicht entsprechen konnte. Im Gegenteil: Ein erhebendes Gefühl wallte in ihm auf, da er sie so schutzlos und zerbrechlich vor sich ruhen ausmachte. Seine Hände hatten ihr Vertrauen empfangen, das Vertrauen der geheimnisvollen, unberührbaren Botschafterin Galbadias, der Hexe Edea. Sie hatte ihn als ihren Ritter anerkannt.

Mit dieser Erkenntnis stand er auf und wagte sich in die schlundtiefe Dunkelheit vor, die sie umschloss wie ein der gesamten Welt misstrauender Vater.

„Ich werde über Euren Schlaf wachen.“

Nicht frei von Erstaunen erreichte er ihr ungewöhnliches Lager und legte seinen Blick auf sie. Das Empfinden des Stolzes ließ nicht nach; es wuchs und wuchs und pulsierte bald in seinem Leib wie ein einziges großes, schwarzes Herz. Sie schlief – Edea schlief tatsächlich. Nicht allein das sanfte Gewicht ihres Vertrauens übte Druck auf seine Hände auf – nein – Edea selbst hatte sich auf seine Arme begeben, deren langjähriges, eifriges Training augenblicklich seinen Sinn gefunden hatte, sein Ziel.

Sie war außerordentlich schön.

„Edea“, hauchte er, fasziniert und nicht registrierend, wie nahe er ihr bereits gekommen war.

„C… Ci…?“ Aus ihrem Mund schien der Winter zu atmen.

„E-Edea…“ Auf einmal nahm er die geringste Bewegung ihres wirklich außerordentlich schönen Antlitzes wahr. Wie das Blut durch ihre blauen Äderchen floss. Wie ihre dichten Wimpern über dem dunklen Grund ihrer gesenkten Lider zuckten. Wie ihre vollen Lippen sich sanft schlossen und gleich darauf wieder lösten, um einen weiteren kühlen Atemzug auszustoßen.

„Cccccc…“

„Ich bin hier“, flüsterte er überwältigt. „Ich bin bei dir, Edea…“

Und dann schmeckte er den Winter hinter ihren Lippen. Ihre Hände fanden sein Haar, seine Halt an ihrem Seidenthron und sein Mund den ihren. Die Konsequenz dessen war nicht von dieser Welt. Sein komplettes bisheriges Leben war schlagartig jeglicher Bedeutung beraubt; seine Zukunft sprengte den Eisenmantel der Sorgen und die Krone der Zuversicht von sich; Zeit zählte nicht mehr. Alles wurde ein Moment, während die Gedanken und Gefühle unversiegbar aus ihm strömten, während er dieses banale Mund-auf-Mund unternahm, welches sich gleichzeitig herausstellte, eine unvorstellbar mächtige Magie zu beherbergen. Er verschrieb sich ganz dem Verlangen, der Sucht, dem Existenzgrund, ihr Inneres zu entdecken, einzunehmen, zu beherrschen und in ihr das zu finden, das ihre Zuneigung, ihre Liebe, ihre Abhängigkeit zu und von ihm bewusst, intensivieren, ewig werden ließ. Edea stöhnte gegen seine Lippen, streckte sich gegen seinen Körper, und die leise Scheu, warnend an ihm zupfend, sah sich gezwungen, mehr und mehr zurückzuweichen.

Ein Hauch von Kirschblüten.

Ein Stück Sommer.

Wieso musste er jetzt an [sie] denken?

Nun war sie ihm untertan. Er war es, der die Magie wirkte, welche sie zuvor angewandt hatte, gegen jene sie als Empfängerin jedoch offensichtlich machtlos war. Als er die Augen öffnete nach diesem Moment der Ewigkeit, sah er sie an dem unbeschreiblichen Genuss leiden.

„Ccc… Ci…“, seufzte sie flehend. „[Cid]… Rette mich…“

Er kannte die Stimme.

Dann war der Moment vorbei. Ohne einen Schatten zu besitzen, ließ er Cifer perplex auf dem kühlen Grund hockend zurück und sich fragen, was in ihm geschehen war, derweil Edea sich, Odins Gemahlin gleich, von ihrem Thron erhob und mit erkalteter Miene auf ihn herabblickte.

„Leite den Abschuss der Raketen ein“, befahl sie ihm, bar jeder Spur ihres vorangegangenen Schlafes. „Die Ziele sind die beiden Garden.“

Er schob die Lippen fest aufeinander, von denen die letzten Kristalle ihres Winters glitten, und ließ sich nichts anmerken.

„Anschließend wirst du dich zu den gefangenen Attentätern begeben und sie nach der [Wahrheit über die SEEDs] fragen.“

Die Wahrheit über die SEEDs? Welche Wahrheit?

Cifers Stimme bebte, als er antwortete: „Jawohl, ehrwürdige Herrin.“
 

«Nächster Halt: Bahnhof Timbeeeer! Nächster Halt: Bahnhof Timbeeeer!»

Cifer schlug die Augen auf und wischte die Hand des Schaffners fort, welche ihm bedrohlich nahe gekommen war. Überrascht, aber noch immer mit diesem skeptischen Ausdruck im Gesicht stolperte der Mann zurück. „Tut mir Leid. Ich wollte nur sehen, ob alles okay mit Ihnen ist.“

„Schieben Sie Ihre Aufmerksamkeit anderen Leuten in den Arsch“, blaffte er ihn an und erhob sich. „Sie nerven.“

Der Zug verlor an Fahrt. Den Schaffner warnend anblitzend, begab sich Cifer auf den Bahnsteig der kleinen Stadt, welche ihm keineswegs unbekannt war. Timber – zur Zeit Präsident Delings noch Provinz – hatte vor knapp einem halben Jahr seine Unabhängigkeit bekannt gegeben. Seitdem florierte es. Die Rebellengruppen hatten sich aufgelöst, und wenn es heute jemanden gab, der das Timber Maniacs-Gebäude oder die TV-Station stürmte, dann waren es Touristen. Er fragte sie, ob sie möglicherweise einer jungen Frau, die auf Elliones Beschreibung passte, begegnet waren. Nur einer meinte sie in Richtung der örtlichen Kneipe laufen gesehen zu haben, doch dieser gewaltige weibliche Omnibus, der gerade vor dem "Aurora" parkte und sich ernstlich zu wundern schien über die skandalös kleine Tür, durch welche er nicht passte, war ganz gewiss nicht die Person, nach der er Ausschau hielt.

Zum Trost kam er eben rechtzeitig, um einem kleinen Spektakel beizuwohnen: Angekündigt von gedämpften Schimpfwörtern hinter der Wand flog die Lokaltür auf und ein Mann gleich im hohen Bogen hinaus; der landete auf dem menschlichen Bus, der sich bereits zum Abgang gewendet hatte, und riss ihn doch glatt um! Die Frau räkelte sich auf dem Boden wie ein Adaman Taimai auf seinem Panzer, derweil der andere ungeschickt zurück auf die Füße fand und Entschuldigungen auf sie niederhageln ließ. Ihre Augen sprühten so etwas wie Mordlust, sie wirbelte bereits mit der Handtasche herum, doch kam sie einfach nicht hoch. Aber so schusselig der Kerl war, half er ihr – ganz Gentleman – auf und kassierte zum Dank seine verdiente Heckenschlangenlederhandtaschenfeige.

Und da meinte Cifer, ihn zu kennen.

Er wartete, bis der aufgebrachte Bus Empörungen zischend an ihm vorbeigefahren war, ehe er die restlichen Stufen überwand und den Mann mit dem kurz geschnittenen, rabenschwarzen Haar, den gräulichen Lippen und der unverkennbaren langen Nase erreichte, der ihm zum ersten Mal nicht in galbadianischer Uniform gegenüberstand.

„Hagen Wedge!“, rief Cifer in einem militärischen Befehlston. Und er amüsierte sich prächtig darüber, wie dieser sogleich seine Wirkung entfaltete: Der schmächtige Soldat schoss in die Höhe, stand still und antwortete lautstark: „Sir! Ja, Sir!“ Dann erst begann er sich zu wundern. „Herr Kommandant?“

„Herr Unterstaubwedel?“

Offensichtlich fürchtete sich Wedge beinahe vor einer Korrektur. „Ähhh… Eigentlich heißt es ja Unterfeldwebel.“

„Dann degradiere ich dich eben.“

„A-aber das können Sie nicht!“

„Wieso nicht?“

„Weil… weil…“ Wedge ließ die Schultern hängen. „Weil Biggs immer vor mir degradiert wurde.“

Er und Biggs waren ein Team gewesen und nur zusammen zu gebrauchen. Ob Niederlagen, Demütigungen, Gehaltskürzungen oder Degradierungen – die beiden hatten einfach alles geteilt. Sie waren auch zur selben Zeit aus der Armee getreten. Doch nun war Biggs Galbadias Präsident und Wedge offenbar ein Nichts – wenn er das nicht schon vorher gewesen war.

„Aber ich bin erleichtert, Sie in so guter Verfassung wiederzusehen!“, teilte Wedge ihm mit und salutierte elanvoll. Die Erinnerungen, welche ihm daraufhin durch den Kopf zogen, ließen ihn ein weniger kräftiges „…glaube ich“ hinzufügen. Cifer Almasy hatte sich nicht selten auf seine Kosten hin lustig gemacht.

„Schluss damit“, wehrte der seine respektvolle Geste verstimmt ab. „Ich bin kein galbadianischer Befehlshaber mehr.“

„Oh…“

War da ein Hauch von Bedauern in Wedges Stimme zu hören?

„Gestatten Sie mir die Frage, was Sie derzeit tun.“

„Abgelehnt.“ Cifer wandte sich zum Gehen.

„Sie sind nicht mehr mein Kommandant“, hielt der Ex-Soldat ihm ungewohnt erwartend vor.

„Stimmt.“

„Also antworten Sie mir! …Bitte.“

„Ich tätige Gelegenheitsjobs.“

„Klingt spannend!“

„Ist es aber nicht.“

„Sorry. Ich wusste nicht, was ich sonst dazu hätte sagen sollen“, gab Wedge aufrichtig zu.

„Niemand hat erwartet, dass du etwas dazu sagst“, wies er ihn zurecht. „Erkläre mir lieber, weshalb einer wie Biggs Präsident werden konnte und warum du nicht mehr in seiner Nähe herumhängst.“

Wedge zuckte mit den Schultern. „Na ja… So genau weiß ich das auch nicht. Galbadia hatte halt keinen Präsidenten mehr…“

„Und da nehmen sie den Ersten, der ihnen entgegenläuft, oder was?“, drängte er ihn, klarer zu werden. „Kein Wunder, dass ein Arsch wie Deling auf Lebenszeit gewählt werden konnte. Hauptsache irgendeinen Idioten, der herrscht.“

Der Galbadianer schüttelte beschwichtigend die Hände. „Nein. Ich glaube, sie haben aus Präsident Deling gelernt.“

„Gelernt?“, höhnte Cifer trocken. „Gleich darauf haben sie sich der Hexe unterworfen. Und als Artemisia Edea mal eben ersetzte, hat auch niemand Fragen gestellt. Jetzt dieser Biggs. Der hat ja nicht mal über den Sendeturm regieren können!“

„Aber er ist besessen davon, das Land, in dem er aufgewachsen ist, vor seinem Untergang zu retten“, hielt Wedge etwas zaghaft dagegen. „Sie können sich nicht vorstellen, was er alles unternommen hat, um Galbadias drohendes Schicksal abzuwenden! Ich hab’ ihn nicht wiedererkannt!“

„Und weshalb bist du nicht mit ihm gegangen?“

„Ich hielt es einfach für eine dumme Idee“, erklärte Wedge schlicht und hob hilflos die Arme. „Wie sollen zwei Hohlköpfe wie wir denn einen so großen Staat leiten? Das können wir doch gar nicht!“

„Na klar. Das leuchtet mir natürlich ein“, kommentierte Cifer es nicht ohne Spott.

„Sie trauen es uns ja auch nicht zu!“, bemerkte er es und hauchte ein trauriges Stöhnen. „Jetzt fehlt er mir jedoch. Eine Weile lang hab’ ich mich sogar ganz stark gefühlt, weil ich endlich einmal jemandem meine eigene Meinung gegeigt habe, aber dann kam schnell die Erkenntnis: Ich bin nicht sein Dienstkamerad – ich bin sein Freund. Es war meine Aufgabe, ihn zur Besinnung zu bringen oder – wenn das nicht klappt – wenigstens an seiner Seite unterzugehen. Doch stattdessen bin ich einfach abgehauen.“

Auf einmal musste der Gun-Blader an Fu-Jin und Rai-Jin denken.

„Jetzt finde ich keinen Zugang mehr zu ihm. Er will mich nicht sehen wegen diesem Streit, den wir damals hatten, und ein minderwertiger Soldat wie ich wird da ja auch nicht einfach reingelassen.“

Vollkommen verzweifelt warf Wedge sich auf den Untergrund, stöhnte und jaulte wie ein Schlosshund. Er hob die Hände zum Himmel, als wollte er eine besonders mächtige G.F. beschwören, ließ allerdings nichts Außergewöhnliches passieren und heulte selbst so schrill wie die G.F. Siren, bevor er mit flüchtender Stimme in sich zusammensank und nahezu entspannt ausatmete. Der Verkäufer des Item-Shops und einige Kneipenbesucher bedachten das mysteriöse Ritual des Betrunkenen mit großen Augen.

Der schaute auf. „Komman… Herr Almasy?“ Er ließ den Blick herumschwenken. „Herr Almaaasy!“

Alles, was er noch von "Herrn Almasy" zu sichten bekam, war der Rand des wehenden Mantels, der sich immer weiter von ihm entfernte.

„So warten Sie doch!“

Auf unsicheren Füßen trippelte Wedge die Treppe hinauf und stürzte gegen den Rücken seines einstmaligen Kommandanten, der ihn sofort von sich stieß.

„Sie wollen schon gehen?“

„So sieht’s aus.“

Abrupt hatte der arbeitslose Soldat beschlossen, ihn zu begleiten. Nur war ihm noch nicht klar, wie er ihn dazu überreden konnte. Er brauchte Cifer. Denn der kam überall rein, und vielleicht auch in den Präsidentenpalast. Unglaublicherweise half ihm gerade die Tatsache, längst nicht mehr auf dem neuesten Stand zu sein und manchmal alles durcheinander zu bringen, hier weiter: „…Sie suchen doch dieses Mädchen?“

Es war Zufall, dass Biggs’ und Wedges letzter großer Auftrag vor ihrem Ausstieg dem jetzigen Ziel Cifer Almasys derart ähnlich war. Zum ersten Mal, seit sie sich wiedersahen, schenkte der junge Mann ihm echtes Interesse.

„Ich glaube, ich weiß, wo sie ist.“

„Und warum rückst du erst jetzt damit raus?“, verlangte Cifer mit verärgertem Argwohn zu erfahren.

„E-esssss… ist mir gerade erst wieder eingefallen!“, log er schwach, aber es schien zu genügen.

„Nun: Wo ist sie, deiner dürftigen Erinnerung nach?“

„Ich habe sie erst kürzlich gesehen! Da ist sie gerade in einen Zug Richtung… Richtung [Hauptstadt] gestiegen! Genau! Ja! So war es!“

„Deling City also.“

„Ja! Ganz genau! [Deling City]! Richtiiiiiig! Vollkommen korr…!“

„Maul halten, Wedge.“

„Oh. Okay. (Nehmensiemichdannmit?)“
 

„Nicht nach Deling City! Geh zurück!“
 

Verwundert sah Wedge auf, als sein Vorgesetzter eine Hand vor die Augen presste. „Geht es Ihnen nicht gut?“, fragte er ihn besorgt. Er war zwar Soldat, als Mensch jedoch stets um die Gesundheit anderer bekümmert, auch wenn er sie nicht immer ausstehen konnte.

„Ich ärgere mich gerade nur über deine Dummheit“, antwortete Cifer ausweichend.

„’Tschuldigung“, kam es gemurmelt.

„Erspar mir deine lästigen Entschuldigungen.“

„Oh, ’Tschuldigung.“

Der vernichtende Blick zwang Wedge zum augenblicklichen Verstummen. „Du wirst mich begleiten“, befahl Cifer ihm schließlich.

„Meinen Sie das ernst?“

„Todernst. Denn das wirst du sein, wenn wir sie dort nicht finden.“

„T-tot oder… oder ernst?“, hakte er mit einem flimmernden Hoffnungsschimmer nach.

„Tot“, plättete Cifer diesen kurz und hart. „Was natürlich voraussetzt, dass du die Monster bis dahin überlebst.“

Wedge stemmte die Fäuste in die Luft. „Das werde ich! Denn auch ich habe ein Ziel vor Augen, eine Mission! Dann hält mich nichts mehr auf!“
 

KABUMM!

„Engel…“

Zwei federnde Schwingen hoben den gefallenen Körper hinauf und erweckten dessen Geist aus seiner Ohnmacht. Dennoch spürte Wedge noch immer schmerzhaft die Verbrennungen der ganzen üblen Feura-Attacken der ausgesprochen fiesen Heulechse, die ihrem Namen alle Ehre machte: Der Kampf war wirklich zum Heulen! Zumindest für Cifer Almasy, der seinen Arm noch solange in die Richtung seines Kameraden streckte, bis dieser wieder einigermaßen sicher stand. An seiner Mimik erkannte Wedge, dass sein Kommandant nicht unbedingt fasziniert von seinen Kampffertigkeiten war. Alles, mit dem er sich gegen diesen Blick zu wehren wusste, war das Aufsetzen eines entschuldigenden Unschuldslächelns.

„Und so etwas von einem Unterstaubwedel!“

„Eigentlich heißt es ja…“

„Ist mir egal, wie’s heißt!“, fuhr er ihn an, setzte nach vorne und betätigte den Abzug der Pistole, sodass ein Kraftstoß durch die Klinge ging, als sie die Echse traf, die sich überschlug und starb. Routiniert wechselte Cifer das leere Magazin im Griff gegen ein neues aus, zog den Schlitten zurück und vernahm das vertraute Klicken, das die Bereitschaft der Hyperion verkündete. Trotz geschlossener Augen bemerkte er, dass sein erbärmlicher Kampfgefährte sich vorsichtig näherte.

„Vor den Monstern solltest du dich fürchten, nicht vor mir.“

„Natürlich“, entgegnete der Angesprochene kleinlaut und schabte mit dem Fuß über den graslosen Boden.

„Du hast dein Schwert liegen lassen.“

„Oh? O-oh! Kommt nicht wieder vor!“ Wedge stolperte fast über die eigenen Füße, als er zu der Stelle eilte, wo er eben zusammengebrochen war.

Auf seine Gun-Blade gestützt, hob Cifer den Blick in den Himmel, der sich zusehends verfinsterte. „Selbst beim Fliehen würdest du den Gegnern wahrscheinlich noch entgegen laufen…“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2008-09-07T07:40:41+00:00 07.09.2008 09:40
armer wege die beiden gehören ja eigentlich zusammen, ich musste da auch an raijin und fujin denken,
naja wege wird das schon irgendwie schaffen
unterstaubwedel*prust*
Von:  Bloodhound
2008-04-07T09:47:06+00:00 07.04.2008 11:47
ach du schöne Welt...Wedge??? Wer vn denen war er noch mal? Der typ in blau, oder? Aber der war doch immer schlauer als der Typ in rot...
freu mich wenns weiter geht ^^


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