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Eisengel

Einige Monate später
von

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Vornamen

Deine Augen sind strahlendes Silber,

ich bin froh ihren Glanz zu entdecken.

Zu lange musste er sich

vor der Realität verstecken.
 

Dein Blondhaar glänzt wieder im Lichte

und es schimmert die marmorne Haut.

Ich habe eben dieses Leuchten

zu lange nicht mehr geschaut.
 

Doch schwarz ist noch deine Kleidung

- auch wenn sie dir vorzüglich steht -

wäre ich weit glückerfüllter,

wenn auch das einmal vergeht.
 

„Draco?“

Der Blonde war stehen geblieben, das Gesicht abgewandt, die Arme vor dem Körper verschränkt, vorgelehnt. Wenn man sich die Haltungsregeln wegdachte, wäre er wohl kaum etwas anderes als eine Gestalt reinen Elends.

„Bitte sprich mit mir.“

Hatte er sich vielleicht getäuscht? Hatte Ginny sich getäuscht? Hatte er alles falsch verstanden? Ob-

Durch Harry ging ein Zucken. Ein schmerzloser Krampf, der ihn erstarren ließ.

Tränen.

Tränen auf Malfoys Wangen. In seinen Augen. An seinem Kinn.

Tränen.

Er konnte nicht anders. Er könnte es als einen Reflex bezeichnen, doch er tat es nicht unwillig. Es war das Einzige, das Sinnvollste, das Beste, was ihm einfiel.

Und der Aristokrat wehrte sich nicht. Es widersprach jeder Etikette, doch er wehrte sich nicht. Im Gegenteil. Er klammerte sich wie ein Ertrinkender an Harry, der ihn in seine Arme geschlossen hatte.
 

„Hier, bitte.“, Harry reichte dem auf seiner Couch Sitzenden einen dampfenden Becher, „Es geht nichts über Schokolade, wenn es einem schlecht geht.“

Der Blick der grausilbernen Augen fiel auf das Getränk.

„Das ist eine Weisheit von Professor Lupin. Der hat mich mit Schokolade immer voll gestopft, nachdem wir Dementoren begegnet sind.“

„Kam das oft vor?“, fragte Draco leise nach und wärmte sich die Finger an dem Gefäß.

„Relativ.“, der Schwarzhaarige schenkte ihm ein Lächeln, „Er hat mir den Patronuszauber beigebracht. Wir haben mit einem Geschöpf gearbeitet, was sich in die größte Angst verwandelt und so Dementoren nachgestellt.“

„Deine größte Angst sind Dementoren?“, der Blonde hob den Blick.

„Ja.“, Trauer zog sich durch die grünen Augen, „Sie lassen mich meine Erinnerungen noch einmal erleben… und meine tiefsten Ängste…“

„Oh…“, die helleren Augen richteten sich auf das Gefäß und wieder hoch, „Möchtest du auch einen Schluck Schokolade?“

Harry gluckste, hockte sich neben das Sofa, legte seine Hand auf Dracos und drehte den Becher so zu sich, dass er einen Schluck nehmen konnte, bevor er ihn zurückschob und sich bedankte.

„Kein Problem…“, die grauen Augen fixierten die Hand, die die Schokolade hielt.

„Wwwrww…“, grummelte es aus Teds Korb.

„Ah, mein Baby.“, lächelnd beugte sich der Schwarzhaarige über das Kind, „Na, Windel voll? Oder hast du schon wieder Hunger?“, er warf einen Blick auf seine magische Armbanduhr, „Noch eine halbe Stunde vor deinem Rhythmus. Und das Quengeln hört sich nach Windel an.“, er hob das Baby heraus und legte es sich an die Schulter, „Oh ja, Windel.“, er blinzelte und wandte den Kopf ab, „Du stinkst gegen den Wind, Teddy Remus Potter.“

„Wenigstens heißt er nicht James Sirius Harry…“, murmelte der Blonde von seinem Platz aus und verfolgte den Jüngeren mit den Augen.

„Gefallen dir die Namen etwa nicht?“

„Erinnern zu sehr an Hogwarts berühmteste Regelbrecher.“, Draco leerte den Becher in einem Zug und folgte ihnen in Teds Zimmer, wo der Wickeltisch stand, „Was würde dem armen Kind für ein Ruf voraus gehen.“, ein neckendes Lächeln legte sich auf seine Lippen.

„Und wie nennst du deinen ersten Sohn?“, fragte der Schwarzhaarige im Gegenzug.

„Skorpius Lucius Draconis Malfoy.“, der Aristokrat hob die Nase ein wenig.

„Skorpius?“

„Nach meinem Großvater.“, er lehnte sich gegen den Türrahmen, „So ist es Sitte bei uns.“

„Du mit deinen Sitten…“, Harry schüttelte den Kopf, während er Ted säuberte, der ohne Beschwerde blieb, „Einen Sohn werde ich auf jeden Fall Albus Severus nennen.“

„Weiß Professor Snape das schon?“

Er stoppte in seiner Bewegung, schluckte, atmete tief durch und setzte sein Tun fort, während er sagte: „Nein… ich habe noch nicht mit seinem Gemälde gesprochen…“

„Entschuldige.“, Draco stieß sich vom Türrahmen ab und stellte sich ein Stück versetzt hinter ihn, „Ich hatte nicht gedacht, dass unbedingt dich sein Tod so berührt…“

„Ich auch nicht.“, gab der Schwarzhaarige mit einem Schnauben zu, „Aber er tut es. Snape war ein hervorragender Mann.“

„Nach dem, was du erzählt hast, war er das wohl wirklich… ich kann kaum fassen, dass er ein Spion war. Selbst mir ist das nie aufgefallen, dabei stand ich ihm wohl am nächsten.“, er warf einen unsicheren Blick über die Schulter und sah, dass der Blonde den Kopf gesenkt hatte, „Er war ein sehr guter Freund meiner Mutter. Er hätte mein Vater sein können…“, Dracos Stirn legte sich vorsichtig auf seine Schulter, während er flüsterte: „Ich will nie wieder Krieg.“

„Ich glaube, das wünschen wir alle.“, er hielt still, um dem anderen einen kurzen Augenblick zu geben, „Und wir sind es auch, die dafür zu sorgen haben, dass der Frieden bewahrt bleibt.“

„Entschuldige, bitte.“, der Ältere straffte sich wieder.

„Nein, das ist in Ordnung.“, Harry warf ihm ein aufmunterndes Lächeln zu, „Im Endeffekt hast du eine Menge Menschen verloren, die dir nahe standen. Ich vermute, dass ist sehr schmerzhaft.“, er legte Ted schnell die neue Windel an, „Ginny sagte mir, dass jedem Menschen Wärme und Nähe zusteht. Und irgendwo gibt es auch Menschen, die bereit sind sie zu geben.“

„Sie ist eine Weasley, was sollte sie anderes sagen?“, wehrte der Blonde ab, „Einem Malfoy ist keine Schwäche erlaubt.“

„Aber wenn du nicht nach Nähe suchen würdest, wärst du nicht hier.“, Harry sah ihn die Arme verschränken, „Auch Malfoys sind Menschen.“

„Nähe kann ich bei meiner Frau suchen, wenn ich sie brauche.“, die grausilbernen Augen fixierten die Wand, „Dafür sind Frauen schließlich da.“

„Hat dein Vater dir das beigebracht?“, fragte der Schwarzhaarige mit gedämpfter Stimme nach.

Ein Zittern schien durch Malfoy zu gehen.

„Dein Stolz hält dich gerade davon ab nicht vor mir davonzurennen, nicht?“, erkundigte sie der Jüngere.

Auf den Wangen des anderen bildeten sich kleine Grübchen.

„Draco, Familientradition ist nicht dazu da Menschen zu leidenden, einsamen Wesen zu machen.“, Harry atmete tief durch, „Ich denke, es ist besser, wenn du ein wenig Zeit hast über diese Worte nachzudenken.“, er nahm das Baby und ging zur Tür, die er dem anderen öffnete, der ging, ohne noch einmal aufzusehen oder ein Wort zu sagen.

Tief in Gedanken ging Harry seine Hände waschen.
 

„Harry?“, Ron ließ sich neben ihm an Gryffindortisch nieder, „Hermine hat mich gefragt, was da zwischen dir und Malfoy läuft. Was ist los, Mann?“

„Wie? Nichts.“, der Jüngere wandte sich direkt wieder seinem Essen zu, „Wir haben uns heute zum ersten Mal seit fast zwei Monaten wieder unterhalten. Nichts Besonderes.“

„Dass ihr euch unterhaltet, ohne dass du danach auf der Krankenstation liegst, ist schon was Besonderes. Denn das würde rauskommen, wenn er mich anspricht.“

„Ron, so schlimm ist er nicht…“, oder doch, wer wusste das schon. All die Regeln seines Vaters schienen tief in ihm verwurzelt zu sein. Aber noch war nicht aller Tage Abend.

„Klar ist er schlimm. Was hat er gemacht, dir irgendeinen Zauber aufgesetzt? Er ist ein hirnloser, feiger Hund, was sollte er anderes sein?“

„Eine Person, die ich zu meinen Freunden zu zählen gedenke, Ronald.“, erwiderte der Schwarzhaarige bissig.

„Was?“, zischte der Ältere und wandte sich ihm zu, „Hast du nicht mehr alle Tassen im Schrank? Wir sprechen schon von Malfoy, oder?“

„Draconis Skorpius Lucius Malfoy, exakt jener.“, zumindest lag die Vermutung nahe, dass das sein voller Name war.

„Hast du Fieber?“, der Rothaarige verzog das Gesicht, als hätte er eine Spinne gesehen, „Ich weiß ja, dass du echt komische Ideen hast, aber das war das Schrägste, was ich je gehört habe.“

„Ron, das war mein Ernst. Draco ist nicht so böse. Zumindest… nicht mehr.“

„Harry, du solltest definitiv zu Madame Pomfrey. Ehrlich, ich will nicht wissen, was Malfoy jetzt wieder für spinnerte Zauber auf dich losgelassen hat. Sprich mit mir, wenn du wieder normal bist.“

Harrys Blick glitt über Rons markantes Profil. Aufeinander gepresste Lippen. Gekräuselte Nase. Die Augen stur auf sein Essen gerichtet.

„Heißt das, dass ich mich zwischen dir und Draco entscheiden muss?“

„Das heißt…“, der Andere schluckte seinen Bissen hinunter, „Das heißt, dass ich erst dann wieder mit dir rede, wenn du nicht mehr irre bist.“

„Ist das dein letztes Wort?“, erkundigte sich der Schwarzhaarige ruhig.

„Wenn du dich weiter so abartig benimmst, dann kannst du da einen drauf lassen.“

„Vielleicht hat der böse Draco doch nicht so unrecht gehabt.“, zischte Harry und erhob sich, „Mit so etwas wie dir muss ich mich nicht abgeben.“

Und mit geballten Fäusten stürmte er davon…
 

„Wartest du schon lange?“, flüsterte jemand und ließ Harry aufschrecken. Ruckartig drückte er sich von der Wand und wandte sich zur Seite.

„Ach, du bist es…“, er seufzte und fuhr sich durch die Haare, „Entschuldige, ich war grad irgendwie ganz wo anders…“

„Hat das was mit Weasley zu tun?“, fragte der Blonde und trat näher an ihn heran.

„Unter anderem.“, murmelte Harry und überprüfte den Wärmezauber auf Teds Korb – nach allem war es immer noch Oktober und dementsprechend kalt.

„Was war denn heute Morgen los?“, er hob seinen Blick und sah Dracos Silber in der Dämmerung schimmern.

„Kleiner Streit.“, sein Kopf bewegte sich kaum, doch man hätte ein Kopfschütteln daraus deuten können, bevor er ihn senkte, „Ron ist einfach nur verbohrt.“

„Ich dachte, du hast eine Schwäche für Verbohrtheit…“, ein amüsiertes Lächeln umspielte die Lippen des Blonden, „Muss ich mich jetzt fürchten?“

„Wie gesagt, ich erwarte von Freunden Verständnis.“, Grün traf Grau, „Was du bekommen willst, solltest du auch geben können.“

Draco senkte scheu die Lider und nickte leicht.

„Und? Haben Malfoys immer noch keine Schwäche?“

„Nun…“, sein Blick schwenkte in die Ferne, „Ich glaube, der Satz war: Malfoys zeigen keine Schwäche. Ich erweitere das um: In der Öffentlichkeit.“

„Damit komme ich klar.“, Harry schenkte ihm ein Lächeln, „Wollen wir?“, mit guter Manier bot er dem Aristokraten seinen Arm an.

Das silberne Grau wanderte über den schlanken Körper des Jüngeren, hielt an dessen Augen und mit einem angedeuteten Lächeln legte der Blonde seine Hand in Harrys Armbeuge, trat an ihn heran, als dieser den Arm senkte und ging an seiner Seite los.
 

„Hi, Harry.“, Ginny ließ sich neben ihm auf der Couch nieder und warf einen Blick auf seine Unterlagen, „Verteidigung gegen die dunklen Künste? Ihr müsst da einen Aufsatz schreiben?“

„Tja, dein Bruder schont uns nicht.“, der Ältere schenkte ihr ein Lächeln, „Kann ich dir weiterhelfen?“

„Und wie du das kannst, du Sumpfnuss.“, schimpfte sie und stemmte sie Arme in die Hüften, „Wann fragst du mich endlich mal, ob du mich zum Einkaufen des Halloweenkostüms begleiten kannst?“

„Äh… wie?“, er zog die Augenbrauen zusammen.

„Ich lasse dir extra über Hermine indirekt ausrichten, dass ich dich dabei haben will und du merkst das nicht?“

„Äh… nein?“, er hob eine seiner Brauen, „Wieso fragst du nicht einfach?“

„Ach, Harry…“, sie schüttelte den Kopf, „Du musst noch viel über Frauen lernen. Wir sind einfach nicht direkt.“

„Schon klar…“, er legte die Feder ab und lehnte sie zurück, „Und warum soll ich mitkommen?“

„Na ja…“, die Haut um ihre Sommersprossen errötete leicht, „Allein ist langweilig und Hermine hat keine Zeit und… na ja, mit Luna würde ich nicht unbedingt einkaufen gehen.“

„Und dann fragst du mich? Bin ich die nächstbeste Dame?“

„Ganz ehrlich?“, sie blinzelte, lächelte süß und nickte schließlich wie wild.

Harry schüttelte ziemlich zeitgleich den Kopf über diese Vorstellung, hielt jedoch inne und dachte kurz nach. Eigentlich wäre das doch eine gute Gelegenheit…

„Ich komme mit unter einer Bedingung.“

„Welche?“, fragte die Jüngere lächelnd und rückte gespannt näher.

„Ich darf Draco mitnehmen, wenn er zustimmt und du wirst euren Familienzwist für die Zeit vergessen.“, antwortete er ernst und sah ihr dabei tief in die Augen.

„Hm…“, sie verlor ihr Lächeln, „Von mir aus ist das kein Problem. Aber ich glaube nicht, dass es für das Oberhaupt der Malfoys nützlich ist in der Öffentlichkeit mit der Tochter der Weasleys gesehen zu werden. Die Leute werden eine Erklärung suchen und die naheliegenste wäre, dass wir uns in nächster Zeit verloben, um den Familienzwist beizulegen.“

„Was?“, zischte Harry und legte die Stirn tief in Falten.

„Das ist Boulevardpresse, mein unbedarfter Freund. Bring Malfoy nicht in Gefahr.“

„Ich habe von so was keine Ahnung…“, sagte er mehr zu sich selbst, „Aber einer schlauen Hexe wie dir fällt sicher etwas ein, nicht?“, schmeichelte er ihr.

„Sicher.“, sie hob den Kopf und senkte ihn, indem sie ihn etwas über die Seite nach unten gleiten ließ, wobei sie die Lider niederschlug, „Wir können ihn ja ganz zufällig in der Stadt treffen. Zum Beispiel bei Madame Malkins, die ist verlässlich in solchen… Angelegenheiten.“, ihr Blick traf seinen, „Und du müsstest ihn begrüßen wie einen alten Freund. Freudig seinen Vornamen rufen, auf ihn zugehen, ihm die Hand schütteln und dabei die andere Hand auf seine Schulter legen und sagen, wie überrascht du doch bist ihn zu treffen.“

„Äh… wie?“, sie ergriff seine Hände und legte sie richtig, als wäre sie Malfoy, „Ähm… schön dich zu sehen.“

„Bisschen mehr Enthusiasmus, du freust dich schließlich.“

„Schön dich zu sehen!“, er unterstrich die Aussage durch ein Lächeln.

„Und dich erst. Ich bin überrascht, was tust du hier?“

„Meine Freundin Ginny…“, er deutete mit einer ausschweifenden Handbewegung eine imaginäre Person neben sich an, „…sucht ein Kostüm. Äh…“

„Ich bin sicher, ihr seid miteinander bekannt.“, flüsterte die Rothaarige, „Ginny, dies ist mein Freund Draco Malfoy. Er ist in meiner Jahrgangsstufe.“

„Das weißt du doch alles.“, meinte Harry irritiert.

„Ach, Löwe, das ist Show. So macht man das einfach. Danach kann ich Malfoy in ein Gespräch verwickeln und du hast es hinter dir.“

„Will ich auch hoffen…“, er seufzte, „Dieses Gesellschaftszeugs liegt mir nicht.“

„Du wirst es lernen müssen, wenn du dein Blondchen haben willst.“

„Äh… haben wollen?“, fragte der Schwarzhaarige verwirrt, „Du wolltest doch, dass ich ihm eine Chance gebe.“

„Natürlich. Er hat deine Freundschaft…“, sie betonte das Wort auf eine unnatürliche Weise, „…ja auch verdient.“

Er nickte, während er die Rothaarige genau studierte. Er war vielleicht begriffsstutzig im Bezug auf Frauen – aber selbst er bemerkte, dass sie Hintergedanken hatte. Nur welche?
 

„Guten Abend, Draco.“

Der Blonde lächelte, senkte den Kopf zum Gruß und erreichte Harry.

„Hast du – zufällig – diesen Samstag frei?“, erkundigte sich der Jüngere, während sie ihren Spaziergang begannen.

„Das kommt sehr darauf an, was du vorhast.“, erwiderte der Größere lächelnd.

„Ich wollte in die Winkelgasse und einkaufen.“

„Benötigst du meine fachkundige Beratung?“, neckte er ihn in mit Seitenblick.

„Womit habe ich dich kleine Arroganzspritze eigentlich verdient?“, faxte Harry ebenso.

„Nun komm, nur ein kleines Kompliment, ein klitzekleines…“, der Blonde spitzte vor Amüsement die Lippen.

„Nun gut.“, gab der Jüngere nach, „Ich bin deinem überragenden Stilgefühl hilflos unterlegen. Ich brauche dich, oh großer Draco.“

„Sag bitte.“, verlangte der Andere lächelnd.

„Sumpfnuss.“, gab Harry nur zurück.

„Was ist das für eine Beleidigung?“

„Weiß ich nicht, hab ich von Ginny. Ach ja, sie kommt übrigens mit.“, er sah Dracos Gesichtsmuskeln erschlaffen, „Aber keine Sorge, wir haben schon einen Plan, wie wir dich vor der Boulevardpresse retten.“

„Den will ich hören…“, murmelte der Ältere zweifelnd.

Sein Wunsch wurde umgehend erfüllt, der Plan mit Dracos Anmerkungen verfeinert und der Rest des Spazierganges mit dem Erstellen einer Einkaufsliste verbracht – niemand solle sagen, sie hätten sich nicht perfekt vorbereitet. Nachdem der Gesprächsstoff darüber versiegt war, gingen sie in schweigender Eintracht nebeneinander her, in der der große Blonde sich den kleinen Blonden betrachtete.

„War dein Sohn eigentlich schon immer so blond? Ich dachte eigentlich, seine Haare seien braun… oder schwarz? Ich bin verwirrt… ich war eigentlich sicher gewesen, dass es eine dunkle Farbe war.“

„Ted ist ein Morphmagier wie Tonks. Seine Haar- und Augenfarbe verändern sich eigentlich ständig. Aber bei den blonden Haaren ist er seit einiger Zeit geblieben.“

„Kann er das denn steuern?“, fragte der Ältere überrascht und sah kurz hoch.

„Weiß nicht… Remus hat damals erzählt, dass Andromeda gesagt hat, Tonks hätte ihre Haarfarbe andauernd geändert. Vielleicht kann er das mittlerweile steuern.“, Harry atmete tief durch – ja, sie waren sehr friedliche Leichen gewesen, ein engelsgleiches Lächeln… hoffentlich waren sie glücklich, wo immer sie nun waren…

„Oder die Magie ist verbraucht.“, versuchte Draco einen Witz und lächelte mit besorgten Augen, „Alle, alle.“

„Ich weiß nicht einmal, woran sie gestorben sind.“, flüsterte der Schwarzhaarige und strich ebenfalls über Teds Wange, „Ob es wehtat oder ob es so schmerzlos war, wie Sirius gesagt hat. Weißt du…“, er blieb plötzlich stehen und wandte sich zur Seite, „Irgendwo in diesem Wald liegt ein zerbrochener Ring. Wenn du seine beiden Hälften zusammensetzt, kannst du Tote für kurze Zeit wiederbeleben.“, er drehte sich wieder zu Draco, „Kannst du verstehen, welche Macht nur dieser Gedanke über mich hat? Snape, Dumbledore, Tonks, Remus, Sirius, meine Eltern, Dobby, Fred, Moody – sogar Voldemort kann man damit wiederbeleben. Dieser Gedanke macht mich halb wahnsinnig.“

Der Andere schwieg ohne sich auch nur um einen Millimeter zu bewegen. Als hätte sein Atem ausgesetzt und er wäre erstarrt – hier, direkt am Rande des Waldes.

„Draco?“

Ein Zucken ging durch ihn, von den Füßen bis hinauf zum Kopf, den er leicht zu schütteln begann, während er mit weit geöffneten Augen Harry anstarrte.

„Draco?“

„Ist das wahr?“, flüsterte er, „Man kann… Tote treffen?“

Der Schwarzhaarige erstarrte. Verdammt. Malfoy senior. Dracos Vater. Gestorben in Askaban. An Krebs. Hatte Draco überhaupt etwas davon gewusst oder hatte Lucius bis zuletzt nichts gesagt? Hatte der Alte es überhaupt gewusst?

„Ja.“, bestätigte der Jüngere vorsichtig, jedes Wort mit Bedacht wählend, „Ein Schatten ihrer selbst, Geister, die du auf widernatürliche Art aus ihrer ewigen Ruhe reißt. Der Tod ist schmerzlos. Aber das Leben ist Leid. Eine Seele, die den Frieden kennt, sollte das Leid nicht wieder erleben müssen.“

„Du meinst, das wäre sehr grausam?“, der Blonde biss sich unzeremoniell auf die Unterlippe, sah zur Seite und wieder auf, „Man sollte das nur tun, wenn es einen lebenswichtigen Grund hat?“

„Das versuche ich zu sagen.“, bestätigte Harry.

„Ich…“, Draco atmete tief durch und wich seinem Blick weiterhin aus, „Wahrscheinlich hast du es eh gehört, aber… mein Vater…“, er presste die Lippen zusammen und schloss die Augen.

„Ja, ich habe es gehört.“, erlöste der Schwarzhaarige ihn einige Sekunden später aus der Situation, „Brauchst du etwas Komfort?“

„Ich…“, die tränennassen Augen schnellten in seine Richtung, senkten sich, „Ich darf nicht. Das ist…“

„Wir sind nicht in der Öffentlichkeit, Draco, es ist okay.“, er trat einen Schritt heran, um es ihm leichter zu machen, „Ich verrate dich nicht.“

„Wie kann ich dir vertrauen?“, flüsterte der Ältere, „Ich will, aber… ich kann nicht…“

„Dann teste mich.“, sanft legte der Kleinere seine Hände auf Dracos Hüften, fuhr den Rücken hinauf und hob so dessen automatisch, „Ich weiß, wie es ist, wenn die Welt einen für wahnsinnig hält.“, er brach den Augenkontakt, um dessen Kinn auf seine Schulter zu legen, „Ich weiß, wie es ist, wenn sie einen hasst.“

Dracos Nägel drückten in die Muskeln über seinen Schulterblättern und sein Kopf lag schwer in seiner Halskuhle. Das seidig weiche Haar kitzelte seine Wange, doch er spürte kaum mehr als einen Lufthauch. Der Schmerz konzentrierte sich auf seine Hände, in deren Innenflächen er seine Finger krallte. Die Muskeln verzerrten sein Antlitz in eine Fratze aus Wut, Abscheu und Verbitterung.

„Ich weiß, wie es ist schreien zu wollen und stumm zu sein.“

„Aber du musst nicht bereuen.“, flüsterte der Blonde nahe seines Ohres, „Du hast so viel Gutes getan, so viele Menschen gerettet. Ich bewundere dich.“

„Ich habe nichts getan.“, zischte Harry, „Wenn ich mich mehr angestrengt hätte, wenn ich nur schneller verstanden hätte, was Dumbledore mir sagen wollte, ich hätte so viele retten können. Du müsstest dir nicht jeden Tag Slughorn antun, sondern könntest weiter über mich lachen, weil ich ein Versager in Zaubertränke bin. George müsste nicht jeden Tag allein in sein Geschäft kommen. Ted müsste nicht ohne seine Eltern aufwachsen. Alle Menschen müssen leiden, weil ich so gottverdammt dumm bin.“

Draco riss seinen Oberkörper zurück, umfasste sein Gesicht mit beiden Händen und schrie unter Tränen: „Geht es nicht in deinen Kopf, dass du uns alle gerettet hast? Du bist für uns freiwillig in den Tod gegangen! Du hast mehr getan als Jesus, du gottverdammter Narr! Ich habe nichts getan als mich zu verstecken, weil ich ein feiger Hund bin. Ich bin davon gelaufen, obwohl ich so viel hätte tun können. Er stand neben mir, täglich, ich habe ihn morden sehen, ich habe ihn foltern sehen und was habe ich getan? Ich habe nichts getan! Du hast keine Angst vor dem Tod gehabt und ich konnte nicht einmal Crabbe stoppen, weil ich zu feige war. Ich habe Menschen wortlos in den Tod gehen lassen und du sagst mir, du hättest nichts getan? Nimm Vernunft an, du hast dein Bestes gegeben!“

Das Smaragdgrün Harrys Augen war getränkt von Tränen. Sein Atem war versiegt, seine Lippen geteilt. Diese Worte… diese Worte… diese Worte …

Ein Tropfen suchte seinen Weg Dracos Wange entlang, über die marmorne, teils rot gepunktete Haut, vorbei an dem glühenden Mund. Engel. Diese Haut. Diese Haare, die leicht zerzaust um sein Gesicht wallten. Die glänzenden Augen. Diese Worte schnitten nicht ein sein Herz. Es war diese Verzweiflung, diese Angst, diese flehende Bitte um Vergebung, die sich in diesen Seelenspiegeln brach.

„Du bist so rein, so strahlend hell…“, flüsterte der Ältere, „Ich fühle mich, als würde ich in Exkrementen versinken. Ich will auf die Knie fallen und schreiend und weinend um Vergebung bitten und ich kann nicht. Ich will beten und will alles geben, was ich habe und was ich bin, wenn das nur die Schuld von mir nehmen würde. Ich will nur ein bisschen von diesem sanften Licht, das dich umgibt…“, zärtlich strich er die Tränen von Harrys Wangen, „Ich wünschte, ich könnte einfach ein Teil von dir sein. Du bist alles, was ich jemals sein wollte. Schon immer und… für immer…“

Doch seine Augen spiegelten nichts als die Traurigkeit, die Harry von oben bis unten durchfuhr und ihn in die Hölle riss.



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Kommentare zu diesem Kapitel (19)
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Von:  MuckSpuck
2008-03-19T23:09:59+00:00 20.03.2008 00:09
okay, diese story ist der hammer :) wird sofort in die favourites gegeben ... aber dafür musst du auch brav weiterschreiben.
Also ich kenne Ginnys Hintergedanken, glaube ich :D
Und ich muss sagen, ja, ein guter Gedanke.
Alleine wie oft sie ihre Nähe zum anderen suchen, das muss klappen.. freu mich schon :)

lg und weiter so ( der schreibstil ist super!)
Von: abgemeldet
2008-02-05T14:38:14+00:00 05.02.2008 15:38
ich muss schon sagen... WOW.
ich hoffe echt, du hast zeit, bald mal wieder weiter zu schreiben.. ich denke zwar nicht, weil du ja im moment ziemlich stress hast, oder?
du schreibst mit wahnsinnig viel gefühl.. ich finde das einfach wundervoll. deine ausdrucksweise ist auch total gut und besonders, dann der satzaufbau und einfach alles... noch dazu weil du das so glaubwürdig rüberkommen lässt.
du bist ab jetzt (bzw seit 3 tagen, da hab ich dead society gelesen) mein vorbild. mein ich ernst.
dank dir will ich wieder anfangen, was zu schreiben. fragt sich nur, was..
lg
schoko
Von:  Silverdarshan
2008-01-12T16:37:04+00:00 12.01.2008 17:37
hoppla, hab ich doch glatt mein review hier vergessen ^^;
das kapitel war so herzzereißend... mir kommen jetzt noch die tränen.
wunderschön umgesetzt ^^
ich bin gespannt,wie es weiter geht!

grüßelchen
_Bleed
Von:  Amnesias
2007-12-17T11:55:20+00:00 17.12.2007 12:55
So, ich habe diese Geschichte schon wieder komplett durchgelesen und wie beim ersten Mal bin ich einfach nur sprachlos...

I LOVE THIS STORY!!!

Ich würde alles dafür geben, diese Ff auf der Kinoleinwand verfolgen zu können!

Ich habe die gleiche Meinung wie du, was den Epilog des siebten Bandes betrifft.
Umso glücklicher bin ich, dass es so jemanden wie dich gibt, der eine so unglaublich schöne und ergreifende Fortsetzung dazu schreibt.

All diese kleinen Details, die du in diese Geschichte einbaust sind so toll, außerdem finde ich den Aufbau (kann man das so nennen?) total klasse.

Diese Beziehung, die langsam zwischen Harry und Draco(nis^^) entsteht, finde ich einfach nur genial. Die Gespräche zwischen den beiden (oder auch anderen) finde ich megacool!
Ich weiß ich wiederhole mich jetzt, aber diese Story ist einfach nur göttlich! (Sie ist meine Liebste im HP-Fandom)

Ich glaube, ich habe diese Spalte schon genug vollgeschleimt, aber irgendwie komme ich aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus.^^°
Hab alles durchsucht, aber überhaupt nichts zum meckern gefunden, alles passt prima hinein. Meinen größten Respekt!

Ich liebe deine Schreibstil, richtig schön gehobene Sprache, super!^^

Warte gespannt auf das nächste Kapitel, mich würde echt interessieren, wie die Shoppingtour verläuft.
Schreibe schnell weiter, okay?

Deine (ab jetzt) treue Leserin
Eiskristall

Irgenwie ist der Kommentar doch nicht so lang geworden, wie ich dachte... *grummel* -_-°


Von: abgemeldet
2007-12-14T19:42:36+00:00 14.12.2007 20:42
Boah...Voll schön, die ganze Geschichte bis jetzt!
Du hast das drauf, ergreifend schreiben usw.
Mach weiter so!
Krieg ich ens wenns weitergeht?
Bitte
vlg Tschoui
Von:  Feliks
2007-12-07T18:43:05+00:00 07.12.2007 19:43
Das war voll berührend. *o*
*schniff*
Ich hab' echt Tränen in den Augen.
Aber Ron ist echt IMMER der Zweifler. xD~
Schade eigentlich...
Also ich hab' Dray schon allein wegen dieses ´Kapis verziehen. Q_Q

Weiter so! ^o^

E.g.O ♥
Von:  Silvereyes
2007-12-05T22:28:32+00:00 05.12.2007 23:28
Das ist ... einfach nur überwältigend!!!
Ich weiß wirklich nicht, was ich sonst dazu sagen soll.
Ich habe mich eben durch die Chaps gelesen und bin einfach nur sprachlos.
Ich war mit dem Epilog im Original auch nicht so ganz zufrieden und das was ich bis jetzt gelesen habe gefällt mir um ein vielfaches besser, es ist ehrlicher und nicht einfach nur 'Ende gut, alles gut'!
Bin auf jeden Fall dabei, wenn es weitergeht!
Glg, Silver
Von:  Yuuriko
2007-12-02T20:51:29+00:00 02.12.2007 21:51
super story beeile dich schnell mit dem weiterschreiben
ich bin schon sooooooooo gespannt das ich es kaum aushalten kann
lg yuri
Von: abgemeldet
2007-12-01T20:25:53+00:00 01.12.2007 21:25
Es geht genauso spannend weiter wie es angefangen hat Respekt!
Mit diesem Kapitel habe ich mich endgültig in diese Story verknallt.
Du beschriebst diese zerbrechliche Freundschaft, zwischen Draco und Harry auf so eine realistische und wunderschön art und weise das es mir beinah den atem stockt.*Sfz*

Man merkt das Draco werklich anfängt Harry zu Vertrauen,es ist werklich schön das Dray in Harry jemanden gefunden hat, der sich um ihn sorgt.
Mal sehen wann die Beiden wirklich bewusst merken, das es nicht nur Freundschaft ist, was sich zwischen ihnen bannt.
Aber alles im allem bin ich sehr gespannte wie Harry nach Drays
Geständnis bzw ausraster reagieren wird*zittervoraufregung*
Freue mich unheimlich aufs nächste Kapi^.^

♥Izumi♥

Von: abgemeldet
2007-12-01T20:12:57+00:00 01.12.2007 21:12
Hammer! Einfach atemberaubend! Ich habe in meinem Kopf schon etliche mögliche Geschichten über das Leben nach dem Krieg revue passieren lassen, oder von andern gelesen. Aber nichts von dem kommt auch nur annähernd an das, was du hier in Worte gekleidet hast!

Malfoy ist ein ganz anderer. So reserviert, leblos. Allein die beschreibung dessen zerreist sämtliche Herzen der Draco-Liebhaber. Mir gefällt die Rollenverteilung der Charaktere. Hermine als Lehrerin in Verwandlung. Besser geht's nicht. Ich könnte dich ewig belobigen, aber dafür müsste ich wohl selbst eine FF draus machen. Außerdem will ich den Tag nicht vor dem Abend loben.
Mich würde interessieren, wie deine Pläne für die Länge der Story aussehen. Über eine ENS würde ich mich freuen, wenn es weitergeht. Lg piper


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