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Entscheidung des Obergerichts Zürich vom 16.10.09 Bezirksgericht, Obergericht, Recht , eidgenössisches, Urteil

Autor:  Eru-Jiyuka
Kurzfassung: Beide Revisionen wurden abgeschmettert. Die Frei bzw. Schuldsprüche des Bezirksgerichts wurden bestätigt. Die Angeklagte kassiert für diverse Betrugsfälle über angebliche Zollfreilagers Gebühren für Teppiche sowie einem dubiosen betrügerischen Tauschgeschäft 21 Monate bedingte Freiheitsstrafe. Sie muss den Geschädigten 80'000 bzw. 45'000 Fr. Schadenersatz zahlen. (Und es wurde höchstrichterlich bestätigt, dass die Polizei nicht gesetzeskonform ermittelte o.O)

Langfassung (2.5 Din-A4 Seiten Text)
Entscheidung des Obergerichts Zürich vom 16.03.09

In Sache: Berufung gegen Urteil vom Bezirksgericht Zürich in Strafsache und Zivilsache des
mehrfachen Betrugs bzw. des Versuchten Betrugs (Art. 146 StGB bzw. Art. 146 in Verbindung mit Art. 22 StGB)

(damaliger) Anklagevorwurf:

Die Angeklagte soll mit einem Mittäter an mehreren Betrugstaten zu Lasten diverser Geschädigten mitgewirkt haben. So sollen sie mit Geschichten über angeblich blockierte Teppiche im Zollfreilager zehntausende von Franken ertrogen haben. Den Geschädigten überredeten sie, ihnen für einen Immobilienkauf 90’000 Fr. in bar zu übergeben gegen Tausch von 2 $-Notenbündeln, die nur aus den $-Deckblättern und Papier bestanden.


Der Geschädigte rügte den Freispruch der Angeklagten zu 2 in der Tat zu seinen Lasten. Er verlangte einen Schuldspruch, da die Angeklagte auch hier arglistig gehandelt haben soll, dies begründete er damit, dass die Angeklagte von dem Betrug Kenntnis gehabt haben musste, auch wenn der Angeklagte zu 1 der Haupttäter war. Zudem forderte er das Eintreten seines Zivilanspruchs und er stellte Antrag auf Prozessentschädigung.

Der Verteidiger rügte die Ermittlungsarbeit der Polizei, da bei dem Identifizierungsverfahren grobe Fehler unterlaufen und Suggestivfragen gestellt worden seien. So wurde dem Geschädigten zu 2 vor seiner Schilderung der Täterin bereits ein Foto derselben mit den Worten: „Das ist die Beschuldigte, erkennen Sie sie wieder?“ gezeigt. Dies sei ein grober Verstoss gegen die Strafprozessordnung und die Zeugenaussage könne nicht verwendet werden. Auch die Zeugenaussage der Geschädigten zu 3 hält er für nicht verwertbar und führt an, die Zeugin hätte sowohl bei der polizeilichen Befragung als auch bei der Gegenüberstellung nicht vermocht, die Angeklagte zu identifizieren. In der erstinstanzlichen Hauptverhandlung gab die Zeugin jedoch auf Nachfrage des Staatsanwalts an, die beiden Angeklagten im Gerichtsaal zweifelsfrei erkennen zu können. Zitat: „Er ist es und sie auch, sie sind die Täter“ Auch hier rügte der Verteidiger die suggestiven Fragestellungen des Staatsanwalts Diese Aussage sei unglaubwürdig und könne nicht zur Belastung seiner Mandantin verwendet werden. Er forderte Freispruch in diesen beiden Teilen der Anklage, zudem die Abweisung der Zivilansprüche der betroffenen Geschädigten. Er forderte 90 Tage Haft für den verbleibenden Versuch des Betrugs, zudem Haftentschädigung für die erlittene Untersuchungshaft, die über die Tat und Schuld angemessene Strafe hinausging. Weiterhin forderte er in Analogie zur 30-monatigen unbedingter Freiheitsstrafe des Angeklagten zu 1, welcher das erstinstanzliche Urteil akzeptierte, 14 Monate bedingte Freiheitsstrafe, sollte das Gericht die Zeugenaussagen dennoch als verwertbar erachten.


Urteil:

1. Das erstinstanzliche Urteil des Bezirksgerichts Zürich wird vollumfänglich bestätigt.
2. Das Rechtsmittel des Geschädigten zu 4 hat keinen Erfolg.
3. Das Rechtsmittel der Angeklagten zu 2 hat keinen Erfolg.
4. Die Angeklagte zu 2 ist schuldig des mehrfachen Betrugs im Sinne des Art. 146 StGB sowie des versuchten Betrugs im Sinne des Art. 146 in Verbindung mit Art. 22 StGB. Vom Vorwurf des Betrugs zu Lasten des Geschädigten zu 5 ist die Angeklagte freizusprechen. Der Freispruch vom Vorwurf des Betrugs zu Lasten des Geschädigten zu 1 ist in Folge von Rechtsmittelrückzug bereits rechtskräftig ergangen.
5. Sie wird deshalb zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 21 Monaten verurteilt, die Bewährungszeit dauert zwei Jahre. An die Strafe sind 296 Tage Untersuchungshaft anzurechnen.
6. Ihr wird zudem auferlegt, dem Geschädigten zu 2 80’000 Fr. und dem Geschädigten zu 3 45’000 Fr. Schadenersatz zu zahlen.
7. Auf den Zivilanspruch des Geschädigten zu 1 kann aufgrund des erstinstanzlichen Freispruchs und zurückgezogenem Rechtsmittel nicht eingegangen werden.
8. Auf den Zivilanspruch des Geschädigten zu 4 kann aufgrund des Freispruchs nicht eingegangen werden.
9. Die Gerichtskosten der Berufungsverhandlung werden festgesetzt auf 3’000 Fr.
10. Diese, sowie die Kosten der amtlichen bzw. Wahlvertreter werden zu drei Vierteln der Angeklagten zu 2 und zu einem Viertel dem Geschädigten zu 4 auferlegt.
11. Der Antrag der Staatsanwaltschaft Zürich auf (erneute) Beschlagname und Verwertung einer Goldkette der Angeklagten zu 2 wurde abgelehnt.
12. Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der (strafrechtlichen) Beschwerde an das Bundesgericht zulässig.

Urteilsbegründung:

Die vom Verteidiger gerügte Polizeiarbeit wurde auch vom Obergericht als unprofessionell bezeichnet. Indem die zuständigen Beamten es unterliessen, die Zeugen vor der Gegenüberstellung bzw. vor Vorlegen von Fotografien der Angeklagten aufzufordern, die Personen genau zu beschreiben, die sie geschädigt hatten, verstiessen sie gegen § 145 StPO. Bei § 145 StPO handelt es sich jedoch `bloss` um eine Ordnungsvorschrift, deren Verletzung die Verwendung der Zeugenaussagen grundsätzlich nicht verunmöglicht. Dennoch sind die Aussagen mit grösster Vorsicht zu geniessen, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass durch die Verletzung von § 145 StPO die Zeugen unbeeinflusst blieben. Es ist daher nicht möglich, den Anklagevorwurf nur aufgrund einer Zeugenaussage zu stützen, wenn auch diese durchaus als Indizienbeweis benutzt werden darf. Wenn man sämtliche Beweise des Falls betrachtet, ergeben die (mehrfachen) Indizien eine ausreichende hohe Wahrscheinlichkeit für die Identifizierung der Angeklagten als Täterin, sodass in diesen Fällen keine Freisprüche möglich seien. Der Rüge des Verteidigers, wonach belastende Beweise rechtlich höher gewürdigt würden als entlastende Beweise, sodass der Grundsatz der rechtlichen Würdigung verletzt wäre, vermag das Gericht nicht zu folgen.

Die Abweisung der Berufung des Geschädigten wurde wie folgt begründet:

Der Tatbestand des Betrug (Art. 146 StGB) erfordere zunächst eine arglistige Irreführung durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen, sowie eine Vermögensschädigende Handlung seitens des Betrogenen erfolgen muss.

[Der Sachverhalt in diesem Fall war der Folgende:
Der Geschädigte zu 4 hatte sich mit den Angeklagten zu 1 und 2 darauf geeinigt, 90’000 Fr. gegen eine äquivalente Summe in US-Dollar zu tauschen. Dieser Tausch sollte „diskret und auf Ehrenwort“ erfolgen, wie sich aus der Aussage des Geschädigten ergab. Der Geschädigte erhielt von den beiden Angeklagten ein Necessaire, die laut den Angeklagten die Summe von US-Dollar enthält, für die der Geschädigte 90’000 Fr. einzutauschen gewillt war. Der Angeklagte zu 1 zählte den Betrag, den er vom Geschädigten erhielt an Ort und Stelle durch. Der Geschädigte unterliess es, das nämlich zu tun, er wollte „das Geld frühestens auf der Bank durchzählen“, wie er in seiner Aussage angab. Das besagte Necessaire enthielt jedoch nur zurechtgeschnittene Stapel Kopierpapier, die zwischen je zwei echte Dollarscheine zusammengebunden waren, sodass es auf den ersten Blick erschien, als wären es Bündel von Dollarscheinen.]

Sowohl die Vorspiegelung bzw. Unterdrückung von Tatsachen ist erfüllt (durch das Vorgaukeln von wertlosem Papier als Geld) als auch eine Vermögensschädigende Handlung seitens des Geschädigten (er tauschte irrigerweise 90’000 Fr. gegen beinahe wertlose Bündel aus Dollarscheinen und Kopierpapier). Es stellt sich daher noch die Frage nach der Arglistigkeit der Irreführung. Die Arglistigkeit wird in der Regel nur dann ausgeschlossen, wenn das Opfer derart zur Tat beitrug, dass dieser Beitrag hinter der eigentlichen Irreführung zurücktritt. Es bedarf also der besonderen Leichtfertigkeit, so müssen selbst die geringsten Sicherheitsvorkehrungen unterlassen werden, damit eine Opferbeteiligung bejaht werden kann. Im Sachverhalt bestünden diese etwa darin, das Geld an Ort und Stelle nachzuzählen. Da dies unterblieb (und der Geschädigte zudem ausführte, er hätte das Geschäft aus einem „act génereux“ getätigt), kam das Gericht zur Auffassung, der Geschädigte hätte sich leichtfertig verhalten. Vor dem Hintergrund, dass der Geschädigte als Unternehmensberater zwangsweise über grosses Wissen in der Wirtschaftslehre und dem Recht haben musste und daher gewusst haben musste, dass an diesem Geschäft einiges seltsam war, wurde die Opferbeteiligung bejaht. Damit entfällt die Arglistigkeit, womit auch der Tatbestand des Betruges nicht weiter haltbar sei. Die Berufung des Geschädigten musste daher abgewiesen werden, womit gleichzeitig auch der Zivilanspruch des Geschädigten, sowie der Antrag auf Prozessentschädigung abgelehnt wurden.



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