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Einzelposting: Schreibt ihr gerade an einem Roman?


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Von:    Ligeia_Maloy 11.07.2015 14:16
Betreff: Schreibt ihr gerade an einem Roman? [Antworten]
Ich glaube, über die letzten fünf Jahren hatte ich zwei Dutzend Ordner angelegt, mit ein paar Seiten Text jeweils, und dem Gedanken - joa doch, daraus kann man was machen, die Idee hat Potential!

Übrig davon sind jetzt - vier. Na gut, 4,5. Eine Story existiert schon, ist mittlerweile drei Jahre alt, benötigt dringend ein gründliches Editing und Rewrite von einigen Teilen. Aber weil das thematisch eh was ist wofür sich nie ein Verleger finden wird (und wahrscheinlich selbst über self-publishing kaum ein Käufer) zählt das als Liebhaberprojekt von meiner Mitbewohnerin und mir.

Was wurde aus den anderen Ordnern?

Verworfen, geändert, zusammengelegt.

Ihr kennt bestimmt auch diesen einen konstanten Profitipp: Schreibt's auf, schreibt einen first draft, packt den in eine Schublade, und wartet mindestens sechs Monate, besser ein Jahr, bevor Ihr wieder draufschaut.

Ich gebe zu, ich fand das immer doof, aber - Himmel, haben diese Leute Recht.

2013 habe ich eine Geschichte geschrieben. Der chronologische Brocken liegt bei etwa 130 Seiten in Libre Office, dazu kommen die Charakterkonzepte, diverse noch nicht chronologisch eingeordnete Abschnitte und Kapitel, Kurzgeschichten über die Charaktere die mehr für mich sind um sie näher kennen zu lernen. Insgesammt dürften das so um die 300 Seiten Textchaos sein (400, wenn man ein viertelfertiges Spin-off eines Nebenchars dazu rechnet)

2013 haben wir (Mitbewohnerin wieder, ohne die und ihren kreativen Input ich mir mittlerweile nicht mehr vorstellen kann, auch nur einen Absatz zu schreiben) darauf gefiebert, das Ding online zu bringen. Sicher, Einleitung fehlte noch, büsschen editieren, Fehlersuche, aber sonst - hach sind wir genial. Das Einzige, was uns vom Veröffentlichen abhielt war, dass die Website nicht fertig wurde.

Heute? Himmel, das würde ich so niemanden antun wollen xD

Thema? Immer noch super. Plot? Top. Charaktere? Genial. Einheitliche Struktur? Spannungsbögen?! Balance zwischen Handlungs- und Informationsabschnitten?! Klare Verläufe der verschiedenen Handlungsbögen der Charaktere? Übersichtlichkeit an sich?!

Nee, da muss ich noch mal ran, das ganze Ding einreißen und komplett neu aufziehen.

Bei einem anderen Projekt bestehen noch grobe Plotlücken, und von Nr. 3 bin ich im Moment nicht mehr so überzeugt vom eigentlichen Plot. Wohl aber von den Charakteren. Vorerst ruht's also, bis ich mich entscheide, ob ich nur den bisherigen Plot überarbeite oder einen ganz neuen mache.

So, wie läuft das hier an sich ab?

Teamwork.

Mitbewohnerin zeichnet, und hat ein unheimliches Talent dafür, neue Charaktere zu basteln (und Welten zu erschaffen, random Ideen einzuwerfen). Meistens sind's Konzeptskizzen (und davon sind die Meisten unanständige Momentaufnahme, ahem). Die krieg ich rübergeschoben, find sie toll und - stelle Fragen. Wer ist das, wo kommen die her, warum guckt der so, wo lernten die sich kennen?

Darauf kommt meist - "ey, ich wollte nur zeichnen, mir keine Gedanken machen!". Die macht sie sich dann über nacht, und am nächsten Tag hab ich ein paar Sätze. Zu denen ich noch mehr Fragen hab xD Dann kommen von mir ein paar Vorschläge, wir steigern uns rein, ich bekomme mehr Artwork zugeschoben, und sie 1-2 Tage später 15-30 Seiten Kurzgeschichte.

Joa, und ab da wird mir das Weiterentwickeln von der Story überlassen, mit regelmäßig eingechobenen Ideen in Form von Bildern oder kurzen drabbles ihrerseits.

Ich probiere noch viel rum, welche Methoden am Besten zu mir passen, oder welcher Mix. Mittlerweile rücke ich immer mehr davon ab, chronologisch alles runter zu reißen. Wenn sich an Punkt A plötzlich Details zu "ein Jahr später" aufdrängen, dann kommt das erst mal.

Dabei mache ich mir auch immer weniger Stress, von wegen "Aber vor 2 Monaten schrieb ich auf Seite 12-18 soundso, also muss das viel Spätere ganz genau passen!"

Faxen. Nichts ist in Stein gemeißelt, und wenn ich bei einem anderen Abschnitt feststelle, anders gefällt mir besser, wird eben editiert. Oder neu geschrieben.

Und ja, wir benutzen auch Charakterbögen. Meist sehen die zwischen ersten Konzeptbildern und Story-Stichpunkten noch recht leer aus, aber wenn erst mal 20 Seiten geschrieben sind füllen die sich zügig (manchmal muss man die armen Figuren erst mal in ein Schlamassel schmeißen, um zu gucken, wie sie reagieren.).

Ein etwas vereinfachter Bogen sieht bei uns so aus (die ausgefüllte Variante kennen zZt nur Mitbewohnerin und ich): Jitter - Charactersheet

Ohne was es auch nicht geht: Endlose Diskussionen. Welche Art Welt, wenn nicht unsere Zeit, wie historisch akkurat soll's werden, bei alternativen Welten - was ist anders, was ist ähnlich, wie sind die Naturgesetze, gibt es Magie? Wie sind dazu die Naturgesetze, wie wird das gesellschaftlich und politisch geregelt. Überhaupt, Politik. Gesellschaft. Wie hast Du's mit der Religion? Was ist mit Geschlechterrollen? Bildungssystem? Medizin? Forschung? Ethik? Kriege? Architektur? Handel? Brieftaube oder berittener Kurier oder ganz anders? usw usf. Viel Gesprächsstoff und Notizen für Dinge, die manchmal nur in einem Nebensatz auftauchen.

Jaaa, so wird's noch Jahre dauern, bis hier wirklich mal ein ganzes Manuskript fertig ist. Aber macht nichts. Vom reinen Schreibstil her bin ich eh noch nicht so weit, als dass ich denke, den Ideen gerecht zu werden. Also weiter daran arbeiten.

An sich würde ich sagen mein größter Feind ist die Überambition. Es soll am Besten gleich perfekt sein, und dann DER neue Bestseller werden, also bloß nicht mit mäßigen Fähigkeiten gute Ideen verbraten - äh, aber woran schreib ich so lange um mich zu verbessern? Ab einem gewissen Punkt eigenen Fanfics sich nur noch bedingt zum Üben (Charaktere die keiner kennt gut vorzustellen, ohne Charaktersheet, ist nicht sooo einfach). Dazu ist in der ersten Euphorie jede Idee natürlich erst mal super, und schon verzettelt man sich und hat völlig überladene Charaktere und Plots.

Also - erst mal durchatmen. Sammeln. Weglegen. Warten. Vielleicht ein Sachbüchlein über Schreibmethoden lesen. Philosophieren was Motivation ist und ob man sie auf dem Boden einer Flasche Erdbeerwein findet. Noch mehr warten. Gefühlte 50 nagelneue Ideen notieren und wieder vererfen. Stattdessen ein bisschen Fanfic schreiben, um mal auszutesten was man in einem anderen Sachbuch gelesen hat. Warten. Zwischendurch immer wieder mal jammern, auch ganz wichtig. Weiter warten.
Und wenn Wochen und Monate rum sind mit dem Rotstift/Löschtaste noch mal dran und sich fragen, welcher Teufel einen bei dem Quatsch oder der depperten Idee geritten hat. Sich freuen, dass man besser geworden ist, sowohl im Schreiben selbst, als auch darin, objektiv gute von schlechten Ideen zu unterscheiden.

Also, Geduld, lernen, üben, sich eingestehen, dass zu viel Ambition mehr schadet als nützt, und dass das Erschaffen eines soliden, guten Romans mehr Arbeit als Idealismus ist.

Es kann nur besser werden.

(und wenn ich mal im gleichen Zeit/Text-Verhältnis an meinen Skripten arbeiten würde wie an Forenbeiträgen, dann wäre ich schon eine ganze Ecke weiter. Bitte um Entschuldigung für diese erschlagende Textflut ^^)

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