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Tales of the real Ghostbusters

von

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Worried about Ray…

Zwei Stunden später…
 

Der weißlackierte Einsatzwagen rast mit einer irrsinnigen Geschwindigkeit auf die Einfahrt des Lower Manhattan Hospital zu. Wer sich nicht umdreht, um den Wagen mit seiner grellheulenden Sirene zu betrachten, der würde logischerweise denken, es handelt sich um einen Krankenwagen, auch wenn sich Ectos Sirene im Klang deutlich von der eines solchen Fahrzeugs unterscheidet. Doch die Geisterjäger sind ausnahmsweise einmal nicht hier, um eine ectoplasmische Erscheinung einzufangen, dennoch ist ihr Anliegen so dringend, dass sie sich möglichst schnell durch die verstopften Straßen bewegen müssen. Mit quietschenden Reifen kommt Egon auf dem Parkplatz des Krankenhauses zum Stehen. Ihn hinter dem Steuer des Wagens zu sehen, ist doch schon etwas ungewöhnlich und noch ungewöhnlicher ist es, ihn mit einer solchen Geschwindigkeit fahren zu sehen. Unter normalen Umständen und selbst während ihrer Einsätze, ist der Blonde stets darum bemüht, sich an die Verkehrsregeln zu halten, oftmals zum Leidwesen seiner Kollegen.
 

Allerdings herrschen jetzt alles andere, als normale Umstände und Egon ist mindestens genauso aufgewühlt wie seine zwei Beifahrer, auch wenn man es ihm nicht so ansieht. Janine sitzt neben ihm, ein besorgter Ausdruck ziert ihr ungesund blasses Gesicht und ihre ruhelosen Hände bearbeiten unentwegt den Saum ihres Rockes, der schon völlig zerknittert ist. Nur mühevoll gelingt es der sonst so temperamentvollen Frau die Tränen zurückzuhalten. Peter sitzt unterdes zusammengesunken auf der Rückbank, wirkt wie ein Häufchen Elend und fühlt sich noch viel schlechter. In sich gekehrt kann er nur noch an Ray denken. Venkman allein ist schuld an all diesem Unglück und wer weiß, ob es nicht noch viel schlimmer wird…
 

Als das Krankenhaus anrief, war nicht ersichtlich, wie es dem Mechaniker geht oder ob er überhaupt noch am Leben ist. Sie meinten nur, er habe einen schweren Unfall gehabt und ist hier eingeliefert worden. Winston ist ebenfalls hier, zum Glück unverletzt, aber dennoch nicht in der Lage, diesen Anruf selbst zu tätigen. Was auch immer das bedeuten soll… Die drei übrigen Mitglieder der Ghostbusters hatten gerade wenig erfolgreich ihr Gespräch bezüglich Peters Fehlverhalten beendet, als das Telefon zu läuten begann. Nun steht Ecto-1 auf dem völlig leeren Besucherparkplatz und die Insassen steigen zögernd aus. Janine und Egon betrachten das fünfstöckige Gebäude mit nervöser Furcht, wobei der Tüftler auch jetzt gefasster wirkt. Peter hingegen starrt gedankenverloren auf den rissigen Asphalt.
 

Er kann noch immer nicht begreifen, wie aus einem verhältnismäßig harmlosem Spielchen – seiner Meinung nach zumindest, Ray sieht das jedoch ganze anders – so eine schreckliche Tragödie werden konnte. All der Mist, den er in den letzten Jahren so angestellt hat, wirkt lachhaft gegen dies hier. Aber vielleicht ist genauso ein Unglück von Nöten, damit Venkman aus diesem Drang herauskommt und endlich anfängt erwachsen zu werden? Auf jeden Fall ist es ein sehr prägendes Erlebnis, dessen Ausgang in so vielen Fällen ungewiss ist, dass dem Brünetten regelrecht schlecht wird. Für einen Moment verspürt er den unbändigen Zwang, sich umzudrehen und einfach davonzulaufen. Klar ist das feige und er würde die anderen in dieser schweren Stunde einfach so allein lassen, doch er kann den Gedanken einfach nicht ertragen, dass alles aus sein könnte und er nicht nur Ray, sondern auch alle anderen verlieren könnte. Dieser schrecklich feige Drang wird so stark, dass er sich sogar schon umdreht, als Janine plötzlich seinen Arm ergreift und sich bei ihm einhakt.
 

Verwirrt schaut er die junge Frau an, die aussieht, als hätte sie tagelang nicht mehr geschlafen. Für einen Moment erwidert sie seinen Blick und betrachtet dann wieder den sterilen, weißen Betonklotz, in dem die Ungewissheit auf sie alle wartet. Zuerst denkt Peter, dass sie so etwas wie Trotz bei ihm suchen würde, doch da wäre sie in jeden Fall wohl fehl am Platz bei ihm, erst recht jetzt. Nun ergreift Egon seinen anderen Arm und mustert ihn mit einer so unsicheren Entschlossenheit, dass er wieder wirkt, als wäre er zehn Jahre alt und stünde einer schwierigen Herausforderung gegenüber. Dem Brünetten wird klar, dass die beiden wohl geahnt haben, dass er abhauen wollte und ihn so daran zu hindern versuchen. Und verdammt noch mal, sie haben recht damit! Nur allzu oft war es Peter völlig egal, was aus den Leuten und ihren Beziehungen wird, wenn er mit ihnen angebandelt hat und sie ihn dann verstießen. Doch das hier ist etwas vollkommen anderes.
 

Ray ist keines von diesen leicht zu habenden Mädchen und auch kein untreuer Bengel, auf der Suche nach einem schnellen Abenteuer. Nein, er ist sein Freund, sein Kollege und so vieles mehr und darum muss Venkman der Tatsache auch ins Auge sehen und zu seinem Fehler stehen, ihn irgendwie aus der Welt schaffen, wenn das überhaupt noch möglich ist und alles daransetzen, wieder auf den richtigen Weg zurückzufinden! Unsicher verweilen sie drei einen Augenblick, dann setzen sie sich langsam, fast wie ferngesteuert in Bewegung und betreten das Krankenhaus.
 

Die Besuchszeit ist längst vorbei, weshalb außer dem Personal und einer Reinigungskraft niemand zu sehen ist. Der Eingangsbereich ist in einem dezenten Beige gehalten und mit großen Pflanzen, Sesseln, einer Couch und einigen Tischchen ausgestattet. Im warmen, gelben Licht aufwendig gestalteter Lampen, soll man sich willkommen und beruhigt fühlen und vergessen, an was für einem traurigen Ort man sich hier eigentlich befindet. Für die drei Freunde wirkt der Anblick aber alles andere als einladend. Es ist schrecklich erdrückend und schürt den Gedanken an das Unausweichliche, was im Inneren des Gebäudes auf sie wartet, nur noch mehr. Unweigerlich verkrampft sich Janine und klammert sich fester an Peters Arm. Gedanklich stellt sie sich wahrscheinlich vor, dass es Egon ist, geht es Venkman durch den Kopf. Dennoch lässt er seine Hand langsam hinabgleiten und verschränkt seine Finger mit den ihrigen. Würde der Tüftler nicht immer noch seinen anderen Arm umschlingen, könnten die beiden schon fast als Paar durchgehen. Doch Peter hat diesen Gedanken schon lange aufgegeben und ist auch ganz froh darüber. Zu dritt wirken sie alle aber eher wie kleine Kinder, die sich ängstlich an den Händen halten, weil sie etwas Furchtbares entdeckt haben.
 

Ehe sie den Tresen der diensthabenden Oberschwester erreichen, erhebt sich diese bereits von ihrem Stuhl und kommt geschwind auf sie zu. Die breitgebaute Frau in der altmodischen, weißen Tracht und dem kleinen Häubchen auf ihren hochgesteckten Haaren mustert die Neuankömmlinge streng, dann jedoch mildert sich der Ausdruck in ihrem Gesicht etwas. „Sie sind die Geisterjäger, nehme ich an. Ich bin Oberschwester Ruth. Wir hatten telefoniert, da ihr Kollege Mister Zeddmore dazu unglücklicherweise nicht in der Lage war.“, berichtet die Frau mit dem ergrauten Haar. „Da wir diesem Gespräch nicht sonderlich viele Informationen entnehmen konnten, wäre es überaus wünschenswert, wenn sie uns jetzt sagen könnten, warum Winston dazu nicht in der Lage war.“, entgegnet ihr Egon ruhig. Wieder mustert Ruth die drei streng, wiegt vielleicht ab, was sie ihnen erzählen kann, ohne gegen ihre Schweigepflicht zu verstoßen.
 

„Nun, wie schon gesagt, fehlt ihrem Kollegen nichts. Zumindest nicht körperlich. Doch als man Mister Stanz in den OP gebracht hat, erlitt Mister Zeddmore eine Art verzögerten Schock, könnte man sagen. Er ist regelrecht ausgerastet und war kaum noch zu bändigen. Weswegen wir gezwungen waren, ihm gegen seinen Willen ein Beruhigungsmittel zu verabreichen. Dementsprechend ist er nun ziemlich neben sich und kaum ansprechbar und ich wäre ihnen sehr verbunden, wenn sie ihn mitnehmen würden, ehe die Wirkung nachlässt…“ Die Abfälligkeit in ihrer Stimme lässt es eher klingen, als würde sie über einen flegelhaften Hund reden, den sie für eine Freundin hütet, statt über den sonst so ausgeglichenen Winston. Daher kann sich keiner der drei so recht vorstellen, wie es wohl ausgesehen hat, als der Schwarzhaarige, wie sie es ausdrückte, ausgerastet sein soll. Doch sie nehmen das Ganze erst einmal so hin.
 

„Keine Sorge, wir nehmen ihn wieder mit…“, verspricht Janine. Eigentlich will sie noch etwas sagen, doch Peter befreit sie etwas ruppig aus ihrem Griff und tritt nach vorn. „Hören sie, Miss. Halten sie uns nicht mit solchen Nebensächlichkeiten auf, sondern sagen uns, was mit Ray ist, verdammt noch mal!“, fordert er energisch zu wissen. Natürlich macht sich Venkman auch Gedanken um Winstons Zustand, aber es geht ihm ja gut, da ist er sich ganz sicher. Von Ray kann er das nicht behaupten und er hasst sich mit jeder Minute, die vergeht mehr für das, was er getan hat und dadurch diese grausige Kettenreaktion ausgelöst wurde. Der Anblick der strengen Oberschwester bringt ihn noch mehr in Rage und nun kann er sich auch langsam vorstellen, wie es Winston wohl ergangen ist und er versucht sich daher zu beherrschen, da er nicht sonderlich scharf darauf ist, auch eine Beruhigungsspritze in den Allerwehrtesten zu bekommen.
 

Ruth mustert ihn eine Weile. Wahrscheinlich spielt sie sogar schon mit dem Gedanken an eine Spritze und versucht anhand von Peters Statur die geeignete Dosis zu errechnen. Dann schielt sie an dem Brünetten vorbei zu seinen zwei Begleitern. Egon und Janine wirken angespannt und nun hält sich die Rothaarige auch kraftlos an dem Tüftler fest. Trotz der schrecklichen Situation wirken die beiden glücklich und wenn es zwischen ihnen nicht so schwierig wäre, würden sie sicher ein perfektes Paar abgeben. Doch im Augenblick erscheinen sie eher wie sehr junge Eltern, die sich große Sorgen um ihr einziges Kind machen und irgendwie ist es ja fast auch so. Ray´s kindliches Gemüt sagt da schon alles und Janines beinahe mütterliche Fürsorge ihm gegenüber verstärkt dieses Bild nur noch.
 

„Nun…“, setzt die Oberschwester an. „Viel kann ich ihnen nicht sagen, da die Operation noch nicht beendet ist. Dr. Bowers, der behandelnde Arzt, kann ihnen zu einem späteren Zeitpunkt dann alles erläutern. – Mister Zeddmore sagte, es habe einen Autounfall gegeben. Der Fahrer wirkte wohl betrunken und ist anschließend einfach weitergefahren, ohne auch nur zu bremsen. Er sagte, dass er sich mit Mister Stanz gestritten hat und dabei unbemerkt auf die Straße gelaufen sei. Dann kam das Auto viel zu schnell angerast und Mister Stanz habe ihn im letzten Moment von der Straße geschupst und sei dabei dann von dem Wagen erfasst worden. – Als er hier eingeliefert wurde, hatte er schwere Kopfverletzungen und war nicht bei Bewusstsein. – Mehr kann und darf ich ihnen im Moment leider nicht sagen.“, beendet sie ihren Bericht.
 

Mit wachsendem Entsetzten lauschen die drei Geisterjäger ihren Ausführungen und versuchen sich vorzustellen, was sie erwarten könnte, wenn oder falls Ray aus dem OP kommt. Während sie erzählt, liegt in Ruth´ Augen ein seltsam betrübter Glanz. An ihrer Sprechweise, die die ganze Zeit über geschäftlich wirkt, ist nicht ersichtlich ob sie sich diesem Glanz bewusst ist oder nicht. Doch er wirkt auf die drei schrecklich endgültig, so als hätte sie Ray schon abgeschrieben, als er hier eingeliefert wurde. Eigentlich will Peter ihr eine gesalzene Antwort geben und mehr Informationen aus ihr herauspressen, doch der Ausdruck ihrer Augen veranlasst ihn, den Mund wieder zu zumachen und entmutigt die Schultern hängen zu lassen. Erneut möchte er sich für sein schlechtes Verhalten selbst ohrfeigen, stattdessen betet er, damit es Ray doch noch irgendwie schafft.
 

Egon ist der Erste, der die eingetretene Stille durchbricht. „Wie lange glauben sie, wird die Operation noch dauern und wann können wir zu ihm?“ In seiner Stimme schwingt Hoffnung mit, für was sie genau steht, ist jedoch nicht ersichtlich. Janine klammert sich mit großen Augen erwartungsvoll an seinen Arm. Ihr ganzes Erscheinungsbild scheint nach einer positiven Antwort geradezu zu flehen. „Wie lange das Ganze noch dauern wird, ist unmöglich zu sagen und ich will ihnen da auch keine Versprechungen machen. Doch wenn die OP vorbei ist, wird Dr. Bowers mit ihnen sprechen und dann können sie sicher auch zu ihrem Kollegen. – Eigentlich ist die Besuchszeit ja schon längst vorbei, aber in solchen Fällen machen wir immer eine Ausnahme. Daher dürfen sie gern hier warten, bis der Arzt mit ihnen sprechen kann. Alles Weitere wird er ihnen dann sagen.“
 

Hier warten zu müssen, erscheint den dreien wie ein Schlag ins Gesicht, obwohl es noch undenkbarer wäre, wenn sie jetzt gehen müssten. „Was ist mit Winston? Dürfen wir denn zu ihm?“, fragt Janine, in der Hoffnung von ihm mehr Informationen zu erhalten. Abschätzend sieht Ruth auf die Uhr, die an der Wand hinter ihrem Tresen hängt. „Das geht in Ordnung. Das Beruhigungsmittel dürfte jetzt bald abgebaut und er somit langsam wieder aufnahmebereit sein. Doch ich würde sie bitten, es zu vermeiden ihn aufzuregen, damit sich dieser Vorfall nicht wiederholt. – Wenn sie mir folgen, bringe ich sie zur Intensivstation hinauf.“ Ein Funken von Erleichterung macht sich in den Gesichtern der Geisterjäger breit und sie folgen Ruth zu den Fahrstühlen.
 

Im vierten Stock angekommen, erscheint die Welt schon ganz anders und man merkt, dass sich hier normalerweise keine regulären Besucher aufhalten. Hier sind die Wände nicht in einem beruhigenden Beige gehalten, sondern in einem sterilen, zarten Grauton. Auf halber Höhe der Wände verläuft ein etwa vierzig Zentimeter breiter, himmelblauer Streifen den Flur hinunter und sorgt damit für etwas Entspannung. Zu beiden Seiten des hellgrauen Linoleumbodens verlaufen ebenfalls solche blauen Streifen. Trotz dieser Farbtupfer kommt ihnen dieser Flur noch viel erdrückender vor, als der Eingangsbereich. Keine Menschenseele ist zu sehen und es ist erschreckend still. Dann biegt eine junge Krankenschwester um die Ecke und wird von Ruth angehalten. Die Blondine wirkt in ihrer Schwesterntracht, als wäre sie aus einem Männermagazin gesprungen. Lange, blonde Haare zu einem Zopf geflochten, der ihr keck über die linke Schulter hängt; eine schlanke Figur; volle, rote Lippen; ein so üppiger Busen, dass es an ein Wunder grenzt, dass der Reißverschluss ihres Kostüms nicht wehklagend aufgibt; der zarte Spitzensaum ihres BHs blitzt darunter hervor und der Rock ist gerade mal so lang, dass er über ihren wohlgeformten Po reicht.
 

Unter anderen Umständen würde Peter bei ihrem Anblick wohl völlig den Verstand verlieren, doch jetzt beachtet er sie gar nicht. Als das Gespräch der beiden Frauen beendet ist, verschwindet die Blondine im Schwesternzimmer und Ruth führt die drei um die Ecke des Flurs. Hier stehen eine Handvoll Stühle vor einer großen Glasfront, durch die man auf den begrünten, parkähnlichen Hinterhof des Krankenhauses blicken kann. Aus Sicherheitsgründen sind die Stühle fest am Boden verschraubt, damit insbesondere die geschwächten Patienten nicht umfallen können. In Anbetracht der vorgerückten Stunde und der somit draußen vorherrschenden Dunkelheit, sind die Stühle jedoch bis auf einen alle leer. Ganz an der linken Seite sitzt Winston leicht in sich zusammengesunken, was wohl noch von dem Beruhigungsmittel herrührt.
 

„So, dort ist ihr Kollege. Sie können sich gern zu ihm setzen. Am Ende dieses Flurs gibt es eine kleine Kaffeeküche mit verschiedenen Snackautomaten, falls sie mögen. Ansonsten würde ich sie bitten hier zu bleiben. Schwester Melanie sagt ihnen Bescheid, sobald es Neuigkeiten gibt.“ Die drei bedanken sich bei ihr und Ruth verschwindet wieder. Langsam nähern sich die Geisterjäger Winston. Als sie vor ihm stehen, sehen sie, dass seine Hände mit Lederriemen an den Armlehnen des Stuhls festgeschnallt sind. Wunde Stellen auf seiner Haut zeugen davon, wie sehr er sich scheinbar zur Wehr gesetzt hat. Der Anblick erschüttert die drei regelrecht, wurde ihnen gegenüber doch nichts von einer solchen Notwendigkeit gesagt. Mit wehmütigem Blick sinkt Egon vor dem Schwarzhaarigen auf die Knie und löst die Riemen von seinen Armen. Erst jetzt scheint Winston die Anwesenheit der anderen überhaupt wahrzunehmen. Schwerfällig hebt er den Kopf und starrt sie mit trüben, leeren Augen an.
 

Er braucht eine ganze Weile, ehe er begreift, wer vor ihm steht. „Egon? - Leute…?“, fragt er mit belegter Stimme und reibt sich mechanisch die wunden Handgelenke. Nun lässt sich auch Janine vor ihm auf die Knie nieder und legt ihm eine Hand auf die Stirn, als wolle sie feststellen, ob er Fieber hat. „Ja, wir sind es. Wie fühlst du dich, Winston?“, fragt sie sanft, während sich Egon und Peter auf die freien Stühle setzen. „Wie ausgespuckt…“, erwidert der Bauarbeiter matt und gibt ein erschöpftes Seufzen von sich. „Was haben sie dir denn injiziert?“, will der Tüftler nun wissen und putzt gemächlich seine Brille. „Ich hab keine Ahnung. Aber das war ein Trip, den ich nicht noch einmal haben will, ganz ehrlich…“ Müde reibt er sich erst die Augen und massiert sich dann die Schläfen, als hätte er plötzlich starke Kopfschmerzen. Janie setzt sich neben ihn und reicht ihm ein Glas Wasser, das auf einem kleinen Wägelchen neben ihm steht. Dankend leert er es in einem Zug und starrt es dann mit verklärtem Blick an.
 

„Da ihr hier seid, nehme ich mal an, ihr wisst, was passiert ist…“, wirft der Schwarzhaarige in die Runde. „Ja, Peter hat uns alles erzählt und dann rief das Krankenhaus an…“, berichtet die Rothaarige. „Wenigstens etwas. In meinem Kopf herrscht zur Zeit Funkstille. – Nachdem sie mich an den Stuhl gefesselt und mir dieses Zeug gegeben haben, ist alles schwarz. – Ich weiß weder, wie viel Zeit vergangen ist, noch wie spät es überhaupt ist…“ „Es ist einundzwanzig Uhr neunundvierzig und seit dem Unfall sind etwa zweieinhalb Stunden vergangen.“, klärt Egon ihn auf. Peter sitzt die ganze Zeit schweigend an rechten Ende der Stuhlreihe und hofft irgendwie, dass Winston seine Anwesenheit entweder nicht bemerkt oder im Moment zumindest toleriert und er hofft, dass das auch noch eine Weile so bleibt. Dennoch ist ihm klar, dass er so schnell nicht wieder aus dieser Nummer rauskommen wird.
 

Die nächsten zwei Stunden verbringen die vier größtenteils schweigend miteinander. In dieser Zeit verfliegt die Wirkung des Beruhigungsmittels allmählich, doch Winston fühlt sich hundeelend. Er bekommt tatsächlich Kopfschmerzen, ihm ist schwindlig und schlecht. Egon versichert ihm jedoch, dass so was schon mal vorkommen kann und es wahrscheinlich daran liegt, dass er so aufgebracht und die Dosis vielleicht etwas zu hoch war. Ein paar Stunden Schlaf und alles ist wieder gut. Winston nimmt das Ganze hin, zumindest bis ihm so schlecht wird, dass er sich übergeben muss. Egon versichert ihm erneut, dass auch das normal ist, weil er sich solche Sorgen um Ray macht. Ehe Winston dagegen protestieren kann, kommt Schwester Melanie um die Ecke und teilt ihnen mit, dass die Operation vorbei ist und Dr. Bowers gleich zu ihnen kommt. Die junge Frau versucht dabei aufmunternd zu klingen, doch es wirkt eher traurig, was die vier nur noch mehr beunruhigt.
 

Endlose Minuten vergehen, bevor der Arzt um die Ecke tritt und sie begrüßt. Entgegen jeder Meinung, die man von Ärzten in einer Seifenoper hat, trägt Dr. Bowers keine blutverschmierten OP-Sachen und streift sich auch nicht theatralisch den Mundschutz vor ihren Augen ab. Er trägt verwaschene Jeans, ein ausgeblichenes T-Shirt und einen blütenweißen Kittel mit goldenem Namenszug über der rechten Brusttasche. Das Einzige, was ihn klischeehaft wirken lässt, ist das Stethoskop um seinen Hals und sein Alter. Er ist noch verhältnismäßig jung, vielleicht Anfang, Mitte dreißig, dennoch wirkt er sehr professionell und zielstrebig. Ehe er den vieren sagt, wie es Ray geht, rügt er Winston noch einmal, wegen seines Ausbruchs, versichert ihm aber, dass seine Symptome in diesem Fall völlig normal sind.
 

„Gut…“, setzt Dr. Bowers an. „Ich will sie ja nicht länger, als nötig auf die Folter spannen. Aber ich will ganz ehrlich zu ihnen sein. Es steht nicht sonderlich gut um ihren Kollegen…“ Ernst sieht er die vier Geisterjäger an, die seinen Blick erschrocken erwidern. „Als Mister Stanz eingeliefert wurde, war sein Zustand äußerst kritisch und während der Operation mussten wir ihn zweimal reanimieren. – Beim zweiten Mal sah es ganz so aus, als würden wir ihn endgültig verlieren. Erst im letzten Moment hat er sich dazu entschieden, doch noch bei uns zu bleiben. – Es tut mir wirklich leid, wenn ich sie mit dieser Aussage erschrecke, aber in Anbetracht seiner schweren Verletzungen denke ich, dass sie das wissen sollten, um sich dem Erst der Lage bewusst zu werden…“ In den Augen des jungen Arztes liegt tiefes Mitgefühl, hätte er sich doch nie träumen lassen, die berühmten Ghostbusters mal auf so eine Art kennenzulernen.
 

Nahezu verzweifelt klammert sich Janine wieder an Egon. Winston hat die Ellenbogen auf die Knie gestützt und die Hände dabei vor dem Gesicht gefaltet, als wolle er beten. Er ist sehr blass und kämpft innerlich immer noch mit den Nachwirkungen der Spritze, doch er versucht sein Unwohlsein solange zurückzuhalten, bis der Arzt seine Ausführungen beendet hat. Peter hingeben sitzt zusammengekauert auf seinem Stuhl und wirkt dabei, als wolle er sich einfach nur verkriechen. Er sieht mindestens genauso elend aus wie Winston und zum ersten Mal im Leben begreift er, was es bedeutet, wenn man von Schuldgefühlen regelrecht zerfressen wird. Nach einem Moment der Stille setzt Dr. Bowers seinen Bericht fort und geht nun auf die einzelnen Verletzungen ein. Dabei spürt man deutlich seine Professionalität. Er geht sehr ins Detail und lässt nichts aus. So viel Ehrlichkeit erfährt man nur selten von einem Arzt und vielleicht hat dies auch seine Vorteile.
 

Abgesehen von Egon, versteht keiner von ihnen, was Ray wirklich alles fehlt. Doch das müssen sie auch nicht wirklich. Bis dato war der Blonde noch erstaunlich gefasst, aber je länger der Bericht wird, desto mehr bröckelt die Fassade, die sich der Tüftler aufgebaut hat. Zum Schluss sitzt er stocksteif, mit großen Augen und offenem Mund auf seinem Stuhl und scheint sich kaum noch zu trauen, überhaupt Luft zu holen. Sein Anblick vermittelt den drei Übrigen das Ausmaß des Ganzen weit mehr, als es die Worte des Arztes jemals können. Daher ist es auch überhaupt nicht nötig, das Gesagte zu übersetzen. Es läuft schlichtweg darauf hinaus, dass Ray´s Überlebenschancen gleich Null sind. Zudem ist er während der Operation in ein tiefes Koma abgeglitten und selbst wenn er sich von seinen Verletzungen erholt, ist es ungewiss, ob er jemals wieder aufwachen wird…
 

Eine Weile herrscht Schweigen zwischen den beiden Parteien und ein jeder lässt die Situation auf sich wirken. Dann erhebt Dr. Bowers vorsichtig die Stimme. „Ich weiß nur zu gut, wie schwer das alles für sie ist und wir sind bemüht, unser Bestes zu versuchen, damit es Mister Stanz schnell wieder bessergeht. Dafür brauchen wir aber nicht nur seine Hilfe, sondern auch ihre. Wann immer es ihnen möglich ist, sollten sie ihn besuchen, mit ihm sprechen und ihm helfen, wieder an die Oberfläche zu treten. Ich weiß, dass das sehr schwer ist und viel Kraft erfordert, doch sie haben schon ganz andere Dinge überstanden bei ihrer ungewöhnlichen Arbeit und ich bin sicher, das Vertrauen, das sie sich dabei aufgebaut haben, wird ihnen jetzt helfen…“ Es grenzt an schreckliche Ironie, dass das Ganze überhaupt erst durch einen Vertrauensbruch verursacht wurde, aber dies dem Arzt zu sagen, wäre wohl sinnfrei. „Da es schon ziemlich spät ist und wir uns alle ausruhen sollten, kann ich sie nur kurz zu ihm lassen. Doch wenn sie morgen während der Besuchszeit wiederkommen, kann die Welt schon ganz anders aussehen und dann haben sie jede Menge Zeit.“
 

Bleib stillliegen, mein Herz

Erschreck dich nicht

Ich bin ein Freund,

Der zu dir spricht
 

Langsam wendet sich der Arzt um und steuert auf das Zimmer zu, indem Ray untergebracht ist. Kraftlos erheben sich die vier Freunde derweilen und folgen ihm in einem paralysierten Zustand. Bowers schiebt die schlichte, weiße Tür zur Seite und bittet sie hinein. Das Einzelzimmer liegt in einem schummrigen Licht und wird lediglich von den Maschinen darin erhellt. Doch ihr Leuchten reicht vollkommen aus, um das Ausmaß des Ganzen zu begreifen. In dem schmalen Krankenhausbett wirkt Raymonds eigentlich beinahe pummeliger Körper so schrecklich klein und zerbrechlich, als wäre schon alles Leben aus ihm entwichen. Ein dicker Verband schlingt sich um seinen Kopf, wie ein grotesker Helm. Eine durchsichtige Maske liegt auf seinem Gesicht und hilft ihm beim Atmen. Neben seinem Bett sieht man die Maschine dafür, die fleißig verschiedene Bälge rhythmisch zusammendrückt und auseinanderzieht. Unzählige Schläuche stecken in seinen Armen und verschwinden unter der Bettdecke, um seinen geschwächten Körper mit lebenswichtigen Medikamenten zu versorgen und jede seiner Reaktionen aufzuzeichnen.
 

Ich habe gewartet und gehofft,

Dass der Moment vielleicht niemals kommt,

Dass er einfach vorübergeht

Oder vielleicht niemals geschieht
 

Auf einer zweiten Maschine kann man unzählige Kurven beobachten, die alles Mögliche aufzeichnen. Der schwache Herzschlag des Mechanikers wird dabei durch ein leises Piepsen angezeigt, dass der Kurve folgt. Der gedehnte Abstand der einzelnen Töne bereitet Egon Sorgen und ein Blick auf den Monitor sagt ihm, dass sein Freund wahrlich darum kämpft, jeden weiteren Herzschlag zu schaffen. Stumm studiert der Tüftler eine ganze Weile die verschiedenen Anzeigen. Er ist zwar kein ausgebildeter Arzt, versteht aber bei weitem genug, um beunruhigt zu sein. Während Dr. Bowers ebenfalls die Monitore prüft und ein paar Notizen in Ray´s Krankenakte vornimmt, stehen die drei übrigen Mitglieder der Geisterjäger schweigend am Fußende des Bettes und betrachten ihren verunglückten Kollegen. Es fällt ihnen schwer hinzusehen, aber wegschauen können sie genauso wenig. Winston wird immer blasser und als der Arzt sie bitten will zu gehen, sackt er fast zusammen. Erschöpft und mit schwacher Stimme wendet er sich an Bowers.
 

Ich schau zurück

Auf eine wunderschöne Zeit
 

„Besteht zufällig die Möglichkeit, dass – das ich heute Nacht hierbleiben kann? – Ich fühle mich wirklich schrecklich…“ Etwas unbeholfen stützt Janine den Bauarbeiter und hilft ihm zu einem Stuhl in der Ecke. Der junge Arzt mustert ihn genau, leuchtet ihm in die Augen und fühlt seinen Puls. „Die Nebenwirkungen scheinen bei ihnen wirklich heftig zu sein, was aber kein Wunder ist, bei dem, was alles passiert ist. – Unter diesen Umständen wäre es wirklich besser, wenn sie sich hier unter Aufsicht ausruhen würden. Allerdings ist es ausgeschlossen, dass sie dies hier auf der Intensivstation machen. Aber ich bin sicher, unten auf der allgemeinen Station wird sich noch ein Zimmer für sie finden. Den Rest von ihnen muss ich aber bitten, zu gehen und morgen wiederzukommen.“ Erleichterung huscht einen Moment über Winstons Gesicht und das nicht nur, weil er indirekt in Ray´s Nähe sein kann. Die anderen geben ihr Einverständnis zu gehen und so begleitet sie der Arzt nach unten und fragt die Oberschwester nach einem Schlafplatz für den Schwarzhaarigen.
 

Warst die Zuflucht

Und die Wiege meines Seins
 

Am nächsten Tag…
 

Die Sonne taucht das schlichte Gebäude des Krankenhauses in gleißendes Licht und lockt viele der Patienten und ihrer Besucher auf die Wiese hinaus. Das schöne Wetter interessiert Winston jedoch kein bisschen und so sitzt er schon den ganzen Vormittag bei seinem Freund im abgedunkelten Zimmer und versucht ihm eine Reaktion zu entlocken. Mal abgesehen von der tiefsitzenden Sorge, die er für seinen Geliebten empfindet, fühlt sich der Dunkelhäutige heute wesentlich besser. Der Schlaf hat ihm sehr gut getan und ihm neue Kraft gegeben. Sanft ergreift er wieder Raymonds Hand, verschränkt ihre Finger miteinander und streicht ihm liebevoll über die Wange. Seine Haut fühlt sich kühl und reglos an, fast so, als wäre er bloß eine übergroße Puppe. Dieser Gedanke treibt Winston heute schon zum zweiten Mal die Tränen in die Augen. Das erste Mal ereilte ihn, als er heute Morgen das Zimmer betreten und richtig realisiert hat, was alles passiert ist. Unter dem Einfluss des Beruhigungsmittels und der Nebenwirkungen war er dazu kaum in der Lage.
 

Hast gekämpft

Und jeden Moment mit mir geteilt
 

Es hat eine ganze Weile gedauert, bis er die Tatsache verkraftet hat, seinen Freund dort so liegen zu sehen. Die Schwestern haben schon befürchtet, dass sie ihm wieder eine Spritze geben müssen, doch zum Glück war das dann doch nicht nötig. Mittlerweile hat er das alles halbwegs akzeptiert und versucht stark zu sein, damit er Ray helfen kann, wieder aufzuwachen. Langsam und beruhigend redet er auf den scheinbar schlafenden Jungen ein, hält seine Hand umklammert und erzählt ihm von all den aufregenden Dingen, die passiert sind, seit sie sich kennengelernt haben. Und da gibt es viel zu erzählen. Wilde Verfolgungsjagten mit miesen Geistern, waghalsige Spritztouren mit Ecto-1, lustige Fernsehabende, knifflige Aufgaben und jede Menge Spaß. Dem Schwarzhaarigen fallen immer mehr Dinge ein, die er ihm erzählen kann und die noch viele weitere Erinnerungen hervorrufen. Ausgelassenheit hebt seine Stimme. Sie wird jedoch schnell wieder niedergerungen, wenn er Ray ganz unbewusst fragt, ob er sich daran noch erinnern kann. Er ist ganz sicher, dass er es kann, doch der Mechaniker ist einfach nicht in der Lage ihm zu antworten und das deprimiert ihn zu tiefst.
 

Ich bin stolz,

Auch jetzt bei dir zu sein
 

Kraftlos lässt er den Kopf auf die Bettdecke sinken und benetzt den Stoff mit seinen Tränen. In den letzten Stunden hatte er viel Zeit zum Nachdenken und ihm ist klargeworden, dass er Ray Unrecht getan hat. Im Nachhinein betrachtet versteht er noch nicht einmal, warum er ihn eigentlich so böswillig beschuldigt hat, ihn zu betrügen. Klar, er hat gesehen, was Peter und Raymond in Begriff waren zu tun, aber stimmt das wirklich? Die Situation war schon eindeutig, aber wenn er genau nachdenkt, sah der Mechaniker nicht so aus, als würde er dem Ganzen freiwillig zustimmen. Wieso auch? Immerhin ist er ja auch mit ihm zusammen und nicht mit Venkman. Winston hat sich schlichtweg von seiner Enttäuschung übermannen lassen und Ray nicht mal die Möglichkeit gelassen, sich zu erklären. Trotz alledem hat der Rothaarige jedoch nie aufgegeben und ihm sogar noch das Leben gerettet, obwohl er ihn so beschimpft hatte.
 

Ich fange ein Bild von dir
 

Ray ist einfach ein grundguter Mensch und wäre nie dazu in der Lage, so perfide zu handeln. Oh nein! Es gibt nur einen Schuldigen und das ist Peter! Wenn er es sich recht überlegt, hätte er auch gleich darauf kommen können. Immerhin lässt Venkman kaum eine Situation aus, um sich an irgendwen ranzumachen. Und in letzter Zeit hatte er so viel Pech mit seinen Dates, dass er wohl ziemlich frustriert war und scheinbar dachte, bei Ray leichtes Spiel zu haben. Schniefend hebt Winston den Kopf und streicht seinem Freund erneut über die Wange. „Vergib mir, Ray…“, haucht er ihm entgegen. „Bitte vergib mir und werde schnell wieder gesund…“
 

Und schließ die Augen zu,

Dann sind die Räume nicht mehr leer

Lass alles andere einfach ruhen
 

So vergeht die Zeit und der Nachmittag bricht an. Winstons stille Wache wurde nur ab und an von einer Krankenschwester unterbrochen, die nach dem Rechten sah. Ansonsten war er ganz allein mit seinen Gedanken. Er merkt nicht mal, wie spät es schon ist, obwohl ihn eine Schwester mehrfach gefragt hat, ob er etwas essen möchte. Irgendwann dann klopft es an der Tür. Langsam wendet Winston den Kopf in die Richtung und sieht, wie Dr. Bowers den Raum betritt, dicht gefolgt von den Geisterjägern. „Ich habe gehört, dass es ihnen heute schon viel bessergeht, Mister Zeddmore.“, entgegnet ihm der Arzt. Bemüht versucht Winston zu lächeln, doch wirklich gelingen mag ihm das nicht. „Körperlich auf jeden Fall…“, erwidert der Schwarzhaarige matt. „Das ist gut.“ Routinemäßig beginnt der Arzt mit seiner Visite und notiert jede noch so kleine Veränderung auf dem Krankenblatt. Derweilen schweigen die vier und beobachten ihn hoffnungsvoll.
 

Ich fang ein Bild von dir
 

„Nun…“, setzt Bowers an und klappt die Akte wieder zu. „Natürlich ist nach einer Nacht kein Quantensprung in der Genesung ihres Kollegen zu erwarten, aber seine Werte haben sich etwas verbessert, was zumindest besagt, dass der die schwere Operation gut überstanden hat. Ob das Ganze erfolgreich war, kann ich jedoch noch nicht sagen, da die Heilung während des Komas viel langsamer von statten geht. Daher ist es ja auch so wichtig, dass sie sich bemühen, ihn aufzuwecken.“ Abschätzend mustert er die Runde und blickt dann kurz auf seine Uhr. „Bis zu meiner nächsten Visite ist noch etwas Zeit. Mister Spengler, sie wollten gern mit mir sprechen, wenn ich mich richtig entsinne. Wenn es ihnen also genehm ist, können wir dies gern in meinem Büro tun.“ „Das wäre mir überaus genehm, Doktor.“, entgegnet der Tüftler. Er ist sehr an all den Methoden und Details interessiert und kann durchaus verstehen, dass es den anderen schwerfällt, sich so etwas anzuhören, weswegen er ein Gespräch unter vier Augen sehr begrüßt. „Sehr schön. Dann wünsche ich dem Rest eine hoffentlich angenehme Besuchszeit. Falls etwas sein sollte, fragen sie bitte Schwester Melanie oder eine der anderen Damen auf dieser Etage.“
 

Und dieser eine Augenblick

Bleibt mein gedanklicher Besitz

Den kriegt der Himmel nicht zurück
 

Gemeinsam verlassen Egon und Dr. Bowers den Raum und lassen die drei bei Ray allein. Janine hockt sich neben Winston und streicht ihm sanft über den Rücken. „Wie fühlst du dich?“, fragt sie liebevoll, betrachtet dabei aber Ray´s schlafendes Gesicht. „Ganz gut, seit ich endlich von diesem Trip runter bin. Aber ich würde mich weit besser fühlen, wenn ich wüsste, dass Ray nicht im Sterben liegt…“ Tröstend nimmt ihn die Rothaarige in den Arm. „Ach Schätzchen, sag doch so was nicht. – Ich bin sicher, es geht ihm bald besser und dann wird alles wieder wie früher…“ Winston wünscht sich nichts mehr, als das. Doch kann es unter solchen Umständen überhaupt jemals wieder so werden wie damals? Er ist sich sicher, dass Ray das mit Sicherheit versuchen würde, aber was passiert ist, lässt sich nicht so einfach aus der Welt schaffen. Sicher werden sie immer noch ein Paar sein, doch was ist mit den Geisterjägern? Winston glaubt nicht, dass er sie wirklich verlassen kann, nicht, wenn Ray nicht mit ihm kommt und er weiß, wie sehr das Herz des Mechanikers an seiner Arbeit hängt.
 

Du kamst zu mir

Vor jedem allerersten Ton,

Als das Zeitglas unerschöpflich schien
 

Irgendwie werden sie bestimmt eine Lösung finden und zu allem Alten zurückfinden, wäre da nicht eine entscheidende Sache, die ihm jetzt wieder blitzartig einfällt: Peter! In seinem bescheidenen Zustand gestern, hat er Venkmans Anwesenheit überhaupt nicht wahrgenommen und selbst wenn, war er nicht in der Lage irgendetwas dagegen zu unternehmen. Jetzt sieht das ganz anders aus. Langsam wendet er dem Brünetten den Blick zu. Der sonst so stolze Anführer der Ghostbusters steht am Fußende des Bettes und starrt mit leerem Blick auf seinen Kammeraden hinab. Selbst im fahlen Licht der Maschinen ist deutlich zu sehen, dass es ihn nicht sonderlich gut zu gehen scheint. Er ist blass, seine Augen leicht gerötet, so als hätte auch er geweint und trotz der Tatsache, dass er die Hände bemüht lässig in seinen Hosentaschen vergraben hat, wirkt seine ganze Erscheinung müde und ausgezehrt. Wahrscheinlich hat er die ganze Nacht kein Auge zu gemacht und über seinen Fehler nachgedacht. Winston hofft es zumindest für ihm, immerhin wäre das, dass Mindeste, was er tun sollte.
 

Du hast gelebt,

In jedem Sturm mit mir gekämpft
 

Doch das genügt Winston verständlicherweise kein bisschen. Nein, eigentlich müsste Peter all die Schmerzen erleiden, die Ray nun durchstehen muss und selbst das wäre nicht mal ansatzweise genug, um seinen Fehler wiedergutzumachen. Tiefe Wut staut sich in dem Bauarbeiter an und sie wird mit jeder Sekunde stärker, mit der er den Brünetten betrachtet. Unbewusst hebt Peter schließlich den Kopf und ihre Blicke treffen sich. Dem Kleineren entgeht die Wut in den dunklen Augen seines Gegenübers keineswegs, weswegen er schuldbewusst den Blick abwendet. Das genügt Winston nun aber wirklich. Was bildet sich der Kerl eigentlich ein? Steht nur da rum, wie ein kleines Kind, dass gerade Ärger bekommen hat und kriegt den Mund nicht auf! Wütend erhebt sich der Schwarzhaarige von seinem Platz und stellt sich dem anderen gegenüber. Überrascht verfolgt Janine das Ganze.
 

Nie etwas verlangt,

Nur gegeben und geschenkt
 

„Was glaubst du eigentlich, wer du bist? Spazierst hier fröhlich rein und denkst, dass alles wieder gut ist nur, weil du ein trauriges Gesicht machst?“, fährt Winston ihn an. Erschrocken zuckt Peter zusammen und weicht einen Schritt zurück. Die kräftige Stimme des Mannes vor ihm, wirkt in der Stille des Raumes fast wie ein Pistolenschuss. „Nein! – Es tut mir leid…“, erwidert Peter mit brüchiger Stimme. Janine steht ebenfalls von ihrem Stuhl auf und überlegt, was sie tun könnte, falls das hier irgendwie ausarten sollte. „Es tut dir leid? Wirklich? Das glaub ich dir nicht! Und weißt du was, Venkman? Eigentlich müsstest du dort in diesem Bett liegen und dahinvegetieren und nicht der arme Ray!“ Drohend kommt Winston noch einen Schritt näher, doch diesmal weicht Peter nicht zurück. Er schluckt schwer, sieht dem Schwarzhaarigen aber fest ins Gesicht.
 

Hast mir gezeigt,

Was wirklich wichtig ist
 

„Ja, du hast recht. Ray hat das ganz sicher nicht verdient und es wäre in jedem Fall besser, wenn es mich erwischt hätte…“ „Peter, nun sag doch so was nicht…“, wirft die Rothaarige ein, doch keiner der beiden Männer scheint sie überhaupt wahrzunehmen. „Und ob du es mir nun glaubst oder nicht, spielt überhaupt keine Rolle. – Es tut mir schrecklich leid, was passiert ist. – So was wollte ich ganz sicher nicht…“ Betrübt sinkt Peter den Kopf, spricht aber dennoch weiter. „Ich war frustriert und eifersüchtig auf dich. – Ich wollte Ray für mich haben, doch er hat nicht mitgemacht. – Ich dachte, ich könnte ihn doch noch irgendwie überzeugen. Wollte sogar, dass du das mitbekommst, damit ihr euch trennt…“ Fassungslos lauscht Winston den Worten des anderen. Langsam sieht Peter ihn wieder an. Eine Träne kullert seine Wange hinab. „Doch ich wollte ganz sicher nicht, dass Ray jetzt hier liegen muss!“ Finster blickt der Bauarbeiter ihn an und ballt die Fäuste.
 

Hast ein Lächeln gezaubert,

Mit deinem stillen Blick

Ohne jedes Wort,

Doch voll Liebe und Leben
 

„Willst du wissen, was Ray´s letzte Worte waren? Er sagte mir, ich solle dir sagen, dass er dir deswegen nicht böse ist. Na, wie findest du das, du bist das mieseste, egoistischste Arschloch, dass mir je im Leben begegnet ist!“, brüllt Winston. Erschrocken zuckt Janine zusammen, doch Peter zeigt keine Reaktion. „Da bist du nicht der Erste, der mich so nennt…“, erwidert er in einem so nebensächlichen Ton, als würden sie gerade über das Wetter reden, doch innerlich ist Peter am Boden zerstört, erst recht wegen Ray´s Worten, aber sein Stolz, der für ihn immer so etwas wie ein Schutzschild in unangenehmen Situationen war, lässt es nicht zu, dies auch zu zeigen. Winston fühlt sich dadurch aber nur noch mehr provoziert. Sonst war er stets der Ruhepol des Teams, doch davon ist er jetzt meilenweit entfernt. Ehe Janine oder Peter sich auch nur rühren können, holt der Bauarbeiter aus. Seine Faust trifft genau auf Venkmans Nase und wirft den jungen Mann zu Boden. „Winston? Was tust du denn?“, ruft Janine und versucht den Schwarzhaarigen festzuhalten, damit er nicht noch auf den anderen losgeht.
 

Hast so viel von dir

An mich gegeben
 

Nicht wirklich überrascht sieht Peter zu ihm auf. Dünnes Blut rinnt in Strömen aus seiner lädierten Nase, doch es scheint ihn nicht zu kümmern. Insgeheim hat er sogar auf so etwas gewartet, eine Art Strafe, die ihn noch etwas Anderes als Schuldgefühle empfinden lässt. Er ist in seinem Denken sogar schon so weit, dass er nicht mal etwas dagegen hätte, wenn Winston ihn jetzt windelweich schlagen würde. So aufgebracht, wie sein Gegenüber gerade ist, liegt die Chance dafür sogar ziemlich gut. „Was ich tue? Das siehst du doch! Ich werde sein verdammte Ego aus ihm rausprügeln!“, erwidert der Schwarzhaarige aufgebracht und versucht sie halbherzig abzuschütteln. „Tu, was du nicht lassen kannst. Ich werde mich nicht wehren…“, gibt Peter kleinlaut zurück, während sich das warme Blut auf seinem T-Shirt verteilt. „Das will ich dir auch geraten haben, Freundchen!“ „Winston! Es reicht! Damit geht es Ray auch nicht besser…“, versucht es die Sekretärin verzweifelt und zerrt an ihm.
 

Ich schau zurück

Auf eine wunderschöne Zeit
 

Für den kräftigen Bauarbeiter wäre es ein Leichtes, sich von ihr loszureißen und seine Fäuste sprechen zu lassen. Doch ihre Worte treffen ihn mitten ins Herz. Ein Schreck geht durch seinen Körper, als wäre er gerade selbst geschlagen worden und er lässt kraftlos die Fäuste sinken. Mit offenem Mund wendet er sich um und betrachtet den reglosen Körper in dem Bett. Was hat er sich dabei nur gedacht? Klar hat Peter eine Strafe verdient und ihm wäre nichts lieber, als ihm diese höchstpersönlich zu verabreichen, aber Raymond wäre damit nicht geholfen. Wäre er wach, würde er dagegen bestimmt sogar protestieren, da er von Grund auf ein friedliebender Mensch ist, der jeglicher Gewalt aus dem Weg zu gehen versucht. Er sieht stets das Gute im Menschen und möchte, dass sich jeder mit jedem versteht. Also muss er sich irgendwie mit Venkman arrangieren, bis das Ganze überstanden ist und sie eine dauerhafte Lösung finden.
 

Warst die Zuflucht

Und die Wiege meines Seins
 

„Du hast recht, Janine und es tut mir leid, dass du das mit ansehen musstest…“, kommt es schwach von Winston. Ganz langsam lässt sie ihn wieder los, dennoch bereit erneut zu handeln, sollte er wieder anfangen. „Ich werde es nur einmal sagen und ich werde dich auch ganz sicher nicht darum bitten, Venkman. Also verlass auf der Stelle das Zimmer!“ Drohend mustert er den auf dem Boden sitzenden Mann. Ungelenk erhebt sich der Brünette und stolpert auf die Tür zu. Bevor er hinausgeht, wendet er sich aber noch einmal um. „Du hast alles Recht der Welt mit mir böse zu sein. Dennoch sollst du wissen, dass es mir wirklich leidtut. Das, was geschehen ist, kann ich nicht mehr ändern, daher hoffe ich einfach, dass wir irgendeine Lösung finden…“ Ohne eine Antwort abzuwarten, tritt er hinaus und schließt die Tür. „Das hoffe ich auch…“, murmelt Winston kaum hörbar, mit einer Mischung aus Wut und Traurigkeit und setzt sich dann wieder mit Janine neben das Bett.
 

Hast gekämpft

Und jeden Moment mit mir geteilt
 

Auf dem Flur stößt Peter beinahe mit Schwester Melanie zusammen, die ihn erschrocken ansieht. „Um Himmels Willen, Dr. Venkman! Was ist denn passiert?“ Witziger Weise scheint sie die Einzige im ganzen Krankenhaus zu sein, die sie alle mit ihrem Titel anspricht und dennoch hat es Peter noch nie so sehr gestört wie jetzt. Klar, er hat einen Doktortitel, auf den er immer sehr viel Wert legt und liebend gern damit angibt. Doch was nutzt es ihm, ein Doktor zu sein, wenn er doch niemandem helfen kann? Mit einem unschönen Schniefen saugt er geräuschvoll etwas Blut hoch und schluckt er runter. Der bittere Kupfergeschmack in seinem Hals hat etwas seltsam Beruhigendes. „Halb so wild. Ich hab´s verdient…“, entgegnet er ihr mit nuschelnder Stimme und zuckt mit den Schultern.
 

Ich bin stolz,

Auch jetzt bei dir zu sein
 

Eigentlich will er an ihr vorbei, um draußen etwas Luft zu schnappen, aber sie packt ihn überschwänglich am Arm und führt ihn zu der Reihe Stühle, auf der sie gestern Abend gesessen haben. Widerwillig lässt er sich auf einen davon nieder, während sie los eilt, um Erste-Hilfe-Material zu holen. Traurig wirft er einen Blick zu Ray´s Zimmer, das keine fünf Meter von hier entfernt ist. Schon kurz darauf kommt Melanie wieder zu ihm. Auf einem kleinen Wägelchen schiebt sie Verbandszeug und Desinfektionsmittel heran, sowie ein paar Schmerztabletten. Betont aufreizend setzt sie sich neben ihm und tupft vorsichtig mit einem Wattebausch das Blut von seinem Gesicht. Nicht zum ersten Mal fällt Peter dabei auf, wie jung und gut gebaut sie doch ist. Was aber auch nicht schwer ist, wo sie ihre Reize doch so offensichtlich zur Schau stellt.
 

Ich fange ein Bild von dir
 

Unter anderen Umständen würde ihm jetzt wohl schwindlig werden und er würde alles daransetzen, sie irgendwie rumzukriegen. Doch jetzt wird ihm höchstens schwindlig, weil er ihren Anblick kaum ertragen kann, ohne daran denken zu müssen, dass sein unmöglicher Lebensstil erst zu all dem Unglück geführt hat. Er schließt die Augen und denkt an Ray, doch sie macht es ihm wahrlich nicht leicht. „Oh, Dr. Venkman, was sind sie nur für ein Rabauke, sich in einem Krankenhaus zu prügeln.“ Eigentlich müsste man denken, dass sie ihn damit tadeln will, allerdings ist dem ganz und gar nicht so. sie klingt fast schon belustigt und ihre Stimme hat etwas sehr unpassend Erotisches an sich. Überrascht öffnet der Brünette die Augen und sieht sie verständnislos an. „Wie bitte?“ „Ich mag ja temperamentvolle Männer besonders gern.“, sie lächelt ihm keck entgegen und beugt sich noch weiter nach vorn, sodass ihr üppiger Busen gegen seine Schulter drückt.
 

Und schließ die Augen zu,

Dann sind die Räume nicht mehr leer

Lass alles andere einfach ruhen
 

Venkman versteht die Welt nicht mehr. Gestern Abend noch sah sie so mitfühlend und traurig aus und heute versucht sie allen Ernstes mit ihm anzubandeln?! Fast sein ganzes Leben lang hat er auf so einen Moment gewartet, wo eine Frau wirklich Interesse an ihm hat, ohne das er sich vorher ein Bein ausreißen muss, um ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen und dann passiert es ausgerechnet dann, wenn er am liebsten auf einer einsamen Insel hocken und Einsiedler werden will? Er empfindet ihren Versuch ja schon als ausgemachte Dreistigkeit, immerhin weiß sie doch, wie schlecht es Ray geht. Peter kann sich gar nicht erinnern, wann er sich von einer Frau das letzte Mal so angewidert gefühlt hat. „Sag mal, spinnst du, Missy?“, fragt er sie offen heraus. „Wo denken sie denn hin, Dr. Venkman? Ich finde nur, dass sie etwas Ablenkung gut gebrauchen könnten und hier gibt es viele freie Betten…“
 

Ich fang ein Bild von dir
 

Das schlägt nun wirklich dem Fass den Boden aus! Aufgebracht springt er auf. „Was fällt dir eigentlich ein, so eine Show mit mir abzuziehen? Mein Freund liegt da drin und ringt mit dem Tod und ich bin schuld daran und du willst allen Ernstes mit mir ins Bett?“ Erschrocken sieht sie ihn an. Seine aufgewühlte Stimme hallt durch den Flur wie ein Buschfeuer. „Wie kannst du nur so gefühllos sein? Ich liebe diesen Bengel Herr Gott noch mal und würde auf der Stelle mit ihm tauschen, wenn ich könnte!“ Irritiert blickt sie ihn an. „Dr. Venkman sind sie etwa schwul?“, fragt sie ihn, ohne sich Gedanken darüber zu machen, dass die halbe Etage ihrem Gespräch zuhören kann. „Glaub mir, ich bin es und das, weil es so blöde Weiber wie dich gibt, die einen immer nur frustrieren!“ In diesem Moment wünscht sich Peter tatsächlich, er würde nur auf Jungs stehen, dann hätte er sich sicher ziemlich viel Ärger erspart. Er geht sogar noch weiter in seiner Wut und sagt nun etwas, das ihn noch nie gestört hat, was für ihn eher nur eine beinahe belanglose Tatsache war und kein Hindernis.
 

Und dieser eine Augenblick

Bleibt mein gedanklicher Besitz

Den kriegt der Himmel nicht zurück
 

„Und außerdem bist du verlobt, Missy! Also scher dich zum Teufel und such dir ein anderes Opfer, mit dem du den armen Tropf betrügen kannst!“ Völlig überfordert springt sie vom Stuhl auf und blickt auf den Ring hinab, den ihr Freund ihr vor zwei Monaten geschenkt hat. Sie ist den Tränen nahe und versteht überhaupt nicht, was gerade passiert. Wütend steht der Anführer der Geisterjäger vor ihr und legt sich schon die nächste Tatsache bereit, die er ihr an den Kopf werfen will, als sich zwei warme Hände auf seine Schultern legen. „Nun beruhig dich doch, Peter.“, bittet ihn Egon sanft. Innerlich ist er doch schon ziemlich stolz auf seinen sonst so sprunghaften Kammeraden, dass er es tatsächlich mal geschafft hat, einer Frau eine Abfuhr zu erteilen. Dr. Bowers taucht neben dem Blonden auf und mustert Schwester Melanie sehr ernst. „Ich denke, wir sollten uns einmal unterhalten!“, entgegnet er ihr streng, dann blickt er sich nach den beiden Männern um. „Diese Unannehmlichkeit tut mir wirklich außerordentlich leid, meine Herren…“ Egon nickt ihm nur zu und der Arzt entfernt sich mit der aufgelösten Schwester.
 

Ich fang ein Bild von dir
 

Der Tüftler spürt, wie er Zittern durch Peters Körper huscht und so setzt er sich mit ihm zusammen hin. Überrascht registriert er das Blut, das durch Venkmans Wutausbruch erst recht wieder zu fließen begonnen hat. Auch Janine ist durch den Lärm alarmiert worden und steht nun in der offenen Tür und beobachtet die beiden beunruhigt. „Was ist passiert?“, fragt Egon, während er gewissenhaft die Arbeit der Krankenschwester fortsetzt. „Ich bin ein egoistisches Arschloch und das ist meine Strafe…“, erwidert Peter mit brüchiger Stimme. „Ich verstehe…“, ist die einzige Reaktion des Größeren. Er weiß vielleicht nicht genau, was vorgefallen ist und er will Peter auch nicht ausquetschen, doch er kann es sich gut vorstellen. Ganz vorsichtig beginnt er damit, Venkmans lädierte Nase abzutasten. Dieser zuckt unter dem stechenden Schmerz zusammen, beschwert sich jedoch kein bisschen.
 

Ich schau zurück

Auf eine wunderschöne Zeit
 

„Du hast Glück, sie ist nicht gebrochen.“ Akribisch bereitet Egon den Klebeverband vor, doch als er ihn anbringen will, hält er überrascht inne und starrt sein Gegenüber an. Dicke, heiße Tränen rinnen dem Brünetten wie ein Sturzbach über die Wangen. „Glück nennst du das? – Ich – ich wünschte, sie würde mir abfallen!“ Völlig aufgelöst beginnt der sonst so arrogant anmutenden Peter haltlos zu schluchzen. Der Tüftler ist sichtlich überfordert mit diesem Anblick. Er hat seinen Freund zwar schon oft niedergeschlagen oder gar traurig gesehen, doch niemals weinend. Er weiß absolut nicht, was er tun soll. Verkrampft sitzt der Brünette neben ihm und ballt zittern die Fäuste auf den Oberschenkeln. Tränen und Blut tropfen auf seine Hose und den Boden und doch kümmert es ihn kein bisschen. „Ich bin an allem schuld! – Ich – ich bin schuld, - wenn Ray sterben muss! – Ich – ganz allein ich…“
 

Warst die Zuflucht

Und die Wiege meines Seins
 

Hilflos sitzt Egon neben ihm. „Peter, nicht doch…“, versucht er es. „Doch! Es stimmt! – Ich wünschte, mich hätte – dieser besoffene Scheißkerl erwischt!“ Seine letzten Worte gehen fast völlig in seinem hysterischen Schluchzen unter. „Peter…“ Ehe Egon sich überlegen kann, was er überhaupt sagen soll, lässt sich der Brünette kraftlos gegen seine Brust fallen. Überrascht weiten sich die Augen des Blonden. So viel Nähe ist ihm normalerweise eher unangenehm, doch er kann es nicht ertragen, seinen Freund so traurig zu sehen. Ganz langsam hebt er die Arme und legt sie um den schluchzenden Mann, drückt ihn sanft an sich. „Bitte Egon, Ray darf nicht sterben! – Bitte – bitte, Egon…“ Beruhigend streicht der Ältere ihm über den Rücken, vergessen ist der halbausgepackte Klebeverband und die blutende Nase. „Wir schaffen das schon…“, erwidert der Tüftler, doch es klingt ganz und gar nicht überzeugt. Stattdessen rinnt auch ihm nun eine einzelne Träne die Wange hinab und er schließt berührt die Augen. Ihr Anblick bringt Janine, die alles beobachtet hat, selbst zum Weinen.
 

Hast gekämpft

Und jeden Moment mit mir geteilt
 

Noch nie hat sie Egon so gefühlvoll erlebt und es erschüttert sie schon beinahe, was dafür nötig alles war. Doch die beiden Männer verbindet eine jahrelange Freundschaft, jede Menge Höhen und Tiefen und obwohl der Tüftler nicht gutheißen kann, was Peter gemacht hat, weicht er ihm dennoch nicht von der Seite. Ganz unweigerlich fragt sie sich, ob es ihr jemals gelingen wird, überhaupt nur entfernt so tief zu ihm durchdringen zu können. Sie findet keine Antwort und es ist auch nicht der richtige Zeitpunkt, um sich darüber Gedanken zu machen. Leise geht sie wieder in Ray´s Krankenzimmer zurück und setzt sich zu Winston.
 

Ich bin stolz,

Auch jetzt bei dir zu sein
 

Stunden werden zu Tagen und Tage zu Wochen und doch scheint es Raymond einfach nicht besser gehen zu wollen. Im Gegenteil verschlechtert sich sein Zustand so rapide, dass die Ärzte ihn erneut operieren müssen, um das Schlimmste zu verhindern oder zumindest noch weiter hinauszuzögern. Doch auch die zweite Operation scheint nicht die gewünschten Ergebnisse zu bringen, weswegen Dr. Bowers nun angehalten ist, mit den Geisterjägern zu reden. „Ich denke, dass es an der Zeit ist, dass sie sich mit ein paar Dingen anfreunden sollten. Und ich denke, dass es ganz gut ist, wenn ich es ihnen sage, bevor ich es seinen Eltern erzähle. Die Familie Stanz war schon bei ihrem letzten Besuch vor ein paar Tagen am Boden zerstört und da stand es noch nicht mal so schlimm um ihren Kammeraden, wie jetzt. Sie wissen sicher auch, dass die Familie Stanz ziemlich groß ist und seine Eltern haben alle Hände voll zu tun, allen Angehörigen die neusten Nachrichten zu überbringen.“
 

Ich lass dich gehen

Und wünsch dir alles Glück der Welt
 

„Wie sie alle wissen, hat die zweite OP das Gewünschte gebracht, eher das Gegenteil. Mister Stanz rutscht immer tiefer in sein Koma ab und ich fürchte, dass es daher unmöglich sein wird, ihn jemals wieder zu wecken. Obwohl ich ihre Hingabe und Hartnäckigkeit der letzten Woche nur bewundern kann. – Uns bleiben jetzt also zwei Möglichkeiten. Die erste besteht darin, alles wie bisher zu lassen und zu hoffen, dass er doch noch irgendwann aufwacht, beziehungsweise langsam und möglicherweise qualvoll über Monate dahinvegetiert, bis er schließlich stirbt. Oder aber die zweite Möglichkeit, ihm seinen Frieden zu geben und ihn sanft entschlafen zu lassen, indem wir die Maschinen abschalten und ihm eine Überdosis Narkosemittel verabreichen. – Letztendlich werden selbstverständlich seine Eltern das letzte Wort dazu sprechen, doch ich möchte, dass sie sich an den Gedanken gewöhnen, dass ihr Freund bald nicht mehr da sein wird…“
 

In diesem Augenblick

Bist du das Einzige, was zählt
 

Die Ansprache des Arztes wirkt sehr professionell, wie sonst auch, dennoch merkt man ihm an, dass ihm der Gedanke selbst auch ganz schön zu schaffen macht. Fassungslosigkeit breitet sich auf den Gesichtern der vier Ghostbusters aus. In der letzten Zeit haben sie zwar alle schon mal an diese Möglichkeiten gedacht, sogar versucht miteinander darüber zu sprechen, doch die Worte jetzt aus dem Mund des Arztes zu hören, ist viel schlimmer, als das, was sie sich vorgestellt haben. Dr. Bowers lässt sie einen Moment still darüber nachdenken, dann erhebt er wieder die Stimme. „Ich weiß, dass ist eine furchtbar schwere Entscheidung, erst recht, wenn sie nicht wirklich eine Wahl haben, da seine Eltern sich ganz anders entscheiden könnten. Aber ich möchte, dass sie jeden Tag, den sie hier sind, gemeinsam genießen, als wäre es der Letzte. – Das klingt zwar wie aus einem billigen Film, doch es hilft. Ich werde seinen Eltern heute Abend Bescheid geben und ihnen dann die Entscheidung mitteilen, damit sie sich gegebenenfalls von ihm verabschieden können. – Jetzt werde ich ihnen noch etwas Ruhe gönnen, reden sie mit ihm und erinnern sich an all die schönen Zeiten…“
 

Lass dich fallen

Und schlaf ganz einfach ein

Ich werde für immer an deiner Seite sein…
 

Mit hängenden Schultern verlässt der Arzt das Zimmer und lässt die vier zurück. Kraftlos setzen sie sich um Ray´s Bett und wissen nicht, wie sie damit jemals fertig werden sollen. Keiner von ihnen ist in der Lage auch nur irgendetwas zu sagen. Janine und Winston halten den Mechaniker an den Händen, während Peter und Egon einfach nur dasitzen und all das Erlebte Revue passieren lassen. Schweigend zieht der Tag an ihnen vorbei und die Besuchszeit nähert sich dem Ende. Eine Krankenschwester teilt ihnen mit, dass sie langsam gehen müssen, doch keiner von ihnen fühlt sich dazu in der Lage. Schließlich taucht Dr. Bowers auf, um sie zum Gehen zu animieren. Widerwillig erheben sie sich, doch Winston bleibt stur neben dem Bett stehen. „Bitte Mister Zeddmore, es wird jetzt wirklich Zeit…“ Mit starren Augen blickt ihn der Schwarzhaarige an.
 

„Wie können sie nur von uns verlangen zu gehen, wenn Ray sterben muss?“, wirft er dem Arzt vor. „Es tut mir wirklich leid, dass ich sie darum bitten muss…“ „Tut es das wirklich? – Seien sie ehrlich. Haben sie schon mal jemanden verloren, den sie über alles geliebt haben?“ Diesmal versucht niemand Winston aufzuhalten. Stattdessen sehen sie dem jungen Arzt fest ins Gesicht, als wollen sie eine ehrliche Antwort darauf. „Nein – ich…“, setzt Bowers hilflos ein. Die vier sind nicht die Ersten, die sich mit so einer Situation anfreunden müssen und auch nicht die Ersten, die deswegen auf die Barrikaden gehen, was es ihm aber nicht leichter macht, es unter Kontrolle zu bringen. „Dann können sie auch nicht verstehen, wie wir uns jetzt fühlen, also hören sie auf es zu behaupten und lassen uns in Ruhe!“ Händeringend sucht Dr. Bowers nach einer Antwort, die ihn aus dieser misslichen Lage befreien und die Geisterjäger zum Gehen bewegen kann. Doch ihm fällt einfach nichts ein, auf das die vier jungen Leute keine niederschmetternde Antwort haben.
 

Ungeachtet der Streitigkeiten, die sich zwischen den beiden Parteien aufschaukeln, passiert etwas hinter ihnen. Die verschiedenen Kurven auf den Monitoren beginnen auszuschlagen. Erst nur ganz kurz, kaum sichtbar. Dann jedoch kräftiger und anhaltender. Die Werte steigen in höhere Bereiche auf und stabilisieren sich nach und nach. Auch die Herzkurve wird kräftiger, doch in der hitzigen Diskussion ist das schnellere Piepsen dieser Kurve nicht zu hören. Ein Zucken geht durch den ausgezehrten Körper des Jüngsten. Sein Kopf bewegt sich schwerfällig von einer Seite auf die andere und kommt wieder zur Ruhe. Ein schwaches Stöhnen erfüllt die Atemmaske genauso überhörbar, wie die Herzkurve. Seine Lider flattern.
 

Dann erfüllt ein abgekämpftes Husten den Raum und bringt die Streitenden zum Schweigen. Erschrocken drehen sie sich zu Ray herum und starren auf die Monitore. „Was zum…?“, fragt Peter erschrocken. „Er kollabiert…“, ist Dr. Bowers erster Gedanke und er läuft eilig zu den Maschinen hinüber. Winston tritt an Ray´s Seite und ergreift seine Hand. „Nein Ray, bitte…“ Janine und Egon halten sich hilflos in den Armen. Überrascht stellt der Arzt fest, dass die Werte nicht abfallen, sondern angestiegen sind. Irritiert betrachtet er die Anzeigen und weiß im ersten Moment gar nicht, was das Problem ist. Dann kommt er drauf, dass etwas mit der Beatmungsmaschine nicht in Ordnung sein könnte. Für die angestiegenen Werte arbeitet sie jetzt einfach zu kraftvoll, weshalb er sie etwas runterdreht. Kurz darauf endet das Husten und Ray´s Körper beruhigt sich wieder.
 

Ehe einer von ihnen ein weiteres Wort sagen kann, starren alle auf Raymond. Seine Lider beginnen wieder zu flattern. Schließlich endet die Reaktion und der Mechaniker schlägt schwach die Augen auf. Völlig neben sich blinzelt er einige Male, um seine Sicht zu klären und sich an die schummrige Beleuchtung in dem Zimmer zu gewöhnen. „Ray?!“, entkommt es dem Schwarzhaarigen und er zieht ihm geistesgegenwärtig die Atemmaske vom Gesicht. Bowers will schon eingreifen, lässt es dann aber doch. Was hier gerade geschieht, gleicht einem Wunder. „Ray, hörst du mich?“, fragt der Bauarbeiter erneut. „Win~ston…“, kommt es ganz leise von dem Rothaarigen und er dreht langsam den Kopf zu seinem Freund herum. „Ja, ich bin hier, Ray!“ Er kann sein Glück kaum fassen. Tränen rinnen seine Wangen hinab und er sinkt auf die Knie.
 

Ray lächelt schwach und das Lächeln verschönert sein ausgezehrtes Gesicht auf magische Weise. Winston hat Raymond oft lächeln sehen, aber in diesem Lächeln liegt ein Friede, den er nie an ihm bemerkt hat; ein Friede, der sein Fassungsvermögen übersteigt und ihm klarmacht, wie sehr er diesen Mann doch liebt, ganz gleich, was alles vorgefallen ist…


Nachwort zu diesem Kapitel:
Lied: Unheilig - An deiner Seite Komplett anzeigen

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