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Sad Smiling

von

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Irgendwann am helllichten Tage erwachte er wieder. Seine zerzausten Haare ordneten sich ein wenig, als er gerade aus der Tür gehen wollte.

"...Bruderherz?" Ryu blieb stehen und rührte sich nicht. Er kannte die Stimme: Myriam stand in der Tür und schaute ihn mit einem seltsamen Blick an, der zu einem Teil aus Sorge, zu einem Anderen aus Mitgefühl und zu einem Dritten aus Schmerz oder Trauer bestand. "Was ist nur in letzter Zeit mit dir los, hm?" Ryu schwieg. "Seitdem du dieses Mädchen getroffen hast, bist du wie ausgewechselt..." Auch jetzt kam keine Antwort. "Sind es die Gefühle, die dich so verändern?", fragte sie besorgt. "Mag sein...", antwortete Ryu ruhig. "Ich weiß es doch selbst nicht..." - "Wenn du Hilfe brauchst...ich bin da...das weißt du..." - "...danke."

Ryu verließ das Haus und machte sich auf den Weg zu Christin. Er fuhr wieder mit dem Zug und nahm die Dinge um sich herum nur halbherzig wahr: Die Plakate von den Konkurrenzbands, die Werbungen für Gesichtscreme, für Mineralwasser und Aufrufe gegen Tierversuche. Ryus Gesicht war entgleist; wollte er nun klare Gedanken fassen oder träumen?

Als er schließlich vor Christins Haus war, seufzte er einmal tief durch und klingelte dann. Er wollte nicht weinen. Er wollte auch nicht betteln. Er wollte sich nur aufrichtig entschuldigen. Schließlich schaute sie zum Fenster hinaus: "Was willst du noch hier?", rief sie hinunter. "Habe ich dir gestern nicht noch gesagt, du sollst mir aus den Augen gehen?" Ryu zuckte kurz auf, verbarg seine Augen aber hinter seinen Haaren. "Soll ich dich hier wegschaffen lassen? Oder gehst du möglichst bald so schnell wie gestern?" ,So habe ich sie nicht kennen gelernt!', schoss es Ryu durch den Kopf. Obwohl es in ihm brodelte, blieb er still und formte mit seinen Händen nun Fäuste. "Wird's bald!? Hau endlich ab! Du hast mich doch nur ausgenutzt!!!" Jetzt reichte es Ryu. Blitzschnell schreckte er auf, erhob seine Faust gegen Christin und rief zurück: "Denkst du wirklich, dass ich so was tun würde? Und dass du ich so schnell aufgibst, heißt das etwa nicht, dass du mich vielleicht nur loswerden willst?" Christin war sehr überrascht. Doch sie zog sich zurück und schloss das Fenster. Ryu fühlte irgendwie, dass sie ihm noch zuhörte. Weinte sie jetzt eigentlich? Er rief lauter: "Was denkst du, warum ich wieder hier bin? Ich will nur meinen Text, den ich für dich geschrieben habe, mehr nicht!!! Oder denkst du, ich würde noch irgendwas von dir wollen!?" Christin zitterte. Sie nahm den Zettel, riss das Fenster auf und warf ihn hinaus: "Da hast du deinen scheiß Zettel! Ich wusste doch, dass du nichts von mir willst!!!", schrie sie. Ryu jedoch blieb still. Er ging zum Zettel hin, hob ihn auf und steckte ihn ein: "Nein.", sagte er ruhig und grinste Christin an, "Das hat du dir nur eingeredet. Du hast etwas als wahr erachtet, weil du damit deinen eigenen Schmerz so klein wie möglich halten konntest." Ryus Gesichtszüge wurden ernster, fast wütend. Seine Stimme ebenso: "Aber an mich hast du dabei überhaupt nicht gedacht!" Christin schrak auf: ,Er hat Recht...', dachte sie. Ohne ein Wort des Abschieds verließ Ryu das Grundstück. Sein Herz wurde schwer, aber es war nicht seine Art, jetzt weinend zusammenzubrechen. "Ryu!!!", hörte er einen Schrei. Doch er lief weiter. Das einzige, was er jetzt noch fühlte, war der salzige Geschmack einer Träne, die an seiner Wange heruntergeflossen war. ,Eigentlich willst du doch bleiben...', schoss es den beiden in diesem Moment gleichzeitig durch den Kopf. Aber niemand sprach es aus.

Dieser Tag war für Ryu praktisch gelaufen. Er wollte weder nach Hause, noch wollte er zurück zu Christin. Und Alex war heute beschäftigt. Und Steve? Zu Steve ging er wirklich nur, um zu proben. Er und Alex verstanden sich gut, aber Ryu wusste, dass es bei Steve und ihm an Freundschaft fehlte, damit sie über so etwas hätten reden können. Auch Myriam wollte er nicht sehen. Sie war zu Hause und eben da wollte er nicht hin. Also entschloss er sich, seinen Tag auf träumerische Weise in der Stadt zu verbringen. Er erblickte eine Bank im Park und setzte sich auf die Lehne. Vorsichtig kramte er einen Bleistift und den Zettel aus der Tasche und begann, ein wenig an einem Lied weiterzudichten. ,You told me I do have a beautiful voice, you told me that I'm leaving you no choice, you told me you can't come away from me...but you just wanted to be free, you wanted to see, you wanted to know how it would be with me...and you sighed and you said that it might become sad, you played with my heart...you played with my heart...' Ständig hallten ihm seine Klänge durch den Kopf. Aber nicht der Gedanke an Christin. Dies überraschte ihn sehr, aber es war gut so.

Nach einiger Zeit war es recht spät geworden. Ryu nahm denselben Zug wie am Vortag nach Hause. Als er sich in dieselbe Kabine setzte, merkte er einen sonderbar bekannten Jungen: Der Typ von Gestern! Ryu schrak leicht auf, wollte sich aber nichts anmerken lassen. Doch es war bereits zu spät: "Hey...dich kenn' ich doch!", ertönte es von gegenüber. Der Junge stand auf und ging zu Ryu. Nun sah er in sein Gesicht: Kurze, wilde, schwarze Haare, die dennoch irgendwie locker bis zu seinem Kinn hingen und dann diese tiefblauen Augen und das schmale Kinn und - Moment! Ryu lenkte blitzartig seinen Blick zur Seite. ,Da war doch heute früh dieses Plakat...', schoss es ihm durch den Kopf. Und da sah er es: Der Junge, der nun vor ihm stand, war auf dem Plakat auf einer Bühne abgebildet. Und darunter standen Tourdaten! War er etwa-

"Tut mir leid wegen gestern...", hörte er eine sanfte Stimme, die in sein Ohr flog und sich dort einnistete. "Ich war wohl etwas gereizt..." ,Seltsam...', dachte Ryu, ,...irgendwie...fühle ich mich wohl bei ihm...' Er schaute sein Gegenüber an, das etwas lächelte. Verträumt wie er war, brachte Ryu kein einziges Wort heraus. "Hallo?", fragte der Junge wieder. Ryu begann zu stottern: "Ähm...also, ich..." Der Schwarzhaarige musste lachen: "Du bist ja witzig! Na egal, ich muss hier raus! Mach's gut!" - "Hmmmh..." Ryu winkte ihm hinterher. ,Ob er wohl öfter mal hier herkommt...?'

Am nächsten Tag traf Ryu sich mit Alex und berichtete ihm von dem, was vorgefallen war. "Hmh...", grübelte Alex, "...ich glaube, den Typen aus dem Zug kenn' ich..." Er kramte in einem Papierstapel herum und zog eine Jugendzeitschrift heraus. "Da...Moment..." Ryu war völlig gespannt, lehnte sich an Alex und legte den Arm um ihn, um jeden Moment mit dem Finger auf die Stelle zu tappen, wo das Gesicht das Jungens sein würde. Mit seinen schönen haaren, den Augen, der schlanken Gestalt und- "Da, ich hab's!" Ryu war jetzt noch aufgeregter: "Was? Wo? Zeig, zeig, zeig!!!" - "Ist ja gut, Kurzer!", lächelte Alex und nahm seine Hand weg. Ryu schnappte sich ohne Zögern und war gleich sehr vertieft darin: "Jaaa, das ist er!!!", freute er sich wie ein kleines Kind. "Darf ich...die Zeitung mal mitnehmen...?", fragte er anschließend duster. Er wollte seine Launen vor Alex verbergen, aber das gelang ihm wirklich kein bisschen. "Klar, Kurzer!", erwiderte Alex fröhlich. "Wenn du willst, lass' ich dich kurz mit den Bildern alleine..." - "Hu-hu-huuu..." - "Dein Lachen gefällt mir gar nicht..."

Ryu blätterte nun wie wild in der Zeitung und las jeden noch so kleinen Artikel. Am Ende sagte er schließlich zurückblickend: "Also die Band heißt ,Burning Ice'. Er, Devlin, ist der Sänger. Dann gibt's da noch Kito, den Drummer, Kay, den Bassisten und Finja, die Zweitstimme!" Alex schnappte sich derweil sie Zeitung, um sich selbst ein Bild zu machen. "Mh, mag sein...", sagte er, legte die Zeitung weg und machte ein gelangweiltes Gesicht. "Machen bestimmt gute Musik." - "Alex, Alex! A-Alex, Aleeex! Alex!" - "Hmh, und die Sängerin sieht auch nicht grad übel aus..." - "Aaalex, Alex, Aleeex!!!" - "Hier steht, die haben bestimmt bald einen festen Vertrag bei einer Plattenfirma und-" - "A-Alex, Aleeex, Alex, Alex...!" - "Ja...?" - "Die haben eine Sängerin!!!", rief Ryu völlig außer sich und hielt sich verzweifelnd den Kopf. "Ja...und? Sieht doch gut aus..." - "Mit der ist Devlin bestimmt verheiratet...und sie haben ein Haus in Florida und zweiundvierzig Kinder...", sagte Ryu völlig erschöpft und sank zu Boden. "Krieg' ich deine Laune jetzt noch rauf?", fragte Alex. Doch er hörte nur ein leidendes "Neeein" vom Rothaarigen, der seinen Kopf weit nach unten gesenkt hatte. "Hmmmh, hier steht, die haben nächste Woche ein Konzert hier in der Stadt..." Als Alex wieder zu seinem Freund blickte, schaute der ihn mit großen Hundeaugen und einem breiten Grinsen an. "Also bist du wieder froh." Ryus Gesichtsausdruck blieb derselbe. "Lass mich raten: Du willst da hin?" Monotones Grinsen. "Na gut...", seufzte Alex und wollte aufstehen. Doch Ryu ließ ihn nicht los. "Was denn noch!?" Immer noch monotones Grinsen. "Neeein, du brauchst nicht schon wieder Geld, oder?" Ryu saß immer noch so da. "Na gut...da hast du was." Die Hand des Grinsenden griff gierig nach den Scheinen. Man konnte nur ein leises und verträumtes "Dankeschööön..." hören. Kurz darauf floss Speichel aus Ryus Mund und verteilte sich auf Alex' Hose. "Sag mal, geht's jetzt los!? Hör auf, mich vollzusabbern!!!"

Die Woche verging für Ryu wie im Fluge. Er hatte sich noch am selben Tag Karten gekauft und erwartete nun, acht Tage später, mit Alex in der Halle auf die Band. Als diese dann auf die Bühne trat und Devlin zu singen begann, hörte Ryu nur angespannt zu. Alex schrie derweil etwas auf. "Sag mal, wie kannst du bei diesem geilen Song schreiben und nicht total dran fest gehen und losfeiern!?" - "Mach' mir halt Notizen, was wir noch verbessern könnten..." - "Spinnst duuu!?" Schließlich begann Finja zu singen. Im selben Moment schnappte sich Ryu mit Schlitzaugen Alex' Papier und schrieb selbst. "Geht's noch, Kurzer!?", rief Alex und schlug ihm auf den Kopf. "Aua!" Ryu machte ein trauriges Gesicht. "Och, war nicht böse gemeint, Ryuchen..." Alex gab ihm spaßeshalber einen Kuss auf die Wange.

Kurz vor Konzertende schnappte Devlin sich das Mikrofon: "Also dann, Leute...macht's gut...wer noch Autogramme will, muss sich hinten anstellen." - "Haaast du das gehört, Alex!?", kreischte Ryu völlig außer Häuschen. "Ja, hab' ich...nix wie hin, vielleicht kann ich ja die Sängerin klar machen, hehe..." Ryu schaute ihn fröhlich an: "Gern, dann lässt sie von Devlin los!" - "Das war'n Scherz, Kurzer!!! An solche Leute kommt man eh nicht ran!" Ryu machte sich bei diesen Worten schon seine Gedanken, sprach sie aber nicht laut aus.

Er verschwand hinter der Bühne und folgte Devlin unauffällig. Als dieser in seine Kabine ging, las Ryu das Schild: "Kabine 1: Cyril" ,Wer ist Cyril!?', fragte sich Ryu, entschloss dann aber, einfach einzutreten. Devlin zog sich gerade um und stand nun oben ohne vor Ryu. Als dieser seinen schlanken Oberkörper und die leicht muskulösen Arme sah, wurde er rot. "Sag mal...was willst du denn hier!?", fragte der Schwarzhaarige. "Iiich..." - "Bist du etwa auch so ein lästiger Fan?" - "N-nein, ich, ich, iiich..." - "Du wolltest einfach nur zu mir?" - "Mhm..." Ryu nickte entschlossen. "Tja, das wollen sie alle...also dann, mach's gut..." Ryu stutzte, ließ sich davon jedoch nicht abschmettern: "Das Konzert war echt super!" - "Ja, das sagt mir auch jeder..." - "Ich bin aber nicht jeder!!!", rief Ryu. Devlin schreckte auf, eilte zur Tür und schloss diese eilig. "Wenn du wirklich hier bleiben willst, solltest du nicht so einen Krach machen...!" Ryu roch Devlins Deo und verlor sich in diesen Düften. "Hallo, Feuermelder? Lebst du noch?", fragte der Halbnackte. "Ich bin kein Feuermelder!!!", reagierte Ryu gereizt. Devlin reagierte schnell und legte seine flache Hand auf Ryus Mund: "Jetzt sei endlich still, verdammt! Also, raus mit der Sprache, was willst du wirklich?" Ryu war zunächst etwas still. "Wer ist eigentlich Cyril?", fragte er. "Das bin ich...Devlin ist nur mein Künstlername." - "Darf ich dich Cyri nennen?", fragte Ryu mit Sternchen in den Augen. "Äh...wenn's dir was bringt..." - "Jaaa..." - "Und was willst du nun hier?" - "Ich...wollte dich..." - "Ja?" - "...dich wiedersehen..." - "Und weiter?" - "Wie?" Ryu stutzte. "Na das wollen alle...", entgegnete Cyril. Ryu wurde wieder etwas aufbrausend: "Ich bin aber nicht jeder, wie oft denn noch!?" Dieses Mal redete er allerdings etwas ruhiger. "Ich will dich einfach nur sehen! Ist denn was schlimmes daran, dass ich dich so hübsch finde und-" Dieser Satz war Ryu rausgerutscht. ,Was hab' ich da nur gesagt!?', schoss es ihm durch den Kopf. Verschüchtert hielt er sich die Hände vor den Mund, nahm sie aber wieder herunter, als er die Antwort erhielt: "So ist das also, du bist ein kleiner Homo...?" - "N...nein, ich...ich..." - "Ist schon gut..." Cyril ging auf ihn zu: "Du musst noch einige Dinge lernen..." Ryu konnte seinen Atem spüren. Cyril nahm seine Hand und legte sie auf die eigene Brust. ,Er ist so schön warm...', schoss es Ryu durch seinen Kopf. Noch ehe er weiterdenken konnte, hatte ihn Cyril im Arm: "Wie fühlst zu dich, Kleiner?" Ryu antwortete nicht, er schmiegte sich nur eng an und genoss es. ,Lass' es nie aufhören...' Das waren seine einzigen Gedanken. Schließlich spürte er, wie Cyril wieder etwas von ihm abließ: "So ist das also...doch ein Homo..." Ryu war noch völlig in Trance, verstand aber die Frage und stritt sie immer noch ab. Cyril lächelte ein wenig fies: "Dann solltest du aber dazu stehen." Mit einem Arm zog er Ryu heran und küsste ihn eilig, bevor dieser sich wieder losreißen konnte. Doch in diesem Moment wollte Ryu sich nicht losreißen. Im Gegenteil, er ließ sich gehen und schloss die Augen. Cyrils warme, weiche Lippen betäubten seine Sinne und ließen ihn abwesender werden. Es wollte für ihn einfach nicht enden, aber als Cyril wieder von ihm abließ, schien es ihm, als wäre es nur wie ein kurzer Lufthauch gewesen. Langsam öffnete er seine Augen wieder. Cyril seufzte leise, drehte Ryu dann herum und schon ihn aus der Tür. Völlig kraftlos prallte er an die gegenüberliegende Wand und sackte zusammen. Er merkte es auch nicht, als sein Freund Alex kam und ihn mitriss, um nicht entdeckt zu werden.

Als er daheim in seine Hosentasche griff, fand er dort einen Zettel. Cyril hatte ihm diesen beim Kuss untergejubelt, damit Ryu es nicht mitbekam und ihn mit Dank überschüttete. Langsam faltete Ryu den Zettel auf: Eine Handynummer und Cyrils Autogramm. Ryu war nun verwirrt: Sollte er Cyril anrufen oder war er wieder nur in irgendetwas hineingeraten?



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