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Flüstern im Morgenwind

von

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Ein erster Schritt

In der Nacht, als ich die Liebe meines Lebens verlassen und meine Freunde zurückgelassen hatte, ahnungslos und friedlich in ihren Betten schlummernd, wurde ich von einem Morgenrot begrüßt, das bereits dabei war, die Schatten der Nacht zu vertreiben. Doch mir kam diese Röte vor wie ein Omen, wie ein Zeichen, dass noch während dieses Tages erneut Blut fließen würde. Aber noch wusste ich nicht, ob es meines oder das meiner Feinde sein würde.
 

Mühsam drängte ich jegliche Gedanken an Draco, Ron und Hermine in die tiefsten Winkel meiner Seele zurück. So sehr meine Gefühle für diese drei Menschen auch überzuquellen drohten, ich durfte mich dieser Schwäche nicht hingeben. Nicht jetzt, wo ich inmitten eines fremden Waldes stand, gezwungen, mich zu orientieren. Der Wind, kalt und schneidend, rauschte aggressiv durch die Blätter der Bäume und mir war, als würden sie sprechen. Als wäre das Rauschen nichts anderes als eine Form der Kommunikation. Angestrengt lauschte ich, doch was auch immer sie sich erzählten - ich konnte es nicht verstehen.
 

Langsam zog ich meinen Zauberstab und sprach einen einfachen Orientierungszauber, den ich bereits in meinem ersten Schuljahr auf Hogwarts gelernt hatte. Dieses Stück Holz, welches mir schon so oft geholfen hatte, drehte sich auf meiner ausgestreckten Handfläche und wies mir mit seinem roten Leuchten dem richtigen Weg. Norden lag direkt vor mir und genau dorthin musste ich mich begeben.
 

Mein Weg durch den Wald war beschwerlich, allerdings konnte ich mir nicht erlauben, anzuhalten. Ich ließ zu, dass die herabhängenden Äste und Sträucher mir das Gesicht zerkratzen, mich mit jedem Schritt, den ich tat, immer intensiver von meinem Ziel abzubringen versuchten.
 

Irgendwann in diesem Kampf gegen die Natur, in diesem Voranschreiten durch einen magischen Wald, der meine Anwesenheit offenbar nicht wünschte, hielt ich ermattet an. Mein Atem ging schwer und ich schöpfte Luft, während ich mich an den breiten Stamm einer alten Eiche lehnte. Den Kopf gehoben, blickte ich durch ihre Äste und entdeckte zum ersten Mal, seit ich diesen düsteren Ort betreten hatte, der selbst das Licht aus meinem Zauberstab hervorragend zu schlucken drohte, die Sterne. Hell standen sie am Himmel und strahlten so schön, dass ich für einen Moment meine Mission vergaß. In meinen Gedanken war ich wieder bei Draco angelangt. Was er wohl gerade tat?
 

Wenn gleich ich es, trotz Schlaftrank, nicht genau wissen konnte, so ahnte ich doch, dass Draco noch immer in unserem Bett liegen würde. Erschöpft und ausgelaugt von unserem letzten Liebesspiel und jener Zärtlichkeit, die sich in mein Innerstes gebrannt hatte. Wie gerne wäre ich nun bei ihm, könnte mein Gesicht in seinem wunderschönen, hellem Haar vergraben und diesen Duft in mich aufnehmen, der mich schwindeln lässt. Aber ich war hier – im Feindesland.
 

Erneut drängte ich energisch meine Gedanken an Draco zurück und ging weiter. Meine Schritte wurden wieder schneller, denn ich hatte mich genug ausgeruht und doch war da diese Ungewissheit, was mich erwarten würde. Bisher zumindest war ich noch nicht verfolgt worden. Kein Todesser, kein magisches Wesen. Niemand war hier, um den Horkrux Voldemorts vor mir zu schützen. Wo waren sie nur? Diejenigen, die Voldemorts größten Schatz bewahren mussten. Welche Fallen würden mich erwarten? Es zerrte an meinen Nerven, je weiter ich voran kam und dann öffnete sich der Wald. Eine Lichtung tat sich auf und für einen Moment war ich überrascht, über das, was ich dort glänzend und schimmernd vor mir liegen sah.
 

Ein etwa katzengroßes, silbriges Abbild einer Schlange lag dort auf dem feuchten Boden des Waldes, sämtlichen Wetterumständen ausgesetzt, und doch wies es keinerlei Anzeichen von Schmutz und Verfall auf. Augenblicklich wusste ich, dass dies nicht der Horkrux sein konnte und dennoch – die magische Aura, welche dieses Objekt umgab, war überaus mächtig. Vorsichtig näherte ich mich der schlafend wirkenden, metallischen Schlange und als ich ihr bereits so nahe war, dass ich nur meinen Arm ausstrecken musste, um sie zu berühren, erwachte sie.
 

Rote Augen funkelten mich böse an, während sie wütend zischte: „Zauberer, verschwinde!“ In ihrem Parsel konnte ich den Abscheu vor meiner Art unverkennbar mitschwingen hören. „Verschwinde oder komm, damit ich dich fressen kann!“, zischte sie weiter und noch ehe ich in der Lage war, ihr zu antworten, wuchs sie plötzlich. Ihr Leib quoll auf und wurde fülliger. Nahm in einem rasanten Tempo zu, sodass sie in kürzester Zeit die Ausmaße einer erwachsenen Acromantula angenommen hatte. Der Kopf der Schlange begann aggressiv hin und her zu schwingen, aber noch griff sie mich nicht an und so konzentrierte ich mich auf sie.

„Ich bin hier, weil ich etwas suche“, sagte ich in Parsel zu ihr und sie verharrte.

„Parselmund“, flüsterte sie leise, „wie lange ist es her, ein Parselmund.“ Ihre Drohgebärde sank in sich zusammen und das nervöse Schlagen ihres Schwanzes, welches ihre aggressive Haltung ununterbrochen begleitet hatte, verstummte.

„Kannst du mir helfen?“, frage ich sie und sie blickte mich sowohl misstrauisch als auch neugierig an.

„Du siehst anders aus, als der, der vor Jahren schon einmal kam.“

„Dann war Voldemort tatsächlich hier?“

„Nein“, zischte sie, „nicht der Dunkle Lord, sondern jener, der er einst gewesen ist!“
 

Tom Riddle, dachte ich mir. Voldemort war als Tom Riddle hier gewesen und hatte schon in seiner Jugend den ersten Horkrux an diesem merkwürdigen Ort versteckt. Ich war dem ersten meiner Ziele so nahe. Angespannte Erregung ergriff mich und ich spürte, wie die Innenflächen meiner Hände feucht wurden.

„Wie gelange ich dorthin, wo Tom Riddle war?“

Argwöhnisch und boshaft stierte sie mich an, ehe sie zischte: „Du musst den Zoll zahlen und ein Rätsel für mich lösen.“

„Was verlangst du“, wollte ich wissen.

„Gib mir dein Leben im Austausch für den Eingang und dann beantworte mir meine Frage.“

„Einverstanden.“
 

Obwohl ich selbst noch nicht wusste, was die Schlange von mir erwartete, erinnerte ich mich nur zu gut an Dumbledores Worte, als wir den ersten Horkrux holten.
 

„Man verlangt von uns, dass wir für den Durchgang bezahlen. Blut, wenn ich nicht sehr irre.“
 

Kurz stiegen Trauer und Wut in mir empor, doch drängte ich die mächtige Erinnerung an Dumbledore zurück. Ich durfte nicht an ihn denken, ebenso wenig wie an Draco, Ron oder Hermine. Statt mich in den aufwallenden Gefühlen zu vergessen, nahm ich meinen Zauberstab zum wiederholten Male aus der Gesäßtasche und schnitt mir damit in die Handfläche. Kaum, dass die Schlange mein Blut sah und roch, veränderte sich die Farbe ihrer Schuppen. Zu dem strahlenden Silber gesellte sich ein roter Hauch und auch ihre Augen wirkten nun dunkler.
 

„Gut so, Zauberer“, wisperte sie und klang zum ersten Mal nicht wütend oder misstrauisch, sondern im höchsten Maße befriedigt. Offenbar war sie sehr damit zufrieden, wie ich ihrer ersten Forderung nachgekommen war.

„Und nun zu meiner Frage…“, aufgeregt regelte sie sich auf dem Waldboden. Sie zu beobachten war, als würde man darauf warten, dass der Jäger einen zur Strecke brachte und tatsächlich war es auch so. Die Gewissheit, dass sie mich verspeisen würde, wenn ich ihre Frage falsch beantworten würde, war mir sicher, nur konnte die Schlange nicht ahnen, dass ich nicht bereit war, das Schicksal als ihr Frühstück anzunehmen. Nicht, solange ich wusste, dass es da jemanden gab, der auf mich wartete und dessen Schicksal in meinen eigenen Hand lag.
 

„Gezeugt von anderer Art, gebrütet nicht von der Mutter, doch geboren mit scharlachrotem Haupt, wird er tödlich sein, wenn du ihn erblickst“, wisperte sie mir zu, „Und nun Zauberer, sag mir, von wem ich spreche.“
 

Die Frage war kaum verklungen, da erreichte mich eine unsagbare Erleichterung. Von allen Rätseln dieser Welt, nahm sie ausgerechnet eines, das für mich ein leichtes war. Gerade fünf Jahre waren vergangen, da ich gegen ein Wesen dieser Art gekämpft hatte und als Sieger aus dem Kampf hervorgegangen war. Bevor ich ihr jedoch antwortete, tat ich, als würde ich überlegen und bereitete mich in Wirklichkeit auf einen Kampf vor. Meinen Zauberstab umfasste ich härter und sicherer, denn ich ging davon aus, dass die Schlange mich betrügen würde.
 

„Los, sag schon!“, fauchte sie, „Sag schon! Du weißt es nicht! Du weißt es nicht! Komm, lass mich dich fressen! So lange ist es her, so lange, dass ich einen wie dich verspeisen durfte.“ Sie glitt bereits auf mich zu, als ich meine linke Hand hob und sie zum stoppen brachte.

„Du irrst dich, ich kenne die Antwort.“

„Nein, das kannst du nicht!“ Der Unwille, zu akzeptieren, was sie bereits wusste, stand ihr in ihr Gesicht geschrieben.

„Meine Antwort“, setzte ich an, „ist – ein Basilisk.“

„Böser Zauberer!“, zischte sie, „Böser Zauberer! Woher weißt du das nur?“
 

Aufgeregt, ja regelrecht rasend, glitt sie auf dem Boden in wilden, unkontrollierten Kreisen hin und her und brachte ihre Schuppen zum rasseln.

„Lass mich passieren, ich habe den Zoll bezahlt und dein Rätsel gelöst.“

„Nein“, zischte sie und ihr Tonfall war von absoluter Bosheit. Obwohl es schwer war, zu sagen, da eine Schlange nun mal keine menschlichen Gesichtszüge aufwies, schien es mir, als würde sie abgrundtief böse lächeln. Es war ein Lächeln, welches mich unglaublich und höchst unangenehm an Voldemort erinnerte.
 

Abrupt schoss sie auf mich zu und griff mich mit einem guten Blick auf ihre Giftzähne an, doch genau in diesem Augenblick entdeckte ich den verborgenen Eingang, den die Schlange bewacht hatte. Auch ohne ihre freiwillige Zustimmung hatte die Magie sowohl Zoll als auch Antwort des Rätsels akzeptiert und freigegeben, was mich meinem Ziel näher brachte. Geschickt wich ich ihrem ersten Angriff aus und fluchte einen Abwehrzauber, der sie für den Bruchteil einer Sekunde lähmte. Es war nicht viel Zeit und doch… Sie reichte aus, um dem Eingang ein gutes Stück näher zu kommen.
 

„Du wirst ihn nicht erreichen“, säuselte sie höhnend und stieß abermals vor. Ihre Zähne, die neben mir in den Boden einschlugen, verfehlten mich nur knapp, dennoch profitierte ich von dem Fehler der Schlange, denn durch ihn schenkte sie mir die fehlende Zeit, um endlich den Eingang zu passieren. Ihr wütendes Zischen hörte ich noch, als mich ein gleißendes Licht einschloss und ich das Gefühl hatte, ebenso wirbelnd und schmerzhaft ziehend, wie durch einen Portschlüssel, irgendwohin transportiert zu werden.
 

Dunkelheit umgab mich. Schwärze, tiefer als die Nacht, bettete mich und ich war unfähig, mich zu orientieren. Mein Zauberstab war mir aus den Händen geglitten. Tastend langte ich um mich herum. Der Boden unter meinen Fingern war feucht und glatt. Fast schien es mir so, saß ich auf nassem Fels. Nachdem ich meinen Zauberstab nicht finden konnte, flüsterte ich in die Dunkelheit ein Lumos und sofort flammte die Spitze meines Zauberstabes nur wenige Meter neben mir auf. Schnell rutschte ich auf dem glatten Boden zu meinem Zauberstab hin und noch während ich ihn in die Hand nahm, richtete ich mich auf. Der Lichtschein, welcher aus meinem Zauberstab kam, verstärkte sich, kaum, dass ich das edle Holz in Händen hielt.
 

Endlich konnte ich mehr von meiner Umgebung erkennen und der Anblick, der sich mir bot, war beängstigend.
 

oooOOOooo
 

Eine Höhle befand sich, in Form und Größe an die Kammer des Schreckens erinnernd, unmittelbar vor mir. Doch nicht die machtvolle Geräumigkeit, sondern die Abbilder dreier riesiger, steinerner Schlangen lehrten mich Furcht. Ihre Gesichter wirkten wie zu Stein erstarrt, mit zum Angriff aufgerissenen Mäulern. Spitze Zähne, die so groß waren wie die eines Basilisken, lugten aus ihnen hervor. Glaubte ich, im Wächter des Horkrux' und im Basilisk ein gewaltiges Ungetüm kennen gelernt zu haben, so waren diese Schlangen noch gewaltiger.
 

Dieser Anblick war nicht, was ich erwartet hatte, doch wusste ich wohl, dass irgendwo an diesem Ort ein Horkrux Voldemorts versteckt war. Die steinernen Schlangen ignorierend, schritt ich vorsichtig durch die Höhle, stets mit einem wachsamen Auge auf die Ungetüme. Entgegen meiner Erwartungen blieben sie ebenso leblos, wie es der Stein vorgab und ich richtete meinen Blick verstärkt der Suche nach dem Horkrux. Jede Erhebung im Fels berührte ich mit meinen Fingern, versuchte, wie einst Dumbledore, die Magie hinter geheimen Verstecken zu spüren, aber ich blieb auch nach meiner dritten Runde ergebnislos.
 

Sollte es sein? Hatte ich mich tatsächlich so schrecklich geirrt, oder sollte der Schlüssel doch in den Schlangen liegen. Mir schauderte bei dem Gedanken daran, dass vielleicht nur Parsel sie zum Leben erwecken würde. Ihre Mäuler wirkten keineswegs einladend auf mich, doch da ich einsah, dass es möglicherweise nur diesen einen Weg gab, stand ich auf. Suchte mir einen Fleck, der am weitesten von der Reichweite der enormen Mäuler entfernt war und konzentrierte mich.
 

„Verratet mir, wo ich den Horkrux finde.“
 

Es passierte nichts. Kein Stein rührte sich und kein weiteres Geschöpf offenbarte sich mir. Ich glaubte schon, abermals einem Irrtum unterlegen gewesen zu sein, als ich es ein weiteres Mal probierte.
 

„Erwacht!“
 

Doch wiederum geschah nichts. Die Schlangen blieben stumm. Frustriert setzte ich mich zu Boden. Mir war es gleich, dass meine Hose beschmutzt wurde, dachte ich doch nur daran, wie kläglich ich versagt hatte. Hätte ich Ron und Hermine nur an meiner Seite oder Draco. Sie hätten mir sicherlich sagen können, was ich übersehen hatte, doch aus Fürsorge hatte ich all diejenigen, welche mir wichtig waren, zurückgelassen.
 

Meine Gedanken glitten zu Draco und an seinen warmen, anschmiegsamen Körper, der nun, wo ich schon seit Stunden unterwegs und der Kälte ausgesetzt war, umso einladender auf mich wirkte. Wie gerne würde ich ihm jetzt durch das silbrige Haar streicheln, nur um ihm zu sagen, wie sehr ich ihn liebe.
 

Doch plötzlich hörte ich etwas. Zuerst glaubte ich, es klänge nach dem Tropfen des Regenwassers, welches von der Höhlenwand tröpfelte, doch schnell wurde das Geräusch lauter, nahm stets an Deutlichkeit zu und schließlich erkannte ich, das Geräusch von raschen, tapsenden Schritten.
 

Abrupt stand ich auf, ging in eine Verteidigungspose über, doch der Anblick, welcher sich mir dann bot, ließ mich meine Vorsicht fast vergessen. Ein Hauself stand vor mir. Abgemagert, zerlumpt und schmutziger, als Kreacher es jemals gewesen war. Seine Ohren hingen schlaff hinunter und seine Haut war wächsern und blass, fast so, als hätte dieser alte Elf schon seit Jahren kein Licht mehr zu sehen bekommen.
 

„Wer seid ihr, Sir?“, piepste der Elf mit einer hellen Stimme und ich war mir erst nicht sicher, ob es sich hierbei um einen männlichen oder weiblichen Hauself handelte, doch je länger ich mir diese erbarmungswürdige Seele ansah, um so sicher wurde ich mir, dass es sich um einen männlichen Elf handelte.

„Mein Name ist Harry“, sagte ich, vorsichtig, da ich nicht wusste, welche Reaktion mein Name auslösen würde, „Harry Potter.“
 

Doch die Reaktion des Elfen hätte keinesfalls überraschender für mich sein können. Seine Ohren sackten, sofern möglich, noch weiter hinunter und die Mundwinkel wurden schlaff. „Ihr seid nicht der Sir, auf den ich warte, Sir“, quiekte der Elf enttäuscht.

Ich konnte es mir nicht verkneifen und ehe ich mich versah, rutschte mir meine Frage heraus: „Auf wen wartest du?“
 

Mit großen Augen sah der Elf zu mir auf und schüttelte seinen Kopf. Für einen Moment war ich mir nicht sicher, ob er mich verstanden hatte und so setzte ich nach: „Darfst du es nicht verraten?“
 

Das arme Geschöpf nickte und ich überlegte ernsthaft, wie ich den Elf doch noch zum Sprechen bekam, als in mir angesichts der Verzweiflung und Einsamkeit in den matten, hellblauen Augen die Frage aufkeimte, wie lange dieser Elf bereits in dieser Hölle hauste. Mit einem Schauern dachte ich daran, dass Voldemort der letzte gewesen sein musste, der diese Hölle betreten hatte und dies war schon über ein Jahrzehnt her.
 

„Vielleicht“, probierte ich es bei dem Hauself, „kannst du mir helfen.“ Der Elf sah zu mir auf und in seinen Augen stand nun etwas wie Neugier geschrieben. „Ich…“, stammelte ich, „Ich soll hier etwas für einen Freund – Tom“, fiel es mir spontan ein, „holen, aber leider hat mir mein Freund nicht gesagt, wo genau ich es finde.“

„Tom“, kam es vom Elf und ein Funkeln stahl sich in seine trüben Augen, „Tom Riddle, Sir?“

„Ja, genau der!“. Doch bevor ich irgendwie reagieren konnte, wurden die Augen des Elfen weit aufgerissen und er schlug sich mit der eigenen Hand mehrfach hart an den Kopf.

„Hätte es nicht sagen dürfen. War ein böser Elf. Nein, nein, nein. Hätte es nicht sagen dürfen.“

„Beruhig' dich doch“, sagte ich und hielt die Hände des Elfen still. „Tom Riddle“, und ich schluckte, als ich es aussprach, „ist ein Freund von mir. Er schickt mich, zu holen, was hier so Wichtiges für ihn verwahrt wird.“
 

Ein blendendes Lächeln breitete sich auf dem Gesicht des Hauselfen aus und fast bekam ich ob meiner Lüge ein schlechtes Gewissen.
 

„Kommt mit, Sir. Kommt mit, Sir!“, forderte er mich auf, blieb aber keine zwei Meter weiter stehen und was dann folgte, war ein Zwiegespräch, wie ich es von Dobby nur zu gut kannte.

„Soll ich den Sir zum Versteck führen? So lange her. Mein Master sagte… Nur Tom Riddle, Sir. Nur Tom Riddle, Sir. Aber der andere Sir… Ein Freund von Master Riddle, Sir. So lange her… So einsam… Ein Freund von Tom Riddle, Sir. Sieht ehrlich aus, dieser Freund von Tom Riddle, Sir. Mein Master wird einverstanden sein. Thinky könnte dann wieder zum Master gehen. Ja, genau, es wird gehen. Ein Freund von Tom Riddle Master, Sir.“
 

Kaum war das Gespräch mit sich selbst abgeschlossen, drehte sich der Elf Thinky zu mir um und blickte mich so energisch und unverwandt an, als hätte es diesen innerlichen Disput überhaupt nicht gegeben. „Kommt mit, junger Harry Potter, Sir. Kommt mit.“ Und ich folgte dem Elfen, mit einem unsagbar schlechten Gewissen wegen meines Betruges an dieser armen Kreatur. Aber die aufkeimende Hoffnung, endlich die Horkruxe zu finden, minderte mein schlechtes Gewissen rasch.
 

Thinky führte mich hinter eine der riesigen Schlangen, an denen ich vorhin schon etliche Male vorbeigelaufen war, und blieb dort stehen. Zuerst verwirrt starrte ich auf den Schwanz der Schlange, welcher sich an den feuchten Fels drängte. Stöhnend fiel es mir wie Schuppen von den Augen und ich nahm zur Kenntnis, was mir hätte längst klar sein müssen. Hinter dem Schwanz verbarg sich, gut versteckt, der Eingang zu einem weiteren Gang oder Raum.
 

Kurz hob Thinky seine dünnen, mageren Arme und die Halle zitterte. Bebte unter der elfischen Magie und dem steinernen Schlangenschwanz, der sich nun in die Lüfte hob und den verborgenen Eingang freigab. Unwillkürlich nahm ich wahr, dass der Elf auf keinen Fall den gleichen Weg genommen haben konnte, denn sonst hätte ich sein Kommen eher bemerkt. Doch dieser Gedanke erlosch in dem Augenblick, als ich sah, wohin mich der Elf führte.
 

Eine neuerliche Halle, größer als die erste, eröffnete sich mir. Groß und prachtvoll wie die Große Halle in Hogwarts, strahlte sie mir entgegen. Ihre Wände waren mit Runen verziert, deren Bedeutung ich nur erahnen konnte. Einmal mehr wünschte ich mir seit meinem heimlichen Weggehen am Morgen, dass Hermine an meiner Seite wäre. Sie könnte die Runen mit Leichtigkeit für mich übersetzen. Mir war klar, dass diese Worte von Voldemort ausgewählt worden, aber keinesfalls geschaffen waren. Alles hier deutete auf eine Magie hin, die weitaus älter war, als der Dunkle Lord selbst. Vielleicht war dieser vergessene Ort sogar älter als Hogwarts. Zudem vermochte ich mir keineswegs vorzustellen, dass Voldemort sich mit der aufwendigen Verzierung einer Ruhmeshalle befasst hätte. Symbole magischer Kraft befanden sich im Abstand von sieben Metern entfernt und bildeten ebenso eine Sieben.
 

Das Pentagramm war zu meiner Rechten, ihm folgten ein Stück Zauberstabholz, von dem ich erst Jahre später erfahren sollte, dass es sich hierbei um Elderholz handelte. Danach ließ ein fein gewobenes Fließ aus Einhornhaar mich blinzeln. Um dem hellen Glanz zu entgehen, wandte ich meinen Kopf nach links und fand dort einen Rennbesen, der schon alleine durch die Schönheit des edlen Holzes bestach, aus dem er gefertigt war. Obwohl auch die elegante, aber sportliche Form mich als Quidditch-Spieler unverzüglich gefangen nahm. Erst, als ich meinen Blick abwenden konnte, entdeckte ich ein riesiges Drachenei, das noch verdächtiger aussah wie jenes, in dem damals Norbert geschlummert hatte. Das sechste Element war ein Kessel. Angesichts des prunkvollen Schmuckes der Halle und der edlen Abstammung der anderen Gegenstände, hätte ich vermutet, der Kessel wäre aus etwas wertvollem wie Gold, doch war es lediglich ein gewöhnlicher Kessel aus Kupfer. Die Bedeutung, die dahinter steckte, konnte ich nicht erkennen, doch nahm ich mir vor, Hermine zu fragen, sollte ich mit meiner Mission Erfolg haben.
 

In der Mitte des Ganges, thronend auf einer Säule, stand das siebte und letzte Symbol. Es war ein Gegenstand, bei dem es mich erschauderte, als ich ihn nur sah. Ein Gefühl der Bedrohung lag plötzlich in der Luft und mir war, als wäre etwas in diesem Raum aufgewacht, als ich mich ihm unvorsichtig näherte. Der Drang, zu weichen, wuchs in mir, wurde jedoch vom meinem Willen, siegreich aus diesem Kampf hervor zu gehen, verdrängt.
 

Der goldene Kelch leuchtete von innen. Sein Glanz übertraf selbst den des Einhornhaarvlieses und brachte mich zum Blinzeln. Es dauerte einige Sekunden, bis ich mich an das Licht gewöhnte und wieder einmal verstärkte sich in mir der Eindruck der Besonderheit dieses Ortes.
 

Als ich mich dem Kelch näherte, vorsichtig, da ich Fallen vermutete, blickte ich mich immer und immer wieder um. Meine Schritte wurden langsamer, je geringer die Distanz zwischen uns wurde. Das Gefühl von Gefahr verstärkte sich exponentiell. Einen halben Meter vor der Säule blieb ich stehen. Verwundert, da keine magische Barriere mich aufgehalten hatte. Kein Geschöpf, kein Bann und auch kein Wächter hielten mich zurück. Das Alarmsystem in mir vibrierte Erdbeben gleich, doch musste ich es unterdrücken, um an den Horkrux zu gelangen.
 

Bebend betrat ich das Podium, auf alle Eventualitäten gefasst. Doch selbst, als ich unmittelbar vor dem Horkrux stand, geschah nichts. Sollte der Dunkle Lord wirklich versäumt haben, diesen mächtigen Seelensplitter zu schützen? War der Schutz vielleicht nicht länger wirksam? Ein Ratgeber wie Albus Dumbledore oder Hermine Granger fehlte an meiner Seite, der mich anleiten konnte. Mir war zwar bewusst, dass ich, nun, da ich die Mission alleine angetreten hatte, auf meine eigenen Fähigkeiten angewiesen war, doch noch erkannte ich nicht genau, wie ich diese nutzen sollte.
 

Für einige Minuten machte ich nichts anderes, als den Kelch zu betrachten - aus jedem mir möglichen Blickwinkel. Ich umrundete ihn, schaute ihn von oben, von unten und schräg an, doch kam mir keine Erleuchtung. Schließlich erkannte ich, dass ich nicht umhin kommen würde, ihn einfach anzufassen und ihn vom Sockel zu nehmen.
 

Mein Herz schlug heftig. Mittlerweile hämmerte es in einem schier vernichtenden Rhythmus und brachte mein Blut zum Kochen. Schweiß rann mir in wütenden Tropfen von der Stirn und meine Hände waren kalt und schweißnass. Damit ich wieder etwas Gefühl in die tauben Glieder bekam, rieb ich sie aneinander und dann war es soweit. Ich langte nach dem Kelch.
 

Das Licht um mich herum verdunkelte, die Halle lag plötzlich in Finsternis. Gespenstische Stille breitete sich aus, so dass ich irgendwo das aggressive Rauschen des Windes hören konnte. Unwillkürlich musste ich schlucken und genau in diesem Moment brach etwas aus dem Horkrux aus. Wild, unnatürlich und abgrundtief böse. Erschrocken wich ich zurück, fasste intuitiv nach meinem Zauberstab, den ich zuvor wieder in meine Hosentasche gesteckt hatte. Ein grüner Strahl brach aus dem Stab hervor, ohne mein Zutun. Die Energie riss mich fast um, doch ich hielt den Zauberstab fest in meiner Hand. Ich folgte seiner Macht, unterstütze sie mit meinem Willen, als er sich auf dieses Etwas aus dem Horkrux stürzte.
 

Ein Knall folgte. Funken stoben auseinander und für eine Zeitlang war ich geblendet. Als meine Augen wieder sehen konnten, war erneut Stille eingekehrt. Außer dem Rauschen des Windes, war nur noch mein heftiger Atem zu hören. Das Dunkle war verschwunden. Verwirrt nahm ich den Horkrux an mich. Er lag wie tot in meiner Hand. Das Bedrohliche war entweder durch das eigentümliche Verhalten meines Stabes vernichtet worden, oder aber es hatte sich erschöpft und besiegt schlafen gelegt.
 

Der Hauself, der geflüchtet war, als der Horkrux erwachte, kehrte zu mir zurück, die Ohren angelegt. "Haben Sie es kaputt gemacht, Sir?"

"Ich weiß es nicht", gab ich ehrlich zurück.

"Kann, kann Twinky jetzt gehen? Ist sein Auftrag erledigt?"

Mitleid mit dieser armseligen Kreatur erfüllte mich und so war mir meine neuerliche Lüge eine leichte: "Ja, dein Herr und Meister, Tom Riddle, hat mir aufgetragen, dich frei zu geben. Seinen Schatz werde ich an mich nehmen und ihn Tom übergeben."

Die Freude auf dem Gesicht des Elfen war übergroß. Es dauerte nur kurz, ehe er mit einem Plopp verschwand. In der Halle zurückgelassen, überlegte ich schon, wie ich nach draußen gelangen sollte, da kehrte der Elf mit einem erneuten Plopp zurück.

"Verzeiht Herr, verzeiht, in seiner Freude war Twinky so töricht, Euch zu vergessen." Daraufhin nahm der Elf mich bei der Hand und disapparierte. Kaum am Zielort angelangt, verschwand der Elf und dieses Mal unumkehrbar.
 

Den Wald vor meinen Augen erkannte ich, dass mir meine Mission geglückt war. Große Erleichterung durchflutete meinen Geist und es fehlte nicht viel, um vor Glück zu weinen. Doch als der Wind durch mein Haar strich, sich darin verwirbelte und mir leise etwas zu raunte, erklomm mich ein schreckliches Gefühl. Hier, in diesem magischen Wald, flüsterte mir der Morgenwind zu, dass der Preis, den ich hierfür gezahlt habe, wahrscheinlich zu hoch war.
 

Fortsetzung folgt…


Nachwort zu diesem Kapitel:
Über Kommentare würde ich mich freuen. Liebe Grüße eure Amunet ^.^ Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Omama63
2014-08-06T11:29:48+00:00 06.08.2014 13:29
Ein klasse Kapitel.

Also ich weiß jetzt auch nicht sicher, welcher Preis zu hoch war, aber hat die Schlange nicht sein Leben verlangt?
Der Hauselfe wird nicht lange leben, wenn er zu Voldi zurück geht. Meinte Harry vielleicht den Hauselfen, dass der Preis zu hoch war, weil er seine Rückkehr nicht überleben wird?
Wie auch immer, wir werden es ja noch lesen.

Lg
Omama63
Antwort von:  Amunet
06.08.2014 21:40
Hey ^^ Danke für dein Kommentar. *freu*

Das mit dem Preis bezieht sich tatsächlich auf den Hauself. Er hat um an sein Ziel zu kommen, ein unschuldiges
Geschöpf verraten müssen. Ob der Elf überleben wird oder nicht, habe ich bewusst offen gelassen. Aber wenn es nach meinem Herz geht, dann ist er jetzt einfach frei.
Von:  Tinili05
2014-07-24T07:16:56+00:00 24.07.2014 09:16
mhm...also hat er jetzt einen Horkrux gefunden..aber welcher Preis war zu hoch? Mhm, hab ich was überlesen? Mhm...


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