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André und das Leben

von

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Zugfahrt

Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie es war, als ich das letzte Mal hier gesessen haben.

Genau hier, dritter Wagon, viertes Abteil, links am Fenster.

Es war mein elfter Geburtstag, ist also genau sieben Jahre her - und dennoch weiß ich alles noch detailgetreu.

Ich erinnere mich wirklich daran, als ob es gestern gewesen wäre, erinnere mich an den süßlichen, lilienartigen Duft, den Joanne, meine Schwester, verströmte, an die trockene Luft, die aus der Klimaanlage direkt in mein Gesicht blies, an das Geschenk meines besten Freundes, das ich schon die ganze Zeit in der Hand gehalten hatte und an den salzigen Geschmack der Tränen, die meine Lippen benetzten und doch nicht von mir waren.

Es kommt mir fast unwirklich, falsch vor, wie ich nun hier sitze, ruhig, den Blick starr nach draußen in den Regen gerichtet und den Discman, aus dem Musik von Evanescene plätschert, auf den Ohren.

Bei der Pianoversion dieses einen, bestimmten Liedes kann ich immer am besten nachdenken, versinken in dem, was gewesen ist.

Ziellos starrt mein Blick nach draußen, nimmt weder die Bäume, noch die Häuser, die an dem Fenster vorüberrauschen, wahr, und irgendwie hoffe ich, dass der Zug nie zum Stillstand kommt, einfach für immer weiterfährt.

Es ist sinnlos, sich so etwas zu wünschen, genauso sinnlos wie die Hoffnung, die alten Zeiten könnten wieder kommen, wenn man nur stark genug daran glaubt...

Heute werde ich volljährig, und wie an jedem Geburtstag denke ich über meinen Vater nach.

Mein Vater, der immer alles kaputt gemacht hat.

Immer.

Bei der Premiere meines ersten Theaterstücks, als ich sieben war, dem Theaterstück, von dem ich ihm schon Wochen vorher berichtet hatte, war er 'verhindert'.

Er ist nie zu einem meiner Stücke gekommen und das, obwohl wir jedes Jahr eines probten.

Als ich mit acht einen Preis für mein Bioprojekt bekam, hatte er eine wichtige Sitzung in Japan.

Er hat oft Sitzungen außerhalb des Landes, das scheint zu seinem Beruf zu gehören.

Bei meinem großen Fußballsieg, der auch noch mit meinem zehnten Geburtstag zusammenfiel, hatte er wichtige Kunden, die er bedienen musste.

Mir schien es schon damals so, als wären alle Kunden wichtiger als wir.

Und als ich elf wurde, genau an meinem Geburtstag, starb er.

Einfach so.

Natürlich sind wir sofort nach England gefahren, und weil Mama sich nicht von der schönen Gegend und Vaters Grab trennen konnte, sind wir gleich da geblieben - ich habe mich nie richtig von meinem besten Freund verabschiedet.

Die Bremsen quietschen, als die Bahn hält, und eine schrille Frauenstimme kündigt die Endstation an.

Mein Vater hat sich wirklich nie damit beschäftigt, wie es anderen mit dem geht, was er macht.

Ein rücksichtsloser Mensch.



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Kommentare zu diesem Kapitel (8)

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Von:  Drachenwind
2006-04-02T09:53:55+00:00 02.04.2006 11:53
Mh, vielleicht ein paar Sachen, die man ändern könnte (aber die auch Geschmackssache sind, deswegen...)

und dennoch weiß ich alles detailgetreu.

Vielleicht besser: erinnere ich mich an alles detailgetreu. Wissen klingt in dem Zusammengang irgendwie nen wenig komisch... Denke ich...

Oh, mir fällt gerade auf, dass du erinnern schon im nächsten Satz hast... Hmmm... erinnern. Dann vielleicht, hat sich alles detailgetreu eingeprägt? Ins Gedächtnis gebrannt. Oder vielleicht oben nur ein noch hinzufügen, dann hat man wenigstens einen Hinweis darauf, dass nicht das normale Wissen gemeint ist, sondern halt, sich noch daran erinnern...

Ich erinnere mich daran, als ob es gestern gewesen wäre

Irgendwie ist das als ob es gestern wäre unnötig, denn man hat diesen Hinweis defacto schon durch das detailgetreu. Ich meine, man muss auf diesen Umstand nicht mehrmals hinweisen.

an die (direkt in mein Gesicht gepustete) trockene Luft, (die) aus der Klimaanlage direkt in mein Gesicht gepustet wurde

Dort in dem Satz würde ich glaube eher eine aktive Form nehmen.

den Discman, aus dem Musik von Evanescene plätschert, auf den Ohren.

Den Discman auf den Ohren finde ich schon etwas merkwürdig. Vielleicht eher die Musik von Evanescene aus dem Discman in den Ohren...

wie es anderen mit dem geht, was er macht.

Ich glaube, wie es den anderen bei dem geht, was er macht. Bin mir aber nicht sicher...

Inhaltlich: Gute Idee die Stimmung zu Anfang mit den Bildern anzufangen und dann die Spannungsmomente (den Konflikt) nebenher einfließen zu lassen. Den Anfang find ich schon mal gut ;)
Von: abgemeldet
2005-08-15T10:08:44+00:00 15.08.2005 12:08
Oi...das fängt ja schon gut an! *seufz*
mal sehen wie es weitergeht! ich bin neugierig!^^
*knuddel*
Von:  Anshie
2005-08-11T10:20:02+00:00 11.08.2005 12:20
So das ist die 2. FF die ich heute Abend (um kurz vor 23:00 Uhr - T.T) von dir lese. Der Kommi wird kürzer sein, da die FF auch kürzer ist, aber dazu gibt es auch nicht viel zu sagen. Diese FF ist einfach klasse! Eine wunderschöne Kurzgeschichte, die genau in deren Schema passt und so schön realistisch. Ich konnte diese Happy End Stories echt nicht mehr sehen. Zumal so etwas im homosexuellen Bereich ja sowieso auch heute noch immer nicht so einfach ist. Das Risiko, dass die Gefühle unerwidert bleiben ist viel höher und von daher sind manche FFs schon unrealistisch. Ich mag aber zwischen all dem Fantasy-Zeug auch realistische Sachen sehr gern und deshalb auch diese FF. Es zeigt wie es in der Wirklichkeit nicht zu selten passieren kann. Es ist tragisch, aber so ist es nun mal. Da es eine Kurzgeschichte ist, ist hierbei auch nicht schlimm das man so wenig von den Charas weiß. Das ist eben typisch dafür und es ist auch gut so. Die Ich-Form kannst du wirklich besser schreiben, als alles andere, glaub mir!
Fazit: Diese Story ist so was wo man am Ende echt heulen kann - ich musste mich auch zurückhalten. Den zusätzlichen Heul-Faktor hat es wohl für Leser die sich damit identifizieren können, weil ihnen vielleicht ähnliches schon passiert ist. Und wenn man mal von der Homosexualität absieht, ist es bestimmt jedem schon mal passiert. Ich mein, wer hat denn noch nie einen Korb kassiert? XD Dann noch für Jugendliche typischer Alkohol-Rausch in dem etwas passiert, was sonst wahrscheinlich nicht passiert wäre... ganz normal, total realistisch. Die Geschichte erinnert mich von daher sehr an "Der Hoffnung wegen", die ich ja auch schon sehr positiv bewertet habe. Nur dass mich Sachen die um Liebe gehen immer noch mehr bewegen. Also echt: Top!
Von: abgemeldet
2005-07-26T19:26:55+00:00 26.07.2005 21:26
hoi!
das hört sich vielversprechend an!
sein dad ist ja echt DER nette mensch schlechthin.
leider gibt es wirklich solche väter.....
arme kinder!
also, fortsetzen, ja?

*knuddl*
ciao deine
ina-chan
Von: abgemeldet
2005-07-26T16:14:18+00:00 26.07.2005 18:14
Ähh... Das war es aber noch nicht, oder? Weil du geschrieben hast, die Story ist abgeschlossen? o.O Wäre ein bisschen seltsames Ende, meinst du nicht auch?
Aber wie immer sehr gut geschrieben! ^^

Fortsetzung oder weitere Kapitel? o.O
Von: abgemeldet
2005-07-26T15:23:45+00:00 26.07.2005 17:23
Hm... der Vater scheint nicht besonders nett zu sein... (is klar^^)
Erinnert mich an meinen *lol*
Nur dass es meinen nicht interessiert, wenn ich ein Problem habe, und diesen Vater GAR NIX interessiert.
Warum ist er gestorben?!

lese vielleicht weiter^^ byebye
Von:  Tainja
2005-07-26T10:34:40+00:00 26.07.2005 12:34
hmmmm di geschichte ist schön.^^ und der junge tut mir echt leid T_T armes kerlchen...
liebe grüße
das verrückte täubchen tai
Von: abgemeldet
2005-07-25T20:42:09+00:00 25.07.2005 22:42
Sehr interessant und auch gefühlvoll! *-*
Der Vater scheint nicht wirklich viel von ihm gehalten zu haben. Der arme. Ich möchte nicht in seiner Haut stecken. *seufz* ich bin ja mal gespannt wie das wird, wenn >er< (Wie heißt er denn überhaupt? oO) wieder da ist.

Bis zm nächsten teil
mfg *knuddel* Inu


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