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Liebe ist eine Schwäche

Shulla
von

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It's gonna rain

Alles verändert sich ständig, oder?

Man verliert aus den Augen, wer man einmal war und befindet sich schließlich an einem ganz anderen Punkt. Und wenn man ehrlich ist, stört es einen oft nicht, oder? Man ist teilweise sogar zufrieden mit dem, was man geworden ist. Weil man nicht stehen geblieben ist, am gleichen Ort. Weil man ständig Veränderung BRAUCHT, um das Gefühl zu haben, etwas erreicht zu haben.

Der Punkt, an dem ich mich jetzt wiederfand, sagte mir nichts darüber aus, ob meine Veränderung gut oder schlecht gewesen war. Ob es positiv war, den Gefühlen für Nagi den Kampf anzusagen und sie durch Ignoranz vergessen zu wollen.

Er verriet mir auch nicht, ob ich mit meinem jetztigen Freund Kaito dem Glück einen Schritt näher war.

Alles, was ich in Erfahrung brachte, was sich förmlich wie ein Reklameschild über der Situation abzeichnete, war, dass nichts mehr war wie zuvor.

Dass ich wieder ein neues Kapitel im Leben betreten hatte.
 

„Wie findest du den?“

Ich lag gerade auf der Couch in meiner Wohnung mit Kaito zwischen meinen Beinen, der sich an mich gelehnt hatte.

„Hm?“, erwiderte ich und legte dabei meine Unterlagen etwas zur Seite.

„Der da“, Kaito deutete auf das Foto auf dem Blatt Papier in seinen Händen, „Scheint recht interessant, was er da schreibt..“

Ich blinzelte über seine Haare hinweg und betrachtete das ausgefüllte Formular genauer, murmelte dabei den Namen des jungen Mannes.

„Rei Murasaki“
 

Nagi war nun seit fast zwei Monaten verschwunden und obwohl wir unsere Sorge um ihn und unsere Hoffnungen, dass er zurückkehren würde, nicht aufgegeben hatten, mussten wir an das Fortbestehen der Band denken. Deshalb war auch Sae gestern bei Kaito vorbeigekommen und hatte uns (Er wusste, dass ich neuerdings ziemlich oft dort schlief und er mich, wenn er mich treffen wollte, bei Kaito finden würde.) einen Stapel Formulare in die Hand gedrückt. Er hatte sich die Woche zuvor um einen neuen Gitarristen gekümmert und die ausgefüllten Zettel waren Bewerbungen von Leuten gewesen, die sich offensichtlich um den Platz, der wegen Nagi frei geworden war, bemühten.

Als ich die Papiere gesehen hatte, hatte sich ein dicker Kloß in meinem Hals gebildet und anstatt irgendwas zu sagen, hatte ich nur genickt und versucht, mir nicht anmerken zu lassen, wie sehr es mich belastete, dass Nagi nicht mehr hier war.

Nun befassten wir uns also mit den Kandidaten und deren Lebensläufen beziehungsweise Bewerbungen. Sie würden vorspielen und wir dann entscheiden, ob wir bald wieder zu fünft waren.
 

Ich las den Text von Rei Murasaki durch und legte dann meinen Kopf schief.

„Klingt nicht schlecht. Vielleicht hat er ja so viel drauf, wie auf dem Zettel steht“

Kaito nickte und legte das Papier auf die Seite. Gemeinsam blätterten wir weiter in den zwei Stößen, die wir hatten.

Nicht, dass es so unglaublich viele gewesen wären, die sich beworben hatten, aber wir entschieden uns gerne unabhängig für Favoriten, um nachher zu vergleichen. Das war mehr so eine Art Spiel für uns.

„Honda..“, flüsterte ich leise und blieb dabei an einer Bewerbung kleben. Ich sah, wie das Formular merklich zitterte, als ich es in der Hand hielt. Dieser Name.. Wann hatte ich ihn zuletzt gehört?

War das Absicht..? Ein Zeichen?

„Hm?“

Die Stimme meines Freundes durchdrang meine Starre und ich blickte ihm in die Augen, die er mir nun zugewandt hatte.

„Hier ist ein Honda dabei“

Meine Hand ließ sich nicht schütteln, obwohl ich das Papier hatte schwenken wollen.

Kaitos Gesicht überzog kurz ein Schatten, bevor er gleich wieder die Fassung über es gewonnen hatte.

„Was für ein Zufall..“, erwiderte er leise. „Das ist fast schon Ironie“

Sein kurzes Lachen hörte sich nicht fröhlich an, die Bitterkeit war daraus zu hören.

Ich nickte und legte meine Hände, die ich immer noch nicht im Griff hatte, neben mich, damit es nicht allzu sehr auffiel.

Es war nicht so, dass es nicht viele Japaner gegeben hätte, die Honda hießen. Aber dass der junge Mann, der sich für den Part des Gitarristen beworben hatte, genau gleich hieß wie Nagi, tat einfach ungemein weh.
 

Ich küsste Kaito.

Langsam ließ ich meine Zunge über seine Lippen gleiten, bevor ich sanft seine eigene Zunge berührte, an ihr entlang strich. Er erwiderte meine Berührungen und spielte zärtlich mit mir. Alles, was ich spürte, war der Kuss, sein Körper war so seltsam weit entfernt.

Als ich mich von ihm löste und die Augen aufschlug, stand Nagi vor mir. Ich hätte erschrocken sein sollen, aber das Einzige, was ich tat, war, das Lächeln Nagis zu erwidern. Immerzu zu strahlen, als hätte ich alles Glück der Welt in meinen Händen, jetzt wo Nagi wieder hier war.

Mit einem Male bewegte er sich jedoch von mir weg. Ohne einen Schritt zu tun, entfernte er sich Sekunde für Sekunde ein Stück weiter von mir weg und ich merkte, wie mich Panik überkam, wie ich verzweifelt versuchte, ihm zu folgen, meine Beine sich aber keinen Schritt vom Fleck bewegten. Erst als er fast aus meinem Blickfeld verschwunden war und ich nur noch einen winkenden Punkt sah, lösten sich meine Gliedmaßen aus ihrer Starre und ich rannte wie besessen los, wollte Nagi erreichen. Das war mein einziger Gedanke; dass ich Nagi um keinen Preis aus den Augen verlieren durfte.

Es dauerte eine Ewigkeit, bis ich ihn aufgeholt hatte und vor ihm stand.

Nagi lächelte immer noch.

Und schloss mich in seine Arme.
 

Ich wachte auf.

Nicht wie aus einem Alptraum, sondern als hätte ich soeben einen der friedlichsten Momente in meinem Leben erlebt.

Ich starrte an die Zimmerdecke und ballte lautlos meine Hände zu Fäusten. Warum musste ich diesen Traum haben? Nagi hatte mich zurückgelassen! Und das mit solch einer Entschlossenheit, dass ich es nicht einmal gewagt hatte, ihn zu suchen. Aber wir befanden uns ja auch in der Realität. Da jagte man nicht seinem verlorenen Schwarm hinterher, um ihn zu zurückzuholen. Sofern das überhaupt jemand tat, war es die Polizei. Ich schluckte bitter. Ich hatte nie Anstalten gemacht, ihn zu suchen. Aber wo hätte ich denn anfangen sollen?

Leise seufzend schloss ich für einen Moment die Augen, bevor ich aufstand und in die Küche tappte. Den schlafenden Kaito hatte ich nur kurz angesehen, weil sich bei mir das schlechte Gewissen schon gerührt hatte, als ich nur einen kurzen Moment an ihn und den Traum im Zusammenhang gedacht hatte.

Ohne weitere Geräusche zu machen, öffnete ich den Kühlschrank und holte eine Flasche kaltes Wasser heraus. Ich nahm einige Schlucke und drückte mir dann das kühle Gefäß auf die Stirn. Vielleicht ließen sich damit ja meine Fantasien vertreiben.

Aber ganz im Gegenteil. Als ich so in der Küche stand mit geschlossenen Augen, wurde ich das glückliche Gefühl nicht los, das ich bei Nagis Anblick empfunden hatte. Es klebte förmlich wie flüssiges Pech an mir.
 

An diesem Morgen war ich mit gemischten Gefühlen unterwegs, ich befand mich in einem temporären Status der Verwirrtheit. So gut es ging versuchte ich es zu verbergen, denn ich wollte die anderen drei nicht irritieren, wo wir heute doch einen Ausflug in die Berge geplant hatten. Ja, richtig, B-E-R-G-E. Diese wunderbare Idee war Rens Hirn entsprungen und ich hätte ihm dafür in seinen Hintern treten können, denn Sae war natürlich sofort Feuer und Flamme gewesen; das war er immer, wenn es sich um Vorschläge seines Lovers handelte. Dass Kaito sich auch mehr als einfach hatte überzeugen lassen, lag einfach an seiner viel zu gutmütigen Art und ich.. ja.. ich.. war nur auf Betteln eben dieser Drei mitgekommen.

Nun gingen wir also seit einer Stunde einen Pfad im Wald entlang und ich konnte nicht umhin, es zu genießen. Die ersten Bäume blühten bereits, was einen wunderbaren Anblick darbot und die Luft war dank der noch nicht so hohen Temperaturen frisch und roch irgendwie gesund. Sofern Luft überhaupt gesund riechen konnte.

Aber das Schönste war vielleicht der Ausblick, den man hatte, wenn man sich umsah. Mein Frust über das Wandern – ich bevorzugte andere Sportarten – hatte sich ziemlich bald verflüchtigt und ich hatte nun nur noch die vom Traum ausgelösten Selbstzweifel im Hinterkopf.

Meine Beine langsam mit mehr Spaß bewegend, versuchte ich meine verwirrenden Gedanken zu verdrängen und mich einfach auf die Landschaft zu konzentrieren. Das endete letztlich darin, dass ich Sae und Ren etwas versteckt beobachtete.

Wie sie miteinander umgingen, konnte ich nur bewundern.

Bei ihnen war kein Zweifel vorhanden, alles was sie taten, mussten sie nicht mit diesen am Gewissen nagenden Gedanken tun. Alles war für sie frei von Zwang, ihr Handeln nur davon geleitet, wie viel Zeit seit der letzten Liebkosung vergangen war. Seit sie von unserer Dreiecks-Geschichte erfahren hatten, konnten sie sich zumindest nun auch semi-publik berühren und nutzen dies aus, so gut es ging.

Ich ertappte mich dabei, wie ich neidisch auf sie war. Neidisch auf ihr simples Glück zu zweit.

Warum waren für alle anderen diese Dinge nur so einfach? Warum war es für diese keine Last, sondern ganz im Gegenteil, eine mehr als relevante Verschönerung des Alltags?

„Yuuichi, alles in Ordnung?“

Ich schreckte hoch, ich hatte Kaito gar nicht bemerkt, wie er nun nahe neben mir ging und mich von der Seite her musterte.

„Ich bin heute etwas in Gedanken, aber es ist nichts weiter. Ich schätze, jeder hat wohl mal solche Tage“, gab ich zurück, unsicher darüber, ob er mir glauben schenken würde und er mir nicht ansehen konnte, welcher Natur diese Gedanken war.

Er lächelte.

„Du wirkst richtig seriös, wenn du so ernst schaust“

Es war sein Charakter, Komplimente dieser Art zu machen, und ich, der dies mittlerweile gut wusste, boxte ihm verlegen in die Rippen.

„Mach mich nicht mit solchen jugendfreien Worten an“, konterte ich.

Kaitos Lachen war offen.

Sein Arm, der sich um meine Taille schlang, gab mir mehr Halt, als ich ihm zugetraut hätte. Ich lehnte mich unwillkürlich an den Körper neben mir und gemeinsam gingen wir dem Ziel entgegen.
 

„Wir gehen schon hinein“

Sae winkte mir zu und folgte dabei Ren in die Hütte hinein, welche sie glorreichererweise für eine Nacht gemietet hatten, um den Ausflug auf zwei Tage auszudehnen. Kaito blieb stehen und blickte mich erwartend an. Er wippte leicht auf seinen Fußballen.

„Kommst du auch?“

Ich schüttelte merklich langsam den Kopf.

„Ich komme gleich nach. Gib mir noch ein paar Sekunden“

Den orientierungslosen Ausdruck in seinem Gesicht sehend, beeilte ich mich, meinen Worten ein Lächeln nachzuschicken. Es war halbherzig und ich wusste es.

Trotzdem drehte sich Kaito beruhigt um und tat es meinen Freunden gleich, indem er das Haus betrat und leise die Tür hinter sich schloss.

Wie behutsam konnte man eine Tür schließen?

Gab es dafür ein Maß?
 

Ich drehte mich um und blickte in den Himmel, der jetzt bereits dämmerte und die Sonne von ihrem gewohnten Platz vertrieb. Hinein in die Nacht.

Es würde fast zwölf Stunden dauern, bis sie wieder auftauchen würde. Wie unermesslich lange konnte so eine Zeitspanne sein, die für andere viel zu kurz war?

„Für die Liebenden gibt es keine Zeit“

Ich wusste nicht, warum mir diese Zeile eines Gedichtes genau in diesem Moment einfiel. Ich wusste auch nicht, warum sich ein schmerzhaftes Stechen irgendwo in mir – unlokalisierbar – ausbreitete und mir das Gefühl gab, an etwas zu leiden, was sich nicht einfach so vertreiben lassen würde.

Starr weiterhin dem Sonnenuntergang folgend tauchte in meinen Gedanken Nagis Bild auf. Es war so klar und ich brauchte nicht einmal meine Augen zu schließen, um seine feine Gesichtskonturen sehen zu können, die Lippen, die ich weicher in Erinnerung hatte, als sie wahrscheinlich waren, seine Augen, die in meiner Fantasie einen Glanz darin hatten, der nur für mich bestimmt war. Natürlich war ich mir bewusst, wie verzerrt und fern jeder Realität dieses Bild war. Und wäre ich gerade nicht in dieser mir undefinierbaren Stimmung gewesen, hätte ich über mich selbst gelacht, aber in diesem Moment störte mich meine verdrehte Sicht der Dinge überhaupt nicht und ich fragte mich lieber, was gewesen wäre, wenn Nagi nicht verschwunden wäre. Ob dann alles anders gekommen wäre. Ob ich mich dann wirklich glücklich gefühlt hätte. Ob ich…

Ich ließ den Folgegedanken nicht weiter zu, sondern schüttelte kurz fast schon hysterisch den Kopf, versuchte, mit Schütteln die Dinge in meinem Kopf zu blocken, die gerade ihren Weg aus irgendwelchen Tiefen meines Selbst gefunden hatten.

„Nein!“, sagte ich zu mir selbst. Starrte konzentriert in den dunklen Himmel. Ich musste der Sache entgültig einen Riegel vorschieben, wenn mich diese kurzen Augenblicke, an denen ich mich an Nagi, die Situation, an alles erinnerte, schon so mitnahmen und mir meine Laune auf einen Schlag kaputt machen konnten.

Ich atmete tief ein, ließ die Luft dann langsam aus meinem Mund strömen, bevor ich meine Hand hob und zaghaft dem Bild vor mir winkte, mich umdrehte und den Ort verließ.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  UmbrellaXD
2008-11-25T11:33:35+00:00 25.11.2008 12:33
DIe FF ist wirklcih schön, aber auch oft deprimierend XD

Bin gespannt wie sich das ganze weiterentwickelt und hoffe, dass Yuu mit Kaito zusammen bleibt >O<

Lg
Von: abgemeldet
2008-11-23T11:38:23+00:00 23.11.2008 12:38
Oh mein Gott, ich hätte nicht gedacht, dass du noch weiterschreibst ^^ Waah, wie es mich freut. Wie lang ist das jetzt her? 1-2 Jahre?
Und ich kann mich immernoch an die Geschichte erinnern. Das muss was heißen, bei meinem Gedächtnis :P

Du schreibst immernoch schön.
Der Anfang gefällt mir total gut.

Ich hoffe, du schreibst jetzt wieder regelmäßiger ;_;


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