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Liebe ist eine Schwäche

Shulla
von

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Die Ewigkeit vor mir und keine Tür offen

Als ich aufwachte, war der Tag bereits weit fortgeschritten. Nichts erinnerte mehr an die qualvolle Nacht zuvor. Sogar der Schnee war einem grauen Matsch gewichen. Ein Blutrot hätte eher den Tatsachen entsprochen.

Ich drehte mich ein Mal ums Kreuz und sah, dass neben mir der Platz leer war. Wie es schien, war Kaito schon aufgestanden. Dieser Verdacht wurde zur Tatsache, als ich auf die Uhr, die auf dem Nachtkästchen stand, blickte.

12:39

Demzufolge hatte ich also bereits den halben Tag verschlafen. Nicht gerade ein guter Start, aber eigentlich kümmerte mich das so wenig wie der Dreck unter den Fingernägeln eines anderen. Jeder Tag würde von nun an schlecht beginnen; wer interessierte sich da noch für Uhrzeiten?

Ein wenig gequält erhob ich mich vom Bett und schlurfte in die Küche. Da ich, um in die Küche zu wollen, am Wohnzimmer vorbei musste, sah ich, dass Kaito am Schreibtisch hockte und gerade etwas in den PC tippte.

Seine Brille, die er nur Zuhause trug, war ihm etwas auf die Nasenspitze herab gerutscht, mich beschlich der Gedanke, dass er damit wirklich niedlich aussah. Diese Einsicht verweilte aber nur kurz, denn schon eine Sekunde später gesellte sich Nagi zu meinen Überlegungen dazu und meine Stimmung glich wieder einem schwarzen Loch; alle positiven Gedanken wurden ohne Ausnahme aufgesogen und erblickten nie wieder das Tageslicht.

Ein schmerzhaftes Stechen, das nicht physisch zu fühlen war, machte sich in meinem Bauch breit, während ich ein leises „Ohayô“ murmelte und weiter in die Küche schwankte.

Dass Kaito sich umgedreht und mir leicht besorgt hinterhergeschaut hatte, war mir nicht aufgefallen. Er hatte sich die Brille hochgeschoben, war aufgestanden und befand sich jetzt direkt hinter mir, als ich die Milch in den Topf goss, um sie warm zu machen.

„Lass mich das machen, Sch.. Yu.. Schatz“

Ich zuckte zusammen, starrte für einen Augenblick an die Wand vor mir.

„Komm..“

Kaitos Hand legte sich auf meinen Arm.

Die Wärme, die von seinen Fingern ausging, griff nicht auf meinen Körper über. Die Situation erinnerte mich an Nagi und meine verqueren, vielleicht sogar tölpelhaften Versuche, ihm näher zu sein und dabei trotzdem nicht zu zeigen, wie wichtig mir solche Augenblicke waren. Warum blieb in meinem Kopf nichts als Nagi zurück?

Ich trat etwas zur Seite, um Kaito Platz zu machen. Nach ein paar Sekunden des ihm Zuschauens setzte ich mich schließlich an den Küchentisch und starrte Löcher auf die weiß lackierte Holzplatte – mich psychisch auf etwas zu fokussieren klappte weit weniger gut.

„Du hast sehr viele Gefühle für Nagi .. oder.. ?“

Kaitos Genuschele überraschte mich nicht; es war förmlich in der Luft gelegen, dass jemand von uns beiden früher oder später etwas sagen musste. Dass mein Freund die Stille zuerst durchbrach, lag nur daran, dass er sie weniger gut vertragen hatte.

„Ja..“

Sekunden vergingen – weder er noch ich wussten, wie man das Gespräch weiterführen sollte. Ich nahm mir schlussendlich ein Herz und versuchte, mich ihm zu erklären.

„Ich weiß nicht so genau, welcher Art diese Gefühle nun sind.. Wie sie sich entwickelt haben..Ich weiß noch nicht mal, ob nicht ich Schuld an Nagis Verschwinden bin. Die Erleichterung, die ich verspürte, als ich es ihm gestanden habe, ist so schnell verschwunden wie der Schnee über den Tag. Alles, was jetzt davon übrig ist, ist ein nagendes, schlechtes Gewissen. Ein schlechtes Gewissen, weil ich ihn vielleicht überfordert habe. Und dabei war doch ich der Leidtragende..“

Meine Laute hörte sich gegen Ende tränenerstickt an – mühsam versuchte ich, mir nicht anmerken zu lassen, dass ich kurz vor dem Weinen war.

Kaito blieb es nicht verborgen. Und anstatt auf Distanz zu mir zu gehen, weil ich es ihm so schwer machte mit meinen vagen Andeutungen und meinem Alles-in-der-Schwebe-Haltens, stellte er den Topf auf eine kalte Herdplatte und trat von hinten an meine im Stuhl sitzende Gestalt und schlang seine Arme um meine Schultern. Legte seinen Kopf auf meine Schulter und küsste meinen Hals. Diesmal schmiegte ich mich an Kaito. Nein, eigentlich an meinen Freund.
 

Was tut man, wenn das Herz beschließt, seine Sachen zu packen und an einen anderen Ort zu ziehen? An einen Ort, der womöglich schöner ist?

Und was tut man, wenn man so lange sicher war, dass der eine Platz, wo das Herz so lange lebte, der schönste Fleck auf der Erde sei?

Soll man alles aufgeben? Das Alte zurück lassen? Oder es wiederbeleben? Dem Neuen eine Chance geben? Oder sich den Gefühlen hingeben, die immer da waren und irgendwann verdrängt wurden, weil sie keinen Nährboden fanden, um sich zu entwickeln?

Und was ist mit den tausend Türen, die einem offen stehen? Warum schließen sie sich automatisch mit der Tür hinter einem?
 

Kaito hatte mich für eine knappe Stunde alleine gelassen. Nicht, weil er sonderlich erpircht darauf gewesen war oder vor mir fliehen wollte, sondern weil es nicht anders ging. Essen wuchs eben nicht im Kühlschrank. Zumindest nicht, wenn man es vor dem Ablaufdatum aufgegessen hatte.

So war ich nun alleine mit mir selbst und dem Fernseher. Wieder einmal. Der einzige Unterschied war, dass die Einsamkeit ein Ende haben würde. Während ich auf der Suche nach etwas Aufmunterndem im TV war, hing ich nebenbei meinen Gedanken nach.

Wo Nagi jetzt wohl war?

Ob er jemals wieder zurückkehren würde?

Ob es ihm auch gut ging?

Und warum er eigentlich fort gegangen war..

Ich musste wohl eingeschlafen sein, denn als ich meine Augen wieder öffente, wurde dies von einem dumpfen Pochen im Schädel und einem fahlen Geruch in meiner Mundhöhle begleitet. Wie lange ich so dagelegen hatte, wusste ich nicht sofort, nur dass Kaito mich zugedeckt haben musste, als er nach Hause gekommen war. Irgendwie schlapp gähnte ich und blickte suchend durchs Zimmer. Meine Augen blieben an der Gestalt in der Ecke vor dem Computer hängen.

„Kaito..?“

„Ja?“

Mein Freund drehte sich mit einem leichten Lächeln auf den Lippen zu mir um, in seinem Gesicht war nicht die geringste Spur von Überraschung wegen meines Aufwachens. Ob er wohl darauf gewartet hatte, dass ich endlich wach wurde?

„Wie spät ist es?“

Ziemlich nüchtern erklang meine Stimme.

Kaito blickte auf seine Armbanduhr, antwortete dann: „Siebzehn Uhr“

Er war taktvoll genug, mir nicht zu sagen, dass ich nun wirklich den ganzen Tag verpennt hatte.

„Was machst du gerade? Arbeitest du?“, sprach ich weiter und straffte dabei etwas meinen Oberkörper.

„Im Moment nicht mehr, nein. Ich bin schon fertig“

Erneut wurden seine Worte mit einem kaum merklichen Lächeln begleitet, als würde er sich darüber freuen, dass seine Arbeit für heute erledigt war.

„Dann kannst du ja herkommen zu mir“

Ich hatte schneller gesprochen als gedacht und nun wunderte ich mich über mich selbst. Kaito scheinbar auch, denn es blitzte kurz irritiert in seinen Augen, bevor sie einen warmen Glanz annahmen. Eine Antwort war nicht nötig, mein Freund hatte sich schon erhoben und setzte sich nun neben mich.

„Brauchst du Ablenkung..?“

Seine Stimme war deutlich lasziv und herausfordernd. Weiter unten regte sich etwas bei mir, und das, obwohl ich alles andere als in der Verfassung war, überhaupt an so etwas zu denken. Alles, was ich wollte, war, möglichst schnell alles zu vergessen. Diesen Schmerz und diesen Hass auf mich selbst zu vergessen, wenn ich an Nagi dachte. Und während ich krampfhaft versuchte, die wieder die überhand gewinnenden Gedanken an Nagi zu unterdrücken, dem unbarmherzigen Pochen zu entkommen, war Kaito bereits über mich gestiegen und verwickelte mich nun in einen intensiven Kuss.
 

Diese Sekunden, Minuten gehörten ganz mir und Kaito, denn Kaito hatte sie zu unseren einfach gemacht.

Vielleicht..

Während mein Freund sich über mir befand, meinem Körper Reize abgewann, verschwand Nagi Schritt für Schritt aus meinem Bewusstsein.

So sehr er auch in meinen Gedanken präsent war, in diesem Moment konnte ich ihm entfliehen.

Ich konzentrierte mich auf den Körper vor mir und vergass nur für diese kurze Zeit, was mich belastete. Ließ mich einfach treiben, um der Realität zu entfliehen.

Dafür riskierte ich auch, dass der Schlag danach umso härter werden würde.

~~+~~
 

[Anmerkungen der Autorin]

Ich glaube nicht, dass es viele Menschen gibt, die moralisch richtig handeln können in solchen Momenten. Es ist viel einfacher, sich mit etwas zu beschäftigen, was weniger Schmerz verursacht und ablenkt - auch wenn es falsch ist.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  KyokaiKodou
2007-03-08T18:04:52+00:00 08.03.2007 19:04
Deiner Anmerkung kann ich nur zustimmen. Irgendwie kann ich Yu verstehen. Jeder fragt sich, ob das was er tut, oder was er für richtig erachtet, es auch wirklich ist. Ich kann auch sein Hin und Her von Gedanken und Gefühlen nachvollziehen. In solchen Situationen war ich auch schon oft. Das Schlimmste daran ist, dass dir in diesen Momenten niemand helfen kann, du musst es selbst entscheiden. Dabei stehen sich jedoch Verstand und Gefühl zu oft im Weg...
Du hast es wieder wundervoll geschrieben.
Von: abgemeldet
2007-03-06T16:16:06+00:00 06.03.2007 17:16
Honey.
Oh gott, ich hatte jetzt soo lang kein Internet und grad bin ich on gegangen auf Animexx, und mir is eingefallen, dass du ja neue FFs hast und die hier upgedatet. Und das war das Erste Erfreuliche an diesem beschissenen Tag heute xD
Ich liebe dich dafür, dass du mit deinen Worten meine Welt ermuntern kannst.
Dass du es mir ermöglichst, dass ich durch deine Geschichte für eine kurze Zeit in eine andere Welt eintauchen kann.
Ich bin so gespannt wies weitergeht *__*
Schreib so schnell wie möglich weiter ! ! ! <3

(PS: wir müssen mal wieder reeeeden >.< )
Von: abgemeldet
2007-02-27T20:40:04+00:00 27.02.2007 21:40
man verleih mir nen award für mein tun -.-
so nochmal komment schreiben,weil ich da fenster geschlossen hab, bevor ich auf speichern gedrückt hab...
also~ich find es von kaito eigentlich ganz toll, das er nicht vollkommen ausflippt, sondern eher ruhig bleibt, auch enn es in sienem inneren ganz ander aussieht.
irgendwie schreit das nach einem kurzen einblick in seine gedanken *mich interessieren würde, wie er innerlich das verarbeitet*
nagi geht mir derweil auch am a**** vorbei... >.>;
wie er die situation handhabt stinkt mir gerade sehr und mir tun kaito und yuuichi infach leid ;_;
aber ich bin grad auch so richtig heiß auf nen lemon >_>;
weichet von mir ihr besudelten gedanken~
auf das du bald das nächste kapitel hochladest
*auf speichern drück gleich*


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