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Die Pergamentlilie

von

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Prolog

Prolog
 

„Nichts… Nichts ist da…“, die Gedanken, die Kate O’Donald, einem gerade mal siebzehn Jahre alten Mädchen, jeden Tag durch den Kopf gingen, wenn sie durch diese einsamen Gassen ging. Nein, keineswegs nur deshalb, weil einfach niemand auf der Strasse war, nun ja, nicht nur deswegen, doch dazu später mehr. Kate war ein schlankes Mädchen, weder besonders gross noch klein. Ihre gestuften, blonden Haare kamen ihr bis zu den Schulterblättern und einige der kürzeren Strähnen vielen in ihre blauen Augen. „Nein, nichts ist da, egal wann, egal wo, nichts und niemand ist hier, da, bei mir. Ich habe nichts und niemanden. Deshalb wandere ich ja auch zu dieser späten Zeit durch diese so genannten ‚Ghetto-Gassen’, die Schlimmsten der ganzen Stadt, wo jede Nacht irgendjemand einfach so verschwindet und dann, einige Tage später wieder auftaucht, oder zumindest Teile von ihm oder ihr. Doch ich, ausgerechnet ich, bin bis jetzt jede Nacht zurückgekommen. Warum? Was mache ich falsch? Ich bin ganz alleine unterwegs, ein schwaches, zierliches Mädchen, das sich nicht wehren kann, eine leichte Beute also. Warum kann ich diesem angeblichen Abschaum, wie er von den angeblichen Kultivierten genannt wird, jede Nacht entkommen? Kommt doch her, verschleppt mich, raubt mich aus und tötet mich dann, ich bin zu feige, um es selber zu tun.“ Sie ging weiter, wie jede Nacht, in der Hoffnung hinter der nächsten Kurve, da wo die Strassenlaterne dauernd flackerte, ihren Mörder zu finden. Doch auch dahinter war alles leer und stumm. Wie immer. Enttäuscht über die Tatsache noch einen Tag länger auf diesem Planeten zu verweilen drehte sie sich um und ging den gleichen, einsamen Weg wieder zurück. Den Weg, den sie jede Nacht aufs Neue ging, mit all den brennenden Abfalltonnen, die an den Wänden der riesigen Gebäude standen, den Ratten, die dich ansprangen, wenn du nicht schnell genug warst, dem widerlichen Gestank von Monate altem Abfall, den niemand entsorgte, den herumliegenden und gebrauchten Spritzen und hie und da fand man bei genauerem Hinsehen auch reichlich abgefeuerte Munitionspatronen und doch gab es keinen Ort in der ganzen Stadt, an dem man den Mond und die Sterne so gut sehen konnte. Wohl weil hier die meisten Laternen nicht mehr funktionierten und sich nur selten ein Auto in der Nacht hierher verirrte, aus Angst, versteht sich. „Es ist doch irgendwie surreal oder?“, dachte Kate für sich, den Kopf zum Himmel geneigt und ein kleines Lächeln zuckte über ihr Gesicht, „Der wohl gefährlichste Ort der Stadt und dennoch scheint der Mond hier über alles zu wachen und sein Licht in die Dunkelheit zu schicken. Ich kann mich nicht daran erinnern, den Mond jemals in der Grossstadt so gesehen zu haben.“ Sie setzte ihre Reise fort, es war noch ein ganzes Stück, bis sie die Gassen verlassen konnte, doch Kate hatte es nicht eilig, da sie insgeheim immer noch hoffte, ihren Mörder zu treffen. Sie schaute sich suchend um und erhoffte sich, wenigstens einen Schatten zu finden. Doch da war nichts, die Gasse war wie immer leer. Kate wendete sich wieder dem Weg Richtung Hauptstrasse zu, jetzt konnte man schon einige Autos hören, die mit überhöhtem Tempo die Strasse unsicher machten.

Kate wollte gerade wieder weitergehen, da fühlte sie einen unheimlichen Windhauch, viel zu kalt für diese Nacht, an ihrem Nacken. Sie zuckte zusammen. „Da, kann doch niemand sein, die Strasse war doch vollkommen leer!“, dachte sie und ihr Herz blieb fast stehen. Obwohl sie es ja eigentlich wollte, hatte Kate jetzt, in diesem Moment, in dem sie dachte, sie müsse sterben, ein Gefühl absoluter Angst, welches durch ihren ganzen Körper fuhr. “Wenn ich mich jetzt gleich umdrehe, werde ich meinen Mörder sehen. Es wird bestimmt ein Mann sein, Mitte dreissig vielleicht, klein gebaut, in einem Hip-Hopper Outfit, mit einem Bierbauch und einem Messer in der Hand!“, dachte sie und, aus welchem Grund auch immer, schossen ihr Tränen in die Augen. So hatte sie sich ihren Mörder immer vorgestellt. Plötzlich hatte Kate Angst vor dem Sterben. Dennoch drehte sie sich um, so schnell es ihr möglich war, um in das Gesicht ihres Mörders zu blicken. Als sie sich umgedreht hatte und diese Gestallt sah, erstarb ihre Stimme, ihre Knie wollten sich nicht mehr rühren und ihre Augen blickten in voller Panik auf einen gross gewachsenen, in einen schwarzen Mantel gekleideten und soviel sie sehen konnte blasshäutigen Mann, dessen Gesicht jedoch fast gänzlich von einer nachtschwarzen Kapuze verdeckt wurde. Nur sein Mund war zu sehen und ein Grinsen, so boshaft, wie sie noch nie zuvor eines gesehen hatte. Er stand da, direkt unter der Laterne, die noch mehr Schatten auf sein Gesicht warf, keinen halben Meter von ihr entfernt und plötzlich hob er unter seinem Mantel, der bis über den Boden hing und sich in seinem Schatten nahtlos verlor, langsam eine Hand. In ihrer Panik dachte Kate noch nicht einmal daran, wegzulaufen, oder um Hilfe zu schreien. Ein einziger Schrei drang über ihre Lippen, fast lautlos und irgendwie weit, weit weg. Dann… Wurde es dunkel…



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