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Kreaturen der Nacht

Kurzgeschichten
von

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Verräter

Ein flackernder Wechsel zwischen Schwarz, grau und Gelb. Unvorhersehbar, faszinierend. Und doch strahlt er Ruhe aus, eine unglaubliche Ruhe, die den Kopf verleiten will, sich der Leere hinzugeben.

Ich weiß nicht, wie oft ich dieses Spiel des Kerzenscheins bereits an den kargen Steinwänden beobachtet habe. Eigentlich hätte ich mich daran gewöhnen sollen – und doch scheint mir das Lichtspiel immer wieder neu, aufregend, als entsprünge es nicht schlichten Kerzen, sondern einem Lebewesen, einem Gesprächspartner, der stets an meiner Seite weilt.

Vielleicht wäre das Sonnenlicht auch ein solcher Begleiter, es teilte jeden Tag mit mir und am Abend würde es seine Aufgabe an die Lichter der Nacht übergeben. Ein konstantes helles Leuchten, das mich nie verließe, nicht so wankelmütig wie der Kerzenschein, dessen Meinung und Ansicht jeder Lufthauch zu ändern vermag. Nicht endlich, wie sie, stets am Himmel hängend und wachend, die Ewigkeit meines Lebens lang.

Doch mein Verließ hat keine Fenster, keine Tür. Eines Tages werden mich meine Freunde verlassen, der letzte Tropfen Wachs wird zu Boden fallen, das Licht erlischen und kein weißer Stab mehr zu finden sein - in meiner kleinen Welt.

Wieso fürchte ich mich so sehr vor dieser Dunkelheit? Ich bin die Dunkelheit selbst, mein Blut ist schwarz, mein Herz gefüllt mit Finsternis, meine Augen durchdringen jede Nacht. Und doch... Diese Angst; die Angst ohne es zu sein, das Flackern der gütigen Kerzen. Sie mögen sprunghaft sein, sie mögen schweigen, doch sie lauschen meinen Worten. Sie richten nicht über mich, wie es die Menschen getan haben.

Sie denken so verquer, diese Menschen. Ich bin keiner von ihnen; bin ein Verbrecher, ein Mörder, die Ausgeburt des Bösen, was ihren Augen wohl nicht entging. Und doch glaubten sie, ich würde dahinsiechen, in meinem Verließ aus Stein. Ich atme nicht, esse nicht, schlafe nicht: ich werde leben. Ein einsames Leben, ein Leben in Schwäche, doch ein Leben, nicht der Tod, denn dieser erschrickt bei meinem Anblick.
 

Mein Verstand windet sich unter meiner Kontrolle, will sich zur Ruhe legen, schlafen und mich verlassen; zurücklassen in meiner Heimat, ohne einen Gedanken. Ich lasse ihn nicht gehen, noch nicht jetzt, denn noch leuchten sie für mich, meine Kerzen. Erzählen mir Geschichten von der Welt dort draußen, ohne ein einziges Wort. Sie sind Freunde, Freunde eines jeden, auch einer Kreatur wie mir.

Ich ähnele ihnen nicht, bin ihnen Fremd, doch das ist ihnen gleich. Sie scheinen auch für mich, der unendlich wie das Licht dort draußen ist, der sein Leben einst dem Mond verschrieben hat, nicht den Kerzen. Sie sind Trost, sind Wärme, sind alles, was ich nie hatte, nie geben kann, nicht in diesem Kerker, nicht in der Welt.

Und doch... Vielleicht gibt es Parallelen zwischen uns, zwischen unseren Leben. Auch ich habe gebrannt, wie diese Kerzen. Die Glut in meinem Herzen gab mir Mut, gab mir Zuversicht – ließ mich töten. In jeder Nacht begann das Feuer in meiner Brust zu lodern, ich riss, riss Menschen wie ein Tier, ergötzte mich an ihrem warmen Blut. Doch nun bin ich erloschen, leer, befreit von Leidenschaft und Hitze. Nur noch kalt wie der letzte Wachsrest einer niedergebrannten Kerze.
 

Dunkel.

Ich bin erschrocken, springe vom Boden auf. Die Kerze ist still und leise niedergebrannt; ich bin ihr ein schlechter Begleiter. Rasch greife ich nach einer neuen Kerze, nehme die Oberste von dem kleinen Stapel in der Ecke. Ziehe die Feuersteine hervor, um meine Zelle erneut zu erleuchten, zu erhellen mit Freundlichkeit, mit Verständnis. Alles um mich herum ist so leer - so leer, dass Stille in meinen Ohren pocht und Kälte mein kühles Herz durchfährt.

Lasst mich nicht allein, dann werde auch ich ein Auge auf euch haben, werde besser Acht geben, werde länger zuhören, werde verstehen...
 

Nein, es ist nicht die Stille, die in meinen Ohren hallt. Auf der anderen Seite der Mauer sind Schritte zu hören, vielleicht Stimmen, doch ich kann sie nicht verstehen, habe ihre Sprache im Land des Lichtes und der Dunkelheit, im Land der Einsamkeit verlernt.

Ein Stein wird aus der Mauer gedrückt, schlägt vor meinen Füßen auf. Grelles Licht strahlt mir entgegen, unfreundliches Licht. Das muss das Licht des Tages sein, es brennt in meinen Augen wie glühende Funken, sodass ich sie mit meinem Arm schützen muss.

Sind das Menschen? Was sprechen sie? Ich kann sie hören, ihnen lauschen, sie jedoch nicht verstehen, kein Wort. Höre nur ein Scheppern und Ächzen, das mich erschaudern lässt.

Der Geruch des flüssigen Wachses wird stärker, stärker als ihn je eine Kerze aussenden könnte. Unbarmherzige Hitze schließt sich um meine Füße, ich kann ihr nicht entkommen. Immer schneller immer höher umschließt mich das Wachs, mein Körper brennt, schreit und kein Entkommen.

Warum? Warum musst du meine Ewigkeit beenden?

Gerade du?

Verräter...

Verräter!



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Evidenz
2007-11-07T12:39:34+00:00 07.11.2007 13:39
Gefällt mir wie immer sehr gut!!!^-^

LG Evi


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