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Luciana Bradley und der Orden des Phönix

von

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Die Strafarbeit(en)

Die Strafarbeit(en)

 

In der gesamten Schule hatte sich der Vorfall mit Umbridge schnell herumgesprochen. Es wurde mehr über diesen Potter getuschelt, als über Luciana – nur konnte sie sich nicht wirklich erklären, warum dabei andauernd die Worte „irre“, „vollkommen verrückt“ und „geisteskrank“ fielen und selbst ihre Mitschüler aus Gryffindor seine Nähe mieden.

     Der restliche Tag verging schneller, als es Luciana lieb war. Kaum, dass sie im Mädchenschlafsaal angekommen war, um ihre Tasche umzupacken, war es auch schon an der Zeit, sich auf den Weg in die Höhle von ES zu begeben.

     Um Punkt fünf Uhr stand sie vor Umbridges Bürotür und hämmerte mit geballter Faust auf das massive Holz ein.

     „Herein“, kam es dumpf von der gegenüberliegenden Seite.

     Luciana drückte die Tür auf und trat eilig in den Raum (selbstverständlich nicht, ohne die Tür vorher etwas unsanft zurück in das Schloss knallen zu lassen). Im nächsten Augenblick wäre sie fast kreischend zusammengebrochen, doch die leise Stimme in ihrem Kopf, die immer wieder vor sich her summte ‚Du darfst jetzt vor dem Vieh keine Schwäche zeigen’ hielt sie davon ab. Das gesamte Zimmer war mit Spitzendeckchen und Tüchern auf sämtlichen Möbeln bestückt worden. Die Wände waren mit Porzellantellern zugekleistert, auf denen vollkommen verstört aussehende Katzen abgebildet waren, die durch Schleifen um ihre Hälse stranguliert wurden. Ausgetrocknete Blumen standen überall verteilt in pink und lila bemalten Vasen herum und verwesten in ihren Porzellansärgen – sie war in der Hölle gelandet, mitten hinein und der Gehörnte höchstpersönlich saß vor ihr und grinste sie unter den Schichten von greller, geblümter Kleidung an.

     „Guten Abend, Miss Bradley.“

     „Nabend, Pressor Umbridge“, presste Luciana hervor, in der Hoffnung, die paar Stücke Schokolade in ihrem Magen nicht speiend im Raum zu verteilen.

     „Nun, nehmen Sie Platz.“ ES deutete auf einen kleinen Tisch mit Spitzendecke, davor stand ein Stuhl – ein einsames, leeres Pergamentblatt lag auf der Holzplatte.

     Luciana setzte sich kerzengerade auf ihren Platz, peinlichst genau darauf achtend, nichts in diesem Raum mit ihren Fingern zu berühren.

     „Sie werden ein paar Zeilen für mich schreiben.“ Luciana griff in ihre Tasche. „Nein, nicht mit Ihrer Feder. Sie werden eine von mir verwenden.“

     ES reichte ihr eine lange, dünne Feder mit sehr scharfer Spitze.

     „Ich möchte, dass Sie schreiben: Ich soll nicht lügen und schmutzige Wörter in den Mund nehmen“, sagte ES. Luciana hob eine Augenbraue. Das hörte sich einfach viel zu harmlos an, um wirklich ihre Strafarbeit sein zu können. Nach näherer Betrachtung der Feder kam Luciana ein Gedanke.

     „Um etwas aufzuschreiben, benötige ich Tinte!“

     „Sie werden keine brauchen“, höhnte ES und bewegte ihren unförmigen Arsch Richtung Schreibtisch.

     ‚Okay …’, dachte Luciana und setzte die Feder wütend, mit etwas Nachdruck, auf das Pergamentblatt auf. Ein winziger Stich, wie von einer Nadelspitze, machte sich auf ihrer Handoberfläche bemerkbar. Auf dem Pergament erschien ein roter Punkt, der sich langsam in das Material fraß. Daher weht der Wind.

     Umbridge sah sie an - ein Grinsen machte sich auf ihrem Gesicht breit – Luciana erwiderte es. Dann würde sie sich eben auf das Spielchen einlassen. Sie setzte die Federspitze erneut an, dieses Mal entschlossener und genauso hart. Ihr Mund öffnete sich, die geschriebenen Worte ritzten sich in ihre Handoberfläche. Ein leichtes Stöhnen kam über ihre Lippen; sie ließ sich etwas in den Stuhl zurückfallen und schloss ihre Augen.

     „Mmmmh …“, kam es genießerisch aus ihrem Mund, ihre Hand bewegte die Feder immer schneller über das Pergament. „Oh jaaaaa … das ist guuut …“, noch schneller, „Jaaaaaaa … meeeehr …“, der Schmerz nahm zu, ihre gesamte Hautoberfläche fühlte sich an wie eine einziger Feuerball, „ … mmmmmhhhnnjaaa … gib’s mir … jaaaa, jaaaaa … JAAAAAA …“ Die Feder flog über das Pergament, Lucianas Augen waren immer noch fest verschlossen und sie krallte sich mit ihrer freien Hand an die Tischplatte fest. „JaaaaAAAA … !!“

      „MISS BRADLEY!“

      krachz

     Mitten in der Bewegung legte sie einen Stopp ein und schaute zu ES hinüber, die ziemlich schockiert über Lucianas Anblick zu sein schien. Auf dem Tisch vor ihr hatten sich großflächig Blutspritzer verteilt, ihre Handoberfläche glich dem Versuchsobjekt eines Chirurgen in seinem ersten Ausbildungsjahr und auf dem Pergament waren vielleicht die ersten beiden Sätze mit viel Phantasie zu entziffern - der Rest war einem einzigen Chaos aus Strichen und Kreisen gewichen. Die Feder war unter dem massiven Druck entzwei gebrochen.

     „Das tut mir Leid, Professor Umbridge, ich werde Ihnen gleich morgen eine neue Ritz-dich-blutig-Feder besorgen, versprochen!“

     Luciana setzte ihr schönstes Unschuldslammlächeln auf, schritt zu dem Schreibtisch von ES und legte ihr die zerbrochene Feder direkt auf das Pergament vor ihrer Nase (Strafarbeit von Colin Creevey), natürlich nicht ohne es ein wenig mit Blut zu versauen.

     „Das wird nicht nötig sein … ich …“, ES fehlten endlich mal die Worte, „ich habe noch ein weiteres Exemplar und …“

     „Oh, dürfte ich mir das mal ausleihen?“

     „Nun … ehm, nein.“ ES schloss kurz ihre Glubscher und rang um Fassung.

     „Sie werden eine andere Strafarbeit für mich erledigen, Miss Bradley.“

     Luciana machte ein wehleidiges Gesicht und stocherte mit ihrer linken Hand in der offenen Wunde herum.

     „Sie werden meine Bücher nach dem Alphabet sortieren.“

     Da hatte Luciana nun wirklich keine Lust drauf.

     „Au fein, gerne!“, meinte sie sofort, lief auf das Bücherregal zu und tropfte dabei die ersten Bände mit Blut voll.

     „Ehm … chrm … Miss Bradley, nein, ich denke wir sollten Ihre Strafarbeit verschieben …“

     „Verschieben?“

     „Ja … Sie werden für mich …“, ES kramte hektisch in ihren Unterlagen herum, „chrm chrm … die Schüler wecken.“

     Stille. Luciana starrte ES an. Ihre Hand pochte, brannte und nachdem nun der erste Moment der Adrenalinflut langsam abflaute, war es beinahe unmöglich, sich nichts anmerken zu lassen.

     „Bitte was?“

     ES machte ein Gesicht, als ob sie selber nicht ganz wusste, wie ihre nächsten Worte ausfallen würden.

     „Sie sollen die Schüler wecken.“

     „Ich kann Ihnen nicht wirklich folgen, Professor Umbridge.“

     ES setzte ihr Poker-Geschäfts-Face auf und lehnte sich über ihren Schreibtisch.

     „Sie werden am Freitagmorgen dafür sorgen, dass die Schüler der gesamten Schule ihre Betten rechtzeitig verlassen.“

     „Wie bitte?“ ES grinste wieder.

     „Ihre Aufgabe besteht darin, rechtzeitig alle Gemeinschaftsräume aller Häuser zu finden und dieses“, damit griff sie in eine der Schubladen ihres Schreibtisches und zog einen Stapel rosa Zettel heraus, „Informationsblatt über meine Rede, am selben Tag, zu verteilen. Ich erwarte alle Schüler um Punkt acht Uhr in der Großen Halle.“

     „Und wenn mir dies nicht gelingt? Wollen Sie mir dann wieder Punkte abziehen?“

     ES lehnte sich im Stuhl zurück.

     „Dann werden Sie, in wochenlanger Arbeit, eine handschriftliche Kopie von dem Schulbuch ‚Theorie der magischen Verteidigung’ von Wilbert Slinkhard hier, unter meiner Überwachung, anfertigen.“

     Okay, ES hatte gewonnen.

     „Dann sehen wir uns Freitag, Punkt acht Uhr, in der Großen Halle …“ Mit diesen Worten schnappte sich Luciana den Berg Zettel, packte diesen in ihre Tasche, drehte sich Richtung Tür, verließ den Raum und rannte, kaum dass sie hinter sich das Schloss einrasten hörte … sie rannte, die gesamte Strecke, bis zur Geistertoilette.

     Kaum, dass die Tür hinter ihr ins Schloss gefallen war, griff sie mit zitternden Händen in das hinterste Fach ihrer Umhängetasche. Ihre Hand wäre an der Fleischtheke als dreihundert Gramm feinster Tartar durchgegangen. Nach endlosem Kramen, hatte sie die gesuchte Phiole endlich gefunden. Sie träufelte ein paar Tropfen der orangen Flüssigkeit auf ihre Hand – augenblicklich ließ der Schmerz nach. Das Gewebe begann sich selbst zu heilen – Hautschicht für Hautschicht legte sich auf die offene Wunde.

     Luciana ließ sich langsam an der Wand in ihrem Rücken hinuntergleiten und zog, nach ein paar tiefen Atemzügen, ihre Schachtel Zigaretten aus der Tasche. Erst nachdem einige Zeit vergangen war und sie den zweiten Glimmstängel aufgeraucht hatte, befand sie sich wieder in der Lage zum Gryffindor Turm zurückzukehren.

     Die Korridore waren wie ausgestorben, die Fackeln an den Wänden tränkten die Gänge in gedämpftes Licht – der Wind peitschte den Regen gegen die Fenster und spiegelten somit sehr gut die düstere Stimmung des gesamten, vermaledeiten Tages wieder.  

     „Mimbulus Mimbeltonia“, sagte Luciana an den Miss Piggy Verschnitt gewandt, die in ihrem Bild hockte und mit einem weiteren Ölgemäldemensch ein Pläuschchen hielt. Das Porträt schwang zur Seite, nachdem seine Bewohnerin sich endlich dazu herabließ, das unaufhörliche Gequassel für ihre eigentliche Hauptaufgabe zu unterbrechen und gab das Loch mit dem dahinterliegenden Raum frei.

     Der Gemeinschaftsraum war fast menschenleer. Die meisten Schüler waren offenbar noch beim Abendessen in der großen Halle oder tummelten sich irgendwo anders im Schloss herum. Nur Ron, Potter und Granger saßen in den Sesseln, unmittelbar vor dem Kaminfeuer und erledigten ihre Hausaufgaben. Ein paar vereinzelte Schüler, die Luciana noch vollkommen unbekannt waren, hielten sich ebenfalls hier auf.

     Luciana setzte sich in den nächstbesten Sessel und packte ihre Schulsachen auf den kleinen Rundtisch neben ihr. Genau in diesem Moment nahm sie einen ungewöhnlich starken Luftzug rechts von ihr wahr – dann tauchte ein Schatten auf – Azrael saß im nächsten Augenblick pitschnass auf der Sessellehne und streckte ihr seine Kralle entgegen, an der ein kleines Päckchen angebracht war.

     „Hey, mein Großer.“ Sie band ihm das Paket vom Bein und nahm es näher in Augenschein – es war mit dem UOWV Siegel verschlossen. Beim Öffnen folgte nach dem leisen Knacksen eine schwarze Rauchwolke. Mit skeptischem Blick riss sie Verpackung auf. Der Inhalt bestand lediglich aus einem Brillenetui mit Inhalt, einer Schatulle, in der sich drei Spritzen mit drei Seren befanden und einem eingerollten Stück Pergament.

 

Luciana,

 

die Beschwerde von Umbridge ist schon heute Spätnachmittag bei mir eingetroffen. Natürlich war ihr Anliegen vollkommen inakzeptabel, daher sehe ich nicht die Notwendigkeit, dieser Person mehr Aufmerksamkeit zu schenken, als unbedingt verlangt. Trotz und alledem konnte ich es mir nicht nehmen lassen, mich ein wenig mehr über diese Persönlichkeit zu informieren. Von den vielen kleinen,  unschönen Nebensächlichkeiten (die sicher zeitpunktbedingt ihren Zweck erfüllen werden) kristallisieren sich für mich die wichtigsten Eigenschaften und Taten dieser Hexe heraus. Von diesen möchte ich dir zumindest ein paar näher schildern:

 

Dolores Jane Umbridge hat sehr guten Kontakt zu dem derzeit eingesetzten Zaubereiminister Großbritanniens. Kurz gesagt, wurde sie durch Gesetzesänderungen und neue Gesetzgebungen, ohne Einverständnis des Schulleiters, nach Hogwarts versetzt. Ihr Auftrag besteht darin, möglichst viele Lehrer (von Dumbledore Eingestellte und ihm Wohlgesinnte) von ihrem Posten freizustellen und den Status des Schulleiters immens zu schwächen. Des Weiteren ist sie befehligt, den Schüler Harry J. Potter als geistig unzurechnungsfähig zu prognostizieren und nach Möglichkeit in eine geschlossene Abteilung einzuweisen. Sie ist dazu berechtigt, jeglichen Erlass, nach ihrem Belieben, in Hogwarts gelten zu lassen, solange dies von dem Minister beglaubigt wird. Dolores Jane Umbridge ist langjährige Kundin auf dem schwarzmagischen Schwarzmarkt und erwirbt in regelmäßigen Abständen Gegenstände, die in vergangenen Zeiten für Verhöre und Folterungen, sowie Bestrafungen eingesetzt wurden.

 

Ich denke, dass diese Informationen sehr aufschlussreich für dich sein werden. Wenn sich die Lage bei dir vor Ort zuspitzt (und davon kannst du ausgehen), dann informiere mich unverzüglich. Deine Brille habe ich beigelegt und ein wenig Vorrat deiner Medizin. Ich wünsche dir weiterhin einen angenehmen Aufenthalt in der Irrenanstalt.

 

Mit freundlichem Gruß

 

G. Steinhardt

 

 

Grübelnd ließ Luciana den Brief sinken, der, kurz nachdem sie ihn wieder zusammengerollt hatte, in Flammen aufging und als kleine Aschefetzen zu Boden rieselte. Sie steckte den Inhalt des Päckchens in ihre Schultasche, kramte danach Pergament, Füller und ihr Tränkeschulbuch heraus, platzierte dies auf und um sie herum und begann mit der Überschrift: Die Eigenschaften von Mondstein und seine Anwendung in der Zaubertrankzubereitung – Bevor sie wirklich die Anwendungen von Mondstein nachschlagen konnte, kamen rechts von ihr unnatürliche, dumpfe Geräusche und wildes Rumoren. George und Fred saßen, zusammen mit Lee, inmitten von bewusstlosen Erstklässlern, in einer Ecke des Gemeinschaftsraums – mit hochinteressierten Mienen standen die Zwillinge auf, schnappten sich Klemmbretter und machten eifrig Notizen. Granger hatte sich kurz darauf wutschnaubend auf den Weg zu dem Geschehen gemacht. Was sie genau sagte, konnte Luciana nicht verstehen, jedoch bekam sie das Wesentliche ohne Probleme mit: Granger war zu der Streberin auch noch eine ziemliche Spaßbremse. Luciana gab es auf, im Gemeinschaftsraum genügend Konzentration aufbringen zu können, um ihre Hausaufgaben zu erledigen. Sie packte ihre Sachen zusammen und machte sich auf zum Mädchenschlafsaal - damit sie sich heimischer fühlen konnte, war eine Umdekoration längst überfällig.  

 

*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*  

 

Dunkelheit. Auch wenn bildliche Gedankenfetzen der letzten Tage und Wochen ihr Gedächtnis durchstreiften und das wohlige Gefühl der vollkommenen Ruhe einsetzte, war es nichts weiter als die Dunkelheit, die sie umschloss. Ein flüchtiges Zucken in ihrem rechten Arm kündigte einen wohltuenden, traumlosen Schlaf an. Traumlos war ihr Schlaf immer. Ein Professor hatte ihr, vor langer Zeit, wahrmachen wollen, dass es so etwas wie einen traumlosen Schlaf nicht geben würde. Abertausende Bilder würden im Schlaf verarbeitet werden. Eine komplexe Abfolge, in irrsinniger Geschwindigkeit. Traumentzug würde die neuronale Leistung stören und letztendlich zu Schädigungen im Gehirn führen. Unterbewusstsein. Sie hatte ihm geantwortet, aus ihrem eigenen, kindlichen Leichtsinn, „Dann habe ich kein Unterbewusstsein“. Er hatte gelacht. Gabriel war sehr wütend an diesem Tag gewesen.

     „AAAAAAAaaaaaaaiiiihhh!!!“

     wusch

     Luciana saß kerzengrade in ihrem Bett.

     Zack

     Die Neun-Millimeter im Anschlag, gerichtet auf …

     „Lavender?“

     Lavender Brown stand im rosa Nachthemd und rosa Plüsch-Hausschuhen vor Lucianas Bett, den Mund mindestens so weit aufgerissen, wie ihre Augen und starrte dabei auf einen Punkt über Lucianas Bett. Im nächsten Moment richtete Luciana die Waffe genau auf diese Stelle, als … Sie ließ die Waffe sinken und sicherte sie wieder mit einer kleinen Handbewegung.

     „Musst du mir so einen Schrecken einjagen? Ich war gerade dabei einzuschlafen …“

     Lavender reagierte immer noch nicht.

     „Alles in Ordnung?“ Luciana schaute sich schnell im Raum um, fand jedoch nichts, was diese heftige Reaktion hätte auslösen können.

     „D … d … der …“

     „Jaaa?“

     Lavender hielt sich ihre Hand vor den Mund, den Blick immer noch an demselben Ort.

     „D … ddd … der …“

     „Ja was denn?!“

     „Ddd … Der … der- dessen … dessen-Name-nicht … genannt-werden-darf …“

     „Hä?“

     Luciana folgte ein weiteres Mal ihren Blick und da machte es endlich klick.

     „Achsooo … nene, den Namen darfst ruhig nennen, das ist Marilyn Manson.“

     Endlich riss Brown ihre Augen von dem Manson Poster und starrte Luciana ungläubig und verwirrt an.

     „Wer?“

     Bevor Luciana zu einer Erklärung ansetzen konnte, wurde die Tür zum Mädchenschlafsaal schwungvoll aufgerissen. Herein traten das Patil Mädchen, gefolgt von Granger, die, zu allem Übel, noch McGonagall höchstpersönlich im Schlepptau hatte. Alle drei versammelten sich wild schnatternd um Brown, wobei Granger die Gegend nach einem potenziellen Angreifer absuchte.

     „Was ist denn los?“

     „Ich habe Schreie bis unten auf dem Gang gehört, Miss Brown.“

     „Was ist passiert?“

     Letztendlich blieben alle Augenpaare an Luciana hängen. Sie ließ die Waffe so unauffällig wie nur irgend möglich unter ihrer Bettdecke verschwinden. Nach einem Moment unangenehmer Stille meldete sich Brown wieder zu Wort.

     „D … d …“

     ‚Das hatten wir doch schon mal’, dachte Luciana grimmig. Brown deutete auf das Manson Poster.

     „D … der … dessen-Name-nicht-genannt-werden-darf …“

     McGonagall ließ einen spitzen Schrei erklingen, Granger starrte berechnend auf das Farbposter und Patil machte einen ähnlich panischen Eindruck, wie Lavender.

     „Das ist doch nur ein Poster …“, murmelte Luciana, erhob sich und deutete auf die Schrift rechts unten in der Ecke des Posters.

     „Da steht es“, sie wandte sich an die anderen, ließ ihren Zeigefinger auf der Schrift liegen und las laut vor, „Marilyn-Manson. Nix mit ‚Name darf nicht genannt werden’, okay?“

     Die Anwesenden starrten Luciana immer noch sehr perplex an.

     „Das ist ein Musiker … aus der nicht-magische Welt …“

     Bei diesen Worten kehrte wieder Leben in die eingefrorenen Körper.

     „Musiker hin oder her. Wenn es ihren Zimmergenossinnen Angst macht, müssen Sie es wieder entfernen, Miss Bradley.“ McGonagall spitzte ihre Lippen und sah sie sehr streng an. Anscheinend hatte sie sich selber noch nicht von dem Schrecken erholt.

     Luciana betrachtete das Bild erneut. Der, dessen Name nicht genannt werden darf? Voldemort? Okay, Manson war auf diesem Poster wieder einmal vorzüglich geschminkt worden, weiß im Gesicht, keine Haare auf dem Kopf und eine farbige Kontaktlinse im Auge. Und so sollte Voldemort aussehen?

     „Aber es ist doch nur ein Poster!“, protestierte Luciana.

     „Keine Widerrede. Ab morgen ist es verschwunden und das werde ich kontrollieren. Ich wünsche eine angenehme Nacht.“ Mit diesen Worten drehte sich McGonagall auf dem Absatz um und verschwand hinaus durch die Tür. Die drei Mädchen schauten Luciana noch einen Augenblick wütend an, murmelten ihr missmutig eine ‚gute‘ Nacht zu und legten sich ebenfalls Schlafen.

     Als Einzelkind war Luciana niemals dazu genötigt worden, ihr Zimmer mit jemandem zu teilen. Sie hatte noch keine zwei Nächte in diesem Hühnerstall verbracht und schon jetzt war sie an allen Ecken und Enden eingeschränkt, von den nächtlichen Schnarchattacken mal ganz abgesehen. Ein eigenes Reich in dieser gewöhnungsbedürftigen Anstalt würde ihren Aufenthalt um einiges angenehmer aussehen lassen. Und sie würde dafür sorgen, dass sie dieses auch bekommen würde.

 

*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*

 

Der nächste Tag begann viel zu früh. An der magischen Decke am Frühstückstisch hing eine dunkelgraue Wolkenschicht, das Wetter hatte sich die Nacht über kein bisschen gebessert. Luciana saß da, starrte etwas übermüdet in ihre dampfende Kaffeetasse (Browns Riechorgan hatte sich in der Nacht selbst übertroffen, wie konnten die anderen bloß bei solch einem Lärm schlafen?), die sie sich gerade beim Lehrertisch abgeholt hatte – dieses Mal hatte Snape nicht einmal mit seiner Anwesenheit geglänzt.

     Nach einem kurzen Blick auf den Stundenplan, machte sie sich auf den Weg zu ihrer ersten Doppelstunde Zauberkunst.

     Professor Flitwick war schon irgendwie ein sehr lustiges Kerlchen. Er war so winzig, dass er im Unterricht auf einem Stapel Bücher sitzen musste, um überhaupt irgendetwas von seinem Pult aus erkennen zu können. Die ersten Minuten redete er ausschließlich von den zu bestehenden ZAG’s, dem Zauberergrad, den sie nach diesem Schuljahr erhalten würden, insofern sie die Prüfungen gut genug bestehen würden. Luciana interessierte sein Gequieke nicht wirklich, jedoch tat sie ab und zu so, als ob sie aufmerksam zuhören würde.

     In den nächsten zwei Stunden war es mit vorgegaukelter Aufmerksamkeit nicht mehr getan. Nachdem McGonagall eine Standpauke gehalten hatte, von der Luciana nicht mehr als nur Wortfetzen mitgeschnitten hatte, sollten sie Verschwindezauber üben, als erstes an Schnecken.

     „Wenn die einem das Gemüsebeet zerfressen, kippt man einfach Salz drüber, wartet ne Stunde und schmeißt sie danach in die Mülltonne, basta!“, kommentierte Luciana etwas verwirrt über all den Aufwand, als McGonagall ihnen die Aufgabenstellung gegeben und die Schnecken ausgeteilt hatte. Ihr Gesichtsausdruck wandelte bei diesem Einwurf einem ziemlich pikierten, doch sie wurde schnell von Parvatis Ekelschrei abgelenkt, die sich gerade über die Schleimspur der Schnecke echauffierte.

     Die Klasse hatte große Probleme, die kleinen Schleimbeutel auch nur ansatzweise verschwinden zu lassen. Luciana versuchte es erst gar nicht, sondern ließ ‚Slimey‘, wie sie ihre Schnecke nach zehn Minuten getauft hatte, ihren Zauberstab hoch und runter kriechen. Wenn McGonagall in der unmittelbarer Nähe war, fuchtelte sie lediglich wild mit ihrem Stab in der Gegend herum. Granger schaffte es natürlich auf Anhieb, das kleine, wirbellose Wesen nach weiß-nicht-wohin zu befördern, was ihr gleich zehn Punkte für Gryffindor einbrachte. Am Ende der Stunde wehrte sich Luciana mit allen Mitteln Slimey McGonagall auszuhändigen. Erst als alle Schüler den Klassenraum verlassen hatten, gab sie sich geschlagen und entließ die Schnecke ihrem ungewissen Schicksal.

     „Ich kann nur nochmals betonen, dass Sie sich hier an Spielregeln zu halten haben, Miss Bradley“, kommentierte McGonagall, als sie die übrigen Weichtiere in ein Aquarium zurücksetzte.

     Luciana packte gerade ihre Tasche ein, als McGonagall wieder kurz vor ihrem Platz stand und sie mit gespitzten Lippen streng ansah.

     „Ich hoffe, Sie haben bereits das Bild aus Ihrem Schlafsaal entfernt.“

     Luciana antwortete ihr mit einem kurzen Nicken, dann kam ihr ein ganz anderer Gedanke.

     „Ist es nicht möglich, hier ein Einzelzimmer zu bekommen?“

     McGonagall verschränkte ihre Arme vor der Brust und machte ein ärgerliches Gesicht.

     „Wie stellen Sie sich das vor? Hogwarts ist eine Schule und kein Hotelbetrieb.“

     Luciana ließ sich diese Worte kurz durch den Kopf gehen.

     „Professor Snape scheint allen Häusern Punkte abzuziehen, nur nicht seinem Eigenen.“

     McGonagall erwiderte darauf nichts und machte lediglich einen sehr erstaunten Eindruck über den plötzlichen Themenwechsel.

     „Ich schlage Ihnen einen Deal vor“, ließ Luciana dann verlauten; McGonagalls Augenbrauen verschwanden fast an ihrem Haaransatz, so ein empörtes Gesicht setzte sie auf. „Ich sorge dafür, dass Professor Snape seinem eigenen Haus bis zu fünfundzwanzig Punkte abzieht und ich bekomme mein eigenes Zimmer. Keine Zwischenfälle mehr mit Mitschülern, ich habe meine Ruhe beim ganzen Wiederholen des Schulstoffs, jeder gewinnt.“

     Einen Augenblick machte es den Anschein, als ob McGonagall Luciana an den Ohren zum Direktor schleifen würde, doch dann:

     „Fünfzig Punkte, bis zum Ende der Woche und Sie verlieren kein Sterbenswörtchen darüber.“

     Damit drehte sich McGonagall um und ging zu ihrem Pult.

     „Sie können gehen, Miss Bradley.“

     Mit einem Grinsen auf den Lippen verließ Luciana den Klassenraum.

 

*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*

 

     Den Mittag über verbrachte sie die meiste Zeit auf dem Geisterklo, erledigte dort den größten Teil ihrer Hausaufgaben und verqualmte dabei eine halbe Schachtel Zigaretten.

     Am Nachmittag ging sie mit einer kleinen Gruppe Gryffindors zum Unterricht Pflege magischer Geschöpfe. Dieser fand am Rande des Waldes statt, an dem eine kleine, anscheinend unbewohnte, Hütte stand. Vor dieser wartete schon eine mittelgroße Frau, Professor Raue Pritsche, wie sie den Unterhaltungen ihrer Mitschüler entnehmen konnte. Vor ihr war ein langer Holztisch aufgebaut, auf denen Holzweige lagen, oder besser gesagt Wesen, die dieses Aussehen zur Tarnung nutzten. Ihre Aufgabe bestand darin, die Baumwächter, oder auch Bowtruckles, zu skizzieren und am Ende der Stunde eine komplette Zeichnung ihrer Körper abzugeben.

     Bis auf ein paar Zankereien zwischen einem Slytherin (wer hätte es gedacht, es handelte sich hierbei um Malfoy) und einen Gryffindor (oh Wunder, es war Potter), blieb der Unterricht ereignislos.

     Nach Kräuterkunde, welche in den Gewächshäusern gleich neben der Schule stattfand, war auch endlich der Nachmittagsunterricht vorüber und sie hatte genügend Zeit, um sich bei einer Runde Jogging am See Gedanken über die nächste Zaubertrankstunde zu machen.

 

*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*

 

Der Donnerstag kam schnell. In lauter Vorfreude und in voller Überzeugung, heute Abend in ihren eigenen vier Wänden nächtigen zu können, hüpfte Luciana aus ihrem Bett, sprang unter die Dusche und genoss am Frühstückstisch ganz besonders Snapes düsteren Blick, als er ihr, unter den wachsamen Augen Dumbledores, knurrend eine Tasse Kaffee einschüttete.

     Vor dem Klassenraum für Zaubertränke hüpfte Luciana vom linken zum rechten Bein, was ihr sehr komische Blicke von ihren Mitschülern einbrachte. Dann sah sie den Tränkeprofessor den Gang hinunter auf sie zukommen - das Spiel konnte beginnen. Luciana setzte ihre beste Unschuldsmiene auf, stellte sich kerzengerade hin und wartete, bis Snape die Tür geöffnet hatte.

     Die Schüler nahmen ihre Plätze ein, Luciana vorneweg. Sie schaffte es dieses Mal, einen Platz in der Mitte der Tischreihen zu ergattern, direkt am Gang, den Snape genau in diesem Moment entlangschritt, auf dem Weg zu seinem Pult – Luciana beugte sich zu ihrer Schultasche, streckte dabei ihr linkes Bein in den Gang, etwas hartes stieß augenblicklich dagegen und aus dem Augenwinkel sah sie es … Snape schräg in der Luft hängend, sein Gesicht zu einem stummen Schrei verzerrt, seine Haare waagerecht von seinem Kopf schwebend, genau wie sein riesiger Umhang - dumpf - Snape lag, alle Viere von sich gestreckt, auf dem Steinboden. Luciana zog blitzschnell ihr Bein zurück und schaute sich den schwarzen Klamottenberg zu ihren Füßen an, der gerade dabei war, sich wieder zu erheben. In der Klasse war es urplötzlich mucksmäuschenstill geworden, nur einige Einzelne hielten sich die Hände auf die Lippen gepresst, um ihr Gekicher verbergen zu können - der Rest hatte in Panik die Augen aufgerissen und die Münder in Schrecken geöffnet.

     Snape erhob sich vom Boden; es war, als ob Baphomet geradewegs aus der Hölle den Stein aufgespalten hätte, um sich nun mit einem grotesken Gesichtsaudruck vor Luciana aufzubauen. Er öffnete gerade seinen wutverzerrten Mund, um seine Zähne zu blecken oder Punkteabzug verlauten zu lassen, konnte sie momentan nicht ganz ausmachen, aber für Möglichkeit Nummer Zwei kam sie ihm zuvor.

     „Oh, das wollte ich nicht, es tut mir furchtbar Leid, Professor Snape Sööör,“ sie hantierte wild in der Luft herum, „ … ich wollte nur meinen Mondsteinaufsatz aus meiner Tasche holen, Professor Snape Sööör, da habe ich mich zu sehr nach vorne gelehnt, Sööör“, das ‚Sir’ auf das Übelste lang gezogen, mit kugelrunden Augen starrte sie Snape panikhaft an, „ … es tut mir ganz, ganz doll Leid, Professor Snape Sööör …“

     „Professor …“, zischte Snape zwischen seinen Zähnen, seinen Blick vernichtend auf Luciana gerichtet, „reicht vollkommen.“

     „Wie?! Ich soll hier vor Ihnen kommen?!“, erwiderte Luciana, nicht zu leise und mit geschockter Miene; dabei starrte sie Snape empört an. Aus der hinterletzten Ecke des Kerkers ging das erste Prusten los, was Snape mit nur einem einzigen Blick in dieselbige Richtung im Keim erstickte. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Snape drehte sich ruckartig um und lief wortlos zu seinem Pult und doch konnte Luciana den leichten Rotschimmer auf seinem Gesicht erkennen. Von dort aus blitzte er in die Runde und lies mit einem Wink seines Zauberstabes Anweisungen für einen Trank an der Tafel hinter ihm erscheinen. Unglaublich – sie hatte ihn mit einem winzigen, zweideutigen Kommentar derart aus dem Konzept gebracht, dass er es sogar versäumt hatte, ihr Punkteabzug zu geben.

     „Kessel raus, Sie fangen augenblicklich mit der Herstellung des Trankes an, ich will keine Unterhaltungen hören!“

     Einige Schüler bedankten sich murmelnd bei Luciana, da sie nun die glänzende Laune des Tränkemeisters ertragen durften. Doch diese holte nur schmunzelnd ihre Zutaten aus der Tasche und begann mit der Zubereitung.

     Luciana ließ sich die erste Stunde viel Zeit und verursachte keine weiteren Zwischenfälle. Aber heute stand nicht umsonst eine Doppelstunde an …

     Snape begann seinen Kontrollgang, knapp nach dem ersten Ertönen der Schulglocke und steckte seine übergroße Nase in jeden einzelnen Kessel. In denen der Gryffindor besonders tief und mit einer extra Portion Abfälligkeit in den Augen, wenn ihm einmal kein herablassender Spruch einfiel. Und er kam dem Tisch des Malfoy-Jungen immer näher … Luciana schnappte sich ihren Zauberstab, murmelte ein paar Worte (dessen Übersetzung sie bis heute nicht wirklich verstanden hatte) und richtete dessen Spitze direkt auf Malfoy. Mit der Hand über den Lippen verbarg sie jegliche, sichtbare Bewegung, doch die Worte sprudelten aus Malfoys Mund, in normaler Lautstärke und vollkommen neutralem Tonfall:

     „Ich träum von nackten Männern mit einem Zauberstab …“

     Luciana konnte gut beobachten, wie Snape abrupt in seinem Rundgang Halt machte und Malfoy anstarrte, rechts und links von dem Schleimbeutel giggelten Crabbe und Goyle in ihre übergroßen Pranken.

     „Wuhuuu, ich steh auf alte Säcke wie dich … hey, Snape, ich will dich in Reizwäsche sehen …“, während dieser Worte war Snape gefährlich nahe an Malfoy herangetreten. Mittlerweile war niemand mehr mit seinem Kessel oder dessen Inhalt beschäftigt, alle Aufmerksamkeit hatte sich auf den Schleimbeutel und Snape gerichtet.

     „Wie war das?“, flüsterte Snape bedrohlich leise, Malfoys Mimik war ausdruckslos, fast schon gelassen.

     „Du hast mich schon richtig verstanden. Ich will dich morgen bei mir sehen, um zwölf, in Strapse …“

     Uuh oh … Snape sah gar nicht gut aus, mehr so, als ob er schwer damit beschäftigt wäre, alle ihm bekannten Foltermethoden in Gedanken durchzugehen und sich die schönste auszusuchen … Oder? Nein, er sah so aus, als hätte er seit Wochen mächtig schmerzhafte Verstopfungen.

     „FÜNFZIG PUNKTE ABZUG VON SLYTHERIN UND NACH DEM UNTERRICHT KOMMEN SIE AUGENBLICKLICH IN MEIN BÜRO!“

     … uuuh, vielleicht hat er sich mit dem Gedanken von Strapsen angefreundet …

     Luciana ließ ihren Zauberstab wieder unauffällig in den Tiefen ihrer Tasche verschwinden und wendete sich grinsend ihrem Trank zu.

     Die restlichen Schüler brauchten noch eine ganze Weile, bis sie sich wieder vollständig ihrer Arbeit zugewandt hatten, Malfoy allerdings doppelt so lange … Snape stand kurz vorm Platzen. Wenn er nicht so ungehalten gewesen wäre, hätte er sicher seinen Verstand benutzt und wäre darauf gekommen, dass an der Sache etwas faul sein musste; doch Luciana war sehr froh, nicht dabei sein zu müssen, wenn dem Herrn ein Licht aufgehen würde.

     In zwanzig Minuten würde die Stunde zu Ende sein. Sie atmete noch einmal tief durch und streckte dann ihre Hand in die Höhe. Snape ignorierte diese sehr gekonnt, doch irgendwann wurde es ihm zu bunt.

     „Ja, Miss Bradley …“, sagte er genervt und schaute von seinem Pult auf.

     „Professor, ich muss zur Toilette.“ Um diese Aussage tatkräftig zu unterstützen, rutschte sie auf ihrem Stuhl hin und her.

     „Verkneifen Sie es sich, Miss Bradley“, war Snapes knappe Antwort, sein Gesicht bekam vor lauter Ärger rote Flecken.

     „Aber Professor Snape, Sööör, ich muss meinen Tampon wechseln, er ist schon ganz voll gesogen …“

     Snapes Kopf schnellte ruckartig nach oben, rechts und links von ihr konnte Luciana schon einige Schüler japsen hören, aus dem Augenwinkel heraus nahm sie Gryffindors wahr, die schon in Deckung gingen. Auf Snapes Lippen zeichnete sich ein sardonisches Grinsen ab.

     „Miss Bradley, erledigen Sie es in der Pause, bis dahin …“, sein Grinsen wurde noch bösartiger, „… haben Sie ja noch Ihre Unterwäsche.“ Aus den Reihen der Slytherins ging ein sehr amüsiertes Johlen los.

     „Aber Professor Snape, Sööör, ich trage doch gar keine Unterwäsche …. Es wird schon ganz feucht zwischen meinen Beinen …“

     „RAUS!“, kreischte Snape, das Gesicht puterrot … sein armer Blutdruck.

     Das war anscheinend zuviel für Neville, der gerade vom Stuhl kippte.

     Luciana beeilte sich damit, aus dem Klassenraum zu kommen. Sie lief in Richtung des Geisterklos, um ihr neues, eigenes Zimmer mit einer Lucky Strike zu feiern.

     Nachdem es schon zum Stundenende geklingelt hatte, kehrte sie in den verwaisten Klassenraum zurück. Nur Snape war noch anwesend, der gerade die Tafel mit einem Wink seines Zauberstabs säuberte und die Tränkeproben verstaute. Sie bekam eine Strafarbeit, einen sehr langen Aufsatz über Heiltränke, fünfundzwanzig Punkte Abzug und so etwas wie eine Kriegserklärung. Luciana war sich fast sicher, dass für Snape eine Unterrichtsstunde niemals so beschissen gelaufen war, wie die heutige. Er hätte ihr fast Leid getan, wenn er nicht so ein Riesenarsch wäre …

 

*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*

 

     Der restliche Unterricht zog sich schleppend durch den Tag und zu allem Übel ließ das Mittagessen alle Gerüchte über die Unfähigkeit der britischen Küche wahr werden. Was zur Hölle hat Minze auf Fleisch zu suchen?

     Nach dem Nachmittagsunterricht suchte Luciana Professor Snape noch etwa sechs Mal auf, jedes Mal mit dem Vorwand, eine weitere Frage zu der Strafarbeit zu haben. Sie hatte das Gefühl, Snapes Hemmschwelle einen Unverzeihlichen anzuwenden, würde mit jedem Male geringer werden. Diese Vermutung bestätigte sich, kurz vor Sperrstunde, als sie das letzte Mal für diesen Tag an seiner Bürotür stand und klopfte. Nach zehn Minuten penetrantem Hämmerns wurde die Tür aufgerissen, Snape stand da, seine Gesichtsfarbe hatte wieder einmal einen sehr ungesunden Rotton angenommen.

     „Ich weiß nicht wirklich, ob Kamillentee zu den Heiltränken hinzugezählt werden kann und ….“

     Mit einem unsanften Griff wurde Luciana durch die Tür in den dahinterliegenden Raum gezogen, die Tür daraufhin zugeknallt. Im nächsten Augenblick spürte sie Holz gegen ihren Rücken. Snape hatte sie gegen den Türrahmen gepresst, die rechte Hand stützte er an der Wand ab, mit der Linken hielt er sie am Oberarm fest. So muss es sich anfühlen, in einen Schraubstock gespannt zu werden.

     „Eine Strafarbeit“, er zog das Wort Strafarbeit extra lang, „ist nicht dazu gedacht, Ihren Lehrer mit unsinnigen Fragen zu löchern, Miss Bradley“, zischte er, sein Gesicht nur Zentimeter von ihrem entfernt. „Sollten Sie sich noch einmal ähnliche Fehltritte, wie die heutigen erlauben, ist es mit Punkteabzug und Strafarbeiten nicht getan, denn dann“, seine Tonfall wich einer wahnsinnig angehauchten Stimmlage, „vergesse ich vielleicht für einen kleinen Moment, dass ich Ihr Lehrer bin und Sie meine Schülerin und dann … werde ich ernsthaft ungemütlich.“

     Bevor Luciana über eine Antwort nachdenken konnte, wurde sie auch schon auf den Gang geschoben, die Tür fiel lautstark hinter ihr ins Schloss.

 

*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*

 

Auf dem Weg zum Schlafsaal gönnte sie sich noch eine Gute-Nacht-Zigarette und ein kleines Gespräch mit George und Fred, die zu dieser späten Stunde noch über irgendwelche Unterlagen im Gemeinschaftsraum brüteten. Sie bekam jedenfalls eine sehr nützliche Information über die genaue Lage von Snapes Privatgemächern und zwei prüfende Blicke von den Zwillingen, warum sie dies wissen wolle.

     Zum krönenden Abschluss dieses Tages, stellte Luciana zudem fest, dass sich McGonagall an ihre Abmachung gehalten hatte, denn ihre Sachen waren aus dem Mädchenschlafsaal verschwunden. Links neben der Tür zum Schlafsaal war eine neue Tür aufgetaucht, welche zu ihrem neuen, zwar nicht sonderlich großen, aber gemütlichen Zimmer führte. Ihr Bett war hier untergebracht worden, genau wie ihre Kommode. Auf der linken Seite stand ein kleiner Sekretär, auf dem ein großer Spiegel angebracht war. Auch ihre Tasche stand vollbepackt vor dem Bett. Daneben lag ein fein säuberlich zusammengefaltetes Pergament, welches Luciana als erstes in Augenschein nahm.

 

Ich hoffe, dieses Zimmer genügt Ihren Ansprüchen

und lindert Ihre starken, allergisch bedingten Symptome

auf die Baldachin-Schlupf-Milben,

die bei Ihnen im alten Schlafsaal solch große Beschwerden

ausgelöst haben.

 

So viel Hinterlist hätte sie ihrer Hauslehrerin gar nicht zugetraut. Aber kreativ war sie, das musste man ihr lassen – und sie selbst hatte eine nette Ausrede, sollten lästige Fragen ihrer Hauskammeraden aufkommen.

     Zunächst hing sie ihr Marilyn Manson Poster auf, setzte sich dann auf ihr Bett, kramte eine Schachtel Zigaretten aus ihrer Tasche und steckte sich einen Glimmstängel an. Patsch - Kaum hatte das Feuerzeug die Zigarettenspitze berührt, ergoss sich ein Schwall eiskalten Wassers über Lucianas Kopf. Gut, dann eben doch absolutes Rauchverbot im gesamten Gryffindor-Arial. McGonagall hatte anscheinend an alles gedacht.

 

*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*

 

Bamm Bam Bamm

     Sechs Uhr dreißig. Luciana stand vor einer massiven Holztür im Kerker, gekleidet in Jogginghose und Laufshirt, den Arm gefüllt mit einem Stapel ES-Zettel und hämmerte gegen den harten Untergrund. Vierzehn Komma fünf Minuten waren vergangen und hinter der Tür regte sich nichts, rein gar nichts. Das letzte Mal holte sie aus, dieses Mal mit dem Fuß und trat mit voller Wucht gegen den verschlossenen Durchgang. Erst blieb die Stille, nur zwanzig Meter in den Gang hinein hatte sich eine Traube von Slytherin-Schülern angesammelt, die alle, noch in Schlafkleidung, aus einem Eingang in der Wand gekommen waren. Der erste hob auch schon einen, von ihr auf dem Boden platzierten, rosa Zetteln auf und betrachtete diesen mit zusammengezogenen Brauen. Und dann wurde die Tür vor ihr aufgerissen …

     „Professor Snape, Sööör, ich habe da noch eine Frage wegen der Strafarbeit …“

     Luciana konnte nur nebenher wahrnehmen, dass Snape ein angegrautes Nachthemd trug und ihm seine Haare zu Berge standen - darauf war er auch schon mit einem Satz von der Tür bis in den Gang gelangt, Luciana rannte, Snape hinterher, den Gang entlang bis zur Treppe, hoch, verdammt ist der Kerl schnell, durch die Eingangshalle, zur anderen Seite, die Treppe wieder herunter, ein mordlustiger Tränkemeister dicht hinter ihr.

     Patsch - Upps, das war Mrs Norris - die Katze ließ ein lautes Kreischen von sich und kurz danach noch eins; Luciana konnte mit einem schnellen Blick über die Schulter erkennen, dass Snape das Tier mit einem gekonnten Wurf wohl gegen die Wand gepfeffert hätte, um sie aus dem Weg zu räumen, hätte Filch sie nicht im letzten Moment am Schwanz packen können. Ein kreischender, wild tobender Filch setzte nun auch noch Snape hinterher.

     Aus dem Gang drangen Hufflepuff-Schüler – die auch gleich zwei Dutzend Flyer um die Ohren geworfen bekamen - mit einem Schlenker zog Luciana einen Haken und rannte den Weg wieder zurück, die Treppe hoch, in die Eingangshalle und die Haupttreppe hoch, rechts in den nächsten Flur, Snape fluchend und speiend, dicht hinter ihr, danach ein immer noch kreischender Filch, hinter ihm eine leicht humpelnde Mrs Norris.

     Sie machten alle zusammen einen gigantischen Lärm: Hinter einem Vorhang steckten die ersten Ravenclaw-Schüler ihre verschlafenen Köpfe heraus, nächster Rosa-Papier-Regen, Schlenker und den Flur wieder zurück; Luciana hatte kurz Snapes Hand gespürt, wie sie sich um ihr Handgelenk legen wollte, doch er hatte nur ihrem Arm gestreift. Auf dem Weg zum Gryffindor-Turm wurde eine Tür aufgerissen, vielleicht fünfzehn Meter von Luciana entfernt. Eine schlaftrunkene McGonagall trat auf den Flur, umhüllt von einem Nachthemd in schottischem Muster.

     „Was ist denn hier los, Sie wecken noch das ganze Schloss!“

     „Genau das!“, rief ihr Luciana im Vorbeilaufen zu und drückte ihr ebenfalls einen Zettel in die Hand, bog in einen weiteren Gang ein und rief der fetten Dame schon vom Weiten das Passwort zu. Das Gemälde schwang nach hinten, Luciana verschwand in dem Loch, was es freigegeben hatte, doch Snape und Filch hatten es auch noch geschafft. Ein lautes Dumpf verriet, Mrs Norris wohl nicht.

     Mit drei Sätzen schnellte Luciana die Treppe zum Mädchenschlafsaal hinauf, Snape dicht hinter ihr, als sich die Stufen selbstständig machten und sich in eine ebene Fläche verwandelten. Der Professor landete, ein weiteres Mal in dieser Woche, alle Viere von sich gestreckt, auf dem Boden. Luciana blieb noch kurz in der Tür stehen, grinste Snape über beide Ohren an, als dieser gerade von Filch zusammengestaucht wurde, dann knallte sie die Tür hinter sich ins Schloss – Snapes mörderischen Blick würde sie nicht so schnell wieder vergessen.

 



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  KaFurke
2017-10-13T11:06:28+00:00 13.10.2017 13:06
»Okay, Manson war auf diesem Poster wieder einmal vorzüglich geschminkt worden, weiß im Gesicht, keine Haare auf dem Kopf und eine farbige Kontaktlinse im Auge. Und so sollte Voldemort aussehen?«

:) hihi... ich musste sofort an ein Mansonposter denken, welches ich zu Ausbildungs-/Wohnheimzeiten an der Innenseite meines Kleiderschranks hing.
Weiß, haarlos, Kontaktlinse!
Wie oft habe ich damit angetrunkene Übernachtungsgäste zu Tode irritiert ...
Sehr coole Verbindung, mal wieder, zur nicht-magischen Welt!
Von:  ai-lila
2014-09-11T22:59:03+00:00 12.09.2014 00:59
Hi~~

HA! LUCI ist absolut verrückt! Sie legt sich mit Snape an.... mit SNAPE!

lg ai


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