Eine unerwartete Geste
Titel: Greif nach den Sternen
Kapitel: 5/?
Autor: Cat in the web
Fandom (Anime/Manga): Beyblade
Einstufung: PG
Genre: romantisch
Label: -
Pairing: Bryan + Ray
Disclaimer: Ich habe keinerlei Rechte an Beyblade. Ich bin nur ein Fan, der sich die Charaktere kurz ausgeliehen hat, um eine kleine Fanfiction zu schreiben. Und natürlich mache ich kein Geld damit.
Ich danke meinen Kommi-Schreibern Firefox_Takara, teardrop, Ssylka_Volkov, Blut_Fleck, Robino und Chery! Und sorry, dass es wieder so lange gedauert hat.
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Greif nach den Sternen
von Cat in the web
Kapitel 5: Eine unerwartete Geste
Die Leute vom Starlight-Magazin arbeiteten wirklich schnell. Schon am Abend des nächsten Tages wurde Ray ein Umschlag in seine Hotelsuite gebracht, in der sich mehrere Hochglanzabzüge der während des Interviews gemachten Fotos befanden sowie eine Nachricht, welche dieser Fotos für den Artikel im Magazin verwendet werden würden. Es wurde ihm auch versichert, dass sein Honorar für das Interview bereits überwiesen worden war. Ray interessierte sich allerdings mehr für die Fotos. Herr Peters war ein ausgezeichneter Fotograf, wie er feststellte. Er hatte aus den Lichtverhältnissen der Suite das Beste rausgeholt, und sowohl Ray als auch Bryan sahen auf den Fotos aus wie wohlhabende Gentlemen der High Society. Auch die Auswahl der Fotos für den Artikel sagte Ray zu. Auf zweien davon war er zusammen mit Bryan abgebildet. Eines davon zeigte ihn im Gespräch mit Frau Hofmann, die ihn interviewte, während Bryan entspannt neben ihm auf der Couch saß. Ein anderes zeigte ihn und Bryan nebeneinander stehend. Die restlichen Fotos zeigten nur Ray und sollten in erster Linie die Fans zufrieden stellen, die nicht genug von ihm bekommen konnten. Das Starlight-Magazin mit dem Bericht über Ray würde in Kürze erscheinen, und Ray war sich absolut sicher, dass auch seine Freundschaft mit Bryan darin ausführlich erwähnt werden würde. Das Interesse der Reporterin an Bryans Beziehung zu ihm war deutlich gewesen, und die Fotos waren von dem Magazin sicher nicht ohne Grund ausgewählt worden.
Ein weiterer Umschlag ging im Laufe dieses Tages bei Ray ein. Er enthielt das versprochene Drehbuch des Films, in dem Ray möglicherweise mitspielen würde. Rays Augen funkelten erwartungsvoll, als er sich mit dem Drehbuch auf seiner Couch niederließ. Schnell überflog er die Nachricht seiner Managerin Sara, die ebenfalls in dem Umschlag gelegen hatte, bevor er sich dem Buch zuwandte. Es verging eine lange Zeit, bevor Ray das Drehbuch zuklappte und über den Film nachdachte, der gedreht werden sollte. Die Story handelte von einem Detektiv, der über eine Verschwörung stolperte, die bis in höchste politische und wirtschaftliche Kreise reichte. Das Thema war nicht gerade originell, es gab viele Filme mit ähnlichen Themen. Aber es gefiel Ray. Alles erschien logisch durchdacht, und doch gab es immer wieder Wendungen im Verlauf der Geschichte, mit denen er nicht gerechnet hatte, die sich aber am Ende in ein festes Gesamtbild einfügten. Auch die Action kam nicht zu kurz, und der Held bekam auch eine Heldin zur Seite gestellt.
Sara hatte in ihrer Nachricht erwähnt, dass der Regisseur plante, Ray die Rolle des Mike Florentin zu geben. Laut Drehbuch war dieser Mann ein Informant des Detektivs, der mehr wusste als er zugab. Er war keine Lichtgestalt in diesem Film, sondern mehr ein halbseidener Charakter, der aus einem zweifelhaften Milieu stammte. Seine im Drehbuch festgehaltene Charakterisierung brachte Ray zum Schmunzeln. Er hatte bisher als Modell immer perfekt sein müssen, ohne jeden körperlichen oder charakterlichen Makel. Die Vorstellung, einen solchen Mann in einem Film zu spielen, war daher äußerst reizvoll für ihn, zumal dieser Mike Florentin nicht in die Kategorie der bösen Buben fiel, sondern mehr ein Mann war, der das Beste aus seinem Leben herausholen wollte. Dass er in der zweiten Hälfte des Films einem Mordanschlag zum Opfer fallen würde, störte Ray nicht. Es war schließlich keine Hauptrolle, aber sie war auch nicht klein oder unwichtig. Der Regisseur traute ihm offenbar eine Menge zu.
Später am Abend klingelte sein Telefon. Es war Sara. „Nun, Ray, hast du das Drehbuch schon bekommen?“, fragte sie.
„Ja, und es gefällt mir“, antwortete er. „Hat sich der Regisseur schon gemeldet wegen der Probeaufnahmen?“
„Der genaue Termin steht noch nicht fest, aber ich habe mit ihm telefoniert, und er sagte, er will dich auf jeden Fall für diese Probeaufnahmen haben.“ Sara klang aufgeregt. „Und ich will auf jeden Fall, dass du diese Chance wahrnimmst, verstanden, Ray?“
„Natürlich. Ich habe nicht vor, sie mir entgehen zu lassen“, erwiderte er. „Aber ich kann ja bis dahin nicht Däumchen drehen. Was hast du sonst noch so für mich?“
„Jede Menge, aber nichts davon sofort. Du kannst dich ein paar Tage ausruhen, während ich die Aufträge durcharbeite. Ein paar Firmen haben auch längere Werbeverträge in Aussicht gestellt, aber ich würde vorschlagen, dass du dich in dieser Hinsicht zurückhältst, bis wir wissen, was aus diesem Film wird. Wenn du die Rolle bekommst, steigert sich dein Wert enorm.“
„Und wenn ich ein miserabler Schauspieler sein werde mit lauter schlechten Kritiken?“
„Mach keine Witze, Ray!“, wies Sara ihn zurecht. „Das wird nicht passieren. Außerdem wird der Regisseur es dir schon sagen, wenn du ungeeignet bist. Aber wie ich bereits bei unserem letzten Treffen gesagt habe: wenn er der Ansicht ist, du bist für die Rolle geeignet, dann bist du es auch!“
„Du setzt viel Vertrauen in mich.“
„Allerdings. Ich weiß, du kannst das. Also amüsier dich jetzt ein paar Tage, und dann sehen wir weiter.“
„Okay. Bis dann, Sara.“
„Bis bald, Ray.“ Es klickte in der Leitung, als Sara den Hörer auflegte. Ray tat es ihr gleich und lehnte sich dann auf der Couch zurück. Er hatte also ein paar Tage frei. Aber was sollte er tun? Ray wurde plötzlich bewusst, dass er wenig mit sich anfangen konnte, wenn er allein war. Er arbeitete entweder oder er ging mit Arbeitskollegen, anderen Modells oder Fotografen, in irgendeine Szene-Bar. Aber am Liebsten las er ein gutes Buch oder schrieb E-Mails an seine Freunde. Etwas anderes blieb ihm auch nicht übrig, denn da er ständig herumreiste, war ein direkter Kontakt mit seinen Freunden schwierig. Obwohl… es gab da immer noch Bryan. Ray zögerte ein wenig. Bryan hatte sicher mehr als genug eigene Probleme, immerhin lief in seiner Firma eine Untersuchung, und der Bericht über die erste Weltmeisterschaft der Bladebreakers in Russland hatte ihm zusätzlich geschadet. Vielleicht hatte er gar keine Zeit. Aber andererseits konnte man ja mal fragen. Ray musste zugeben, dass er Bryan vermisste. Es war angenehm, jemanden um sich zu haben, mit dem man über so vieles reden konnte und der nicht nur ein berühmtes Fotomodell in einem sah.
Ray kramte Bryans Visitenkarte hervor und wählte seine private Nummer. Er wollte Bryan nicht wieder bei seiner Arbeit stören. Es klingelte ein paar Mal, dann klickte es in der Leitung und Bryans ruhige Stimme ertönte vom Band seines Anrufbeantworters, kurz danach ertönte der Pfeifton, der den Beginn der Aufnahme signalisierte.
„Hallo, Bryan“, sagte Ray. „Ich habe ein paar Tage lang keine Aufträge und wollte fragen, ob wir noch mal etwas zusammen unternehmen wollen. Ich würde mich sehr freuen, aber ich verstehe natürlich, wenn du keine Zeit hast. Bitte ruf doch zurück. Ciao, Ray.“
Ray legte den Hörer wieder auf. Er hoffte wirklich, dass Bryan sich mit ihm Treffen würde. Er mochte Bryan sehr gern, obwohl sie noch nicht so viel Zeit miteinander verbracht hatten, seit sie sich in Star City wieder begegnet waren.
***
Bryan saß in seinem Büro an seinem Schreibtisch und langweilte sich. Seit dieser Untersuchungsausschuss die Werbeabteilung überprüfte, war sein Arbeitsfeld stark eingeschränkt. Mit anderen Worten: er hatte kaum was zu tun. Bis die Untersuchung abgeschlossen war, würden keine großen Werbeprojekte durchgeführt werden. Und die kleinen Projekte wie zum Beispiel eine Anzeige in einer Zeitschrift waren mehr Routinearbeiten, um die sich Bryan kaum kümmern musste. Er hatte die Zeit genutzt, um neue Ideen zu entwickeln, aber fast alle seine Ideen zielten speziell auf Ray Kon als Werbeträger, und da dieser den Vertrag dank Sergenson abgelehnt hatte, waren sie praktisch nutzlos. Bryan verstand nicht, warum seine Gedanken ständig um Ray kreisten. Normalerweise war er niemand, der sich leicht ablenken ließ, und es war nicht seine Art, sich zu überlegen, was er alles hätte machen können, wenn es anders gekommen wäre. Doch Ray ging ihm nicht aus dem Kopf. Vielleicht hätte er das Angebot gestern Abend doch annehmen und bei Ray übernachten sollen. Dann hätte er noch mehr Zeit mit ihm verbringen können. Rays Gesellschaft war ihm äußerst angenehm.
Das Telefon klingelte und riss Bryan aus seinen Gedanken. Er war fast dankbar für die Ablenkung. „Hier Kuznetsov“, meldete er sich.
„Und hier ist Hill“, ertönte die Stimme des Firmendirektors vom anderen Ende der Leitung. Er hatte keine guten Nachrichten, zumindest nicht nach Bryans Meinung. Als Bryan zehn Minuten später aus seinem Büro trat, warf seine Sekretärin Anna Schmidt nur einen Blick auf sein Gesicht und in ihrem Kopf ging eine Alarmglocke los. Der Ausdruck von kühler kontrollierter Verärgerung auf seinem Gesicht war nicht unbedingt neu und hätte Frau Schmidt nicht groß beunruhigt. Doch sie glaubte, auch einen Ausdruck von Niedergeschlagenheit in seinen Augen zu entdecken, und das war höchst beunruhigend. In all der Zeit, die sie ihn kannte, hatte sie ihn als einen Mann kennen gelernt, der seine Gefühle strikt kontrollierte und sich nicht unterkriegen ließ. Noch nie hatte sie eine Emotion bei ihm entdeckt, die sie vermuten ließ, dass er auch nur im Entferntesten ans Aufgeben dachte. Und das sollte was heißen, denn als jüngster Abteilungsvizechef, der jemals bei Motor Wheels gearbeitet hatte, hatte er viele Neider, die ihm die Arbeit nicht gerade leicht machten.
Seine ersten Worte, die er an sie richtete, bewahrheiteten Frau Schmidts schlimmste Befürchtungen: „Frau Schmidt, ich hatte gerade ein Telefonat mit Herrn Hill. Ich bin für einige Tage von der Firma beurlaubt worden, während die Untersuchung weitergeht. Sollte irgendetwas vorfallen, während ich weg bin, können Sie mich privat erreichen. Es ist noch nicht bekannt, wann ich wiederkomme.“
‚Falls ich überhaupt wiederkomme’, dachte Bryan entmutigt. Es war nicht so, dass Herr Hill am Telefon unfreundlich zu ihm gewesen wäre, oder auch nur Andeutungen über eine bevorstehende Entlassung gemacht hätte. Er hatte Bryan lediglich gesagt, dass sowohl er als auch Sergenson für die Zeit der Untersuchung beurlaubt waren. Es war eine reine Vorsichtsmaßnahme, um die Neutralität aller an der Untersuchung Beteiligten sicherzustellen. Trotzdem hatten sich die Worte für Bryan angefühlt wie ein Schlag in den Magen. Und das Mitgefühl, das er in den Augen seiner Sekretärin sehen konnte, half ihm auch nicht dabei, sich besser zu fühlen, obwohl es ihn erleichterte, dass es zumindest einen Menschen in der Werbeabteilung gab, der auf seiner Seite war.
Auf seinem Weg zum Aufzug hörte Bryan eine ihm bekannte Stimme wütend über den Gang hallen. Die Stimme kam aus Sergensons Büro, und obwohl Bryan nicht verstand, was Sergenson sagte, konnte er sich denken, was passiert war. Sergenson hatte denselben Anruf erhalten wie er selbst, doch nahm dieser seine Zwangsbeurlaubung weniger ruhig hin. Natürlich würde er nie wagen, Direktor Hill zu widersprechen. Aber nachdem er den Hörer aufgelegt hatte, machte er seinem Zorn Luft, und seine Untergebenen würden seine schlechte Laune ausbaden müssen. Es würde ihm nicht gerade gut tun, ausgerechnet in einer solchen Situation andere zu schikanieren, doch Bryan konnte es nur Recht sein. Er beschleunigte seine Schritte, um nicht aus Versehen in den wütenden Sergenson hineinzurennen und war erleichtert, dass er niemandem begegnete, als er das Firmengebäude verließ.
Als Bryan Zuhause in seinem Appartement angekommen war, sah er, dass eine Nachricht auf seinem Anrufbeantworter gesprochen worden war. Er überlegte kurz, ob er sie einfach ungehört löschen sollte, denn in letzter Zeit hatten einige wirklich unhöfliche Leute wegen der Sache mit Ray angerufen und Schmähungen auf das Band gesprochen. Aber das hatte in letzter Zeit wieder nachgelassen, und daher riskierte er es, die Nachricht abzuspielen. Kurz darauf war er sehr froh darüber, denn es war Ray, der angerufen hatte, und die Aussicht, einige Tage mit ihm verbringen zu können, hellte Bryans Stimmung wieder auf. Schnell suchte er Rays Nummer heraus, um ihn zurückzurufen.
***
Am nächsten Tag sah Herr Polanski, der Manager von Rays Hotel, wie das Modell Ray Kon und sein Freund, ein gewisser Bryan Kuznetsov, lachend die Lobby des Hotels durchquerten und in Richtung Tiefgarage verschwanden. Er deutete eine leichte Verbeugung an, als sich seine Blicke mit denen der zwei Männer kreuzten, und wunderte sich erneut, wie die Leute glauben konnten, diese beiden seien Feinde. Natürlich hatte er die Artikel über die Zwei gelesen, doch nach dem, was er mit eigenen Augen gesehen hatte, stempelte er das Ganze als Sensationshetze der Medien ab. Wenn diese beiden wirklich Feinde wären, hätte Herr Kon seinen einstigen Beyblade-Gegner sicher nicht zum Mittagessen ins Hotelrestaurant eingeladen.
Ray und Bryan hatten tatsächlich im Restaurant gegessen, und nun waren sie unterwegs zu Bryans Auto, um eine Spritztour durch die Gegend zu machen. Sie hatten sich außerdem ein kleines Picknick in der Hotelküche zubereiten lassen, welches sie nun im Kofferraum verstauten. Dann ging es los, und schnell hatten sie Star City hinter sich gelassen. Bryan fuhr eine Weile einfach nur über die Landstraße, durch Wälder und kleine Orte und an der Küste entlang. Ray hatte sein Fenster heruntergedreht und genoss den warmen Wind, der die verschiedensten Gerüche mit sich brachte, vom Wald oder vom Meer, je nachdem wo sie gerade waren. Bryan hatte die Richtung nicht ziellos eingeschlagen, und sie machten an verschiedenen Orten halt, wo sie sich gemeinsam eine Sehenswürdigkeit ansahen: kleine Ortschaften mit historischen Stadtkernen, eine alte Burg, die man besichtigen konnte, Denkmäler und Landschaften, die zu einem kleinen Spaziergang einluden. In ihrer ganz normalen Kleidung, Jeans und Sweatshirt, erkannte sie niemand, zumal Ray wie auch beim letzten Mal seinen Zopf unter seiner Kleidung versteckte und eine Baseballkappe sowie eine Sonnenbrille trug. Nur einmal äußerte eine Eisverkäuferin, wie ähnlich er doch dem Modell Ray Kon sehen würde. Ray nickte lächelnd, und sie verschwanden schnell aus dem Geschäft, nachdem sie ihr Eis bezahlt hatten, bevor sie wirklich noch jemand erkannte. Wieder im Auto und unterwegs, lachten sie herzlich über den Vorfall.
Später am Tag, es war schon fast Abend, fuhren sie zu einer versteckten Bucht am Meer mit einem feinen Sandstrand. Hier breitete Bryan eine Decke auf dem Sand aus, und sie setzten sich, um ihr Picknick zu genießen.
Ray zog sich die Schuhe aus und vergrub seine Zehen mit einem wohligen Seufzer im warmen Sand neben der Decke. Der Tag hätte gar nicht besser laufen können. Niemand hatte ihn erkannt, und so war er in der Lage gewesen, den Ausflug ganz normal zu genießen, ohne dass er eine Schar Leibwächter brauchte, die ihn von seinen vielen Fans abschirmten. Er zog seinen Zopf unter dem Sweatshirt hervor und löste ihn. Die langen schwarzen Haare fielen wie eine seidige Wolke um seinen schlanken Oberkörper. Bevor die leichte Meeresbrise mit ihnen spielen konnte, legte sich Ray auf den Rücken und hielt so sein Haar effektiv zwischen Körper und Decke gefangen. Dann beobachtete er selig lächelnd die Wolken über ihm. Baseballkappe und Sonnenbrille waren sicher im Wagen verstaut. Hier draußen würde er sie nicht brauchen.
Bryan beobachtete ihn lächelnd, während er den Rest von seinem Sandwich aß. Ray wirkte wie eine äußerst zufriedene Katze, die ein Sonnenbad nahm, und Bryan hätte sich nicht gewundert, wenn sein Freund angefangen hätte zu schnurren. Rays langes Haar schimmerte im Licht der Sonne, und Bryan spürte das Verlangen, die langen Strähnen durch seine Finger gleiten zu lassen, um zu prüfen, ob sie sich wirklich so seidig anfühlen würden wie sie aussahen. Doch er unterdrückte den Wunsch und wandte sich wieder seinem Sandwich zu.
„Weißt du“, begann Ray nach einer Weile, „mir gefällt es hier, ich meine in Star City. Ich frage mich, ob ich nicht hierher ziehen sollte.“
„Da würde sich die Regenbogenpresse aufrichtig freuen“, meinte Bryan. Komischerweise fühlte er, wie auch sein Herz vor Freude ein wenig schneller zu schlagen anfing. Wenn Ray hier einen festen Wohnsitz hätte, dann würde das bedeuten, er ginge nicht mehr weg, zumindest nicht für lange.
Ray setzte sich auf und lehnte sich in Bryans Richtung, wobei er sich mit den Händen auf der Decke abstützte. „Nur die Presse?“, fragte er mit einem verschmitzten Lächeln.
Bryan legte sein Sandwich weg, drehte sich zu Ray hin und ahmte dabei unbewusst dessen Position nach. Ihre Gesichter waren nur wenige Zentimeter voneinander entfernt, und das Lächeln auf Bryans Lippen ebenso verschmitzt wie das von Ray.
„Und natürlich all deine Fans, die du hier hast.“
Ray hob fragend eine Augenbraue. „Und wer noch?“
„Und der Bürgermeister. Es leben nicht sehr viele Prominente in Star City, mit denen er angeben kann.“
Rays Lippen zuckten verräterisch als müsste er ein Lachen unterdrücken, doch er fragte weiter: „Und?“
Bryan beschloss, nachzugeben. „Und ich würde mich auch freuen“, gestand er.
Das Lächeln auf Rays Gesicht vertiefte sich, und seine Augen begannen vor Freude zu strahlen. „Das allein wäre schon ein wirklich guter Grund, hier zu bleiben.“
Bryan wusste nicht, welcher Teufel ihn ritt. Es war fast so, als hätte er einen Blackout, als hätte er keine Kontrolle mehr über sein Handeln. Er sah nur noch Rays Gesicht vor sich, welches ihn so liebevoll anlächelte, und ohne dass es ihm richtig bewusst wurde, hatte er die geringe Distanz zwischen ihren Gesichtern überwunden und presste seine Lippen auf die von Ray. Der Kuss war süß und berauschend, und er schien eine kleine wundervolle Ewigkeit zu dauern.
Schließlich trennten sie sich voneinander und setzten sich wieder ordentlich hin, wobei sie es jedoch vermieden, den anderen anzusehen. Keiner von beiden wusste so recht, was er nun tun sollte. Ray war verwirrt. Begrüßungsküsschen auf die Wange waren in der Modellwelt durchaus üblich, aber er hatte noch nie einen Mann auf den Mund geküsst, noch hätte er je gedacht, dass ein einfacher Kuss so schön sein könnte. Selbst die Küsse, die er vor Jahren mit Mariah, seiner einstigen Jugendliebe, getauscht hatte, hatten ihn nicht so bewegt.
Bryan hatte durchaus schon mal einen Jungen geküsst, in früheren wenig erfreulichen Zeiten in der Balkov-Abtei in Russland. Doch das waren nur die Experimente eines Teenagers gewesen, und selbst die Küsse der erfahrenen Frauen, mit denen er sich später ab und zu eingelassen hatte, waren nicht so verheißungsvoll und befriedigend gewesen wie dieser Kuss mit Ray.
Die Stille dauerte an und wurde zur Belastung. Um die Situation wieder in den Rahmen der Normalität zurückzubringen, sagte Ray schließlich das Erste, was ihm in den Sinn kam: „Das Meer ist wunderschön.“ Gleich darauf rollte er mit den Augen und seufzte in Gedanken über sich selbst. Konnte er sich denn nichts Besseres ausdenken?
Doch Bryan nahm die Worte dankbar auf und blickte nun wie Ray über das Meer. „Ja, das ist es wirklich“, stimmte er ihm zu, und ein glückliches Lächeln schlich sich erneut auf sein Gesicht.
Die Unruhe zwischen ihnen löste sich in nichts auf, und gemeinsam saßen sie in kameradschaftlichem Schweigen da und blickten über das Meer. Nach einer Weile löste sich Bryans Blick von den Meereswellen und wanderte zu Ray. Auf dem Gesicht seines Freundes lag ein sanftes Lächeln, und es strahlte eine ruhige Freude aus, die aus ihm herauszuströmen schien. Sein langes schwarzes Haar wehte sanft im Wind, und er wirkte vollkommen entspannt. Für Bryan war er in diesem Augenblick das schönste Geschöpf in dieser Welt.
Eine Stunde später, nachdem sie einen prachtvollen Sonnenuntergang beobachtet hatten, packten Ray und Bryan ihre Sachen zusammen und fuhren zurück nach Star City. Sie hatten bereits Pläne für den nächsten Tag, und beide freuten sich darauf, noch mehr Zeit zusammen zu verbringen.
***
Am späten Abend lag Ray noch wach in dem riesigen Bett in seinem Hotelzimmer und dachte zurück an diesen seltsamen und doch so schönen Moment am Strand, als Bryan ihn geküsst hatte. Die Geste war unerwartet gewesen und doch so willkommen. Der Kuss hatte Ray bewusst gemacht, wie einsam er sich fühlte und wie schön es wäre, jemanden bei sich zu haben. Natürlich gab es mehr als genug Leute, die bereit waren, Zeit mit ihm zu verbringen. Aber all diese Leute wollten mit dem berühmten Modell Ray Kon ihre Zeit verbringen. Würden sie sich auch Zeit für ihn nehmen, wenn er nicht reich und berühmt, sondern ein ganz normaler junger Mann wäre? Nun, einige vielleicht. Doch die meisten Leute interessierten sich nur für das Bild, welches die Medien von ihm vermittelten: der reiche attraktive Junggeselle, ehemaliger Beyblade-Star und nun berühmtes Topmodell. Es existierte ein ganz bestimmtes Bild von ihm in der Öffentlichkeit, und die Leute erwarteten von ihm, diesem Bild zu entsprechen.
Aber bei Bryan hatte Ray das sichere Gefühl, dass dieser sich nicht um das Bild des Topmodells kümmerte, sondern sich wirklich für die Person dahinter interessierte. Es war erstaunlich. Eigentlich hatten sie sich nur während der Weltmeisterschaften im Beybladen gesehen und sich dann für Jahre aus den Augen verloren. Man konnte auch nicht sagen, dass sie Freunde gewesen waren, sie waren einfach beide Blader gewesen, und das war ihr ganzer Kontakt. Doch als sie sich wieder gesehen hatten, da hatte es dieses angenehme Gefühl von Vertrautheit zwischen ihnen gegeben, und das obwohl sie sich beide inzwischen verändert hatten. Wer hätte schon gedacht, dass der einst so feindselige Bryan irgendwann einmal ein seriöser Geschäftsmann und ein so angenehmer Gesellschafter sein würde?
Ray drehte sich seufzend auf die Seite und kuschelte sich in sein Kissen. Er vermisste Bryan, obwohl er doch genau wusste, dass er ihn schon morgen wieder sehen würde. In seiner Nähe fühlte er sich beschützt und geborgen. Und er hätte auch gar nichts dagegen, wenn Bryan ihn noch mal küssen würde.
***
Bryan wälzte sich in seinem Bett hin und her. Er war müde, doch er konnte einfach nicht einschlafen. Seine Gedanken kreisten um den Tag mit Ray und um diesen verflixten wunderschönen Kuss. Bryan wusste immer noch nicht, was ihn veranlasst hatte, Ray zu küssen, aber er bereute es ganz sicher nicht. Es hatte sich so richtig angefühlt! Und es hatte Bryan klar gemacht, was für ein einsames Leben er eigentlich führte. Wenn nicht gerade der Fernseher lief, war es in seiner Wohnung immer gespenstisch still. Es war nicht so, dass Bryan nicht gewusst hätte, wohin er hier in Star City gehen musste, um eine gute Zeit zu haben, aber wenn er darüber nachdachte, war er immer ziemlich allein gewesen. Es war ihm nur nie aufgefallen, weil er so viel gearbeitet hatte. Stellvertretender Leiter der Werbeabteilung einer so großen Firma wie Motor Wheels wurde man nicht so einfach über Nacht. Und auch wenn Sergenson ihn immer bevorzugt hatte, so hatte er sich dies doch auch verdient, immerhin hatte er fast alle wichtigen Werbeprojekte der Firma in den letzten Jahren bearbeitet, während Sergenson sich immer weniger darum gekümmert hatte.
Der Gedanke an Sergenson erinnerte ihn an die Schwierigkeiten in der Firma, und er seufzte. Um die dunklen Gedanken an Sergenson und den Untersuchungsausschuss von Motor Wheels zu vertreiben, dachte er wieder an Ray und den Kuss. Er freute sich auf das Wiedersehen mit Ray, und auch wenn ihm nicht wirklich klar war, warum er so die Kontrolle über sich verloren und Ray geküsst hatte, er musste sich trotzdem eingestehen, dass er sich wünschte, er könnte Ray in die Arme nehmen und noch mal küssen.
***
Auch am nächsten Tag fuhren beide in Bryans Wagen los und besuchten kleine Städte in der Region um Star City. Sie hielten sich nirgendwo lange auf, um das Risiko zu vermindern, dass jemand sie erkannte. Wie üblich verbarg Ray seinen Zopf unter seiner Kleidung und trug seine Baseballkappe. Am frühen Abend gingen sie in ein kleines griechisches Restaurant. Das Essen war gut und die Atmosphäre angenehm. Der Wirt stand hinter der Theke und putzte seine Gläser, während er auf die Wünsche seiner Gäste wartete, und die Bedienung, vermutlich seine Tochter, eilte munter von Tisch zu Tisch. Ray und Bryan hatten einen Tisch etwas abseits in der Nähe zur Küche gewählt und unterhielten sich leise.
Mit der relativen Ruhe war es vorbei, als die Tür zur Gaststube aufging und eine Gruppe schwatzender junger Frauen hereinkam. Es war nicht so, dass die Frauen besonders laut waren, doch der Geräuschpegel stieg im Vergleich zu vorher deutlich an. Die Frauen setzten sich an einen langen Tisch in der Nähe von Bryan und Ray. Ray beobachtete dies mit Sorge. Er hatte vorher nicht daran gedacht, aber er war sich nun wieder bewusst, dass das Risiko erkannt zu werden für ihn anstieg, je mehr Leute um ihn herum waren und je länger er sich an einem Ort aufhielt.
„Bryan, ich glaube es ist besser, wenn wir uns auf den Weg machen“, wandte er sich an seinen Freund.
Bryan begriff sofort, was hinter Rays Worten stand, und nickte ihm zu. Dann wandte er sich um und winkte der Bedienung. „Wir möchten zahlen.“
Die junge Frau kam zu ihrem Tisch und servierte ihnen noch zwei kleine Schnäpse auf Kosten des Hauses, wie es in manchen Restaurants üblich ist, wenn die Gäste gehen möchten. Bryan bezahlte, und die Bedienung wollte sich gerade wieder abwenden als ihr Blick auf Ray fiel. Dieser hatte den Kopf ein wenig gehoben, um seinen Schnaps zu trinken, und ermöglichte ihr so einen ungehinderten Blick auf sein Gesicht. Der Bedienung blieb fast der Mund offen stehen, doch ihre Sprachlosigkeit hielt leider nur eine Sekunde an, dann kreischte sie so laut, dass sie ohne Schwierigkeiten im gesamten Restaurant zu hören war: „Oh mein Gott, Sie sind doch Raymond Kon!!!“
Bryan hatte schon befürchtet, Ray könnte auf einem ihrer Ausflüge mal erkannt werden. Er hatte sich ehrlich gesagt schon gefragt, wann es wohl passieren würde, und sich überlegt, was er dann am Besten tun sollte. Aber er war gewiss nicht auf das Chaos vorbereitet, das sich nun über ihren Tisch ergoss! Von allen Seiten kamen die Gäste angestürmt, aufgeregt und lärmend, lediglich der Wirt blieb hinter seinem Tresen und sah genauso überrascht aus wie Bryan. Die Leute hatten es so eilig, Ray zu erreichen, dass sie wie eine Woge gegen den Tisch prallten. Obwohl Ray eigentlich bereits ausreichend Erfahrung mit begeisterten Fans gesammelt hatte, hatte er mit einem solchen Ansturm hier nicht gerechnet. Die Wucht der Menge traf ihn unvorbereitet und mit einem überraschten Aufschrei, in dem sich auch eine Spur Angst mischte, fiel er von seinem Stuhl und ging zu Boden. Dieser Anblick war genug für Bryan, um ihn aus seiner Erstarrung zu reißen und seine Wut zu entfachen. Sein Temperament, über die Jahre hinweg sorgsam gezügelt, entbrannte mit der Plötzlichkeit einer Stichflamme. Er sprang so heftig auf, dass sein Stuhl nach hinten flog und gegen einige Leute prallte, die überrascht zurück sprangen. Seine Faust fuhr in die Höhe und ging mit Knochen zerschmetternder Gewalt auf den Tisch hernieder. Es war nur der guten Qualität dieses Möbelstücks zu verdanken, dass es unter der Wucht des Schlages nicht entzwei brach. Dies und Bryans zorniger Ruf: „Stopp! Seid ihr von Sinnen?!“ überraschte die Leute genug, um ihr Vorstürmen zu stoppen und ihnen langsam bewusst werden zu lassen, dass Ray Kon offenbar zu Boden gegangen war und nun niedergetrampelt zu werden drohte. Bryan nutzte die allgemeine Verwirrung, bückte sich blitzschnell nach Ray, riss ihn auf die Füße und zog ihn an der Hand hinter sich her. Gemeinsam liefen sie so schnell sie konnten durch die überraschte Menge und vorbei an der Küche zum Hinterausgang hinaus.
Die beiden hielten erst an, als sie in sicherer Entfernung in einer kleinen verlassenen Gasse waren. Ray war immer noch ein wenig geschockt und atmete daher etwas schneller als normal, während Bryans Atem völlig ruhig war. Der Blick des Russen war auf den Weg gerichtet, den sie soeben gekommen waren, um nach möglichen Verfolgern Ausschau zu halten, und unbewusst hatte er Ray in seine Arme gezogen. Ray gefiel es in dieser Umarmung ausgesprochen gut. Bryan strahlte eine Ruhe und Kraft aus, die ihm das Gefühl von Geborgenheit vermittelten. Ray zögerte einen Moment, doch dann entschied er, einfach seinen Instinkten zu folgen und lehnte sich mit seinem Körper an den von Bryan.
„Danke für die Rettung“, sagte er leise, aber immer noch laut genug, um gehört zu werden.
Bryan sah den Chinesen überrascht an, doch dann lächelte er. „Keine Ursache“, erwiderte er und zog Ray noch ein wenig enger an sich. Seine Nähe fühlte sich gut an. „Das war doch nicht der Rede wert.“
Ray blickte auf. „Doch, das war es. Und ich finde, du hast dir eine Belohnung verdient.“
Bryans Augenbrauen hoben sich bei diesen Worten amüsiert. „Ich finde, deine Gegenwart nicht mit deinen Fans teilen zu müssen, ist Belohnung genug.“
„Ich bestehe darauf“, erwiderte Ray, und dann lehnte er sich vor und küsste Bryan auf den Mund. Es war ein sanfter, unschuldiger Kuss, und es war das Erotischste, was Bryan je erlebt hatte. Als der Kuss endete, seufzte er leise und hielt Ray noch einige lange Momente im Arm, bevor er schließlich zurücktrat. Aber Rays Hand ließ er dabei nicht los, und Ray machte auch keine Anstalten, sich von seiner Hand zu lösen.
„Komm, lass uns zum Auto gehen und verschwinden, bevor jemand auf die Idee kommt, die Stadt auf der Suche nach dir auf den Kopf zu stellen.“ Bryan schritt voran, und Ray folgte ihm. Hand in Hand gingen sie durch die Straßen zurück zu dem Parkplatz, wo Bryans Wagen stand.
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wird fortgesetzt…