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Millennium

von

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//*Rückblick*//
 

Es war ein ungewöhnlich schöner und sonniger Tag, der Himmel war klar und nicht eine Wolke war zu sehen.

Ryuichi zog die Vorhänge auf, blinzelte und öffnete schließlich das Fenster. Er lehnte sich mit seinem gesamten Oberkörper so weit hinaus, dass er sich am Fensterrahmen festhalten musste, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren und zu stürzen, und atmete die frische Luft ein.

Sein Blick wanderte über die nähere Umgebung, den kleinen Park, der dieses Viertel umsäumte. Ringsum konnte er die Sakura in ihrem zartblassen weiß-rosa blühen sehen. So stellte er sich einen richtigen Frühling vor. Gäbe es doch nur mehr solcher Tage...

Er seufzte und hangelte sich wieder in sein Schlafzimmer hinein. Als er versuchte, mit der einen Hand sein Hemd wieder einigermaßen glatt zu streichen, und mit der anderen nach dem Fenstergriff tastete, war ihm, als würde er irgendwo zwischen den Bäumen eine Bewegung wahrnehmen. Ryuichi blinzelte verwundert und sah in die Richtung, in der er den Schatten gesehen hatte, der ihm seltsam vertraut vorkam.

Für einen Moment drohte sein Herz einen oder auch zwei Schläge auszusetzen. Noch bevor er sich vergewissert hatte, wusste er bereits instinktiv, wer es war.

Er. Natürlich er. Wer auch sonst? Aber warum war er hier?

Wie erstarrt stand Ryuichi an seinem Schlafzimmerfenster und betrachtete fasziniert diese langen schlanken Beine, diese schmalen Hüften. Die langen braunen Haare, die im Frühlingswind wehten. Diese ausdrucksvollen Augen, in denen er zu versinken drohte, wenn er zu lange hinein sah. Diese schmalen, sinnlich geschwungenen Lippen. Das Herz schlug ihm bis zum Hals, seine Hände zitterten, sein Mund schien plötzlich wie ausgetrocknet.

Nur wenige Augenblicke waren vergangen, bis er sich selbst wieder halbwegs unter Kontrolle hatte. Hastig trat er einen Schritt zurück und schlug das Fenster mit einer solchen Wucht zu, dass das Glas in dem Rahmen vibrierte.

Mit weit aufgerissenen Augen stolperte er rückwärts, bis er mit dem Rücken an die Wand stieß.

Er hatte ihn gesehen.

Er wusste, dass Ryuichi ihn vom Fenster aus gesehen hatte.

Was wollte er?

Der Sänger schluckte und presste seinen Körper fest an die Wand. Jegliche Farbe war aus seinem Gesicht gewichen. Sein Herz schlug so heftig, dass er das Gefühl hatte, es müsste jeden Moment in tausend kleine Stücke zerspringen.

Wusste er etwa Bescheid?! Über alles? Warum sollte er sonst hier sein? Was würde er über seine heftige Reaktion von gerade denken?

Ryuichi schloss die Augen und konzentrierte sich darauf, ruhig und gleichmäßig zu atmen. Sobald er sich wieder im Griff hatte, wäre er auch in der Lage, ihm gegenüber zu treten.

So nach und nach normalisierte sich sein Herzschlag wieder und auch das Zittern ließ allmählich nach. Er atmete noch einmal tief durch, dann ging er langsam nach unten ins Wohnzimmer. Erstaunt stellte er fest, dass seine Terrassentür weit offen stand. Hatte er vergessen, sie zu schließen?

"Ryu?"

Erschrocken zuckte der Sänger zusammen und drehte sich um. "Sugi! Musst du dich so an mich ranschleichen?! Du hättest mich fast zu Tode erschreckt!"

Sugizo zog eine Augenbraue hoch. "Ich habe mich nicht an dich rangeschlichen."

Stumm sah Ryuichi ihn an.

"Wirklich nicht! Ich bin schon seit mindestens fünf Minuten hier."

"Wie bist du eigentlich hier rein gekommen?"

"Über deine Terrasse. Die Tür stand offen."

"Und warum bist du hier?"

"Um mit dir zu reden."

Ryuichi zog die Augenbrauen zusammen und sah ihn ungläubig an. "Und dafür musst du dich in mein Haus schleichen?!"

Sugizo seufzte und legte den Kopf schief. "Ich wollte alleine mit dir reden. Ohne die anderen."

Der Sänger erwiderte nichts darauf.

"Ich will wissen, was mit dir los ist!"

Ryuichi stutzte. Wusste er es etwa doch nicht? Einerseits machte es ihn ein bisschen traurig, aber andererseits war er auch erleichtert. "Mit mir? Nichts..."

Der Gitarrist legte die Stirn in Falten. "Sicher", meinte er sarkastisch.

"Es ist wirklich nichts." Niemals würde der Sänger den Mut aufbringen, es ihm zu sagen.

"Und das soll ich dir jetzt glauben?!"

"Ich denke schon...", murmelte Ryuichi und senkte den Blick.

"Und warum sollte ich das tun?" Plötzlich war seine Stimme kalt und klirrte wie gebrochenes Eis.

Verwundert sah Ryuichi ihn an. Diesen Tonfall kannte er gar nicht von dem Gitarristen. "Warum nicht...?", gab er zurück. Er wusste nicht, was er sonst hätte sagen sollen.

"Weil du mir nicht vertraust!"

"Natürlich vertraue ich dir!"

"Tust du nicht... Sonst würdest du mit mir reden!"

"Aber..." Ryuichi blinzelte verwirrt. "Ich..." Was sollte er nun dazu sagen?!

Sugizo sah ihn einige Zeit forschend an und wartete darauf, dass der Sänger etwas sagte. Als dieser allerdings nach etwa zehn Minuten immer noch stumm blieb, wandte er sich um und ging zum Fenster.

Unsicher folgte Ryuichi ihm mit seinem Blick, bewegte sich aber nicht von der Stelle. Der Gitarrist hatte ihm den Rücken zugewandt. Keiner von beiden sagte ein Wort.

Sein Blick glitt über Sugi's Beine nach oben, über Schultern und Arme wieder abwärts und stoppte bei dessen Händen. Sehnsüchtig betrachtete er die feingliedrigen Finger seines Kollegen. Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn, sein Herzschlag beschleunigte sich, als er versuchte, sich vorzustellen, wie es sein würde, wenn er diese Finger auf seinem Körper spürte.

"Ryu...", murmelte Sugizo schließlich, womit er Ryuichi wieder in die Realität zurückholte. "Warum redest du nicht mit mir?" Der Gitarrist drehte sich zu ihm um, lehnte sich an die Fensterbank und verschränkte die Arme vor der Brust.

Der Sänger stand noch immer wie angewurzelt da, sog jede von Sugizo's Bewegungen gierig in sich auf. Er fragte sich, wie es sich wohl anfühlte, wenn er Sugi's Körper berührte, während dieser sich bewegte. Mühsam versuchte er, seine Gedanken auf ein anderes Thema zu lenken, auch wenn das gar nicht so einfach war. Schließlich war der Gitarrist für ihn nicht nur irgendein Lustobjekt. Nein, er war viel mehr... Er war etwas ganz Besonderes.

"Ryuichi!"

Der Sänger blinzelte kurz und sah auf. Sein Atem stockte für einen kurzen Moment, als ihre Augen sich trafen.

"Warum tust du das?"

Ryuichi schluckte schwer. "Was...?"

"Bin ich es nicht wert? Bin ich deiner Meinung nach nicht gut genug? Redest du deshalb nicht mit mir?" Tränen glitzerten in Sugizo's Augen, die den Sänger schmerzerfüllt ansahen. "Weichst du mir deswegen aus?"

Wie vom Blitz getroffen taumelte Ryuichi einen Schritt rückwärts. Verzweifelt suchte er nach den richtigen Worten. Wie konnte er Sugi erklären, warum er sich bemühte, ihm nicht zu nahe zu kommen, ohne dass dieser es falsch verstand?

Sugizo legte eine Hand über seine Augen. Vermutlich wollte er nicht, dass Ryuichi ihn weinen sah.

"Sugi... ich..."

"Wie kann man nur so gefühllos und unsensibel sein?", fiel der Gitarrist ihm ins Wort.

"Aber..."

"Aber was?", unterbrach Sugizo ihn erneut.

"Ich wollte..."

"Welche Ausrede willst du vorbringen, um dein Verhalten zu erklären?! Du erzählst mir nichts von dir. Selbst wenn ich dich frage, ist es praktisch unmöglich, etwas aus dir herauszubekommen. Immer, wenn ich dich frage, was mit dir los ist, sagst du es sei nichts. Dabei merke ich doch, wenn dich etwas bedrückt. Dass dich etwas beschäftigt. Ich bin doch nicht blind! Denkst du, es ist mir egal, wie es dir geht?!"

Ryuichi war sprachlos. So aufgebracht hatte er den Gitarristen ja noch nie erlebt!

"Was muss ich denn noch tun, damit du mir endlich vertraust? Damit du endlich mit mir redest? Ist das etwa zuviel verlangt?! Du musst mich doch nicht gleich heiraten! Ich will doch nur, dass du endlich bemerkst, wie wichtig du mir bist!" Nun konnte Sugizo die Tränen nicht mehr zurückhalten.

Bestürzt ging Ryuichi auf ihn zu. Er hatte nicht gewusst, dass Sugi sich so viele Gedanken um ihn machte. Er hatte nie bemerkt, was tatsächlich in dem Gitarristen vorging. Sicher, er fragte den Sänger des öfteren, ob er in Ordnung sei... ob es ihm gut ging. Aber Ryuichi hatte sich nichts weiter dabei gedacht. Er hatte angenommen, dass der Gitarrist in erster Linie wegen ihrer Zusammenarbeit in der Band besorgt war. Aber dass er tatsächlich an ihm persönlich interessiert sein könnte, war ihm bisher nie in den Sinn gekommen. Er hatte es immer für unwahrscheinlich gehalten, dass Sugi in ihm mehr als einen Bandkollegen sah.

Sugizo hatte den Kopf gesenkt und hielt seine Hand so, dass von seinem Gesicht nichts zu sehen war, wobei seine Haare, die nun wie ein Schleier davor hingen, ihr übriges taten.

Ryuichi stand nun direkt vor ihm. Es schnürte ihm die Kehle zu, als er den Gitarristen so dort stehen sah. Er fühlte sich hilflos. Er wusste nicht, was er sagen sollte. In der Hoffnung, Sugizo beruhigen zu können, legte er ihm sanft eine Hand auf die Schulter.

"Fass mich nicht an!", flüsterte Sugi mit brüchiger Stimme.

Das zu hören... von ihm zu hören... war wie ein Stich in sein Herz. "Warum...?"

Der Gitarrist sah ihn noch immer nicht an. "Es tut weh... verstehst du das denn nicht? Ich ertrage es einfach nicht mehr!" Sugi schluchzte kurz auf. "Weißt du eigentlich, was du mir antust?!"

Ryuichi nahm seine Hand von Sugizo's Schulter und trat einen Schritt zurück. Er biss sich auf die Unterlippe, um die Tränen zu unterdrücken, die ihm in die Augen stiegen und seinen Blick verschleierten. "Nein... bisher habe ich das nicht gewusst...", murmelte er mit heiserer Stimme. "Woher auch?" Er ging einen weiteren Schritt zurück und senkte den Kopf.

Der Gitarrist griff mit der freien Hand in seine Hosentasche und holte ein Taschentuch heraus, mit dem er die Tränen wegwischte. Allerdings war dieser Versuch nicht sonderlich effektiv, denn er war nicht in der Lage, weitere Tränen zurückzuhalten.

Den Blick auf den Boden gerichtet rang Ryuichi verzweifelt darum, seine Fassung einigermaßen zu wahren und nicht in Tränen auszubrechen. Seine Gedanken rasten. Sollte er es ihm sagen? Oder lieber nicht? Konnte er es wagen, ihn in den Arm zu nehmen? Oder würde er damit noch mehr zerstören als ohnehin schon? Er konnte sich nicht so recht dazu durchringen, irgendwas zu tun... Er befürchtete, dass was immer er auch tat das Falsche sein würde.

Sugizo schien sich mittlerweile wieder einigermaßen unter Kontrolle zu haben. Er schniefte noch einmal kurz und verstaute das Taschentuch wieder in seiner Hosentasche. "Weißt du, was das Schlimmste ist...?"

Ryuichi hob den Kopf ein wenig, traute sich aber nicht, dem Gitarristen in die Augen zu schauen, aus Angst, dass ihm nicht gefallen würde, was er dort sehen würde... "Was denn?" Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.

"Das Schlimmste an dem Ganzen ist, dass ich dich nicht hassen kann..."

'Sag es nicht...', betete der Sänger stumm. 'Bitte...'

"Glaub mir... ich habe es wirklich versucht... aber ich kann es einfach nicht. Ich kann dir nicht mal wirklich ernsthaft die Schuld geben... denn zu einem gewissen Teil liegt es auch an mir..."

'Nein... bitte nicht... nein...' Wie eine Beschwörungsformel wiederholte Ryuichi diese Worte in Gedanken immer und immer wieder.

Sugizo seufzte. "Ich denke... nein, vergiss es... du würdest es sicher nicht verstehen." Mit diesen Worten stieß er sich von der Fensterbank ab und ging zur Terrassentür. "Ich wünschte nur, wir hätten wenigstens Freunde sein können..."

Einen kurzen Moment lang sah Sugi den Sänger an, in der Hoffnung, doch noch eine Reaktion zu erhalten, die darauf hindeuten könnte, dass Ryu irgendetwas bei diesem Abschied empfand, den er so nie gewollt hatte. Doch diese blieb aus.

Ryuichi war nicht fähig zu handeln. Er wollte etwas sagen, etwas tun... er war nicht einmal sicher, was... einfach nur irgendetwas, damit der Gitarrist blieb, damit er ihn jetzt nicht verließ, ihn nun nicht alleine ließ... aber er konnte es nicht. 'Tu doch etwas!', schrie er sich selbst in Gedanken an, doch es war zwecklos.

"Dann kann ich wohl nicht daran ändern...", meinte Sugizo traurig. "Ich hätte nicht herkommen sollen... ich hätte es besser wissen müssen, statt auf etwas zu hoffen, das ich von dir nicht erwarten kann und darf... Sayounara." Wieder stiegen Tränen in ihm auf. Schnell wandte er sich um und ging.

Fassungslos sah Ryuichi ihm nach.

Er konnte doch nicht einfach so gehen...

Warum blieb er nicht hier?

Aber er kannte die Antwort nur zu genau... er war selbst schuld. Hätte er doch nur ein bisschen mehr darauf geachtet... er hätte es merken müssen... warum nur war er nicht in der Lage gewesen, Sugi aufzuhalten?!

"Nein...", flüsterte er heiser. "Geh nicht!"

Der Gitarrist war mittlerweile schon zu weit entfernt, um ihn hören zu können.

"Lass mich nicht einfach hier zurück!"

Unkontrolliert liefen ihm die Tränen über die Wangen. Er war nicht fähig, sie zurückzuhalten. Er wollte es auch gar nicht. Wozu auch? Es würde ihn ohnehin niemand weinen sehen... schon mal gar nicht jemand, der von Belang wäre... Nichts war mehr wichtig. Niemand war mehr wichtig. Der einzige, für den er alles getan hätte... für den er die Welt angehalten hätte, wenn es nötig gewesen wäre... hatte sich von ihm abgewandt. Nun hatte er nichts und niemanden mehr, worauf er Wert legte.

Langsam ging er einen Schritt nach vorn. Und schließlich einen weiteren. Es war ihm nicht einmal bewusst, dass er sich vorwärts bewegte. Es war egal. Nichts zählte mehr. Denn das einzige, was wichtig war, hatte er verloren...
 

//*Rückblick Ende*//



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  RedSky
2010-04-11T14:12:49+00:00 11.04.2010 16:12
So, wie versprochen - ich mag deinen Schreibstil! *____________*
Du beschreibst so verdammt realistisch und detailiert - ich hab die Bilder messerscharf vor meinem inneren Auge! Das gefällt mir, so ein überzeugender und reifer Schreibstil liest sich einfach nur mit Freude!
Von:  Kasu
2004-10-27T13:28:09+00:00 27.10.2004 15:28
NJoooaaaa, armes Sugilein! *tröstenwill* ;___;
NJa, is das traurig und so verzweifelt! Ich will unbedingt wissen wie es weiter geht, aber da is ja noch ein Kapitel! *freu*
Und wie Nessi find ich es furchtbar das Ryu einfach nicht über seinen SChatten springen kann! *augenroll* Dabei war das seine beste Chance! -.-
hmmm...ich werd mal weiter lesen! ^^
Von: abgemeldet
2004-10-24T10:16:45+00:00 24.10.2004 12:16
Krass, warum hast du dazu noch keine Kommentare bekommen?
Du schreibst echt gut!
Wie gesagt ich mag das Pairing nicht aber das Ryu nicht
seinen Mund aufbekommen hat treibt mich fast in den Wahnsinn XD
Wie kann er nur so dumm sein und nichts sagen?
Bow ey...aber voll gut geschrieben, ich konnte mich richtig hinein versetzen ^^


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