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Mein ist die Rache

von

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Der Morgen versprach einem angenehm milden Tag zu weichen. In der Höhe trafen die ersten Sonnenstrahlen auf Hauswände, blasse Wolken schoben sich über die Schluchten der Stadt hinweg und ein einzelner Spatz nahm ein Sandbad unter einer Eiche. In der Rue Saint Denis schoben sich zwei Menschengrüppchen durch das Gewimmel aus Frauen auf dem Weg zum Markt, Handwerkern auf dem Weg zur Arbeit und Tagedieben, die versuchten, den Inhalt ihrer Taschen an die Vorbeilaufenden zu verkaufen. Charles lief einige Zeit neben seinem Jugendfreund und seiner blonden Begleitung her, blickte hin und wieder interessiert nach links und rechts, ließ sich aber recht bald unauffällig zurückfallen. Das Gespräch der beiden interessierte ihn wenig, sie unterhielten sich über den bisherigen Stand ihrer Ermittlungen. Dazu konnte er nichts beitragen, also beschloss er, sich um andere, augenscheinlich dringliche Dinge zu kümmern. Er schlenderte betont langsam, bis Porthos und D´Artagnan endlich auf seiner Höhe erschienen. Als kannte er sie schon seit Jahren legte er seine Arme um ihre Schultern und grinste sie breit an. „Monsieur Porthos, Monsieur D´Artagnan, ich möchte euch sagen, ich freue mich, dass ich euch endlich kennen lernen durfte.“ Porthos, nichts ahnend und unschuldig, grinste zurück. „Die Freude ist ganz auf meiner Seite. Ich hätte nicht erwartet, dass Athos so nette Kerle kennt. Von uns einmal abgesehen.“ Es bestand kein Zweifel daran, Porthos mochte den Venezianer. Was nicht verwunderlich war. Abgesehen von der Gelehrigkeit des einen waren sie sich erstaunlich ähnlich. D´Artagnan hingegen war irritiert angesichts des vertrauten Umgangs, den Charles an den Tag legte. Ganz zu schweigen von dem hinterhältigen Funkeln in seinen Augen. „Ihr kennt meinen Freund Armand doch schon eine gute Zeit, nicht wahr?“ Seine neuen Bekanntschaften nickten. „Und Mademoiselle Aramis kennt ihr auch schon eine Weile?“ Wieder nickten Porthos und D´Artagnan im Gleichtakt, der eine strahlend, der andere misstrauisch. „Dann sagt mir doch einmal, was ihr davon haltet!“ Seine Hand fuchtelte wild in Richtung der beiden Musketiere, die in einem immer größer werdenden Abstand vor ihnen herliefen. „Wovon?“ Porthos folgte jeder einzelnen hektischen Bewegung der derben Hand mit den Augen. "Na, von denen!" „Ach, die beiden Täubchen!“ Porthos zuckte mit den Schultern, „was soll man davon schon halten?“ D´Artagnan seinerseits hob entschuldigend die Hände, sagte jedoch kein Wort. „Aber ihr seht es doch auch, oder? Ich meine, die beiden, also…“ Charles versuchte, sie durch die Bewegung seiner Hände näher an einander zu rücken. „Natürlich sehen wir es. Man müsste blind und dämlich sein, um es nicht zu sehen. Sogar die Leute auf der Straße sehen es. Seht euch nur dieses arme Ding dort an. So hübsch und üppig, eine Augenweide, und er würdigt sie keines Blickes. Geht an ihr vorbei, als wäre sie gar nicht da. Seht euch das Unverständnis in ihrem Gesicht an. Und den aufkeimenden Neid. Armes Ding!“ Als sie selbst auf einer Höhe mit der übergangenen Magd waren, winkte Porthos ihr zu und rief „Keine Sorge mein Kind, du bist ganz bezaubernd.“ Sie wusste nicht recht, was der Hüne meinte, errötete aber leicht und schlug gespielt schüchtern die Augen nieder. Und, als hätte es diesen Zwischenfall nich gegeben, sagte er zu Charles: „Aber man darf in der Angelegenheit ja keine Andeutungen machen, sonst gnade einem Gott!“ Porthos drehte die Augen dramatisch zum Himmel. „Absolut. Athos reagiert da allerdings deutlich unangenehmer. Aramis wird manchmal nur rot. Das ist schon fast unterhaltsam, wenn sie einen danach nicht ansehen würde, als wolle sie einen direkt in die Hölle befördern.“ Charles nickte verstehend. „Und niemand hat bisher versucht, an diesem, na, ich nenne es einmal Zustand, etwas zu ändern?“

„Auf keinen Fall, so sehr ich sie auch mag. Das sollen die Zwei mal schön unter sich ausmachen. Sie sind schließlich erwachsene Menschen. Und wenn keiner von beiden den Mund auf bekommt, dann ist es doch nicht an uns, sie bei der Hand zu nehmen und zu sagen Hier, dies ist dein Partner fürs Leben oder auch nur für eine Nacht, wie es euch auch immer gefällt. Das fällt am Ende nur auf uns zurück, nein, nein, nein! Ich halte mich da raus.“

„Monsieur Porthos, ich muss mich wundern!“

"Worüber"

"Ich hielt euch für einen besseren Freund!" Er sah ihm an, das dieser Vorwurf Porthos tief getroffen hatte. "Wie könnt ihr wollen, dass dieses Trauerspiel sich ewig fortsetzt?"

"Will ich ja gar nicht." Der Koloss klang wie ein Kind, dass zähneknirschend seine Schuld eingestand. "Ich sage nur, dass es am Ende uns schadet, wenn etwas schief geht."

"Porthos hat recht. Wir funktionieren hervoragend als Einheit. Eine Änderung in unserem Verhältnis zueinander hat noch nie zu etwas Gutem geführt."

Charles schüttelte den Kopf. "Tut mir leid, dass sehe ich anders. Von einer Einheit kann man wohl kaum reden. Oder wie erklärt ihr euch, dass ihr hier und eure Kameraden dort vorne sind, offensichtlich ohne einen Gedanken an euch zu verschwenden? Monsieur und Madmoiselle sind so sehr damit beschäftigt, einander so nahe wie möglich zu sein ohne sich zu nahe zu kommen, dass für euch zwei kein Platz ist. Was wollt ihr also tun? Warten, dass einer von ihnen das Interesse verliert? Also bitte!"

"Aber ist es nicht genauso schädlich, wenn wir ihnen helfen? Wenn erst einmal alle Dämme gebrochen sind? Was passiert denn, wenn die beiden letztendlich...naja, ihr wisst schon."

"Was soll schon passieren? Sie werden heiraten und viele Kinder bekommen vermutlich. Was man eben macht, wenn man als Mann und Frau zusammenkommt. Und der Mann die Frau nicht bezahlt." Charles hielt diese Frage für vollkommen überflüssig.

"Aber damit wäre uns nicht geholfen. Es wird dann immer noch nicht so sein wie früher." Porthos sprach immer noch im Tonfall des ertappten Kindes.

"Herrje! Darum geht es doch gar nicht. Etwas weniger Egoismus, meine Herren." Charles riss entgeistert die Arme empor und wurde plötzlich so laut, dass nicht nur die Umstehenden ihn entgeistert ansahen, sondern auch Athos und Aramis sich kurz nach ihnen umdrehten. Sofort senkte sich seine Stimme wieder. "Glaubt ihr wirklich, ihr könntet die Entwicklung rückgängig machen? Könnt ihr nicht. Ihr könnt lediglich den nächsten Schritt verzögern und dabei zusehen, wie die beiden weiterhin um einander herumtänzeln, oder ihr könnt die Balz beschleunigen. Letzteres erscheint mir weniger grausam. Also?"

Während Charles und die zwei Musketiere noch immer die Köpfe zusammensteckten und dabei immer langsamer zu werden schienen, erreichten Athos und Aramis den Punkt, an dem die Rue St. Denis auf die Rue aux Ours traf. Dort stellten sie sich an eine Häuserecke und warteten betont geduldig darauf, dass der Rest ihrer kleinen Gruppe aufholen würde.

"Ich weiß nicht, ob es besonders klug von dir war, ihn mitzunehmen." Aramis hob eine Augenbraue. Sie hatte ihren Blick auf die Straße gerichtet, er sah es trotz allem. "Ich bereue sogar, ihm die Tür geöffnet zu haben." Er schnaubte belustigt. "Seinetwegen verliert ihr noch jeden Respekt vor mir." Er mochte Charles, daran gab es nichts zu rütteln. Und er hatte den Abend genossen, an dem sie zusammengesessen hatten, beide um Jahre älter als bei ihrem letzten Gespräch, und Charles ihm in schillernden Farben und ausufernden Gesten von seinem Leben erzählt hatte, während er geschwiegen und hin und wieder gelacht hatte. Er hatte ihn beneidet, wie er zärtlich von seiner Frau und seinen Kinder gesprochen hatte. Er musste lachen bei dem Anblick, wie Charles vor Anspannung verkrampft auf seinem Stuhl gesessen hatte, als er die abenteuerlichen Geschichten des Musketiers Athos hörte und sich mehrfach versichern ließ, dass sich all das wahrlich so zugetragen hatte, selbst wennn er einige der Geschichten schon aus Briefen kannte. Es beruhigte ihn, dass Charles sich kein bischen verändert hatte. Selbst, als das Thema zum wiederholten Male auf Frauen kam, nahm er es ihm nicht übel, denn sie waren schon immer Charles liebstes Thema. Doch im Unterschied zu ihm redete Athos nicht sonderlich gerne über Frauen. Besonders nicht über solche, die ihn aus dem emotionalen Gleichgewicht brachten. Er sah sich also mehrfach dazu gezwungen, jegliches amouröses Interesse an gewissen Frauenzimmern zu leugnen. Und er wußte nur zu gut, worüber der Venezianer mit seinen Freunden tuschelte - ein kurzes Beobachten seiner Gesten hatte genügt - ließ sich davon aber nicht beunruhigen. Er konnte in D´Artagnans nervösen Blicken lesen, dass er es nicht wagte, sich auf Charles Seite zu schlagen. Und Porthos? Er hatte das Kinn störrisch vorgeschoben - was auch immer Charles vorgeschlagen hatte, er stieß auf Unwillen. Und Athos war sich sicher, dass es dabei bleiben würde. Er konnte gelegentliche Spötteleien dulden, was er aber nicht übergehen würde wären Einmischungen in sein Verhältnis zu Aramis, seien sie auch noch so gut gemeint. Das war für jeden offensichtlich, nur hatte Charles es noch nicht akzeptiert.

Als die drei endlich zum Kopf der Gruppe aufgeschlossen hatten waren sie bemüht, sich nichts anmerken zu lassen. D´Artagnan lächelte verlegen in Aramis´ Richtung und kratzte sich am Hinterkopf, wie er es immer tat, wenn er eine Dummheit begangen zu haben glaubte. "Wir müssen in die Rue aus Coiffieres." sagte Porthos schnell, um keine unangenehmen Fragen aufkommen zu lassen.
 

Vor dem Eingang zur Badestube Monsieur Baudins hatte sich eine Menschentraube gebildet, die ein Passieren der Straße unmöglich machte. Männer und Frauen schoben einander hin und her, Kinder krochen zwischen ihren Beinen herum und Menschen, die auf dem Weg zum Place de Grève waren oder aus dessen Richtung kamen, blieben neugierig stehen und wurden Teil des pulsierenden Haufens. Einige von ihnen wurden gegen Häuserwände gedrückt und drohten zu ersticken, doch im nächsten Moment wogte die Einheit in die entgegengesetze Richtung und ließ ihnen einen Moment Zeit, tief einzuatmen. Moinsieur Baudin selber, ein hagerer Mann, der die Blüte seiner Jahre bereits hinter sich gelassen hatte, betrachtete das Schauspiel hinter einem milchigen Fenster, dass er unter Anstrengungen geschlossen hatte, als sich das Gerücht von dem sterbenden Mädchen in seinem Haus in der Nachbarschaft verbreitete und die ersten neugierigen Köpfe in seine Stube gesteckt wurden. Bisher hatte sich kein einziger zahlender Kunde zu ihm gewagt, und wenn nicht bald jemand die Leiche mitnahm oder wenigstens das schaulustige Gesindel verjagte, würde er heute auch keinen einzigen mehr zu Gesicht bekommen. Er hatte die Stadtwache schon vor Stunden informiert, seither hatte sich niemand bei ihm gemeldet. Der Polizeikommisar hatte, als die Ansammlung vor seiner Tür noch weniger Personen zählte, kurz spöttisch hereingespäht und mit einem hämischen Lachen verkündet, dass das nicht seine Aufgabe wäre, dann war er weitergewatschelt in Richtung Rathaus. Dem würde Monsieur Baudin keinen einzigen Zahn mehr ziehen. Und wenn es sich doch nicht vermeiden ließe, würde er das Prozedere besonders schmerzhaft gestalten. In gehässige Gedanken versunken hörte der Bader nicht, wie sich lautstarker Protest vor seinem Haus erhob. Erst als es mehrfach laut und bestimmt klopfte schreckte er auf. Er riss die Tür auf und sah vor sich die lang erwartete Hilfe in Form von vier Musketieren. "Ihr seid spät!", platzte es unwirsch aus ihm heraus. Trotzdem winkte er sie eifrig in das Innere seiner Badestube. Dort war es kalt, denn Monsieur Baudin hatte sich nicht getraut, ein Feuer zu entzünden, aus Angst, die Leiche auf seinem Fußboden könnte sofort zu faulen beginnen. Der Bader kannte sich mit den Lebenden ganz passabel aus, doch über die Prozesse nach ihrem Ableben wußte er nichts. Er hatte Angst für giftigen Ausdünstungen, die von der Toten ausgehen könnten, sobald sie zu warm würde. Lieber hatte er über Stunden in seinem eigenen Haus gefroren. Die Fenster waren bis auf das eine, durch das er auf die Straße gestarrt hatte, verdunkelt. Nur einige Kerzen brannten. Aufgereiht hinter der Tür standen mehrere Holzwannen, die um diese Tageszeit für gewöhnlich mit dampfendem Wasser gefüllt waren, heute aber leer zu bleiben schienen. Daneben standen zwei Bänke und ein Hocker sowie ein Tisch, auf dem sich allerlei Schröpfgläser befanden. Monsieur Baudin hatte offensichtlich bereits am Abend alles für den neuen Tag vorbereitet.

"Sie liegt da hinten." Sein knochiger Finger deutete auf eine Ecke im hinteren Teil des Raums, in die kaum Licht fiel.

"Wir könnten etwas mehr Licht gebrauchen." sagte Aramis, eher zu sich selbst als zu dem Bader. Dieser nickte jedoch, griff nach einer Laterne und bestückte sie mit einer dicken Kerze. Dann ging er voraus. "Ich werde gleich noch die Fenster öffnen, wenn es euch nichts ausmacht. Ich wollte lediglich vermeiden, dass die Leute mir durch die Fenster kriechen." Die bessere Sicht ließ Aramis vereinzelte dunkle Flecken auf dem Boden erkennen. Sie führten zu einer der Bänke, endeten aber kurz vorher in einem großen verwischten Fleck. "Monsieur Baudin, wie oft säubert ihr eure Stube?"

"Erst gestern! Ich hatte am Abend noch einen eitrigen Patienten behandelt und der Geruch war hundserbärmlich. Ich nehme an, ihr spielt auf das Blut an. Das gehört zu ihr." Der Bader stellte die Laterne vor sich auf den Boden. Sie leuchtete in das blutige Gesicht einer jungen Frau. "Ich öffne die Fenster."

"Porthos, besorge jemanden, der sie zu Bruder Claudius bringt. Und nimm bitte Charles mit, ich möchte nicht, dass er die ganze Zeit dort draussen vor der Tür steht." Porthos nickte und verschwand. Er wollte sich ohnehin noch einmal mit dem Venezianer unterhalten und dies war die perfekte Gelegenheit.

Athos ging vor dem leblosen Körper in die Knie und seine verbliebenen Kollegen taten es ihm gleich. Monsieur Baudin hatte sie auf einem hellen Tuch aufgebahrt, mit dem er bis dahin vermutlich die rauhen Wannen ausgelegt hatte. Deutlich zu erkennen war darauf ein großer getrockneter Blutfleck unter ihrem Kopf. Verklebte Haare lagen darauf. Offensichtlich war, dass ihr das Blut aus Ohren und Nase gelaufen war. "Ich glaube, jemand hat ihr den Schädel gebrochen.", flüsterte der Bader, als er an ihnen vorbei in den angrenzden Raum ging, um auch dort die Fenster zu öffnen. "Das glaube ich auch." Athos nickte. Prüfend tastete er ihre Nase ab, die ebenfalls gebrochen zu sein schien. "Aber wie ist sie zu euch gekommen?" Ihr Kleid war fleckig von Blut und an mehreren Stellen aufgerissen. Sie trug keine Schuhe mehr und musste sie auch schon vor einigen Stunden verloren haben, denn ihre Füße waren schmutzig und ihre Sohlen blutig. Sie war barfuß geflohen.

"Ich weiß es nicht. Es war mitten in der Nacht, ich hatte schon geschlafen, als es plötzlich wie wild an meiner Tür hämmert. Ich schlafe in einem Zimmer direkt über diesem Raum, mein Bett steht an der Aussenwand. So habe ich nicht nur das Klopfen gehört, sondern auch ihr entsetzliches Wimmern und Schluchzen. Ich bin natürlich sofort zu Tür geeilt, um sie herein zu lassen. Sie ist mir direkt in die Arme gestolpert, hat sich dann aber von mir losgerissen und ist auf den Tisch zu. Sie hat es nicht bis dahin geschafft, wie ihr den Flecken entnehmen könnt. Weiß Gott, wie sie es bis hierher geschafft hat in ihrem Zustand. Natürlich wollte ich ihr helfen, deswegen habe ich versucht, sie anzusprechen, aber sie hat mich kaum wahrgenommen. Ich habe sie dann hierher gelegt, um sie zu versorgen, aber das Blut lief immer weiter und wenn jemand aus den Ohren blutet ist das kein gutes Zeichen. Ich habe dann nur noch versucht, sie zu beruhigen. Ich wollte nach einem Priester schicken, aber sie hat sich an meinem Hemd festgekrallt, um Hilfe gefleht und verwirrtes Zeug geflüstert."

"Was genau?"

"Das meiste habe ich nicht verstanden, aber sie sagte etwas wie 'Marcel' oder 'Martel' und 'fremd'. Ich wollte sie noch fragen, wer ihr das angetan hat, aber da hat sie schon kaum noch geatmet. Armes Mädchen."

"Ihr kennt sie nicht?" Athos ertastete am Hinterkopf eine Schwellung an beinahe der gleichen Stelle, an der sie auch schon bei den vorhergehenden Leichen Schlagspuren gefunden hatten. Im Gegensatz zu den anderen hatte der Schlag bei ihr jedoch nicht zum sofortigen Tod geführt, weswegen der Täter wohl erneut zuschlug, diesmal jedoch mit der Faust, und ihr so die Nase brach.

"Bedaure. Vielleicht habe ich sie schon einmal hier gesehen, aber ich kann mich nicht an sie erinnern."

"Warum wollte sie dann ausgerechnet zu euch? Euer Haus befindet sich nicht an einem der Straßenenden und ihr seid wahrlich nicht der einzige Wundarzt in der Straße."

"Aber der Beste, wenn ihr erlaubt!" Er richtete sich zu voller Größe auf, fiel dann aber sofort wieder in sich zusammen. "Jedoch, bei einem Fall wie diesem kann selbst ich nichts mehr tun." In seinem Blick lag echtes Mitgefühl. Die junge Frau hatte in seinen Händen ihr Leben ausgehaucht und es hatte sich für ihn wie eine Ewigkeit angefühlt, bis sie ihren Kampf endgültig verloren hatte und ihre Augen brachen. Die weit aufgerissenen blauen Augen, die ihn aus all dem Rot in ihrem Gesicht beängstigend grell angestarrt hatten. In den ihm verbleibenden Lebensjahren war es dieses Bild, dass ihn nachts in seinen Träumen verfolgen würde. In diesem Moment ahnte er es bereits und ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken. "Könntet ihr sie vielleicht..."

"Sie wird gleich abgeholt werden, keine Sorge." Die Musketiere richteten sich wieder auf. "Wir werden in der Zwischenzeit dafür sorgen, dass die Meute vor eurem Haus sich auflöst."
 

Zwei Laienbrüder mit einem flachen Karren kamen schließlich, um die Frauenleiche abzuholen. Porthos und Charles fehlten. "Der Musketier Porthos lässt euch ausrichten, sie würden euch im Hauptquartier erwarten."
 

Tatsächlich saßen Charles und Porthos in einem Aufenthaltsraum im Erdgeschoss des Hauptquartiers und steckten erneut die Köpfe zusammen. Charles hatte dabei so lange auf Porthos eingeredet, bis dieser es für das einzig richtige hielt, seinen beiden "Täubchen" unter die Arme zu greifen. Jetzt galt es nur noch, auch D´Artagnan von der absoluten Notwendigkeit ihres Handelns zu überzeugen. Doch bis dieser eintraf, ergingen sie sich in Details, wie es anzustellen wäre, dass Athos und Aramis endlich ihre Gefühle für einander gestanden. Vielleicht, so überlegte Charles, könnte man sie in einem Zimmer einschließen. Nein, das würde nicht funktionieren, stellte Porthos fest, derartiges war ihnen schon oft genug passiert. Ohne Folgen. Und wenn man sie betrunken machen würde? Im Rausch machten Menschen bekanntlich die unglaublichsten Dinge. Nein, wieder winkte Porthos ab, zum einen war es äusserst schwer, Athos betrunken zu machen und zum anderen wurde Aramis vor allem müde, wenn sie zu viel getrunken hatte. Und selbst wenn sie einmal betrunken waren, hatte Athos bisher stets den Anstand besessen, sie nach Hause zu bringen und anschließend in seine eigene Wohnung zu laufen. "Verdammt, das gibt es doch gar nicht. Ich sage, wir entführen beide und binden sie an einander fest. Gesicht an Gesicht." Charles drückte seine Handflächen gegeneinander und spitzte die Lippen zum Kuss. "Wenn sie einander nicht mehr entkommen können, wird sich das schon von selbst klären." Porthos brach in schallendes Gelächter aus. Die Vorstellung war grotesk. Nein, sie würden subtiler vorgehen müssen, soviel war klar. Und dafür brauchten sie D´Artagnan. Zwar war Charles durchaus ein Mann der kleinen Liebesbekundungen, doch kannten die beiden Musketiere ihre Freunde besser als er. Daher kamen sie überein, sich am Abend zu dritt in einem Wirtshaus in Porthos´ unmittelbarer Nachbarschaft zu treffen. Gerade besiegelten sie ihren Beschluss mit einem Handschlag, als die Tür geöffnet wurde. Instinktiv drückte Porthos den Arm seines Komplizen auf den Tisch. "Gewonnen! Ich sagte ja, im Armdrücken bin ich ungeschlagen!" Er zwinkerte unauffällig.

"Ich war abgelenkt!", protestierte Charles lautstark. "Ich fordere eine Revanche!"

"Ein anderes Mal vielleicht." Porthos wendete sich an seine gerade eingetroffenen Freunde: "Setzt euch. Habt ihr etwas neues herausfinden können?"

"Nicht viel. Der Bader kannte sie nicht und mit den paar Wortfetzen, die er aufschnappen konnte bevor sie starb, kommen wir wohl nicht sehr weit." Athos schob sich resigniert den Hut in den Nacken. "Marcel oder Martel. Fremd. Ich werde daraus nicht schlau."

"Ich kenne nur einen Martel in Paris, aber der ist alles andere als fremd.", fügte Aramis hinzu. Ihre Kollegen nickten. Louis Martel war Goldschmied und hatte Werkstatt und Geschäft auf dem Pont Notre-Dame. Seine Schmuckstücke waren beliebt in den höheren Kreisen, die sich den Juwelier des Königs nicht leisten konnten. Er verstand es wie kaum ein zweiter in der Stadt, ausgefallene Schmuckstücke mit Perlen und Emaille herzustellen, und war auch sonst für seine filigrane Arbeit geschätzt. Er hatte die Werkstatt vor mehreren Jahrzehnten von seinem Vater übernommen, als fremd konnte er also wahrlich nicht bezeichnet werden. "Vielleicht war nicht der Täter fremd, vielleicht ist sie es?"

"Das würde immerhin erklären, warum sie nachts allein unterwegs war. Wäre ich eine Frau, würde mir das im Leben nicht einfallen. Nachts alleine durch Paris laufen. Viel zu gefährlich!" Porthos kreiste mit dem Zeigefinger vor seiner Stirn.

"Jetzt hör sich einer das an.", seufzte Aramis.

"Bei dir ist das was anderes. Du bist du. Das weißt du doch."

"Das beruhigt mich ungemein."

"Sie kann nicht fremd sein.", lenkte Athos ein. Es war ihm anzusehen, dass sich in seinem Kopf ein Bild ergab. "Wo auch immer sie herkam, sie hat sich zielgerichtet das Haus von Monsieur Baudin ausgesucht, um Hilfe zu erhalten. Sie wußte, wo sie in der Stadt einen guten Wundarzt findet, und das sogar in ihrem Zustand. Nein, ich denke sie meinte ganz klar Monsieur Martel. Und seine Werkstatt ist nicht sehr weit von der Badestube entfernt."

"Dann gehen wir also? Sehr schön, wir sollten unterwegs etwas essen. Ich habe Hunger."



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  fastcaranbethrem
2013-05-29T18:48:10+00:00 29.05.2013 20:48
Schönes Kapitel mit spritzigen Dialogen. Das Kapitel hat sich richtig klasse gelesen ...
Von:  Kira_Lira
2013-05-15T03:57:43+00:00 15.05.2013 05:57
Hello! like this? ^ ______ ^, Already missed him, Charles has realized the secret of Athos, or rather the secret of the group, but only he would dare to move game pieces, the friend of Athos has good intentions and wants that his childhood friend is happy with the woman he loves?, Charles is trying to involve Porthos and Dartagnan in their plan, but they know that a single mistake and unbeatable team could be destroyed, their relationship to the four could jeopardized, therefore Athos and Aramis no progress in their relationship, they fear, besides that there is a new victim, I hope your update, thanks for sharing ^ _____ ^.

Von:  fahnm
2013-05-12T21:17:46+00:00 12.05.2013 23:17
Spitzen Kapi^^


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