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Freunde bleiben

von

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Die Arbeit läuft seit einiger Zeit nicht unbedingt stressfrei. Ab nächster Woche beginnt eine umfangreiche Audit-Prüfung bei uns. Sie wird ungefähr zwei Wochen dauern. Anschließend, nach ungefähr vier Wochen, gibt's einen Abschlussbericht, der uns verrät, was bei uns alles falsch läuft. Dann haben wir zwei Wochen Zeit, um Einspruch einzulegen, oder, wie ich es betiteln würde: UM VERGEBUNG ZU BETTELN. Hoffentlich müssen wir nicht kollektiv unsere Erstgeborenen abgeben, denn unsere Dokumentation sieht echt mau aus, wenn ich ganz ehrlich bin. Dann wird das alles ans Finanzministerium geschickt. Sie erstellen ein umfassendes Urteil, das wir hinnehmen müssen. Ich erwarte schon, dass wir eine Strafe zahlen werden, denn wie gesagt, echt mau. Naja. Deswegen steht hier alles auf dem Kopf. Eigentlich wollte ich nicht so doll involviert sein, aber wie Herr Zufall es wollte, wurde ich mal wieder zum Verantwortlichen gemacht. Warum? Weil Omoi in diesem kritischen Zeitraum bequemerweise nicht da ist. Ich bin schon wieder irgendwie zu seinem Arbeitspferd geworden. Eeeee-ha! Es kotzt mich so dermaßen an, ey! Es ist schon ein paar Mal vorgekommen: Hier brennt alles und Omoi macht einen Strandurlaub. Schön Geld kassieren, alle Lorbeeren ernten, aber null Verantwortung tragen. Tja, ihm geht's richtig gut. Und ich habe es falsch gemacht.
 

Außer, dass in diesem Laden die Rechte und die Pflichten so unfair aufgeteilt sind, sind meine Kollegen gefühlt alle dumm und es wird jeden Tag nur schlimmer. Ja, es klingt arrogant, wenn ich so über sie denke, aber wenn man offensichtlich keine grundlegenden Leseverständnis-Skills mitbringt, sollte man das Label von »Dumm« doch ertragen können, oder nicht? Dieses ständige „Uzumaki-saaaaan, dieses Reglement besagt das eine, wir haben in unseren Unterlagen aber was anderes. Ist das richtig soooo?” kostet mir richtig viele Nervenzellen pro Tag. Jeden Tag. Dabei muss man nur zwei Minuten nachdenken und dann ist die Antwort offensichtlich. Ich muss mich also neben den richtig kritischen Problemen um diese Banalitäten kümmern. Dabei bin ich erst seit zwei Jahren hier und ich verstehe so oder so nicht, warum diese super wichtige Prüfung ausgerechnet mir aufgedrückt wurde. Trotzdem mache ich es, denn im Kern will ich schon, dass es diesem dämlichen Laden gut geht. Es ist nur traurig, dass ich mit dieser Bestrebung alleine bin. Zumindest fühlt es sich so an. Jede Abteilung kocht ihr eigenes Süppchen und innerhalb der Abteilungen kämpft jeder für sich. Anstatt Probleme zu lösen, versucht man sie wegzudiskutieren. Deswegen ist unsere Dokumentation einerseits viel zu kompliziert und andererseits viel zu ungepflegt. Jeder behauptet, sich zu kümmern, indem er eine andere Abteilung auf ihre Pflichten hinweist. Pure Selbstbeschäftigung, die nur darauf abzielt, sich selbst geil zu finden. Und dann landet es meistens bei mir, während Omoi fröhlich im Meer tauchen geht.
 

Ich liebe meinen Job über alles.
 

Heute ist auch so ein Tag. Ich habe nichts davon geschafft, was meine eigentlichen Aufgaben wären. Stattdessen ging's schon wieder um einen internen Kleinkrieg, den ich fast mit verbaler Gewalt beenden musste. Verständlicherweise war jede Partei aufgewühlt und noch weniger kompromissbereit als zuvor. Trotzdem macht jeder seinen Job und das ist ein echter Sieg. Danach war ich natürlich ebenfalls sehr emotional aufgeladen und meine Gedanken kreisen immer noch um diesen Konflikt. Ich bin halt echt schlimm ausgerastet. Absolut unverhältnismäßig und unangebracht. Jetzt beißt mich mein Gewissen sehr schmerzhaft, ich bin absolut unproduktiv und ausgelaugt, aber ich muss weitermachen. Ich muss wenigstens einen Fall dokumentieren. Die Aktenberge lachen mich diabolisch an. Ja-ja, halt die Klappe. Mit dir werd' ich definitiv bald fertig. Bastard.
 

***
 

Tatsache läuft die Arbeit gerade ziemlich gut. In der vergangenen Stunde habe ich mich um diesen einen Fall gekümmert. Super schnell. Jetzt bekomm' ich so 'ne Art Läufer-High und will gar nicht mehr aufhören. Zweite Akte runter vom Berg. Yeah! Im Hintergrund spielt Musik, ich habe mir Pizza ins Büro bestellt und es ist sehr gemütlich geworden. Erinnert mich sehr an die alten Zeiten.
 

Mit Sasuke hatte ich oft solche Abende. Damals hatte er Berge von irgendwelchen mysteriösen Akten, eine nachdenkliche Miene und die Fähigkeit, immer weiter zu machen. Auch wenn er krank war, auch wenn er gestresst oder gar wütend war, auch wenn er für die Arbeit eine Familienfeier verlassen musste. Er musste halt non-stop liefern. Genauso wie ich jetzt, nur deutlich-deutlich länger. Mich kotzt das alles bereits nach zwei Jahren an, aber er hat es so mindestens fünfzehn Jahre lang gemacht. Ich habe damals unterschätzt, wie viel Wert eine fähige Aushilfe in diesen Umständen tatsächlich sein kann. Es wäre so ein Segen jetzt, wenn ich so jemanden hätte. Zudem haben wir uns ja privat auch sehr gut verstanden, was bei Sasuke wirklich eine absolute Seltenheit ist. Er kann grundsätzlich seine Kollegen nicht leiden. Damals hielt ich ihn für sehr überheblich. Jetzt kann ich es ein Stück weit nachvollziehen, warum er ständig genervt war und alle als »Dumm« abgestempelt hat. Ich werde irgendwie genauso.
 

Scheiße. Bitte nicht. Gott bewahre.
 

Der nächste Fall ist bearbeitet. Zack! Weg! Next! Die nächste Akte knallt laut auf meinen Tisch. Ich gucke mir die Unterlagen durch. Hier muss ich nur eine Klarstellung abgeben. Easy! Dann ran, Uzuamki! Ich erstelle motiviert ein neues Dokument und fange an, energisch zu tippen. Buchstaben besiedeln fröhlich das Blatt auf meinem Bildschirm. Buchstaben formen Worte. Worte werden zu Sätzen. Ich kralle gierig meinen Blick in den Bildschirm und beobachte manisch das Ganze. Es schreibt sich praktisch von allein. Wunderschön! Speichern. Zack. Drucken. Zack. Mehr! Ich werde auch mit der nächsten Akte fertig. Gut. Noch mehr! Und dann mit der nächsten. Super. Mach weiter! Und der nächsten. Immer weiter! Und der nächsten. Und noch mehr! Oh…
 

Es ist schon so spät geworden. Shit. Egal. Noch eins schaffst du, Uzumaki. Los! Los-los-los!!!
 

Nach anderthalb Stunden plagen mich andere Gewissensbisse: Ich sollte jetzt wirklich Schluss machen. Widerwillig fahre ich meinen PC herunter. Musik geht dabei abrupt aus – ich bekomme Tinnitus vor dieser schreienden Stille. Viel zu ruhig hier. Meine Finger prinkeln. Ich fühle immer noch den leichten Gegendruck der Tasten unter den Fingerspitzen. Meine Hände zittern so, als wäre ich im Anfangsstadium von Parkinson. Schon wieder viel zu viel Kaffee getrunken. Das mit der Reduktion klappt überhaupt nicht, was? Ich spüre, wie mein Herz kräftig das Blut durch die Adern pumpt. Es ist sehr warm und ich schwitze. Ich schaue mich rastlos um. Mein Büro wirkt plötzlich viel heller und deutlich farbenintensiver, als ich es in Erinnerung habe. Mein Gehirn springt von einem Gedanken zum nächsten. Abschluss. Bericht. Prüfung. Aktenberge.
 

Naruto, beruhige dich, okay? Mach endlich einen Feierabend.
 

Ich versuche tief ein- und auszuatmen. Okay, ich sollte noch ein bisschen Ordnung auf meinem Schreibtisch wiederherstellen. Gute Ablenkung. Ich stapele die Akten auf den Tisch, tue die Stifte in die Stiftebox und richte meine persönlichen Sachen. Oh man, mein Tisch ist so eingestaubt und in irgendwelchen Flecken. Kaffee oder so? Oh nein, dieser Staubklumpen verwandelt sich gleich in einen Hasen! Oh, Uzumaki, du bist so eklig! Mach das schnell weg! Oh man, ich würde mich so darüber freuen, wenn jemand sowas für mich erledigen könnte.
 

So wie ich es früher für Sasuke gemacht habe.
 

Also, jetzt nicht komplett genauso, ich brauche dabei nicht, meine Frau zu betrügen, aber man versteht hoffentlich, was ich meine. Es wäre halt echt nett, wenn ich einen echten Mitstreiter hätte. Ich habe tatsächlich massiv unterschätzt, was Sasuke mit »mein bester Assistent« meinte. Früher hat es mich verletzt, dass er scheinbar nur das Geschäftliche schätzte. Heute verstehe ich, dass er alles für die Arbeit aufgegeben hat, also war das quasi das größte Dankeschön, was er bieten konnte. Zwischenmenschlich ist Sasuke halt ziemlich erbärmlich. Und innerlich ist er auch schon länger tot.
 

Und hier bin ich, auf demselben Weg der Selbstzerstörung! Yeah! Ich weiß nicht, warum alle Wege in die scheinbar gleiche Sackgasse führen.
 

Mittlerweile habe ich mein Büro verlassen und warte auf den Zug auf dem leeren U-Bahnsteig. Plötzlich vibriert mein Handy. Uchiha, Sasuke.
 

Oh, wenn man an den Teufel denkt… Sieh einer an!
 

„Hi!“

„Anscheinend ist meine letzte Nachricht untergegangen. Hättest du Lust, was zu unternehmen?"

„Ich würd mich echt-echt-echt darüber freuen“

„Liebe Grüße“
 

Anscheinend ist meine letzte Nachricht untergegangen
 

Wie selbstgefällig ist bitte schön das denn?! Nein, sie ist nicht untergegangen, ich habe dich absichtlich ignoriert, weil ich mit dir nichts zu tun haben will!
 

Soll ich ihm so zurückschreiben? Ach ne. Kein Bock. Er soll sich ins Knie ficken.
 

Ich würd mich echt-echt-echt darüber freuen
 

Irgendwie hat diese Nachricht einen verzweifelten Nachgeschmack. Irgendwie glaube ich ihm sogar, dass er sich freuen würde…
 

Und was würde ich empfinden?
 

Ich seufze. Keine Ahnung. Schwierig. Er hat mir das Herz zerbrochen und ich hab's ihm bis heute nicht vergeben. Meine Welt ging damals buchstäblich unter.
 

Ohne Sasuke kann ich nicht leben, dachte ich.
 

Natürlich hab' ich damals massiv übertrieben. Hier bin ich doch, sogar relativ lebend. Es geht mir großteils wieder gut, ich will nur absolut nichts mit ihm zu tun haben. Seine Nachrichten machen mich wütend. Ich will nie wieder sein Gesicht sehen. Auch wenn es sehr hübsch ist, will ich darin nur noch mit einem Stuhl einschlagen. Es macht mich richtig aggressiv.
 

Lüge.
 

Es ist keine Lüge.
 

Doch. Lügner. Du vermisst ihn.
 

Absolut nein! Niemals! Ich hab' mit ihm vollständig abgeschlossen!
 

Wieder gelogen. Sonst würdest du keinen einzigen Gedanken an ihn verschwenden.
 

Weißt du was? Halt die Fresse!
 

Renn bloß davon, Naruto. Mal sehen, wie weit du damit kommst.
 

Pass auf, ich komme richtig weit weg! Wirst du sehen!
 

Wie du sagst.
 

Ja, wie ich sage. Halt die Fresse.
 

Die Bahn ist da. Na endlich.



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