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Freunde bleiben

von

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***
 

Alter, ich bin schon richtig gut angetrunken. Shikamaru hat sich ziemlich heftig betrunken. Komisch, normalerweise schießt er sich nie so krass ab. Chouji ist wie immer: Er lehnt sich müde auf der Bank an und wirft ab und zu was rein. Früher gingen wir oft in eine Kneipe auf ein Feierabendbier. Wenn ich hier so mit den beiden sitze, wird mir bewusst, dass es mir sehr fehlt.
 

„Jungs, ich muss euch was fragen“, leitet Shikamaru betrunken ein. „Wie sieht's bei euch mit der Familienplanung aus?“

„Ist nicht dein Ernst, oder?“ Chouji hat sich aus dem Jenseits gemeldet. „Alter, das kannst du nicht bringen, nachdem ich erst vor zwei Monaten verlassen wurde!“

Shikamaru ignoriert Choujis Wehklagen: „Es geht ja erstmal nur um dich. Würdest du dieses Thema überhaupt angehen? Wenn ja, wann am liebsten?“

„Boah, ich hätt' schon gern eine Familie! Schöne Frau, schöne Kinder, nices Haus und so weiter. Wieso fragst du eigentlich?“

„Weil Temari gerade Stress macht. Wir müssen jetzt umziehen, jetzt ein Auto kaufen, jetzt ein Kind zeugen… Ich hab' irgendwie keinen Nerv dafür.“

„Wieso? Mach das! Ihr seid schon ewig und drei Tage zusammen, Temari ist cool und ihr könnt euch das eh leisten, oder nicht?“

„Schon… Ich meine, ich will schon eine Familie, aber halt irgendwann mal, nicht jetzt gleich, verstehst du?“

„Wieso?!“ Choujis Empörung war so groß, dass man sie bestimmt am anderen Ende der Bar bemerken konnte. „Ihr habt perfekte Voraussetzungen! Was ist eigentlich falsch mit dir?!“

„Das versuche ich gerade zu verstehen! Hilf mir doch lieber, anstatt mich anzubrüllen!“
 

Eigene Familie, ha? Ich war seit der Kindheit überzeugt, dass ich definitiv eine gründen werde. Damals war es mein innerster Wunsch, ein sehnsüchtiger, blumiger Traum. Etwas, das in der fernen glänzenden Zukunft liegt, irgendwo weit-weit weg. Nun bin ich verheiratet und dieser Wunsch ist in eine durchaus realistische Domäne gerutscht.
 

Wir könnten ja.
 

Ja, könnten wir. Theoretisch.
 

Praktisch haben wir eine viel zu kleine Wohnung, zu hohe Miete und überhaupt sind wir erst seit acht Monaten verheiratet. Außerdem steigen die Preise wie wild, gleichzeitig will ich nicht umziehen, weil mein Mietvertrag einfach viel zu gut ist, und allgemein fühle ich mich nur mit dem Job und dem bisschen Haushalt, was ich erledigen muss, schon reichlich überfordert. Wie soll ich dabei noch ein Kind großziehen? Es klingt richtig egoistisch, wenn ich es so formuliere. Keine Ahnung, ich habe einfach gerade so viel Lebensenergie, dass ich auf der Arbeit nicht komplett abkacke. Klingt nach nicht viel, ich weiß. Dafür fühle ich mich übrigens extrem schuldig, denn früher habe ich einfach nur gemacht und das mit größter Freude, jeden Tag. Durch meine Kindheit im Heim habe ich irgendwann verstanden, dass man schnellstmöglich Anschluss finden muss, damit man keine Probleme mit dem Umfeld hat. In der Oberstufe habe ich diese Kunst perfektioniert. Damals habe ich richtig viel Sport betrieben und viel Blödsinn mit den Kumpels angestellt. Ja, das waren goldene Zeiten! Im Studium war es nicht anders. Ich hab' super gerne gejobbt, war viel unterwegs, dazwischen mit Ach und Krach die Prüfungen bestanden, endlose Diskussionen mit dem Vermieter geführt, Umzüge organisiert und sogar Gespräche über Gott und die Welt geführt. Einmal konnte ich sogar mit Freunden verreisen und es war legendär. Damals lebte ich voll im Moment. Jetzt ist es definitiv weg. Ich mache mir Sorgen um die Zukunft. Ich denke über Kinderkriegen und Jobwechsel nach. Über einen Autokauf, der definitiv finanziert werden muss. Über meine ständigen Rückenschmerzen und dass ich deswegen schon länger einen Arzt aufsuchen muss. Über die Eltern von meiner Frau und die Tatsache, dass sie mich aus dem tiefsten Herzen verabscheuen. Ich hätte angeblich ihre wunderhübsche Blutlinie befleckt.
 

Es ist anstrengend.
 

Neben all dem habe ich da ein klitzekleines Problemchen.
 

Ich stehe halt nicht auf Hinata. Sie macht mich nicht an. Ja, gut, den kriege ich trotzdem hoch. Trotzdem ist Sex mit ihr nur zum augenblicklichen Stressabbau, wie eine Pflichtmedizin. Ich habe selten wirkliche Lust darauf und das ist echt schade, denn sonst ist Hinata perfekt. Sie sieht gut aus, kümmert sich um mich und unseren Haushalt. Sie hat realistische Ansprüche. Kind. Größere Wohnung. Kleines Auto. Ein bisschen Kulturleben. Und eine Katze. Und sie macht mir keinen Druck. Also noch nicht. Egal. Für sie bin ich dem Schicksal unendlich dankbar. Na fast. Leider ertappe ich mich wieder mal öfter dabei, ihr gegenüber zu kühl gewesen zu sein. Dafür reicht schon eine kurze Bemerkung oder sogar nur ein falsch platziertes Wort und plötzlich habe ich es schon wieder getan. Und dann fühle ich mich schuldig. Zurecht. Shit. Warum kann ich es einfach nicht fühlen?
 

Warum ist es mit ihr nicht wie mit…
 

Nein-nein-nein!!! Klappe!!! Husch!!!
 

***
 

Mittlerweile bin ich nach Hause gekommen. Es war ein kleiner Kampf, zwei Besoffene in ein Taxi zu setzen, aber ich habe gewonnen. Hinata schläft bestimmt schon seit langem. Ich sollte keine Geräusche… Scheisse! Ich habe die Garderobe runtergeschmissen.
 

Applaus, Applaus.
 

„Naruto-kun?“
 

Oh nein.
 

„Sorry, ich habe dich geweckt…“

„Nicht schlimm, ich habe eh nicht so ganz fest geschlafen. Wie war's?“

„Gut.“

„Das ist schön. Mein Abend war auch gut.“
 

Oh man, und schon wieder so 'ne Stille! Familie Uzumaki-Hyuuga ist Meister in Sachen cringige Unterhaltungen.
 

„Lass uns ins Bett gehen, es ist ja schon recht spät.“
 

Da hast du Recht, mein Schatz.
 

Sie schlingt ihre Arme sanft um meinen Hals, guckt warm an und führt mich ins Schlafzimmer. Ihre seidenen schwarzen Haare schimmern bläulich in dem weichen Mondlicht. Ihr leichtes Schlafkleid schmiegt sich an ihre prachtvollen Kurven an. Der Stoff glänzt leicht. Sie schreitet sehr leichtfüßig durch den Raum. Fast schwebend überquert sie das Wohnzimmer, ohne dabei ein einziges Geräusch zu machen. Nur mein klumpfußes Stampfen hallt dumpf nach.
 

Sie ist so bildhübsch. Ihre Bewegungen sind so grazil und fließend. Genauso könnte es in einem Spielfilm gezeigt werden. Augenschmaus.
 

Nun haben wir es ins Schlafzimmer geschafft. Unsere Wohnung ist ja Gott sei Dank nicht so groß. Sie setzt sich auf die Bettkante beim Fenster hin, ebenfalls komplett geräuschlos. Majestätisch. In solchen Momenten erinnere ich mich daran, dass sie eigentlich die Noch-Erbin von Hyuuga ist, einer der mächtigsten Familien im ganzen Land, denn da kommt ihre feine königliche Natur sehr unaufdringlich zum Vorschein. Ich kann nicht mal festmachen, was genau diese Natur ausmacht, aber jedes Mal fasziniert es mich zutiefst. Einerseits bin ich natürlich stolz darauf, dass ich mir so eine besondere Frau ergattert habe. Sie ist da wirklich besonders, denn obwohl sie oberflächlich die Harmonie über alles stellt, hatte sie trotzdem die Eier, sich gegen ihren Vater aufzulehnen. Er war nämlich sehr gegen unsere Hochzeit und Hinata hat es trotzdem durchgezogen. Es gab natürlich Konsequenzen. Der Vater war kurz davor, sie zu enterben, und nur dank Hinatas Mutter ist es nicht dazu gekommen. Er hat den Kontakt abgebrochen. Hinata hat es unzählige schlaflose Nächte gekostet und ich war da absolut machtlos. Sie musste von jetzt auf gleich auf ihr reiches Dasein aufgeben. Ich kann ihr leider nur meine dreckige kleine Bude anbieten, kann man halt nicht vergleichen. Sie hat sich wegen der Liebe gegen die Eltern entschieden. Und das bewundere ich, denn ich weiß nicht, ob ich mich gegen meine Eltern entscheiden könnte, wenn ich welche hätte.
 

Andererseits fühle ich mich manchmal wie ein ungebildetes Pöbel neben ihr. Auch wenn sie die übelst elitäre Philosophie ihrer Familie stark ablehnt, kann sie manchmal ihre übelst elitäre Herkunft nicht verbergen. Das merkt man zum Beispiel daran, dass sie ihr eine Krankenkarte nicht wirklich im Begriff war, und dass sie noch nie eine hatte. Oder daran, dass sie die U-Bahn grundsätzlich nicht ohne Handschuhe fährt. Oder jetzt. Allein, wie sie den Rücken hält, verrät schon alles.
 

„Leg dich doch hin, hier steht nicht umsonst ein Bett“, holt sie mich sanft in die Realität zurück.
 

Ich plumpse ungeschickt auf meine Seite. Dabei knarzt der Rahmen gewaltig. Bestimmt habe ich damit das Nachbarskind geweckt, die Wände hier sind gefühlt aus Pappe. Drei, zwo, eins… Bingo.
 

„Wir brauchen echt ein neues Gestell“, merkt Hinata unbeeindruckt an.

„Wirklich. Lass uns gleich am Samstag eins besorgen.“

„Vielleicht gibt es eins kostenlos?“

„Oh Gott, du bist immer noch von unserem

Selbstabholer-Kühlschrank geflasht, oder?“

„Ja! Es ist so toll, dass Leute noch gute Sachen weitergeben wollen. Find ich wirklich schön.“

„Okay, dann müssen wir ab morgen suchen.“

„Freu mich voll drauf.“
 

Sie kuschelt sich an mich heran. Ihre Arme schlingen sich um meinen Hals. Sie senkt den Kopf auf meine Brust. Schwer. Ihr Körper umschließt meinen. Sie atmet hörbar aus. Schweißausbruch.
 

„Ich liebe dich“, wispert sie. „Schlaf schön.“
 

Ihre Lippen berühren leicht meine. Mein Herz rast unangenehm. Zu nah.
 

Viel zu nah.



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