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Letzte Wiederkehr

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VIII


 

VIII

„Wieso muss eigentlich ich auf dem Boden schlafen?“, grummelte Bakura mürrisch. „Weil das mein Zimmer und mein Bett ist! Sei lieber dankbar für das Dach überm Kopf! Gern geschehen!“, giftete Ryou schläfrig zurück. Ein permanentes Rascheln ließ verlauten, dass Bakura sich in seinem Schlafsack hin- und herwälzte. „Wärst du in meiner Zeit, würdest du mich fürchten. Ich bin ein gesuchter Dieb und habe überall meine Schergen!“, wisperte Bakura bedrohlich. „Wir sind aber dummerweise in meiner Zeit und hier schaffst du es nicht mal selbst, dir etwas zu Essen zu besorgen. Und wahllos Verbrechen begehen kannst du hier auch nicht so einfach wie im ägyptischen Untergrund, wo die Leute vom Pharao dich nicht auf dem Radar hatten!“ „Morgen schläfst du auf dem Boden, du aufmüpfiger, kleiner …“, setzte Bakura gerade an, als er plötzlich innehielt. Erneut einmal raschelte der Schlafsack und Bakura schälte sich hektisch aus dem kokonartigen Stoff. Auch Ryou saß aufrecht im Bett und war plötzlich hellwach.
 

Mit einem Satz stürmte Bakura aus dem Zimmer und nach draußen vor die Haustür. Ryou war ihm dicht auf den Fersen. „Spinnst du?! Was ist, wenn meine Mutter dich sieht?!“, wisperte er in scharfem Ton, aber Bakura hörte ihm nicht zu. „Fühlst du das auch?“, fragte er stattdessen aufmerksam. Ryou horchte in sich hinein. Tatsächlich kam ihm etwas seltsam vor. „Möglicherweise … ja“, gab er zu. Der zukünftige Geist des Milleniumsrings starrte mit finsterem Gesichtsausdruck zum Himmel. Und plötzlich glaubte auch Ryou, einen Schatten zu sehen, der den Schein des Mondes kurz verdunkelte. „Also bist du gar nicht mal so stumpfsinnig, wie ich dachte. Ich frage mich, ob dieses Gefühl das bedeutet, was ich denke, dass es bedeutet“, murmelte Bakura und ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen. „Von was redest du?“, fragte Ryou verunsichert. Doch er erhielt keine Antwort.
 

***

Auch Yugi sah zum selben Zeitpunkt durch das kleine Dachfenster in seinem Jugendzimmer und Sorgenfalten zeichneten sich auf seiner Stirn ab. Unschlüssig, ob er so spät noch stören könnte, spielte er mit dem Telefonhörer in seiner Hand. Schließlich fasste er einen Entschluss und wählte eine Nummer. Nach kurzem Tuten nahm ein überraschend wacher Joey ab. „Was geht, Kumpel?“, fragte er kurz angebunden. „Joey … bilde ich mir das nur ein oder spürst du auch etwas? Irgendwie hab ich ein ganz mieses Gefühl. Als ob … etwas nicht in Ordnung wäre. Als ob irgendwas passiert wäre.“
 

Ein paar Sekunden war es ruhig in der Leitung, dann sagte Joey: „Ich kann dir nur sagen, dass ich nicht schlafen kann und das ist schon seltsam für meine Wenigkeit. Denkst du, es hat was mit dem Pharao zu tun?“ „Vielleicht. Womöglich gibt es ja eine neue Bedrohung, die der Grund dafür ist, dass er zurück ist.“ Joey ließ ein Geräusch des Unmuts vernehmen und schien sich die Haare zu raufen. „Mann, warum muss immer alles so kompliziert sein?! Und hat man denn nie seine Ruhe? Kann sich nicht mal jemand anders um diesen Scheiß kümmern?!“ Trotz der ernsten Lage musste Yugi kichern. „Ich sollte besser schnell mal bei Kaiba anrufen und nachfragen, ob alles in Ordnung ist“, beschloss er dann. „Ja, mach das. Und ärger ihn ein bisschen von mir!“
 

Doch in der Kaibavilla erfuhr Yugi von Roland, dass Seto und Atem sich seit dem Vormittag gar nicht mehr dort befanden, sondern im Königreich der Duellanten. Als er auflegte, war er recht blass um die Nase. „Das darf doch nicht wahr sein … was hat dieser Kaiba sich nur dabei gedacht?“
 

***

Seto atmete schwer, als sie vor dem Eingang zum Turm Halt machten. Atem war ihm trotz seiner kurzen Beine immer um Haaresbreite vorausgewesen und zerknirscht musste er feststellen, dass er mit seinem Bürojob wesentlich weniger Kondition besaß als der Pharao, der sich durch Training fit hielt und jetzt kaum aus der Puste war.
 

Keine zwei Sekunden sahen sie einander an, bevor Atem auch bereits die Treppen in Angriff nahm. Seto wollte sich seine Erschöpfung nicht anmerken lassen, also hechtete er hinterher.
 

Während sie weiter und weiter eine endlos scheinende Wendeltreppe erklommen, hörten sie unheimliche harte Zischlaute, die immer lauter zu werden schienen. „Was ist das?“, japste Seto. „Ich weiß nicht“, entgegnete Atem, während er sich vergewisserte, dass der Firmenchef noch hinter ihm war.
 

Der Schmerz in dessen Seite wurde gerade unerträglich, als sie es endlich geschafft hatten und Atem als Erster einen schmalen Gang und an dessen Ende schließlich ein kleines Turmzimmer betrat. Seto wäre beinahe in ihn hineingekracht, als der Pharao erschrocken zwei Schritte zurückwich. „Was …?“, setzte Seto an, als er auch bereits Zeuge eines gänsehauterregenden Schauspiels wurde:
 

Inmitten des Zimmers, das nur von Mondlicht erleuchtet wurde, stand Pegasus, die Arme ausgebreitet und mit glasigen Augen. Fast schien es, als schwebe er über dem Boden. Er wirkte wie in einer tiefen Trance gefangen und ein Glühen schien von ihm auszugehen. Um seinen Unterarm hatte er eine Duel Disk geschnallt und auf zwei von ihren Feldern lagen offen die beiden verschwundenen Karten. Funken stoben von ihnen auf und um Pegasus gesamten Arm. Und vor ihm auf dem Steinboden lag noch etwas anderes – eine Schriftrolle, die ziemlich alt aussah.
 

„Die Karten, Pegasus hat sie!“, stieß Seto hervor. „Er will das Ritual durchführen!“, fiel es Atem wie Schuppen von den Augen, „aber wieso denn er? Wieso Pegasus, ich dachte ich …?“ Seto überlegte fieberhaft. Plötzlich traf es ihn wie ein Schlag. „Er ist derjenige, der dem Tod ins Auge geblickt hat und dann erblindet ist! Pegasus hat durch sein Milleniumsauge seine verstorbene Frau gesehen. Er hat also dem Tod ins Auge geblickt. Aber dann hat Bakura sein Milleniumsauge gestohlen und es mir gegeben – diese Sicht, die ihm geschenkt wurde und die ihn Dinge sehen ließ, die niemand sonst sehen kann, ist ihm genommen worden. Er ist also erblindet!“ „Verdammt, wieso sind wir nicht eher darauf gekommen?“, knurrte Atem.
 

Ein Pulsieren erfüllte jetzt den Raum wie ein Herzschlag. Lauter und aufdringlicher wurden die Zischlaute und jetzt erst begriff Seto, dass sie aus Pegasus Mund kamen: Er murmelte etwas. „Die Formel! Er spricht die Formel für das Ritual auf der Schriftrolle!“, rief Atem, „das darf ich nicht zulassen!“ Seine Hände ballten sich entschlossen zu Fäusten und er stürmte, ohne zu überlegen, auf Pegasus los.
 

„Pharao, warte! Was wenn du …?!“ Seto konnte nur erstarrt zusehen, seine Beine wollten sich nicht bewegen. »Verdammt, tu was! Komm schon!«, ermahnte er sich innerlich eindringlich. Schließlich zwang er sich mit aller Kraft zum Handeln und strebte ebenfalls nach vorn – aber in diesem Moment erhellte ein gleißendes Licht den Raum und Atem wurde zurückgeschleudert und prallte unsanft gegen Seto. Sie gingen beide zu Boden und einen Sekundenbruchteil später war es stockfinster im Raum.
 

„Pharao, ist alles in Ordnung?“, fragte Seto und rüttelte leicht an den Schultern des Kleineren. Dieser setzte sich benommen auf und ächzte schmerzvoll. „Ich weiß nicht“, sagte er orientierungslos, „was ist passiert?“ Seto schwieg. Er nahm jetzt etwas wahr und sein Blick schnellte zu der Stelle, wo Pegasus gestanden hatte. Plötzlich war ihm, als würde ihn etwas ansehen, ihn mit seinem Blick durchdringen. Eine Klaue schien sich aus den Schatten zu schälen. Atem musste es auch wahrnehmen, denn er schnappte nach Luft und spannte seinen Körper an. Die Luft war zum Zerreißen gespannt und beide spürten sie die Präsenz von etwas Drückendem, etwas Gefährlichem. Sie getrauten sich kaum zu atmen und Seto verstärkte seinen Griff um Atems Schultern.
 

Dann, mit einem Mal, wurde es hell. Erschrocken fuhren Seto und Atem herum und erkannten Croquet, der in der Tür stand, die Hand noch immer auf dem Lichtschalter. Sein Blick ging an den beiden Gästen vorbei und Schrecken spiegelte sich jetzt darin. „Mr. Pegasus!“, rief er aus. Pegasus stand nicht mehr dort, sondern lag bäuchlings und reglos am Boden, eine Hand über den beiden Karten, die von der Duel Disk gerutscht waren.
 

„Scheiße, ist er etwa …?“, begann Seto. Croquet holte ein Handy aus seiner Tasche und sprach leise in den Hörer. Als er das Telefonat beendet hatte, kniete er sich zu Pegasus herunter und fühlte seinen Puls. „Er lebt“, murmelte er, mehr zu sich selbst.
 

Seto und Atem atmeten auf. „Kannst du aufstehen?“, fragte der Größere an den Pharao gewandt, der noch immer gegen ihn gelehnt dasaß. „Ich denke schon.“ Seto stützte ihn so gut es ging und schließlich schaffte er es, auf die Beine zu kommen. Seto bemerkte jedoch, dass er blass aussah und im Stehen noch ein wenig mehr Farbe aus seinem Gesicht wich. „Ein medizinisches Team ist gleich hier“, informierte Croquet sie, „die werden sich auch um Sie kümmern.“ Atem nickte dankbar und durchquerte dann den Raum.
 

Er besah sich die Karten und die Schrift auf dem Boden. Sein Blick blieb an den Hieroglyphen darauf hängen und verweilte dort wenige Sekunden, bevor plötzlich Erkenntnis in sein Gesicht trat. „Bei Osiris!“, keuchte er erschrocken auf. „Was? Was hast du?!“, hakte Seto ungeduldig nach. „Ich …“ In diesem Augenblick stürmten die Sanitäter den Raum und eilten zu dem bewusstlosen Pegasus hinüber, riefen sich Anweisungen zu und begannen hektisch mit der Erstversorgung.
 

Croquet sprach kurz mit den Medizinern und ein junger Mann aus dem Rettungsteam kam zu ihnen herüber und erkundigte sich nach Atems Befinden. „Es geht schon, halb so wild“, wehrte dieser ab, „Sie sollten sich zuerst um Pegasus kümmern, das hat Vorrang!“ Der Sanitäter nickte, bat Atem aber, zumindest kurz seinen Arm freizumachen um seinen Blutdruck zu messen. „In Ordnung“, sagte er, „sobald Pegasus stabil ist, kommen wir nochmal auf Sie zu und werden Sie in aller Ruhe untersuchen.“ „Das wäre auch besser für Sie!“, drohte Seto und Atem bedankte sich höflich. Der junge Mann rollte mit den Augen über Setos rüde Art und wandte sich wieder seiner Arbeit zu.
 

„Ihr beiden solltet zurück auf eure Zimmer gehen“, sagte Croquet jetzt, „ihr könnt hier aktuell nichts für Mr. Pegasus tun.“ „Ja, das wird das Beste sein“, fand auch Seto, „Atem, kommst …“ Als er zum Pharao hinübersah, wankte dieser leicht hin und her und sank dann erschöpft auf ein Knie. Sofort eilte der Firmenchef zu ihm. „Alles ok? Es hat dich heftiger erwischt als gedacht, oder?“, fragte er, während er sich neben ihn kniete. „Nein, alles gut. Los, steh auf. Wir verschwinden“, wisperte der Pharao und warf ihm unerwarteterweise einen verschwörerischen Blick zu. Dann erhob er sich und schritt betont langsam Richtung Tür. Als Seto genauer hinsah, bemerkte er die Schriftrolle in Atems Hand, die dieser scheinbar unbemerkt vom Boden aufgehoben hatte und nun flink in seinem Ärmel verschwinden ließ. „Du … bist wirklich ein Phänomen!“, schüttelte der Konzernchef ungläubig den Kopf über Atems Gewieftheit. „Ich werte das mal als Kompliment“, grinste dieser, „und jetzt raus hier.“
 

„Hey, geht es Ihnen wirklich gut?“ Erneut hielt der junge Sanitäter sie auf, als sie gerade die Tür ansteuerten. Er hatte wohl den Vorfall beobachtet und wirkte sichtlich besorgt, „Möglicherweise ist Ihr Kreislauf noch nicht wieder stabil. Den Kopf haben Sie sich aber nicht gestoßen, oder?“ „Ihm geht’s gut. Kümmern Sie sich lieber um Ihren Kram und machen Sie ihre Arbeit!“, zischte Seto ungeduldig. „Okay ... was denn nun? Eben wollten Sie doch noch unbedingt, dass ich ihn untersuche", wunderte sich der Ersthelfer, „Da haben Sie ja wirklich einen bissigen Wachhund“, richtete er sich dann an Atem. „Nehmen Sie es ihm nicht übel. Er ist immer so“, lächelte Atem entschuldigend.
 

Schließlich sahen sie zu, dass sie das Zimmer verließen und so schnell wie möglich das Weite suchten, bevor der Verlust der Rolle irgendjemanden auffiel.
 

***

Der Weg zurück zum Zentralflügel der Burg schien sich zu ziehen wie Kaugummi. Atem hatte die Wucht des Energiestoßes ziemlich zugesetzt und es fiel ihm schwer, zu laufen. Er versuchte sich auf Seto zu stützen, was sich als nicht gerade einfach erwies, da dieser viel größer war. „Vielleicht kämen wir schneller voran, wenn ich dich einfach tragen würde“, drängte dieser ungeduldig. „Soweit kommts noch!“, schoss Atem giftig zurück, „vielleicht kämen wir ja auch schneller voran, wenn du nicht so viel nörgeln würdest!“
 

Endlich hatten sie den Gästeflügel erreicht und Seto stieß die Tür zu Atems Zimmer auf. Müde schleppte dieser sich zu dem altrosa Ohrensessel, der am Fenster stand, und ließ sich seufzend daraufsinken. Er atmete tief durch.
 

„Was – war das?“, fragte Seto und schloss die Tür hinter sich. Es fühlte sich an, als seien sie in Sicherheit, aber er ahnte, dass das trügerisch war. Atem zog die Schriftrolle aus seinem Ärmel hervor und überflog die Zeilen. „Die Worte, die Pegasus da vorhin skandiert hat … er hat das Ritual durchgeführt. Es ist die Formel auf der Schrift“ „Und ist es ihm gelungen?“, brachte Seto gepresst hervor. „Ich fürchte schon. Ich nehme an, dass die Magie, die in dieser Zeit noch existiert, nicht ausreicht, um alleine durch die Formel auf der Schriftrolle ein solches Ritual zu vollziehen. Deshalb brauchte es zusätzlich die beiden Karten, die Pegasus selbst erschaffen hat. Und wir haben sie ihm geradewegs in die Hände gespielt.“
 

„Aber warum sollte Pegasus sowas tun?“, gab Seto zu bedenken. „Das weiß ich nicht. Ich dachte, du könntest mir das sagen. Du kennst ihn länger als ich“, Atem zuckte die Schultern. „Ich habe nicht die geringste Ahnung", gab Seto zu, „aber abgesehen davon … nehmen wir mal an, Pegasus hat da wirklich irgendwas … Dunkles freigesetzt“, noch immer fiel es Seto schwer, zu glauben, was er nicht sehen konnte, „was können wir jetzt noch tun?“ „Ich habe einen Verdacht. Aber dazu muss ich etwas weiter ausholen. Als ich diese Schrift dort oben gesehen hab, ist mir nämlich etwas klargeworden.“ Seto horchte auf. „Was meinst du?“ Atem wirkte unbehaglich und sah auf seine Hände, die in seinem Schoß lagen. „Bitte setz dich. Es ist eine längere Geschichte.“


 


 


 


 


 


 


 


 



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