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Advanced Attraction

von

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Betrug

Liam konnte nicht anders als zur Tür zu sehen. Für einen winzigen Augenblick wünschte er, sie würde zurückkommen. Er konnte nicht aufhören an das Gespräch mit Claudia zu denken. Sie hatten eindeutig miteinander geflirtet. Einerseits fühlte er sich schlecht dabei, schließlich hatte er eine Freundin. Andererseits gefiel es ihm. Er fühlte sich wieder attraktiv und begehrt. Nach seinen Problemen mit Jodie – an denen er nicht unschuldig war - tat es einfach nur gut. Doch schon sehr bald holte ihn das schlechte Gewissen ein. Auch wenn er eigentlich nichts gemacht hatte, fühlte er sich schuldig. Zählte ein kleiner Flirt denn schon als Betrug?

Der Student schüttelte den Kopf und versuchte jeden Gedanken an Claudia zu unterdrücken. Aber es war schwer, denn ihre Worte hallten noch in seinem Kopf. …vielleicht komme ich auch wegen dem Verkäufer her. Er ist wirklich süß und genau mein Typ. Wieso? Wieso musste sie nur so etwas sagen? „Arg“, stieß Liam aus und wischte die Gegenstände von der Theke. Warum ausgerechnet jetzt? Du hast eine Freundin, mahnte er sich erneut.

Liam schloss die Augen und dachte an Jodie. Er liebte sie und wollte ihre Beziehung nicht aufs Spiel setzen. Dabei war es eigentlich nur ihre Schuld, dass er überhaupt mit Jodie zusammen gekommen war. Eigentlich wollte er damals keine Beziehung beginnen, aber schon bald geriet sein Entschluss ins Wanken. Und er hasste sich selbst dafür, dass er so ein schwacher Mensch war.

Als er Jodie das erste Mal im Kunstkurs sah, konnte er seinen Blick nicht von ihr abwenden. Ihr ging es genau so, denn ihre Freundin musste einschreiten und sie zu einem Platz ziehen. Während des gesamten Kurses warf er ihr heimliche Blicke zu – und wie er mittlerweile wusste, tat Jodie genau das gleiche. Am Ende der Stunde wollte er einfach nur nach Hause, aber seine Beine bewegten sich in ihre Richtung. Als sie aus dem Raum floh, war er enttäuscht und erleichtert zugleich. Und jedes Mal wenn sie sich sahen, knisterte es zwischen ihnen. Aber keiner machte den ersten Schritt. Sein Entschluss, sich Jodie nicht weiter zu nähern, wurde jedes Mal auf eine harte Probe gestellt. Als schließlich Sharon Vineyard in dem Café auftauchte, in dem er am Sonntag immer arbeitete, hatte sich alles geändert. Zunächst agierte sie wie eine ganz normale Kundin, bestellte Kaffee und ein Stück Torte. Als er den Nebentisch sauber machte, zeigte sie ihr wahres Gesicht. „Setz dich.“ Es war keine Bitte sondern ein Befehl.

Er wusste gar nicht, wie ihm geschah und starrte sie irritiert an.

„Hast du mich nicht verstanden?“, wollte sie wissen. „Ich hab gesagt, du sollst dich setzen.“

Ein ungutes Gefühl breitete sich in ihm aus, dennoch setzte er sich an den Tisch. „Was…was kann ich für Sie tun?“

Sharon musterte ihn. „Du bist Liam, nicht wahr?“

Er nickte.

„Ich hab schon viel von dir gehört.“ Sharon lächelte. „Du musst keine Angst haben, ich bin eine Freundin von Jodie. Das Mädchen liegt mir sehr am Herzen und ich habe gehört, dass ihr in dem gleichen Kunstkurs seid und euch gut versteht.“

Liam nickte erneut.

„Sie mag dich.“

Auch das konnte er nicht verneinen. Liam räusperte sich. „Entschuldigen Sie, aber ich denke nicht, dass Sie das was angeht.“

„Das kann schon sein. Aber du kannst dir sicher vorstellen, dass ich nicht möchte, das sie verletzt wird.“

Liam schluckte. Wusste sie etwa etwas über seine Familie? Er verengte die Augen. „Ich verstehe nicht, was Sie damit andeuten wollen.“

Sharon kicherte. „Ich weiß, dass deine Familie Schulden hat. Dein Vater hat vor einem Jahr seinen Job verloren und mit dem Trinken angefangen. Weil er die Miete nicht mehr zahlen konnte, hat er einen teuren Kredit aufgenommen. Deine Mutter versucht ihn zwar zu unterstützen, aber als Putzfrau verdient man eben nicht ausreichend. Ich weiß auch, dass du den Nebenjob angenommen hast, um deine Familie zu unterstützen. Und du möchtest auch studieren, aber das wird wohl nichts, wenn ihr euch die Gebühren nicht leisten könnt oder du wegen der Arbeit nicht zum Lernen kommst. Natürlich möchtest du auch nicht, dass deine kleine Schwester zu kurz kommt, deswegen bezahlst du auch die Ausgaben für sie. Hab ich was vergessen?“

Liam ballte die Faust.

„Sieht nicht so aus. Und deswegen mache ich dir jetzt ein Angebot. Ich begleiche die Schulden deiner Familie und bezahle auch eine teure Entzugsklinik für deinen Vater. Er macht einen Entzug, kann danach wieder arbeiten und alle sind glücklich. Wie hört sich das für dich an?“

„Zu schön um wahr zu sein“, antwortete er ehrlich. „Und was möchten Sie als Gegenzug von mir? Soll ich mich von Jodie fernhalten? Keine Sorge, das mach ich sowieso.“

„Ich weiß. Du möchtest nicht, dass sie von deiner familiären Situation erfährt. Deswegen werde ich auch all deine Probleme bereinigen und du triffst dich dafür mit Jodie.“

„Was?“

Sharon schmunzelte. „Treffen, du sollst nicht gleich mit ihr ins Bett gehen. Ich möchte nur, dass ihr euch näher kommt. Und wenn ihr zu dem Schluss kommt, dass es nicht mit euch klappt, ist das auch in Ordnung. Ich würde mich aber freuen, wenn meine Kleine einen festen Freund hätte.“

„Sie glauben doch nicht, dass ich mich bezahlen lasse…“

Sie legte ihren Zeigefinger auf seine Lippen. „Sch…nicht so hastig. Du musst dich nicht jetzt entscheiden. Lass dir meinen Vorschlag durch den Kopf gehen.“ Die Schauspielerin kramte anschließend in ihrer Tasche herum und holte ihre Geldbörse heraus. Sie bezahlte mit hohem Trinkgeld und schob ihm ihre Visitenkarte rüber. „Ruf mich an, wenn du dich entschieden hast.“

Er seufzte, wenn er daran zurück dachte. Letzten Endes hatte er sich auf das Angebot der Schauspielerin eingelassen. Sharon bezahlte die Schulden seiner Familie und sorgte dafür, dass sein Vater einen Entzug machte. Im Gegenzug traf er sich mit Jodie…und kam schließlich mit ihr zusammen. Auch wenn er tatsächlich Gefühle für sie hatte, fühlte es sich am Anfang falsch an und er brauchte lange Zeit, bis er nicht mehr an Sharons Angebot denken musste. Als er wegen dem Studium nach London zog, stattete ihm die Schauspielerin proaktiv einen Besuch ab.

„Wie fühlt es sich an?“, wollte sie von ihm wissen.

„Was meinen Sie?“

„Das deine Träume in Erfüllung gehen, was denkst du denn?“

„Ganz gut“, antwortete der junge Mann. „Ich bin Ihnen zu Dank verpflichtet. Wenn Sie die Schulden nicht bezahlt hätten und die Entzugsklinik bezahlt hätten…“

„Jaja, ich weiß. Und nur deswegen kannst du an deine Traum-Uni gehen. Blöd nur, dass du dafür das Land verlassen musst.“ Sharon verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich hoffe, du hast nicht vor dich von Jodie zu trennen. Das würde mich sehr traurig machen.“

Liam verengte die Augen. Genau das hatte er vor. Er würde wegziehen und wollte Jodie nicht in einer Fernbeziehung zurücklassen. „Ich versteh nicht ganz.“

„Ach Liam…“ Sie schüttelte den Kopf. „Was soll ich nur mit dir machen? Ah! Ich habs. Ich könnte dafür sorgen, dass du in New York bleibst. Du weißt doch, dass dein Vater bei einem Bekannten von mir arbeitet. Was würde wohl passieren, wenn er…sagen wir…rein zufällig statt Wasser Alkohol zu sich nehmen würde?“

Er biss sich auf die Unterlippe.

„Ich sehe, wir haben uns verstanden.“ Sharon stand auf. „Auch eine Fernbeziehung kann gut ausgehen. Und wir wissen doch beide, dass Jodie dir früher oder später folgen wird.“

Er wollte nicht wissen, was passieren würde, würde Sharon Vineyard jetzt von ihren Problemen erfahren. Oder wusste sie es bereits? Wann immer Sharon bei ihm auftauchte, sie war gut informiert. Liam schüttelte den Kopf. Er versuchte alle schlechten Gedanken zu verbannen und entschied, sich fortan nur noch auf Jodie zu konzentrieren.

Sein Entschluss war einfach, die Umsetzung schwer. Claudia sagte zwar, dass sie keinem Mann hinterherlief, aber sie kam weiterhin in die Boutique und ließ sich beraten. Jedes Mal war ihr Gespräch ausgeufert. Entweder sie sprachen über allgemeine Themen oder ihre Pläne für die nächste Zeit, hin und wieder flirteten sie auch miteinander. Danach kümmerte er sich nur noch intensiver um Jodie. Er versuchte sich sogar mit ihren Nachbarn anzufreunden. Er aß mit ihnen, half ihnen und war immer häufiger in dem Wohnkomplex zugegen. Selbst ins April ging er und hörte sogar der Band von Akai zu. Er verstellte sich zwar, aber je mehr Zeit er mit Jodie verbringen konnte, desto besser fühlte er sich.

Trotzdem ging ihm Claudia nicht aus dem Kopf. An Tagen, wo sie nicht ins Geschäft kam, vermisste er sie sogar. Und wenn es ihm schlecht ging oder er gestresst war, munterte ihn das Flirten auf. Es war anders als bei Jodie. Er liebte sie immer noch, aber Claudia hatte eine ganz andere Wirkung auf ihn. Ohne es zu wollen, fühlte er sich zu der jungen Frau hingezogen. Doch er hielt an seinem Vorhaben fest, sich nicht auf sie einzulassen. Bis…

Er war gereizt und hatte sich mit Jodie gestritten. Als er ihr am nächsten Tag Blumen als Entschuldigung bringen wollte, sah er sie und ihren Nachbarn in einer verdächtigen Pose. Sie lag in den Armen von ihrem Nachbarn Akai. Ohne mit ihr zu sprechen, warf er die Blumen auf den Boden, trampelte auf ihnen herum und ging nach Hause. Den restlichen Tag ignorierte er alle Anrufe und Nachrichten von ihr. Als er am nächsten Tag in der Boutique war, wurde er von Claudia aufgefangen. Er konnte sich seinen Frust von der Seele reden und sie schlug ihm Rache vor. Erst wusste er nicht, was sie meinte, dann küsste sie ihn. Zuerst zaghaft, dann gierig und schließlich fordernd. Als sie aufhörte, starrte er sie verwirrt an. Sie holte einen Zettel aus der Tasche heraus und notierte mit einem Stift ihre Adresse. Den Zettel schob sie über seine Bedientheke und verschwand. Den restlichen Tag kreisten seine Gedanken nur um Claudia und den Kuss. Und schließlich stand er nach seinem Feierabend vor ihrer Haustür.

Nachdem sie zusammen im Bett gelandet waren, fühlte es sich nicht mehr so gut an. Sein schlechtes Gewissen gewann die Oberhand und er machte sich auf den Weg nach Hause. Aufgelöst stand Jodie vor seiner Haustür. Als er ihre Tränen sah, zog er sie in seine Arme und ging mir ihr rein. Nachdem sie sich aussprachen und er erfuhr, dass Akai sie nur vor einem Sturz bewahrte, hasste er sich selbst. Wie konnte er die Situation nur so falsch interpretieren und Jodie betrügen?

Er liebte Jodie und obwohl er sich schwor, dass die Sache mit Claudia nur ein einmaliger Ausrutscher war, passierte es in den nächsten Wochen immer häufiger. Jedes Mal danach machte er Jodie kleine Geschenke und versuchte damit sein schlechtes Gewissen weiter zu unterdrücken. Irgendwann wurde ihm diese „Doppelbelastung“ zu stressig und er entschied, die Sache mit Claudia zu beenden. Liam hoffte, dass er ihren Avancen nicht mehr nachgab. Als der Tag jedoch gekommen war, schob er die Aussprache mit ihr immer weiter nach hinten. Während Claudia in der Umkleide war, ging er seinen Text im Kopf durch.

„Liam? Kannst du mir bitte helfen?“

Verdattert stand er vor der Kabine.

„Liam?“

„Äh…ja…ich komme…“ Er ging in die Kabine und betrachtete sie.

„Ist das ein Versprechen?“ Sie schmunzelte und drehte ihm den Rücken zu. „Kannst du bitte den Reißverschluss hochziehen?“

Langsam ging er zu ihr und legte seine Hand auf ihren nackten Rücken. Er schluckte und anstatt sich um den Reißverschluss zu kümmern, küsste er ihren Hals und schob die Träger nach unten. Letzten Endes war er wieder nur ein schwacher Mann…

„Du warst wunderbar“, entgegnete sie außer Atem.

Liam wischte sich mit der Hand den Schweiß vom Gesicht, zog anschließend seine Hose hoch und machte sie zu. Glücklicherweise war um diese Uhrzeit nie Kundschaft im Laden. „Claudia…“, begann er.

„Sch…“, wisperte sie und knöpfte ihm sein Hemd zu. „Jetzt kannst du wieder rausgehen.“

„Das…das darf nicht wieder passieren…

„Mhm? Warum nicht?“, fragte sie. „Dir gefällt es doch auch“, hauchte sie gegen seine Lippen.

„Ich…ich habe…eine Freundin…“

„Das hat dich sonst auch nicht gestört“, entgegnete sie. „Na gut, wie du willst.“ Sie wusste, dass er früher oder später erneut angekrochen kam.

Liam machte einen Schritt nach hinten. Es lief nicht wie geplant, aber er war sich sicher, dass er es beendet hatte. Der Student räusperte sich und verließ die Umkleide. Als er Jodie sah, weiteten sich seine Augen.

Sie starrte ihn schockiert an.

„Jo…Jodie…“ Wie lange war sie schon da? Hatte sie alles gehört? Hatte sie gewusst, was soeben in der Kabine passiert war? Liam machte einen Schritt nach vorne. „Jodie…“

Ihre Augen füllten sich mit Tränen, sie wich nach hinten, schüttelte den Kopf und lief nach draußen.



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