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An Even Madder Word

von

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Liebe

Ich komm nicht los, ich bin süchtig nach diesem Gefühl, das man hat, wenn man sich das erste Mal küsst, das Adrenalin steigt in einem auf… Seit ich… ja, da gab es jemanden, aber seit ihm habe ich mich nie wieder richtig fallen lassen, ich rutsche von einer halbherzigen Beziehung in die nächste, manchmal läuft nicht mal richtig viel oder ist überhaupt eine Beziehung. Aber ich bin süchtig nach diesen Momenten, wenn die Spannung aufkommt, kurz bevor sich … unsere Lippen berühren und dann geht es mit mir durch. Ich fühle mich auf der Stelle verliebt… könnte diese berühmten drei Worte sofort sagen aber kaum lösen sich unsere Lippen und ich sehe in die Augen meines Gegenübers… dann überfällt mich ein ungutes Gefühl, ich suche entweder das Weite oder werde schnell genug in den nächsten Kuss verwickelt und alles fängt wieder von vorne an… Mein Herz schlägt schnell, ich will mein Leben mit dieser Person verbringen, ihr nah sein, mich nicht mehr wegstoßen lassen, ich klammere mich sogar richtig an sie… diese Person… aber nichts ist wie das… das, was einmal war… Sobald wir uns nicht mehr küssen ist dann alles wieder wie immer. Alles ist ganz normal.

Ich bin süchtig nach Liebe, kurzfristiger kontrollierbarer Liebe. Keine Beziehung… ich habe Angst, mich zu verlieren… Enttäuscht zu werden aber… aber ich liebe die Liebe…

Ach ja… mein Name… Ich heiße Ryou
 


 

Als Otogi den weißen Haarschopf in der Gruppe erblickte, verstummte der Regen für den Hauch eines Augenblickes nur um dann in einem Gewitter zu münden, das Otogis Kopf zum Bersten bringen wollte. Sein Herz machte ungewöhnliche Dinge. Es raste, stolperte und rappelte sich nur langsam wieder auf.
 

Er fühlte sich unwohl, richtig unwohl, eine schreckliche Übelkeit zog in ihm auf und er wollte augenblicklich die Flucht ergreifen. Diese Idee, die Flucht, das war eine wahrlich gute Idee, der er sofort nachgehen wollte. Doch vergebens. Er war zu spät. Der Gruppenleiter kam just in dem Moment, als die Entscheidung gefallen war und zum ersten Schritt angesetzt wurde, bei der Tür herein und schloss diese hinter sich ab.
 

Es war zu spät. Er war nun hier eingesperrt mit dem Jungen, dessen Geschichte, dessen Sucht er so unweigerlich beeinflusst hatte, dass dieses Gefühl der Übelkeit noch das harmloseste sein sollte, das er an diesem Tag empfinden musste.
 

Beinahe wäre es heute soweit gewesen, soweit, dass Otogi geteilt hätte, dass er ihnen allen gesagt hätte, dass er Ryuji war und süchtig, aber dieser Entschluss wurde sofort wieder zurückgezogen, nachdem Bakura seine Geschichte erzählte. Otogi fragte sich, warum er gerade hier war. Er wohnte doch, genauso wie er eigentlich, auf der anderen Seite der Staaten in New York.
 

„Ich bin für ein Projekt hier, deswegen kann ich nicht zu meiner Stammgruppe gehen, wobei, zu der gehe ich auch noch gar nicht so lange. Das ist alles sehr neu für mich, aber mir wurde direkt diese Gruppe hier empfohlen“, sagte Bakura und lächelte verlegen in die Runde. Otogi machte sich klein. Er war sich sicher, er hatte ihn noch nicht gesehen. Etwas verhalten schob er die Hand hoch an sein Gesicht, um es etwas zu verdecken, doch er war auch zu neugierig. Flüchtige Blicke wurden auf den kurzzeitigen Gast geworfen und dann passierte es. Ihre Augenpaare trafen sich.

Bakura stockte, er sprach gar nicht mehr weiter und Otogi sah schnellstmöglich zur Seite.

Der Abend war gelaufen. In Otogis Kopf spielten sich all die Möglichkeiten ab in denen er sich irgendeinen Rausch – ja, es war ihm egal welcher – aneignen und das alles verdrängen und überspielen konnte, aber er hatte keine Möglichkeit. Er war nicht nur in diese Anstalt… Klinik gesperrt, nein, er war gerade auch an diesen Raum gebunden und hing förmlich an Bakuras Lippen, auch wenn er gar nichts mehr sagte.
 

Otogi konnte eine Stunde später nicht mehr sagen, wie er die Zeit rumgebracht hatte, nur, dass es sich wie eine Ewigkeit anfühlte, bis er endlich aufspringen und wieder aus dem Raum laufen konnte. Ein Impuls hatte ihn tatsächlich laufen lassen. Sein Herz schlug während der gesamten Sitzung so unheimlich schnell und nervös, er fühlte sich beobachtet und so unsäglich schuldig. Er lief also wortwörtlich der Verantwortung davon.
 

Diesen Abend hatte er gar nicht bemerkt, dass Chris auch wieder da war, es war ihm auch nicht wichtig und er wollte in diesem Zustand auch sicher nicht mit ihm reden oder sonst etwas tun. Das erste Mal in seinem Leben wollte er die Möglichkeit zu einer wohl sicheren Nummer nicht mehr nutzen.
 

In seinem Zimmer angekommen wurde dann langsam alles etwas ruhiger. Sein Herz beruhigte sich und sein Atem, der durch das Hetzen unregelmäßig und hastig war, wurde wieder geordneter und seine Schritte wurden stetig langsamer bis er vor seinem Bett stand. Er drehte sich um und setzte sich auf die Matratze, dann lehnte er die Ellenbogen an den Oberschenkeln ab und vergrub sein Gesicht in seinen Handflächen.
 

„Warum bist du hier?“, fragte er in den Raum, der nur das niederschmetternde Prasseln des Regens inne hielt. Otogis Hände begannen zu zittern und er sah langsam hinüber zu seinem Nachtkästchen. Dort lag der Brief drinnen, den er verfasst hatte. Er war an Bakura gerichtet, aber nie weggeschickt, sie sollten die Briefe auch nicht wegschicken, sie galten als Stütze und als Erinnerung. Ein flüchtiger Gedanke ließ ihn John beschuldigen, den Brief heimlich entwendet und versendet zu haben und deswegen war Bakura nun hier. Aber er realisierte schnell, dass das unmöglich war, John kannte die Adresse ja nicht, niemand kannte sie, nichteimal Otogi, somit konnte der Kleinere diesen Brief nicht gesehen haben. Dennoch eilte er sich urplötzlich hinüber, riss die Lade auf und versicherte sich der Anwesenheit des Briefes. Ja, er war noch da. Die Lade wurde wieder zugeschoben und Otogi legte sich diagonal zurück ins Bett. Seine Gedanken schwirrten ungeordnet durch seinen Kopf.
 

Erinnerungen schwappten auf, wie er Bakura damals in dieser Bar aufgegabelt hatte. Es war ein so unschuldig verfängliches vor allem aber zufälliges Treffen der beiden Männer, die gegensätzlicher eigentlich nicht sein konnten. Otogi hatte auf der Stelle diese Anziehung gespürt und die Nacht war ja auch ziemlich erfolgreich. Der Morgen danach war nicht mehr so toll, dafür ein weiteres Treffen, aber irgendwann war dann dieser eine Tag da, als sie spazieren gegangen waren und er den Anderen so unbewusst von sich gestoßen hatte.
 

Otogi bereute es, dass er so wenig rücksichtsvoll war und er bereute es, als er damals nach der Junggesellenfeier von Honda neben dem hübschen Weißschopf aufwachte und bis heute keine Ahnung hatte, wie es dazu kam. Vielleicht würde Bakura ihm verzeihen? Irgendwie? Irgendwann, wenn er ihn bei der Gruppe ansprach? Nein! Diese Überlegung verwarf er sofort. Das wollte er sich nicht antun und wenn er so überlegte, wie Bakura geschaut hatte als er erzählte und wie schwach seine Stimme klang, dann… ja, dann wollte er es ihm auch nicht antun. Er wollte nicht, dass sein Ausreden den Jüngeren irgendwie belastete.

Also verweilte er in seinen Gedanken. So lange, bis er einschlief und erst wieder wach wurde, als es zaghaft n der Tür klopfte.
 

Ein normaler Mensch hätte das nie gehört, schon gar nicht, wenn er gerade schlief, aber Otogi riss es aus dem Bett. Neben ihm, in seinem eigenen Bett, schlief John friedlich vor sich hin, bestätigte, dass normale Menschen darüber schlafen konnten. Dann lachte Otogi. John war nicht normal.
 

„Hey?“, hörte er ein Flüstern, als er die Tür aufmachte und sah in Tanyas stechend blaue Augen. Er sah sie fragend an, sie klärte ihn direkt auf: „Hab gehört, du hattest ‘nen harten Tag? Hast wohl wen getroffen, hm?“ Dann deutete sie ihm mit einer schwingenden Armbewegung, dass er doch nach draußen kommen sollte.

Das tat er auch, sollte John friedlich schlafen.
 

„Also, wen hast du getroffen?“, fragte Tanya, als sie wieder ihre üblichen Wege durch den Garten gingen. Wie sonst, wenn die Nachtschwester da war, im Dunkeln, denn die Beleuchtung ließ zu wünschen übrig, auch wenn sie sich beide nicht mehr Licht oder Helligkeit wünschten. Sie sahen die Füße am Boden und erkannten, wo sie hin stiegen, keiner stolperte.
 

„Hmm… das ist eine lange Geschichte“, sagte Otogi, doch Tanya zuckte mit den Schultern, sie habe Zeit, müsse nirgendwo sein. Otogi schmunzelte. Nun gut, er konnte es ihr erzählen, wem, wenn nicht ihr? Etwa dem Psychiater? Vermutlich, das sollte er wohl morgen machen.
 

Er erzählte der brünetten Schwester von der Zeit in der Schule, wie der Junge ganz neu auf ihre Schule kam und einfach nur interessant war, er war damals schon irgendwie verlockend, aber er war so rein, so zart und nicht Otogis Beuteschema, außerdem waren sie alle in einer Clique, das gehörte sich nicht, hätte nur Probleme gemacht. Aber als er ihn dann in New York getroffen hatte, da war das alles anders, sie waren keine Jungs mehr, die ihre gesamte Freizeit miteinander verbrachten, sie trafen sich flüchtig und selten in größeren Gruppen, somit war es okay.
 

„Warst du verknallt in ihn?“, fragte Tanya ganz unverblümt. Otogi schüttelte den Kopf. Nein, er war nicht verknallt, aber er war auf dem besten Weg dahin, sich aufrichtig zu verlieben. Aber das wollte er sich nicht eingestehen.

Auch nicht, als Tanya es nach all seinen Erzählungen hervorheben wollte.
 

„Ich glaube, dir geht’s nicht gut, weil du ein schlechtes Gewissen ihm gegenüber hast, dir ist doch bewusst, dass du ihn verletzt hast und ich glaube, er ist der Mensch, bei dem dir das leidtut, kann das sein?“, analysierte Tanya, dass Otogi regelrecht schlecht wurde.
 

„Bist du nicht einfach nur Schwester? Ich meine das nicht herabwertend, aber du klingst kompetenter als Doktor Carter“, wich Otogi der Frage aus, doch Tanya ließ das nicht zu. Sie sah ihn ohne ein weiteres Wort zu sagen tief in die Augen. Otogi starrte zurück. Das würde er sich nicht bieten lassen!

Nach einer Weile riss er dann doch ab, die junge Frau war wohl zu geübt darin, Männer mit ihrem Blick zu vernichten.
 

„Vielleicht“, gab Otogi klein bei und Tanya grinste zufrieden.

„Aber… um auf deine Frage zurück zu kommen, ja, ich bin nur Schwester und ich habe kein Problem damit, dass es nur das ist. Mein… Freund… Verlobter, na wie auch immer, er war Psychologe, nicht hier, hab da viel mitbekommen“, sagte sie. Eine gewisse Schwere lag in ihrer Stimme, die Otogi neugierig werden ließ und auch, wenn ihm klar war, dass er nun eine wunde Stelle ansprechen würde, er war zu neugierig. Zu interessiert daran, warum die hübsche Nachtschwester nun stehen blieb und so gedankenverloren in den Nachthimmel starrte.
 

„Die Sterne sind richtig schön heute Nacht“, flüsterte sie noch ehe Otogi nachfragen konnte. Sollte er es wirklich wagen? Irgendwie wirkte sie traurig.

Er seufzte. „Tut mir leid, falls ich dich traurig gemacht habe“, aber Tanya schüttelte den Kopf.
 

„Es ist nichts, was du gesagt hast, manchmal kommen einfach Erinnerungen hoch und machen sich breit, das wird dir auch noch blühen und ich hoffe, du bist dann stark“, sagte sie und lächelte ihm aufmunternd zu. Eine Weile sahen sie sich eindringlich an. Tanya schien wahrhaftig zu überlegen, ob sie es wirklich machen sollte, sich einem Patienten zu öffnen. Otogi war anders als die anderen. Sie waren sich ein bisschen ähnlich, zumindest hatte sie das Gefühl, dass sie sich ausgesprochen gut verstanden, das hätte der junge Spieleentwickler auch sofort unterschrieben.
 

„Mein Verlobter war Psychologe… ein guter, so lange, bis er die Medikamente seiner Patienten selbst genommen hat, ihnen hat er Placebos weitergegeben. Hat lange gedauert, bis ich das gemerkt habe, seit dem bin ich aufmerksamer. Hast du eine für mich?“ Tanya begann zu erzählen und wollte sich, als Otogi sich eine Zigarette anzündete, dem Ritual anschließen. Sie rauchte eigentlich nicht, aber hin und wieder, hier und da einmal, da meinte sie, es beruhigte sie und gerade brauchte sie etwas Beruhigung.
 

Otogi gab ihr eine und bot ihr auch direkt Feuer an. „Danke“, sagte sie, schloss die Augen und nahm den ersten Zug.

„Ist sicher zwei Jahre her, dass ich meine letzte Zigarette geraucht habe“, bemerkte sie amüsiert und dann sprach sie weiter.
 

Sie erzählte Otogi, dass sie ihren Verlobten irgendwann darauf angesprochen hatte, er hatte sich versucht auszureden, aber sah ein, dass er ein Problem hatte. Er wollte einlenken, plagte sich aber zu sehr mit dem Absetzen. Er wollte seine Zulassung nicht gefährden und stieg auf Alternativen um, irgendwann fand er sich in einer Spirale wieder, in der keine der gängigen Drogen mehr aushalf, zumindest nicht in den Dosen, in denen sie empfohlen wurden. Empfohlen… Wer empfahl schon so etwas?
 

Tanya wurde beim Erzählen immer leiser, dann merkte sie, wie sie sich zu verstecken versuchte und hob die Stimme wieder etwas an und sprach weiter.

„Irgendwann ist er nicht mehr nach Hause gekommen, ich dachte, er ist vielleicht zu seinen Eltern, seinem Vater gings nicht so gut damals, aber er hat sich auch nicht gemeldet, seine Sprechstundenhilfe hat mich dann eines Tages angerufen und hat gesagt, dass er nicht in die Praxis kam, da wusste ich schon, dass etwas passiert ist.“ Tanya schluckte stark. Otogi zog sich einstweilen der Magen zusammen. Er ahnte ebenfalls, dass es einen Grund dafür gab, dass sie sagte er war Psychologe und nicht er ist Psychologe.
 

„Sie haben ihn im Kellerabteil in dem Gebäude gefunden, in dem seine Praxis war… Überdosis Heroin, ist einfach erstickt an seiner Kotze, so ein Idiot“, sagte Tanya und spuckte die letzten Worte aus, vermutlich um sich selbst nicht so mitreißen zu lassen.

Auch wenn er damit gerechnet hatte, es traf Otogi sehr, das zu hören. Er hatte Tanya wirklich lieb gewonnen, sie war hier für ihn so etwas wie der Fels in der Brandung.

Tanya schüttelte den Kopf, als Otogi ansetzte etwas zu sagen. Sie brauchte keine Worte der Bemitleidung oder des Trostes, sie hatte das alles hinter sich.

Otogi nickte, stattdessen nahm er einfach ihre Hand und zog sie in eine stumme Umarmung, die sie sogar erwiderte.
 

Die Zeit verging gemächlich und beide hätten nicht sagen können, wie lange sie da draußen standen, einander einfach nur hielten und den Support des jeweils anderen genossen. Otogi musste gestehen, diese Umarmung gab ihm mindestens genauso viel, wie er eigentlich geben wollte. Es war eine harmlose Geste, aber er hatte das Gefühl, dass sich etwas in ihm lockerte. All das, was er hier in den letzten Wochen erlebt hatte, alles, was er mit dem Psychiater besprach, was er in der Gruppe gehört hatte und in den Seminaren erfuhr und teilte schien just in diesem Moment seine Wirkung zu zeigen. Am meisten aber wirkte die Zeit, die er mit Tanya hatte, die Gespräche mit ihr waren so ehrlich, nah und ohne Urteil. Sie war hier wahrlich seine größte Stütze.
 

„Weißt du, Ryuji, manchmal regnet es bei mir auch“
 


 

„Mein Name ist Ryou und ich bin süchtig nach Liebe“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  empress_sissi
2022-02-09T18:56:27+00:00 09.02.2022 19:56
Ich dachte mir schon, dass er wenn überhaupt einen Brief an Ryou verfassen würde, aber das dieser dann auch gleich auftaucht, kam überraschend.
Tanya tut mir leid, auch wenn sie so erst zur quasi perfekten Therapeutin (wenn auch ohne Ausbildung) für Otogi wurde.
Antwort von:  Hypsilon
09.02.2022 20:01
Tja :-) Irgendwie muss das ganz ja langsam zusammenfinden ^^
Hach ja, Tanya, sie ist mir so sehr ans Herz gewachsen, dass ich ihr wohl die mieseste Vergangenheit geben musste... aber ja, sie sollte genau das sein, Otogis perfekte Stütze.


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