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Break on through

von

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Durch den unterirdischen Gang gab es eine Abkürzung, welche direkt in die Badehäuser führte. Die junge Prinzessin beorderte ihren Bruder eines der alten Räume auszuwählen. Als es noch keine fortschrittlichen Technologien gab, hatten sie lediglich ein großes Becken und eine Waschschüssel zum Haarewaschen genutzt. Als Kind hatte Eoweli oft ihrem Bruder die Haare gewaschen. Für die junge Prinzessin war es damals die einzige Gelegenheit, den Älteren etwas Gutes zu tun. Ihr Bruder war ihr in so vielen voraus. Er war derjenige, der auf alles eine Antwort wusste, die Dinge regelte und Eoweli in so vielen Beziehungen das Leben erleichtert hatte. Ihr spezielles Ritual war eine Möglichkeit, sich erkenntlich zu zeigen. Die Geschwister hatten dieselbe Haarstruktur - eine schwer zu bändigende, lange Mähne, die einer besonderen Behandlung bedurfte. Obwohl sie längst aus dieser Rolle entwachsen war, wusste sie noch ganz genau, welche Mixturen sie verwenden und wie sie die einzelnen Zutaten perfekt ausbalancierte musste, damit sie das richtige Ergebnis erhielte. Darets saß vor dem Becken, die Hände auf dem Schoß gefaltet und beobachtete die Prinzessin, wie sie den Holzlöffel in der Schale rührte. Dabei war sie äußerst konzentriert, geradezu krampfhaft fokussiert. Schließlich stellte sie sich hinter ihn und zog das Haarband heraus.

"Hm, konnte ich es mir denken", murmelte sie und machte sich daran, lauwarmes Wasser in die Schüssel zu gießen, "deine Diener fürchten wohl, dich mit kaltem Wasser verärgern zu können. Anders kann ich mir dieses Ärgernis nicht erklären."

"Du hast es versäumt, sie in deine weise Haarkunst zu unterweisen", entgegnete er und legte den Kopf in den Nacken.

"Willst du mich schon wieder aufziehen, Bruder?"

"Deine Auffassungsgabe ist so messerscharf wie eh."

Sie knurrte ihn an, musste innerlich jedoch lachen. Es tat gut, ihren Bruder so zu erleben. Die Normalität hatte sie vermisst, das bekam sie nun schmerzlich zu spüren. Sie ließ das Wasser über seine Haare fließen. Dabei war sie so vorsichtig, als fürchtete sie, einen Tropfen zu verschwenden. Gerade als sie anfing sich wohl zu fühlen drang die Bitte ihrer Schwägerin zu ihr durch. Der Grund, weshalb sie hier zusammen waren.

"Weißt du", murmelte Eoweli und begann etwas der Mixtur auf ihre Hand zu verteilen, "wenn dein Kind deine Haare erbt, werde ich mich persönlich um seine Pflege kümmern. Als seine Tante ist es meine heilige Pflicht!" Vor ihr verkrampfte sich ihr Bruder. Eoweli begann derweil seine Kopfhaut einzureiben.

"Wieso schneidest du dieses Thema an?", Darets verpasste es aber auch nie auf den Punkt zu kommen.

"Wir haben noch nie darüber gesprochen."

"Und müssen es auch jetzt nicht", entgegnete er abgeklärt.

"Du sollst wissen, dass ich den künftigen Herrscher so lieben werde als wäre er mein eigenes Kind. Es war mir schon lange ein Bedürfnis, dir das persönlich zu sagen." Sie nahm einen Kamm zur Hand und fuhr einmal über sein gesamtes Haar.

"Das weiß ich", antwortete er, ein leichtes Seufzen drang in seiner Stimme durch.

"Die Königin fürchtet, dir könnte nicht viel an ihr und ihrem Kind liegen."

"Ich denke nicht, dass dich dieses Thema etwas anginge", entgegnete er wie eine Maschine.

"Deine Frau würde sich wünschen, wenn du-"

"Wenn ich was?" Eigentlich wussten beide die Antwort, ohne, dass es einer Frage bedurfte. Darets hatte nie aufgehört, die Ehe als ein notwendiges Bündnis anzusehen. Als Eoweli die junge Braut das erste Mal erblickt hatte, war sie davon überzeugt gewesen, dass ihr Liebreiz und ihre Schönheit auch ihren Bruder erreichen würde. Seine kühle, abweisende Art bewies das Gegenteil. Warum konnte ihr Bruder keine Liebe zu ihr empfinden? Ihren Vater und sie liebte er doch auch - selbst ohne seine Bekundungen konnte sie sich seiner Gefühle sicher sein. 'Und wenn er von meinem Verrat erfährt-", schoss es ihr so manches Mal durch den Kopf, dass ihr Körper zu zittern begann.

"Freust du dich denn gar nicht?", sie musste es ihn einfach fragen. Auch wenn ihr die Antwort womöglich das Herz brechen würde.

"Es ist mir nicht gleich."

"Das beantwortet meine Frage nicht."

"Du bist ist es doch, die vom Eigentlichen abschweift."

Sie goss ihm frisches Wasser über den Kopf.

"Du weißt, was du getan hast?", fragte er, obwohl er keine Antwort erwartete. Eoweli hielt inne. "Ich wollte nicht, dass noch mehr Unheil geschieht."

"Du hast meine Autorität untergraben."

"Das wollte ich nicht."

"Es spielt keine Rolle. Solch ein Verhalten wirft ein schlechtes Licht auf mich. Du solltest deinen Platz kennen."

"Ja", hauchte sie und spülte den Rest der Mixtur aus seinen Haaren. "Ich wollte nicht, dass noch mehr Menschen unseres Reiches hängen müssen."

"Sie gehören nicht zu unserem Reich, das haben sie mehrfach demonstriert. Das sind Barbaren, Eoweli. Verbrecher, die das Reich ins Chaos stürzen wollen. Ich weiß, so etwas verstehst du nicht. Darum halte dich zukünftig aus allem heraus, das deinen Horizont übersteigt." Eoweli ballte die Hände zur Faust. "I-ich", auf einmal wollte die Wahrheit aus ihr heraus sprudeln. Seine Worte hatten sie zutiefst gekränkt. Vor allem, da sie womöglich wahr gewesen wären, wenn sie nicht das Leben außerhalb des Palastes kennengelernt hätte.

"Schwester", er griff nach ihrem Handgelenk, dass sie die Faust lockerte, "ich kenne dein stürmisches Gemüt und lasse es dir dieses eine Mal durchgehen. Auch ich will unnötiges Blutvergießen vermeiden. Aber diese Entscheidung liegt nicht bei mir. Wenn sich Widerstand gegen den Frieden regt, werde ich dem Treiben nicht tatenlos zusehen. Das ist schließlich meins Aufgabe als König. Oder möchtest du mir widersprechen?" Seine Worte klangen wie eine versteckte Drohung. Wusste er etwa von ihrem Geheimnis? Nein, unmöglich. Darets hätte es niemals zugelassen, dass sie sich nach draußen schlich und schon gar nicht, dass sie ohne Zustimmung die andere Welt bereiste. Aber vielleicht wollte er nur Vorsicht walten lassen. Ihr Bruder zog schon immer alle Möglichkeiten in Betracht - auch wenn sie noch so abwegig erschienen. Das war eine seiner Stärken - auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein.

"Nein, Bruder", Eoweli erhob sich und holte ein Handtuch, womit sie seine Haare vorsichtig abtupfte, "wie du schon sagtest, steht es mir nicht zu, deine Vorgehensweise in Frage zu stellen."

"Gut", sagte Darets und schloss seine Augen, "es freut mich, dass du es einsiehst."
 

Aber sie sah es nicht ein.
 

"Nein. Nein. Nein!", mit einer einzigen Bewegung hatte Tiwaz mit dem Schwert pariert. Sie keuchte und ließ die Klinge die Erde küssen.

"Du bist unkonzentriert", sagte der Rebellenanführer und fuchtelte mit dem Schwert vor ihrem Gesicht. Ärger lag in seiner Stimme, er funkelte sie mit seinen tiefenblauen Augen an, dass Eoweli den Blick von ihm abwandte.

"Ihr habt recht", sie fasste sich mit der freien Hand an die Stirn, "ich...ich kann es einfach nicht vergessen", ihr Kopf blickte gen Himmel. Die sternenklare Nacht verriet nichts von dem aufkommenden Sturm, der in die Innenstadt zog. Ihre Lippen begannen zu beben. Sie presste den Mund zusammen. Weinen konnte sie jetzt nicht. Nicht vor ihm. Also schüttelte sie stattdessen den Kopf. "Ich will nicht, dass noch mehr Menschen sterben." Tiwaz ließ das Schwert sinken. "Willst du etwa aufgeben? Einen Rückzieher machen?"

"Ich...ich weiß nicht."

Er stieß einen Pfiff aus. "Es wäre nicht nur feige. Du entehrst damit die Verstorbenen, die eines sinnlosen Todes gestorben wären." Er kam einen Schritt auf sie zu. "Sie haben ihr Schicksal selbst gewählt. Um die Toten zu trauern bringt nichts, wenn du ihre Entscheidung damit in den Dreck ziehst." Eoweli neigte den Kopf. "Ihr habt recht. Jetzt aufzugeben, würde ihren Traum zu einem Witz erklären."

"Jeder hat zuweilen diese Schwäche", er selbst blickte hinauf in den Himmel. Seine Augen verengten sich. "Anfangs wollte ich nur meinen Vater rächen", sagte er als spräche er zu den Sternen, "der König hatte ihn ermorden lassen." Eoweli schluckte, schwieg jedoch. Sie wollte ihn nicht unterbrechen, da er zum ersten Mal Offenheit zeigte.

"Es ist einfach, sich seinen Emotionen hinzugeben. Doch es zeugt von Schwäche und mangelnder Standfestigkeit. Wenn ich Rache an meinem Vater nehme, und den König töte...oder jemanden, der ihm nahe steht, würde es nichts an meinem Verlust ändern. Stattdessen würde ich die einzige Möglichkeit verspielen, meinem Volk zur Freiheit zu verhelfen. Mein Vater hätte mich verachtet, würde ich meine Rache der Freiheit vorziehen." Ein schiefes Lächeln umspielte seine Lippen. Im Mondschein schienen seine Zähne zu funkeln. "Ich weiß eigentlich gar nicht, warum ich dir das überhaupt erzähle."

"Ich bin dennoch froh, dass Ihr es getan habt." Sie brachte sich in Position, in dem sie die Arme hob und das Schwert in Angriffsstellung brachte. "Noch einmal", forderte sie ihn auf. Das Funkeln kehrte in ihren Augen zurück.

"Wie rechtfertigst du nur diese vielen blauen Flecke?", fragte er und tat es ihr gleich.

Eoweli zuckte mit den Schultern. "Ich war noch nie das fromme Weib, das brav auf seinen Kissen ruhte." Sie holte aus. Ihr Gegenüber war schneller. Er stieß sie von sich, dass sie in letzter Sekunde seinem Angriff entkommen konnte. Seine Bewegungen waren schnell und präzise. Er hatte eine unglaubliche Kraft in seinen Armen, dass jeder Versuch, ihn abzuwehren, fehl schlug.

"Du bist zu schwach", rief er ihr zu und wandte nicht viel Gegendruck an, dass Eoweli ins Taumeln geriet. "Als Weib wirst du nie gegen einen Mann bestehen können, wenn du von Angesicht zu Angesicht kämpfst. Darum", er entwischte ihrem kläglichen Versuch, bückte sich und hatte sich hinter sie gestellt. Mit dem Schwert war er an ihrer Kehle, mit der anderen Hand packte er ihre Hüften und drückte sie eng an seinen Körper. Eoweli vergaß zu atmen.

"Darum", säuselte er in ihr Ohr, "musst du mit Schnelligkeit kontern. Dem Gegner eine List stellen und ihn von hinten angreifen." Sie hörte seine Worte wie ein dumpfes Rauschen. Sie spürte seine Statur hinter sich - groß, dominant und stark. Sogar sein Duft drang zu ihr durch. Irgendwie einnehmend.

"Hast du etwa angst?", grinste er. Dünne Luft trennte die Klinge von ihrem Hals. Eoweli interessierte das Schwert nicht. Die junge Prinzessin war viel zu sehr von seiner Präsenz eingenommen als dass die Waffe sie verunsichern könnte. Innerlich war sie erleichtert, dass er ihre Reaktion missdeutete. Sie verstand sie ja zuweilen selbst nicht.

"Noch mal", hauchte sie zurück, "ich höre nicht auf, bis ich einen Treffer erzielt habe."

"Vergiss' nicht, dass die Nacht sich bald dem Ende neigt." Er ließ von ihr.

"Dann schindet keine Zeit." Damit entwischte sie seinem Blick und holte zum Gegenschlag aus.



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