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Break on through

von

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Die Stimmen im Untergrund wurden lauter. Gerüchte machten auf Atlantis die Runde. Unsicherheit und Neugier erreichte die Innenstadt. Über jene furchtlosen Pangsänen und ihrem Geheimnis. Geflüster schallte über die Marktstände. Die Tage zogen dahin, die Stimmen erhoben sich aus dem Untergrund, spalteten die Bewohner in ihren Prinzipien. >Das unbekannte Paradies< so nannte sich die neue Hoffnung derjenigen, die den Glauben an wahrer Freiheit nicht aufgegeben hatten. Die Zahl derer, die Zweifel an der Regierung hegten, wuchs. Es waren nicht mehr nur Geächtete - einfache Bürger fingen an, ihr Schicksal in Frage zu stellen. Die Säulen des Widerstandes festigten sich, spalteten die Insel, verunsicherten diejenigen, die sich ihrem Los ergeben hatten. Der Ruf der königlichen Getreuen nach Vergeltung erreichte den Königspalast. Der Großteil des Volkes, der ihrem König treu ergeben war, missbilligte die Märchen, welche einzig die vertriebene Minderheit verbreitet haben konnte. Sie riefen nach ihrem Herrscher, er möge den Zwiespaltern endlich Einhalt gebieten. König Darets erhörte schließlich seine Untertanen. Die Zeit des Handelns war gekommen. Die Zeit der Machtdemonstration für diejenigen, welche die neue Ordnung noch immer nicht akzeptiert hatten. Diese Demonstration mündete in einer Hinrichtung. Ein diebischer Rebell wurde Sinnbild alles Schlechtem, was den Widerstand definierte. Als Warnung stellten sie ihn an den Pranger. Die Worte des Königs hallten in der Stadt, die fordernde Menge schaute zu, wie der junge Mann an den Galgen gehängt wurde. Die Schreie der Mutter, die um Gnade winselte, überhörten sie. Nicht jedoch die Prinzessin. Die dem Treiben beiwohnen musste, während ihr Bruder das >Paradies< für Verleumdung erklärte, bevor die Klappe unter den Füßen des Mannes herunter gedrückt wurde. Eoweli konnte ihren Blick nicht abwenden als der Mann strampelnd seinen letzten Todeskampf kämpfte - und ihn schließlich verlor. Die Bürger schienen besänftigt, die Pangäsanen sammelten sich. Die Situation spitzte sich zu als die Widerstandskämpfer der Aufforderung, ihr Haupt zu senken, nicht Folge leisteten. Dass sie sich weigerten, vor ihrem König auf die Knie zu fallen, glich einem Hochverrat. Der Marktstand roch nach Rache und Blutdurst, während im Hintergrund das Weinen der Mutter weiter hallte. In einem plötzlichen Anflug erhob sich Prinzessin Eoweli von ihrem Stuhl, faltete die Hände und begann das Totenlied zu singen. Jener Gesang, der die Verstorbenen ins Totenreich geleiten sollte, ließ die Unruhen verstummen. Die Stimme der Prinzessin, mochte sie noch so laienhaft sein, erreichte beide Seiten. Die Pangäsanen senkten ihr Haupt, denn, wenn etwas Heiliger war als der König selbst, dann das letzte Geleit der Toten. Die Gemüter besänftigen sich - für den Augenblick, in dem die Mutter um ihr einziges Kind trauerte. Nicht aber für den König, der eine derartige Einmischung nicht vorausgeplant hatte.
 

Das Herz der Prinzessin wollte nicht aufhören wie ein Hammer an ihre Brust zu klopfen. Angst, Reue, Wut - all das packte sie.

"Schwägerin", die Stimme der Königin erklang vor ihr. Iona kam auf die junge Prinzessin zu. Ihr Blick verriet die Unsicherheit.

"Geht es dir gut?", Eoweli eilte herbei, "ist etwas mit deinem Kind?" Beide Frauen sahen auf den wohl geformten Bauch hinunter. Die Königin strich über den gewölbten Stoff und schüttelte den Kopf. "Uns geht es gut. Sie strampelt schon den ganzen Tag ganz aufgeregt." Ein sanftes Lächeln huschte über ihre Lippen.

"Sie", die Prinzessin machte große Augen.

"Nun ja", lachte Iona auf, "ich habe so ein Gefühl, dass es ein Mädchen wird."

"Ich freue mich schon darauf, meine Nichte zu sehen", die Worte lenkten von ihrer eigenen Unruhe ab.

"Wenigstens du", Ionas Blick wurde trüb.

Eoweli faltete die Hände. "Der König freut sich bestimmt noch mehr als ich."

Doch die Worte prallten an der Königin ab. "Seit Wochen meidet er mich. Er fragte noch nicht einmal nach dem Befinden unseres Kindes."

"Darets ist zurzeit sehr beschäftigt."

"Er würdigt mich keines Blickes. Als würde ihm mein Anblick missfallen. Er findet mich nicht begehrenswert"

"Sag' so etwas nicht", Eoweli schnürte es die Kehle zu, "mein Bruder möchte euch sicher nur schonen. Du trägst schließlich sein Kind, da möchte er, dass euch beiden auch nichts zustößt. Missdeute seine Ablehnung nicht. Mein Bruder zeigt nur sehr selten seine Gefühle. Vielleicht sind es nur deine Hormone, die dir einen Streich spielen wollen."

"Sein Desinteresse war schon vor der Schwangerschaft. Er sieht mich nicht wirklich. Seit ich neues Leben in mir trage ist es noch schlimmer geworden. Ich weiß einfach nicht, was ich tun soll, Eoweli", sie schlug die Hände vor die Augen, "ich möchte den König glücklich machen. Aber ich weiß nicht, wie. Ich wünschte, er würde mich so ansehen wie dich."

"Wie mich?"

"Entschuldige", sie wischte sich die Tränen von der Wange, "ich habe mich falsch ausgedrückt. Aber im Gegensatz zu mir wendet er sich nicht von dir ab, wenn du mit ihm sprechen willst. Ich weiß, es ziemt sich nicht, dass ich so etwas von dir verlange, doch...möchte ich dich bitten, dass du mit deinem Bruder sprichst. Vielleicht sagt er dir, was für einen Fehler ich in seinen Augen begannen habe. Ich möchte mich mit ihm gut stellen. Er soll wissen, dass ich alles erdenkliche tun möchte, um seine Zuneigung zu verdienen. Auch für unser zukünftiges Kind."

"Iona", Eowelis Stimme wurde rau.

"Ich flehe dich an, Schwägerin!"

"Also schön", flüsterte die Prinzessin, "aber bitte, mach' dir nicht so viele Sorgen. Du musst dich schonen. Allein für die kleine Prinzessin da drin", sie mühte sich ein Lächeln ab, dass die Miene der Königin etwas aufhellte.
 

Ihren Bruder aufzusuchen, war das letzte, wonach sie strebte. Nicht nach den heutigen Ereignissen, die sie noch immer nach Luft schnappen ließen. Das Bild des baumelnden Mannes wollte ihr nicht mehr aus dem Kopf gehen. Die Schreie der Mutter, die alles gegeben hätte um an seiner Stelle zu hängen. Und dann noch Darets. Die kalten Augen, der Blick als Eoweli gehandelt hatte. Sein Misstrauen konnte sie sich nicht leisten. Gerade jetzt, wo die Verhandlungen auf der anderen Seite kurz vor ihrem Abschluss standen. Der Tote am Strick ließ die Zuversicht schwinden. Was, wenn es noch mehr Tote gäbe? Noch mehr Gehänge und Geächtete. Wollte sie die Verantwortung eines Lebens, das nicht ihr gehörte, tatsächlich tragen? Stand es ihr überhaupt zu - sie, die bloß eine Prinzessin war? Eine Gesegnete, die zufällig auserwählt worden war, den Schlüssel zu anderen Welt zu tragen. Womöglich war sie doch nur das Anhängsel ihres Bruders. 'Darets', Eoweli wandelte durch den Flur. Sie wusste längst, wo ihr Bruder war. Langsam schritt sie die Stufen zum Untergeschoss herunter. Der König kniete vor den Ahnen. Seit Generationen verweilten die verstorbenen Herrscher unterhalb des Schlosses. Bilder zierten die Kapelle; Bilder ehemaliger Herrscher und deren Familien. Ganz hinten war ein Altar errichtet worden. Einmal im Monat war es Brauch, seine Ahnen aufzusuchen. Die Vorfahren um ihren Segen zu bitten. Regungslos verweilte Darets in seinen Gebeten. Stumm stand die Prinzessin derweil am Eingang und wartete geduldig. Ihre Brust zog sich zusammen. Der Anblick ihres Bruders, wie er ehrfürchtig die Toten beschwor, ließ das Bild des eiskalten Herrschers verschwimmen.

"Schwester", hallte das Wort durch den gesamten Raum, dass Eoweli zusammen zuckte. Er hatte sie bemerkt - wie hätte sie auch annehmen können, dass sie sich an ihn heran schleichen könnte. Eoweli tat eine leichte Verbeugung als ihr Bruder sich erhob und auf sie zu schritt.

"Verzeih', wenn ich dich gestört habe.", sagte sie und kratzte sich an den Unterarm, "ich wusste, dass dies die einzige Gelegenheit war, dich in Ruhe zu sprechen."

"Du willst mit mir sprechen?", seine Worte waren ruhig, sie klangen nur nicht sanft genug als dass sie seiner Ruhe trauen konnte. Eoweli nickte.

"Lass' mich", sie zwang sich zu einem Lächeln, "lass' mich dir die Haare waschen." Ein leichter Anflug von Verwunderung kam ihm über sein strenges Gesicht. Dann musterte er sie streng: "Soll das eine Art Entschuldigung für dein Fehlverhalten sein?" Seine Schwester verschränkte die Arme und schüttelte mit dem Kopf. "Ich kann es nur nicht mit ansehen, wie die Diener deine Haare schänden. Außerdem", ihre Stimme wurde schwach, "ist das letzte Mal sehr lange her." Das Schweigen ihres Bruders war erdrückend. Schließlich schloss er die Augen. "Also gut. Meine Pläne für heute hatten sich sowieso zerschlagen."

"Prima", lächelte Eoweli, und diesmal schwang ein Hauch Wahrheit in ihrer Mimik.



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