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Fremde gehen

von

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„Liebst du mich?“
 

Diese sanfte Stimme klingt genauso wie an jenem Abend. Er guckt mich genauso an. Sein Geruch, seine Haare, sein krankhaftes betrunkenes Lachen, seine dummen Antworten auf meine noch dümmeren Fragen, unser besoffenes Rummachen… seine Augen wie ein endloses Meer… und mein Geständnis. Es kam alles wieder und jetzt überlastet es meinen Kopf. Mein Schädel platzt gleich.
 

„Sasuke… bitte…“, fleht er mich leise an. Er ist verzweifelt, aber ich weiß keine Antwort. Außer der vom Weihnachten. Was soll ich jetzt sagen?! Was soll das nur sein?! Ich zögere.

„Es tut mir leid, aber ich weiß nicht genau, was ich zu dir fühle.“
 

Die Worte sind gefallen.
 

„Oh… das hat jetzt mächtig weh getan“, wispert er. Sein Blick wird trübe und sein Kopf fällt passiv auf meine Schulter. Er wird vom nächsten Heulanfall überwältigt. Daraufhin bekomme ich ein dringendes Bedürfnis, mich sofort zu rechtfertigen, und breche in einem Wortschwall aus:

„Du bist auf jeden Fall nicht mein Wegwerfspielzeug! Verdammt, du bist an sich kein Spielzeug, okay! Das warst du für mich nie! Ja, gut, am Anfang warst du tatsächlich jemand, mit dem ich zwischendurch Spaß haben konnte, mehr nicht! Aber selbst dann warst du ein Mensch mit einem gewissen markanten Charakter und nie nur ein Vergnügswerkzeug, verstanden?! Darüber hinaus warst du immer — und ich wiederhole es explizit — IMMER einer der wertvollsten Mitarbeiter, die ich je beschäftigen durfte! Mittlerweile verstehe ich auch, dass du neben all dem ein wunderschöner Mensch bist, und Gott sei Dank ist es so weit! Dafür ich war bis zum bitteren Ende absichtlich blind, damit du mir eben nicht wichtiger wirst, als jemand, mit dem ich gelegentlich Spaß haben kann! Das hat aber sowas von nicht funktioniert und jetzt bist du mir überhaupt nicht egal, Naruto! Ich kümmere mich schon! Auf meine komplizierte Art eben! Nur kann ich dieses Kümmern nicht näher beschreiben! Ich verstehe es nicht wirklich! Es ist rätselhaft und einzigartig! So wie du es für mich bist! Ich weiß nicht, wo ich dich in meinem Kopf einordnen soll! Ich weiß nicht, was wir eigentlich sind oder warum wir immer noch in dieser komischen Beziehung stecken! Ich versteh nicht, warum mir dieser krasse Altersunterschied zwischen uns absolut nichts ausmacht! Ich hab keine Ahnung, was ich zu dir fühlen darf oder soll, und überhaupt meine jetzigen Gefühle dir gegenüber einzuordnen macht mich innerlich kaputt! Alles, was ich mit Sicherheit weiß, ist, dass ich dich richtig unverschämt belüge! Tag für Tag! Naruto, ich kann dir keine normale Beziehung geben! Gott verdammt, ich bin verheiratet! Und trotzdem nehme ich dich jeden Tag richtig dreist mit aufs Hotel! Ich will ja mit dir Spaß haben!“ Ich hole tief Luft uns fahre fort: „Nur, geht es mittlerweile nicht nur um Spaß, Naruto… ich finde deine Gesellschaft so nett, dass ich lieber mit dir gemeinsam eine vertrocknete Pizza aus der Mikrowelle teile, anstatt alleine ins Büro zu bestellen! Du hast allgemeinen eine coole Art! Ich mag sie! Dass wir uns richtig fies necken können, oder dass du so lustig sein kannst! Deinen witzigen Arbeitsgeschichten höre ich sehr gerne zu! Ja, ich spioniere durch dich ein bisschen rum, wer wie viel arbeitet, wer produktiv ist, wer freitags früher unerlaubt nach Hause geht, wer wen nicht leiden kann und warum und so weiter, aber deine Erzählweise über den sonst so trüben Büroalltag finde ich echt unterhaltsam! Oder ich will manchmal am Ende des Tages einfach nur in deinen Armen liegen! Es ist richtig entspannend! Ich falle tot um und du fängst mich auf! Immer! Und dann machst du dein magisches Hellseher-Gedöns mit dem intuitiven Spüren und Puff! Die meisten Arbeitsprobleme sind dann doch nicht so schlimm, wie ich dachte! Vielleicht deswegen behandle ich dich irgendwie „netter“ oder „wie einen festen Freund“ oder „wie in einer echten Beziehung“ oder was weiß ich, was ich sonst noch mache, um dich mit Hoffnungen zu füttern, aber das ist eine traurige LÜGE! Nochmal, Naruto, ich werde niemals dein Freund sein! Niemals! Ich kann es einfach nicht, okay? Neben der Tatsache, dass ich verheiratet bin, stößt mich dieser Gedanke zutiefst ab und ich flüchte mental woanders! Ich kann mir eine normale Beziehung mit dir nicht einmal vorstellen! Ich hab’s versucht, glaub mir! Sogar mehrfach! Und jedes Mal ist irgendwas an der Konstellation so absolut unverkraftbar, dass ich den Gedanken sofort blutig sterben lassen muss! Ich meine, was soll das, ha?! Willst du so einen Partner haben?! Willst du jemanden, der den Gedanken mit dir fest zusammen zu sein abstoßend findet, hat aber damit kein Problem, dich jede Nacht mit aufs Hotel zu nehmen?! Willst du das wirklich?“ Ich gucke in seine Augen. „Sag mal, willst du mich ernsthaft so nehmen?“

„Ich liebe dich eben so“, spricht er heulend aus.

„Was?! Du willst einen Partner, den nur ein Gedanke an eine feste Beziehung mit dir anwidert?!“

„Nein, um Gottes willen! Das will doch niemand!“

„Und warum willst du mich dann?!“

„Weil ich dich liebe, verdammt noch mal!“, bricht er in einem neurotischen Schrei aus.

„Hast du mir gerade eben überhaupt nicht zugehört?!“, entgegne ich kräftig.

„Doch! Ich will dich trotzdem so! Ja, du kannst dir aktuell keine Beziehung mit mir vorstellen! Das kann ich absolut nachvollziehen! Dein Leben wird dadurch ganz anders! Aber deine Einstellung dem gegenüber wird sich bestimmt ändern!“

„Was labberst du da?!“

„Na, hättest du denn gewusst, dass du dich um mich so ernsthaft kümmern kannst?“

„Nein!“

„Siehst du?! Siehst du! Das mit der Beziehung wird genauso sein! Wir kriegen es bestimmt schrittweise hin! Es wird schon passen!“

„Und du glaubst wirklich daran, oder wie?!“

„Ja, verdammt! Ich liebe dich eben! Ich liebe dich einfach über alles, Sasuke! Was verstehst du denn daran nicht?!“

„Du bist absolut krank, Uzumaki!“ Ich knirsche mit den Zähnen und spucke diese Worte herablassend aus. Er schmeißt sich auf meine Brust und fährt heulend fort:

„Ich weiß! Aber was soll ich denn tun?! Ohne dich werde ich ganz kaputtgehen! Mit dir habe ich wenigstens eine Chance! Ich habe also eh nichts zu verlieren! Bleib doch einfach!“, fleht er mich verzweifelt an. „Und ich meine nicht nur für eine Nacht. Sondern für immer! Bleib bei mir, Sasuke! Bitte!“

„Du hast mich doch vorhin gehört! Ich kann nicht!“ Ich werde langsam wütend. Wir drehen uns im Kreis.

„Warum bist du denn so, ha?! Es ist doch so einfach! BLEIB BEI MIR! BITTE!“
 

Er haut mich auf die Brust, aber es tut überhaupt nicht weh. Er kann nicht mal die Hand zur Faust ballen, geschweige denn ordentlich zuschlagen. Sein Zustand ist mittlerweile ziemlich kritisch. Er bricht buchstäblich zusammen. Das ist sein geistiges Ende. Er prügelt schwach auf mich ein, sein Körper windet sich in einer wahnsinnigen Ekstase und er brüllt krankhaft immer wieder dieselben Worte.
 

Sasuke. Bleib bei mir. Bitte. Sonst gehe ich kaputt.
 

Ich schließe die Augen. Meine Systeme fahren abrupt runter und ich verliere mein Empfinden. Nichts verbleibt, außer dem pochenden Schmerzen irgendwo in meiner Brust. Seine Schreie erreichen mich nicht mehr. Ich bin taub. Er müsste irgendwie zur Ruhe kommen. Schritt 1: umarmen. Meine Arme legen sich reflexartig um ihn herum. Ein loses Programm zur Narutos Beruhigung wird richtig unpassend in Gang gebracht. Ich kann mich dem nicht widersetzen, obwohl ich gern würde. Ihn zu umarmen ist gerade überhaupt keine gute Idee. Und tatsächlich. Er wird dadurch weiter zur Weißglut getrieben. Er drückt sich unerwartet kräftig von mir ab und schreit mir ins Gesicht:
 

„Guck mich verdammt nochmal an!“ Ich befolge die Aufforderung und mache die Augen auf. Er packt mich schwächlich an den Schultern an. Seine Gestalt nimmt wieder diese dämonischen Züge an, jedoch diesmal ist sie weder majestätisch noch angsteinflößend. Diesmal wirkt er komplett verrückt und dadurch ist er äußerst bemitleidenswert. Er mobilisiert die allerletzten Kräfte und wird noch einmal richtig laut:
 

„Du sagst, du findest meine Gesellschaft nett! Du sagst, du magst meine Art! Du sagst, du willst nach einem anstrengenden Tag in meinen Armen liegen! Nicht in den von deiner Frau! IN MEINEN! Du hast gesagt, ich bin einzigartig! Du hast gesagt, du vertraust mir dein Selbst an! Das ist doch Liebe in höchster Form, Sasuke! Warum siehst du denn das nicht ein?! WARUM SIEHST DU DENN DAS NICHT EIN?!“
 

Ich geh noch tiefer in mich hinein. Ich stumpfe noch mehr ab. Meine Augen fallen zu. Ich verstecke mein Gesicht in seinen Locken und hänge mich auf seine Schulter. Das löst in ihm den allerletzten Wutausbruch aus:
 

„NEIN! NICHT ABSCHALTEN!!! SIEH MICH VERDAMMT NOCHMAL AN!“ Er versucht mich von sich wegzubewegen, aber er kann nicht. Er ist viel zu schwach. Seine Bewegungen sind unnötig hastig. Er verzettelt sich. Seine Stimme bricht. Er strapaziert sie trotzdem und sie reißt schmerzhaft: „OH, WARUM BIST DU JETZT SO, HA?! SIEH MICH AN! HÖR MIR ZU! SAG WAS! SPRICH DOCH ENDLICH! SASUKE!!!“
 

Ich kann nicht. Mein Körper gehorcht mir nicht mehr. Sein Wortschwall stoppt. Er muss husten und tief Luft holen. Sein Atem ist schwer. Er will aus meinen Armen flüchten und windet sich wie eine sterbende Schlange. Nach einem mühseligen Kampf ist er aus dem Zwinger ausgebrochen. Und ich verbleibe ganz allein.
 

„VERSCHWINDE EINFACH! GEH! HAU AB!!! ICH WILL DICH NIE WIEDER SEHEN!!! NIE WIEDER!!!“
 

Das war’s für heute. Ein dumpfes Plumpsen ertönt. Er ist vor Erschöpfung umgefallen. Wie ein ausgebrannter Stern. Ich vergrabe mein Gesicht in die Knie und atme schwer. Seine Wohnung ist wirklich kalt. Die Chills gehen direkt unter meine Haut und mein Körper reagiert — ich zittere. Keine Ahnung, wie lange ich schon hier so sitze. Ich hebe den Kopf hoch. Die Schlacht ist vorbei. Die Erde ist verbrannt. Es gibt keine Gewinner. Nur Zerstörung, Verzweiflung und einen endlosen schwarzen Leid. Naruto ist bewusstlos. Ich taste maschinell den Puls auf seinem Hals ab — er lebt noch. Wenigstens eine positive Nachricht. Nächste Sache: Ich hebe ihn mühsam hoch und trage ihn ins Bett rüber. Danach decke ich ihn zu. Keine Ahnung wieso. Mein Körper hat sich von alleine bewegt. Und jetzt ist der Plan alle. Was soll ich tun? Soll ich mir jetzt Sorgen machen, weil er so selten atmet? Keine Ahnung… soll ich einen Krankenwagen rufen? Keine Ahnung… soll ich gehen? Keine Ahnung. Soll ich noch ein wenig hier bleiben? Keine Ahnung! Ich weiß es nicht! Ich bin katastrophal überfordert! Hör auf! Hör bitte auf…
 

Ich sickere langsam auf den Boden. Mein Kopf pulsiert vom ganzen unverständlichen Wirr, der darin steckt.
 

Naruto. Sakura. Kinder. Betrug. Überstunden. Hotel. Weihnachten. Arbeit. Vorstand. Menmas Aufnahmeprüfung. Bleiben. Einzigartig. Bund. Mysteriös. Assistent. Meer. Augen. Liebesgeständnis. Vollständig. Vertrauen.
 

Naruto vollständig mein Selbst anvertrauen.
 

Ich breche leise zusammen. Sehr leise. Ich bin so abgestumpft, dass ich nichtmal ordentlich heulen kann. Als rudimentäres Empfinden verbleibt mir nur der akut stechende Schmerz in der Brust. Himmel, bitte lass es aufhören. Ich kann nicht mehr… ich möchte einfach nur etwas Ruhe…
 

Nach einer Weile verlasse ich sein Apartment. Keine Ahnung, wie lange es gedauert hat, aber ich kann wieder einigermaßen klar denken. Zumindest gehorcht mir mein Körper und ich kriege einfache Abläufe wieder hin. Naruto und ich sind endgültig durch. Eigentlich sollte es befreiend sein, aber keine Ahnung. Keine Spur davon. Gar nichts. Nur dieser pochend glühender Schmerz. Ich gucke auf mein Handy. Fünf Uhr morgens und zu viele verpasste Anrufe von meiner Frau. Egal. Ich kläre das später. Jetzt sollte ich nach Hause. Ein großes nervig summendes Schild einer Bar springt mir aufdringlich ins Auge. Reingehen? Ne, keine gute Idee. Einfach weiter gehen und dann nach Hause fahren.
 

Plötzlich ploppt noch eine wütende Nachricht von Sakura auf. Ich lese sie mir durch und verspüre absolut null kümmern. Dann lass es halt brennen. Zur Hölle mit allem. Ich drehe mich um und gehe auf das nervig summende Schild zu. Na los, Sasuke, ertränke dich einfach im Alkohol! Sink noch tiefer! Ist doch egal! Es macht ja eh keinen Unterschied mehr. Na also…



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Scorbion1984
2021-02-12T15:08:32+00:00 12.02.2021 16:08
So Sasuke ab jetzt kannst Du dich in deiner Arbeit ertränken ,denke nicht das Naruto das noch weiter für ihn erledigt .
Es wird wohl nicht lange dauern bis er merkt was er angerichtet hat .
Aber so ergeht es einen der keinen Arsch in der Hose hat. Mal sehen wann für ihn das große heulen kommt .
Von:  Onlyknow3
2021-02-05T18:58:17+00:00 05.02.2021 19:58
Sasuke du armer Wicht, du tust mir ech nur noch Leid. Warum hast du das mit Naruto angrfangen, wenn du ihn jetzt wie Müll entsorgst weil er störend ist mit seiner Liebe zu dir. Doch auch dir werden irgendwann die Augen aufgehen, und dann bete das es noch nicht zu spät ist. Naruto wird dich ab jetzt sicher meiden, und die Arbeit die er für dich getan wird auf dich zurück fallen, du schwacher Mensch du. Weiter so, freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Onlyknow3


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