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Transformation

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Nach zwei Wochen schaffe ich es endlich wieder, ein Kapitel hochzuladen. Hoffe, ihr habt Spaß beim Lesen. ^^

Die Renovierungsarbeiten laufen erst jetzt so richtig an, also werden wahrscheinlich immer mal wieder Pausen beim Hochladen vorkommen. Sollte das der Fall sein, schreibe ich das allerdings sonntags in mein Profil. Komplett anzeigen

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Kapitel 6

Kid

 

Gerne hätte ich mir noch eine Weile länger mit Law provozierende Nachrichten hin und her geschickt, doch ein übergeschnappter Idiot mit knallgrüner Hahnenkammfrisur machte das zunichte, als er in den Gemeinschaftsraum platzte.

„Shanks! Da! Ich hab… die Person gefunden… die du meintest!“ Bartolomeo – ein riesiger Kerl mit Septumring und Tätowierung unterm Auge wohlgemerkt – fuchtelte nach Luft schnappend mit dem zuvor gefundenen Handy vor Shanks herum, als wäre er Fangirl auf einem Boyband-Konzert. „Sie hat genau… 37-mal angerufen!“

„Sieh einer an!“ Ein strahlendes Lächeln machte sich auf Shanks’ Gesicht breit. „Ganz schön gewitzt, die Kleine. Aber nicht mit mir; ich wusste ja, dass sie mir etwas verschweigt.“

Er nahm das Handy entgegen und legte es unter Bartolomeos triumphierenden und Smokers halbwegs interessierten Blicken in die Mitte des Sofatisches. Ich verdrückte eilig die letzten Reste Hühnerfleisch, wischte mich noch einmal in den Vorhang und trat dann einfach ein paar Schritte näher an die anderen heran. Dass eventuell noch eine Schwefelfahne an mir haftete, war mir gerade scheißegal. Ich hatte nicht nur die Befugnis, sondern sogar die verdammte Aufgabe, Shanks bei seinem Vorhaben über die Schulter zu glotzen.

„Kid!“ Bartolomeo hatte mich entdeckt und wie jedes Mal krepierte er vor Begeisterung beinahe. „Du bist ja auch da!“

„Unkraut vergeht nicht, Barty.“

Handschlag, Faust, Schulter, Teufelshörner – unsere spezielle Begrüßung saß.

„Der Champignon und der Lahmarsch waren gerade noch bei mir! Haben mir alles erzählt!“, plapperte Barty drauflos. „Wie du den Tatort und das Handy gefunden hast! Der Wahnsinn!“

Bei ihm gab es nur zwei Modi: Entweder vergötterte er etwas oder er fand es abgrundtief scheiße. Entweder las er einem mit Dackelblick jeden Wunsch von den Lippen oder er wurde zur bissigen Bulldogge, die vor nichts und niemandem Respekt hatte. Man konnte ihn durchaus als anstrengend bezeichnen, doch da er zu meinen Bekannten noch aus Waisenhauszeiten gehörte, nahm ich seine seltsamen Anwandlungen zumeist hin.

„Jungs, seid leise!“ Shanks tippte gut gelaunt auf Vinsmokes Handy herum. „Ich werde jetzt einen Anruf tätigen.“

„A-aber natürlich!“, stammelte Barty und kniete im nächsten Moment auch schon direkt vor dem Sofatisch am Boden, um das Geschehen mit glitzernden Augen zu verfolgen. Er war wirklich nicht ganz dicht. Wobei ich Shanks hinsichtlich ihm Kompetenz zusprechen musste, da er derjenige gewesen war, der meinen alten Freund zuerst als Hacker aufgegriffen und ihn dann zur Festanstellung als IT-Spezialist überredet hatte. Irgendwie hatte er es geschafft, über Nacht vom Scheißbullen zum angebeteten Idol zu werden. Was eine Glanzleistung war. Wenn Barty sich nämlich einmal zu etwas eine Meinung gebildet hatte, änderte er diese für gewöhnlich auch nicht mehr.

Mit verschränkten Armen auf eine Stuhllehne gestützt sah ich nun dabei zu, wie Shanks das Handy traktierte und gleich darauf ein lautes Tuten erklang. Keiner im Raum gab mehr einen Mucks von sich. Alle Augenpaare waren auf das Smartphone gerichtet und die unausgesprochene Frage allgegenwärtig, ob wir auf diese Weise tatsächlich an für uns relevante Informationen kamen.

Nur drei Freitöne später wurde der Anruf entgegengenommen.

„Sanji!“

Eine verzweifelte Frauenstimme meldete sich zu Wort. Woraufhin Shanks um einiges ernster als zuvor entgegnete: „Nein, tut mir leid, Frau Vinsmoke. Hier spricht Shanks von der Kriminalpolizei. Ein paar meiner Kollegen sind per Lautsprecher ebenfalls anwesend.“

Entsetzte Stille am anderen Ende der Leitung.

„Bitte legen Sie nicht auf, wenn Ihnen das Wohlergehen Ihres Bruders etwas bedeutet. Ich möchte mich gerne mit Ihnen unterhalten.“

Wieder Stille. Schließlich: „Meinetwegen.“

„Vielen Dank für Ihre Kooperation, Reiju“, lächelte Shanks. „Bitte wären Sie so freundlich, mir zuallererst zu erklären, weshalb Sie mir vorhin verschweigen mussten, dass Sie sehr wohl Kontakt zu Sanji haben?“

„Das lag nicht an Ihnen“, kam die prompte Antwort und ich hatte den Eindruck, trotz der Besorgnis auch eine gewisse Professionalität in Reijus Stimme wahrzunehmen. „Sehen Sie: Meine Familie hält Sanji für einen...“, sie schluckte, „...einen Taugenichts. Jegliche offen gezeigte Sympathie für ihn könnte mich Ansehen und Arbeitsplatz kosten.“

„Aber Sorgen machen Sie sich schon um ihn?“

„Sonst hätte ich nicht versucht, ihn zu erreichen. Wieso fragen Sie das? Und woher haben Sie überhaupt sein Handy?“

„Sie setzen Ihre Prioritäten sehr eigenartig, Reiju“, sprach Shanks das an, was wohl einem jeden hier durch den Kopf ging. (Ja, sogar bei Smoker war ich mir da relativ sicher.) „Wenn das mein Bruder wäre, der da verschwunden ist, wären Job und was die Leute von mir denken das Letzte, worum ich mir Sorgen machen würde. Und was den Fundort des Telefons angeht, so seien sie unbesorgt – wir haben alles im Umkreis gründlich nach Spuren und Hinweisen abgesucht und arbeiten an der Auswertung.“

Hehe, das war’s, Shanks. Nach der Ansage geht die doch in die Luft.

„Ich wäre Sanji keine große Hilfe, sollte ich selbst in eine problematische Situation geraten“, widerlegte sie meine Gedanken mit kühler, sachlicher Gefasstheit. Sofort wurde mir klar, dass dies nicht das erste unangenehme Gespräch war, das sie führte. Ich hatte mir ihre Professionalität zuvor also nicht eingebildet. „Und glauben Sie mir: Meinem Vater zu offenbaren, dass ich ihn all die Jahre über angelogen habe, was meine Beziehung zu Sanji betrifft, wäre eine problematische Situation.“

„Tatsächlich? Doch nicht so unschuldig, Ihr liebster Herr Vater, wie er zu sein vorgegeben hat?“

Reiju schien zu zögern, antwortete aber dennoch.

„Ganz ehrlich, Shanks: Ich weiß es nicht. So weit ich informiert bin, hatte er tatsächlich keine Ahnung, dass Sanji längst von seinem Auslandsaufenthalt zurück ist. Für einen potentiellen Täter oder Mittäter halte ich ihn trotzdem. Auch meine Brüder würde ich nicht ausschließen. Meine Familie nutzt mitunter eher... unorthodoxe Wege, Geschäfte abzuwickeln oder Probleme aus der Welt zu schaffen. Wieso also nicht auch das Problem Sanji?“

Weiterhin derselbe unterkühlte Tonfall, den auch Law benutzt hatte. Wo zum Teufel kam diese Art Mensch her? Aus Alaska? Vom Sonnenbaden in der Tiefkühltruhe?

„Einen Moment bitte.“ Shanks zog die Burger-Pappschachtel in seine Reichweite, dann begann er mit einem Kugelschreiber Notizen daraufzuschmieren. Natürlich war das nicht einmal halb so professionell wie Reiju, aber ehrlich gesagt hätte ich dasselbe getan, solange es seinen Zweck erfüllte. „Sie beschuldigen also so ohne Weiteres Ihre gesamte Familie, nur weil diese schlecht auf Sanji zu sprechen ist? Obwohl Sie selber – insofern das stimmt – die einzige sind, die ihn in letzter Zeit kontaktiert hat? Ich hoffe, Sie wissen, wonach das klingt.“

„Sie müssen mir bitte glauben!“ Endlich war ein Hauch der Verzweiflung zurück, mit der sie uns ganz zu Anfang begrüßt hatte. Ewig konnte also auch ein Alaska-Tiefkühlmensch nicht an sich halten und irgendwie bereitete mir das Genugtuung. Zumindest machte es Reiju um eine ganze Ecke vertrauenswürdiger. „Sanji bedeutet so viel für mich! Ich würde ihm niemals etwas zu Leide tun! Sehen Sie sich unseren Chatverlauf an. Bitte! Sie haben mein vollstes Einverständnis dafür. Sie werden dort nichts weiter vorfinden, als völlig normale Konversationen zwischen Geschwistern. Keine versteckten Botschaften, nichts zwischen den Zeilen, gar nichts. Er wollte… er wollte mich am Wochenende ins Kino… einladen…“

Ihre Stimme erstarb. Bildete ich mir das ein oder hatte sie soeben ein Schluchzen unterdrückt?

„Ich werde mir den Chatverlauf ansehen!“ Völlig unerwartet war Barty aufgesprungen, hatte seinen Kopf beinahe gegen den von Shanks gerammt und brüllte nun von wer-weiß-welchen Dämonen gebissen in das Handy hinein. „Mach dir keine Sorgen, Reiju! Shanks und Kid finden deinen Bruder! Wir glauben dir!“

„Tun wir das?“

Hilflos warf Shanks mir einen Blick zu, doch ich zuckte nur grinsend die Schultern. Er war so etwas wie ein Guru für Barty, dann konnte er sich gefälligst auch alleine um ihn kümmern. Und zwar schnell. Seine Lautstärke bohrte sich wie kleine, fiese Uhrmacherschrauben in mein schmerzendes Gehirn.

„Ähm, Barto… wenn du bitte…“

„Oh nein! Verzeihung! Natürlich!“

Shanks brauchte ihn nicht einmal wegschieben, so sehr war Barty ihm hörig. Hellauf entsetzt über sich selbst machte er einen Satz rückwärts und ich wunderte mich ehrlich gesagt, dass er nicht gleich rot vor Scham unter dem Tisch verschwand.

„Reiju, sind Sie noch da?“

An Shanks lag es jetzt, die Situation geradezubiegen.

„Bin ich.“

„Gut, dann… haben Sie sicher meinen Kollegen Bartolomeo soeben gehört. Selbst wenn sein Entschluss sehr spontan und ganz und gar ohne Absprache erfolgte“, er warf Barty einen tadelnden Blick zu, „so schließe ich mich diesem dennoch an.“

Was?

„Falls Sie für heute zwischen siebzehn und achtzehn Uhr ein Alibi vorweisen können.“

Ich entspannte mich wieder. Bisweilen war Shanks kompetenter als er aussah.

Und selber, Kid? Wie war das mit Law? Das war nicht gerade ein ausreichendes Alibi, das er abgeliefert hat, und du hast es trotzdem durchgehen lassen. Alles wegen ein paar Pheromonen und schönen Worten.

Mit finsterem Blick presste ich mir einen Handballen gegen die pochende Schläfe. Meine innere Stimme, die mich so schonungslos aufzog, hatte natürlich recht. Dieses eine Mal mochte ich vielleicht richtig gelegen haben mit meinem Vertrauen in einen heißen Typen – immerhin hatte ich Laws Geruch am Tatort nicht wahrgenommen und auch zeitlich war seine Beteiligung an der Tat eher unwahrscheinlich – doch eine Taktik-to-go war das sicher nicht.

„Zwischen fünf und sechs war ich noch auf der Arbeit“, hörte ich Reiju sagen. „Einige meiner Kollegen können das zu hundert Prozent bestätigen. Ich kann Ihnen eine Liste mit deren Telefonnummern zukommen lassen.“

„Das klingt doch vielversprechend. Schicken Sie die Nummern einfach auf dieses Handy hier, dann kann sich Bartolomeo darum kümmern.“ Ziemlich eindeutige Blicke trafen den hochroten Barty. Er hatte seine Hilfe in dem Fall angeboten, jetzt musste er auch helfen. „Ich hoffe, Ihre Unschuld lässt sich beweisen, Reiju, denn Sie sind eine kluge Frau. Ich mag Sie.“

„Vielen Dank, aber warten Sie bitte. Legen Sie noch nicht auf.“

Verwundert hielt Shanks inne. Tatsächlich hatte er bereits einen Finger gezückt, um innerhalb der nächsten zwei Sätze den Touchscreen zu bedienen.

Krass, Alter! Kann die Frau hellsehen?

„Gibt es noch etwas, das Sie mir sagen wollen?“, hakte Shanks nach.

„Sie glauben mir nicht wirklich, dass mein Vater oder meine Brüder mit Sanjis Verschwinden zu tun haben. Versuchen Sie nicht zu leugnen; ich weiß das.“ Offensichtlich konnte sie nicht nur hellsehen, sondern auch Gedanken lesen. „Geben Sie mir Zeit bis morgen Abend. Ich bin eventuell dazu in der Lage, handfeste Beweise zu besorgen.“

Ich sah, wie sich Shanks’ Stirn in Falten legte. Angehörige, die versuchten, sich in Ermittlungen einzubringen, waren natürlich keine Seltenheit, aber auch lästig. Mit ihnen kam eine unbekannte Variable ins Spiel, von der man nicht wusste, ob sie in naher Zukunft selbst zum Opfer oder sogar Täter mutierte. Zivilisten waren nicht dazu ausgebildet, Kriminalfälle zu lösen, und dass es viele dennoch versuchten, war uns meist mehr ein Hindernis denn Hilfe.

Smoker, welcher der Situation bis jetzt ruhig beigewohnt hatte, stellte mit Nachdruck seine Kaffeetasse ab, dann kam er ohne jegliche Vorwarnung auf die Sofagruppe zu. Er tauschte einen kurzen Blick mit Shanks, den ich nicht zu deuten wusste, und beugte sich anschließend hinab zu dem Handy, beide Hände auf die Tischplatte gestützt.

„Hier spricht Kommissar Whitehunter. Hören Sie mich, Frau Vinsmoke?“

Die verblüffte Pause, die sich Reiju leistete, war kaum als solche zu erkennen, bevor sie mit rein geschäftlicher Stimmlage bejahte.

Smoker nickte mürrisch, steckte sich eine neue Zigarre in den Mund und fuhr, während er sie anzündete, fort: „Unternehmen Sie nichts auf eigene Faust. Begeben Sie sich nicht in Gefahr.“

„Aber…“

„Überlassen Sie die Ermittlungen uns.“ Rauchschwaden, die zwischen seinen Lippen hervorkrochen, unterstrichen das Gesagte auf eine Weise, wie ich sie aus alten Gangsterstreifen kannte. „Wenn Sie der Meinung sind, dass sich im Haus Ihres Vaters Beweise vorfinden lassen, beantragen wir einen Durchsuchungsbefehl.“

„Was? Nein, ich…“

„Dann gibt es gar keine Beweise?“

Diesmal war die Pause eine längere. Hatten wir es also doch mit einer falschen Schlange zu tun, die die Wahrheit verdrehte und ihre Spielchen mit uns und ihrer Familie spielte? Oder trug ganz einfach nur die schroffe Sonderbehandlung von Smoker Früchte?

„Ich bin mir nicht sicher“, war alles, was Reiju matt klingend von sich gab. Offenbar wusste sie einzuschätzen, wann sie verloren hatte.

„Gut. Dann sprechen wir uns wieder, wenn Sie sich sicher sind. Eine gute Nacht noch.“

Er beendete das Telefonat – unbarmherzig und ohne zu zögern – dann richtete er sich wieder zu voller Größe auf.

Shanks beäugte ihn vom Sofa her, kratzte sich am Bart und beanstandete schließlich: „Ganz ehrlich, Smoker, musste das sein? Ich halte die Kleine eigentlich für unschuldig. Kein Grund…“

„Was für ein dreckiger Arschmove war das denn?“

Barty schaltete sich mit vor der Brust verschränkten Armen und zutiefst abfälliger Miene ein. Daraufhin wandte Smoker ihm nur den Kopf zu, doch wenn er geglaubt hatte, seine einschüchternde Art werde auch diesmal die Situation regeln, hatte er sich geschnitten. Anstatt zurückzuweichen, ging Barty schnurstracks auf ihn zu, hielt dem stechenden Blick stand und blaffte: „Hältst dich auch für den Supercop hier, eh? Reiju so scheiße zu behandeln war voll unnötig, Mann!“

Geil, kostenloses Idiotentheater! Wo sind die Kartoffelchips?

Schief grinsend sah ich zu, wie Smoker tatsächlich die Worte zu fehlen schienen, und hielt es nicht für nötig, mich vom Fleck zu rühren. Stattdessen ließ ich den Stuhl unter meinen Armen ein wenig auf den hinteren Beinen wippen und ergötzte mich an dem bizarr anmutenden Schauspiel. Der Riese aus der IT-Abteilung erklärte unserem Spitzenermittler, wie er seinen Job zu machen habe. Gewagt dämlich, aber meine vollste Hochachtung hatte er.

„Was mischste dich außerdem da ein? Das ist der Fall von Shanks und Kid!“

Wieder kam keine Antwort von Smoker. Dafür aber eine Reaktion. Er bückte sich nach dem unschuldig daliegenden Smartphone, dann drückte er es Barty an die Brust.

„Mach du deine Arbeit, Junge, und lass mir die meine.“ Da war unterdrückte Wut in der Stimme, das bildete ich mir nicht ein. „Du kannst Frau Vinsmoke ja trösten, wenn es dir dann besser geht.“

Was daraufhin folgte, lag bei Barty zwar an der Tagesordnung, war aber so surreal, dass man es mit eigenen Augen gesehen haben musste, um es zu glauben.

Sein Gesicht – vor einer Sekunde noch der Inbegriff der Verachtung – lief scharlachrot an, seine große Klappe verstummte und mit meiner empfindlichen Nase konnte ich sogar wahrnehmen, wie nervöser Schweiß bei ihm ausbrach. Sein Blick war geradezu an das Handy geklebt, das er zwischen zitternden Fingern hielt, und langsam hörte man, wie sich ein aufgeregt quietschendes Einatmen anbahnte.

„Sofort!“, brach es eine halbe Oktave höher als gewöhnlich aus ihm hervor. „Schon unterwegs!“ Er machte kehrt und rannte aus dem Raum, das Handy mit beiden Händen umklammert wie etwas Heiliges. „Reiju, ich werde…!“

Das übergeschnappte Gesäusel ging in ein merkwürdiges Japsen über, als er auf dem Weg zur Tür hinaus beinahe Zorro überrannte, der mit einigen Zetteln in entgegengesetzte Richtung unterwegs war.

„’Tschuldige, Zorro! Wichtige Mission!“

Er ließ ihn nach kurzem Körperteilchaos auf der Türschwelle stehen, dann war er samt Feuereifer auch schon verschwunden.

Zorro sah ihm mit düsterem Blick hinterher, brummte etwas in sich hinein, das nicht einmal ein richtiges Wort war, und beehrte uns schließlich mit seiner Anwesenheit im Aufenthaltsraum.

„Kommissar Whitehunter?“

„Was gibt es, Lorenor?“

Ich verdrehte die Augen. Die übertriebene Förmlichkeit zwischen Vater und Sohn ging mir schon seit meinem ersten Tag hier gewaltig auf den Sack. Was auch immer zwischen den beiden vorgefallen war, das ihre Stimmung untereinander konstant auf den Nullpunkt setzte – irgendwann musste über diese Sache doch Gras wachsen, oder?

„Das Labor hat die hier gerade durchgefaxt. Da stimmt was nicht. Die sind überhaupt nicht für unseren Fall.“

Smoker bekam die Papiere unter die Nase gehalten, die er daraufhin genauer in Augenschein nahm, und ich ließ es endlich bleiben, mit dem Stuhl zu wackeln, richtete mich auf und streckte mich. So wie alles verlaufen war, hätte ich getrost weiter mit Law schreiben können. Wirklich gefragt war mein Typ ja nicht gewesen.

„Shanks, Kid, kommt her und seht euch das an.“

Na, wenigstens jetzt brauchte man mich.

Kurz wechselte ich Blicke mit Shanks, der bis soeben seine Burgerschachtel-Notizen verfeinert hatte, dann zuckten wir alle beide die Schultern und gingen zu Smoker hinüber, welcher scharf wie ein Wachhund die Zettel beäugte.

„Die sind für uns“, stellte Shanks ganz richtig fest.

„Das ist die Analyse von den Spuren am Container“, fügte ich an und überflog rasch die Zeilen. „Weißer und blauer Lackabrieb, wahrscheinlich von einem Fahrzeug. Hab ich ja gleich gewusst, dass da einer beim Ausparken geschielt hat.“

„Lieferwagen?“, mutmaßte Shanks, der nachdenklich an seiner Unterlippe zog.

„Ziemlich sicher. Mit irgendetwas müssen sie Vinsmoke ja verschleppt haben.“

Außerdem erklärt das, wie zwei Männer einfach aus dem Nichts auftauchen können.

„Gute Arbeit, Lorenor. Sie wissen, was das bedeutet?“ Smoker paffte ein paar stickige Rauchwolken, denen ich gekonnt auswich. Aber Moment mal, wieso lobte er Zorro? Der hatte doch bloß die Zettel angeschleppt. „Bringen Sie unsere Kollegen auf den neusten Stand.“

„Wir ermitteln gerade in einem Verkehrsunfall mit Fahrerflucht. Das Opfer ist ein Fahrradfahrer, noch am Tatort seinen Verletzungen erlegen“, zählte Zorro auf. „Am Fahrradlenker ließen sich Lackspuren in denselben Farben sicherstellen. Deswegen hat das Labor die Ergebnisse auch an uns geschickt, nehme ich an. Die müssen das verwechselt haben.“

Ein allgemeines Schweigen trat ein und nebst dem Geräusch einer Klospülung drei Räume weiter waren unsere Gedankengänge deutlich hörbar.

„Der Lack… hat nicht zufällig auch die exakt selbe Zusammensetzung und das exakt selbe Alter?“, bohrte Shanks nach.

„Diesen Lieferwagen zu finden, hat soeben allerhöchste Priorität erhalten“, stimmte Smoker zu. „Wir müssen die Suche im entsprechenden Gebiet die Landstraße entlang und in der Umgebung ausweiten. Außerdem benachbarte Reviere kontaktieren.“

„Vielleicht ist das auch gar nicht nötig.“ Ein Geistesblitz durchzuckte mich und ich begann fieberhaft in den Untiefen einer meiner Hosentaschen herumzukramen. „In welcher Richtung liegt der Unfallort?“

„Nordwestlich von Neustadt, die Straße am Steinbach entlang.“

„Da, wo mitten im Wald ein Industriegebiet ist, richtig?“

Unter aller Augen klatschte ich eine flache, etwas zerdrückte Arzneischachtel auf den Tisch.

„Hey, das ist ja das Zeug, das du immer nimmst, damit du nicht so stinkst!“ Shanks’ Miene hellte sich begeistert auf. „Wurde aber auch Zeit. Ich setz mich nachher sonst sicher nicht mit dir in ein Auto. Schon gar nicht in meins.“

„Ich nehm das erst morgen früh um sieben wieder! Ich muss den Rhythmus beibehalten!“, blaffte ich. „Nein, seht euch den Hersteller an.“

Es dauerte nur ein paar Sekunden, dann bewies auch Zorro seinen Scharfsinn.

Don Quichotte Pharma. Mit weiß-blauem Logo. Sagst du nicht immer, die haben eins ihrer Werke ganz in der Nähe? Ist das da draußen beim Steinbach?“

„Jep. Genau das. Entweder hat jemand einen Firmenwagen entführt, um Vinsmoke zu entführen, oder der Täter arbeitet dort.“

„Und er hat einen echt miserablen Fahrstil“, gluckste Shanks. „Ich sag Tashigi Bescheid, dass sie zum frühestmöglichen Zeitpunkt bei dem Werk anrufen und nachfragen soll, ob denen ein Lieferwagen fehlt. Heute haben die sicher alle schon Feierabend. Mann, sind die zu beneiden.“

„Ich würde an deiner Stelle persönlich dort vorbeifahren und mir nicht zu viele Hoffnungen machen“, hielt Smoker ihn auf. „Nur, weil Don Quichotte Pharma zufällig das passende Farbschema nutzt und in der Nähe liegt, sind alles, was wir haben, trotzdem bloß Mutmaßungen. Es gibt viele Firmen, auf die man dasselbe Raster anwenden könnte.“

„Eben weil es nur Mutmaßungen sind, fahre ich nicht gleich persönlich vorbei. Das ist verschwendete Zeit.“

„Leute am Telefon können lügen, Shanks. Ich überzeuge mich gerne selbst vor Ort von der Sachlage.“

Echt jetzt? Streiten die? Die wievielte Runde Affenzirkus ist das heute schon?

„Na, da bin ich ja froh, dass das nach wie vor mein Fall ist!“, lachte Shanks und klopfte Smoker kräftig auf die Schulter, „Ich bin dann mal…“

„Sagt wer?“

„Was?“

Sowohl Zorro als auch ich waren ganz allmählich wie nebenbei ein Paar Schritte zurückgewichen. Die beiden alten Böcke gerieten zwar nicht oft aneinander, aber wenn, dann wollte man ihnen auch nicht unbedingt im Weg stehen.

„Wer sagt, dass das dein Fall ist?“, knurrte Smoker gerade.

„Ich? Kid?“ Shanks zuckte die Schultern, „Der Chef vielleicht?“

„Da bin ich gespannt.“ Mit zwei Schritten war Smoker bei der Tür und hatte sie weit aufgerissen. „Nach dir, Shanks.“

„Wenn du meinst, dass das wirklich nötig ist…“

Erst verschwand der eine, dann der andere. Und mit ihnen auch meine gute Laune.

„Sind die jetzt echt zum Chef gegangen?“

„Sieht so aus“, schnaubte Zorro mit verschränkten Armen. „Idioten. Jede Minute zählt und die halten sich mit Kleinigkeiten auf.“

„Bockmist!“ Ich trat den in Reichweite stehenden Mülleimer um. „Jedes Mal, wenn dieser versoffene Sack beim Chef landet, bin ich danach meinen Fall los! Komm mit!“

Grob stopfte ich meine Tabletten zurück in die Tasche, packte Zorro am Arm und schleifte ihn hinaus in den Gang bis vor das Büro des Hauptkommissars. Außen an der Tür hing eine angestaubte Silberplakette, die stolz den Namen „Garp D. Monkey“ verkündete, und von drinnen war angeregtes Stimmengewirr zu vernehmen. Dank meines Supergehörs verstand ich allerdings jedes Wort und was ich da hörte, gefiel mir ganz und gar nicht.

„Alter, ich sags dir!“, fauchte ich und ließ mich auf die Wartebank direkt gegenüber vom Büro fallen. „Wenn dieser Saufkopf das wieder in den Sand setzt, dann sorge ich dafür, dass ich für den Rest unserer Schicht klatschnass geschwitzt bin!“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  TK-Rabe
2020-11-22T12:38:34+00:00 22.11.2020 13:38
Ein Haufen Punks die Gesetzeshüter xD zu gut!
Herrlicher Kid wieder. Lustig mit Barty und Smoker hrrr hrrrr hrrrr.. Wire würde sicher ein guter Gerichtsmediziner abgeben~
Antwort von:  SimonStardust
27.08.2022 10:53
Ja, ist i-wie so passiert x,DDD
Ich find Barty halt einfach zu witzig, auch wenn er anstrengend ist. Der musste mit rein. :,)
Wire... oder Robin xD


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