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Der Wächter

von

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Der „böse Blick“

Er griff nach dem Anhänger und sah ihn sich abermals an während er wieder ein „Danke“ murmelte. In genau diesem Moment begann Pauls Stimme in seinem Kopf zu randalieren. Jake verengte die Augen und knurrte in die Verbindung: „Halt die Fresse Paul, ich habe heute echt genug von dir.“

Dann blinzelte er. Paul gab wirklich Ruhe. Er konnte sich ein erleichterndes Stöhnen nicht verkneifen und dachte: „Endlich Ruhe.“

„Jake?“, fragte Sam alarmiert.

„Ja, Sam?“, erwiderte der Andere und wurde unruhig.

„Paul, Ruhe. Ich will mit Jake reden“, keifte Sam auf einmal.

Irritiert fragte sich Jake, über von was Sam da sprach. Paul hatte doch gar nichts gedacht, oder doch?

Das wiederum verwirrte den Leitwolf und er fragte: „Hast du Paul nicht gehört?“

„Seit ich ihm gesagt habe, dass er die Fresse halten soll nicht. Wieso?“

„Er hat aber nicht aufgehört zu denken“, offenbarte der Andere. Zu Jakes Verdruss forderte Sam Paul auf weiterzumachen.

Black Junior wartete, aber er hörte nichts.

Dann schnauzte Sam erneut: „Paul, Ruhe. Hast du ihn gehört Jake?“

Erschrocken riss Jacob die Augen auf und sprang hastig auf. Bei dieser Bewegung stieß er Bella um, die unsanft auf einem Wäschehaufen landete. Die ganze Unterhaltung hatte nur wenige Augenblicke gedauert und sie war noch immer vor ihm gestanden.

Ohne auf sie zu achten rief er laut, sowie in seinem Kopf: „Nein, ich kann ihn nicht hören!“

Einen Augenblick war es still und Jake sah panisch aus dem Fenster. Er glaubte Isaak wäre zurückgekehrt und würde seine geheimnisvollen Kräfte einsetzen. Am Waldrand war nichts zu erkennen. Dann sah er sein eigenes Spiegelbild in der Scheibe. Die Bernsteinaugen seines neuen Anhängers blitzten ihm entgegen. „Warte mal Sam, ich habe da so eine Idee.“ Er griff nach dem Kleingut und zog es sich vor sein Gesicht. „Bella, schnell, mach die Kette auf“, quasselte er hastig und sah sich nach eben dieser um.

Sie saß immer noch am Boden, hin und her gerissen zwischen beleidigt und besorgt.

Er war auf einmal ganz hibbelig, zog Bella ohne Mühen auf die Beine und drehte sich um. „Schnell, beeil dich!“, schnatterte er aufgeregt.

Mit geschürzten Lippen kam sie seinem Drängen nach. Das würde er ihr aber noch erklären müssen.

Nachdem er die Kette los war, legte er diese auf das Bett, ging vor ihr in die Hocke und sah sie sich genau an. Dann sagte er laut und in seinem Kopf: „Paul rede weiter und hör nicht auf, bis ich es dir sage.“

Nur zu gerne kam dieser dem Befehl nach und begann mit seinem Repertoire. Jake achtete nicht darauf was er sagte, sondern nur ob er ihn hörte. Dann nahm er den Anhänger in die Hand. Pauls Stimme war nach wie vor zu hören. Enttäuscht ließ er die Schultern sinken. Er hatte ich geirrt. Es wäre auch zu schön gewesen Paul ausblenden zu können. Genau in diesem Moment erstarb die Stimme mitten im Satz.

Jakes Herz klopfte ihm bis zum Hals und er ließ den Schmuck fallen. Sofort kehrte Pauls Schimpftirade in seinem Kopf zurück. Erneut berührte er den Anhänger. Das Gezeter ging weiter. Irritiert sah er auf den Anhänger. Dann überlegte er und ihm kam eine Idee. Er dachte daran Paul zu ignorieren und sogleich verstummte dieser. Anschließend manifestierte er den Gedanken, den Anderen wieder hören zu wollen, und dessen Stimme kehrte zurück.

„Wow“, entfuhr es Jake atemlos. „Der Anhänger funktioniert, wie eine Stummschalttaste.“

Bella, die nun wirklich genug von dem Verhalten ihres Freundes hatte, tippe ihm auf die Schulter, um seine Aufmerksamkeit zu bekommen.

„Einen Moment Bella, ich sags dir gleich“, stammelte er und probierte ein wenig herum. Er kam zu dem Schluss, dass er Paul einfach auf Stumm stellen konnte, wenn er das wollte. Das musste er gleich mal mit den anderen ausprobieren. „Paul Ruhe. Embry rede und hör nicht auf, bis ich es dir sage.“

Jake spürte die Verwirrung im Rudel, aber die beiden fügten sich seinem Befehl. Er experimentierte noch etwas herum und kam zu dem Ergebnis, dass er alle im Rudel außer Sam, wenn dieser ihn direkt ansprach, nach Belieben ausblenden konnte, solange er den Anhänger berührte.

Dann fragte Sam vorsichtig: „Jake? Geht es dir gut?“

Ohne auf seinen Alpha zu achten, sprang er auf und fiel Bella um den Hals. Diese war zu perplex, um zu reagieren und sie beide stürzten zu Boden. Er fing den Sturz für die junge Dame ab, indem er ihr als Kissen diente und brabbelte vor sich hin: „Danke, danke, danke.“

Er war so glücklich in diesem Moment, dass er einfach nicht anders konnte und seine Freude mit ihr teilen musste.

„Jake…, Luft…“, krächzte sie und er entließ sie aus seiner schraubstockartigen Umklammerung. Um Atem ringend blieb sie einen Moment auf ihrem durchgedrehten Freund liegen. Dann begann er ausgelassen zu lachen und sie hüpfte auf seinem harten Oberkörper auf und ab. Das war ihr dann aber doch zu viel und sie stand rasch auf.

„Alles ok bei dir?“, fragte sie und schaute zu dem Irren hinunter.

Er beruhigte sich etwas und plapperte fröhlich: „Mann Bella, du bist echt der Hammer.“

„Ok?“, gab sie vorsichtig zurück und spielte mit den Gedanken die Männer in Weiß zu rufen. Jake hatte ganz offensichtlich einen Nervenzusammenbruch und brauchte fachmännische Hilfe. Gab es Therapeuten für Wölfe? Oder brauchten sie einen Tierarzt?

Auch das Rudel war in Aufruhe und Sam knurrte wütend: „Jake, rede endlich!“

In seiner Freude sprach er einfach mit beiden gleichzeitig: „Der Anhänger, den Bella mir geschenkt hat, besitzt die Fähigkeit, die Stimmen des Rudels nach Belieben ein- und auszuschalten. Solange ich ihn berühre, kann ich Paul einfach auf Stumm stellen, wie einen Fernseher. Nur bei dir, Sam, geht das nicht. Ich glaube, weil du der Alpha bist.“

In der Verbindung, sowie im Zimmer, herrschte Totenstille. Dann grinste Jake fies und blaffte: „Paul herzlichen Glückwunsch, du bekommst einen Dauermute von mir. Endlich habe ich Ruhe vor dir.“

Nachdenklich musterte Bella den Anhänger auf dem Bett und dachte nach. Das war also der Grund warum Jake das Schmuckstück bekommen und tragen sollte. Aber, was hatte Isaak davon ihm so ein Geschenk zu machen?

Jake hingegen war in ein Gespräch mit Sam vertieft.

„Das ist doch unmöglich“, hatte der Ältere begonnen.

„Ich habe keine Ahnung, wie das funktioniert, aber ich finde es klasse“, konterte Jake. „Wenn du mir nicht glaubst, dann komm doch her und probiere ihn selbst aus.“

„Ich bin bereits da“, gestand der Alpha und es klopfte an der Haustür.

Jake sprang mit Elan aus dem Liegen in die Hocke und stand auf, dann rief er laut: „Dad, das ist Sam.“ In seinem Kopf fügte er hinzu: „Komm rein.“
 

Wenig später stand das halbe Rudel in Jakes winzigem Zimmer und sie alle testeten den Anhänger auf dessen Funktion. Bella indes sah ihnen vom Bett aus zu und fühlte sich sehr überflüssig.

Seltsamerweise funktionierte er nur bei Jake. Sam hatte ihn als Erstes ausprobiert, aber erzielte nicht das gewünschte Ergebnis. Black Junior mutmaßte, dass der Schmuck beim Leitwolf vielleicht wirkungslos war und so rief dieser einen nach dem anderen zu ihnen. Lediglich Leah und Seth, von denen Bella noch nichts wusste, ließ Sam außen vor. Zu Jakes Unmut musste er aber auch Paul ertragen.

Die junge Dame im Zimmer hatte bei Pauls Erscheinen einen Todesblick aufgelegt und ließ diesen nicht aus den Augen. Dieser fühlte sich sichtlich unwohl, wobei Bella das als Punkt für sich deklarierte.

Bei keinem zeigte das Kleinod eine Wirkung. Das Wie und Warum, war Jake aber vollkommen egal. Solange es ihm half Paul loszuwerden, vielleicht auch Quil und Leah, war die Welt für ihn in Ordnung. Während einer langen Debatte kam Jared dann auf die Idee, ob das Ding auch umgekehrt funktionierte. Sogleich schnappte sich Jake den Anhänger und er fokussierte sich darauf, dass Quil ihn nicht hören konnte. Dann dachte er daran, wie er, als sie noch Kinder waren, ausversehen eine Vase in dessen Haus kaputt gemacht hatten. Keiner wusste, dass er das damals gewesen war und Quil bekam den Ärger dafür. Er sah dem Anderen ins Gesicht und dieser starrte erwartungsvoll zurück.

Dann grinste Jake und sagte: „Es geht auch umgekehrt. Oder hast du mich gehört?“

Da knurrte Embry angefressen: „Du warst das also. Nicht nur Quil hat Ärger bekommen, sondern ich auch. Mein Arsch ist seitdem nicht mehr derselbe.“

„Was?“, fragte Quil, der als Einziger nicht verstand worum es ging.

Sam wechselte in die Verbindung und sagte nachdenklich: „Das größte Problem der Meisten war es, deine Gedanken an Isaak mitanzuhören. Da du nun deine Gedanken abschalten kannst, sollte das die Gemüter beruhigen. Es besteht nun kein Grund mehr dich anzugehen.“

„Das sehe ich anders“, schnaubte Paul laut. Er war sich offenbar nicht sicher, ob Jake ihn sonst gehört hätte.

„Bella weiß es noch nicht. Also halte dich zurück Paul. Es ist nicht an dir, ihr das zu sagen“, knurrte Sam mental.

Jake hingegen war sehr froh. Er sah es so wie Sam und hoffte endlich wieder Ruhe zu bekommen. Wenn es nur Paul war, Shit Happens. Mit dem kam er schon klar, solange er ihn nicht den ganzen Tag zuhören musste. Ja, dieses Schmuckstück war ein willkommenes Geschenk. Auch wenn es nicht alle Probleme lösen würde. Da waren immer noch Leah, Seth und natürlich seine Prägung. Aber ein Problem nach dem anderen.

Dann hatte er aber auch genug von seinem Rudel und so scheuchte er die Jungs aus dem Haus. Bella legte ihm die Kette wieder um den Hals, als sie wieder unter sich waren. Wie einen unfassbar wertvollen Schatz liebkoste er den Anhänger, denn das war er für ihn auch. Das war wirklich das beste Geschenk, das er je in seinem Leben erhalten hatte. Mit Ausnahme seiner Gestaltwandler-Fähigkeiten vielleicht.

Mittlerweile war es schon dunkel geworden, aber Bella dachte gar nicht daran, jetzt schon zu gehen. Es gab immer noch einiges zu klären. Allem voran die Frage, warum Paul es auf Jake abgesehen hatte. Hinzu kam auch noch die ganze Angelegenheit mit dem rotblonden Fremden.

Im Moment war sie aber einfach nur froh ihren Jake wieder zu haben. Seitdem er die Funktion der Kette kannte, schien er wie ausgewechselt zu sein. Klar sah er immer noch fertig aus, aber nun strahlten seine Augen wieder mit ihrer gewöhnlichen Intensität und er wirkte so ungezwungen als wäre ihm ein gewaltiger Stein vom Herzen gefallen.

Beide lagen ganz unschuldig auf dem Bett. Bella mit angezogen Beinen, Jake ausladend quer und beanspruchte somit Zweidrittel für sich. Zudem zappelte er aufgedreht und spielte mit dem Anhänger.

Sie wollte zwar die Stimmung nicht zerstören, aber es gab leider noch ein paar Dinge zu klären und so drehte sie sich zu ihm. „Jake, erzählst du mir jetzt was los ist?“, fragte sie vorsichtig.

Der junge Mann versteifte sich sofort und der Anhänger sank im auf seine Brust. Von unten her sah er entsetzt und ängstlich zu ihr auf. „Nichts ist los“, versuchte er es sie abzuwimmeln.

Seufzend bohrte sich ihr Blick in seine Augen und sie fragte frei heraus: „Was ist zwischen dir und Paul vorgefallen?“

Jake erbleichte und quietschte mit erstickter Stimme: „Nichts.“

„Bist du ein großer böser Wolf oder eine verängstigte Maus?“, versuchte sie ihn zu reizen, aber es zeigte keine Wirkung. Dann bat sie ihn: „Jake, wir sind beste Freunde. Sag mir bitte was los ist.“

Er sah an die Decke und stammelte: „Ja, sind wir und ich will dich nicht verlieren.“

„Du wirst mich nicht verlieren, egal was du mir sagst.“

„Das habe ich bei Quil auch gedacht. Und jetzt reden wir kaum noch“, gestand er ihr.

So kamen sie nicht weiter und sie begann ins Blaue zu raten: „Geht es um deine Gefühle für mich?“

Mit einem Stirnrunzeln sah er sie wieder an und fragte: „Du weißt was ich für dich empfunden hatte? Warum hast du nie was gesagt oder sie erwidert?“

„Ja, Jake. Ich weiß es schon länger. Ich habe aber nichts gesagt, weil ich nicht dasselbe für dich empfinde. Aber, warum empfunden hatte? Liebst du mich nun nicht mehr?“, fragte sie und war auf die Antwort gespannt.

Jake druckste ein wenig rum dann erwiderte er: „Ich war in dich verliebt. Gott, für mich gab es nur dich auf der ganzen Welt. Ich konnte mir nicht einmal vorstellen eine Andere zu haben. Ich hatte nur Augen für dich. Aber jetzt ist alles anders. Ich liebe dich immer noch, aber nicht mehr so wie früher. Eher so wie eine Schwester.“

Erleichtert lächelte Bella. So fühlte sie auch für ihn und sie war froh ihm keinen Korb geben zu müssen. Dann stürzte sie sich auf diese Information und kombinierte: „Dann liebst du nun eine andere.“ Treffer und versenkt. Jake drehte sich von ihr weg und starrte die Wand an.

Sie glaubte kaum noch daran eine Erwiderung zu hören da erhob er seine Stimme: „Nicht direkt.“

„Komm schon Jake, sag es mir.“

Jake schottete sich ab und unterbrach die Verbindung zum Rudel. Bella würde es ohnehin irgendwann erfahren. Für ewig konnte er so etwas nicht geheim halten. Er seufzte schwer, zog sein Kopfkissen zu sich und malträtierte dieses, während er begann: „Es ist so ein Wolfsding, weißt du. Es nennt sich Prägung.“

Dann erklärte er ihr was es mit der Prägung, und deren Konsequenzen, auf sich hatte, in allen Einzelheiten. Als Beispiel führte er Sam und Emily an und erzählte ihr Sams dramatische Liebesgeschichte, Verschwieg aber den Namen von Sams Ex.

Sie schwieg eine Weile und dachte über diese Informationen nach. Dann zählte sie eins und eins zusammen und stieß hervor: „Du hast dich geprägt, oder?“

Kleinlaut kam ein gemurmeltes: „Ja.“

„Aber, das ist doch gut, oder nicht?“, fragte sie und sah zu was er dem armen Kissen antat. Innerlich machte sie sich eine Gedankennotiz. Falls sie jemals ein solches Gespräch mit ihm in ihrem Zimmer führen sollte, musste sie ihre Kissen vorher verstecken. Dieses Schicksal hatten diese nicht verdient.

Er blieb stumm, drehte sich von ihr weg und machte sich so klein wie möglich. Wie ein Embryo rollte er sich zusammen und das Kissen verschwand zwischen seinen muskulösen Armen und Beinen.

„Sie hat dir einen Korb gegeben“, schlussfolgerte sie und begann seine Schulter zu tätscheln.

„Nein“, schluchzte er.

Sie war irritiert. Weinte Jake etwa? Jake der große böse Wolf, das Testosteronmonster schlechthin, weinte? Dann musste es wirklich schlimm sein. Aber was könnte es nur sein? Wenn er sich geprägt hatte, sie ihm aber keine Abfuhr erteilt hatte, was war es dann? Entsetzt fragte Bella: „Sie ist gestorben?“

„Nein“, schniefte er und nun war eindeutig zu hören, dass er weinte.

„Ach Jake, du kannst es mir sagen. Komm schon es, wird dir dann bestimmt besser gehen“, drang sie weiter auf ihn ein. Sie rutschte hinter ihn und schlang einen Arm um seine Taille. „Jake, sag es mir.“

Auf einmal schüttelte er ihren Arm weg und sprang auf. Kaum, dass er den Boden berührte, riss er, begleitet von einem Ratsch, die Arme auseinander und schrie tobend: „SIE IST EIN ER!“ Erschrocken über sich selbst schlug er sich beide Hände auf den Mund.

Bella starrte ihn an. Bei seinem Gefühlsausbruch hatte Jake das arme Kissen in Stücke gerissen und sein Innenleben verteilte sich nun im gesamten Raum. Dann fokussierte sie sich auf ihn und sah seinen scheuen Blick. Seine Augen huschten zum Fenster und sie wusste, dass er kurz vor einem Fluchtversuch stand.

Ein Mann also. Jake war auf einen Mann geprägt. Sie dachte kurz darüber nach und fragte dann: „Hat dir der Kerl etwa weh getan? Moment mal, es ist nicht Paul oder? Bitte sag mir, dass es nicht Paul ist.“

Sein Blick richtete sich wieder auf sie und er stammelte: „Es ist nicht Paul.“

Sie griff sich übertrieben an die Stirn und sagte: „Gut, damit wäre ich auch nicht klargekommen. Ich mag ihn einfach nicht.“ Dann wurde sie ernst und schaute wütend auf: „Nun sag schon. Was hat der Arsch dir angetan? Den werde ich mir vornehmen. Wenn ich mit dem fertig bin dann…“

Vollkommen entwaffnet brabbelte Jake: „Er hat mir eigentlich nichts angetan. Außer der Prägung an sich.“

Sie dachte kurz nach und erklärte dann: „Ok Mr. „Ich spreche gerne in Rätseln“. Ich verstehe das Problem nicht.“

„Ich bin auf einen Mann geprägt“, wiederholte er tonlos.

„Ja, das habe ich schon mitbekommen, aber was ist das Problem?“, fragte sie und sah ihn eindringlich an.

Er sackte in sich zusammen. Irgendwas stimmte hier ganz und gar nicht, dachte er sich und fragte vollkommen hilflos: „Du hast kein Problem damit, dass ich auf einen Kerl geprägt bin?“

„Nein, sollte ich?“, fragte sie vorsichtig nach.

„Aber, das ist doch abnormal. Das ist wieder der Natur. Ich bin abartig“, redete er sich von der Seele.

Daher wehte also der Wind, dachte sich Bella und seufzte. Sie musste diesen armen, unwissenden Waldmenschen wohl oder übel mal aufklären: „Wer hat dir denn den diesen Quatsch eingetrichtert? Früher, vor hundert Jahren, da wurde das vielleicht so gesehen, aber die Welt hat sich gedreht. Was glaubst du wie viele Schwulen- und Lesbenpärchen in Phoenix händchenhaltend auf offener Straße rumlaufen? In einigen Städten gibt es sogar ganze Schwulen- und Lesbenviertel. Das ist doch nichts Besonderes mehr.

Sogar die Regierung hat das schon erkannt. Einige Staaten stellen sich zwar noch quer, aber in den meisten arbeiten sie gerade daran die Homoehe zu legalisieren und der Heteroehe gleichzustellen. Mit dieser Einstellung lebt ihr hier im Reservat wirklich hinterm Mond. Ich glaube, die Quileute sollten ein wenig weltoffener sein und ab und an mal den Wald verlassen.“

Sie sah seinen entsetzten Blick und setzte noch einen drauf: „Du weißt schon, der beste Freund einer Frau ist ein Schwuler?“

„Ich bin nicht schwul“, sagte er trocken, aber auch erleichtert darüber, dass Bella ihn nicht fallen ließ.

Sie hörte ihm aber gar nicht mehr zu und quasselte einfach weiter: „Wir können gemeinsam einkaufen gehen. Schwule sind die besten Modeberater, weißt du. Ach, wie vermisse ich John. Der hatte einen guten Geschmack. Aber dann hat er sich von so nem Kerl abschleppen lassen und ist umgezogen. Echt schade. Vielleicht sollte ich ihn mal wieder anrufen…“

Ein Bild tauchte vor seinem inneren Auge auf. Er und Bella wie sie voller Elan, in einem gigantischen Einkaufscenter, gemeinsam Arm in Arm von einem Geschäft zum Nächsten hüpften. Edward lief hinter ihnen hinterher und trug einen Berg aus Taschen und Beuteln.

Schnell schüttelte er sich, um dieses Bild los zu werden. So war er nicht und würde es auch nie sein. Er hob schnell eine Hand, um ihren Redefluss zu unterbrechen, und wiederholte: „Ich bin nicht schwul. War ich nie.“

Bella verstummte und musterte ihn scharf. Dann zog sie ihn am Arm, sodass er sich wieder zu ihr aufs Bett setzte. Jake war bleich und wusste offenbar nicht mehr wo oben und unten war. In einem Versuch alles zu klären fragte sie: „Sag mir, hast du Gefühle für diesen Mann?“

Die ganze Situation war vollkommen surreal und er nickte einfach ohne nachzudenken. Erschrocken wollte er erneut aufspringen, wurde aber von Bella dran gehindert, in dem sie mit aller Kraft seinen Arm runterzog. Wenn er es gewollt hätte, hätte sie ihn nicht halten können. Aber so sah er sie irritiert an.

„Jake. Erzähl mir doch mal, was eigentlich vorgefallen ist. Vielleicht verstehe ich dann besser wie es dir geht. Moment, warte.“

Völlig neben sich stehend sah er zu ihr runter. Da stupste sie ihn weiter auf das Bett und dirigierte ihn so, dass er mit dem Rücken zur Wand saß. Anschließend drückte sie dem großen bösen Wolf ein weiteres Opferkissen in die Pfoten. Er sah gerade so aus, als bräuchte er etwas, an dem er sich festkrallen konnte. Sie weigerte sich nämlich so zu enden wie das erste Kissen. Sofort wurde auch diese Beute in die Mangel genommen.

„Ok, bin bereit, leg los.“

Gerade nicht ganz in der Realität angekommen, begann er tonlos seine Geschichte vor zu tragen. Mehr als eine halbe Stunde lang sprach er ununterbrochen und redete sich alles von der Seele, das ihn seit der Prägung beschäftigte. Nachdem er einmal angefangen hatte, sprudelten die Worte nur so aus ihm heraus. Er erzählte ihr einfach alles. Sogar seine tiefsten und geheimsten Gedanken vertraute er ihr an. Einzig den Namen des Mannes behielt er für sich, beschrieb ihn aber. Dabei bemerkte er nicht, wie sich ihre Augen langsam weiteten.

Sie hatte so eine Ahnung, behielt dieses Wissen aber für sich.

Nachdem er fertig war, saß er wie ein Häufchen Elend da und wartete auf ihr Urteil.

Sie ließ einen angemessenen Zeitraum vergehen und dachte über ihre nächsten Züge nach, aber zuerst brauchte sie Gewissheit: „Wie war nochmal der Name des Fremden?“

Er blinzelte und offenbarte: „Habe ich das nicht gesagt? Ach egal. Er heißt Isaak.“

Schnell wandte sie sich ab, atmete kurz durch. Dann sah sie mit einem Lächeln wieder auf. Einige Puzzleteile rückten zusammen und sie verstand nun, warum Isaak darauf bestanden hatte, dass sie sich nie getroffen hatten. Jake hätte die Flucht ergriffen. Da war sie sich sicher. Sie wusste nun zwar, warum der Fremde so handelte, aber seine Absichten langen noch im Dunkeln. Wollte er nur seinen Fehler wiedergutmachen oder sich Jake annähern? Diese Frage galt es noch zu klären.

Nur wusste sie nicht, wie sie Isaak kontaktieren konnte. Sie mussten wohl oder übel warten, bis Jake nach ihm rief und dieser sich dann erklärte. Aber das konnte noch lange dauern. Jake musste sich erst eingestehen, dass er schwul war. Denn in ihren Augen war er das, egal was er dazu sagte oder dachte. Vielleicht nicht vor der Prägung, aber jetzt ganz bestimmt. Zuallererst musste sie ihm die Angst vor dem Schwulsein nehmen. Er glaubte offenbar, dass es sich dabei Art widernatürliche Krankheit war.

„Sag was Bella“, flehte er und schien erneut den Tränen nahe zu sein.

Langsam, und um ja keinen Fehler zu machen, sagte sie langsam: „Du…, bist…“

Seine Augen wurden immer größer und das Opfer war kurz davor, wie sein Bruder zu enden.

„…Jacob Black.“

Wie versteinert sah er sie an und verstand nicht.

„Du bist du. Nicht mehr, nicht weniger. Du bist ein ganz normaler, testosterongesteuerter, böser Wolfsjunge, wie alle anderen. Ich sehe da keinen Unterschied.“

Immer noch starrte er sie ungläubig an.

„Was erwartest du von mir Jake? Für mich hat sich nichts geändert. Wobei schon, eines hat sich geändert.“

Er zuckte zusammen und sein Blick wurde traurig.

„Ich werde dich nie mehr mit meinen Kissen allein lassen. Sieh dir doch mal an, was du dem da angetan hast. Dem in deinen Armen geht es auch gerade an den Kragen“, grinste sie ihn an. Dann wurde sie wieder ernst und sagte: „Ich bin jedenfalls froh, dass wir das zwischen uns geklärt haben und ich dir keinen Korb geben muss.“

Irritiert sah sich Jake in seinem Zimmer um und erblickte überall die Überreste dessen, was einmal sein Kissen gewesen war.

Bella indes überlegte, wie sie nun weiter vorgehen sollte, aber genau in diesem Moment klingelte ihr Handy. Es war Edward und sie ging schnell ran.

„Bella es ist schon 2 Uhr nachts. Du musst schlafen, morgen ist wieder Schule. Bleibst du bei den Blacks über Nacht? Dann hole ich dir Wechselsachen. Jake kann ja einen der Wölfe herschicken, um sie abzuholen oder selbst kommen. Ich werde anschließend hier auf dich warten. Sonst kommen wir morgen zu spät.“

„Nein, ich hatte nicht vor hier zu schlafen. Aber, ich traue mich auch nicht im Dunkeln dein Auto zu fahren. Du weißt doch, dass es mir zu viele Pferdestärken hat. Moment ich frage mal.“ Sie wandte sich an Jake: „Darf Edward mich ausnahmsweise abholen?“

Jake gab die Frage weiter und sprach anschließend in Sams Namen: „Keine Ausnahmen. Jeder Blutsauger der unser Revier betritt, ist vogelfrei und wird zerstört.“

Auch wenn er Edward, abfällig wie immer betitelte, fehlte es ihm gerade an Biss. Er sah auch nicht wütend aus, wie er es sonst immer war, wenn dieser Name fiel. Dann seufzte der Wolfsjunge und sagte: „Ich kann dich fahren, wenn ER mir gestattet sein Auto zu benutzen. Oder ich fahre dich mit unserem bis zur Grenze.“

Bella wartete auf Edwards Entscheidung. Sie wusste, dass beide einander hören konnten, auch wenn sie das Telefon in der Hand hatte.

„Ich habe nichts dagegen. Aber, Jacob sollte sich sicher sein, dass dir nichts passiert.“

Das war mal wieder typisch, dachte sich der Angesprochene. Kein einziges Wort vor Sorge um sein Auto, ihm war nur Bella wichtig. Mann musste das schön sein, in Geld zu schwimmen. Dann musste Jake unwillkürlich lächeln. Er wollte schon immer so einen Sportwagen fahren.

Mit einem Satz sprang er aus dem Bett und pfefferte sein Kissen gegen die Wand. Dann verbeugte er sich ganz Kavalier und sagte: „Madame, ihre Limousine warte auf Sie.“

Bella murmelte noch ein hastiges „Bis gleich“ ins Telefon und legte auf, während sie seine Hand ergriff.

Jake war bester Laune. Endlich konnte er sich seine Ängste von der Seele reden und gleichsam auch noch mit Bella. Zusätzlich wurde er nicht mehr vom Rudel genervt und durfte diesen Luxusschlitten fahren. Was konnte sein Glück jetzt noch stören?

Nachdem beide im Auto saßen verzog er die Nase. Es roch viel zu stark nach Vampir. Aber er ließ sich davon nicht abhalten und startete den Motor. In jugendlichem Leichtsinn ließ er den Drehzahlmesser nach oben schnellen und hörte dem schönen Klang der Maschine zu. Ja, das war ein himmlisches Geräusch. Er versicherte sich, dass Bella angeschnallt war. Sein Gurt blieb jedoch wo er war. So etwas brauchen nur Normalsterbliche. Dann drückte er aufs Gas und ließ die Reifen durchdrehen. Mit dem alten Truck hätte das nur wenig Spaß gemacht. Aber jetzt lachte er aus vollem Halse und unterwarf die vielen Pferdestärken seinem Willen.

Vom Fenster her sah Billy seinen Sohn davonfahren. Er hatte gemischte Gefühle. Er war froh, dass es Jake besser ging, aber Bellas Ideologie schien ihm sehr gefährlich. Ein wenig hatte er gelauscht und konnte sich deshalb ein solches Urteil erlauben.

So schnell, wie der Wagen es hergab, schoss Jacob über die Waldstraßen dahin. Dank seiner Reflexe brauchte er nicht sonderlich Rücksicht zu nehmen. Sollte doch was passieren, war er sich sicher, Bella mit seinem Körper schützen zu können. Um das Auto scherte er sich nicht.

Für Bellas Geschmack waren sie viel zu schnell unterwegs und Jake hatte auch keine Scheinwerfer angemacht. Dank seiner Wolfssinne sah er so besser als mit dem künstlichen Licht. Aber für sie war es beängstigend im Stockdunkeln mit waghalsiger Geschwindigkeit durch den Wald zu brettern. Sie biss die Zähne zusammen und schloss die Augen. Sollte er seinen Moment des Kindseins haben. Wenn es in glücklich machte.

Als sie die Grenzstraße erreichten, sah Jake den Vampir mitten auf der Straße stehen. Dann testen wir doch mal seinen Nerven, dachte sich Jake und gab Vollgas. Kurz vor dem Untoten zog er die Handbremse, riss den Lenker herum und ließ die Reifen quietschen, als sie quer zur Fahrtrichtung abbremsten. Nur wenige Zentimeter vor dem anderen kam das Auto zum Stehen.

„Fährt sich super, nur der Gestank ist kaum auszuhalten“, begrüßte er den Blutsauger und stieg aus. Dieser hatte nur Augen für Bella, welche leicht grün um die Nase war. Er öffnete bereits den Mund um den Wolf zurechtzuweisen, da schüttelte Bella den Kopf und er sagte stattdessen: „Dein Geruch ist für mich auch nicht gerade angenehm Jake. Aber ich danke dir, dass du Bella sicher hierhergebracht hast.“

Ohne eine Erwiderung ging der Wolf um das Auto und stand etwas unschlüssig vor Bella. Diese schluckte ihre Übelkeit runter und sah zu ihm hoch. „Ich werde nicht aussteigen, mir dreht sich alles. Dein Fahrstil ist gewöhnungsbedürftig.“

„Sorry“, brabbelte er kleinlaut und machte sich Vorwürfe. Er hatte nicht an Bellas Befinden gedacht.

„Schon gut, aber morgen komme ich mit meinem Truck. Noch so ne Spritztour überlebe ich nicht zwei Tage hintereinander.“

„Du kommst morgen wieder?“, fragte er sehr unsicher und vorsichtig.

„Wenn du da bist, dann schon. Wobei wir streng genommen ja schon morgen haben. Also bis später Jake“, sagte Bella und versuchte ihm die Angst vor einer Zurückweisung zu nehmen.

„Bella“, er druckste ein wenig rum und brabbelte dann: „Danke.“ Dabei zeigte er auf die Kette, aber sie war sich sicher, dass er nicht nur das meinte. In Edwards Gegenwart würde er sich aber keine Blöße geben, auch wenn sein Leben davon abhinge.

„Kein Problem. Ich bring dann auch was zu essen mit. Chinesisch oder Thai?“

„Thai“, wurde sie angestrahlt und er sprang einen Schritt zurück, als Edward den Wagen anließ. Dann winkte er überglücklich und sah ihnen nach, bis sie aus seinem Blickfeld verschwanden. Anschließend rannte er in die Büsche und zog sich aus. Mit seinen Klamotten im Maul rannte er, mit federnden Schritten, zurück nach Hause. Bella würde wiederkommen, und nur das zählte gerade für ihn.
 

Edward fuhr im Schneckentempo, verglichen mit Jake, und hatte die Scheinwerfer eingeschaltet. Auch wenn er sie nicht brauchte, gaben sie Bella ein Gefühl der Sicherheit. Nur den Gurt legte er wie Jake nicht an. Damit er sich frei bewegen konnte, um sie zu schützen, falls etwas passierte. Neugierig wartete er darauf, dass Bella etwas sagte. Er hatte die Stimmung zwischen den beiden genau beobachtet und auch den Anhänger gesehen. Demnach hatte Bella sich an die Anweisungen des Fremden gehalten.

Sie wollte gerade ansetzen zu sprechen, da sah er vor ihnen eine Gestalt auf der Straße stehen. Er wurde langsamer und Bella sah in fragend an.

„Isaak steht da vorne“, erklärte er trocken.

Bella wusste, dass er um ihre Sicherheit besorgt war. Aber, sie hatte da noch was zu klären und sagte: „Fahr zu ihm. Ich muss mit ihm reden.“

Ohne Widerworte fügte er sich und beschleunigte ein wenig. Etwa zehn Meter von dem Mann entfernt parkte er mitten auf der Landstraße. Licht und Motor ließ er laufen. Bella machte Anstalten auszusteigen, aber Edward hielt sie mit sanfter Gewalt auf. „Edward“, schimpfte sie und sah zu dem Fremden, der sich keinen Millimeter bewegte hatte.

„Ich danke dir Bella. Das werde ich nicht vergessen“, sagte Isaak und verbeugte sich tief. Er machte einen perfekten 90°Winkel und blieb in dieser Haltung für einige Sekunden. Dann erhob er sich, sprang aus dem Lichtkegel und die Böschung hinunter, in den Wald.

„Warte“, rief sie ihm noch nach. Edward stieg blitzschnell aus und suchte den Rotblonden. Dieser aber war spurlos verschwunden.

Tonlos sagte er: „Er ist weg. Soll ich ihn suchen?“

„Nein. Lass uns fahren. Du wirst ihn eh nicht mehr finden. Er zeigt sich nur wenn er will“, meinte Bella und ließ sich in den Sitz zurückfallen.

Einen Lidschlag später saß Edward wieder neben ihr und sah sie fragend an.

„Fährst du bitte? Ich muss noch etwas schlafen, das werden anstrengende Tage werden.“

Sofort richteten sich seine Augen nach vorne und er setzte das Auto in Bewegung. Nachdem sie ihm das Versprechen abgerungen hatte, nichts weiterzugeben, begann sie zu erklären.



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