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Sintflut

von

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Wir machen jetzt aber noch mal was ganz verrücktes.

"Wir machen jetzt aber noch mal was ganz verrücktes."
 

Einige Tage später sieht Annabells Wohnung noch ein bisschen wohnlicher aus. Das liegt nicht nur daran, dass ein paar neue Regale, Kommoden, Bilder und andere Accessoires ihren Weg in die Wohnung gefunden haben. Sondern auch an den vielen großen Kartons und Pappen, welche im Flur auf einem großen Haufen liegen und nur darauf warten fachgerecht gebündelt und zusammen geschnürt zu werden. Von dem Ganzen war das Einkaufen am einfachsten gewesen, dann fing es schon damit an, wie sie das Zeug alles in Tonis Skoda geschoben kriegen, ohne dass sie dreimal hin und her fahren müssen. Sie haben es tatsächlich geschafft, nur einmal den Weg fahren zu müssen, allerdings können sie von Glück reden, dass keine Polizeistreife ihren Weg gekreuzt hat, denn sonst hätten sie sicherlich eine ziemlich hohe Strafe zahlen müssen, vom anschließenden Laufen mal ganz zu schweigen. Verkehrssicher war zumindest anders und Annabell ist froh, dass alles glatt gelaufen ist.
 

Zurück in ihrer Wohnung mussten sie die vielen, teilweise sehr schweren Pakete noch nach oben tragen und auch wenn sie beide jetzt nicht so schwach sind, ordentlich trainiert ist trotzdem anders und Annabell hat sich bei jedem Paket vorgenommen endlich mal mit Sport zu beginnen. Dieser gute Vorsatz liegt aber schon wieder vergessen in einer Ecke ihres Gehirns, denn sie hat nicht vor in absehbarer Zeit alles wieder nach unten zu schleppen, weswegen Sport in der Hinsicht auch nicht gerade lebensnotwendig ist, zudem sie ja eh zur Kategorie faul gehört. Nach dem hinauf Schleppen gehört natürlich der Aufbau und der hat sich wohl am längsten hingezogen. Nicht, weil sie zu dämlich dafür waren, sondern einfach, weil entweder die Bauanleitung auf Chinesisch war, ein bestimmtes Werkzeug gefehlt hat, oder die Bauanleitung gar nicht erst im Paket beilag. Das hat nicht nur Nerven gekostet, sondern auch extrem viel Zeit und Kraft.
 

In den letzten Tagen hatten sie deswegen auch keine wirkliche Möglichkeit in der Sintflut einzufallen. Was heißt nicht die Möglichkeit, die Möglichkeiten waren jeden Abend da, aber ihre Motivation hatte sich dafür nicht blicken lassen. Von dem ganzen Geschleppe und Aufbauen und Ausrichten waren sie jetzt immer so kaputt, dass Annabell einfach ein paar Brote geschmiert hat und sie sich damit aufs Sofa verkrochen haben. Das ging auch und die Sandwiches haben den gröbsten Hunger gestillt, als Nachtisch wurden dann eh immer noch neckische Dinge auf den Tisch gezaubert, egal ob Schokolade, Gummibärchen oder einfach nur ein simples Stieleis. So wirklich böse ist Annabell aber auch nicht darüber, dass sie noch nicht wieder essen gehen konnten, denn da konnte Toni nämlich noch nicht ihren Plan ausführen, den sie ganz sicher schon in ihrem Kopf geschmiedet hat, obwohl sie bis dato das Thema auf sich hat beruhen lassen. Aber nur, weil sie nichts sagt, heißt das noch lange nicht, dass sich das Thema erledigt hat. Annabell kennt schließlich ihre Freundin und umso ruhiger sie ist, umso schlimmer, beziehungsweise extremer wird es denn auch immer.
 

Heute Abend wird sie allerdings nicht drum herum kommen. Morgen wird ihre Freundin leider schon wieder die Heimreise antreten und Annabell darf sich wieder alleine die Tage um die Ohren schlagen. Sie wird alleine bei dem Gedanken daran, morgen wieder ohne Toni auskommen zu müssen, ganz theatralisch. Doch sie haben beide gewusst, dass sie nur für ein paar Tage hier bleiben wird. Seit dem Morgen sind sie beide nun schon mit ihren Rucksäcken unterwegs und haben eine ordentliche Wanderung unternommen. Wie die anderen Tage auch, sind sie beide bis auf die Knochen erschöpft, doch diese Erschöpfung fühlt sich ganz anders an.
 

Keiner von ihnen ist den ganzen Tag auf dem Boden herum gerobbt und hat irgendwelche Holzbretter oder Türen aneinander geschraubt. Sie sind einfach nur am Strand entlang gelaufen, haben die Kugelbake passiert – das Wahrzeichen von Cuxhaven, geografisch endet dort die Elbe und die Nordsee beginnt, auch Seezeichen genannt – und das Wasser beim Rückzug beobachtet. Nach einer Stärkung auf ihrer Wanderung sind sie einige Stunden barfuß über das Watt marschiert und haben kleine Babykrabben beobachtet, wie sie erschrocken über den trockenen – trocken in dem Sinn, dass kein Wasser mehr da ist, weil direkt trocken ist er deswegen ja trotzdem nicht – Meeresboden krabbelten oder sich gleich direkt im Sand verbuddelten. Sie mussten dann noch eine ganze Strecke auf dem Sandstrand zurück legen, damit ihre Füße wieder trocken und der Schlamm abgerieben sind, bevor die Mädels in ihre Schuhe zurück schlüpfen konnten.
 

Wie gesagt, nun sind beide erschöpft und ihnen brennen die Füße, doch keine der beiden hat die Geduld zu Annabell nach Hause zu gehen und sich da ein wenig auszuruhen. Würden sie einmal mit ihren Körpern auf dem Sofa herabsinken, so wäre sofort klar, dass keine der beiden heute auch nur noch einen Schritt vor die Tür machen würde. Also beißen sie die Zähne zusammen und überbrücken die letzten hundert Meter mit brennenden Füßen, bis sie endlich die Sintflut erreichen und sich dort einen gemütlichen Tisch ergattern, wo sie alles – oder jeden – genau im Blick haben und das Treiben beobachten können.
 

„Dein Süßer ist da.“ Annabell hat sich noch gar nicht richtig hin gesetzt, da spürt sie schon den spitzen Ellenbogen von Toni in ihrer Seite, welcher sie zusammenzucken lässt.

„Hör auf!“, zischt sie leise und schickt einen mörderischen Blick Toni zu, denn ausgerechnet in diesem Moment hat Oskar zu ihnen geguckt und sie begrüßt, wenn auch aus so einer Entfernung, dass er Tonis Worte unmöglich hören konnte. Aber das ist egal, schon die Tatsache, dass er ihr mächtiges Zusammenzucken gesehen hat, treibt Annabell die rote Farbe ins Gesicht.

„Entspann dich, ist doch nichts passiert“, verdreht Toni ihre Augen. Nein, es ist nichts passiert, nur das Annabell sich schon blamiert hat, bevor sie überhaupt eine Minute in diesem Gebäude ist. Allerdings versucht sie gar nicht erst mit Toni darüber eine Diskussion zu beginnen, das ist eh zwecklos und vergebene Liebesmüh.
 

Ein „Moin“, veranlasst Annabell dazu ihren bösen Blick von Toni zu lösen und im nächsten Moment schaut sie in graue Augen, welche den Blickkontakt für zwei Sekunden aufrecht erhalten, bevor sie sich von ihr lösen und beobachten, dass ja alles an seinem richtigen Platz gerät, nämlich die Speisekarten, welche Oskar vor ihnen ablegt. Dann rauscht er schon wieder davon und Annabell hatte noch nicht mal richtig die Chance seine Begrüßung zu erwidern, im Gegensatz zu Toni, welche ziemlich euphorisch den Gruß zurück gegeben hat. Oh man, der Mann muss sicherlich denken, dass sie eine dumme Zippe ist, die es nicht für nötig hält zu antworten. Kein Wunder, dass er sie genauso behandelt wie alle anderen Gäste auch und nicht eine besondere Art irgendwie an den Tag legt.
 

„Hör auf zu träumen, vor deiner Nase spielt die Musik“, trifft ein spitzer Ellenbogen schon wieder zielgenau ihre Rippenpartie und Annabell jault kurz auf. Sich über Toni ärgernd hebt sie die Karte hoch und tut wenigstens so, als würde sie darin lesen, denn ihre Aufmerksamkeit wird von was ganz anderem angezogen. Oder sollte sie sagen von jemand ganz anderem? Von ihrem Platz aus haben sie einen perfekten Blick auf die Theke und genau hinter dieser Theke befindet sich die Bar. Genau diese Bar wird von niemand anderem als Oskar bedient und der muss sich gerade so schön weit nach oben strecken, dass sein eng anliegendes Hemd ordentlich nach oben rutscht und einen handbreiten Streifen Haut freilegt. Er steht seitlich zu ihnen, so dass Annabell mehr als deutlich seinen freigelegten Hüftknochen sehen kann.
 

Augenblicklich wird ihr Mund staubtrocken und in ihrem Bauch fängt es an zu Kribbeln und ihr Körper wird von einer Welle Aufregung regelrecht überspült. In ihrer Vorstellung taucht von ganz alleine ein Bild auf, wo ihre Hände sich unter den engen Stoff des Hemdes schleichen und dort über den warmen, festen Bauch streichen. Sie kann die Muskeln und auch die Erhebung des Knochens beinahe schon spüren. Annabell träumt sich noch eine Etage tiefer, welche sie bis an den Bund der tief sitzenden schwarzen Jeans führt u- „Au, verdammt! Wenn du nicht gleich aufhörst mich mit deinen spitzen Knochen zu malträtieren, ramme ich dir mal MEINEN Ellenbogen dahin, wo es so richtig weh tut, Antonia-Sophie!“, wird Annabell aus ihrem – zugegeben sehr heißen, aber gerade ein bisschen unpassenden – Tagtraum, dank erneuter Attacke von Tonis Ellenbogen, gerissen, was sie so nervt, dass sie auch mal nicht an sich halten kann und einfach ihrem Ärger Luft lässt.
 

Das darauffolgende, belustigte Glucksen lässt sie ihren Kopf drehen. Oskar bleibt grinsend vor ihnen stehen, sagt aber kein Wort. Annabell dagegen würde am liebsten ihre Sachen nehmen und verschwinden, aber dieser peinliche Abgang würde ihr Verhalten wahrscheinlich noch peinlicher machen und sie will sich eigentlich auch nicht so sehr blamieren, dass sie später nie wieder einen Fuß in dieses Lokal setzen kann.
 

„Ich hätte gerne ein großes Jever“, übernimmt Toni dann einfach das Zepter.

„Ein großes Jever für Antonia-Sophie“, murmelt daraufhin Oskar und kritzelt Tonis Bestellung auf seinen kleinen Block, aber nicht ohne ein freches Grinsen im Gesicht zu haben.

„Du weißt wie ich diesen Namen hasse“, brummt Toni daraufhin zu Annabell und seufzt, was nun Annabell dazu veranlasst die Schultern zu zucken.

„Dann behalt das nächste Mal deine Ellenbogen bei dir“, brummt sie selbstbewusster als sie ist, bevor Annabell auch endlich ihre Bestellung aufgibt. „Einen Pfefferminztee, bitte. Und das Tagesgericht.“

„Gerne“, schreibt Oskar emsig mit. „Und was möchte Antonia-Sophie essen?“, grinst er dann schon wieder und man sieht regelrecht den Schalk in den grauen Augen blitzen. Als Toni Annabell einen giftigen Blick zuwirft, zwinkert Oskar ihr sogar frech zu, was ihr Herz gleich wieder dazu veranlasst einen Salto rückwärts zu machen. Keine Ahnung, ob das schon zu Tonis Plan gehört, was die Aufmerksamkeit Oskars angeht, zu funktionieren scheint es aber.
 

„Ich nehme das gleiche wie Annabell“, betont Toni mit Absicht ihren Namen deutlich, doch damit kann sie sie nicht ärgern. Sie mag ihren Namen. Einzig ein bisschen peinlich ist es ihr, aber der blonde Mann lässt sich nichts anmerken, sondern nickt nach seinen Notizen und verschwindet danach wieder.
 

„Was sollte das denn?“, beschwert sich Annabell sofort bei ihrer Freundin, sobald sie sich von Oskars knackiger Rückansicht losreißen konnte.

„Was denn? Irgendwie musste ich dich ja aus deinem Traum heraus kitzeln, du warst ja vollkommen weg, nachdem du ihn mit deinen Blicken beinahe ausgezogen hast. Du hast mich ja vollkommen ignoriert.“

„Ich habe ihn gar nicht mit meinen Blicken ausgezogen“, streitet Annabell Tonis Beschuldigungen leise ab, außer das mit dem Ignorieren, denn das hat sie wirklich getan. Hoffentlich hört hier keiner mit, das wäre sonst der Oberknaller schlechthin, aber nicht auf die gute Art und Weise.
 

„Natürlich hast du das. Du sahst beinahe so aus, als würdest du ihn überall ablecken wollen – worin ich dir keinen Vorwurf machen will, lecker ist er ja wirklich“, grinst Toni am Ende breit. „Weißt du aber, was das allerbeste an der Sache ist?“, will sie dann noch wissen und wackelt mit ihren Augenbrauen.

„Was?“, fragt Annabell, das aber nicht gerade freundlich.

„Er kennt jetzt deinen Namen.“

„Deinen aber auch, Antonia-Sophie.“

„Touché.“
 

Damit ist das Kriegsbeil zwischen den beiden wieder begraben und sie machen sich wenig später über ihr Essen her, welches diesmal leider nicht von Oskar gebracht wurde, da dieser von anderen Gästen vollkommen eingenommen und belagert wurde. Schade, aber lässt sich nun mal nicht ändern, zudem, das Essen ja aber trotzdem schmeckt.
 

Satt und zufrieden lehnen sich die beiden wenig später wieder zurück und Annabell hat sich noch ihren Pfefferminztee vor die Nase gezogen. Der ist zwar nicht mehr heiß, aber das stört sie nicht. Generell trinkt sie gerne und viel Tee, da ist es ihr egal, ob er noch heiß ist, oder beinahe Eisschollen darauf schwimmen. Solange man die frische der Minze schmeckt – das ist eindeutig ihre Lieblingssorte – ist ihr die Temperatur vollkommen egal.

Im Nu sind ihre leer geputzten Teller vom Tisch geräumt. Dann kann Annabell gar nicht so schnell gucken, wie Toni für jeden noch einen Cocktail bestellt hat.
 

„So war das aber nicht abgemacht“, schüttelt sie amüsiert den Kopf.

„Wir haben auch nie darüber gesprochen. Ich lad dich ein, keine Bange. Ich mag nur den letzten Abend mit dir noch genießen, bevor ich morgen wieder nach Hause fahren muss“, seufzt Toni theatralisch. Allerdings kann Annabell sie in dieser Hinsicht total verstehen. Ihre gemeinsame Zeit ist so schnell vergangen, dabei klangen sechs Tage wirklich lang. Doch die ganze Aktion mit ihrer Wohnung hat so viel Zeit gefressen, dass am Ende nur noch der heutige Tag übrig blieb, um ihn richtig zu genießen.
 

„Dann muss ich mal kurz dahin, wohin selbst der Kaiser zu Fuß hingeht“, entschuldigt Annabell sich und kämpft sich zur Theke durch, damit sie sich eine Marke für die Toilette abholen kann. Für sie als Kunde des Lokals ist die Benutzung kostenlos, Gäste die nicht in diesem Haus speisen, müssen ein bisschen dafür lohnen, aber schließlich machen die Toiletten sich nicht von alleine wieder sauber und instand gesetzt kann von nix auch nichts werden, weswegen Annabell es vollkommen gerechtfertigt findet.
 

Mit ein bisschen zu viel Schwung steigt sie die einzelne Stufe, welche ins oder aus dem Lokal führt, hinunter und rennt prompt in einen großen, harten Körper, welcher ebenfalls um die Ecke geschossen kommt. Der Geruch von frischem Rauch steigt ihr in die Nase, dazu eine Note herben Deos und eine sehr präsente Nuance, die eindeutig nach Essen riecht.
 

Annabell ruft erschrocken „Sorry“ aus, gleichzeitig dringt ein „Vorsichtig!“, an ihre Ohren, bevor sie an den Schultern gepackt wird, wahrscheinlich, damit sie nicht noch einen Abflug macht, da sie erschrocken einen Schritt zurück gegangen ist, weswegen sie rückwärts an die hohe Stufe stößt. Tatsächlich ist sie ausgerechnet mit Oskar zusammen gestoßen, welcher scheinbar kurz ‚frische Luft schnappen‘ war, wenn man die frische Rauchnote als Argument nimmt.
 

„Ich hab dich nicht gesehen. Alles okay?“, fragt dieser sogleich und schaut sie mit seinen grauen Augen an.

„Al-alles okay. Ich hab mich nur erschrocken“, nickt Annabell und sie bekommt sogar ein Lächeln hin, was Oskar sogleich erwidert.

„Gott sei Dank und Sorry noch mal“, tätschelt er eine ihrer Schultern, bevor er sich mit einem entschuldigenden Lächeln an ihr vorbei drängt um seiner Arbeit nachzugehen. Himmel, was für ein Schreck, wenn auch ein sehr guter, wenn Annabell ehrlich zu sich selbst ist. Bevor sie aber wieder zu träumen beginnt, geht sie endlich dem nach, weswegen sie überhaupt aufgestanden ist. In Windeseile verschwindet sie in den sanitären Anlagen und kommt nach einigen Minuten verrichteter Dinge wieder raus. Schnell hat sie sich zu Toni wieder durchgekämpft, welche schon mit ihren Cocktails wartet und ungeduldig an einem der beiden Strohhalme spielt, die in ihrem Glas stecken.
 

„Was war denn das gerade?“, war ja klar, dass sie das mitbekommen hat. Was anderes hätte Annabell auch gewundert.

„Was soll schon gewesen sein?“

„Verkauf mich nicht für dumm. Ich habe doch gesehen, wie du dich mit Oskar unterhalten hast, er hatte sogar seine Hand auf deiner Schulter. Von wegen der weiß nicht, dass du existierst“, schaut Toni Annabell vorwurfsvoll an, doch diese schüttelt nur ihren Kopf, auch wenn der trotz allem knallrot leuchtet.

„Guck das nächste Mal richtig hin. Er ist voll in mich hinein gerauscht. Oder ich in ihn, keine Ahnung. Zumindest konnten wir den Frontalzusammenstoß gerade so noch verhindern, dabei sind seine Hände auf meinen Schultern gelandet, als Stütze sozusagen. Nicht mehr und auch nicht weniger“, daraufhin zieht Toni einen Flunsch und Annabell denkt sich nur: Ich weiß was du meinst.
 

Als Ablenkung zieht sich Annabell ihren Drink heran und probiert einen Schluck. Das Gesöff ist mächtig süß, aber auch ziemlich süffig und sie weiß jetzt schon, dass sie den ganz sicher in ihrem Kopf noch spüren wird. Doch auch dieser Gedanke hilft nicht, dass sie immer wieder daran zurück denken muss, wie sich Oskars große Hände auf ihren Schultern angefühlt haben. Oder wie fest und stark sich sein Körper bei ihrer Kollision angefühlt hat. Das mittlerweile altbekannte Kribbeln steigt wieder in ihrem Bauch empor. Das fühlt sich arg nach Schmetterlingen im Bauch an. Da hat sie sich ja mächtig etwas eingebrockt. In einem Kerl verschossen, der sie nur soweit wahrnimmt, wie jeden anderen Gast auch. Aber immerhin kann sie ihn jedes Mal aufs Neue heimlich anschmachten, zumindest wenn er gerade Dienst hat.
 

„Bella, du träumst schon wieder“, spürt sie zum wiederholten Male den sehr bekannten Ellenbogen in ihrer Rippennähe und Annabell würde es nicht wundern, wenn ihre Seite morgen von blauen Hämatomen übersät wäre. Dieses Mal hat Toni ihre Kräfte aber wenigstens ein bisschen kontrolliert und es war mehr ein Stupser und kein böser Schlag.

„Lass mich doch träumen, stört doch niemanden.“

„Doch mich.“

„Du gönnst einem auch nichts, hm?“, muss sie dann aber selbst schmunzeln und Annabell lässt ihr Glas vorsichtig gegen Tonis klirren. Somit schleicht der Abend weiter dahin und nicht nur ein Cocktail wird von den beiden Mädels vernichtet, sondern es folgen noch zwei andere. Das Lokal selbst hat sich mittlerweile deutlich geleert und bis auf zwei Kerle direkt an der Theke, ist niemand mehr da. Annabell nippt noch an dem letzten Rest ihres Cocktails, während Toni die Rechnung bestellt. Bevor sie überhaupt reagieren kann, hat ihre Freundin die komplette Rechnung beglichen und dazu noch ein ordentliches Trinkgeld springen lassen.
 

„Du bist doch verrückt“, murmelt Annabell mit einem Lächeln, als sie es beobachtet.

„Wieso? Dieser Laden hier ist einfach Spitze, also darf das Personal ruhig auch was davon haben“, zuckt Toni lässig mit den Schultern und schenkt dem älteren Mann, der neben Oskar heute den Laden geschmissen hat, ein aufrichtiges Lächeln. Dieser bedankt sich sichtlich erfreut und wünscht ihnen noch einen schönen Abend, bevor er mit dem gefüllten Kellnerportemonnaie von dannen zieht.
 

„Wir machen jetzt aber noch mal was ganz Verrücktes“, zwinkert Toni ihr zu und sie kramt ihr Handy hervor und schnorrt sich bei Annabell einen Kugelschreiber, den sie immer mit sich herum trägt, zumindest wenn sie eine Tasche oder ihren Rucksack dabei hat.

„Will ich wissen, was du vor hast?“, hebt Annabell eine Augenbraue und sie saugt geräuschvoller als beabsichtigt ihr Glas, dank dem Trinkhalm, leer.

„Moment, ich hab es gleich“, vertröstet Toni sie aber nur. Seufzend zieht Annabell sich schon mal ihre Jacke über und reißt den Reißverschluss bis zum Kinn hoch, aus Erfahrung weiß sie nämlich mittlerweile, dass es draußen nun doch schon recht frisch ist.
 

„So, fertig“, strahlt Toni eine halbe Minute später und sie schiebt den Stift zu ihr rüber, samt dem Pappuntersetzer, auf dem zuvor noch ihr Glas stand. Mit skeptischer Miene zieht Annabell alles zu sich heran und schnappt im nächsten Moment nach Luft, als sie kapiert, was genau ihre Freundin da drauf gekritzelt hat. In fein säuberlicher Schrift steht Annabells Handynummer auf dem Stück Karton und unten drunter ‚Zu Händen Oskar.‘
 

„Bist du wahnsinnig, das kannst du doch nicht machen!“, bricht es erbost aus Annabell raus, zudem brennen ihre Wangen schon wieder so verräterisch, das heißt, sie ist schon wieder knallrot. Sofort will sie sich den Untersetzer unter den Nagel reißen, doch Toni ist schneller und sie schnappt sich das kleine Teil.

„Ich kann und werde“, meint diese nur und zieht Annabell dann einfach aus dem Lokal, aber nicht ohne vorher den Untersetzer wieder auf den Tisch zu werfen, damit er auch ja gesehen wird.



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