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Sintflut

von

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Moin

"Moin."
 

Mit einem breiten Lächeln lässt Annabell ihre schwere Reisetasche neben sich auf den braunen Parkettboden fallen und ein befreiter Atemzug verlässt ihre Lippen. Noch ist ihre Wohnung ziemlich leer und sie wird die erste Nacht wohl oder übel auf ihrer Luftmatratze verbringen müssen, da morgen erst das Umzugsunternehmen mit ihren ganzen Möbeln und Habseligkeiten ankommen wird, doch das ist es ihr wert. Viel Geduld war nötig, bis sie in ihrer neuen Heimat endlich eine passende Wohnung für sich gefunden hat, dabei war alleine schon die Entscheidung für diesen Umzug eine Sache für sich. Lange hat sie mit sich gehadert, ob sie ihre alte Heimat im Osten Deutschlands wirklich den Rücken kehren soll und letzten Endes hat sie ihr Herz entscheiden lassen, welches sie schon beim ersten Urlaub an der stürmischen Nordsee verloren hat.
 

Kaum war diese Entscheidung getroffen, machte der hiesige Immobilienmarkt ihr das Leben nicht gerade leichter. Sie kann die vielen Wohnungen schon gar nicht mehr zählen, die sie sich übers Internet angeschaut hat und die ihr größtenteils zugesagt haben. Meistens waren die horrenden Preise aber der ausschlaggebende Grund, weswegen sie ihr Interesse zurückziehen musste. Zwar hat sie eine ordentliche finanzielle Rücklage, aber die muss sie ja nicht gleich nach einem halben Jahr aufbrauchen, weil die Miete zu hoch ist. Deswegen ist sie umso erleichterter, dass es endlich geklappt hat und ihre neue Wohnung sogar eine Einbauküche vorweisen kann. Die war zwar auch nicht gerade billig, aber wenigstens nur eine einmalige Zahlung und kein monatliches abstottern.
 

Mit langsamen Schritten durchquert Annabell ihre neue Bleibe. Wenn sie zur Wohnung rein kommt, liegt rechts gleich das Bad, welches mit einer riesigen Dusche ausgestattet ist. Dazu ein Waschbecken gegenüber und daneben befindet sich die Toilette. Einzig ein weißer Unterschrank befindet sich noch in dem Raum und ein großer Spiegel hängt über dem Waschbecken. Klein, aber schnuckelig und vor allem ausreichend. Ihre kleine Besichtigungstour geht weiter. Nach dem Bad wendet sie sich erneut nach rechts. Sie öffnet die weiße Tür mit einem leisen Quietschen und landet in einem leeren Raum. Die Wände sind so weiß wie die Tür und der Boden ist der gleiche wie im Flur, braunes Parkett. Das hier wird eindeutig ihr Schlafzimmer werden, da muss Annabell gar nicht weiter überlegen.
 

Sie tritt wieder aus dem Raum heraus und wendet sich erneut nach rechts. Eine große, offene Schiebetür weist ihr den Weg in den nächsten Raum. Doppelt so groß wie das Schlafzimmer liegt er vor ihr, doch was ihr sofort gefällt, ist der kleine Wintergarten. Er ist komplett verglast und lässt das sonnige Tageslicht hinein. Allgemein ist dieser Raum sehr lichtdurchflutet, weil noch zwei weitere riesige Fenster sich darin befinden. Annabell sieht sich schon auf ihrem Sofa liegen, mit einem dicken Buch in der Hand und einer dampfenden Tasse Tee vor der Nase.
 

Bevor sie sich aber komplett in dieser wunderbaren Vorstellung verliert, dreht sie dem Raum lieber den Rücken zu und fällt dabei quasi gleich in die Küche. Für den ersten Moment sieht es aus wie eine offene Wohnküche, doch beim zweiten Blick fällt ihr eine weitere Schiebetür auf, mit der man die beiden Räume voneinander trennen kann. Annabell macht zwei Schritte in den Raum hinein und entdeckt zu ihrer rechten einen weißen Kühlschrank, der eindeutig den amerikanischen Oldschoolkühlschränken nachempfunden wurde. Gegenüber dem Gerät steht eine wuchtige Kücheninsel. Das Abwaschbecken ist darin eingelassen, sowie der Herd und der Backofen. Sie tritt näher heran und betrachtet die anderen Schubladen und Schranktüren genauer, welche ein weißes hochglänzendes Dekor haben. Die Lieblingsfarbe ihres Vormieters war eindeutig weiß. Auf ihrer weiteren Entdeckungstour findet Annabell sogar noch eine versteckte Geschirrspülmaschine und weitere Schubladen, die in der großen Kücheninsel eingelassen sind. Am anderen Ende des Raumes ist dann sogar noch Platz für einen Esstisch und eine Kommode würde auch noch hinein passen. Bevor sie sich aber in den nächsten Möbelladen stürzt, sollte sie sich lieber um ihr Nachtlager kümmern und auch, dass sie vielleicht erst mal den Kühlschrank in Gang setzt, damit sie so schnell wie möglich Lebensmittel darin lagern kann.
 

Eine Stunde später hat sie ihre Luftmatratze soweit mit Luft aus ihren Lungen gefüllt, dass sie zumindest nicht sofort denkt auf dem harten Boden zu liegen. Sie wird wohl später, wenn sie wieder genug Puste hat, noch mal ein bisschen nach pumpen müssen. Ihren mitgebrachten Schlafsack hat sie ebenfalls schon ausgerollt und ihr Lieblingskissen konnte Annabell ebenfalls schon aus ihrer Reisetasche ziehen. Jetzt ist wenigstens ihr improvisierter Schlafplatz fertig. Sogar kurz frisch machen konnte sie sich und nun ist Annabell bereit sich ihre neue Umgebung ein bisschen genauer anzusehen.
 

Gut, sie muss gestehen, so neu ist die Umgebung dann doch nicht, sie war schon einige Male in der Gegend, weswegen sie sich dann schon besser hier auskennt, als man vermuten mag. Nichtsdestotrotz möchte sie raus und ihre Nase in die Richtung halten, von wo das Meer eine frische Brise aufs Festland schickt. Deswegen schnappt sie sich ihre Handtasche und ihren Schlüsselbund, dann ist sie auch schon aus ihrer Wohnung verschwunden und folgt dem Weg, von welchem sie weiß, dass dieser sie zum Deich und dem dahinter gelegenem Meer bringt. Es sind vielleicht nur hundert Meter, dann erreicht sie eine Treppe, die sie den Deich nach oben bringt. Kaum ist sie oben angelangt, hat Annabell einen fantastischen Ausblick auf die Nordsee, welche sich langsam aber sicher wieder zurück zieht. Teilweise kann man schon ein bisschen Sandstrand erkennen, der sonst von Wasser überflutet ist. Genau noch so wie bei ihrem letzten Besuch, stehen auf der linken Seite drei rote Zelte. Einmal die Erste-Hilfe-Station, ganz außen links, das mittige Zelt ist ein kleines Bistro, wo man leckere Pizza bekommt, Eis oder einfach nur einen süffigen Drink. Und das dritte ist ein kleines Sanitärzelt, für die wichtigen Bedürfnisse. Von der Treppe aus, die sie erklommen hat, führt ein Weg nach unten zu den roten Zelten und rechts und links davon sind auf der Wiese viele bunte Strandkörbe aufgestellt, welche teilweise sogar belegt sind.
 

Sofort fühlt sich Annabell entspannt und angekommen und sie fragt sich ehrlich, warum sie so lange grübeln musste, bis ihr Entschluss fest stand hier her zu ziehen. Nicht mal in ihrer Heimatstadt hat sie sich jemals so wohl gefühlt, wie hier in Cuxhaven. Mit einem seligen Lächeln setzt sie sich wieder in Bewegung und gemütlich läuft sie den asphaltierten Weg hinunter, bis sie an dem Fahrradweg ankommt, der direkt am Meer liegt, welches nur noch von einer kleinen Steinmauer abgeschirmt wird. Aller hundert Meter führt eine Metalltreppe über die niedrige Mauer und direkt ins Wasser oder aufs Watt, je nach dem wann man diese erklimmen will.
 

Eine dieser Treppen reizt Annabell sehr, da aber noch immer die Wellen des Meeres teilweise sehr nah am Strand lecken, verzichtet sie lieber noch auf einen kleinen Spaziergang auf dem trocken gelegten Meeresboden. Sie hat nur ein paar Schuhe zur Hand, die anderen sind in einem der vielen Kartons verstaut, die morgen erst vom Umzugsunternehmen gebracht werden. Also geht sie lieber jedem erhöhten Risiko aus dem Weg, sie wird noch oft genug Gelegenheit dazu bekommen.
 

Annabell wendet sich nach rechts und läuft den breiten Fahrradweg entlang. Ihr Weg führt direkt zum Hafen. Wie schon bei ihrem letzten Besuch ist dort die Anlegestelle der Fähre, welche täglich nach Helgoland schippert. Sie erinnert sich noch sehr gut an ihre eigene Überfahrt zu der kleinen Insel, die mitten in der Nordsee liegt. Der Tagesausflug damals hat echt Spaß gemacht und sie hat den Rundgang um die Insel wahrlich genossen. Doch trotz der wunderbaren Natur und Aussicht, viel länger hätte sie auf der Insel nicht bleiben wollen und sie kann nicht wirklich nachvollziehen, wie Leute dort eine Woche Urlaub machen können. Es gibt zwar massenweise Läden, aber die führen alle irgendwie das gleiche. Dann gibt es dort noch einen Sportplatz und ein Schwimmbad. Nimmt man die Hotels weg, dann war es das auch schon.
 

Noch ist die Anlegestelle verwaist, aber spätestens gegen achtzehn Uhr dreißig wird die große Fähre in den Hafen einlaufen und wieder hunderte von Menschen aufs Festland spucken. Auf der Anlegestelle steht noch eine Fischbude. Man kann kommen wann man will, dort ist immer was los und die Leute reißen sich schon förmlich um die Fischbrötchen. Aber wer bekommt keinen Appetit darauf, wenn die Möwen über einem ihre Kreise ziehen und ihr typisches Kreischen ausstoßen? Das fühlt sich einfach nach Meer und Fischbrötchen an und man bestellt ganz automatisch so ein leckeres Teil. Trotz allem steht ihr Sinn heute nicht nach dieser Köstlichkeit. Nein, sie wird von ganz alleine von dem roten Backsteingebäude angezogen. Umso näher sie dem flachen Bau kommt, umso schneller schlägt ihr Herz und sie weiß auch ganz genau an was es liegt, oder viel eher an wem.
 

Als Annabell ihn das erste Mal gesehen hat, war sie hin und weg, dabei wird er nicht mal wissen, dass sie es überhaupt gibt. Zwar war sie bei ihrem letzten Besuch beinahe jeden Tag in dem Lokal essen, doch das ist schon über ein halbes Jahr her und sie kann beim besten Willen von niemanden verlangen, dass er sich noch an sie erinnert. Tief atmet sie noch einmal durch, dann überquert sie den kleinen Parkplatz, bevor sie auf die kleine Terrasse tritt, welche zur ‚Sintflut‘ gehört. Da das Wetter schön ist, die Sonne aber nicht zu penetrant vom Himmel strahlt, sitzen ein paar Gäste draußen und haben sich vor allem in den Strandkörben nieder gelassen, welche zum Wohlfühlen einladen. Kurz überlegt sie, dann entscheidet sie sich dafür ebenfalls draußen zu bleiben und Annabell lässt sich an einem kleinen Tisch nieder.
 

Es dauert nicht lange, dann wird eine Speisekarte vor ihre Nase geschoben und sie mit dem so typischen „Moin“ begrüßt. Doch schon alleine an der Stimme erkennt sie, dass es nicht der Mann ist, von dem sie gehofft hat, ihn heute wieder zu sehen. Da der andere – viel ältere – Mann nun wirklich nichts für ihre Enttäuschung kann, setzt sie dennoch ein Lächeln auf und bedankt sich höflich, bevor sie die so vertraute Speisekarte aufschlägt und die Gerichte studiert, die sie nach wie vor auswendig kennt. Leider kann sie aber trotzdem nichts machen, da ihr der Appetit prompt vergangen ist, sobald sie nicht das Gesicht entdeckt hat, nach welchem sie es dürstet. Klingt zwar irgendwie doof, aber es ist tatsächlich so.
 

„Was soll es denn zu trinken sein?“, wird Annabell aus ihrer kleinen deprimierten Phase gerissen und sie blickt in das leicht faltige Gesicht des Mannes der ihr zuvor die Karte gereicht hat.

„Ein Schöfferhofer Weizen Zitrone, bitte“, murmelt sie und mit einem „Gerne“, macht der Typ wieder kehrt und verschwindet durch eine Treppe ins Innere des roten Gebäudes. Sie weiß genau, dass es über diese Treppe in einen gemütlichen Wintergarten geht, bevor man in den eigentlichen Gastraum des Lokals gelangt. Innerlich seufzend lässt Annabell ihren Blick über die Köpfe gleiten, welche im Inneren sitzen, die sie von ihrem Platz aus erkennen kann, bevor sich eine Gestalt in ihren Blick schiebt und ihr Herz für einen Moment zum Stehen bleiben verdonnert.

Mit einem Tablett, worauf sich eine Flasche mit gelben Inhalt befindet und das dazugehörige Glas, kommt er sicher und mit recht eleganten Schritten die Treppe nach unten und steuert direkt auf sie zu.
 

„Moin! Das Schöfferhofer für dich?“, fragt er, wartet aber gar nicht ihre Antwort ab, sondern stellt alles vor ihr auf dem Tisch ab und gießt sogar ein wenig ins Glas. Selbst wenn Annabell sofort hätte reagieren wollen, sie ist so überrascht, dass er doch heute da ist, dass sie nur nicken kann. Was hat dieser Mann nur an sich, das alleine seine Anwesenheit reicht, das ihre Hände schwitzig und zittrig werden, ihr Herz wie verrückt in ihrem Brustkorb hämmert und sie spürt das ihre Wangen ohne erdenklichen Grund rot und heiß werden?
 

„Was möchtest du essen?“, überspielt er wohl die, für sie so peinliche, Situation oder er hat sie schlicht und ergreifend gar nicht bemerkt. Kann ja auch sein. Annabell weiß allerdings nicht, was sie davon besser finden soll. Bevor sie aber noch nervöser wird, räuspert sie sich und zählt tapfer ihre Bestellung auf.
 

„Das Knobi mit Brot bitte und die Fischsuppe.“

„Gerne“, antwortet der großgewachsene, dunkelblonde Mann, schnappt sich die zugeklappte Speisekarte und wendet sich mit einem Lächeln ab. Annabell will schon durchatmen und ihre Nerven zur Ruhe ermahnen, da steht er schon wieder neben ihr und legt mit den Worten „Schon mal das Besteck“, das benötigte und in einer schwarzen Serviette drapierte Werkzeug vor ihr ab. Dankend nickt Annabell ihm zu und sie kann einfach nicht anders, als ihm hinterher zu schauen.
 

Beinahe schon grazil und mit geradem Rücken steigt der die wenigen Treppenstufen empor und bietet ihr somit eine perfekte Aussicht auf seine Kehrseite. Seine langen Beine stecken in schwarzen Jeans, die schon ein oder zwei Mal zu viel gewaschen wurden, da das Schwarz schon recht ausgewaschen wirkt. Was die Passform angeht, da haben die Waschvorgänge überhaupt nichts ausgemacht, denn die Hose sitzt wie angegossen und da sie doch recht Figur betont ist, kann Annabell einen wohlgeformten Hintern bewundern, von dem sie nicht zum ersten Mal den Blick nicht abwenden kann. Zu seiner Arbeitskleidung gehört noch ein schwarzes Hemd, welches keine Nummer kleiner sein dürfte. Es liegt an seinem Oberkörper an wie eine zweite Haut und lässt keinen wirklichen Freiraum für Fantasien. Man sieht ganz deutlich, dass er kein Spargeltarzan ist, sondern er schon ein paar Muskeln vorzuweisen hat und das findet Annabell verdammt sexy, anders kann sie es einfach nicht ausdrücken.
 

Als der große Mann das nächste Mal die Treppen hinunter kommt, ist er vollbeladen mit vier riesigen Speisetellern und alleine von dem Anblick bekommt sie schon wieder einen halben Schweißausbruch, diesmal liegt es aber daran, dass Annabell sich vorstellt, was wäre, wenn sie die Teller alle so voll beladen und vor allem auf einmal tragen müsste… sie würde es nicht mal einen Meter weit schaffen, dann würde alles schon in einem Trümmerhaufen vor ihr liegen. Deswegen kann sie einfach nicht anders und sie bewundert ihn – und auch alle anderen Servicekräfte die die Teller ohne einen minimalen Schaden zu den Gästen bringen können – um ihr Können.
 

Sobald er die Speisen bei den dazugehörigen Gästen abgestellt hat, sind die Tellerkünste allerdings schon wieder aus Annabells Kopf verschwunden, denn nun kann sie sich ein weiteres Mal an einem wunderbaren Ausblick erfreuen. Der blonde Mann muss sich ein wenig Strecken um einen anderen Gast besser verstehen zu können, dabei rutscht das ohnehin schon sehr taillierte Hemd ein Stück nach oben und Annabell kann einen wirklich sexy Streifen Haut erkennen. Recht deutlich zeichnet sich der Beginn eines V’s ab, welches man eigentlich nur zu sehen bekommt, wenn die Hosen eines Menschen doch sehr weit auf den Hüften sitzen und genau das ist hier eben der Fall. Annabell fühlt sich wie bei einem Unfall; eigentlich sollte sie weggucken, doch sie kann einfach nicht, stattdessen saugt sie dieses Bild gleich noch intensiver in sich auf und muss sogar schlucken, als sie den Bund seiner schwarzen – was auch sonst – Unterhose hervor lugen sieht. Oh Mann.
 

„Einmal Knobi mit Brot“, schwebt wie von Zauberhand ihre Vorspeise vor ihr auf den Tisch. Ziemlich ertappt zuckt sie zusammen.

„D-Danke“, stottert Annabell und schenkt dem älteren Mann nur einen kurzen Blick, reicht schon zu, dass sie in nur dieser Sekunde das wissende Grinsen auf dessen Zügen erkennen kann. Zum Glück hält der Kerl sich damit aber nicht weiter auf, sondern wünscht ihr nur einen guten Appetit und ist danach schon wieder verschwunden. Annabell atmet noch mal kurz durch, dann beschließt sie sich nur noch auf ihr Essen zu konzentrieren und beginnt es genießend zu verzehren.
 

Beinahe schon gierig schlingt sie das köstliche Brot mit der Knoblauchcreme herunter und auch der beigelegte bunt gemischte Salat ist schnell verputzt. Sie hat sich noch gar nicht richtig zurück gelehnt, da wird ihr der leere Teller schon wieder unter der Nase weggezogen.
 

„War alles in Ordnung?“, schickt ihr die tiefe, doch so sympathische Stimme einen leichten Schauer über den Rücken. Lächelnd nickt sie und hebt den Blick, um dann gleich in graue Augen zu schauen, die von grünen Sprenkeln durchzogen sind. Kleine Lachfältchen haben sich darum gebildet und machen das Gesicht des Mannes nur noch attraktiver. Die blonden Haare sind aus der Stirn und zur Seite gestrichen, damit sie nicht in die Augen fallen können. Umrahmt wird sein Gesicht von einem dunkelblonden Bart, der zwar kein Drei-Tage-Bart mehr ist, zum Vollbart ist er aber auch noch nicht heran gewachsen und auch wenn Annabell nicht so viel für eben diese Gesichtsbehaarung übrig hat, bei ihm stört es sie überhaupt nicht.
 

„Ja, danke“, nickt sie und kann noch einen Blick auf den kräftigen Unterarm werfen, welcher freigelegt ist, da das schwarze Hemd bis zu den Ellenbogen nach oben gekrempelt wurde, der von einem schmalen Silberarmband geschmückt wird. Es wirkt nicht zu protzig oder zu feminin, ganz im Gegenteil, dadurch wirkt er gleich noch männlicher.
 

Annabell verfolgt ihn mit ihren Augen, wie er erneut die Treppe nach oben steigt und im Inneren des Gebäudes verschwindet. Sie weiß jetzt schon, dass sie ewig hier sitzen und ihn einfach bei seiner Arbeit beobachten könnte. Aber sie fühlt sich ja jetzt schon fast wie ein Stalker, dadurch würde sie noch viel mehr daran erinnert werden. Dennoch kann sie fast nichts anderes tun, als ihm jedes Mal mit den Augen zu folgen, wenn er voll beladen die Stufen hinabsteigt um anderen Gästen die prall gefüllten Teller zu kredenzen. Und das sein Hintern durch ihre sitzende Position sozusagen auf Augenhöhe ist, dafür kann sie ja nun wirklich nichts und bevor sie noch einen steifen Nacken bekommt, da sie viel zu oft nach oben schauen muss, gibt sie sich eben mit diesem Anblick ab… es gibt da wirklich weitaus schlimmeres.
 

Es dauert dann auch nicht mehr sehr lange, da kommt ihre Suppe und mit einem Dank auf den Essensgruß lässt Annabell sich diese auch genüsslich schmecken. Die feinen Lachsstückchen sind noch genauso köstlich wie sie sie in Erinnerung hat und die Suppe im Allgemeinen verwöhnt ihre Geschmacksnerven aufs feinste. Deswegen ist die große Schale auch ziemlich schnell geleert und gut gesättigt lehnt sie sich wieder zurück. Dabei bläst ihr eine leichte Brise eine Strähne ihres hellblonden Haares ins Gesicht. Mit einer fahrigen Bewegung befördert sie diese wieder hinter ihr Ohr, da sie es nicht leiden kann, wenn ihr die Haare zu sehr ins Gesicht hängen.
 

Mit wenigen Schlucken ist das Bier auch hinunter gespült und da sie gerade einen der beiden Servicekräfte die Treppe runter kommen sieht, macht sie auch gleich auf sich aufmerksam. Womit die allerdings nicht gerechnet hat ist, dass daraufhin eine Stimme dem anderen zuruft, dass er es übernehmen würde und sie musste sich nicht mal anstrengen um herauszufinden, zum wem genau die Stimme gehört. Der Mann, der ihr regelmäßig Herzklopfen beschert, hat nur ein Tablett mit zwei Gläsern zu tragen, während der andere sich vor schweren Tellern kaum halten kann und damit jetzt wohl erst mal mehr beschäftigt ist, weswegen sein Kollege scheinbar heldenhaft einspringt. Gut, Annabell soll es recht sein. Der andere Mann ist zwar auch freundlich und sympathisch, doch der große gewachsene Blonde ist eindeutig ihre Favorit, also warum sollte sie sich über diesen Zustand beschweren, außer, dass ihre Hände deswegen schon wieder feucht werden und ein verräterisches Zittern zeigen?
 

Schneller als gedacht hat der Kerl die Getränke abgeliefert und kommt nun auf sie zu, mit einem entspannten, freundlichen Gesichtsausdruck.

„Hat alles geschmeckt?“, fragt er wieder und Annabell nickt.

„Sehr gut, Danke. Ich hätte dann gerne die Rechnung“, antwortet sie so ruhig wie möglich und mit einem nicken sammelt er ihr Geschirr vom Tisch und verschwindet zurück im Haus. Keine zwei Minuten später taucht er mit einem schmalen Zettelchen und dem so typischen Kellnerportemonnaie auf. Annabell gibt noch ein ordentliches Trinkgeld und dann trennen sich ihre Wege auch schon wieder, ganz egal, dass sie bis jetzt nicht wirklich einen gemeinsamen gegangen sind.
 

„Schönen Abend dir noch“, damit nickt er ihr noch mal lächelnd zu und ihr heimlicher Schwarm macht sich wieder an seine Arbeit. Für einen Moment gönnt Annabell sich noch den Luxus und schaut ihm hinterher, bis sie sich selbst ein wenig doof vorkommt und schnell ihre Habseligkeiten zusammenklaubt. Mit einem Gruß verabschiedet sie sich noch vom zweiten Kellner, welcher ihr entgegen kommt, danach macht sie sich auf den Rückweg. Allerdings steuert Annabell nicht sofort ihre neue Wohnung an, viel lieber unternimmt sie noch einen kleinen Spaziergang am Meer, welches sich noch ein Stück mehr zurück gezogen hat. Einige hundert Meter weiter entdeckt sie eine kleine Weise Bank, von welcher man einen sehr guten Ausblick aufs Meer hat und da diese auch noch unbesetzt ist, nimmt sie diese gleich für sich ein und lässt den ersten Tag in ihren neuen Heimat einfach auf sich wirken.



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