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Zwischen Verpflichtungen und Verlangen

Law x Reiju
von

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Teil II: Kleiner Bruder


 

1

Reijus Finger glitten über den samtigen Stoff des Iro-Uchikake, den sie in diesem Moment trug. Der Brautkimono bestand aus rötlichen und violetten Farbtönen und war abgerundet mit Blumenmustern und weißen Kränen.

„Sie sehen entzückend aus, Vinsmoke-san“, verkündete die Angestellte der Boutique mit zittriger Stimme, die den Kimono auf den Wünschen ihres Vaters hin angefertigt hatte. Ihr Vater war kein Mensch, den man enttäuschen wollte. Auch seiner einzigen Tochter trat man mit derselben Angst entgegen, die als Respekt verpackt wurde, aber nervöse Blicke und unsichere Gesten mit sich brachte.

„Ich würde gern für einige Minuten allein sein“, sagte Reiju, wobei ihr Blick weiterhin auf dem Standspiegel vor ihr ruhte, der ihr Abbild zeigte.

Mit einer raschen Verbeugung zog sich die alte, kleine Frau zurück und zog den Vorhang zu, der Reiju in ihrem Kostüm vom restlichen Laden abschirmte.

Reiju konnte nicht behaupten, dass sie sich jemals sonderlich viele Gedanken um das Heiraten gemacht hatte, geschweige denn darum, wie ihre Hochzeit ablaufen und was für einen Kimono sie tragen würde.

Als kleines Mädchen, als ihre Mutter noch am Leben gewesen war, hatte sie sich höchstens einen weißen Shiromuku vorgestellt, der Reinheit ausstrahlte und der versprach, dass die Braut sich der Familie des Bräutigams anpassen würde. Ihre Mutter hatte einen solchen getragen, dies wusste Reiju ganz genau, denn an die Geschichten ihrer Mutter erinnerte sie sich selbst nach all den Jahren noch.

Doch ihr Vater, der zwar auf eine traditionelle, japanische Hochzeit für seine Tochter bestand, hatte sich für einen farbenfrohen Iro-Uchikake entschieden, der zudem das Zeichen der Vinsmoke-Familie aufgestickt hatte.

Sie würde sich ihrem zukünftigen Ehemann nicht unterwerfen und auch kein Teil seiner Familie werden, um ihre aufzugeben. Viel eher war es eine Allianz, die ihr Vater mit der Doflamingo-Familie bilden wollte. Eine, in der er natürlich weiterhin die Oberhand besaß und die Vinsmoke-Familie am Ende als Gewinner hervorging. Reiju war dafür nur ein Mittel zum Zweck, genauso wie Trafalgar Law es war.

Sie hatte den Mann, dem sie versprochen war, seit den Neujahrfestivitäten nicht mehr gesehen. Soweit sie wusste, wurden die Hochzeitsvorbereitungen von der Doflamingo-Familie getroffen, nachdem ihr Oberhaupt sich für diese Aufgabe freiwillig gemeldet hatte. Allerdings war sich Reiju fast sicher, dass ihr Vater ihm zumindest eine Liste mit seinen Richtlinien zugeschickt hatte, da es ihm grundsätzlich schwerfiel, die Kontrolle abzugeben.

Für Reiju stellte es keinen Unterschied dar, wer die Hochzeitsvorbereitungen übernahm. Genauso wenig tat es das Gewand, das sie tragen würde. Trotzdem stellte sie sich für einen Moment vor, wie es sein würde, wenn Law neben ihr stehen würde.

Er würde einen schwarzen, formellen Montsuki-Hakama tragen, der das Zeichen der Doflamingo-Familie aufgestickt haben würde, obwohl weder sein Aussehen noch sein Name diese Verwandtschaft zuordnen könnte. Doch weder Doflamingo noch sein verstorbener Bruder hatten einen leiblichen Sohn, wodurch Law als Adoptivsohn der Nachfolgeposition am Nächsten kam und zu ihrem zukünftigen Ehemann auserkoren worden war.

Ihre Gedanken kehrten beinahe automatisch zu dem Abend auf dem Balkon zurück. Es war bitterkalt gewesen, aber Laws Blicke hatten sich trotzdem wie Glut auf ihrer Haut angefühlt.

Würde Law diesen Kimono mögen?

Würde er sie in ihm mögen und auch attraktiv finden?

Reijus Mundwinkel zuckten, als sie sich bei dieser Frage erwischte. Immerhin hatte Law bereits bei ihrer Unterhaltung auf dem Balkon deutlich ausgedrückt, dass dies rein geschäftlich für ihn war. Er würde jede Frau heiraten, wenn er damit seine Pläne umsetzen könnte.

Wie genau diese aussahen, wusste Reiju nicht, nur dass Law ihr die Freiheit versprochen hatte. Fast so, als wüsste er, dass sie zwar die Tochter eines machtvollen Mannes war, aber im Grunde nichts weiter als seine Marionette. Ein weiterer Bauer in seinem Spiel, der im Notfall ebenso schnell geopfert werden würde, wie sämtliche anderen Angestellten ihres Vaters.

Mit einem letzten Blick auf ihr Spiegelbild, wandte sich Reiju von dem Standspiegel ab und kehrte stattdessen in den kleinen Umkleideraum zurück, um das Gewand auszuziehen und in ihre reguläre Kleidung zu schlüpfen. Sie hatte für den Moment genug davon, die brave Tochter und zukünftige Braut zu spielen. Der Stoff wog plötzlich schwer auf ihren Schultern und drohte ihr die Luft abzudrücken, obwohl er nicht sonderlich eng anlag.
 


 

2

Die morgendliche Luft war feucht und warm, als Reiju die kleine Boutique verließ. Trotzdem war sie ihr lieber, als das stickige Innere mit all seinen verschiedenen Brautkimonos.

Die Straßen Tokyos waren wie gewohnt voller Menschen und Autos. Reijus Blick schweifte automatisch zu dem schwarzen Lexus hinüber, in dem Hiroto bereits auf sie wartete, um sie nach Hause zu fahren. Doch für einen Moment huschte ihr Blick noch weiter, beinahe automatisch zu der schmalen Passage zwischen den Läden hinüber, in dem ein Mann mit schwarzer Lederjacke stand. Es waren die blonden Haare, die ihm bis zum Kinn hinunter ragten und sein Gesicht umrahmten, die Reiju stocken ließen. Sie kannte diese Frisur und dieses Gesicht, auch wenn sie beides seit langer Zeit nicht mehr gesehen hatte und die kindlichen Züge aus ihrer Erinnerung herangereift waren.

Das Herz zog sich ihr in der Brust zusammen.

Reiju senkte den Blick und setzte sich in Bewegung, um Lexus anzusteuern. Als sie ihn erreichte, klopfte sie gegen die getönte Scheibe auf der Fahrerseite, ehe es hinuntergelassen wurde.

„Vinsmoke-san“, entrann es ihrem Fahrer, der sie erwartungsvoll aus braunen Augen ansah.

„Ich habe beschlossen, dass das Wetter zu schön ist, um es im Auto zu verbringen“, sagte Reiju. „Ich werde den Fußweg nach Hause nehmen.“

„Aber, Vinsmoke-san, ihr Vater—“

Reijus Lippen verzogen sich zu einem charmanten Lächeln. „Was mein Vater nicht weiß, wird ihn auch nicht aufregen. Es bleibt unser kleines Geheimnis. Oder wirst du mir diesen Gefallen nicht tun, Hiroto-kun.“ In der Anwesenheit ihres Vaters und ihrer Brüder benutzte sie nur die formelle Anrede für ihren Fahrer, doch wenn sie allein waren, nutzte sie gelegentlich die Zweisamkeit aus, um ihn ein wenig zu necken.

Auch jetzt enttäuschte Hiroto sie nicht, denn seine Ohrenspitzen erröteten sogleich und ließen Reiju wissen, dass er ihrem Charme nicht widerstehen konnte. „W-Wie sie meinen, Vinsmoke-san“, stotterte Hiroto.

„Du kannst mich beim Vornamen nennen, wenn wir allein sind“, bot Reiju an, was eine weitere Taktik war, die sie in regelmäßigen Abständen anwandte, um Hiroto etwas aus der Reserve zu locken, angetrieben von der Langeweile, die Reiju in diesem ständig behüteten Leben befiel.

„Reiju-san“, presste Hiroto hervor, obwohl sie beide wussten, dass er sie spätestens morgen früh auf dem Weg zum Friseur ohnehin wieder bei ihrem Familiennamen nennen würde.

Trotzdem schmunzelte Reiju, ehe sie einen Geldschein aus der schmalen Handtasche zog. Sie beugte sich tiefer in das offene Seitenfenster hinein, um Hiroto den Schein in die Brusttasche seines Jacketts zu schieben. „Kauf‘ dir irgendwo Mittagessen“, sagte sie und senkte noch etwas weiter die Stimme, als sie sich Hirotos Ohr nährte. „Und vergiss nicht, dass es unser kleines Geheimnis bleibt.“

Mit diesen Worten trat Reiju einige Schritte zurück, damit Hiroto unter ihrem Blick und mit verschwitztem Gesicht aus der Parklücke fahren und sich in Tokyos Verkehr einreihen konnte. Sie wartete, bis er um die Straßenecke gebogen war, bevor sie ihren Weg fortsetzte.

Nur ein paar Türen weiter von der Boutique, die sie gerade verlassen hatte, gab es ein kleines Café mit ein paar Tischen, die vor dem Eingang aufgestellt worden waren. Reiju setzte sich dort an einen leeren Tisch und legte ihre Handtasche vor sich ab, ehe sie einem Kellner signalisierte, dass sie bereit zum Bestellen war.

„Zwei Cappuccinos, bitte.“
 


 

3

Der Kellner brachte ihr die beiden bestellten Cappuccinos, ehe er mit seinem Tablett weiterhuschte, um auch die neuen Gäste, die soeben eingetroffen waren, zu begrüßen.

Reiju hob gerade ihre Tasse an ihre Lippen, als ein dunkler Schatten an ihr vorbeizog und sich auf dem Stuhl ihr gegenüber niederließ.

Reiju lächelte in ihren Cappuccino hinein, hob jedoch noch nicht den Blick. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich dich nochmal zu sehen bekomme. Es ist lange her, kleiner Bruder.“ Sie wollte sich diesen Moment bewahren und nicht zerstören, denn Sanjis Auftauchen musste einen Grund haben.

Sanji steckte sich eine Zigarette an und nahm einen langen Zug. „Knappe fünf Jahre“, antwortete er und seine Stimme hatte die raue Tiefe einer typischen Männerstimme angenommen, die Reiju nicht von ihm kannte.

Nun sah sie doch auf und studierte das markante Gesicht ihres Bruders. Auch heute noch erinnerten seine blonden Haare sie an die Haare ihrer Mutter. Sie sahen mindestens genauso weich aus und sie erinnerte sich an all die Momente in ihrer Kindheit, in denen sie die Haare des kleinen Sanjis durcheinander gebracht hatte, um ihm Tränen in die Augen zu treiben.

Doch auch sein Blick hatte etwas Hartes angenommen, etwas Vorsichtiges, als müsste er in ihrer Anwesenheit aufpassen, was er sagte und was er über sich preisgab.

Reiju lächelte schmal. „Du hast gesagt, dass du nie wieder nach Tokyo kommen wirst“, erinnerte sie ihn an seine damaligen Worte.

Sanji stieß den Rauch aus und zog die von ihr bestellte, zweite Tasse näher zu sich heran. „Das hatte ich auch nicht vor“, meinte er und verdrehte die Augen. „Bis ich gehört habe, dass du heiratest. Noch wichtiger, wen du heiratest.“

Reijus Augenbraue hob sich. Ihre bevorstehende Hochzeit war also der Grund für Sanjis Rückkehr? Nun, das war unerwartet und… fast schon rührend. Erwartet hatte sie es jedenfalls nicht, ganz sicher nicht, wenn sie an die Konsequenzen dachte, wenn ihr Vater von Sanjis Auftauchen erfahren oder ihn sogar in die Finger bekommen würde. Wie hatte er überhaupt davon erfahren?

„Du hättest nicht herkommen sollen”, sagte Reiju über den Rand ihrer Tasse hinweg. „Immerhin betrifft es dich nicht.“

Sanji lehnte sich nach vorn, die Lippen zu einem feinen, ernsten Strich verzogen. „Es betrifft mich, wenn er dich mit irgendeinem Heini verheiratet, als wärst du ein Gegenstand ohne Gefühle!“

Das klang fast so, als machte sich ihr kleiner Bruder tatsächlich Sorgen um sie. Es war schmeichelhaft, obwohl sie viel lieber über andere Dinge gesprochen hätte, wenn sie nun schon an einem angenehmen Frühlingstag gemeinsam hier an diesem Tisch saßen.

Trotz der stillen Wut, die in diesem Moment auf Sanjis Gesicht lebte und seine angespannte Haltung kontrollierte, sah Sanji gut aus, gesund irgendwie. Zwar war er immer noch blass, besaß jedoch mehr Farbe. Auch war er noch immer schlank, wirkte jedoch nicht mehr dürr. Er war zu einem gutaussehenden jungen Mann herangereift.

Womöglich entdeckte Sanji etwas von ihren Gedanken auf ihrem Gesicht, an dem Lächeln, das an Reijus Lippen zog, denn etwas lockerte sich in seinen Zügen und wirkte fast erstaunt.

„Es ist nett, dass du dir Sorgen um mich machst, aber das brauchst du nicht, Sanji“, erklärte sie ihm und sein Mund öffnete sich, doch bevor er protestieren konnte, streckte Reiju Arm aus, um ihre Hand auf die von Sanji auf der Tischmitte zu legen. Die Geste ließ ihn verstummen. „Ich möchte lieber über dich und dein Leben hören.“

Für den Sekundenbruchteil verzog sich Sanjis Gesicht zu einer Grimasse, bevor es sich glättete und er den Blick senkte. „Ich… arbeite als Koch für ein Hotel.“

Und Reiju stellte ihn sich automatisch mit einem Kittel und einer weißen Kochmütze vor. „Du bist glücklich, das freut mich.“ Er brauchte es nicht sagen, sie konnte es ihm einfach anmerken. „Gibt es jemanden in deinem Leben?“, erkundigte sie sich, da dies das Allerwichtigste für sie war, das Wissen, dass Sanji eine Familie gefunden hatte, auch wenn diese nicht blutsverwand war.

„Ein paar Freunde, die auch im Hotel arbeiten“, gab Sanji vage von sich und drückte seine aufgerauchte Zigarette im Aschenbecher aus. „Und Nami-san. Sie hat… definitiv mein Herz gestohlen.“ Ein schmales Lächeln schlich sich auf Sanjis Lippen, ehe er wieder ernst wurde und sie ansah. „Du könntest mit mir kommen. Ein neues Leben beginnen. Ich würde dir dabei helfen, Reiju.“

Das würde Sanji, da er ein Mensch mit einem guten Herzen war, viel zu gut für die Geschäfte ihres Vaters und seinen Manipulationen. Tokyo zu verlassen war offensichtlich das Beste, was Sanji jemals hätte passieren können.

„Ich bin nicht so mutig, wie du es bist, Sanji.“ Reiju entzog ihm die Hand, um stattdessen ihre Handtasche zu öffnen und etwas Geld auf den Tisch zu legen. „Und mein zukünftiger Ehemann ist auch nicht irgendein Heini.“ Was Law war, wusste Reiju noch nicht, aber sie zweifelte nicht daran, dass sie es noch herausfinden würde oder dass dies der Weg war, den sie beschreiten musste.

Reiju erhob sich und strich ihr Kleid glatt. „Ich freue mich für dich, kleiner Bruder. Dass du glücklich bist, macht mich glücklich.“

Reiju begab sich auf den Heimweg, in den blauen Himmel hinaufschauend und mit Fingerspitzen die Tränen auffangend, die sich in ihrem Augenwinkel gebildet hatten. Selbst aus der Ferne konnte sie Sanjis Blick auf sich spüren, doch sie drehte sich nicht mehr um und wusste, dass Sanji nicht dumm genug war, seine gewonnene Freiheit aufzugeben, in dem er ihr hinterherjagen oder länger als nötig in Tokyo bleiben würde.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  sama-chan
2020-07-12T06:51:02+00:00 12.07.2020 08:51
Oh wie süß! Sanji hat die Strapazen auf sich genommen, um sie zu sehen. Wie toll 😍
Übrigens nicht wundern, warum ich jedes Kapitel einzeln lese - ich glaube einfach, dass deine FF eindeutig mehr Kommentare verdient hat 😁
Von:  _Supernaturalist_
2020-07-04T19:51:27+00:00 04.07.2020 21:51
Als ich gesehen habe, dass es dich wieder zu dieser Geschichte verirrt hatte, konnte ich mein Glück fast gar nicht glauben! Leider kam ich noch nicht zum Lesen - bis jetzt! 😊Ich liebe deinen Schreibstil total, ich stehe nach wie vor auf das strange Pairing Law/Reiju und ich bin soooo gespannt was noch passiert! Mir ging regelrecht das Herz auf, als ich las, wie sehr sich Sanji doch noch um seine große Schwester sorgt und ich hoffe, dass er ihr vielleicht doch noch helfen kann♡



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