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Metamorphosis

von

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Home


 

1o. Home

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Zuhause.
 

Früher, da hatte ich eines. Einen Ort, an den ich zurückkehren konnte, der mich in die Arme schloss, wie eine Mutter ihr Kind. Einen Platz, an den ich hingehörte. Meine Heimat. Diese Verbundenheit; ich dachte, das wäre etwas, das ewig währen würde und mir nie genommen werden konnte. Ich lag falsch. Wenn ich heute an Taki dachte, empfand ich nur Verachtung und Hass. Mehr verband mich nicht mit diesem Dorf.

Damals, nach meiner Flucht aus Taki, war ich eine Zeit lang als Kopfgeldjäger durch die Weltgeschichte gestreift. Um mir selbst zu beweisen, dass ich nicht auf einen derartigen Ort wie ein Zuhause angewiesen war, hatte ich mein Leben ganz bewusst als Vagabund weitergeführt. Ich bereute nichts.
 

Und doch wünschte ich mir nicht selten, es wäre anders gekommen.
 


 

Mir war kaum eine andere Wahl geblieben als umzukehren.
 

Normalerweise brauchte Hidan nicht allzu lange um wieder fit zu werden. Aber in der Regel beschränkten sich seine Verletzungen auf eine abgetrennte Gliedmaße, ein tödlicher Schnitt oder ein durchstoßener Brustkorb. Zweifelsohne waren das fatale Wunden, doch die beschädigte Fläche an sich war eher klein.

Aber nun war grob geschätzt ein viertel seines Körpers zerstört worden und daher würde er auch mehr Zeit für die Heilung benötigen. Mein Partner hatte sich oft genug zurichten lassen, dass ich beinahe besser wusste als er, wie lange er flach liegen würde – nicht zuletzt, weil ich mich über die lange Wartezeit aufregte.
 

Dieses mal würde es nebenbei gesagt nicht anders sein.
 

Er würde auf jeden Fall ein paar Stunden brauchen, wenn nicht sogar einen halben Tag, um wieder auf die Beine zu kommen. Die Zeit an Ort und Stelle auszusitzen kam nicht in Frage. Wer wusste schon, ob sich hier nicht noch ein weiteres mutiertes Vieh herumtrieb.
 

Weswegen mir die Entscheidung leicht gefallen war und ich knapp eine Stunde später mit Hidan – oder das, was von ihm übrig war – auf meiner Schulter das Dorf erreichte, an dem wir nur kurz zuvor vorbeigekommen waren. In diesem war keine Menschenseele mehr vorzufinden, die Einwohner mussten durch den Regen in ihre Häuser geflüchtet sein. Der Alte, der uns zum Schluss so übel beschimpft hatte, war auch wie vom Erdboden verschluckt. Doch als ich das Gelände seines sogenannten Kurhauses betrat und die Steinplatten hoch zum Eingang des Gebäudes lief, schob sich plötzlich die Schiebetür zur Seite und ich konnte ihn im Rahmen stehen sehen. Er gefror in der Bewegung, als er mich entdeckte und legte erstaunt den Kopf schief.
 

«Ihr seid am Leben.»
 

«Nur zum Teil», erwiderte ich trocken und ignorierte seine darauf folgende Verwirrung. «Es war etwas von Rabatten die Rede. Wir haben es uns anders überlegt.» Damit war ich so frei und ging an ihm vorbei ins Innere.
 

In dem großen, hell eingerichteten Empfangsraum kniete eine junge Frau – oder fast noch Mädchen – auf dem Boden und war gerade dabei frische Handtücher aus einem Wäschekorb zusammenzulegen. Sie schreckte auf, als ich so plötzlich in den Raum drang. Sie faltete ihre Hände in ihrem Schoß und erwiderte schüchtern den Blick.
 

«Meine Enkelin, Misaki», erklärte der Alte, der mir gefolgt war.
 

«Nun», brummte ich. «Zeit zu beweisen, dass eure Versprechungen nicht nur Geschwätz waren und die angepriesenen Heilbäder tatsächlich etwas taugen. Mein Partner braucht dringend eine Behandlung.»
 

«Aber natürlich! Ihr werdet nicht enttäuscht sein. Habt ihr vor hier zu nächtigen?»
 

Ich bejahte widerwillig. Auch wenn wir dadurch weiter zurückfielen, machte es keinen Sinn, heute noch weiterzuziehen, wenn schon bald die Nacht einbrach.
 

«Misaki-chan, richte bitte zwei Zimmer für unsere Gäste her. Und ein Kräuterbad sollte dem jungen Mann dienen.»
 

Misaki nickte höflich, ehe sie sich stumm erhob und gehorsam davon huschte. Als der Alte sich wieder mir zuwandte, beäugte er Hidans vom Mantel verhüllte Gestalt interessiert, räusperte sich und fragte dann vorsichtig:
 

«Seid ihr im Wald zufällig auf etwas gestoßen? Hat sich euer Weggefährte verletzt?»
 

Ich schnaubte – der scheinheilige, alte Dreckskerl hatte genau gewusst, was uns in den Wäldern erwartete und hatte uns als Rache, dass wir sein Angebot abgelehnt hatten, geradewegs hineinlaufen lassen.
 

«Solltet ihr von der acht Meter großen Gottesanbeterin sprechen, dann ja, sie ist uns über den Weg gelaufen. Nur hat sie sich leider die falschen als Häppchen ausgesucht und musste die Rechnung dafür bezahlen.»
 

«Wartet, wartet!», meinte der Alte verblüfft und schüttelte ungläubig den Kopf. «Wollt ihr damit sagen, ihr habt das Monster erledigt?»
 

Ich nickte.
 

«Wo lang? Sobald ich Hidan abgesetzt habe, erzähle ich mehr.»
 

Ich setzte mich in Bewegung, bog rechts in den Flur ein, in den ich Misaki hatte verschwinden sehen. Der Alte folgte mir und gab eine kurze Wegbeschreibung ab.
 

«Ich fasse es nicht! Ist das wahr? Ihr sprecht die Wahrheit, richtig? Das Monster ist wirklich tot?»
 

Ich bejahte erneut, worauf der Alte euphorisch jubelte.
 

«Das ist ja fantastisch!»
 

Das hörte sich so an, als brach er vor Freude beinahe in Tränen aus. Anscheinend hatte er – trotz meiner düsteren Erscheinung und den Startschwierigkeiten – durch unsere jüngste Tat Vertrauen gefasst, da er plaudernd anfing die Geschichte des Kurortes mit mir zu teilen.
 

Wenn man ihm glauben durfte, war die Gegend nicht immer schon so heruntergekommen gewesen. Einst stand sie in voller Blüte, das Dorf hatte vor Lebhaftigkeit gestrotzt und die Anwohner hatten in Wohlstand gelebt. Tourismus und Handelsumschlagplatz, der Ort soll ein beliebtes Reiseziel gewesen sein. Jedoch verschwanden auf einmal immer wieder Leute. Erst nur vereinzelt Durchreisende, die den unwegsamen Pfad durch die Sümpfe nahmen. Doch dann traf es auch die Einwohner und fortan machten hartnäckige Gerüchte über ein Monster in den Wäldern die Runde. Diese vergifteten das Gewerbe und trieb das Dorf in den Ruin.

Jedoch hatte niemand das Untier je gesehen und war lebend zurückgekehrt. So wurde das Monster von einigen als Mythos abgetan, andere wiederum waren überzeugt von dessen Existenz. Nichts desto Trotz litt das Dorf unter den wirtschaftlichen Schäden und war immer mehr verkommen.
 

«Ich kann euch gar nicht genug danken. Ihr habt unseren Ort von einer Plage befreit!», schloss der Alte, der sich mir als Shou vorstellte und anschließend nach meinem Namen fragte.
 

«Kakuzu», brummte ich.
 

Endlich erreichten wir den Badebereich, der anscheinend mehrere Räume umfasste. Wände und Boden bestanden aus mintfarbenen, beziehungsweise weißen, Kacheln. Ein großes Becken lag zu meiner rechten, doch dieses war leer und schien schon länger nicht mehr genutzt geworden zu sein. Als wir weiter hinten den Entkleidungsbereich passierten, wehte uns ein angenehmer Kräutergeruch entgegen. Wir betraten einen Raum und ich konnte Misaki neben einer Wanne knien sehen. Der Hahn war offen – dampfend ergoss sich das heiße Wasser in die Wanne, die schon bis zur Hälfte gefüllt war. Verschiedene Kräuter schwammen in dem leicht grünlichen Wasser mit, während noch weitere von Misaki dazugegeben wurden.
 

Das Mädchen hatte unser Kommen gehört und drehte sich zu um, schlug jedoch plötzlich ihre Hand vor den Mund, während sich ihre Augen in Entsetzen weiteten.
 

«Mein guter Herr, Kakuzu-san», richtete nun auch Shou erblasst das Wort an mich. «Unsere Quellwasser, Kräuter und Öle sind einzigartig in der Unterstützung der Wundheilung, aber ich fürchte bei eurem Begleiter kommt jede Hilfe zu spät.»
 

Eigentlich hatte ich darauf geachtet, Hidans Körper so gut es ging mit seinem Mantel bedeckt zu halten, um niemanden zu verstören. Doch nach ihrer Reaktion fiel mir Hidans Arm auf, der wohl beim Tragen hierher aus der Verhüllung gerutscht sein musste. Die bis auf die Knochen zerfressene Hand war der Grund für die Erschütterung der beiden.
 

Dabei hatten Hidans Wunden bereits zu heilen begonnen. Vor einer Stunde sah sein Körper noch schlimmer aus.
 

Wortlos hievte ich Hidan von meiner Schulter und verfrachtete ihn samt Kleidung in die Wanne. Wasser schwappte über den Rand, doch das schien niemanden zu kümmern, lag ihr Augenmerk doch auf Hidans nun enthüllte Vorderseite. Der grauenvolle Zustand meines Partners ließ Misaki und Shou entsetzt die Luft einziehen. Das Mädchen wandte sogleich ihren Blick ab. Zittrig atmete sie in ihre vor den Mund gepresste Hand, während sich Tränen in ihren zugekniffenen Augen sammelten.
 

«Ich bitte euch, Kakuzu-san. Dieser Mann benötigt offensichtlich einen Iryounin*. Wenn er denn noch lebt, was ich jedoch bezweifle…», redete Shou leise auf mich ein. Vermutlich dachten sie, ich wäre verrückt und trug die Leiche meines Partners mit mir herum, da ich seinen Tod nicht akzeptieren wollte.
 

Es war immer dasselbe.
 

«Mein Partner ist nicht gewöhnlich. Er hat eine besondere… Fähigkeit. Er wird sich erholen, auch wenn es nicht danach aussehen mag. Also kümmert euch um ihn.»
 

«Es mag viele ungewöhnliche Begabungen in der Shinobi-Welt geben», entgegnete der Alte. «Doch es gibt niemanden, der sich vom Tod erholt. Das käme einem Wunder gleich.»
 

Das war mit ein Grund, warum ich es bei Möglichkeit vermied, dass Leute Hidan so zugerichtet zu Gesicht bekamen – ich war die langen Erklärungen leid.
 

«Tut was ich sage», gab ich knurrend von mir – meine Geduld neigte sich dem Ende. «Wenn es euch graust ihn in diesem Zustand zu behandeln, dann lasst ihn meinetwegen eine Zeit lang in der Wanne liegen. Aber macht euch anschließend nützlich. Ich will mich nicht umsonst dafür entschieden haben umzukehren. Solltet ihr euch jedoch weigern, dann seid euch bewusst, dass ich mich nicht davor scheue ungemütlich zu werden.»
 

«Wollt ihr uns etwa drohen?», entrüstete sich Shou, wofür ich nur ein Schnauben übrig hatte.
 

«Lasst es mich höflich formulieren: macht was ich sage, ansonsten kenne ich einige äußerst effektive Wege, euch dazu zu bringen. Meine Geduld ist schnell ausgereizt, also tut euch selbst einen Gefallen und diskutiert nicht. Ihr habt unsere Stirnbänder gesehen und uns trotzdem hereingelassen. Wir haben uns die Kerbe bestimmt nicht durch edle Taten verdient, also tut nicht so, als hättet ihr nicht gewusst, worauf ihr euch einlasst.»
 

Das brachte den Alten vorerst zum Schweigen. Für eine Weile sah er mich nur starr an – vermutlich wurde ihm gerade schlagartig bewusst, dass wir nicht die Art von Erretter waren, die er sich vielleicht vorgestellt hatte. Ob er schon bereute uns eingeladen zu haben? Die Geldnot hatte ihn vermutlich dazu getrieben, über unseren Status als Nuke-Nin hinwegzusehen.
 

«Wir besitzen nichts. Ihr habt die Räumlichkeiten gesehen, es gibt hier nichts zu holen. Und Misaki… ich bitte euch, tut ihr nichts zuleide. Sie ist die reinste Unschuld und das Kostbarste für mich.»
 

Seine Reaktion erschien mir etwas übertrieben, so heftig wie er zurückruderte, doch offensichtlich hatte ich ihm mit meinen Worten einen herben Schrecken eingejagt. Er befürchtete wohl, als nächstes mit Raub und Vergewaltigung rechnen zu müssen. Dieser Gedankengang war gar nicht so weit hergeholt, in Anbetracht der Tatsache, dass seine Enkelin mit ihren Mandelaugen und dem scheuen Lächeln, für viele bestimmt eine Verlockung darstellte.
 

Mir entkam ein dunkles, raues Lachen, wodurch die Sorgenfalten auf der Stirn des Alten nur noch tiefer wurden.
 

«Haltet eure Versprechen und ihr habt nichts zu befürchten.»
 

Obwohl die Sache damit geklärt war, blieb der Alte von nun an vorsichtig und mir gegenüber misstrauisch. Wir verweilten im Raum, eine unangenehme Stille herrsche vor, während sich Misaki langsam von Hidans Anblick erholte. Nach kurzer Zeit schlug Shou vor, mich zu unseren Zimmern zu geleiten. Ich durchschaute natürlich sofort die Gründe dafür – er wollte mich nicht in der Nähe seiner Enkelin wissen. Da es nichts gab was dagegen sprach, ging darauf ein und folgte ihm hinaus.

Obwohl meine – nicht ganz so – unterschwellige Drohung die Euphorie des Alten über den Tod der Bestie einen sichtlichen Dämpfer verpasst hatte, stellte er mir dennoch interessiert Fragen über das Vieh, den Kampf und dessen Ableben. Als ich von seinem säureähnlichen Blut erzählte, legte er seine Stirn in Falten und murmelte etwas von Salben und Wundumschläge.
 

Offenbar war die Bestie schuld am Tod einiger Väter, Mütter, Töchter und Söhne des Dorfes, da er mich vor dem Zimmer absetzte und die Kunde sogleich im Dorf unter die Leute bringen wollte.
 

Ich öffnete die Schiebetür und sah mich kurz in dem spärlich möblierten Zimmer um. Es war ein einzelnes Futon auf dem Boden ausgebreitet worden. An sich nichts Außergewöhnliches, doch mein Blick blieb daran hängen. Nach Tagen auf hartem, kaltem Waldboden erschien er mir umso einladender. Warum nicht die nassen, dreckigen Klamotten loswerden? Eine Dusche hatte ich auch dringend nötig. Der unangenehme Geruch nach Moor und Fäule war kaum mehr zu ignorieren. Zudem blutete meine Wunde in der Nacken- und Schulterpartie immer noch, was ich durch kurzes Abtasten feststellen konnte. Das kleine Rinnsal, das ich die ganze Zeit schon meinen Rücken runter laufen spürte, war demnach kein Regen.
 

So gerne ich mich auch ausruhen wollte, jetzt war nicht die Zeit dafür.
 

Ich verließ das Zimmer mit dem Plan, im Dorf neuen Proviant für die weitere Reise zu besorgen, damit wir morgen zeitig aufbrechen konnten. Doch noch bevor ich das Gebäude verlassen konnte, wurde ich aufgehalten.
 

«U-Uhm… Kakuzu-san?»
 

Ich stoppte und wandte den Blick nach links, wo ich Misaki schüchtern im Rahmen stehen sehen konnte. Nervös zuppelte sie am Stoff ihres hellblauen Kimonos.
 

«Würdet ihr mir kurz behilflich sein?»
 

Mehr aus Neugier folgte ich ihr zurück in den Raum, in dem Hidan in der Wanne lag. Das Wasser war abgelassen worden, wobei hier und da Reste von den Kräutern an seinem Körper hängengeblieben waren.
 

«Das Wasser hat sich so schnell braun verfärbt, da dachte ich, es wird vielleicht notwendig sein es mehrmals zu wechseln.»
 

«Ist das alles?», fragte ich barsch.
 

«N-Nein, ich–... worum ich euch eigentlich bitten wollte, ist, mir zu helfen ihn zu entkleiden. Euer Gefährte ist ziemlich schwer, da ist es mir fast unmöglich ihn zu bewegen, zudem... ich bemühe mich wirklich sehr, aber sein Anblick schlägt mir immer noch auf den Magen, und... ihr hattet Recht, er lebt, ich konnte einen schwachen Puls fühlen. Deswegen traue ich mich jedoch gar nicht ihn zu berühren, in der Angst, es noch schlimmer zu machen. Aber ich möchte helfen und es ihm noch so angenehm wie möglich machen.» Mitleidig sah sie auf meinen Partner hinab.
 

Ich sparte mir einen Kommentar dazu – es brachte ja doch nichts. Sollte sie ruhig glauben, dass er im Sterben lag. Dass Hidan bereits wieder Puls hatte, war jedoch gut zu wissen. War zu hoffen, dass er noch eine Weile bewusstlos bleiben würde. Wenigstens so lange, bis der Rest seines Körpers etwas mehr geheilt war. Aber bei meinem Glück, würde er schon bald erwachen und ich durfte mir sein Jammern anhören.
 

Offensichtlich war Misaki zart besaitet und überfordert mit der Aufgabe, Hidan wieder auf Vordermann zu bekommen. Auch wenn ich für ihre Zaghaftigkeit nur Spott übrig hatte – in einer Welt wie dieser hatte man damit gleich verloren – machte ich mich schnaubend daran ihr zur Hand zu gehen. Nur um gleich feststellen zu müssen, dass ihre Auffassung von behilflich sein sich nicht mit meiner deckte, da ich alles alleine machen musste, während sie nur steif daneben stand.
 

Ich schob einen Arm unter Hidans Achsel und hob ihn ein Stück hoch, um seinen Mantel – oder besser gesagt das, was davon übrig war – entfernen zu können. Es waren nur noch ein paar Fetzen, wobei einige in den blutigen, fleischigen Wunden festzukleben schienen, da sie sich fast nicht davon lösen wollten. Ich musste sie beinahe schon abreißen, was die Wunden teils wieder zum bluten brachte.

Bei genauerer Inspizierung fiel mir etwas Erstaunliches auf. Hidans Heilfähigkeit war bereits im vollen Gange und so stark ausgeprägt, dass sein Körper sich nicht mal um mögliche Fremdkörper scherte. Wie mit dem Kopf durch die Wand, wollte sein Fleisch so sehr wieder zusammenzuwachsen, dass die Stofffetzen einfach zwischen dieser Kraft eingeklemmt wurden.
 

Als ich fertig war ließ ich Hidan zurück in die Wanne gleiten, zog ihm den einen, verbliebenen Schuh vom Fuß, der nicht mehr war als eine verkümmerte Sohle. Nach seinem Stirnband war als nächstes die Hose dran, die auch reichlich mitgenommen aussah. Jedoch war sie noch soweit intakt, dass sie nicht direkt von Hidans Hüften fiel, als ich meinen Partner erneut hochzog. Sein Kopf fiel gegen meine Brust, die weniger arg zugerichtete Seite seines Gesichts zu mir gewandt.
 

«Entschuldige», meinte Misaki plötzlich mit leiser Stimme, ehe sie ihren Blick peinlich berührt abwandte. «I-Ich bin mit dem Körper des Mannes nicht vertraut», erklärte sie ihre Reaktion auf die bevorstehende Entblößung.
 

Darauf entkam mir nur ein erneutes Schnauben. Ich hatte schon nach Hidans Hosenbund gegriffen, als mich ganz unerwartet nun doch etwas zögern ließ.

So etwas wie Privatsphäre war in der heutigen Zeit und erst recht als Abtrünniger ein Luxusgut. Man konnte froh sein, wenn man noch lebte. Und es war auch nicht so, dass ich Hidan noch nie nackt gesehen hatte – mein Partner war an heißen Sommertagen das ein oder andere mal schon vor meinen Augen zur Abkühlung in einen Fluss gesprungen. Die Meisten an meiner Stelle, mit der gleichen sexuellen Orientierung, hätten wenigstens unterbewusst mal hingeschaut. Doch ich hatte mich zu keiner Zeit darum geschert. Nicht mal zu einem Seitenblick hatte ich mich verleitet gefühlt. Doch nun hatte sich seither so einiges verändert und mein bisheriges Desinteresse existierte so nicht mehr.
 

Ich stand nun anders zu Hidan.
 

Davor war er nur Hidan gewesen, mein lästiger Partner, der immer da war. Doch jetzt war er Hidan, mein lästiger Partner, der immer da war und quälende Träume vertrieb. Hidan, der es plötzlich schaffte auch andere Dinge in mir zu wecken, als nur Wut. Deswegen fühlte es sich an, als würde ich eine Grenze überschreiten, die vorher nicht da gewesen war, sollte ich ihm jetzt auch noch den Rest ausziehen. Ich war zwar keiner, der groß die Grenzen anderer respektierte, doch der Punkt war, dass der Jüngere davon nicht mal was mitbekommen würde und auch nicht die Chance hatte, Einwände zu erheben.
 

Ich sah auf Hidan hinab. Seine Züge waren eben und wenn man die ganzen Wunden ausblendete, könnte man meinen er würde schlafen. Unweigerlich musste ich an die Nacht zurückdenken, über die wir noch immer kein Wort verloren hatten. Und an den Ausdruck auf seinem Gesicht, als er...

Durch die Dunkelheit war er mir verwehrt geblieben und seither hatte ich mich immer wieder dabei erwischt, wie ich mir vorstellte, wie Hidan dabei ausgesehen haben mochte.
 

Grollend schüttelte ich den Kopf, ärgerte mich über mich selbst. Hidan war nicht mal bei Bewusstsein, in einem Zustand, der doch recht abturnend war – müsste man meinen – und ich hegte solche Gedanken. Außerdem ließ ich mich hier gerade wegen etwas Nacktheit aus der Ruhe bringen – ich stellte mich nicht besser an wie die prüde Jungfer neben mir.
 

Mit einem Ruck zog ich Hidan die Hose hinunter... und wunderte mich nicht allzu sehr über die fehlende Unterwäsche. Ich setzte meinen Partner wieder ab, zog ihm die durchweichte Hose von den Beinen und ließ sie klatschend neben die Wanne fallen.
 

«Wars das?», knurrte ich, um Misakis Aufmerksamkeit zu erlangen, da ihr Blick stur in die Zimmerecke gerichtet war.
 

Sie zuckte zusammen, wandte sich mir mit geröteten Wangen zu, stocksteif darauf bedacht, ihren Blick nicht an Hidan hinab wandern zu lassen.
 

«Uhm, j-ja, ihr wart mir eine große Hilfe, ich danke euch, Kakuzu-san.»
 

Die Erleichterung war ihr anzuhören. Dann öffnete sie rasch den Hahn und die Wanne lief langsam wieder mit Wasser voll, verschluckte Hidan Stück um Stück. Als sie erneut Kräuter ins Badewasser gab und anfing Hidans Körper vorsichtig mit einem Schwamm abzutupfen, verließ ich das Zimmer wortlos.
 

Draußen erwartete mich erneut Kälte und Nässe. Der Regen war zwar versiegt, doch die dunkelgrauen Wolken verhießen keine Besserung.

Gerade als ich das Anwesen über die Steinplatten hinter mir ließ, war aus einiger Entfernung eine Menschentraube auszumachen. Sie bewegte sich in meine Richtung und ich nahm an, dass es sich um einen wütenden Mob handelte, da die Leute sichtlich in Aufruhr waren. Vielleicht hatte ich den Alten so verängstigt, dass er sich Verstärkung geholt hatte und uns nun davonjagen wollte.
 

«Das ist er!», rief Shou aus der Mitte der Traube und deutete auf mich. Sofort kamen die Bewohner auf mich zu und bildeten aufgeregt tuschelnd einen Kreis um mich.
 

«Ist es wahr was der Alte sagt?»
 

«Nur ein Mythos, lasst euch nicht täuschen, dieser Mann ist ein Lügner!»
 

«Wie habt ihr das Vieh erlegt?»
 

«Existiert das Monster wirklich?»
 

«Habt ihr meinen Sohn gesehen? Er ist vor kurzem aus den Sümpfen nicht mehr zurückgekehrt.»
 

«Seht, sein Stirnband, ein Nuke-Nin!»
 

«Wie hat die Bestie ausgesehen?»
 

«Ihr seid unser Erlöser! Ich will euch danken, ihr habt für uns Rache genommen!»
 

«Was ist mit seinen Augen? Ist er womöglich das Monster?»
 

Von allen Seiten wurde ich mit Fragen und Blicken durchlöchert. Obwohl die Stimmen gemischt waren, überwog Misstrauen und Argwohn. Schließlich trat ein ernst dreinblickender Kerl mit Bart vor und die Leute verstummten.
 

«Fremder! Sagt, ist die Kreatur tatsächlich tot?»
 

«Das ist sie», bestätigte ich, worauf das Geraune von vorne losging.
 

«Schwindler! Nichts weiter als Behauptungen! Beweist uns, dass die Kreatur tot ist, bringt uns ihren Kopf!», war einer der lauteren Zwischenrufe.
 

«Überzeugt euch selbst, seine Überreste befinden sich eine Stunde nordwestlich von hier», gab ich knurrend zur Antwort. «Mein Partner und ich werden bald weiterziehen und diesen verkümmerten Ort verlassen. Doch bis dahin, lebt mit unserer Anwesenheit. Gibt es einen Händler der uns Proviant verkauft?»
 

Viele der Augenpaare huschten zu einem kleingewachsenen Kerl mittleren Alters mit braun gelocktem Haupt. Ich nahm stark an, dass er der Händler war, doch er gab sich nicht als solcher zu erkennen, sondern hüllte sich in Schweigen.
 

«Würdet ihr uns hinführen?», nahm der Bärtige das Wort wieder an sich. «Unser Dorf hat jahrelang unter diesem Untier gelitten. Akio wird euch bestimmt mit Freuden seine Waren anbieten, sobald die tote Kreatur geborgen wurde.»
 

Es war nicht misszuverstehen. Ich würde gar nichts von den Bewohnern erwarten können, so lange ich ihnen nicht das Vieh lieferte. An sich würde es mich keine große Mühen kosten, mir einfach zu nehmen was ich brauchte. Doch mit den Jahren hatte ich gelernt, dass es unklug war, sich unnötig Feinde zu machen, wenn es auch anders gelöst werden konnte. Eine wütende Meute im Nacken zu haben, war in der gegenwärtigen Situation nicht von Vorteil. Auch wenn es keine Kämpfer waren, sondern nur einfache Landsleute – sie alle zu töten wäre verschwendete Energie. Ein sinnloser Mehraufwand, den ich auch ganz einfach umgehen konnte, indem ich sie einfach benutzte statt zu töten. Sollten sie also ruhig die Leiche des Viehs bergen. So lange sie danach gefügig sein würden, nahm ich diesen Umstand in kauf.
 

«Tretet zur Seite.»
 

Ich zog mir den Mantel von den Schultern und ging in die Knie. Die Dorfleute blieben fragend stehen, ehe sie erschrocken zurückwichen, als sich die Blitz-Maske von meinem Rücken löste. Erneut wurde aufgeregt getuschelt, doch dieses mal schwang in den Stimmen deutliche Angst mit. Worte wie Monster, Teufel und Höllenschatten fielen, doch solche Bezeichnungen berührten mich schon lange nicht mehr.
 

«Sie wird euch hinführen», erklärte ich, als sich die Blitz-Maske zur vollen Größe neben mir aufgebaut hatte. Die teils argwöhnischen, teils ängstlichen Blicke der Dorfleute zwangen mich dazu noch etwas anzufügen. «Sie gehorcht auf meinen Befehl, handelt jedoch eigenständig und weiß sich durchaus zur Wehr zu setzen. Also gebt ihr keinen Grund dazu.»
 

Damit war alles gesagt. Die Stimmung blieb noch eine Weile angespannt, doch dann flaute die Aufregung langsam ab und die Menschentraube löste sich auf. Die Meisten gingen ins Dorf zurück, nur ein paar wenige – darunter auch der Bärtige, der eine Art Führungsposition innerhalb des Dorfes zu haben schien – blieben zurück und sammelten sich bei der Blitz-Maske.

Ich sah der Gruppe nach, als sie sich nach kurzem in Bewegung setzte. Sie waren noch nicht weit, als der Elementargeist plötzlich stehen blieb und zurück schaute. Er starrte mich an. Verwundert zog ich die Brauen zusammen, interpretierte sein Verhalten als eine Art Anflug von Ungehorsam und wiederholte den Befehl durch unsere mentale Verbindung mit Nachdruck. Sofort drehte er sich um und huschte ergeben davon.
 

«Was seid ihr?»
 

Shou war bei mir zurückgeblieben und bedachte mich mit einem Blick, den ich schon zuhauf gesehen hatte. Die Art wie sie mich ansahen änderte sich immer, sobald sie Zeuge meiner unmenschlichen Gestalt wurden.
 

«Geht und kümmert euch um meinen Begleiter», knurrte ich dunkel, worauf der Alte nach kurzem Zögern nickte und sich abwandte. Ich folgte ihm kurz später, hatte keinen Grund mehr das Dorf aufzusuchen und würde auf die Rückkehr des Bergungstrupps warten müssen.
 

Plötzlich überkam mich eine ungeahnte Übelkeit, die Steinplatten zu meinen Füßen fingen an kurzzeitig vor meinen Augen zu verschwimmen. Kälte befiel meine Glieder und ein Schwächegefühl setzte ein, gegen das ich jedoch zu kämpfen wusste. Ich zwang mich einfach einen Fuß vor den nächsten zu setzen. Ich musste mich noch eine Weile zusammenreißen, denn jetzt war nicht die Zeit einzuknicken.
 

«Alles in Ordnung?», fragte Shou, der über seine Schulter zu mir schaute und dem mein Wanken aufgefallen sein musste.
 

«Das hat dich nicht zu kümmern!», grollte ich aggressiv. Ich hasste es, wenn sich jemand in meine Angelegenheiten einmischte. Und noch viel mehr, wenn jemand während eines schwachen Moments in meiner Nähe war.
 

Nur am Rande bekam ich mit, wie der Alte zurückschreckte und ins Innere verschwand, war ich doch gerade zu sehr mit mir selbst beschäftigt. Ich schleppte mich das letzte Stück bis unters Dach. Hinein gehen stand jedoch außer Frage, drinnen würde die Übelkeit womöglich nur noch größer werden.

Stattdessen lief ich am Gebäude entlang, bis ich am hinteren Teil des Anwesens einen Kräutergarten entdeckte. Ich sah hinab auf meine zitternden Hände, setzte mich im überdachten Bereich auf die Holzveranda, um meinen schwachen Kreislauf nicht noch mehr herauszufordern. Mir war kalt und warm zugleich, meine Brust plagte ein leichter Schmerz, doch dieses mal war er kaum der Rede wert und nicht vergleichbar mit den vorderen malen.
 

Vielleicht war es gar keine Attacke und ich hatte mich bloß übernommen. Schon seit dem Kampf gegen die Gottesanbeterin hatte mich ein Gefühl der Erschöpfung und ein flauer Magen begleitet, doch ich hatte es als unwichtig abgetan und einfach weg ignoriert. Vielleicht kam jetzt alles zusammen – die Anstrengung des Kampfes, die harten Nächte im Freien und die ständige Nässe und Kälte.
 

Ein weiterer Grund, warum ich nicht glaubte, dass es einer dieser Attacken war: die Übelkeit war gerade weitaus schlimmer. So schlimm, dass ich mir die Maske runterziehen musste, um freier atmen zu können. Tief sog ich die kalte Luft in meine Lungen, nur um sie wieder auszustoßen. Es sammelte sich übermäßig Speichel in meinem Mund, die Übelkeit kroch langsam meine Speiseröhre hoch und ich spuckte ein paar mal aus.

Eine Weile war ich gefangen in dieser Schleife: spucken, atmen, mit geschlossenen Augen gegen die Übelkeit kämpfen und wieder von vorne. Mein Mageninhalt behielt ich schlussendlich drin, auch wenn ich mir zwischenzeitlich nicht sicher war, ob es nicht besser wäre, einfach einmal zu brechen.
 


 

–    ∙   ◦  ☽  •  ☾  ◦   ∙    –

under a diamond sky

everyone wants to shine

under a diamond sky

everyone wants to shine

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Ich konnte nicht sagen wie lange ich da draußen verharrte, aber irgendwann legte sich die Übelkeit und das Zittern verschwand. Langsam ging es mir wieder besser, auch wenn das fast fiebrige Schwächegefühl nicht fortgehen wollte.

Ich blieb noch eine Weile sitzen, lauschte dem Regen, der erneut eingesetzt hatte und den Boden aufs neue durchnässte. Der Garten sah hübsch aus. In der Mitte lag ein kleiner Teich mit Fischen, umrandet von Gräsern und Steinen. Das Kräuterbeet sah gepflegt aus – hier kümmerte sich jemand gut um die Pflanzen. Unkraut war keins zu sehen, welk gewordene Blätter waren sorgsam entfernt worden.
 

Diese Mühen waren nicht allein wegen des Nutzens der Kräuter aufgebracht worden. Die Person, die sich hierum kümmerte, hatte es aus einem Grund getan, der mir immer fremd sein würde: uneigennützige Hingabe.
 

Ich horchte auf, als von drinnen plötzlich Schreie zu hören waren. Aufgebrachte Rufe und ein erschrockenes Fiepen. Ich kam sogleich auf die Füße und gelangte durch den Seiteneingang nach drinnen, als ich meinte Hidans Stimme darunter herauszuhören.
 

Klang als würde er Probleme machen.
 

Ich hatte mich nicht getäuscht. Hidan war wach, wie ich von der Schwelle aus erkannte. Er stand kerzengerade in der Wanne, seine Kehrseite mir zugewandt. Seine Verletzungen waren mit großen Umschlägen behandelt worden, wobei einige durch sein Aufbrausen von seinem Körper abgefallen waren. Hidans Wunden sahen bereits sehr viel besser aus. Rohes Fleisch und Knochen waren fast nirgendwo mehr zu sehen, dünne, durchscheinende Haut spannte sich bereits über einige Stellen. Die Wunden waren geschrumpft, das neu gebildete Gewebe makellos.
 

Es wäre gelogen, wenn ich behauptet hätte, dass ich mir nur deshalb ein paar Sekunden Zeit genommen hatte Hidans Körper zu mustern, um den Status seiner Verletzungen zu überprüfen. Doch die freie Aussicht auf seinen blanken Arsch war nicht das, was ich erwartet hatte als erstes vorzufinden.

Jedoch schien mein Partner gerade in einem ganz anderen Film festzustecken, denn er hielt Misaki am Kragen gepackt und redete aufgebracht auf sie ein.
 

«Wo ist sie, hä?! Nein, nein, das darf nicht sein! Ich darf sie nicht verlieren, ich...!! Wo hast du sie, gib sie mir zurück!»
 

Er klang fast schon hysterisch und so verzweifelt wie er Misaki am Kragen durchschüttelte, um ihr eine Antwort zu entlocken, machte er auf mich immer mehr den Eindruck eines in Panik geratenen. Misaki, die in eine defensive Schutzhaltung übergegangen war, die Hände zur Abwehr gehoben und zur Salzsäule erstarrt, hatte die Augen erschrocken und ängstlich aufgerissen.
 

«Hidan», mahnte ich, doch er schien mich nicht zu hören.
 

«Ich schwöre bei Jashin, für diesen Diebstahl wirst du bezahlen! Ich mach dich kalt!!»
 

«Hidan!»
 

Innerhalb einer Sekunde war ich bei den beiden und riss Hidan von ihr los, worauf sie keuchte und unsanft zu Boden fiel.
 

«Beruhige dich.»
 

Eindringlich sah ich ihn an, doch er schien mich noch immer nicht wirklich wahrzunehmen. Sein Blick war wirr, als wäre er in einer anderen Realität gefangen. Er verhielt sich seltsam, sein Kopf zuckte von rechts nach links, als würde er von Dingen aufgeschreckt werden, die nicht da waren. Sein Atem ging schnell, als stünde er kurz vorm Hyperventilieren. Wenn ich es nicht besser wüsste, hätte ich gesagt, dass er sich in der Arznei vergriffen hatte.
 

War es möglich, dass sein Gehirn Schaden genommen hatte? Seine Wunden an Gesicht und Schädel sahen soweit zwar sehr gut verheilt aus. Wie eine Brandwunde war die Haut an besagten Stellen zwar noch gerötet und fleckig, an seiner kahlen Schädelseite war jedoch bereits ein Haarflaum gewachsen. Er sah wieder mehr lebendig als tot aus.
 

«Ich muss, ich-ich bin... verloren. Bitte. Ich darf sie nicht verlieren! Ich darf ihn nicht enttäuschen!», brabbelte mein Partner weiter aufgewühlt vor sich hin.
 

Mit Seitenblick auf Misaki hoffte ich, dass sie Aufschluss geben konnte. Doch die junge Frau hatte mit anderen Dingen zu kämpfen.

Beschämt und mit tiefrotem Gesicht hatte sie sich abgewandt, da sie kniend mit ihrem Kopf auf Hüfthöhe war und Hidan bekanntlich immer noch nichts am Leibe trug.
 

«M-Meine Güte», murmelte sie peinlich berührt, wobei sie Hidans Angriff wohl bereits gut weggesteckt zu haben schien.
 

«Alles in Ordnung, Misaki-chan? Was hat dieser Tumult zu bedeuten?» Shou war im Türrahmen erschienen, versuchte die Situation zu analysieren und musterte besorgt seine Enkelin, die jedoch nur abwinkte.
 

«E-Es ist nichts… Hidan-san ist wach geworden und hat mich erschreckt.» Sie wurde noch eine Spur röter. Anscheinend war es ihr zusätzlich peinlich, dass ihr Großvater sie in Gegenwart eines nackten Mannes sah.
 

Schnaubend schüttelte ich den Kopf, musste feststellen, dass ich hier nur von beschränkten Idioten umgeben war, die zu nichts zu gebrauchen waren. Doch dann hatte ich einen Geistesblitz – vielleicht hatte mein Partner mit (i)sie(i) gar keine Person gemeint.
 

«Meinst du die hier?»
 

Ich holte den Anhänger, den ich Hidan nicht lange zuvor abgenommen hatte, aus meiner Hosentasche und ließ ihn direkt vor seinem Gesicht an der Kette hin und her baumeln. Sein zusammenhangsloses Gebrabbel verstummte, das Schmuckstück holte ihn augenblicklich ins Hier zurück. Seine Augen fixierten den Anhänger und weiteten sich. Sogleich hellte sich seine Miene auf, mit einem Ausdruck purer Erleichterung umschloss er den Anhänger mit einer Hand. Er ließ die Faust dankbar gegen meine Brust sinken, gefolgt von seiner Stirn, mit der er sich wie zu einem Gebet dagegen lehnte. Seine Linke krallte sich zusätzlich in meinen Mantel fest und ich konnte zusehen, wie er sich langsam beruhigte. Runter kam, zu sich kam.
 

Mir war zwar klar gewesen, dass Hidan fanatische Züge an den Tag legte und ihm sein Glaube wichtig sein musste. Doch ich hatte nicht gedacht, dass er so abhängig davon war. Er hielt es ja kaum eine Sekunde ohne das Amulett seines Gottes aus, ohne gleich abzudrehen.
 

«Kakuzu», flüsterte Hidan. «Wo bin ich? Was ist passiert?»
 

«Erinnerst du dich an den Kampf mit dem Rieseninsekt? Und wir sind im Kurhaus von diesem Clown. Das ist seine Enkelin Misaki, sie behandelt deine Wunden. Also benimm dich und mach mir keinen Ärger.»
 

Hidan folgte meinem Deut und musterte Misaki einen Moment. Dann, als würde er sich wieder erinnern können, fuhr er sich mit der Hand über Kopf und Gesicht, ertastete die halb verheilten Verätzungen.
 

«Fuck», meinte er, ehe plötzlich unterschwellige Wut in ihm aufwallte. «Du hast mir das Genick gebrochen, richtig?»
 

Ich behielt es mir vor, etwas dazu zu sagen.
 

«Als wäre der Versuch mich zu ertränken und die Kacke mit dem Vieh davor nicht schon schlimm genug gewesen, musste ja noch eine deiner scheiß Launen hinzukommen.»
 

«Gib mir nicht die Schuld. Ich bin nicht derjenige, der sich nicht an den Plan gehalten hat.»
 

Hidan schnaubte nur, ließ es aber ohne weitere Beschwerden dabei bleiben. Schließlich ließ er von mir ab und blickte mehr zufällig an sich hinunter.
 

«Warum bin ich nackt?», fragte er irritiert. Es schien ihm nicht sonderlich unangenehm zu sein, es machte den Anschein, als wäre er nur verblüfft über die reine Tatsache seiner Blöße. Was ihm recht spät auffiel, wenn man mich fragte.
 

«Ein Bad nimmt man für gewöhnlich unbekleidet. So nebenbei ist von deiner Kleidung eh nicht mehr viel übrig.»
 

«Oh», machte er nur, ehe er mich plötzlich feixend angrinste. «Hast du mich ausgezogen?»
 

«Was spielt das für eine Rolle?»
 

«Keine? Ich wüsste es nur gern.»
 

«Sieht sie für dich so aus, als wäre sie dazu im Stande?», erwiderte ich kühl, mit Deut auf die in Scham versunkene Misaki. Hidan konnte sich seine Frage damit selbst beantworten, jedoch blieb sein Grinsen bestehen. Er hielt sich weiterhin mit einer Hand an mir fest, war wohl noch nicht sicher genug auf den Beinen.
 

«Und?»
 

«Und was?», grollte ich.
 

«Komm schon, du weißt was ich meine! Tu nicht so, ich weiß doch, dass du nicht so tot bist, wie du nach außen hin allen weismachen willst. Schließlich hab ich es sozusagen am eigenen Leib erfahren.»
 

Ich schnaubte – er spielte auf jene Nacht an, was mir insgeheim einen Schauder bescherte. Sie spukte also auch ihm immer mal wieder im Geist herum.
 

«Wozu eine große Sache draus machen? Ist nicht das erste mal, dass du nackt vor mir stehst. Und auch wenn, es ist nichts Besonderes.»
 

Sein Selbstvertrauen wurde an meiner Kaltschnäuzigkeit abgeschmettert, was ihn deutlich verunsichert zurückließ.
 

«Ja, ich weiß doch! Aber wow, nichts Besonderes also. Ich dachte halt… ach, vergiss es!»
 

«Du solltest weniger denken», grunzte ich abschließend.
 

Er verzog darauf nur angesäuert das Gesicht. Seine Züge glätteten sich plötzlich, seine Augen starrten ins Nichts und sein Blick schien auf einmal ganz leer. Ich bemerkte wie er taumelte und packte ihn an den Oberarmen, bevor er noch zusammenklappte. Er war wohl doch noch nicht ganz auf der Höhe – und ich nicht der Einzige, dem etwas Erholung nicht schaden würde.
 

«Du solltest dich ausruhen.»
 

Ich half ihm sich zurück in die Wanne zu setzen, wodurch sein Kreislauf stabil bleiben sollte. Er lehnte sich sogleich zurück und konnte kaum mehr die Augen offen halten, obwohl er gegen die Erschöpfung ankämpfte, die ihn zu übermannen drohte.
 

«H-Hidan-san ist unglaublich.»
 

Die junge Frau mit den Mandelaugen hatte wieder den Mut gefunden, sich uns zuzuwenden. Zögerlich streckte sie ihren Arm nach Hidan aus und berührte vorsichtig die gerötete, wunde Haut an seiner Schulter.
 

«Eine solch stark ausgeprägte Regenerationsfähigkeit habe ich noch nie gesehen.»
 

Sie lächelte schüchtern, bevor sie ihre Arbeit zögerlich wieder aufnahm. Eine Schale mit gelblicher Salbe wurde herangezogen, ehe sie anfing, die Paste mit den Fingern auf Hidans Wunden aufzutragen und neue Umschläge vorzubereiten.

Sie nickte mir einmal zu, als wollte sie mir danken oder mir signalisieren, dass sie von nun an alleine zurecht kam. Ob so oder so, ich ließ sie alleine. Im Flur traf ich Shou an, der mein Gehen abgewartet haben musste. Sein Blick war nicht falsch zu deuten – er traute mir kein Stück über den Weg.
 

«Ich werde nun anfangen das Abendessen vorzubereiten. Gesellt euch doch zu uns. Ich gebe Bescheid, sobald es fertig ist.»
 

Ich nickte. Obwohl ich wusste, dass diese Freundlichkeit nur vorgetäuscht war – vermutlich zwang ihn seine Erziehung, Sitte und Manier, seine Gäste nicht hungrig in die Nachtruhe zu entlassen – gab es keinen Grund, die Einladung nicht anzunehmen. Das war schließlich Essen, das nicht bezahlt werden musste.
 

Shou war bereits um die Ecke verschwunden und ich wollte es ihm schon gleich tun, als Hidans schwache Stimme hinter mir aus dem Zimmer drang.
 

«Ey, Puppe.»
 

Es gab keinen besonderen Grund, aber ich hielt inne und lauschte.
 

«Uhm, ja?»
 

«Sorry, falls ich dir Angst eingejagt habe, ich war nicht ganz bei mir. Kakuzu hat gesagt, dass ihr uns helft, also hast du nichts von mir zu befürchten.»
 

«Oh, o-okay. Danke?»
 

«Wie heißt du nochmal, Kleine?»
 

«M-Misaki.»
 

«Was ist das für Zeug, das du mir da anschmierst? Das fühlt sich verdammt gut an. Damit lassen sich die Schmerzen echt aushalten.»
 

«Eine Salbe aus verschiedenen Kräutern. Ich stelle sie selbst her.»
 

«Tatsächlich?»
 

«Hn. Bisher hat sie sich sehr gut bewährt, aber sie ist nichts gegen deine Selbstheilung. Die ist einfach nur unglaublich. Ich begreife immer noch nicht, wie das überhaupt möglich ist...»
 

«Nah, ich bin ganz froh um die Pampe. Könnte mich dran gewöhnen an das Zeug. Du musst wissen, es erwischt mich schon mal etwas heftiger. Da ist es ne nette Abwechslung, mal nicht mit Höllenschmerzen aufzuwachen. Gerade dieses mal hätte ich echt keinen Bock gehabt.»
 

«Ich kann dir ja mal meinen Kräutergarten zeigen. Uhm, ich meine natürlich sobald du dich erholt hast. Und nur wenn du magst!»
 

Leise lachte Hidan auf.
 

Ich hatte genug gehört, wandte mich ab und ging.
 


 

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we are connected, to each other now

reaching new dimensions

as we go into the void

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* Bezeichnung für einen Medizin-Ninja/Sanitäter



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