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Crystal Eyes

reloaded
von

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Der Regen klopfte leise, aber stetig gegen die Fensterscheiben der Gebäude. Draußen war es bereits ein wenig dämmrig, obwohl es erst früher Nachmittag war. Die Menschen hasteten durch die Straßen, teilweise unangenehm vom Regen überrascht, jedoch definitiv nicht sonderlich erfreut über ihn. Kleine Pfützen bildeten sich auf dem Asphalt, in denen sich am Abend wohl die untergehende Sonne spiegeln und hübsche Bilder auf die Oberfläche zaubern würde.
 

Eine dieser Pfützen umrundete Adam gerade. Er wollte seine Jeans nicht unbedingt nass machen, jedoch auch nicht die schöne, glatte Wasseroberfläche zerstören. Eine Kapuze über den Kopf gezogen und einen dicken Schal um den Hals gebunden, war er bestens gegen den Regen, die Kälte und eine eventuelle erneute Erkältung gewappnet, also machte ihm das Wetter auch nicht wirklich was aus, im Gegensatz zu den um ihn herum hastenden Leuten. Irgendwie passten das ruhige Rauschen und die sanften Tropfen auf seiner Jacke sogar perfekt zu seiner Stimmung. Obwohl er beim besten Willen nicht sagen konnte, was das für eine Stimmung war.
 

Einige Minuten später kam er schließlich bei seinem Ziel an, einem zweistöckigen, modernen Glasbau mit einer großen Eingangshalle, deren Boden aus Marmor bestand.
 

„Absolut edel, was? Passt zu Leon.“, murmelte er leise vor sich hin, während er sich zum Ticketschalter begab.
 

Man nannte das Gebäude „Vitreous Cabin“, gläserne Kabine. Der Name war nicht sonderlich einfallsreich in seinen Augen, aber laut den Infos, die er auf deren Website gelesen hatte, stellten hier nicht nur renommierte Künstler aus, die sich bereits einen Namen gemacht hatten, sondern auch talentierte Newbies, die teilweise noch nicht mal ihren Schulabschluss hatten. Hier sah man alles, was Können und Talent besaß und im Künstlerbereich es zu etwas bringen würde. Adam hatte nicht mal gewusst, dass es in seiner Stadt so etwas gab. Tja, man lernte auch nie aus.
 

Leons Werke befanden sich im zweiten Stock, den man über einen Fahrstuhl bequem erreichen konnte. Auch hier war der Boden aus weißem Marmor, während die Ecken von Pflanzen geschmückt waren. Zahlreiche gepolsterte Stühle und weiche Sofas luden zum Betrachten der Gemälde ein, ohne sich die Füße in den Bauch zu stehen. Luxuriös bis in alle Ecken und Enden. Hier hatten vermutlich sogar die Spinnen Netze aus Diamant. Jedenfalls kam es Adam so vor.
 

Er seufzte leise, da er sich absolut unpassend vorkam. Die Besucher trugen allesamt Markenklamotten oder edle Anzüge, während er sich in seinen ausgewaschenen Jeans, dem uralten Pullover und der abgewetzten Jacke ziemlich underdressed vorkam. Obwohl es nur ne dämliche Kunstausstellung war. Das Kinn stur nach vorne gerichtet und auf die Blicke einiger Leute gar nicht achtend ging er zu einem Bild. Sofort war seine Umgebung vergessen.
 

Es war kein besonders außergewöhnliches Motiv. Ein kleines Mädchen von vier oder fünf Jahren mit zwei langen, blonden Zöpfen saß auf einer Schaukel und schwang hin und her. Sie trug ein luftiges, hellblaues Sommerkleid mit Gänseblümchenstickerei drauf, und violette Sandalen an den kleinen, zierlichen Füßen. Der Boden war bedeckt mit braungrünem Gras, von der Sommerhitze ausgetrocknet, und in der Nähe stand ein umgekipptes Körbchen mit roten, süßen Erdbeeren, von denen ein paar nach draußen gekullert waren. Das Mädchen selber hatte ihre dunkelgrünen Augen verträumt in den Himmel gerichtet, als ob es einer Schwalbe oder einer Schäfchenwolke nachschauen würde.
 

Es war jedoch nicht das Motiv, dass ihn so faszinierte. Es war eher die Lebendigkeit in diesem Bild. Man konnte förmlich die Sonnenstrahlen auf der Haut spüren, das Gras unter den Füßen und die warme Luft in den Lungen. Würde man jetzt die Hand ausstrecken, könnte man die Haut des Mädchens berühren.
 

Langsam wanderte er zum nächsten Gemälde. Diesmal war das Motiv ein leerer Spielplatz bei Regen. Dunkle Wolken ballten sich zusammen, während die Schaukel sich einsam im Wind hin und her wog und sich auf der Rutsche Wasser sammelte. Ein mulmiges Gefühl des Alleinseins stieg in Adam auf und nach und nach, je nach Motiv, durchlebte er ein Sammelsurium verschiedenster Gefühle. Von höchster Glückseligkeit über tiefste Depression, von Freude und Kinderlachen bis zu Trauer und Todestränen, Sturheit, Ausgelassenheit, Sorglosigkeit, Arroganz. Jedes der Bilder, egal ob es eine Person, ein Tier, eine Pflanze oder eine Landschaft als Motiv hatte, vermittelte ein anderes Gefühl. Mit solcher Eindringlichkeit, dass man sich ihm unmöglich entziehen konnte.
 

Adam sah sich die Gesichter der anderen Besucher an, vor Angst, als einziger derart sensibel auf die Gemälde zu reagieren, doch nach den unterschiedlichen Ausdrücken auf den Gesichtern zu urteilen, die teilweise Unglauben, teilweise die Stimmung der Bilder widerspiegelten, hatte es die gleiche Wirkung auf alle.
 

Bei einem Gemälde blieb er schließlich stehen. Auf den ersten Blick passte es so gar nicht in die Sammlung. Es stellte eine schlichte Landschaft bei Sonnenuntergang dar. Einige dunkle Tannen standen am Rande des Bildes, den Mittelpunkt bildete ein stiller, grauer See. In weiter Ferne sah man einige angedeutete Berge, die hinter einigen Wolkenhügeln verschwanden. Ein durch und durch typisches Landschaftsbild. Langsam stieg es in ihm jedoch auf, kroch sein Rückrat nach oben und umfasste sein Herz mit eisiger Kralle. Angst. Pure, panische Angst.
 

Erschrocken drehte er sich um, um sich aus diesem Bann zu lösen, und sah sich prompt einer jungen Frau gegenüber, die ihn aus leicht geweiteten Augen anstarrte. Nach einigen Augenblicken, in denen keiner von beiden sich bewegte, lachte sie plötzlich auf.
 

„Entschuldige, kommt dir sicher doof vor, wenn dich jemand so anstarrt, was?“
 

Sie hatte eine angenehme, tiefe Stimme. Schwarze lange, glatte Haare, helle Porzellanhaut und dunkelbraune Mangelaugen. Eine schlanke Figur und gepflegte Kleidung. Eine wirklich hübsche Frau.
 

„Nein, nein, schon in Ordnung.“ Er lachte etwas nervös auf. Ihr Blick war sehr durchdringend, als ob sie bis auf den Grund seiner Seele schauen könnte. Wieso traf er in letzter Zeit nur dauernd solche verwirrenden Leute? „Ich hab' wohl auch einen etwas seltsamen Eindruck gemacht, wie ich da auf das Bild gestarrt hab, was?“
 

„Hm.“ Sie sah ihn nachdenklich an und trat dann näher an das Gemälde heran. „Du bist sehr sensibel. Die wenigsten Besucher können bei diesem Werk das versteckte Gefühl erfassen.“ Sie warf ihm einen kurzen Blick zu. „Du hast bestimmt schon gemerkt, dass jedes Bild ein bestimmtes Gefühl vermittelt, nicht wahr? Dieses fällt jedoch aus dem Rahmen. Es ist so unterschwellig versteckt, dass nur sehr empfindsame Leute es merken. Und Angst bekommen.“
 

Toll, jetzt wurde er auch noch als Sensibelchen abgestempelt, und das nach nicht mal fünf Minuten des Kennens. Konnt’ ja nur noch besser werden. Er musterte erneut das Gemälde, doch diesmal befiel ihn nicht diese unbändige Angst wie davor. Vielleicht, weil er es diesmal nicht alleine anschaute. So standen sie einige Momente da, als die Frau sich dann mit Schwung zu ihm umdrehte.
 

„Bist du hier fertig?“
 

Etwas verwirrt starrte er sie an, nickte dann langsam. Dieses Landschaftsbild war das letzte Gemälde gewesen.
 

„Hast du Lust mit mir einen Kaffee trinken zu gehen?“ Sie lächelte ihn freundlich an, klatsche sich dann aber plötzlich an die Stirn. „Oh, entschuldige, ich habe mich ja noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Sachiko.“
 

Sie streckte ihm ihre Hand entgegen und er ergriff sie etwas zögerlich.
 

„Eh, Adam. Ich heiße Adam.“ Was war nur an ihm dran, dass ihn in letzter Zeit dauernd irgendwelche wildfremden Menschen ansprachen? „Ja, eh... meinetwegen, gehen wir 'nen Kaffee trinken.“
 

„Super. Ich kenne da ein ganz schnuckeliges Cafe in der Nähe, ist gar nicht weit weg. Komm mit.“
 

Sie sprudelte förmlich über vor Energie. Wie konnte jemand nur soviel Energie haben? Adam schüttelte nur den Kopf und folgte ihr, einen letzten Blick auf das Landschaftsgemälde werfend. Welches Gefühl würde wohl ein Gemälde mit ihm als Motiv vermitteln?
 

Einige Minuten später hatten sie auch dieses „schnuckelige Cafe“ erreicht. Ein Insider, von selber hätte er es niemals gefunden, so wie es hinter Bäumen und Büschen versteckt war. Der Raum fasste vielleicht fünfzig Besucher, wenn überhaupt, und die Inneneinrichtung bestand aus weichen Polstern und dunklen Holzmöbeln. Wirklich sehr gemütlich, ein Cafe, in dem jeder jeden kannte, wie Adam auch sofort mitbekam, als der Mann an der Theke Sachiko überschwänglich mit einem Bussi links, Bussi rechts begrüßte. Dann wandte er sich mit lächelnden Augen Adam zu. Der Mann war schon älter, Mitte Fünfzig vielleicht, aber wirkte noch sehr rustikal und hatte einen warmen Ausdruck in den Augen.
 

„Na, was hast du denn diesmal für ein süßes Bürschlein abgeschleppt, Sachi?“ Er zog Adam an sich und wiederholte die „Bussi links, Bussi rechts“ - Prozedur auch bei ihm, ohne das der Junge Zeit hatte, sich auch nur irgendwie zu wehren. „Willkommen in der ‚Regenbogenkatze’, ich hoffe, es gefällt dir hier.“
 

Was war denn das für ein seltsamer Name? Adam lächelte jedoch nur etwas verunsichert und wurde gleich von Sachiko an einen Tisch am Fenster gezogen, ohne die Möglichkeit zum Antworten zu bekommen.
 

„Na, was willst du haben?“ Sie lächelte ihn freundlich an.
 

„Eh... ne heiße Schokolade.“ Er hatte noch nicht mal Zeit gehabt, in die Karte zu schauen. Aber gut, hier fackelte man anscheinend nicht lange.
 

„Gut.“ Eine junge Kellnerin kam mit einem Lächeln angetrippelt und Sachiko gab die Bestellung auf. Dann lehnte sie sich zurück und musterte Adam mit leicht zusammen gekniffenen Augen.
 

„So, und jetzt erzähl mir mal, woher du Leon kennst.“

Hätte er in diesem Augenblick etwas getrunken, hätte er es wohl über den ganzen Tisch verteilt. Stand seit neuestem auf seiner Stirn „Ich kenne Leon“?
 

„Und woher weißt du, dass ich ihn kenne?“ Ihm schien es irgendwie unpassend, Sachiko zu Siezen, und sie hatte anscheinend nichts dagegen.
 

„Uhm, du machst so einen Eindruck. Ich meine, du siehst nicht grad wie der typische Besucher von Kunstausstellungen aus, das heißt, wenn du eine besuchst, bist du vermutlich mit dem Künstler bekannt.“
 

„Und du kennst Leon näher?“ Er zog leicht eine Augenbraue hoch. Diese Erklärung stellte ihn nicht wirklich zufrieden, war aber irgendwie durchaus plausibel.
 

„Nun ja, wir sind quasi zusammen aufgewachsen. Sehr enge Freunde, also.“
 

„Freunde? Keine Lover?“
 

Noch bevor er sich auf die Zunge beißen konnte, war diese Frage schon draußen. So unverschämt hatte er eigentlich nicht sein wollen, aber sie lachte nur.
 

„Nein, nur Freunde. Er hat nie Interesse an mir gezeigt.“
 

„Du aber an ihm?“ Scheiß drauf, wenn es ihr nichts ausmachte, konnte er auch fragen, egal wie unverschämt es klingen mochte.
 

„Wer nicht? Oder willst du mir etwa sagen, du könntest dich so einfach seinem Charme entziehen?“ Sie lächelte, etwas wehmütig. „Aber es war nie die große, unglückliche Liebe. Ich war es eigentlich zufrieden, mit ihm befreundet zu sein. Mehr hatte ich wirklich nicht nötig.“
 

„Aha.“ Adam schwieg. Es wurden die Getränke gebracht und er beschäftige sich damit, in seine heiße Schokolade zu starren und den Regentropfen, die immer noch sanft gegen das Fensterglas schlugen, zuzuhören.
 

„Nun, wie hast du ihn kennen gelernt?“ Sachiko nahm einen Schluck aus ihrer Tasse und sah ihn unter leicht gesenkten Lidern fragend an.
 

„Neugierig bist du gar nicht, was?“
 

„Doch, bin ich.“ Sie lächelte leicht. „Genauso wie du.“
 

Adam seufzte leise und zuckte mit den Schultern.
 

„Bei einem Spaziergang. Er hat mich angesprochen. Danach hab' ich ihn noch mal zufällig gesehen und er hat mich gefragt, ob ich ihm Modell stehen will. Und heute bin ich halt zu seiner Ausstellung gegangen, um mal zu schauen, was er so produziert. Das war’s.“
 

„Du sollst für ihn Modell stehen? Oha.“ Es schien, als ob sie noch etwas hatte sagen wollen, aber sie verkniff es sich.
 

Er sah sie leicht verwirrt an. „Ja. Ist das so seltsam?“
 

„Nein, nein, überhaupt nicht. Er ist so ein Typ, der einfach jemanden auf der Straße anspricht, wenn er ihm gefällt.“ Sie lehnte sich zurück und spielte nachdenklich mit einer Strähne ihres langen Haares herum. „Und, willst du es denn machen? Ihm Modell stehen?“
 

„Keine Ahnung.“ Hilflos zuckte er mit den Schultern. „Ich hab' mich noch nicht entschieden.“
 

Sachiko legte ihren Kopf leicht schief. „Darf ich dir dann einen Tipp geben? Falls du vorhast, für ihn zu arbeiten, verlieb dich nicht in ihn. Er würde dir nur weh tun, glaub mir.“
 

Adam verschluckte sich fast an seiner Schokolade und sah sie verdattert an. „Danke für den Rat, hatte ich eigentlich nicht vor. Ich werd ihn aber trotzdem beherzigen.“
 

„Sehr gut.“ Sie lächelte erleichtert. „Es wäre nämlich wirklich schade, wenn du an ihm zu Grunde gehst.“
 

Toll, super Neuigkeiten. Da kam ne wildfremde Frau daher und warnte ihn davor, sich in Leon zu verlieben. Zu allem Übel kannte diese Frau ihn schon seit 'ner halben Ewigkeit, ihre Warnung hatte also durchaus Hand und Fuß. Adam starrte aus dem Fenster und beobachtete gespannt, wie das Regenwasser an den Blättern eines Busches nach unten tropfte. Nicht, dass er irgendwas in die Richtung vorgehabt hätte, aber sonderlich rosige Aussichten waren das nicht. Und mit so jemanden sollte er zusammen arbeiten?
 

Adam wollte gerade ansetzen zu sprechen, als plötzlich ein Handy klingelte. Es schien Sachikos zu sein. Nach einigen kurzen Sätzen klappte sie es zu und sah Adam entschuldigend an.
 

„Tut mir leid, ich muss dringend was erledigen. Bleib ruhig noch sitzen, wenn du willst, bestell auch noch was. Ich lad' dich ein, dass geht dann alles auf meine Rechnung. Sag dem Mann hinter der Theke einfach Bescheid.“
 

Sie drückte ihm kurz einen Kuss auf die Wange und wollte schon loslaufen, als er sie an der Hand festhielt. Überrascht sah sie ihn an.
 

„Was rätst du mir?“ Er sah sie aus hilflosen, kristallklaren Hundeaugen an. „Soll ich für ihn Modell stehen?“
 

Sachiko starrte ihn einen Moment lang an und seufzte dann leise.
 

„Ich glaube nicht, dass ich dir da einen vernünftigen Rat geben kann, dazu kenn' ich dich nicht gut genug. Tu, was du für das Beste hältst. Leon ist manchmal etwas schwierig zu handhaben, aber wenn du dich nicht allzu sehr auf ihn einlässt, dürftest du das schon hinkriegen, denk ich.“ Sie lächelte. Es sollte wohl beruhigend wirken, verfehlte aber die Wirkung auf Adam. „Wenn was ist, kannst du dich gern an mich wenden, jederzeit.“ Schnell nahm sie einen Stift aus der Tasche und schrieb eine Nummer auf einer Serviette auf. „Ruf mich einfach an, egal um welche Zeit.“
 

Mit einem letzten freundlichen Blick steckte sie ihm die Serviette zu und verschwand dann aus dem Cafe. Adam seufzte. Na, sonderlich beruhigend klang das ja nicht grade. Was war Leon nur für ein Mensch, dass es so eine Warnung benötigte?
 

Er blieb nicht mehr lange sitzen. Trotz der freundlichen Atmosphäre war ihm die Luft in dem Raum auf einmal zu stickig, zu schwer geworden. Also bezahlte er die Rechnung, denn sich von Sachiko einladen zu lassen kam ihm gar nicht in den Sinn, und verließ das Cafe. Draußen sog er erst mal tief die regenschwere Luft ein. Für einen Moment hob er sein Gesicht dem Himmel entgegen und ließ die Tropfen auf seine Haut prasseln. Die dunklen Wolken schluckten das schwache Sonnenlicht und tauchten die Straßen in dämmriges Grau, ließen jedoch bereits ein wenig blauen Himmel durchscheinen. Gegen Abend würde es eindeutig aufklaren. Vielleicht konnte er dann auf dem Heimweg sogar einen schönen, feurig roten Sonnenuntergang genießen.
 

Das brachte ihn alles aber bei der Entscheidung nicht ein bisschen weiter. Adam seufzte und blieb stehen. Nachdenklich starrte er in die Pfütze, die sich zu seinen Füßen ausbreitete. Verliebt war er nicht. Nein, definitiv nicht. Aber irgendwas... irgendwas reizte ihn einfach. Wie er ihn ansah. Wie er mit ihm sprach. Wie er ihn berührte. Wie er ihn anlächelte. So überheblich, so selbstsicher, so absolut arrogant. Und irgendwie... so absolut verzaubernd. Mist, er benahm sich wie ein kleines Mädchen, dass einem Ritter auf dem weißen Pferd begegnet war. Verärgert kickte er einen Stein weg, der in der Nähe lag, und stapfte weiter. Trotzdem, seit ihrem Treffen hatte Leon seine Gedanken nicht mehr verlassen. Die ganze Zeit, immer wieder, musste er an ihn denken. Er blieb wieder stehen. Nein, er war nicht verliebt, er war neugierig. Verdammt neugierig, was hinter dieser arroganten Fassade steckte, verdammt neugierig, wie weit der Kerl ihn treiben würde. Und wie weit er ihn treiben würde. Wer wen zuerst wahnsinnig machen würde. Wer zuerst fliehen würde.
 

Adam seufzte. Eigentlich war das Ergebnis schon klar gewesen, als er das erste Gemälde von ihm gesehen hatte. Er wollte es wissen, wollte wissen, welches Gefühl Leon mit Adam als Motiv vermitteln würde. Wollte wissen, ob dieser Mann, der alles in seiner Nähe zu sich heran zog und damit spielte, wie es ihm grad gefiel, auch ihn, Adam, derart in der Hand haben würde.
 

Mit einem entschiedenen Lächeln zog er sein Handy und tippte die Nummer ein. In seinem ganzen Leben hatte er noch nie jemanden geliebt außer seinen Eltern. In seinem ganzen Leben war er noch nie bis in die tiefsten Ebenen seines Herzens verzweifelt gewesen, hatte noch nie einen derartigen Schmerz gespürt, dass es ihn zu zerstören drohte. Er war gespannt, ob Leon ihm diese Gefühle vermitteln würde können.



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