Zum Inhalt der Seite

Actio est reactio

von Nerdherzen und den physikalischen Gesetzen ihrer Eroberung
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Ausgehungert

Ich glaube, mit mir ist irgendwas kaputt.
 

Es ist zwei Wochen her, seit Tamino und ich uns zum ersten Mal geküsst haben und wenn ich dachte, dass in mir vorher schon Hormonbomben explodiert sind, dann ist das nichts im Vergleich dazu, wie es sich jetzt anfühlt. Meine Konzentrationsfähigkeit hat sich anscheinend komplett in Luft aufgelöst—außer es geht darum darüber zu fantasieren, wie Tamino mich anfasst oder ich ihn anfasse oder er vor mir auf die Knie geht und mir den ersten Blowjob meines Lebens beschert.
 

Die Tatsache, dass ich immer voller Unverständnis den Kopf über meine Kumpels geschüttelt habe, weil die so sexbesessen sind, scheint jetzt als schlechtes Karma auf mich zurückzufallen. Ich weiß, dass es bei Lotta anders funktioniert—wir haben darüber geredet, dass sie die Libido von der Größe einer Käferlarve hat und sich das auch nicht ändert, wenn sie in jemanden verknallt ist.
 

Bei mir hingegen scheint ein Großteil der Pubertät nur darauf gewartet zu haben, dass ich mich verliebe, damit ich mich dann in ein Sexungeheuer verwandeln und daran zugrunde gehen kann.
 

Ich hab überhaupt keine Zeit, um mich zwanzig Mal am Tag auf Tamino zu stürzen und ihn anzubetteln, mir einen runterzuholen. Abgesehen davon, dass das super peinlich wäre, sind wir in der Schule ja auch nicht offiziell geoutet. Das wiederum bedeutet, dass ich von morgens bis nachmittags in Taminos Nähe sein muss, ohne ihn anfassen zu dürfen. Oder zu küssen.
 

Mein Körper ist vollkommen am Durchdrehen.
 

Wenn ich im Unterricht nicht gerade in versauten Tagträumen schwelge, starre ich Tamino an. Cem hat mich schon ungefähr fünfzig Mal dafür ausgelacht, weil ich anscheinend aussehe wie jemand, der unter dem Einfluss von Drogen und einem Liebeszauber steht, wenn meine Augen an Tamino kleben, als wäre er das einzige auf der Welt, das ich sehen kann.
 

Ein kleiner Trost ist die Tatsache, dass Tamino nicht vollkommen unbeeindruckt von all diesen Dingen ist. Wir haben schon sehr heftig in einer Abstellkammer rumgemacht, nachdem ich ihn eine komplette Doppelstunde Geschichte so schmachtend angesehen habe, dass es ihm scheinbar zu viel geworden ist. In der Pause hat er mich in den besagten Raum geschleift, mich gegen die Tür gedrückt und zwanzig Minuten so heftig geküsst, dass ich fast in meine Hose gekommen wäre—etwas, das mir seit neustem viel zu oft passiert.
 

Denn abgesehen von meiner unstillbaren Gier nach allem, was Tamino mir an sexuellen Handlung zu geben bereit ist, scheint mein Durchhaltevermögen dem einer vierzehnjährigen Jungfrau zu gleichen. Ich weiß, dass es Tamino nicht stört.
 

Aber mich stört es unendlich doll, dass Tamino kaum seine Hand in meine Hose schieben muss und ich keine zehn Sekunden später komme, als hätte er mich vorher zwei Stunden aufgeheizt, statt einfach eine Viertelstunde mit mir zu knutschen.
 

Das Verhältnis der Anzahl von Taminos Orgasmen zu meinen ist… ungleich. Aber er hat mir schon zehnmal gesagt, dass er viel zu viel Freude daran hat, mich »auseinander zu nehmen« als dass er sich daran stören würde, dass ich für jeden seiner Orgasmen dreimal so viele bekomme.
 

Es fühlt sich ein bisschen so an, als wäre jeder meiner Reaktionen auf Taminos Küsse und Berührungen ein ganzer Berg Weihnachtsgeschenke für ihn. Trotzdem kann ich mich noch nicht von selber dazu überwinden, meine Hand vom Mund zu nehmen und die Geräusche nicht zu unterdrücken.
 

Es ist einfach alles viel zu peinlich.
 

Ugh.
 

Aber es ist auch alles so gut. Meine Haut fängt prompt wieder an zu kribbeln und mir wird heiß.
 

Tamino hat noch nichts anderes versucht, außer seine Hände zu benutzen oder uns beide solange gegeneinander zu bewegen, bis wir kommen. Mein Unterbewusstsein ist allerdings nachhaltig besessen vom Anblick des Blowjobs, den ich zwischen Cem und Tamino beobachtet habe und von der Information, die Cem mir hat zukommen lassen. Nämlich, dass man allein von Fingern…
 

Argh, fuck.
 

Ich verstehe absolut, wieso Tamino sich noch nicht nackt auf mich gestürzt hat und ich rechne es ihm eigentlich auch sehr hoch an. Aber ich habe überhaupt keine Ahnung, wie ich das Thema ansprechen soll. Ich weiß nicht mal, ob ich überhaupt wirklich bereit für sowas bin, ohne an einem Herzinfarkt zu sterben.
 

Eins ist jedenfalls sicher: Sex mit Tamino löst in mir definitiv nicht dieselben fürchterlichen Gefühle aus, wie Sex mit anderen Leuten. Oder genauer gesagt, wie damals mit Katharina.
 

»Wir haben im nächsten Spiel ein paar Sichter zu Gast, also, Julius—Julius?«
 

»Huh?«
 

Trainer guckt mich an, als wäre ich von allen guten Geistern verlassen, womit sie absolut Recht hat.
 

»Erde an Julius! Sichter, beim Spiel! Diesen Samstag! Wer ist hier der Herr mit dem Sportstipendium?«, sagt Trainer und äfft meine verwirrte Stimme nach, die Hände in die Hüften gestemmt und ein strenger Blick auf ihrem kantigen Gesicht. Ich räuspere mich und versuche, die Gedanken an Taminos lange Finger beiseite zu schieben.
 

Sportstipendien und anstehende Vokabeltests in Französisch verblassen im Angesicht der hormonellen Dringlichkeit, mich nackt an meinen Freund zu drücken und von ihm buchstäblich aufgegessen zu werden.
 

Fuck, Sichter.
 

Ich frage mich, wie ich anständig spielen soll, wenn alles, was in meinem Kopf momentan Platz hat, meine absolut peinliche Notgeilheit auf Level 100 ist. Aber wenn ich mit Fußball irgendwohin will, dann sollte ich dringend ein paar Sichter beeindrucken und zum Probetraining eingeladen werden.
 

Ich straffe die Schultern und räuspere mich.
 

»Tut mir Leid, Trainer. Hab kurz nicht aufgepasst«, sage ich so würdevoll wie möglich. Trainer schnaubt.
 

»Das habe ich gemerkt. Wir haben zwei feste Spieler weniger und müssen deswegen umso härter trainieren. Marek und Tae-min ersetzen Konstantin und Lennard in der neuen Startaufstellung. Wir machen übermorgen und Donnerstag extra Trainingseinheiten und Freitag wird sich dann ordentlich ausgeruht fürs Spiel am Samstag. Kein Alkohol! Keine sonstigen Drogen! Und acht Stunden Schlaf, ist das klar?«
 

Ein Chor aus »Ja!« und »Aye, Aye!« ertönt und Trainer teilt uns in Zweierteams für Dehnübungen. Während Tamino und Cem beieinander landen, kriege ich Daniel zugeteilt, der mir aus unerfindlichen Gründen nervöse Blicke zuwirft. Ich ziehe fragend die Augenbrauen hoch.
 

»Ist was?«, frage ich und denke unweigerlich an Cem und daran, dass Daniel seit dem Outing auf der Party irgendwie komisch ist, obwohl er gesagt hat, dass es ihm nichts ausmacht. Er ist immerhin auch mit zu Trainer gegangen wegen dieses ganzen Debakels mit Lennard. Warum würde er das tun, wenn er jetzt so aussieht, als hätte ich eine ansteckende Krankheit?
 

»Nee«, sagt er leise und wendet den Blick ab. Dann starten wir unsere Dehnübungen. Ausnahmsweise schaffe ich es, mich auf den Moment zu konzentrieren, was vor allem an Daniel liegt, der versucht unauffällig zu Tamino und Cem hinüberzuschauen, die über irgendetwas lachen und dabei dauernd ihre Balance verlieren.
 

Mein Herz fühlt sich an wie ein großer Wattebausch. Scheiße, ich bin so wahnsinnig verliebt, es ist wirklich nicht feierlich. Wenn Tamino lacht, werden irgendwo Babyeinhörner geboren. Es hat mich schlimm erwischt und es gibt definitiv kein Zurück mehr.
 

Daniel und ich beobachten Cem und Tamino. Nach einer gescheiterten Übung hat Cem Tamino jetzt im Schwitzkasten und Tamino lacht so sehr, dass er sich überhaupt nicht richtig wehren kann. Cem sieht sehr zufrieden aus mit dem Leben, während er mit den Fingerknöcheln über Taminos Kopf reibt ohne Erbarmen zu zeigen.
 

»Freunde mit Extras, hm?«, murmelt Daniel. Ich blinzele kurz verwirrt, bis mir einfällt, dass Daniel überhaupt nicht weiß, dass Tamino und ich zusammen sind und dass sein Stand der Dinge immer noch das ist, was wir ihm auf der verfluchten Abiparty gesagt haben.
 

»Naja. Seit einiger Zeit nur noch Freunde ohne Extras«, sage ich vage und bin bemüht nicht rot anzulaufen und mich zu verraten. Trainer gibt Anweisungen für einen Positionswechsel und ich setze mich breitbeinig auf den Boden und lasse mir von Daniel auf den Rücken drücken, um meine Schuhspitzen mit den Fingern zu erreichen.
 

»Hm«, macht Daniel unverbindlich. Ich schwanke zwischen Neugier und Empörung. Ich will fragen, was eigentlich los ist, aber ich hab auch das Gefühl, dass es eigentlich nicht meine Angelegenheit ist. Dann wiederum geht es um meinen besten Freund. Gibt es irgendwas, was mehr meine Angelegenheit ist, als das Wohlergehen meines besten Kumpels?
 

»Alter, wenn du’n Problem mit Cem hast, dann haben wir beide definitiv auch eins«, sage ich mit finsterer Stimme. Ich merke, wie Daniels Finger sich auf meinem Rücken kurz verkrampfen, ehe er seine Fassung wieder gewinnt. Es macht überhaupt keinen Sinn, dass Daniel seinen Stuhl von Cem wegrückt, aber mit mir Dehnübungen macht, als wäre alles in Ordnung. Wir haben uns alle vor ihm geoutet. Der einzige, dem er sich gegenüber anders verhält, ist Cem.
 

»Ich hab kein Problem—«, fängt Daniel an. Seine Stimme klingt sehr angestrengt.
 

»Dude«, unterbreche ich ihn. »Wer kein Problem mit was hat, der schiebt nicht seine Stühle weg von Leuten.«
 

So. Da. Ich hab es gesagt. Wenn Cem mich nachher dafür in einen Graben schubsen will, dann würde ich mich nicht mal wehren.
 

Daniel schweigt. Und schweigt. Trainer ordert in den nächsten Minuten fünf weitere Übungen an und Daniel sagt kein einziges Wort mehr. Ich mustere ihn unverfroren, während er meinem Blick ausweicht. Er ist etwa so groß wie Tamino, sein üblicherweise kurzes, braunes Haar ist in den letzten Wochen etwas länger geworden und hängt ihm jetzt ins Gesicht. Der markante Kiefer und das schiefe Grinsen machen Daniel zu einem der am meisten begehrten Jungs im Jahrgang, auch wenn er nicht so mein Typ ist. Mir ist objektiv klar, dass er gut aussieht.
 

Und ich weiß, dass Cem Schweißausbrüche kriegt, wenn er über Daniels breites Kreuz und seine Rückenmuskeln nachdenkt.
 

Nachdem wir mit den Dehnübungen durch sind, werfe ich Daniel einen letzten säuerlichen Blick zu und lasse ihn stehen, um zu Cem und Tamino hinüber zu gehen. Tamino hat offensichtlich Tränen gelacht, denn ich kann immer noch die nassen Spuren auf seinen Wangen erkennen.
 

»Alles gut bei dir, Alter?«, will Cem wissen. Er grinst sehr breit und bufft Tamino mit der Schulter. Julius ans Universum: Danke für all die wunderbaren Menschen in meinem Leben.
 

»Jap. Alles bestens«, sage ich. »Eventuell hab ich Daniel dafür angepampt, dass er seinen Stuhl abgerückt hat.«
 

Cem blinzelt und das Grinsen verblasst langsam. Dann seufzt er leise.
 

»Ah. Ok«, meint er. Seine Augen huschen zu Daniel hinüber, der gerade mit Tae-min und Yousef etwas bespricht, während Trainer Marek irgendeine Einweisung gibt, ehe es losgehen kann. Ich mustere ihn ein wenig nervös.
 

»Sorry, ich war sauer und konnt’s mir nicht verkneifen«, gebe ich zu. Cem wirft mir ein halbes Lächeln zu.
 

»Ja, kein Ding. Ist ja eigentlich auch egal.«
 

Ich weiß, dass es wirklich nicht egal ist. Und ich sehe, dass auch Tamino weiß, dass es nicht egal ist. Aber im nächsten Moment teilt Trainer uns in zwei Mannschaften und Cem und Daniel landen in einer, während ich und Tamino in die andere Mannschaft verteilt werden. Nachdem ich über meine anfänglichen Schwierigkeiten hinweg gekommen bin, spiele ich tatsächlich ausgesprochen gern mit Tamino.
 

Und seit er mir im Flüsterton im Dunkeln verraten hat, dass er mich in meiner Kapitänsrolle heiß findet, spiele ich vielleicht sogar noch ein bisschen lieber mit ihm als vorher.
 

Es stellt sich heraus, dass meine Kommentare in Daniels Richtung eventuell größere Wirkung gezeigt haben, als ich ursprünglich dachte. Er spielt so schlecht wie schon lange nicht mehr und als Tamino das dritte Tor für unsere Mannschaft schießt, höre ich Daniel zum ersten Mal laut fluchen, bevor er volle Breitseite gegen den linken Pfosten tritt, woraufhin Trainer ihn grillt, dass er mit seinem Körper gefälligst sorgfältiger umgehen soll.
 

Eine Sekunde lang sieht Daniel aus, als würde er etwas sehr Unhöfliches erwidern wollen, was beeindruckend genug ist, weil Daniel normalerweise weder besonders harte Ausdrucksweise an den Tag legt, noch irgendwelche Schimpfworte benutzt. Damit ist er unter den Jungs im Jahrgang definitiv in der Minderheit, wenn man bedenkt, wie oft am Tag ich die Worte »Wichser« und »Hurensohn« zu hören kriege.
 

Daniel beendet das Training ohne einen einzigen Ball gehalten zu haben und als Adnan ihm sagt, dass er am Samstag seinen »Scheiß hoffentlich geschissen gekriegt hat, damit wir nicht total ablosen«, dreht er sich einfach um und verschwindet Richtung Umkleide.
 

Ich sehe, dass Cem ihm nachstarrt. Kurz erwarte ich, dass er Daniel vielleicht nachgeht, aber er steht einfach weiter wie angewachsen auf dem Spielfeld und kaut auf der Innenseite seiner Wange herum. Tamino macht neben Cem Halt und ich sehe ihn leise mit Cem sprechen, aber Cem schüttelt den Kopf und wirft Tamino einen kurzen Blick zu, ehe er sich auch in Richtung Umkleide davon macht.
 

»Hat er was gesagt?«, will ich nervös wissen. Was, wenn ich jetzt alles verbockt habe, weil ich mein Maul nicht halten konnte?
 

Tamino schüttelt den Kopf.
 

»Ich hab ihn gefragt, ob er will, dass ich mit Daniel rede«, erklärt Tamino leise, zieht sei Trikot hoch und wischt sich den Schweiß von der Stirn. Ich versuche nicht auf seinen nackten Bauch zu starren. »Aber das wollte er nicht. Ich… ähm. Ich glaube, er bereut das Outing.«
 

Ich seufze und friemele an meinem Haargummi herum, während wir uns gemeinsam auf den Weg zur Umkleide machen. Auf dem Weg dorthin haue ich Tae-min und Marek auf den Rücken und sage ihnen, dass sie einen guten Job gemacht haben. Beide sehen sehr zufrieden aus und grinsen mich breit an.
 

Das ist wirklich sehr viel besser, als ununterbrochen das Wort Schwuchtel übers Spielfeld dröhnen zu hören.
 

»Und, bist du aufgeregt wegen den Sichtern?«, will Tamino wissen, als wir die Umkleide erreicht haben. Es ist laut, voll und stickig, aber von Cem und Daniel fehlt jede Spur. Ich mache eine mentale Notiz ihm gleich eine Nachricht zu schicken und zu fragen, ob alles ok ist.
 

»Ja, schon. Ich meine… ich hab gut gespielt die letzten Wochen. Aber kommt halt auch immer auf die Tagesform an. Und die, gegen die wir am Samstag spielen, haben uns letztes Mal total abgezockt.«
 

Tamino summt verständnisvoll. Dann grinst er.
 

»Und wenn sie dich sehen und schwer beeindruckt von dir sind, bin ich dann bald der geheime Freund eines Profifußballers?«, fragt er sehr leise und verschmitzt. Mir schießt sofort Hitze in die Wangen und ich räuspere mich.
 

»Also erstmal wird man zum Probetraining eingeladen. Wenn man das geschissen gekriegt hat, dann wird man vielleicht als Nachwuchstalent in die Mannschaft geholt. Aber… dafür muss man halt auch echt gut sein.«
 

Tamino lächelt mich sehr liebevoll an und mein Magen explodiert in Schmetterlingen. Seine Augen sagen »Du bist sehr gut« und »Ich bin stolz auf dich« und in mir drin ist sofort Hochsommer. Meine Kehle fühlt sich sehr trocken an. Meine Reaktion auf Komplimente hat sich immer noch nicht geändert. Ich kann nur hoffen, dass ich irgendwann etwas abstumpfe.
 

»Wenn sie dich rekrutieren, kannst du Feli fragen, ob sie dein Bart sein möchte«, meint Tamino auf dem Weg nach Hause. Ich schnaube amüsiert.
 

»Ich weiß nicht, ob sie da Bock drauf hätte. Und ich weiß auch nicht, ob ich darauf Bock hätte. Die ganze Zeit so zu tun, als wär ich hetero scheint mir ziemlich anstrengend zu sein«, gebe ich zurück. Es muss so viele Kerle im Profifußball geben, die diese Dinge über sich geheim halten, weil es keinen Platz im Sport hat. Es ist super scheiße, dass es so ist.
 

Und ich kann nicht sagen, ob ich diesen Weg dringlich genug gehen will, um diese Konsequenz zu leben. Die Vorstellung, Tamino in drei Jahren immer noch nur insgeheim treffen zu können, statt Händchen haltend irgendwo durch den Park tingeln zu dürfen, fühlt sich absolut scheußlich an.
 

Ein Grund mehr ein Studium abzuschließen, um irgendeinen Plan B zu haben.
 

Dafür muss man natürlich wissen, was für ein Studium es sein soll.
 

Ugh, Zukunftsgrübeleien sind scheiße.
 

An der nächsten Kreuzung bleibt Tamino stehen und scheint kurz zu zögern, aber schließlich wuschelt er mir nur durchs Haar und grinst mich schief an.
 

»Bis morgen«, sagt er mit schief gelegtem Kopf. Fuck, ich hab ihn heute den ganzen Tag nicht geküsst.
 

Shit, fuck, shit.
 

Wir waren die letzten zwei Wochen fast jeden Tag beieinander, aber heute bin ich mit Mari und Mama verabredet, weil Mama einen neuen Wohnzimmerschrank bei IKEA kaufen will und wir versprochen haben beim Aussuchen und Aufbauen mitzuhelfen.
 

»Bis morgen«, krächze ich heiser. Wir stehen peinlich lange voreinander und starren uns an, bis Tamino sich schließlich einen Ruck gibt und mir noch mal winkt, ehe er sich umdreht und nach links abbiegt, während ich weiter geradeaus gehe.
 

Wow. Verliebt sein macht einen definitiv zu einem total unzurechnungsfähigen Trottel.
 

Um den Rest des Weges zu überbrücken, krame ich mein Handy hervor und schreibe Cem.
 

»Alles ok bei dir? Sorry noch mal wegen vorhin.«
 

Die Antwort kommt prompt.
 

Cem

kp. schlimmer kanns eig nich werden

Cem

sa nachm spiel saufen?
 

Julius

Jo auf jeden fall, ich geb dir einen aus
 

Cem

charmeur
 

Julius

Kann ich sonst iwas für dich tun?
 

Cem

in der zeit zurückreisen und mich davon abhalten mich besoffen vor daniel zu outen. das wäre ziemlich nice
 

Julius

Ich hab das gefühl das sollte nich die lösung sein…..
 

Cem

und wann bist du voll erwachsen und vernünftig geworden hm????
 

Ich schnaube und schicke ihm ein paar Poop-Emojis, ehe ich das Handy wieder in die Hosentasche stecke.
 

Der Rest der Woche vergeht in einem Nebel aus Sehnsucht danach Tamino anzufassen, Training, Sorge um Cem, der entweder viel zu still oder viel zu laut ist, Sexfantasien, die mir nachts den Atem stehlen und tagsüber die Röte ins Gesicht treiben und bösen Blicken, die ich Daniel zuwerfe, weil es momentan alles ist, was ich tun kann.
 

Am Freitag nach der Schule schleife ich Tamino zu ihm nach Hause und sobald seine Zimmertür hinter uns ins Schloss fällt, drücke ich ihn dagegen und presse meinen Mund auf seinen. Tamino macht ein ganz wunderbares Geräusch und seine Hände sind sofort unter meinem Shirt, als hätte er genau wie ich nur darauf gewartet, endlich allein zu sein und mich wieder anzufassen.
 

»Aus«, keucht er und zerrt an meinem Shirt und ich verliere beim Ausziehen mein Haargummi, was Tamino scheinbar sehr begrüßt, denn er vergräbt sofort seine Hände in meinen offenen Haaren und zieht mich wieder zu sich heran, um mich erneut zu küssen. Ich komme nicht mal dazu, mich dafür zu schämen, dass ich nach nicht mal einer Minute knutschen schon wieder einen Ständer habe, weil Tamino sich bückt, seine Hände unter meinen Hintern legt und mich hochhebt, um mich zum Bett zu befördern, als wäre ich ein Fliegengewicht.
 

Meine Erregung explodiert in einem Feuerwerk aus Hitze und ich strecke die Hände nach Tamino aus, der mit fahrigen Fingern am Reißverschluss seiner Jeans zugange ist. Sobald er seine Hose und seine Brille losgeworden ist, kniet er sich zu mir aufs Bett, drückt mich in die Matratze und küsst mich so verlangend, dass mir beinahe ein bisschen schwindelig wird.
 

Fuck.
 

Vier Tage lang nicht ein einziger Kuss und ich bin ausgehungert wie ein Asket in der Fastenzeit. Ich drücke meinen Unterkörper gegen Taminos Schenkel, den er zwischen meinen Beinen platziert hat. Ein sehr enthusiastisches Stöhnen, das leider Gottes aus meinem eigenen Mund kommt, treibt mir unweigerlich die Röte ins Gesicht, aber Tamino seufzt zufrieden als Antwort, als hätte er nur darauf gewartet, dass ich endlich wieder anfange die Geräusche zu machen, die er so wunderbar heiß findet.
 

Zu meiner grenzenlosen Zufriedenheit scheint Tamino heute auch keine Geduld dazu zu haben, mich ausführlich mit Küssen und seinen Fingern wahnsinnig zu machen, bevor er sich meiner Erektion widmet. Er zerrt mir meine Hose inklusive Boxershorts vom Körper und ich laufe sogar noch dunkelroter an, als er mich aus glasigen Augen mustert, wie ich splitterfasernackt vor ihm auf dem Bett liege.
 

»Starr nicht so«, murmele ich peinlich berührt. Taminos Augen flackern hoch zu meinem Gesicht.
 

»Hmm«, macht er und schmunzelt. »Ist ja nicht meine Schuld, dass du so scharf bist.«
 

Wie auf Knopfdruck flutet eine weitere Welle der Erregung meinen Körper, sobald das Kompliment vollständig Taminos Mund verlassen hat. Ich verstecke mein Gesicht in den Händen und gebe ein klägliches Geräusch von mir.
 

Während ich noch mit meiner Scham beschäftigt bin, zieht Tamino seine Shorts ebenfalls aus und dann liegt er wieder auf mir, Haut an Haut. Alles in mir kribbelt und ich keuche in den nächsten Kuss, während meine Finger jeden Zentimeter von Taminos Körper anfassen, den sie erreichen können.
 

So, wie er jetzt auf mir liegt, spüre ich seine Erektion direkt an meiner.
 

»Was, wenn ich gleich schon wieder—«, fange ich an aber Tamino bringt mich mit einem Kuss zum Schweigen.
 

»Mir egal. Von mir aus kannst du auch zehnmal kommen. Ich mag, wenn du wegen mir kommst«, flüstert er gegen meinen Mund und jedes einzelne Wort ist eine kleine Explosion in meinem Unterleib.
 

Fuck, fuck, fuck.
 

»Wenn du redest, geht’s noch schneller«, klage ich atemlos und stöhne hilflos, als Tamino anfängt, seinen Unterkörper ganz wunderbar rhythmisch gegen meinen zu bewegen.
 

»Hmm, aber ich rede so gerne mit dir«, flüstert er direkt in mein Ohr, ehe eine Zunge ihren Weg an meine Ohrmuschel findet und alles, was ich dann tun kann, ist mich an Tamino festzuklammern und zu atmen und dabei zu versuchen, nicht allzu laut zu werden.
 

Es ist keinerlei Überraschung, dass ich wieder als erstes komme, aber Tamino scheint die Woche über einiges an sexueller Energie aufgestaut zu haben, denn er folgt mir nur wenige Augenblicke später mit einem zittrigen Ausatmen und einem leisen »Oh«, das mich fast direkt wieder in Stimmung bringt.
 

»Ich glaube, so hat Trainer sich die Ruhephase am Freitag nicht vorgestellt«, murmele ich verschwommen. Tamino lacht leise.
 

»Heißt das, ich muss den Rest des Tages die Finger von dir lassen?«, will er wissen.
 

Ich sehe ihn empört an.
 

»Ich warne dich.«
 

Er lacht wieder und drückt mir einen Kuss auf die Nase, ehe er nach Taschentüchern auf seinem Nachtschrank angelt.
 

»Gib mir ‘ne Viertelstunde, Captain«, meint er verschmitzt und ich haue ihn mit einem Kissen.
 

»Sei froh, dass du heiß bist, Frechdachs«, sage ich gespielt streng und Tamino kichert wie ein Schulmädchen und legt sich den Unterarm auf die Augen.
 

»Hm... ich bin in der Tat sehr froh«, murmelt er.
 

Ich vergrabe mein Gesicht an Taminos Halsbeuge und grinse zufrieden. Das Leben ist in diesem Moment einfach zu großartig, um sich Gedanken über Sichter oder potentiell homophobe Mannschaftskameraden zu machen.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (8)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  brandzess
2019-06-27T21:24:53+00:00 27.06.2019 23:24
Man, ich habe keine Ahnung wie ich verpennt habe hier weiterzulesen.
Aber endlich bin ich wieder dabei. Jetzt wird einem erstmal klar wie man die alle vermisst hat.
Und ich kann dir sagen, dass das 17 Kapitel auf einmal zu suchten echt hardcore war xDan war das ein Gefühls-auf-und-ab.
Ich hätte es auch gar nicht schlecht gefunden wenn Juls und Tamino mit Cem ein Dreigespann geworden wären. Hatte ich ehrlich gesagt kurz mal erwartet aber naja endlich sind Tamino und Julius zusammen.
Ich mag auch Feli echt gerne. Die vier bilden eine tolle Truppe.
Diesmal werde ich aber dranbleiben, das steht fest! :D ich frei mich schon auf mehr
Antwort von:  Ur
28.06.2019 11:43
Das kann ja mal passieren :D Und hey, wenigstens musstest du so nicht allzu lange auf neue Kapitel warten ;) Ich hab ernsthaft über Cem/Tamino/Julius nachgedacht, aber dann hätte ich Cem von Anfang an mehr Aufmerksamkeit schenken wollen, deswegen hab ich es mir anders überlegt. Aber vielleicht kann ich dich was Cem angeht ja noch für ein anderes Dreiergespann begeistern :P Danke für den lieben Kommentar! <3
Von: Karma
2019-06-27T20:46:40+00:00 27.06.2019 22:46
Love it!
<3
Von vorne bis hinten.
*____*
Antwort von:  Ur
28.06.2019 11:42
Das freut mich zu hören :D
Von:  MiuAyumi
2019-06-26T07:46:13+00:00 26.06.2019 09:46
Wie mutig Tamino für seine Freunde ist... das er mit Daniel gesprochen hätte über so ein thema... QvQ""" wobei Tamino ja nicht blöd ist und wahrscheinlich schon längst eins und eins zusammengezählt hat... ich musste das trozdem drei mal lesen um zu gucken ob ich mich verlesen hab xD

Und wie du es schaffst gleichzeitig so heiß zu schreiben und trotzdem alles ganz süß zu lassen... ich hab btw. irgendwie nicht mit so viel sex gerechnet... warum auch immer. XD schöne Überraschung 💚 * v *

Danke du Süßigkeit für dieses wunderbare Kapitel 💕

Antwort von:  Ur
26.06.2019 13:18
Ja, ich bin auch nicht ganz sicher, wo das herkommt, aber die beiden machen sich auch einfach n bisschen selbstständig :'D Es wird wahrscheinlich noch mehr geben, einfach weil das für Julius auch son großes Thema ist. Und ja, für seine Freunde ist Tamino zu so ziemlich allem bereit. Das ist das beste Loophole, was man mit soner blöden Angststörung haben kann. Ich kann auch so ziemlich alles für Freunde machen, das ich für mich selber nie machen würde :'D

Danke wie immer fürs Kommentieren, selber Süßigkeit :D
Antwort von:  MiuAyumi
26.06.2019 13:36
Jap jap, geht mir genauso :")

💚
Von:  Sei512
2019-06-25T23:03:51+00:00 26.06.2019 01:03
Babyeinhörner ja???
Ja verdammt. Keine Ahnung wie du das immer schaffst aber du bist echt spitze darin uns als Leser an die Verzweiflung des Wahnsinns zu treiben. Ich kann Juls so verstehen auch das er schon fast verzweifelt weil er definitiv zu oft kommt. Oder auch nicht und Taminos Art ist sooooo süß damit umzugehen. Ich liebe die beiden einfach. ♥
Es ist eigentlich viel zu warm für so viel Zucker und küssen aber ich kann nicht anders und werd es gleich nochmal lesen. Auch wenn ich erst bei Daniel und Cem vorbei schaue.

Danke du machst meine Nachtschicht gerade erträglich. Ich geh jetzt Babyeinhörner Suchen... Verdammt...ich bekomm das Bild einfach nicht aus meinen Kopf.

Liebe Grüße Sei
Antwort von:  Ur
26.06.2019 04:37
Definitiv Babyeinhörner :D Ich hoffe, du hast welche gefunden ;) Danke für den lieben Kommentar <3
Von:  chaos-kao
2019-06-25T21:30:57+00:00 25.06.2019 23:30
Sie sind so süß zusammen . Wie Karnickel :D In zweierlei Sinn :D Und obwohl es sexuell ist, ist es irgendwie trotzdem unschuldig und einfach zuckersüß <3
Antwort von:  Ur
26.06.2019 04:31
Das triffts ziemlich gut, ich musste sehr giggeln :'D Danke fürs Kommentieren!
Von:  Deedochan
2019-06-25T21:09:53+00:00 25.06.2019 23:09
Ach, die beiden sind so süß ♡ und Daniel ist ein Trottel xD aber das weiß er wahrscheinlich selbst am besten :P

Bussis, Deedo ♡
Antwort von:  Ur
26.06.2019 04:29
Ein trauriger Trottel, aber nichtsdestotrotz ein Trottel :'D Danke dir!
Von:  Yamasha
2019-06-25T19:17:36+00:00 25.06.2019 21:17
Ach, was ein schönes Kapitel. Nur merke ich grade, dass ich unheimlich froh bin noch nie verliebt gewesen zu sein. Irgendwie scheint es gleichzeitig der Himmel und die Hölle zu sein. Definitiv nicht mein Ding... Aber toll, dass es so gut klappt mit den beiden.
Und weißt du, was mein Verdacht bei Daniel ist? Er steht auf Cem, was er sich jetzt erst eingestanden hat und ist in einem Gefühlschaos, mit dem er nicht klar kommt, weshalb er lieber Abstand nimmt. Nur so ne Theorie 😉😊
Antwort von:  Ur
25.06.2019 21:19
Du kannst deine Theorie überprüfen, ich hab eben einen Prolog zu den beiden hochgeladen :'D Und verliebt sein ist super, wenn es denn erwidert wird ^^ Danke fürs Kommentieren!
Antwort von:  Yamasha
25.06.2019 21:38
Ich weiß, ich habs grad gesehen. Und bin total begeistert 😍
Antwort von:  Ur
25.06.2019 21:55
:D

Das freut mich zu hören! 💚
Von:  Yunaxxx
2019-06-25T18:44:58+00:00 25.06.2019 20:44
Erste mit Kommi :)
Ich finde das Kapitel klasse. Wie Juls Daniel seine Meinung sagt. Da dachte ich nur » Super Juls, sage ihm mal die Meinung damit Daniel ein Schritt auf Cem macht «
Juls und Tamino sind weiter einfach zu süß zusammen. Die kann man nur lieben. Ich bin mal gespannt wann sie sich outen und wenn ja wer von beiden zuerst. Ich denke mal Juls macht den ersten Schritt mit seinem Outing.
Cem und Daniel <3 wäre mal interessant Daniels Gedanken zu lesen :)
LG
Antwort von:  Ur
25.06.2019 20:56
Wenn du Daniels Gedanken lesen willst, hab ich gerade einen Prolog für eine Sidestory freigeschaltet :D Danke fürs Kommentieren! <3


Zurück