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Actio est reactio

von Nerdherzen und den physikalischen Gesetzen ihrer Eroberung
von

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Schlaflos

Dinge, denen ich definitiv nie zugestimmt habe:
 

1) Meine komplette Freizeit zu opfern, um Julius Timmermanns Abitur zu retten.
 

2) Meine Zeit darauf zu verschwenden, jemanden zu unterrichten, der offensichtlich überhaupt keinen Bock hat, irgendwas zu lernen.
 

3) Julius zu erklären, was Klingonen sind, statt mit ihm Biohausaufgaben zu machen.
 

Ich glaube, er hat mein sozial ausgehungertes Herz erspürt und drillt mich jetzt mit Fragen über meine Interessen, damit er sich nicht mit Homologie und Analogie in der Evolution auseinandersetzen muss. Das ist zumindest meine These. Er scheint immer noch nicht darüber hinweg gekommen zu sein, dass ich eine fiktive Sprache spreche und er hat noch zweimal gefragt, ob ich was auf Klingonisch sagen kann.
 

Aber ich hab beide Male solches Lampenfieber bekommen, dass mein Gesicht wahrscheinlich grün geworden ist und er gesagt hat, es sei ok. Letztendlich hab ich einfach auf meinem Handy Youtube durchsucht und ein klingonisches Kampflied rausgesucht, das er sich dann anhören kann.
 

Wir sitzen vor der Schule im Schneidersitz auf einer Tischtennisplatte und haben unsere Schulsachen zwischen uns ausgebreitet. Jetzt halte ich mein Handy zwischen uns, mache den Ton an und lasse Julius eine Szene aus Deep Space Nine anhören, während ich mit meiner freien Hand im Biobuch nach der entsprechenden Seite suche.
 

»Was singen die da?«
 

»Tod und Ehre«, entgegne ich murmelnd und lege einen Finger ins Buch. Dann nehme ich mein Handy zurück, schalte den Ton wieder ab und stecke es zurück in meine Hosentasche.
 

»Tod und Ehre?«, wiederholt Julius.
 

»Ja. Klingonen halt. Ich glaube, sie singen kaum über was anderes.«
 

Julius sieht aus, als wäre er sich nicht sicher, was er von Klingonen halten sollte, aber er äußert sich nicht weiter und friemelt mit einer Hand an seinem Haarknoten herum, der sich über den Schultag hinweg ziemlich gelöst hat, sodass ihm nun mehrere Strähnen seines blonden Haars ins Gesicht hängen.
 

»Wie weit bist du mit Felix Krull?«, will ich wissen und überfliege die Übungsaufgaben am Ende des Kapitels.
 

»Ähm… so… halb?«
 

Ich hebe den Kopf und starre ihn an.
 

»Die Klausur ist in anderthalb Wochen«, sage ich. Julius‘ Haare lösen sich in diesem Moment nach all dem Gefriemel endgültig aus dem Knoten und fallen ihm prompt ins Gesicht, als würde er sich auf diese Art vor mir verstecken wollen.
 

»Es ist so viel auf einmal«, nuschelt er und ich starre ihn durch einen Vorhang blonder Haare an. Meine dunklen Locken wachsen eher in die Höhe, wenn ich sie länger nicht schneiden lasse. Julius‘ Haare sind ganz glatt und er streicht sie sich aus dem Gesicht, um erneut einen Knoten daraus zu machen. Ich frage mich dunkel, ob seine Haare so weich sind, wie sie aussehen.
 

Und zugegebenermaßen verstehe ich, was er meint. Natürlich ist er irgendwie selber schuld, dass er es so weit hat kommen lassen, aber ich bin der Erste, der es nachvollziehen kann, wenn man zu viele Dinge tun muss, die sich vor einem auftürmen und sich in ein unüberwindbares Hindernis verwandeln. Ich kaue auf meiner Unterlippe herum und merke gar nicht, dass ich Julius hochkonzentriert anstarre, bis er irgendwann vollkommen überraschenderweise rot wird und den Blick abwendet.
 

»Was für ein Lerntyp bist du?«, frage ich.
 

»Hm?«
 

»Du weißt schon… Lernst du besser, wenn du Sachen hörst, oder liest, oder… wenn du irgendwas selber machen kannst oder so?«
 

Julius scheint darüber nachzudenken und ich habe Gelegenheit, seine roten Wangen zu bewundern. Mein Finger steckt zwischen den Seiten des Biobuchs und ich frage mich, ob wir noch dazu kommen, diese Aufgaben zusammen zu lösen, wenn Julius weiter so lange über meine Frage nachdenkt. Anscheinend hat er sich früher nie Gedanken darüber gemacht.
 

»Ich glaube… hören? Wenn ich Sachen höre, merk ich sie mir besser?«, meint er dann.
 

»Hm«, murmele ich nachdenklich und schiebe ihm dann das geöffnete Biobuch entgegen.
 

»Was heißt ‚hm‘?«, will Julius wissen und sieht beinahe ein bisschen misstrauisch aus. Dann senkt er seinen Blick auf das Buch und ich formuliere gleichzeitig einen Plan in meinem Kopf und fange an, Julius den Unterschied zwischen Homologie und Analogie zu erklären. Er macht kritzelige Notizen mit einem Bleistift auf einem sehr knittrig aussehenden Block und ich frage mich, ob er diese Notizen später noch wieder findet, denn der ganze Block ist vollgestopft mit Unterlagen aus verschiedenen Fächern.
 

»Hausaufgabe heute: halbe Stunde Französisch Vokabeln und all deine Schulsachen abheften«, sage ich und deute auf den unglaublich dicken Block. Wie soll man so unorganisiert irgendwas auf die Reihe kriegen? Julius sieht mich an, als würde er sich gern hinten über von der Tischtennisplatte fallen lassen.
 

»Ich muss nachher noch zum Training«, murrt er ungehalten.
 

»Tja«, sage ich erbarmungslos und tippe mit dem Finger auf Aufgabe drei im Buch.
 

»Kannst du die Frage mit dem beantworten, was ich dir grad erklärt hab?«
 

Mit einiger Hilfestellung und jeder Menge wilden Gesten schafft Julius es, Aufgabe drei zu lösen. Als er fertig ist, zwinge ich ihn dazu, alles halbwegs sauber aufzuschreiben und später mit in seine Biomappe zu heften. Es ist, als würde man einen Erstklässler betreuen, der zum ersten Mal von Konzepten wie Ordnung in Schulmappen hört.
 

Ich frage mich gerade, ob ich nachher noch eine spontane Skype-Session mit meinen Leuten zustande kriege, als Julius anfängt seine Sachen einzupacken. Richtig. Es ging ja nur um Biohausaufgaben. Ich komme mir dämlich vor, weil ich das vergessen habe und weil Julius privat weniger affig ist, als wenn er mit einem Rudel seiner komischen Kumpanen zusammenhängt. Ich hab es immer noch nicht über mich gebracht ihn zu fragen, ob er denen von unseren Nachhilfe-Sitzungen erzählt hat.
 

»Na dann, viel Spaß beim Training«, murmele ich und packe hastig meine Sachen ein. Ich spüre, wie Julius mich beobachtet.
 

»Kann ich deine Nummer haben?«, will er dann wissen. Ich blinzele.
 

»Was? Nein!«
 

»Boah, unhöflich! Wieso nicht? Es ist praktischer, um diese ganzen blöden Hausaufgabentreffen abzusprechen!«
 

Das ist richtig. Aber ich will ihm definitiv nicht meine Nummer geben. Er sieht so empört aus, dass ich beinahe lachen muss. Wahrscheinlich hat noch nie jemand abgelehnt, ihm die Handynummer zu geben. Allerdings muss ich auch bedenken, dass seine Mutter womöglich noch häufiger bei uns zu Hause auf Festnetz anruft, wenn ich Julius meine Handynummer nicht gebe, und das möchte ich noch weniger.
 

»Na schön«, grummele ich peinlich berührt und warte darauf, dass er sein Handy hervorkramt.
 

Als er mich fragend ansieht, fange ich an ihm meine Nummer zu diktieren. Er ruft prompt bei mir an und ich kriege automatisch schwitzige Hände, als mein Handy in der Hosentasche vibriert. Ist mittlerweile vermutlich eine natürliche Reaktion, selbst wenn ich weiß, dass ich gar nicht drangehen muss.
 

Ich speichere missmutig Julius‘ Nummer unter »Blondie McSurferboy« ab. Er grinst mich übertrieben breit ab und hält mir einen ausgestreckten Daumen entgegen. Wow. Ich glaube, ich muss zu Hause erst mal die Vorhänge zuziehen.
 

»Ich schick dir auch ein Bild von meinen sortierten Schulunterlagen«, sagt er und zwinkert mir zu. Ich verenge die Augen zu Schlitzen.
 

»Wow. Ich kann es kaum erwarten«, sage ich ohne jegliche Begeisterung und er schnaubt, streckt mir die Zunge raus und hebt dann die Hand zum Gruß, bevor er sich umdreht und Richtung Parkplatz davon geht. Richtig. Er fährt ja mit dem Auto.
 

Nach ungefähr zehn Metern hält er inne, dreht um und kommt zu mir zurück.
 

»Ok, das war unhöflich, soll ich dich vielleicht zu Hause absetzen?«, fragt er und hat den Anstand, sich verlegen am Hinterkopf zu kratzen.
 

»Oh. Ähm… nein danke? Ich gehe lieber zu Fuß«, murmele ich mit gesenktem Kopf. Wahrscheinlich fährt Julius wie eine besengte Sau und ich will ungern auf so engem Raum mit ihm eingesperrt sein. Er zuckt mit den Schultern, dreht sich erneut um und geht denselben Weg zurück, den er gerade gekommen ist.
 

Als ich abends mit meinem Laptop im Bett sitze und zum Trost dafür, dass mein Internet gestorben ist und ich deswegen nicht mit meinen Freunden skypen kann eine Folge Deep Space Nine schaue, vibriert mein Handy leise auf der Bettdecke neben mir. Ich werfe einen Blick darauf und sehe "1 Nachricht von Blondie McSurferboy" auf meinem Display.
 

Na toll.
 

Ich denke kurz darüber nach, ob ich Lust dazu habe, jetzt ein neues Treffen für eine Nachhilfestunde zu planen, auf die ich herzlich wenig Lust habe, aber die Nachricht wird auch nicht einfach weggehen, nur weil ich sie ignoriere. Also öffne ich sie.
 

Es ist ein Foto. Ein Foto, auf dem mehrere bunte, gefüllte Mappen und ein sehr ausgedünnter und zerknitterter College-Block zu sehen sind. Darunter finde ich ein hochgestreckten Daumen-Emoji. Ich denke darüber nach, ob ich antworten soll, aber ehrlich gesagt sollte man Selbstverständlichkeiten auch nicht allzu sehr loben, also schließe ich WhatsApp und schiebe das Handy unter die Bettdecke, um mich wieder meiner Folge zu widmen.
 

Meine Gedanken schweifen zu meiner Idee ab, die ich heute auf der Tischtennisplatte hatte. Soll ich, soll ich nicht…? Ich schenke der Folge auf meinem Laptop noch zwei Minuten Aufmerksamkeit, dann krame ich nach Block und Stift und fange an, mir Notizen zu machen. Es fühlt sich jetzt schon so an, als würde es eine dieser Nächte werden, wo ich ohnehin nicht schlafen kann, also kann ich auch produktiv sein und versuchen, Julius‘ Abi zu retten.
 

Die Folge läuft nebenher und ich schreibe zwei Seiten voll, ehe ich schließlich nach meinem Handy greife und noch zwei Nachrichten von Julius finde.
 

»Französisch ist der Feind!!!!«
 

»WARTE MAL, SCHREIBEN WIR MORGEN DEN FRANZÖSISCH VOKABELTEST?????«
 

Ich verdrehe die Augen.
 

»Ich hab dir doch gesagt, dass du alles aufschreiben sollst.«
 

»Manchmal vergesse ich in das Heft reinzugucken D:«
 

»Wow«
 

Ich überfliege meine Notizen noch einmal und fange dann an eine Sprachnachricht aufzunehmen. Julius hat anscheinend gesehen, dass ich vorhabe, ihm eine zu schicken, denn er fängt prompt wieder an zu tippen.
 

»OMG schickst du mir jetzt strenge Sprachnachrichten???«
 

»Sprich bloß nicht auf Französisch mit mir!«
 

»Dude, was nimmst du da so lange auf????«
 

Ich lasse mich nicht von seiner Welle an Nachrichten beeindrucken, sondern rede einfach weiter. Julius hat gesagt, dass er besser lernt, wenn er Leuten zuhören kann. Also schicke ich ihm hintereinander vier zehnminütige Sprachnachrichten. Sprachnachrichten sind viel besser als Telefonieren. Man hat auch seine Ruhe beim Sprechen, weil einem keiner antworten kann.
 

Julius‘ Sprachnachrichten beinhalten sehr viele Emojis, wohingegen ich so gut wie nie welche verwende. Ein Blick auf die Uhr sagt mir, dass es bereits nach Mitternacht ist, als ich mit den Sprachnachrichten fertig bin und da Julius seit meiner ersten Sprachnachricht nicht mehr geantwortet hat, gehe ich davon aus, dass er eingeschlafen ist.
 

Als ich fertig bin, fange ich mit der nächsten Folge an.
 

*
 

Mein Wecker klingelt wie immer um halb sieben, aber ich habe nicht geschlafen und schalte ihn aus, noch bevor er überhaupt losgehen kann. Wie erwartet sehe ich ziemlich beschissen aus, aber was soll‘s. Es ist Mittwoch, das heißt, ich habe nur sechs Stunden und kann danach nach Hause gehen und vielleicht nachmittags ein wenig schlafen. Ich singe leise das klingonische Lied vor mich hin, das ich Julius am Vortag gezeigt habe und stopfe meine Schulsachen in den Rucksack. Französisch, Bio und Mathe. In Französisch schreiben wir den Vokabeltest und in Bio werde ich ein halbes Auge darauf haben, dass Julius seine Hausaufgaben vorliest, aber abgesehen davon kann ich mein Gehirn heute auch abschalten.
 

Als ich die Unterhaltung öffne, die ich gestern mit Julius per WhatsApp hatte, sehe ich, dass er zumindest zwei der Sprachnachrichten schon angehört hat. Bislang kam allerdings keine Reaktion. Automatisch geht in meinem Kopf das Alarmglockengeräusch los, das ich nur allzu gut kenne. Aber das ist normal, wenn ich nicht geschlafen habe. Ich bin beinahe schon resigniert angesichts des Stresses, der sich in mir aufbaut.
 

Mit der üblichen lauten Musik mache ich mich auf den Weg zur Schule und bin froh, dass wir den Test bereits in der ersten Stunde schreiben. Julis sieht sehr ausgeschlafen aber leicht gestresst aus, was wohl an dem Vokabeltest liegen mag. Herr Rosenheim beginnt die Stunde mit einem empörten Monolog auf Französisch darüber, dass er heute Morgen in der Bahn einen Jugendlichen getroffen hat, der sich dort übergeben hatte und einfach vor seiner Kotze sitzen geblieben ist. Ich glaube nicht, dass die meisten verstehen, was er eigentlich sagt. Julius definitiv nicht.
 

Wie so oft spricht Herr Rosenheim mich an und wir wechseln ein paar Worte auf Französisch. Ich glaube, er ist froh, wenn er sich mal ein wenig unterhalten kann. Ich rede auch gerne auf Französisch, komme aber selten dazu. Ich merke, wie mindestens die Hälfte der Klasse die Augen verdreht und schrumpfe müde und mit donnernden Alarmglocken im Kopf auf meinem Stuhl zusammen.
 

Gott sei Dank teilt Herr Rosenheim als nächstes den Vokabeltest aus und es herrscht Stille in der Klasse. Ich bin nach zehn Minuten fertig und beobachte Julius, der aussieht, als würde er sich gerade mehrere schwere Knoten im Gehirn zuziehen. Aber er setzt in größeren Abständen immer wieder seinen Stift aufs Papier und schreibt etwas. Vielleicht hat eine Woche jeden Abend eine halbe Stunde Vokabeln lernen ja schon etwas gebracht. Sofern er es richtig gemacht hat.
 

Ich lege den Kopf auf den Tisch und spüre einige empörte Blicke auf mir, weil ich schon fertig bin. Mein Körper ist so müde, aber in meinem Kopf bimmelt es und ich habe dieses nachdrückliche Lampenfiebergefühl, was mir sagt, dass ich nie im Leben einschlafen könnte, selbst wenn ich Zeit und Ruhe dafür hätte.
 

Ein Hoch auf meine Angststörung!
 

In Bio darf ich Zeuge davon werden, wie Julius seine Hausaufgaben vorliest und dafür ein begeistertes Strahlen von Frau Krüger bekommt, die großer Fan von unserer Schulmannschaft ist und sehr um Julius‘ Abi bangt. Ich bin nicht sicher, wann das nächste Spiel stattfindet, aber ich halte mich schon seit einiger Zeit aus Schulsport heraus. Wahrscheinlich wird Julius wieder der strahlende Star sein.
 

Ich lege den Kopf auf den Tisch und frage mich, ob meine Augenringe so schlimm aussehen, wie sie sich anfühlen. Vielleicht funktioniert heute Abend mein Internet und ich kann mich zum Skypen verabreden.
 

Als eine Hand meine Schulter berührt fahre ich so hastig hoch, dass mein Kopf gegen ein sehr spitzes Kinn haut. Dem lauten Fluch nach zu urteilen, habe ich Julius gerade einen Kinnhaken mit meinem Kopf verpasst. Scheiße.
 

»Au, fuck«, murmele ich und reibe mir den Kopf.
 

»Alter Schwede, hast du nen Dickkopf«, sagte Julius und seinem neusten Lispeln nach zu schließen, hat er sich wohl bei meinem ungewollten Angriff auf die Zunge gebissen. Mein gerade noch entspannter Körper springt vom Ruhemodus in Panikzustand.
 

»Fuck, fuck, fuck, tut mir leid!«
 

Zu allem Überfluss blutet Julius‘ Lippe. Ich krame mit zittrigen Händen und nebligem Gehirn nach einem Taschentuch. Julius wischt sich mit dem Handrücken über den Mund und verschmiert das Blut quer über seine Wange.
 

»Kein Ding«, lispelt er und schaut seinen Handrücken an. »Oh.«
 

»Taschentuch«, sage ich matt und halte es ihm hin. Er klemmt es sich zwischen die Lippen und reibt an seinem Handrücken herum.
 

»Du siehst total k.o. aus«, erklärt Julius mir nuschelnd um das Taschentuch herum. Ich ziehe die Schultern hoch.
 

»Hab nicht geschlafen.«
 

»Was? Gar nicht?«
 

Ich schüttele den Kopf.
 

»Brutal.«
 

»Ich… äh… hab deine Sprachnachrichten gekriegt«, sagt Julius und kratzt sich mit der freien, sauberen Hand am Hinterkopf.
 

»Hab ich gesehen.«
 

»Voll… nett?«, sagt er und klingt, als wäre er sich nicht sicher, ob nett das richtige Wort ist. »Und hilfreich! Ich hab schon zwei davon gehört und weiß jetzt mehr über das beknackte Buch als nach nem halben Jahr Deutsch!«
 

Der Paniknebel in meinem Kopf beruhigt sich ein bisschen und ich kann nicht umhin verlegen zu lächeln. Ich weiß allerdings nicht, was ich sagen soll und starre stattdessen peinlich berührt auf Julius‘ Lippe. Sie blutet schon nicht mehr ganz so doll und Julius zieht sich das blutige Taschentuch aus dem Mund.
 

»Und ich glaube, der Vokabeltest hätte schlimmer sein können.«
 

Ich zeige ihm einen schwachen Daumen nach oben. Er grinst. Seine Zähne sind ein bisschen blutig und es sieht etwas gruselig aus. Ich räuspere mich.
 

»Ich glaube, vielleicht solltest du… mal zur Toilette gehen«, erkläre ich und gestikuliere in Richtung meines eigenen Mundes. Er nickt und schiebt sich die Tasche über die Schulter. Ich fasse es nicht, dass ich Bio verschlafen und Julius einen Kinnhaken verpasst habe. Ich folge ihm langsam aus dem Klassenzimmer. Julius dreht sich bei der Tür um.
 

»Oh, hey, kommst du Samstag eigentlich zum Spiel?«, will er wissen.
 

Ich blinzele und schüttele automatisch den Kopf. Es geht natürlich um Fußball. Julius zuckt mit den Schultern und grinst schief.
 

»Dachte ich mir schon. Sport ist ja nicht so dein Ding. Naja. Ich geh mich mal wieder herrichten!«
 

Mit diesen Worten verschwindet er in Richtung Klo.
 

Sport ist ja nicht so dein Ding, hat er gesagt. Ich seufze und verlasse das Klassenzimmer.
 

Wenn du wüsstest, denke ich mir im Stillen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (7)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2018-05-29T19:19:01+00:00 29.05.2018 21:19
Oha, Tamino ist ja wirklich sehr aufopferungsvoll! So lange Sprachnachrichten, und dann hat er für Julius doch tatsächlich die ganze Nacht durchgemacht! Wenn das Ganze allmählich auch noch Früchte trägt und Julius besser wird, Feier ich Tamino :D
Brutale Kiste mit dem Kinnhaken ;___;
Von:  Riccaa
2017-10-07T23:26:15+00:00 08.10.2017 01:26
Hi,
ok ich muss zugeben, dass mit dem Vokabeltest und dem Heft war echt........putzig :) Auf der einen Seite echt zum Kopfschütteln, auf der anderen Seite ist es echt naja putzig eben, wie verpeilt und auch ein bisschen naiv Julius doch ist.

Schönes Kapitel :)
Von: abgemeldet
2017-07-24T12:17:32+00:00 24.07.2017 14:17
Sehr sehr schön. Ich bin ja ein ganz großer Fan von Julius muss ich gestehen :). Sehr niedlicher und toller Charakter. <3
Antwort von:  Ur
24.07.2017 16:48
Ich hab ihn auch lieb :D Freut mich sehr, dass du ihn magst ^-^
Antwort von: abgemeldet
24.07.2017 21:33
Vielleicht nehm ich ihn mir mal vor und zeichne ihn mal XD Vor allem in mit seinen Langen Haaren <3 AAAH Liebe! :D
Antwort von:  Ur
24.07.2017 21:43
Ohh, sag Bescheid, wenn das passieren sollte :D
Von:  Yamasha
2017-07-18T06:56:09+00:00 18.07.2017 08:56
Voll süß! Ich freu mich, wie sehr er sich für Julius' Abi einsetzt. Und ich merke auch, wie scharf er ihn findet. Das wird noch schön! <3
Antwort von:  Ur
18.07.2017 16:52
Ja, er wächst langsam mit der Aufgabe ;) Danke <3
Von:  Morphia
2017-07-17T21:04:04+00:00 17.07.2017 23:04
Die beiden sind mir richtig ans Herz gewachsen. 😊
Antwort von:  Ur
18.07.2017 16:52
Das freut mich sehr zu hören! *~*
Von:  chaos-kao
2017-07-17T20:29:57+00:00 17.07.2017 22:29
So langsam scheint er etwas aufzutauen. Trotz Kinnhaken macht er Fortschritte :D
Antwort von:  Ur
18.07.2017 16:52
Ich finde es entzückend, dass Taminos Kinnhaken quasi als Fortschritt Gilt :'D My poor anxious son xDD


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