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El espadachín secreto

von

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A bold Caballero - Teil II

 

Seichtes Mondlicht drang zwischen den Gardinen ins tiefschwarze Zimmer hinein. Jedes Mal, wenn sich der Wind in den Vorhängen verfing und diese sich durch den starken nächtlichen Wind hin und her bewegten, warf inmitten dieser Schwärze das Mondlicht tanzende Lichtstreifen ins schlummernde Dunkel des Zimmers. Die Windstöße verrieten das geöffnete Fenster, was einmal komplett den Faltenwurf der Gardinen beiseite fegte. Gerade kämpfte sich die sanfte Lichtquelle gnadenlos in den Raum und erleuchtete das hübsche Gesicht. Die von der Finsternis verschluckten Details im Schlafzimmer waren abrupt zu sehen. Noch nie hatte die Schönheit, die sich ihm darbot, so erbarmungslos auf ihn eingewirkt. Das Licht fraß die Dunkelheit, und die bis eben nur erahnbaren Konturen einer jungen Frau wurden deutlicher. Selbstverständlich hatte ein Ritt in der Frühjahrshitze und seine anschließende Kletteraktion hinauf zum Schlafgemach Anstrengung bedeutet, trotzdem rechtfertigte das noch lange nicht einen solch rasenden Herzschlag. Geradezu, als würde man ihm eine Kugel durch den Leib jagen, so schmerzhaft tobte es beim Anblick auf die schlafende junge Frau. Wie auf Samtpfoten schlichen seine Stiefel näher an sie heran und beobachteten sie einen kleinen, atemberaubenden Moment. Nur der Blick auf sie vermochte ihn in Fesseln zu legen und seinen Verstand ganz zu betäuben. Noch beim Näherkommen wusste er, es war falsch, sogar dumm. Doch gerade jetzt wollte er nichts sehnlicher als einen Blick auf sie erhaschen, sich davon überzeugen, dass all die schrecklichen Dinge nicht stimmten. Direkt am Rande ihres Bettes kniete er nieder und zog den Hut ab, wie es sich gehörte. Eine überflüssige Aktion, immerhin hatte er sich schuldig gemacht im Augenblick, als er ihr Fenster gewaltsam geöffnet hatte.

Die Festlichkeiten des Himmels stiegen hier und er war nicht eingeladen, zum Fenster hereinzuspazieren. Wie ein Dieb in der Dunkelheit der Nacht.

Er hatte quälende Gewissheit und wusste es entsprach der Wahrheit, als er ihre Tränen benetztes Gesicht sah. Beim direkten Forschen in ihrem Angesicht sah er die geröteten Augen und die wehleidig verzogene Miene von Lolita. Gerade wollte er nur jeden bestrafen, der dies verantwortete. Eine tosende Windböe durchstieß das Zimmer und erfasste sie beide. Unangenehm war es nicht, denn im Nacken saß ihnen bereits die Hitze dieser schaurigen Nacht.

Die Gestalt beugte sich über Lolita, die von seinem Schatten verschluckt wurde, tauchte sie ein ins tiefste Schwarz.

Aus dem leichten Schlummer erwachend, erfassten die noch schlaftrunkenen Augen, dieses schurkische Pechschwarz über sich. Die Farbe drohte Unheil, deshalb war der erste Impuls in der Dame einen Schrei von sich zugeben, als sie den Mann so dicht bei sich wahrnahm. Im selben Moment, als sie Luft holte, drückten sich Lederhandschuhe in ihr Gesicht und erstickten sie. Ihre zur entsetzten Mine aufgerissenen Augen starrten ängstlich hinauf, dabei lugten zwischen dem maskierten Gesicht die schönsten blauen Augen sanft auf sie hinab. Sofort beruhigte sich der schnelle Atem, den sie kurzweilig hatte und die Hand, die sich eben noch gegen seinen Körper stemmen wollte, sank kraftlos ins Bett zurück. Sie ergab sich ihrem Schicksal, einem Moment, in dem sie einander nur tief in die Augen blickten. Es gab gewiss romantischeres, als von einem Mann in Schwarz heimgesucht und mundtot gemacht zu werden.  Doch im Anflug der Freude, ihn wieder zu sehen, begannen ihre Augen zu schimmern und zu flackern. Im nächsten Moment lockerte sich die Hand, die ihren Mund verschloss. Vorsichtig nahm er sie weg und deutete ihr mit dem Zeigefinger vor seinem Mund an, sie solle leise sein.

Lolita verzehrte sich endlich ein Wort an ihren Helden richten, doch gerade jetzt schwieg sie Stille, weil ihr nicht einfiel, was all ihrer Gefühle den rechten Ausdruck verliehen hätte. Nur wusste sie, was sie gerade wollte. In der Tiefe ihres Inneren hatte sie die unstillbare Sehnsucht danach verspürt, ihn wiederzusehen, ihm nahe zu sein. Die Emotionen sprudelten aus ihr regelrecht empor. Er war ihr so nah, wie schon lange nicht mehr und da konnte sie ihre Gefühle nicht länger unter Verschluss halten. Wollte ihm eigentlich nur in die Arme springen. Dabei umschlang sie seinen Oberkörper und wollte eigentlich einen Luftsprung zu ihm hin machen, aber dabei vergaß sie leider um ihre liegende Position. Er, der sowieso über sie gebeugt war, rechnete nicht mit solch einer temperamentvollen Begrüßung und bei seiner nicht so sicheren Haltung, kam es, wie es kommen musste. Mitgerissen von der stürmischen Dame, die eigentlich nur dorthin wollte, wo sie hingehörte, in seine Arme nämlich, fiel er kopfüber zu ihr aufs Bett. Sein Herz legte sogleich einen Galopp hin und wollte ihm anscheinend aus dem Hals empor springen. Es wollte ihm gnadenlos davon rennen, noch ehe er sich versah, bedeckte sein Körper den Ihrigen. Allem Anschein nach machte ihr das auch noch wenig aus, denn ihre Arme blieben eng um ihn geschlungen. Es sollte mit ihr geschimpft werden, das gehörte sich nicht. Diesen Gedanken hatte er allerdings nur kurz, bevor ihm seine Sinne schwanden und er nur noch den angenehmen Duft von ihr wahrnahm, der ihn sich so sehr in Geborgenheit wiegen ließ. Es hätte nun nur noch gefehlt, dass sie ihn auch noch küsste, daraufhin hätte er sich seinem vorherbestimmten Schicksal vollständig ergeben.

Jetzt fielen dem Mann nur alberne Sprüche ein, um die Situation zu kommentieren. Anscheinend hatte sein Auftauchen eine sehr starke Wirkung auf ihr Gefühlsleben. Zwar war sie ihm schon so manches Mal entgegen gesprungen, aber noch nie so unglücklich. Ein weiteres Mal war er froh, dass er sich in Selbstbeherrschung üben konnte, sonst wären all die Dinge, die man ihnen sowieso unterstellte, tatsächlich passiert. Ihr Ansturm freute ihn viel zu sehr, um sich sofort von ihr zu erheben, gleichwohl machte es ihn glücklich um den Umstand zu wissen, dass sie ihn vermisst hatte.

Der vertraute Geruch von ihm beruhigten sie so sehr. Er war gekommen, ihretwegen. So sehr hatte sie gehofft und darauf vertraut, dass er sie auch dieses Mal rettete. Nur wie? Was wollte er tun? Einen Moment spielte alles in ihr verrückt und sie malte sich die größten Spinnereien aus. Wie in seinen Armen aus dem Fenster zu fallen, mit ihm sich in der Dunkelheit der Nacht davonzumachen und niemals wieder hierher zurück zu kehren.

Nach dem Moment der Schwäche, in dem er doch das Gefühl geliebt zu werden, genossen hatte, nahm er die Arme der jungen Schönheit von sich und entfernte sich von ihr, ein bisschen jedenfalls. Sofort bemerkte er, wie sie in seine Richtung rückte und dabei bereit war ihr Bett zu verlassen. Unvermeidlich rutschte die Bettdecke von ihrem Leib, schob sich immer mehr davon, als Lolita schneller als er schalten konnte, ihn wieder versuchte zu fangen, um ihn an sich zu drücken. Das war außerordentlich dumm von ihr, jedoch war es wie ein Fluch, der einen immer wieder traf, jedes Mal, wenn man verliebt war, schaltete sich der Verstand allzu schnell ab.

„Ich dachte schon, du kommst nicht…“

Kniend, immer noch mit wenig Standfestigkeit entkam er ihr kaum. Sein Körper verweigerte sich jedem Versuch, sich ihr zu entziehen und schließlich legte auch er seine Arme um den schmalen Körper und drückte ihn an seinen. „Ich bin sogar schon zum zweiten Mal da, diesmal aber in nicht so manierlich gesinnter Stimmung.“

„Hauptsache, du bist da.“ Erst wenig später realisierte sie die Worte, die er gesprochen hatte. „Du warst da? Wann? Ich habe nichts davon mitbekommen.“

Mit Entsetzen stellte er fest, dass man sein Auftauchen konsequent vor ihr verschwiegen hatte. Es war bereits Stunden her und sie war mit Sicherheit nicht schon im Bett gewesen, als sie ihn weggejagt hatten. „Sie haben dir nichts gesagt? Das ist einfach unglaublich. Deine Eltern haben sich absolut unmöglich mir gegenüber verhalten.“ Wer Diego kannte, wusste, dass dies nicht als Vorwurf zu verstehen war, sondern als Aufklärung. „Offensichtlich halten sie diesen Don Juan für ehrbarer als mich, womit sie vielleicht auch Recht haben.“ Es war nicht so, dass das schlechte Gewissen ihn allzu sehr quälte. Er beliebte nur zu scherzen und wollte ein kleines bisschen die Stimmung seiner Freundin erheitern, indem er einen Scherz machte und dabei noch ziemlich frech grinsend ihr Kinn ergriff. „Immerhin bin ich einfach so in dein Schlafzimmer vorgedrungen, das ist unverzeihlich. Bestimmt wird mich großer Zorn treffen. Aber gewiss wirst du mich nicht verraten, oder  Liebste? Mein Leben hätte sowieso keinen Sinn mehr, wenn du mich verrätst.“ Ein Teil in ihm spielte Theater wie in einem Liebesroman, ein anderer meinte seine Worte genau so, wie er sie sagte.

„Hätte ich das gewusst, wäre mein Fenster weit offen gestanden“, stieg sie auf den Scherz ein, lächelte dabei traurig und lehnte sich an die Schulter des Mannes, dem sie ihr Leben anvertrauen konnte.

Es gab eine Seite in ihm, die zu gern wissen wollte, wie viel Wahrheit in Nikitas Brief gesteckt hatte, die andere fürchtete sich vor ihr. „So ein Angebot sollte ein wahrer Kavalier wohl eher ablehnen, nicht? In unserer Situation sollten wir uns nicht von irgendwelchen dummen Gefühlen hinreißen lassen. Trotzdem bin ich wütend und ich muss diese Wut an irgendwem auslassen.“ Doch wem sollte er die Schuld geben? „Wie konnte es nur so weit kommen, dass sie etwas so Schreckliches von uns denken und dich deswegen bestrafen? Eigentlich bin ich genau deswegen gekommen. Um Dinge richtig zu stellen.“

Lolita, die immer noch an ihm lehnte, wusste sich nicht zu helfen, aber sie musste ihm ihr Herz ausschütten.

„Seit wir von meiner Mutter überrascht wurden, hat sie ein strenges Auge auf mich und hat jeden Kontakt, den ich zu dir haben könnte, unterbunden. Andauernd musste ich mir anhören, dass ich dich benutzt hätte. Sie ist davon überzeugt, es sei unmöglich, dass ich meine Meinung je ändere.“ Zwischendurch entließ Lolita ihre Qualen mit einigen Seufzern. „Du weißt gar nicht, wie schrecklich sich das angefühlt hat. Jedes Mal, wenn wir dich in der Stadt gesehen haben, zerrte sie mich weg von dir. Ich wollte nicht nur einmal aus dem Fenster springen…“ Jetzt drückte sie ihren Kopf gegen seine Brust und wollte ihn wohl in ihm versenken, um in seinen Körper zu kriechen, wo sie sich am wohlsten, aber auch am sichersten gefühlt hätte.

Unendliche Traurigkeit, aber auch Verzweiflung sprachen aus der Stimme seiner Freundin und das brachte ihn beinahe um. Deshalb und weil er ihre Gefühle teilte, ohne sie gezeigt zu haben, legten sich seine Arme stärker um sie. Auch er gab sich der innigen Umarmung hin, die sehnsuchtsvoll von ihnen beiden empfangen wurde. Mit dem trockenen Mund eines Verdursteten, dem ungestillten Hunger eines Liebestollen, war es fast unerträglich sie so nah zu spüren. Seine heißen Wangen glühten ihm bis zu den Ohren, die ihm sausten. Stechender Schmerz herrschte in seiner Brust, mit dem Wissen, dass sie nicht nur einmal aus dem Fenster springen wollte und es am Ende der Wahrheit entsprach, dass sie sich wegen ihm in den Fluss werfen würde. So schnell konnte aus Spaß bitterer Ernst werden. Träume waren eben doch nur Schäume, diese Fantasien, in denen sie in einem Drama spielten, in der Realität zu erleben war alles andere als so angenehm, wie er sich das ausgemalt hatte.

„Nur über meine Leiche heiratest du diesen Lackaffen, der sich anscheinend als den größten Edelmann auf der weiten Welt ansieht. Solch ein Großkotz und Wichtigtuer. Der letzte Möchtegern Meisterfechter ist heulend bei mir zu kreuze gekrochen und bettelte um sein jämmerliches Leben, nachdem ich mit ihm fertig war. Er hatte auch zu Anfang große Töne gespuckt, aber du weißt ja um das Sprichwort ››Hochmut kommt vor dem Fall‹‹.“

Kurz war sie zu fassungslos über die wütenden Worte von ihm. Denn letztlich tat sie etwas, was Diego sicherlich missfallen würde – sie mochte Juan eigentlich. Dies nun ihm gegenüber zugeben, wollte sie nicht. „Eigentlich ist Juan ein netter Kerl“, sagte Lolita, allerdings sehr leise und zurückhaltend. Als sie hinauf schaute, direkt in Diegos geschockte Augen, wusste sie, dass er diese Meinung nicht teilte. Was zum Teufel ist vorgefallen?

„Nett?“ Ungläubig, mit spöttischem Tonfall und einem noch spöttischerem „Phe~~!“ bekannte sich der Maskierte zu seiner Meinung über Don Juan. „Er bedrohte mich mit seinem Pallasch. Nicht viel fehlte, da hätte er mich mit seiner Waffe aufgeschlitzt! Nett nennst du das?“

„Zu mir war er jedenfalls nett“, rechtfertigte sie sich und erregte damit wahrscheinlich noch mehr Ärgernis. Jedenfalls war es ihr bisher nie untergekommen, dass ihr Freund so auf einen anderen reagiert hätte. Das eine Mal hatte er sich zurückhaltender gegeben.

Mit Resignierung schlossen sich die Augen des Mannes, ehe er sich wieder an sie richtete. „Die Naivität von Frauen kennt keine Grenzen, ich fasse es nicht!“ Die meisten Männer sind nett zu Frauen, wenn sie sich etwas versprechen, dummes Ding…

Es war hoffentlich nicht sein Ernst, dass er nun einen Streit vom Zaun brechen wollte. Jedenfalls klang er mehr als sei er fuchsig. „Willst du deinem Namen alle Ehre machen? Ich mag ihn als Mensch, nicht als Mann.“

Diego konnte nicht mehr und wollte die Bombe platzen lassen, wie nett Juan wirklich war. Um jeden Preis wollte er verhindern, dass sie auf seinen falschen Charme hereinfiel. „Lolita! Don Juan drohte mir, er würde dich dazu zwingen, seine Frau zu werden, wenn ich ihm nicht Zorro schicke! Ein Mann, der mit so etwas droht – entschuldige – den ziert das Wort NETT ganz gewiss nicht!“

Sofort sah man den Schreck, der in die Glieder der Dame gefahren war. Ihr stockte der Atem und sie gab einen erschrockenen Laut von sich. Mit einer Sache hatte Diego Recht – dies war wahrhaftig nicht nett von Juan. Was sie allerdings mehr erschreckte war die Tatsache, dass er explizit nach Zorro verlangt hatte.

„Am besten verschwindest du ganz schnell!“ Die Angst, dass ihm etwas zustoßen könnte, war größer als die Angst davor, Juan heiraten zu müssen, damit stieß sie ihn ganz bestimmt vor den Kopf. Er ist hinter ihm her… Warum? Was will er von ihm? Wer hat ihn dazu angestiftet? Die Armee? Ich fasse es nicht. Dafür besteht doch überhaupt keine Veranlassung… Nur wegen solch einer Nichtigkeit soll Zorro zurück kehren? Ich wollte ihn gern wieder sehen, aber doch nicht so. Nicht in einer solchen Gefahr. Er muss gehen! Schnell, bevor sie ihn entdecken!

Lolita war mit einem Mal völlig aufgelöst und schob ihn sogar von sich. „Geh, los geh!“ Ihre Hände drückten sich gegen seine Brust und versuchten ihn zum Gehen zu bewegen, da ergriff er beide und hielt sie fest. Sein unnachgiebiger Blick auf sie, nagelte sie förmlich fest.

 

Dem Anschein nach wollte er nicht gehen, das sah die Blondine sofort. Irgendetwas in seinem Blick nahm sie gefangen und fesselte sie so erbarmungslos, dass seine Hände, die sie ergriffen hatten, nur noch als belanglose Nebensächlichkeit dienten. Was sie wirklich bewegungsunfähig gemacht hatte, waren seine Augen. Etwas sehr Emotionales stand in ihnen geschrieben.

„Ich soll dich hier einfach zurücklassen in einer Situation, die ich verschuldet habe? Ist das dein Ernst?“

„Darum geht es nicht! Sondern darum, dass Don Juan-“ Sein Finger legte sich auf die rötlichen Lippen der jungen Frau und brachte sie so sanft zum Schweigen.

Zorro wollte die Tatsache, dass Juan sich für ihn interessierte liebend gerne unter den Teppich kehren, das war doch nicht so schlimm. „Überlass den ruhig mir, Liebes. Mir wollten schon so manche Gestalten ans Leder. Dagegen ist er geradezu nichts. Du musst dir um mich keine Sorgen machen. Seine Frechheiten werden ihm noch Leid tun.“ So sehr wie Juan den Bogen überspannt hatte, durfte er sich jedenfalls nicht darüber wundern, dass Zorro ihm wenig Respekt entgegen brachte.

„Und nicht nur das ärgert mich, mehr noch der Umstand, dass ich zu solchen Mitteln greifen muss, damit man mir endlich zuhört!“

Es tat ihr Leid und das sah man ihr auch an, überwiegen tat allerdings immer noch die Besorgnis um ihn. Keiner konnte zweifelsfrei sagen, wie tauglich Juan vielleicht war. Die Leute in der Stadt redeten zwar davon, aber die waren leicht zu beeindrucken.

„Du bist verärgert und zornig auf einen Mann, der mich dir wegnehmen will. Ich sehe es dir an, du würdest ihn am liebsten stückeln. Dazu besteht kein Grund.“ Um genau zu sein, wusste Lolita aber auch nicht so genau, was man noch tun konnte. „Meine Eltern, die absolut keine Ahnung haben, was vor ihren Augen geschehen ist, sind das größere Problem. Mutter denkt abscheuliche Sachen und ist der festen Überzeugung ihre Tochter habe es nicht verdient, glücklich zu werden. Ich weiß nicht einmal, was in sie gefahren ist, aber sie hat meinem Vater den Unsinn erst in den Kopf gesetzt, dass etwas zwischen uns gewesen ist.“ Bei ihrem schwammigen Satz begannen sich ihre Wangen leicht zu erröten. Nicht einmal auszusprechen vermochte sie diesen Frevel. Es war beschämend und demütigend zugleich.

Es ist ja auch ETWAS zwischen uns gewesen. Nur nicht genau das, was uns unterstellt wird. Jeder Blinde sieht dir an, dass du dich viel zu sehr schämen würdest, so etwas zu tun. Warum deine Eltern nicht? Sind sie denn blind?

Unsittlich gegenüber Lolita zu werden hätte er sich nie angemaßt. Nicht einmal als Zorro würde er so eine Untat je begehen. Aber das war sein Schicksal – die Verdammnis, dass so ziemlich jeder ihn missverstand. Damit hatte er schon seit langem zu leben gelernt. In diesem Fall wollte er das aber nicht auf sich sitzen lassen.

Jedenfalls war es ganz schrecklich, wenn einem die eigenen Eltern nicht glaubten. Das hatte er selbst so noch nie am eigenen Leibe erfahren, aber in anderen Familien miterlebt – gerade in aristokratischen Kreisen passierten solche Dinge leider häufig. Sein Vater hatte einiges hinterfragt, was sein Sohn tat, aber anders als Maria hatte er ihn nicht pausenlos gerügt, sondern eines Abends einfach gesagt, er würde schon wissen, was er tat… Es tat gut, wenn einem Vertrauen entgegen gebracht wurde, obwohl man sich komplett verändert hatte und jeder eigentlich enttäuscht von einem sein müsste. Dieses Gefühl hatte ihm sein Vater allerdings nie gegeben. Die sinnbildlichen kleinen Hiebe in seine Seite waren kaum der Rede wert gewesen. „Diego wagen sie vielleicht zu widersprechen, jetzt noch. Aber Zorro wird man gewiss Gehör schenken, Lolita. Wenn nicht, helfe ich eben nach. Man wird mir zuhören!“

Lolita begab sich auf Zehenspitzen, um ihm noch direkter in die Augen sehen zu können, dabei hangelte sie sich unweigerlich an seiner schwarzen Kleidung hoch, zerknitterte hier und da sein lupenreines Kostüm. „Übertreibe aber bitte nicht, einverstanden?“

„Nein, mein Herz.“ Beim in die hellblauen Augen blicken, wurde es ihm regelrecht schwer um die Brust. Aber unter den gegebenen Umständen wollte er dem Drang nicht nachgeben, nicht noch mehr Schande über sie bringen, nur weil der Mann in ihm sie jetzt unbedingt küssen wollte. Er hatte sich geschworen, das nie wieder zu tun, es nicht auszunutzen, dass sie Zorro verehrte und bei ihm weiche Knie bekam, wie so manch andere Frau. Wenn er sie küsste, wollte er ganz gern er selbst sein und es sich nicht mit seinen Heldentaten oder unlauteren Mitteln verdienen, sondern mit schicklichen.

Zu gern wollte Lolita wissen, wie Diego nun vorgehen wollte. Aber das Galante in seinem Tun, als er ihr schließlich die Lippen auf den Handrücken drückte und dabei verstohlen hinaufschaute, ließ sie die Frage vorerst vergessen. Einer Romantikerin einen solchen Blick zuzuwerfen war in jedem Falle tödlich. Ihr tollkühnes Wesen erstarb in der Hitze dieser Nacht, zusammen mit ihrem flatternden Herzen, was Zorro noch im gleichen Moment folgte. Gerade als er so wie er gekommen war, wieder zum Fenster hinausstieg. Ihre Füße tänzelten zum Fenster und sie ergriff die Fensterbank mit beiden Händen zum Abstützen, denn die junge Dame lehnte sich unwahrscheinlich weit raus und warf ihm noch einen weiteren Blick zu, den er mit einem sanften Lächeln erwiderte. „Adiós, meine Schönheit“, warf er ihr zu, bescherte ihr die nächste Röte im Gesicht und hangelte sich dabei gekonnt an einem Seil hinab, bis er wieder festen Boden unter den Füßen verspürte. Mit einem erkundenden Blick suchte er das nächste Zimmer, was er plante zu erklimmen…

 

Das Fenster war offen, welch ein Leichtsinn. Der Wind kämpfte sich auch in das andere Zimmer, in das der nicht minder schönen Frau. Zu ihrem Pech war sie allerdings nicht seine Altersklasse und löste höchstens Wohlwollen in ihm aus. Bis zum heutigen Tage wäre er nie bei ihr zum Fenster hineingestiegen.

Anscheinend möchte Don Carlos noch nicht so bald zu seiner Frau ins Bett steigen. Wie gut für mich, da können wir ja einen kleinen Moment ungestört sprechen. Hoffentlich lässt er sich schön Zeit, damit ich mich etwas ausgiebiger mit der Doña beschäftigen kann. Fühlen wir ihr doch ein bisschen auf den Zahn…

Halb geöffnete Fenster waren ein Kinderspiel, auch wenn er ein geschlossenes Fenster genauso gut hat öffnen können, machte sie es ihm besonders leicht. Seine biegsame Peitsche legte sich um den Fenstergriff und zog ihn zur Seite, worauf es sich ohne weiteres komplett durch den nächtlichen Wind öffnete. Ein leichtes Knarren war zu hören.

Lolitas Mutter schien zu seinem Leidwesen ernsthaft bereits zu schlafen. Womöglich, um wie viele Frauen den Pflichten des Ehelebens zu entgehen.

Und unter welchen Kriterien haben Sie sich Carlos ausgesucht, Catarina? Eine wunderschöne Frau wie Sie kann im Grunde jeden Mann aussuchen. Haben Sie ihn geliebt, oder war er mit Wohlstand beschenkt?

Es war kein Geheimnis, dass Lolitas Mutter sich sehr viel aus Geld machte. Genauso wie jeder wusste, dass sie nicht gerade arm gewesen war. Solche Frauen suchten sich in der Regel einen noch reicheren Mann. Oder sie verliebten sich in einen tapferen Mann, der sie immer beschützen konnte. So in etwa musste es bei seiner Mutter gewesen sein.

„Buenas noches, Señora Catarina! Zorro zu Euren Diensten“, sprach er die schlafende Frau mit gerade einmal so lauter Stimme an, dass es sie wecken konnte.

Erschrocken von der ihr bekannten Stimme, setzte sich die Dunkelblonde in ihrem Bett auf. Sofort sichtete sie in ihrem Fenster einen erwachsenen Mann, der seitlich zu ihr mit einem angewinkelten Bein auf dem Fensterbrett saß, wo er seinen Stiefel lässig abgestellt hatte. Dabei wirkte derjenige so entspannt, als beginge er solche Schandtaten ständig. Das grenzenlose Selbstvertrauen darin, niemals geschnappt zu werden, ließ ihn die Frau mit einem netten Lächeln besehen. Mit einer solchen Dreistigkeit in ihr Haus einzudringen, hätte sie auch diesem Banditen nie zugetraut.

Die Silhouette des fast komplett in schwarz gehüllten Mannes verbannte langsam das direkte Mondlicht, was bis jetzt ins Zimmer schien. Dadurch war er aber auch in vollem Umfang komplett zu sehen. Von den Stiefeln bis zu seinem Sombrero. Auch ohne sein wörtliches Zutun wäre es ihr ein Leichtes gewesen, den Mann zu erkennen. Jedermann hatte Zorro schon einmal gesehen, sie war schon des Öfteren in diesen Genuss gekommen, jedoch selten aus so direkter Nähe. Egal wie sehr sie diesen Mann anschmachtete, sie zog die Decke über ihren Leib und leichte Nervosität stand ihr ins Gesicht geschrieben.

„Ihr habt nichts zu befürchten, Madamé! Oder nicht?“ fragte der Maskierte gleich triumphierend, denn in der Regel musste man sich nun wirklich nicht vor seinem Auftauchen fürchten, schon gar nicht als Dame. Männer, die etwas ausgefressen hatten, die Unrecht begangen hatten, sollten sich weitaus mehr vor ihm in Acht nehmen, wenn er sie des Nachts heimsuchte. Trotzdem schien Lolitas Mutter innerlich aufgewühlt. „Habe ich Euch etwa erschreckt? Nicht doch! Einer Dame würde ich nie etwas zuleide tun. Dazu müsste sie schon einen äußerst schäbigen Charakter aufweisen können.“ Man konnte es als indirekte Drohung ansehen, immerhin wusste die Doña, dass sie etwas angestellt hatte. Ihr Bangen war deswegen nicht unbegründet.

„Zorro, was macht Ihr hier? Was wollt Ihr? Solch ein Frevel, sich des Nachts in das Schlafgemach einer verheirateten Frau zu schleichen…“ Natürlich übertrieb sie, immerhin kannte sie nicht den Grund. Oder sollte sie ihn kennen? Catarina war gerade nicht in der Lage, reiflich nachzudenken, immerhin saß ein allseits gesuchter und gefürchteter Verbrecher in ihrem Fenster und hätte wer weiß was von ihr wollen können. Wie man es drehte und wendete, insgeheim wusste sie, dass Zorro wegen ihrer Tochter gekommen war, nicht wegen ihr. Warum sollte er das tun?

„Verzeihen Sie bitte vielmals. Ich bin mir meiner Unverfrorenheit im Klaren und dafür möchte ich mich bereits im Voraus bei Ihnen entschuldigen. Dennoch bin ich hierher gekommen, um mit Ihnen ein ernsthaftes Gespräch zu führen.“

Die Frau, deren Alter man nur erahnen konnte, indem man es schätzte, schluckte sichtlich. Hatte sie Angst? Fürchtete sie sich allen Ernstes vor ihm? Eigentlich war das von Vorteil, dann hörte sie ihm wenigstens zu.

„Worüber?“ fragte sie mit stockendem Atem. Er wollte jetzt doch nicht allen Ernstes Anstalten machen, bei ihr, der Mutter von Lolita vorzusprechen?? Ein wenig fürchtete sie sich dafür, immerhin hatte der Plan ihrer Eltern sich wie ein Lauffeuer in der Stadt ausgebreitet und war letzten Endes vielleicht auch an Zorros Ohren getreten.

„Ich möchte mit Ihnen reden. Über Lolita und D-“, mehr ließ ihn die Doña nicht sagen, da sie ihm sofort ins Wort fiel.

„Was willst du von meiner jungen Tochter, Zorro? Sie ist beinahe noch ein Kind!“

Womöglich fühlte sich die Mutter in ihr bedrängt. Sie wollte ihr Mädchen vor dem Unhold beschützen, der sie ihr wegzunehmen versuchte. Jedenfalls schob er ihre plötzliche Respektlosigkeit ihm gegenüber darauf.

„Mäßigen Sie sich! Kein Grund laut zu werden! Gar nichts will ich von Ihrer Tochter“, behauptete Zorro, dabei verengten sich seine Augen zu Schlitzen, mit denen er Doña Catarina besah.

„Wieso bist du dann hier?“

Immer noch saß Zorro auf der Fensterbank und ließ sich kaum beirren, glaubte noch nicht einmal, es sei notwendig, sein Augenmerk vollständig auf der Frau ruhen lassen zu müssen, da er im nächsten Augenblick seine Augen durch den Raum schweifen ließ.

„Weil hier Dinge im Gange sind, die mir missfallen.“

„Und deswegen denkst du, dass du zu einer Dame ins Fenster steigen darfst? Was tust du, wenn ich nach meinem Mann rufe? Hast du überhaupt eine Ahnung, wie wütend er auf dich ist? Am liebsten würde er dich umbringen!“

Ein belustigtes Lachen entkam dem getarnten Mann, bevor er sie mit einem leicht wahnsinnigen Blick bedachte.  „Das kümmert mich nicht! In meinem Kampf war ich schon so mancher Gefahr ausgesetzt, mit einem Don werde ich da doch spielend fertig, Madame! Aber danke für die Warnung. Sie wollen wohl nicht, dass mir etwas widerfährt.“ Wirklich bedanken wollte er sich nicht, was aber keineswegs hieß, dass er es nicht zu schätzen wusste. Bisher hätte ihn keine halbwegs gutherzige Frau verraten. Er wäre bestürzt, hätte sich heraus gestellt, dass Lolitas Mutter entschlossen hatte, ihn zu verraten.

„Zorro, du warst schon immer mutig, aber was du jetzt tust, ist dumm. Wofür das alles? Für eine Göre, die sich nicht zu benehmen weiß.“ Es klang geradezu, als wolle Lolitas Mutter ihn rügen, das gefiel ihm wenig, was man an den verengten Augen seinerseits auch sofort bemerkte.

„Ja, ich mag Lolita, ich habe sie wirklich sehr in mein Herz geschlossen. Sie ist ein hübsches Mädchen und ich bin sehr um ihr Wohl besorgt. Sagten Sie nicht, dass sie fast noch ein Kind sei? Wenn Sie das wirklich denken, warum wollen Sie Ihre Tochter zwingen, dass sie einem Mann aus einer fremden Stadt, den wir alle kaum kennen, einem edlen Herrn wie Don Diego Vega den Vorzug gibt? Im Gegensatz zu diesem Don Juan kennt ihn jeder hier. Genauso weiß jeder in dieser Stadt, dass er vernarrt in Lolita ist, oder etwa nicht? Aus zuverlässiger Quelle weiß ich, dass Diego Lolita unheimlich gerne heiraten würde. Er ist ja sogar sehr vermögend. Also! Was spricht dagegen?“

Zorro zeigte seinen Missmut, um sie in die Enge zu drängen, aber auch sie versteckte wenig, dass es ihr missfiel von ihm so angegangen zu werden. Ihr Gesicht sprach Bände und trotzdem gab sie nur ein einziges Wort von sich: „Nichts.“

„Warum dann das Ganze? Aus der Vermutung, ICH könnte Ihre Tochter UNSITTLICH berührt haben? Bitte, Señora, so etwas Abscheuliches trauen Sie mir zu?“ Zorro klang empört und seine Stimme gewann an Intensität, war am Ende sogar fast schon ein Schreien, er hatte jedenfalls redliche Mühe, seine Stimme im Zaun zu halten. „So etwas würde ich nicht einmal zu denken wagen! Halten Sie mich allen Ernstes für so ehrlos? Antworten Sie!“

Doña Catarina hatte im Gegensatz zu Lolita Zorro noch nie so wutentbrannt erlebt, aber Angst verspürte sie keine. Sie blieb ruhig, seufzte im Anschluss jedoch.

„Nein, Zorro… Ganz gewiss nicht! Aber meine ungezogene Tochter, sie ist wild und manchmal denkt sie nicht nach. Vielleicht hat sie Ihnen ja den Kopf verdreht. Ständig sind Sie zu ihrer Rettung geeilt und haben dafür Kopf und Kragen riskiert. Was soll eine arme Mutter darüber schon denken? Sie müssen Ihr Herz an meine Tochter verloren haben! Für ihr Verhalten Ihnen gegenüber möchte ich mich entschuldigen.“

Einen kleinen Moment sah man den Schock in seinen Augen, gleich darauf einen traurigen Schimmer und dann lächelte er sogar. „Ich möchte mich nicht wiederholen. Natürlich mag ich Ihre Tochter. Niemals würde ich zulassen, dass man ihr etwas zuleide tut. Außerdem weiß ich, dass es jemanden gibt, dem ebenfalls sehr viel an ihrem Wohl liegt. Diego Vega. Obwohl er Lolita wirklich sehr liebt, haben Sie ihn des Hauses verwiesen. Wieso? Was soll das? Er ist der richtige Mann für Ihre Tochter. Eine bessere Partie könnte sie kaum kriegen. Das ist der eigentliche Grund für meinen Besuch. Ich erweise einem Freund, einem edlen Herrn einen Dienst. Außerdem empfinde ich es als Unrecht, eine unbescholtene Señorita Zwangs zu verheiraten. So etwas ist geschmacklos und passt nicht mehr ganz in diese friedlichen Zeiten. Finden Sie nicht? Wäre es also wohl zu vermessen, Sie darum zu bitten, Ihr Einverständnis zu dieser Verbindung zu geben? Ich strebe nach Gerechtigkeit, deswegen möchte ich, dass man ihr gestattet, den Mann ihrer Wahl zu heiraten. Nicht einen, der ihr ausgesucht wird. Das ist doch sehr unfair, nicht?“

„Sie leben in einer Traumwelt, Zorro. Ihr Streben nach Gerechtigkeit in allen Ehren, aber das hier ist unser Dilemma. Nicht Ihres. Der Ernst des Lebens verlangt nicht nach großen Gefühlen.  Das muss auch Diego endlich einsehen. Sie stellen sich das so einfach vor. Ein Mann wie er steht in der Öffentlichkeit und kann sich keine Fehler erlauben. Ein ungezogenes Mädchen wie Lolita wäre gar nicht gut für die Zukunft einer so angesehenen Familie wie den Vegas. Ein Mann wie Sie, ein Verbrecher kann unsere Beweggründe aber sowieso nicht verstehen.“ Nur sehr ungern nannte Doña Catarina diesen Mann Verbrecher, aber es war nun einmal die Wahrheit.

Es kränkte Zorro zutiefst, dass man annahm, er würde davon nichts verstehen. Mehr als nur einmal sagte er zu sich selbst, dass sie es nicht wusste und er ihr das nicht nachtragen durfte. Noch nie in seinem Leben hatte er in diesem Ausmaß auf Worte reagiert, wie jetzt. Seine Gefühle konnte er nicht vor Lolitas Mutter verstecken. Mit seinen Augen hatte er noch nie so sonderlich gut lügen können. Die Art und Weise wie er sie ansah, wie sich seine Augenbrauen verzogen, ließen nur einen Schluss zu. Den, dass es ihn verletzt hatte. Nicht, weil er nicht damit klar kam, als Verbrecher zu gelten, sondern dass er die Situation, in der sie waren, nicht verstand.

Ich bin mit den Regeln der Aristokratie vertraut, Doña Catarina! Ich lebe nach ihnen seit meiner Geburt!

Die Worte lagen auf seiner Zunge wie saure Zitrone, er musste sie ausspucken, sofort!

„Hat man EUCH etwa auch den Mann ausgesucht, oder durftet Ihr Don Carlos frei wählen?“ Dass er sich damit ziemlich etwas anmaßte, wusste Zorro sehr genau, aber er hatte sich diese Frage nicht verkneifen können, weil sie ihn schon seit Ewigkeiten quälte. Nicht nur sie, sondern auch Lolita. Jedes Mal, wenn ihre Mutter ihren armen Mann zur Schnecke gemacht hatte, weil ihr wieder etwas nicht an ihm passte. Lolita liebte ihren Vater unbeschreiblich und manchmal tat er ihr einfach Leid.

Entrüstet sah Catarina den jungen Mann an und stand von ihrem Bett auf, von welchem noch die Decke zu Boden segelte. Dann ging sie mit großen Schritten an ihn heran. Im selben Moment noch, dass sie direkt vor ihm stand, zeigte sie das Temperament, was tief in ihr zu schlummern schien.

„Das geht Sie überhaupt nichts an, Señor!“ fauchte sie ihn an und ihre Hand schnellte in sein Gesicht, wo sie mit einem Klatschen landete. Die Ohrfeige hatte er sich redlich verdient, deswegen steckte er sie auch ein, ohne mit der Wimper gezuckt zu haben. Ihr Zorn verriet aber auch, dass er einen wunden Punkt bei ihr getroffen hatte.

Einen Kämpfer wie Zorro zu schlagen, das erforderte durchaus Mut. Es amüsierte ihn sogar beinahe.

„Das ist kein Grund Lolita damit zu strafen, Señora.“ Der Maskierte blieb beängstigend ruhig für den Umstand, dass eine Frau ihm ins Gesicht geschlagen hatte. Kaum einer würde sich das einfach so bieten lassen. Wirklich mitleidig sah er sie nicht an, auch wenn der Zorn der Traurigkeit wich. Sie musste todunglücklich sein.

Da stand er, dieser wunderbare Mann, den die ganze Frauenwelt zu verehren schien. Sie hatte ihn geschlagen, so kräftig, dass ihr immer noch die Hand wehtat. Doch er blieb ruhig. Sie hatte ganz andere Männer um sich herum gehabt, die sie jetzt so sehr verprügelt hätten, dass sie sich morgen früh im Spiegel nicht mehr wiedererkennen würde. In diesem besonderen Moment wusste die Doña, dass Zorro per se kein schlechter Mensch war, nur geleitet von Emotionen. Wahrscheinlich war auch das der Grund gewesen, warum er sich für die Bevölkerung eingesetzt hatte. Weil seine Gefühle ihn dazu gezwungen hatten. Er war die Art Mann, der ihr imponierte. Früher, sie hatte mutige Männer wie nichts anderes verehrt. Auch sie ließ sich gerne beschützen, das musste sie zugeben. Da war sie ganz und gar wie ihre Tochter Lolita, die einfach keinen schwächlichen Mann ernst nehmen konnte. Was war nur aus ihrem Mann geworden? Er war so mutig und tollkühn. Aber sein elender Mut und all sein tapferes Verhalten hatten ihr Vermögen schwinden lassen. Gerade wollte sie das schwache Frauenzimmer sein dürfen, was sich weinend an einen starken Mann warf, um sich trösten zu lassen. Die Erinnerung an vergangene Tage ließ ihre Augen wässerig werden. Sie warf sich nicht wirklich kräftig gegen ihn, sondern ihr Kopf lehnte sich lediglich ein wenig an die Brust des Mannes. Die Tränen rollten über ihr Gesicht wie die Sintflut nach einer Woche Dauerregen.

Es war unfair von ihr, ihm das anzutun. Er konnte doch keine Frau von sich weisen, die gerade zu weinen begann. Außerdem meldete sich sofort das schlechte Gewissen. Immerhin hatte er offensichtlich in ihren Wunden gebohrt.

In welch schrecklicher Welt leben wir eigentlich?

Um es nicht allzu sehr an sich heranzulassen, starrte er zur Decke. Um sie herum herrschte Dunkelheit und das vollkommene Nichts. Niemals hätte er geglaubt, in eine solche Situation zu geraten. Ein kaum hörbares Seufzen trat über seine Lippen. Hilfsbereit genug war er, um einer Frau einen kurzen Moment zu lassen, in dem sie sich hemmungslos an ihm ausheulte. Trotzdem war es ein sehr seltsames Gefühl. Sie hätte seine Mutter sein können. Aber sie wegschieben konnte er nicht.

Kurz haderte er mit sich, ob er ein paar aufbauende Worte sagen sollte, da er glaubte zu wissen, was der Grund für ihre Tränen gewesen war.

„Don Carlos liebt Sie von ganzem Herzen. Er würde alles für seine beiden Frauen tun, das ist doch auch schön, nicht? Es tut ihm bestimmt jeden Tag aufs Neue Leid, dass Sie so unglücklich sind. Quälen Sie ihn doch nicht immer so.“

Auch die letzten Tränen wurden mit einem kleinen Schniefen ertragen und dann sah sie an ihm hoch. Blickte in schöne blaue Augen, sah ein aufrichtiges Lächeln. Dieser Mann hatte alles, der Frauen schwach werden ließ. Trotzdem liebte er ihre Tochter und würde wohl kaum auf komische Gedanken kommen. Egal wie zuvorkommend er war, wie zärtlich er noch die allerletzte Träne aus ihrem Gesicht fischte und dann seine Hand kurz auf ihrem Kopf liegen hatte. Dabei sah er sie nicht an.

„Erwartet aber nicht zu viel Mitgefühl, immerhin habt Ihr Euch sehr gehässig gegenüber meinen Freunden verhalten. Aufrichtige Gefühle sollte man nie zerstören. So etwas existiert nicht mehr oft in dieser Welt. Nennt mich eben romantischen Träumer. Einem Banditen wie mir bleibt fast nichts anderes als Hoffnungen und Wünsche, wisst ihr?“

Obwohl seine Worte sehr undurchsichtig waren, so glaubte sie, dass die Einsamkeit aus ihnen sprach. Das tat ihr sogar fast Leid, immerhin hatte er sie von einem mächtigen Mann befreit, der sie alle gequält hatte, auch ihre Familie.

Doch anders als Zorro wusste sie nicht, was nun das Richtige gewesen wäre, um ihn aufzubauen. Am liebsten wollte sie gerade ihn aus der Einsamkeit befreien, aber auch sie hatte so etwas wie Ehre im Leib und wusste, dass so etwas sich nicht gehörte. Außerdem war es nicht wahr, dass sie ihren Mann nicht liebte. Das tat sie durchaus, aber glücklich waren sie schon lang nicht mehr.

Zorro wartete nur den Moment ab, dass die Doña sich beruhigt hatte, um sie ganz vorsichtig von seiner Brust zu schieben.

Große Emotionen hin oder her, er hatte sein Ziel und so konnte er leider keine Rücksicht auf sie nehmen.

„Eines noch, Señora Pulido“, setzte er zu einem weiteren Satz an, inmitten welchem er seinen Zeigefinger unter ihr Kinn legte, was auch schon als äußerst ungeniert galt. „Sie ist Ihre Tochter, und ich werde sie Ihnen gewissenlos wegnehmen, sollten Sie nicht richtig stellen, was Sie von mir Ihrem Gatten aufgetischt haben! Außerdem akzeptieren Sie Ihre Entscheidungen. Sie ist ein eigenständiger Mensch, der frei entscheiden kann, wie jeder andere Mensch auch. Wir sind hier nicht mehr im Mittelalter! Haben Sie das verstanden? Sollten Sie diese Bitte ausschlagen, ich schwöre… Ich steige zu Lolita ins Zimmer und entführe sie, um zu verhindern, dass sie diesen Mistkerl heiratet! Mein Wort darauf! Ich lasse nicht zu, dass sie leiden muss, so wie ich viele Damen in Spanien leiden sah!“ Einer Mutter die Tochter wegnehmen zu wollen, war wirklich niederträchtig. Das war ihm bewusst, aber er sah leider keine andere Möglichkeit.

Zorro beliebte nicht zu scherzen. Das sah man ihm an, trotzdem war er unverschämt, sie so zu erpressen. Nichtsdestotrotz war er ein Ehrenmann vom Scheitel bis zu der Fußsohle.

Sollte sie sich wirklich geschlagen geben und nachgeben?

 

 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Na, hat es euch gefallen? Ich hoffe doch. Die Szene zwischen Catarina und Zorro liebe ich wirklich ^^ Ihr auch? :p Komplett anzeigen

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