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Mondschein

von

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Die Wahl

Dir ist bewusst, dass der heutige Tag über Leben und Tod entscheiden kann. Auch über dein Leben. Den gescheiterten Angriff auf dich wird das Biest nicht so einfach hinnehmen.

Jetzt bist du hier auf dem Stein. Auf dem Marktplatz. Mit deinem leeren Zettel in der Hand. Langsam schaust du dich um und bemerkst, dass alle Blicke auf dich gerichtet sind. Nervös schaust du auf den Boden. Der heftige Regen von letzter Nacht hat große Pfützen hinterlassen. Jede weitere stürmische Nacht wird dich an die Letzte erinnern. Du betrachtest deine Wunden an deinem ganzen Körper. Dein linkes Bein sieht gar nicht gut aus. Als du aufgewacht bist, hast du es gar nicht mehr gespürt. Dein restlicher Körper ist mit Bisswunden von der Bestie übersät.

Sie werden nie vollständig heilen. Die Narben werden dich für dein Leben lang zeichnen.

Jetzt weißt du es, wer das Dorf anführen soll. Du kennst diese Person sehr gut. Es ist der Sohn des Nachbarbauern. Er half hier und da bei deinen Arbeiten, obwohl er selbst Aufgaben hatte. Du hast ihn als Mann für deine Tochter gesehen, wolltest dies vor einer endgültigen Entscheidung aber noch überdenken. Du vertraust ihm am meisten und traust ihm auch zu, dass er die Herausforderung meistern kann. Hastig schreibst du den Namen auf den Zettel und lässt ihn die Urne fallen.

Schnell wird die Urne weitergereicht, doch die Blicke ruhen auf dir. Als ob sie deine Entscheidung wissen und bereits über dich urteilen.

Eine gefühlte Ewigkeit dauert die Wahl. Wie zu erwarten erhalten ausschließlich Männer Stimmen, welche sich nach jeder weiteren brüsten und ihre Pläne laut verkünden, als hätten sie die Wahl bereits gewonnen. Du betrachtest dies als lächerlich. Man bekommt die Bestie nicht, indem man eine Show macht. Die Taten sind es, die zählen. Nicht das Volumen der Klappe.

Viel interessanter zu beobachten sind dabei die Frauen, die im Gegensatz zu den Männern bei jeder Stimme ihren Männern um den Hals fallen, als sei das letzte Mal, dass sie ihn vor sich haben. Die Meisten brechen in Tränen aus. Das zieht die Auswertung der Stimmen in die Länge, weil der Verantwortliche auf dem Podest immer wieder um Ruhe beten muss und darauf aufmerksam macht, dass es um Leben und Tod gehe.

Nach einer gefühlten Ewigkeit steht es fest.

Tasui soll der Anführer sein.

Alle jubeln und gratulieren ihm zu der Wahl. Alle nur du nicht. Du weißt nicht, ob du dich freuen sollst oder nicht. Es könnte das Todesurteil für ihn sein. Bei Misserfolg hat er nicht nur die Bestie gegen sich. Die Dorfbewohner, die jetzt um ihn herum stehen und beglückwünschen, werden eines Tages ihm die Schuld für weitere Angriffe geben.

Er ist ein Sündenbock, kein heroischer Anführer.

Insgeheim freust du dich, dass der Sohn des Nachbarbauern nicht gewählt wurde, denn er hat sein ganzes Leben noch vor sich. Er hat neben deine noch zwei Stimmen bekommen, wodurch er am wenigsten erhielt.

Tasui wird förmlich nach vorne auf den Podest gedrängt. Er hält eine kurze Rede, dass sie die Bestien unter seine Führung schnappen und gerecht bestrafen werden. Alle applaudieren fröhlich.

"Die Worte, die man von ihm erwartet", denkst du dir.

Du gibst ihm zwei Tage. Spätestens dann wird man von ihm Ergebnisse fordern. Mit einem gemischten Blick schaust du seinen Freunden zu, die Tasui beglückwünschen. Sie umarmen ihn und klopfen auf seine Schulter und beteuern, dass jeder gerne die Aufgabe übernommen hätte. Doch erkennst du nur ihr Lächeln, das schreiend verkündet, dass sie froh sind, vorerst aus der Sache raus zu sein. Aber nur du scheinst, diesen Schrei wahrzunehmen.

An dem Abend soll zu Ehren Tasuis Ernennung eine Feier stattfinden. Du gehst nicht hin. Du seiest zu schwach, sagst du, als man dich einlädt. Den wahren Grund behältst du für dich.

So kommst du schnell mit der Hilfe des Mannes wieder bei dir an im Bett an. Er wünscht dir gute Besserung und verlässt das Haus. Du bist froh endlich Ruhe zu haben. Vor den glotzenden Menschen. Sie waren dir zu viel für heute. Ihre Art strengt dich mehr an, als deine Wunden.

In dem Moment hörst du deine Tochter im Haus arbeiten. Du hast ein ganz schlechtes Gewissen, dass sie alles alleine machen muss. Hoffentlich kommt der Nachbarsjunge zum Aushelfen vorbei. Bei der Gelegenheit würdest du ihn auch fragen, ob der deine Tochter heiraten würde. Du hast entschieden, dass er der Beste für sie ist und sie mag ihn auch sehr.

Dann ist das wenigstens noch vor deinem Tod erledigt. Seufzend blickst du zu dem Fenster und du schaust zu, wie das Licht der Sonne immer und immer weniger wird. Jetzt steht der Vollmond wieder in seiner ganzen Pracht hoch am Himmel.



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