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The Gates of Salem

Astron
von

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Der Fremde

Alle Schüler stehen mit ihren Eltern vor ihren eigenen Aufsätzen und Stammbäumen. Diese lassen sie von Freunden, anderen Schülern, Eltern und Gästen ausgiebig bewundern.

Es herrscht eine sehr ausgelassene Stimmung.

Wer hier nicht die Stammbäume Wildfremder angafft, der glotzt die Schülerprojekte aus den anderen Fächern an. Modellvulkane, Stillleben, Gedichte. Selbst für die Grottigsten gibt es Lob.

Es herrscht eine sehr ausgelassene Stimmung.

Und wer auch dies nicht tut, der knabbert ein paar Chips, Käsespieße, Cupcakes. Oder lässt sich mit alkoholfreiem Früchtepunsch volllaufen.

Es herrscht eine sehr ausgelassene Stimmung.

Nur bei Lilith nicht.

Sie steht neben ihren Eltern und schielt schmollend zu dem halbleeren Stammbaum und dem kurz geratenen Aufsatz rüber.

„Ich finde, unser Stammbaum sieht schön aus. Weniger ist doch mehr“, verschlimmert Mom die schon versaute Situation.

„Ja“, nimmt Lilith zu Kenntnis. „Schön, dass er nicht randvoll mit irgendwelchen Familienmitgliedern ist, von denen ich nichts wissen darf.“

Schnell verlässt sie die Halle. Das Gelache der Gäste und die vorherigen Sticheleien einiger Mitschüler gehen und gingen ihr so auf dem Keks.

Es ist frisch draußen. Irgendwie war es doch eine gute Idee gewesen, sich die dicke dunkelbraune Filzjacke überzuziehen statt die schwarze aus Leder, mit der sie heute in die Schule ging. Wobei die Filzjacke so gar nicht zu dem an den Seiten ausgeschnittenen schwarzen Rock, der schwarzen Strumpfhose mit den weißen Kreuzen und den klobigen schwarzen Stiefeln passt.

Doch das ist ihr geringstes Problem.

Ich wünschte, sie wären nicht meine Eltern. Vielleicht sind sie das auch nicht..., denkt sie sich. Dann bleibt sie stehen.

Überrascht sieht sie in einiger Entfernung einen fremden Mann mit Narben im Gesicht und langen, grauen Haaren. Unbeweglich lehnt er sich an dem hohen Maschendrahtzaun des Sportplatzes. Er trägt einen langen hellen Mantel und einen Hut wie die Detektive in den alten Krimifilmen.

Sie weiß nicht woher, aber dieser Mann kommt ihr auf unheimliche Weise bekannt vor. Und geradewegs auf sie zu.

Dicht vor ihr bleibt er stehen und spricht mit rauer, ruhiger Stimme:

„Was für ein fröhliches Fest ihr hier veranstaltet. Aber du siehst traurig aus. Hast du dich mit jemanden gestritten?“

Lilith hat eigentlich kein Problem, mit wildfremden Menschen zu reden.

Doch auch wenn der Mann etwas Vertrauenswürdiges an sich zu haben scheint, dieses Gefühl beunruhigt sie.

„Meine Eltern verschweigen mir vieles, was dem Rest meiner Familie angeht. Sie reden so gut wie nie über unsere Verwandten. Sie machen daraus so ein Geheimnis, dass ich manchmal denke, dass sie nicht meine Eltern sind und ich wirklich keine Familie habe“, rückt sie schließlich mit der Sprache raus.

„Das sind sie auch nicht, Prinzessin. Sie haben Sie all die Jahre über Ihre Identität und Herkunft belogen“, erklärt ihr der Mann.

Lilith ist jetzt ganz verwirrt.

„Wovon sprechen Sie überhaupt? Warum nennen Sie mich Prinzessin? Woher wollen Sie wissen, dass...“

„Ich bin gekommen, um Sie zurück nach Hause, Ihrer Welt zu holen. In Astron werden Sie von Ihrem Bruder und Ihrem Volk vermisst. Sie sind ihre Prinzessin“, antwortet er und reicht ihr seine knorrige Hand entgegen.

„Hä!? Wohin?! Was meinen Sie denn mit nach Hause? Ich habe einen Bruder? Ich bin eine echte Prinzessin? Wer zur Hölle sind Sie überhaupt?“, fragt Lilith atemlos, mit dem Gefühl, den Verstand zu verlieren.

„Kastor! Was machst du hier?“

Der überraschende Schrei ihrer Mutter hat für ihn geantwortet.

Nun ruft auch Emily mit aufrüttelnder Stimme nach ihr:

„Lilith! Alles okay?“

„Frechheit! Ihr Gören solltet euch vor Prinzessin Lysbette niederknien“, erregt sich der verrückte Mann.

„Und wir sollten die Prinzessin beschützen. Danke, dass Sie sie für uns gefunden haben, Mister“, dringt Maja in das Geschehen ein.

Die Nächste mit einer verrückten Prinzessinnen-Story!

„Ein Pech, dass ihr eure Kräfte noch nicht kontrollieren könnt! Ich hätte euch so gern das Handwerk gelegt.“ Mit diesen Worten verschwindet dieser „Kastor“ in eine Nebelschwade.

Verdattert schaut ihn Lilith hinterher. Dann dreht sie sich hastig um, brabbelt:

„Wer war das? Habt ihr verstanden, was der da gesagt hat? Und was Maja gesagt hat? Ich will nach Hause!“ Und zwar Dalli! Ihr wird sonst alles viel zu viel.

„Keine Panik! Ich begleite dich!“, tröstet Emily. Dafür liebt sie ihre aller-allerbeste Freundin. Sie weiß immer, wie man sie beruhigt, wann immer sie zu hyperventilieren droht.

Da führt Emily sie zum Schultor. Bleibt noch kurz stehen, um ihren Eltern zuzurufen:

„Sagen Sie meiner Mutter, dass ich und Lilith nach Hause gehen!“
 

...
 

„Meine Eltern kannten den Mann. Kanntet ihr ihn auch?“, fragt Lilith auf dem Heimweg durch die leeren Straßen.

Emily sieht es ihr an, dass ihr jetzt tausend unbeantwortbare Fragen durch den Kopf schwirren.

Immerhin waren das die ersten Worte, die Lilith während des Weges überhaupt ausgesprochen hatte.

„Nein, warum?“, widerspricht Emily zaghaft. Wie doof sie sich nun fühlt, weil sie eine Frage mit einer Frage zu beantworten versucht hat.

„Weil… Maja was von Beschützen sagte.“

„Ja, vor kauzigen Männern mit Narben und grauen Haaren“, lacht sie.

Wie gern sie selbat wüsste, wer dieser komische Mann war, der ihre Freundin anquatschte. Wohl nicht dieser ausgebrochene Exhibitionist, von dem sie vor einigen Tagen in der Zeitung gelesen hatte. Aber der hieß nicht Kastor. Und dieser Kastor sah auch nicht aus wie auf dem Fahndungsfoto.

„Richtig…“, kichert Lilith gekünstelt. „Ich war nur auf meine Eltern sauer, weil sie außer den Bildern von uns dreien keine anderen aufgeklebt hatten. Nie haben sie mir etwas von unseren Verwandten erzählt. Sie machen immer ein Geheimnis daraus. Ich musste sogar in dem Aufsatz schreiben, dass Mom und Dad im Heim oder bei Pflegeeltern aufwuchsen!“

Emily sieht sie betroffen an. Fragt:

„Aber warum hast das in deinem Aufsatz reingeschrieben? Haben deine Eltern es gelesen?“

„Nein... Ich musste etwas schreiben! Aber auf deinem Stammbaum fehlten das Foto deines Vaters und die seiner Verwandten. Ich wette, du hast nichts über ihn in deinem Aufsatz hingeschrieben. Weißt du wirklich überhaupt nichts über ihn? Und deine Mutter? Hast du jemals nach deinem Vater gefragt?“

Emily schluckt, und grübelt. Sie hat so oft nach ihrem Vater gefragt. Und nie eine Antwort erhalten. Oft wich Mama solchen Fragen aus. Eine Zeit lang, als Emily in den Kindergarten ging, wurde Mama sogar wütend.

Was nun? Sie will ihre beste Freundin nicht anlügen.

„Ich habe allen Anschein nach keinen Vater. Er ist wahrscheinlich vor meiner Geburt abgehauen. Meine Mutter hat mir nie etwas von ihn erzählt, geschweige denn ihn mir beschrieben. Und es gibt auch nichts von ihn“, murmelt sie schließlich.

„Dann kennst du auch die Familie deines Vaters nicht. So wie ich den Rest meiner Familie nicht kenne“, stellt Lilith fest.

„Richtig. Ich denke, sie hätten sich auch nicht sonderlich für mich interessiert. Vielleicht wissen sie nicht einmal, das es mich gibt.“

„Kann sein.“ Lilith schaut nachdenklich und betrübt um sich. „Als ich mir den Mann ansah, habe ich wirklich geglaubt, dass ich ihn schon mal gesehen habe. Ich weiß nicht, warum ich dieses Gefühl hatte. Aber es war echt so, als würde ich ihn kennen.“

Emily sieht sie bedauernd an.

„Das kann passieren. Durchaus…“, bringt sie nachdenklich hervor.

„Und willst du noch was wissen?“, setzt Lilith fort. „Er könnte in seiner Jugend so ausgesehen haben wie du.“

Emily bleibt mitten in ihrer Bewegung stehen. Schaut sie fremd an.

„Echt! Ich kann aus Gesichtern älterer Menschen ihr früheres Aussehen ablesen. Seine Haare hatten den selben Braunton mit den grünen Spitzen wie du gehabt. Du bist überrascht, oder? Es gibt Geheimnisse, die man nicht mal der besten Freundin anvertraut.“

Endlich erreichen sie Liliths Haus.

In dieser sternenklaren Nacht wirkt die Abour Avenue komischerweise weniger gruselig, als sie bei Tag ist.

„Vergessen wir das einfach. Tschüss!“, verabschiedet sich Emily und tritt den Weg zurück zur Schule an.

„Bis Morgen…“, erwidert Lilith hinter ihrem Rücken. Darauf folgt das Geräusch der sich schließenden Haustür.
 

Er hat es nicht geschafft, die Prinzessin vor den Augen der Hüter nach Astron zu entführen. Aber er hat noch Plan B.

Für alles hat er einen Plan B. Doch mit diesem wird er einen großen Coup landen. Die unreifen Hüter bloßstellen. Und den Auftrag erfüllen. Ohne dass jemand Verdacht schöpft.

Lange genug hat er darauf gewartet, dass die Kleine verschwindet. Nun tritt er aus dem Dunkel des Friedhofs. Das Tor öffnet sich durch seinen Willen. Und mit diesem schließt er es wieder. Ohne dass jemand Verdacht schöpft.

Die Straße ist leer. Alles Leben ist dem Dunkel der Nacht gewichen in die Sicherheit der hell beleuchteten Zimmer.

Nach der Straße betritt er das Grundstück. Ohne dass jemand Verdacht schöpft.

Die Stufen knarzen unter seinen Sohlen, aber das bereitet ihn keine Sorgen. Vor der Tür dreht er sich ein letztes Mal um. Alles ruhig, tot.

Zurück zur Tür. Er berührt den Knopf, die auf der Erde als Klingel dient. Drückt. Das feine Schellen hallt durch das Haus. Niemand, außer die Prinzessin und er, hört es.

Schritte nähern sich von innen der Tür. Ohne dass jemand Verdacht schöpft.



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