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Cry of the Spirits: The Forgotten Night

von

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Kapitel 6

Kapitel 6

Das eigene Leid
 

Eine lange Zeit lag Evan einfach nur auf dem Boden und starrte in den Nachthimmel. Die Wolken hatten sich schon fast komplett verzogen. Dennoch waren die Sterne nicht zu erkennen. Allgemein lag eine Art schleierhafter Nebel in der Luft, durch den das Mondlicht unheimlich und bedrohlich aussah. Es war dieser Moment, als ihm klar wurde, dass er das Dorf vielleicht nie wieder verlassen würde. Allerdings musste das auch bedeuten, dass Kenta und Chiko ebenfalls wieder hier waren. Dieser Gedanke ließ ihn hochschnellen. Immerhin die beiden musste er finden, wenn er schon keine Ahnung hatte, wie sie entkommen konnten. Er richtete sich auf und klopfte ein wenig den Dreck von seinen Klamotten. Erst jetzt bemerkte er, dass jemand neben ihn saß und ihn beobachtet hatte.

„Miles? Verdammt nochmal, wo bist du gewesen?“, fragte Evan überrascht. Das Gesicht seines Freundes zu sehen löste in ihn ein so erleichterndes Gefühl aus, dass er hätte heulen können.

„Ich war…irgendwo“, antwortete Miles, als wäre nichts gewesen.

„Jetzt reicht es. Chiko und Kenta sind auch hier. Wir alle suchen dich schon seit Ewigkeiten. Sind dafür durch die Hölle gegangen. Falls du es nämlich wissen willst, hier spukt es wirklich. Und die Geister sind alles andere als begeistert, dass wir hier sind. Oh, ach ja, bevor ich es vergesse. Sie werden uns auch nicht gehen lassen. Ich hab in dem großen Haus dort oben einen Brief gefunden. In diesem wird ein gewisser Chad Wilson erwähnt. Ich bin nicht gleich draufgekommen, aber dann ist es mir wieder eingefallen, mein werter Freund Miles Wilson. Der Junge aus dem Brief ist dein Vater, hab ich nicht Recht?“, brach es aus Evan heraus. Ihm war klar, dass Miles mehr wusste, als er zugab. Besonders da seine Familie aus diesem Dorf zu stammen schien.

„Okay, ja. Du hast Recht. Mein Vater hat hier gelebt, bis er fünf Jahre alt war. Und ich weiß auch, dass es hier spukt“, gab Miles kleinlaut zu.

„Dann jetzt raus mit der Sprache. Was ist hier los?“

„Ich kann dir nur sagen was ich weiß. Die Leute hier hatten damals so eine seltsame Religion, die wohl auf irgendwie entfernt auf den Buddhismus basiert. Jedenfalls war ein bestimmtes Ritual immer der religiöse Höhepunkt einer Generation. Es auserwähltes Kind, das immer der erstgeborene Junge einer Familie war, sollte geopfert werden. Geopfert an irgendeine höhere Macht. Und irgendwann war mein Vater dieses auserwählte Kind. Zu dem Ritual ist es dann aber nicht gekommen, was zu dem allem hier geführt hat. Sie nannten es die Nacht des Vergessens. Ein Ereignis, bei dem sich diese höhere Macht die Erinnerungen der Bewohner hier geholt hat, wodurch sie durchgedreht sind und sich gegenseitig umgebracht haben. Das war aber noch nicht Strafe genug. Anscheinend sind sie bis in alle Ewigkeit dazu verdammt, hier herumzuspuken und keine Ruhe zu finden. Ich glaube mal dass die Geister erst recht deswegen ziemlich angepisst sind. Mehr weiß ich auch nicht, okay?“, erzählte Miles.

„Auf der einen Seite macht das ja irgendwie Sinn, aber auf der anderen hört es sich aber auch nach ziemlichem Schwachsinn an. Wie auch immer. Wir müssen jetzt erst einmal Chiko und Kenta finden.“

„Es tut mir wirklich leid, dass ich euch alle da mit reingezogen hab. Aber bitte, du musst mir einen Gefallen tun, Evan.“

„Und der wäre? Irgendwo im Haus meiner Großeltern befindet sich etwas sehr wichtiges. Hol es und bring es mir. Du musst es einfach tun.“

„Und was genau?“

„Du wirst es schon wissen. Wenn du es hast, triff mich im Schrein des Erblühens, dort wo das Ritual stattfand. Ich spüre wie er mich ruft“, sagte Miles, der danach aufstand und einfach wieder wegging.

„Oh nein, du verschwindest jetzt nicht wieder einfach so“, rief Evan ihm hinterher.

Er folgte ihm und griff nach seiner Schulter. Als er ihn berührte, überkam ihn ein Gefühl, als würde ihn ein LKW mit voller Geschwindigkeit treffen. Gefolgt von einer kurzen Orientierungslosigkeit. Ehe er sich versah, saß er Zuhause auf seinem Bett. Durch das Fenster schien die untergehende Abendsonne herein, die alles in ein angenehmes rotes Licht tauchte. War das jetzt alles doch nur ein Traum? Nein, irgendwas war anders. Er schaute sich um. Die Einrichtung entsprach so gar nicht seinem eigentlichen Zimmer, obwohl es das war. Jetzt erinnerte er sich. So sah es aus, als er noch ein Kind war. Der PC und Fernseher fehlten. Dafür lagen überall Spielsachen verstreut herum. Selbst die Bettdecke war die von damals, die blaue mit den Rennautos darauf. Er stand auf. Es war ein seltsames Gefühl wieder so klein zu sein. Doch fast sehnte er sich an diese alten Tage der Unschuld zurück, so ganz ohne Probleme. Solange, bis ihn eine andere Sache wieder einfiel. Etwas, das er verdrängt und fast schon vergessen hatte. Passend dazu kam es auch wie erwartet. Einen Raum weiter hörte er das Geschrei eines Babys losgehen.

„Nein. Tut mir das nicht an…bitte“, sagte er leise, während ihm die Tränen in die Augen stiegen. So verließ er sein Zimmer und ging in den Raum nebenan. Es war klein, aber entsprechend eingerichtet. Unter dem Fenster stand ein niedriges, weißes Regal, das auch als Wickelliege diente. Daneben ein weißer Sessel, den Evan sehr bequem in Erinnerung hatte. Gegenüber ein Bett für Kleinkinder mit einem Gitter aus Plastik drumherum. Desweiteren war der Raum mit einem flauschigen Teppich geschmückt, ein weiteres Regal befand sich neben der Tür und eine Stoffkiste voll mit Spielsachen für Babys darin. Diese Einrichtung hatte er zuletzt vor zehn Jahren gesehen.

Das Babygeschrei hörte nicht auf, obwohl eindeutig niemand in dem Bett lag.

„Ich habs verstanden. Ihr wollt mich quälen. Jetzt hört damit auf. Denn ich habe genug. Habt ihr mich verstanden? Ich habe genug!“, fing Evan an zu schreien. Doch das Heulen des Kindes hörte nicht auf. Im Gegenteil, es wurde noch lauter. Even setzte sich auf den Boden, während die Tränen schon an seinen Wangen herunterflossen.

„Was wollt ihr denn von mir?“, sagte er schluchzend.

„Mal abgesehen, dass ich genau das hier wochenlang jede Nacht durchmachen musste. Glaubt ihr nicht, dass ich schon genug unter seinen Tod gelitten habe? Dass ich mir nicht lange genug die Schuld dafür gegeben hab? Die monatelange Therapie, gegen diese Schuldgefühle haben wohl auch nicht gereicht was? Das wollt ihr, nicht wahr? Dass ich zerbreche, ich mich umbringe und genauso wie ihr auf ewig keine Ruhe finde. Vergesst es. Nicht mit mir“, sagte er, während er sich die Tränen abwischte, aufstand und zum Bett ging. Darin lag wie erwartet ein grüner Teddybär, den Evan seinem kleinen Bruder damals geschenkt hatte. Er nahm diesen, verließ das aus und rannte los. Zwar hatte er noch einen weiten Weg vor sich, aber irgendwie glaubte er sowieso nicht, dass das alles hier real war. Obwohl es sich täuschend echt alles anfühlte. Es störte ihn dabei nicht mehr, dass es finstere Nacht geworden ist. Dass ein immer dichter werdender Nebel aufzog und dadurch die Straßenlaternen die einzige Lichtquelle waren. Genauso wie die klirrende Kälte, die ihn umhüllte wie ein Anzug aus Eis. Seine schnellen Schritte hallten wie Kriegslärm durch die Straßen. Aber wer sollte sich schon beschweren.

So rannte er durch unzählige Straßen, bis er sein Ziel erreichte. Vor einem großen, schwarzen Tor stand. Glücklicherweise war dies nicht verschlossen. Mit einem lauten Quietschen öffnete er es. Der örtliche Friedhof. Zahlreiche Reihen von Gräbern, die von Angehörigen hübsch hergerichtet und gepflegt wurden. Es sollte ihm wohl Angst machen, dass ihn die Geister der hier beerdigten Leute über ihre Gräber schwebten und ihn beobachteten. Aber dafür hatte er in dieser Nacht schon schlimmeres erlebt. Weit hinten erreichte er dann sein Ziel. Ein kleiner Grabstein aus schwarzem Marmor.

Shawn Dalton

Geboren 16.04.2006 – gestorben 01.08.2006

„Ich wäre gern dein großer Bruder gewesen. Hätte dir Dinge beigebracht, hätte dich beschützt wenn etwas gewesen wäre. Aber es sollte wohl einfach nicht so sein. Es tut mir leid“, sagte Evan, während er sich hinkniete und den Teddy auf das Grab legte. Das permanente Babygeschrei verstummte daraufhin. Und eher er sich versah, stand er wieder in Guilswell, dort wo er sich auf vorher befand. Doch Miles war wieder einmal verschwunden. Zwar hatte er ihn darum gebeten etwas zu finden, aber Evan hielt es erst einmal für wichtiger Chiko und Kenta zu finden.



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