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Illuminated

Harry/Hermine
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich versuche tatsächlich mehr aus dieser Geschichte zu machen als einen OS. Ich hoffe wirklich, ich kriege das hin, denn ich bin wirklich kein begnadeter Schreiber, wenn es um Liebe geht. Gebt mir sehr gerne euren Input, eure Tipps und Ideen, wenn ihr den Eindruck habt, dass die Gefühle und Intentionen der Charakter nicht richtig rüberkommen. Ich hoffe, euch gefällt mein neues Kapitel. Es ist kurz, aber da die Geschichte Zeitsprünge hat, passt es so doch am besten, denke ich.
Wie lange die Geschichte wird, kann ich leider so gar nicht sagen, aber ich denke nicht, dass sie sehr lang wird. Komplett anzeigen

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Illuminated

Mit einem lauten Knall zerplatzt eine Rakete im pechschwarzen Himmel und blüht wie eine rote Rose auf. Weit verteilen sich ihre Funken im Nachthimmel und verglühen allmählich wieder, ehe die nächste Rakete ihrem Beispiel folgt.

Harry setzt sich draußen auf der Veranda neben Hermine und stellt sein Sektglas auf dem kleinen, wackeligen Tisch ab. „Kannst du glauben, dass es schon zwei Jahre her ist, Hermine?“, fragt Harry seine beste Freundin und nimmt sich einen Stuhl der neben dem ihrigen steht.

Hermine Granger zwirbelt eine ihrer braunen Locken um ihren Zeigefinger und schaut dem Feuerwerk am Nachthimmel zu. Sie wendet ihren Kopf Harry zu und runzelt leicht die Stirn. „Die Zeit ist so unglaublich schnell vergangen …“

„Ja, total. Manchmal wache ich morgens auf und das erste, woran ich denke ist: Ich muss unbedingt den letzten Horkrux finden!“ Harry fährt sich mit seiner Hand übers Gesicht ehe er leise über sich selbst lacht.

Hermine, allerdings sieht ihm ernst ins Gesicht und legt ihre Hand auf Harrys Arm. „Hast du noch viele Albträume?“, will sie sofort wissen.

Harry drückt ihre Hand freundschaftlich und schüttelt leicht den Kopf. „Sie werden immer weniger, mach dir keine Sorgen. Wir haben doch alle Albträume.“

Der bunte Funkenregen der Raketen, Kracher und Fontänen spiegeln sich verzerrt in Hermines Glas, das sie noch immer vergessen in ihrer Hand hält.

Harry schweigt eine Weile, Hermine mustert ihn nachdenklich. Er muss etwas loswerden, etwas, das er noch nicht einmal Ron erzählt hat, weil es so plötzlich gekommen war. Harry weiß nicht so recht, wie er mit dem, was erst vor kurzem geschehen ist, umgehen soll. Es fühlt sich wie ein fester Knoten in seiner Brust an, der ihm das Atmen, Denken und Fühlen schwer macht.

„Harry?“ Hermine errät immer, wann ihrem besten Freund etwas auf dem Herzen liegt, worüber er reden will. Ihr entgeht nie, wenn ihn etwas bewegt oder mitnimmt, selbst dann nicht, wenn Harry sich große Mühe gibt es niemanden zu zeigen.

Harry räuspert sich und trinkt seinen Sekt aus, ehe er anfängt zu sprechen. „Ginny und ich … Also, wir …“

„Ihr habt euch getrennt, oder?“ Hermine sieht Harry traurig an und drückt seinen Arm sanft.

Harry nickt und starrt in den von Farben und Rauch überladenen Himmel.

„Kommst du zurecht?“

Harry öffnet seinen Mund um zu antworten, blickt zu Hermine zurück und braucht einige Sekunden, ehe er die richtigen Worte findet. „Wir hatten keinen … Streit. Es war einfach … Ich kam nach Hause und … und sie sagte, dass wir …“

Hermine nickt langsam. „Die Zeit verändert uns.“

„Sie sagte, sie hat wen kennengelernt.“ Harry ringt mit seinen Händen und starrt das Holz der Veranda unter seinen Füßen an. „Wahrscheinlich in diesem vermaledeiten Quidditch-Team in dem sie ist. Sie sagte, dass sie vielleicht … kurz eine Auszeit machen will. Ich stand einfach nur da, ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte. Gestern war noch alles in Ordnung und auf einmal …!“

Harry schaut Hermine eindringlich ins Gesicht, ihre dunkelbraunen Augen blicken mitfühlend in seine hellgrünen.

„Ich sagte: „Okay, dann geh.“ Und sie ist gegangen! Ich hätte nie … niemals gedacht, dass sie wirklich …!“

Hermine schiebt ihren Stuhl dicht neben den von Harry und legt ihren Arm fest um seine Schulter. Harry lehnt seine Stirn gegen ihre. „Ich wusste in dem Moment nicht, was ich sagen sollte, ich war …“

„… Überrumpelt. Das macht dich aus, wenn etwas Unerwartetes passiert. Dass du es einfach akzeptierst und später erst …“

„Ich dachte, Ginny würde mich kennen! Wissen, dass ich so reagiere! Aber in dem Moment, als sie aus der Tür raus ist und mich so angesehen hat, da war mir plötzlich klar, dass sie gedacht hat, dass ich anders reagieren würde. Ich dachte, sie würde mich kennen! Na ja, ich hab ja auch gedacht, dass ich sie kennen würde, also …“

Harry legt seinen Arm ebenfalls um Hermines Schultern, eng aneinander gedrängt sitzen die beiden, dick eingepackt in gefütterten Jacken da.

Das ist es, was Harry die letzten Wochen so gefehlt hat. Mit jemanden reden zu können, der ihn einfach kennt, dem er nichts mehr groß erklären muss, der seine Gedanken und Gefühle errät, seine Vergangenheit miterlebt und sogar mitgeformt hat. Jemand, der weiß wer er war, wer er jetzt ist und wer er in Zukunft sein würde.

„Harry, erinnerst du dich, als wir einige Zeit auf uns allein gestellt war? Als Ron weggelaufen ist, wegen diesem Ding“, fragt Hermine leise.

Harry nickt kaum merklich, bläst eine Locke von Hermines dichtem Haar fort, die ihm sanft an der Nase kitzelt.

„Wir haben zusammen gearbeitet, obwohl es total schwer war. Ich lag nachts fast dauernd wach und wusste oft einfach nicht mehr weiter und du auch nicht … Und dann gab es diese Momente, in denen wir dasselbe dachten, der Lösung nahe waren … Verstehst du, was ich meine?“

Harry lehnt sich ein Stück wieder zurück, um Hermine in die Augen sehen zu können. „Wir waren ein echt gutes Team, was?“ Er lächelt bei dieser Erinnerung, an dieses Gefühl von Triumph, wenn er und Hermine des Rätsels Lösung so nahe waren.

„Es ist nur so … Dass ich das mit Ron noch nie hatte. Auch jetzt nicht. Wir wohnen zusammen und ich hab das Gefühl, ihm ständig alles erklären zu müssen. Immer. Egal, worum es geht. Es ist nicht so, dass ich ihn ansehe und er weiß, was ich möchte …“ Hermine stockt, scheint nicht weiter zu wissen und lehnt sich seufzend in ihrem Stuhl zurück.

„Du bist einfach zu schnell für Ron“, stellt Harry trocken fest.

Für einen kurzen Moment herrscht Stillschweigen, ehe die beiden in leises Gelächter ausbrechen und sich erst wenige Minuten später wieder einkriegen.

„Ich denke darüber nach …“

Hermine sieht Harry zögerlich an, beißt sich auf ihre Unterlippe. Harry begreift, kann verstehen, warum Hermine das möchte, aber warum sie es noch nicht getan hat.

„Du willst Ron verlassen.“

Hermine hebt eine Hand, fährt mit ihr durch die Luft und starrt in die Ferne. Wie kann man das am besten erklären? „Es ist nicht so, dass ich ihn nicht liebe, aber … Es fühlt sich nicht …“

„… Vollständig an. Es fehlt immer was“, beendet Harry ihren Satz, weil er dieses Gefühl ebenfalls kennt.

Immer, wenn Ginny und er einen Disput hatten fühlte Harry, dass Ginny ihn einfach nicht verstand und er sie nicht und dieses Gefühl spaltete, brachte eine Distanz mit sich, die Harry nie für möglich gehalten hätte.

„Ich … hab das Gefühl, keine richtige Entscheidung treffen zu können“, sagt Hermine, schluckt schwer und lehnt ihren Kopf wieder an Harrys.

Harry seufzt leise, er versteht sie nur zu gut. „Ich auch nicht. Ich will Ginny zurück, aber was ist, wenn sie mit diesem anderen Typen viel besser klar kommt?“

„Du musst mit ihr reden, Harry.“

„Ach, aber du mit Ron nicht, oder was?“

„Na ja, Ron versteht ja nichts …“

Harry sieht Hermine mit hochgezogenen Augenbrauen an, ehe sie beide losprusten.

„Was für ein Glück für dich, Hermine.“

Hermine lacht und schlägt mit ihrer Hand auf Harrys Schulter, bevor sie sich beruhigen und Hermine wieder ernst wird. „Wir müssen mit ihnen reden“, sagt sie schließlich und blickt auf ihre ineinander verschlungenen Finger.

„Ich weiß nicht, was ich zu Ginny sagen soll.“

„Das was du fühlst. Dass du sie liebst, dass du gar nicht willst, dass sie geht, dass es dir nicht egal ist, wenn sie einfach verschwindet.“

Harry nickte. „Ja, das fasst es gut zusammen. Könntest du nicht für mich …?“

„Ich bin nicht mit ihr zusammen!“ Hermine haut Harry noch einmal auf die Schulter und lächelt amüsiert.

Harry lacht, schüttelt den Kopf und streckt die Beine aus. „Irgendwie kann ich nicht mehr ernst bleiben.“

„Was soll ich zu Ron sagen?“ Hermine sieht Harry verzweifelt an, Harry schweigt für einen kurzen Moment.

„Dass du ihn liebst … Aber es viel besser funktioniert hat, als ihr noch beste Freunde wart und kein Paar.“

„Das fasst es auch ganz gut zusammen …“

Hermine und Harry sitzen wieder aneinander gelehnt da und blicken in den Himmel, schauen dem kurzweiligen Feuerwerk zu, das die schwarze Nacht in allen Farben hell aufleuchten lässt.

Harry murmelt leise: „Es ist seltsam, im Moment ist es sogar okay, dass Ginny gegangen ist. Auf der einen Seite fühlt es sich frei an. Manchmal hatte ich das Gefühl, als würde ich sie unglücklich machen.“

„Sie meinte mal in einem Brief zu mir, dass du so wenig zu Hause bist“, erklärt Hermine, während ihre Hand zu Harrys wandert.

„Ich bin Auror, es gibt eben viel zu tun …“, sagt Harry und seufzt. Das weiß Ginny doch, sie wusste doch, dass er Auror werden wollte und vor allem werden würde. Und dass das kein Job mit geregelten Arbeitszeiten ist, das wusste sie doch auch! Das ist doch alles keine Überraschung!

„Ach … Ron sagt dasselbe über dich. Dass du die Arbeit abgöttisch liebst und am liebsten da wohnen würdest“, sagte Harry, als ihm wieder einfällt, was Ron erst vor einer Woche zu ihm gesagt hatte.

Hermine runzelt die Stirn und kneift die Lippen zusammen. „Das ist gerade sehr wichtig. Das braucht eben viel Zeit!“

„Ich weiß.“

Von der Straße aus sehen Harry und Hermine, wie ihre Freunde von dort wieder zum Haus zurückkommen. Ron hat seinen Arm um seinen Bruder George gelegt, beide scheinen sie ausgelassen über etwas zu lachen.

Harry und Hermine rücken mit ihren Stühlen wieder auseinander, Hermine sieht zu Harry hinüber. „Wir treffen uns, wenn wir mit ihnen gesprochen haben, ja?“

Harry nickt fest entschlossen. „Wir sehen uns in der Mittagspause?“

Hermine lächelt. „Unbedingt! Wenn du dazu kommst …“

„Ständig ein Notruf, wenn es Zeit fürs Mittagessen war! Dauernd! Ich hab echt den Verdacht, die schwarzen Magier wissen, wann ich essen will!“

„Hey!“

Ron hat sich von George gelöst und läuft auf seinen besten Freund und seine Freundin zu. „Keine Lust was in die Luft gehen zu lassen? Was treibt ihr denn hier?“

Hermine steht auf und umarmt Ron. Ron sieht sie überrascht an. „Hab ich was verpasst?“

Hermine lächelt ihn an und gibt ihm einen Kuss auf die Stirn. „Ja. Aber das bist du ja gewohnt.“

„Hey!“

George ruft den Dreien mit einem Packen Raketen in der Hand zu: „Kommt schon, Leute! Das sind meine Spezialraketen, das wollt ihr doch nicht verpassen, oder?!“

Harry steht auf und greift nach Hermines Hand, als Ron sich George zuwendet und ihm versichert, dass er sowas von dabei sein würde.

Harrys und Hermines Hand gleiten wieder auseinander, während sie nebeneinander laufend George und Ron zur Straße folgen, wo sie, gemeinsam mit vielen Muggelnachbarn das neue Jahr mit viel Krach und Rauch feiern. Harry hat das Gefühl, im Hier und Jetzt sich wieder intensiv dem Gefühl von Vergangenheit und Gegenwart bewusst zu werden. All die Raketen, die hell aufleuchten, den Himmel erstrahlen lassen und genauso schnell wieder verschwinden, erinnern Harry an all die Menschen, die er kennengelernt hat und wie sehr er es bedauert, dass sie jetzt nicht bei ihm sein können.

„Versprich mir, dass du mit ihr redest.“ Hermine lehnte sich an Harry.

„Versprich mir, dass du es ihm sagst.“ Harry legte seinen Arm um Hermine.

Having a Break

Es ist der siebte Versuch, der siebte Versuch mit Hermine eine gemeinsame Mittagspause auf die Beine zu stellen. Harry drückt sich beide Daumen und ruft auf dem Weg aus dem Büro Seamus zu, er möge ihm ebenfalls Glück wünschen, dass er dieses eine Mal in Ruhe Mittagspause machen kann.

Seamus grinst nur amüsiert und murmelt, dass es für ihn heute schon mal nicht geklappt hat. Er müsse gleich zu seinem Einsatz.

Harry wirft einen Blick auf die Uhr, er ist spät dran. Irgendwie ist er immer spät dran – zu Einsätzen, zu Verabredungen, zu Ginnys Quidditch-Spielen (und sie ist nicht glücklich darüber), manchmal hat Harry sogar den Eindruck, zu spät auf die Toilette zu kommen.

 

Als Harry sich dem hinteren Tisch in der vollen Kantine nähert, sieht er bereits Hermine lustlos in ihrem Essen stochern und geistesabwesend Unterlagen wälzen. Er weiß, dass sie auch dieses Mal damit gerechnet hat, dass er es nicht schafft rechtzeitig aufzukreuzen.

„Bin da!“, sagt er leicht außer Atem und stellt sein Tablet etwas zu schwungvoll ihr gegenüber ab.

Hermine schreckt gedankenverloren auf, blinzelt ein paar Mal als würde sie nicht richtig sehen, ehe sich ein breites Lächeln auf ihrem Gesicht ausbreitet. Harry kann nicht anders und tut es ihr gleich. Es tut so unendlich gut sie wiederzusehen, denn das letzte Mal ist schon wieder viel zu lange her.

„Harry!“, ruft Hermine fast ein bisschen zu laut, Kollegen, die nicht weit von ihnen sitzen, sehen verdutzt zu ihnen hinüber.

Harry blickt diese herausfordernd an. „Schon mal als Auror versucht eine Verabredung in der Mittagspause einzuhalten?“

Einer der Männer lacht laut auf. „Nein, aber mein Kumpel Seamus. Wird nie was. Herzlichen Glückwunsch, Mr Potter!“

Hermine wird verlegen, ihre Wangen färben sich leicht rosa. Harry zuckt nur mit den Schultern. Er setzt sich und betrachtet mit gerunzelter Stirn sein Mittagessen.

„Du magst Seelachsfilet?“, fragt Hermine nach einem kurzen Augenblick des Schweigens, in dem nur das Stimmengewirr der anderen zu hören war, das Kratzen des Bestecks über Teller, das Rücken von Stühlen und Sitzbänken und das hastige Fußgetrappel.

„Tu ich das?“, fragt Harry leicht geistesabwesend zurück. Er kann sich nicht wirklich erinnern, sich das ausgesucht zu haben. Offenkundig hatte er zum ersten Besten „Möchten Sie … oder … haben, Mr Potter?“ mit „Ja“ geantwortet.

„Was hast du dir geholt?“

„Fleischpastete. War im Angebot.“

„Du achtest auf das Angebot?“ Harry kichert leise.

„Ja, na ja … Keine Ahnung, meine Eltern haben immer … Ist nicht so wichtig …“, murmelt Hermine und grinst verlegen.

Harry schiebt sich etwas Lachs in den Mund und stellt fest, dass er Lachs nicht besonders mag. Eigentlich überhaupt nicht mag. Es schmeckt furchtbar. „Wie war deine Woche?“

Hermine seufzt tief. „Welchen Teil davon meinst du?“

„Alle Teile, denke ich.“

Sie reibt sich mit beiden Händen übers Gesicht und streicht sich ihr widerspenstiges Haar nach hinten. „Der Arbeits-Teil ist eigentlich wie immer. Die Zaubererwelt hat unendlich viele Baustellen und nur ein Bruchteil davon ist vielleicht behoben, wenn ich alt und vergesslich geworden bin.“

„Für den Teil muss ich nicht alt werden …“, murmelt Harry leise und schiebt seinen Fisch von rechts nach links.

„Der Ron-Teil … Ach … Ihr habt doch bestimmt geredet, oder nicht?“, meint Hermine und sieht Harry geradezu ängstlich an.

Er gibt auf, schiebt seinen Teller zur Seite und stützt sein Kinn auf seiner Hand ab. „Mhmm, schon.“

Kurz sehen die zwei sich stumm in die Augen. Harry sieht, wie sie innerlich mit sich kämpft, mit sich ringt zu sagen, was sie sagen will. Wie sie es sagen soll. Er gibt ihr Zeit, hat das Bedürfnis sie in den Arm zu nehmen, aber das kommt in der Kantine jetzt etwas komisch rüber.

Nach fast zwei Minuten bricht Hermine das Schweigen. „Dass ich ihm gesagt hab, dass ich Zeit brauche, weißt du ja.“

„Ja.“

„Und ich weiß nicht, was ich erwartet hab, aber es war irgendwie sehr viel schlimmer als gedacht“, sagt sie niedergeschlagen.

Dass sie Ron um eine Auszeit gebeten hat ist nun schon fast einen Monat her. Harry hatte in dieser Zeit darüber nachgedacht ihr einen Brief zu schreiben, aber ein Memo von ihr kam ihm zuvor.

Ich möchte lieber darüber reden als schreiben.“

Harry räuspert sich, seine Stimme ist belegt und er weiß selbst nicht so recht warum. „Ja, Ron war … ist … Er tut sich ziemlich schwer damit. Er hat zu mir gesagt, dass es für ihn völlig unerwartet kam. Aus seiner Sicht war alles ganz toll gelaufen, mit ein paar Ausnahmen. Deine Arbeitsethik zum Beispiel.“

Hermine wacht aus ihrer Trauer ein wenig auf und bläst frustriert die Wangen auf. „Darüber hab ich mit ihm wirklich unendlich oft geredet!“

Darüber hat er sich auch beschwert …“

Hermine deutet energisch auf die Papiere neben sich. „Das hier beschäftigt mich zutiefst! Du weißt selbst, was für eine Katastrophe unser Rechtssystem ist!“

„Wir haben ein Rechtssystem?“, sagt Harry sarkastisch und widmet sich den Kartoffeln, die hoffentlich nicht nach Lachs schmecken.

Hermine kann nicht anders, obwohl sie aufgebracht ist muss sie über Harrys Kommentar grinsen. „Ja, genau das! Ich weiß nicht, Ron scheint das irgendwie nicht in seinen Kopf zu bekommen!“

„Ron kennt ja auch nichts anderes. Du und ich wissen zumindest wie die Muggel es machen. Da läuft es nicht perfekt, aber wenigstens wird man nicht ohne Gerichtsurteil und Beweise ein Leben lang zu irgendwelchen Viechern gesperrt …“

Hermine nickt bekräftigend. „Eben. Aber das alles zu überarbeiten dauert super lange und nur weil ich Hermine Granger bin, die Freundin des Auserwählten Harry Potter –“

Beste Freundin“, korrigiert Harry nachdrücklich. Die Kartoffeln schmecken nach Fisch.

Hermine lächelt milde. „Beste Freundin … Jedenfalls, nur deswegen kann ich den Arbeitsprozess auch nicht beschleunigen … Wieso rede ich überhaupt über Arbeit!“

Immerhin hat Harry sich Kürbissaft mitgenommen und nippt nun daran. „Ron versteht deine Passion nicht.“

„Und deine!“

Er runzelt die Stirn. „Und meine?“

„Ja! Er meckert nicht nur an mir rum, sondern auch an dir! Dass du dich in seinem und Georges Laden so gut wie nie blicken lässt, dass du ihn ständig versetzt …“

Harry seufzt traurig. „Das mach ich doch nicht mit Absicht, aber ich will Abteilungsleiter werden und das werd ich nicht, wenn ich nicht vollen Einsatz zeige. Na ja … Und es macht mir Spaß. Ich weiß nicht, irgendwie brauch ich das. Die Action, die Aufregung, die Hektik …“

Hermine nickt verständnisvoll. „Ja, das klingt nach dir. Seit du elf bist war immer irgendwas, tja. Du kennst nichts anderes. Und das hier“, Hermine nickt wieder zu den Papieren „ist das, was ich schon immer gekannt hab. Weiß nicht, ist nicht so viel anders wie Schule. Okay, es ist komplizierter.“

„Du schaffst trotzdem ein Ohnegleichen, ich weiß es“, meint Harry, kichert und zwinkert ihr zu.

Hermine verdreht die Augen. „Ha ha, sehr lustig.“ Sie wird wieder ernster. „Es ist schrecklich und gut zugleich. Ich hab das Gefühl, endlich das machen zu können, was ich möchte, ohne mich schlecht fühlen zu müssen.“

„Weil Ron nicht mehr auf dich wartet. Nun, zumindest nicht direkt …“

Hermine nickt schwermütig, auch sie hat ihren Teller achtlos zur Seite geschoben. „Aber ich fühl mich auch total schrecklich, wegen Ron. Ach, ich weiß nicht … Ich will aber auch nicht mit ihm zusammen sein, weil mir leid tut, wie er sich meinetwegen fühlt.“

„Witzig, so kommt Ginny mir gerade vor“, grummelt Harry, sein Griff um sein Glas wird unbewusst stärker.

Hermine blickt auf. „Wie meinst du das?“

Harry zieht die Schultern hoch und zieht die Luft scharf ein. „Dass sie nur mit mir zusammen bleibt, weil ich ihr gesagt habe, dass ich sie liebe und dass sie mir viel bedeutet. Und das stimmt auch! Aber irgendwie kommt sie mir sehr unglücklich und unzufrieden mit mir vor. Ich weiß nicht, die Verliebtheit ist komplett weg. Ich weiß, was sie braucht und ich kann es ihr einfach nicht geben. Nicht, weil ich nicht will. Sondern weil ich nicht kann.“

Hermine greift über den Tisch, nimmt Harrys Hand in ihre, drückt sie liebevoll und lächelt schmerzlich.

„Du gibst dein Bestes, ich weiß es.“

„Das ist aber nicht genug!“, erwidert Harry schärfer als beabsichtigt und drückt entschuldigend Hermines Hand. „Das stresst mich so viel mehr als diese Hexe von letzter Woche, die wir hochgenommen haben und dann noch den Nerv hatte, über ganz Großbritannien von A bis Z zu apparieren.“

„Was denkst du, braucht Ginny?“, fragt Hermine leise. „Bei Ron bin ich mir nämlich nicht sicher, was er braucht.“

„Ginny liebt gerade das Quidditch so sehr. Es ist ihr Beruf, ihre Berufung, und sie wünscht sich, dass ich jedes wichtige Spiel ansehe und mit ihr über all das rede. Dass ich ganz da bin für das, aber das geht gerade einfach nicht. Es tut mir leid, nur reicht das eben nicht“, erklärt Harry resigniert und lässt die Schultern hängen. Seine Finger verschränken sich wie von selbst mit Hermines, die ihre andere Hand obenauf legt.

„Und dieser andere Mann?“

Harrys Mundwinkel zucken. „Ich weiß, dass sie ihn trifft, wenn auch nicht mit romantischer Absicht, oder zumindest würde Ginny mich nicht einfach betrügen.“

Hermine lacht plötzlich freudlos auf. „Weißt du, wen Ron wieder trifft?“

Harry blickt verdutzt auf. Das ist ihm tatsächlich neu. Alles was er weiß ist, dass Ron Hermine am liebsten zurück hätte.

Seine Freundin wartet noch einen Moment, aber da Harry schließlich ahnungslos die Schultern hebt, löst sie das Rätsel: „Lavender Brown.“

„Du verarschst mich!“, rutscht es Harry über die Lippen, ehe er seine Stimme wieder senkt. „Lav Lav?! Ach, komm!“

„Auch nicht mit romantischer Absicht, hab ich mir sagen lassen.“

„Wie ist das denn passiert?“, fragt Harry leise mit großen Augen. Er kann nicht glauben, dass Ron ihm kein Wort davon erzählt hat. Er ist davon ausgegangen, dass Ron und er sich im Grunde so ziemlich alles erzählen. Nun, fast alles.

„Ich weiß keine Details. Sie soll wohl im Scherzarztikelladen aufgetaucht sein, wohl einfach so. Das war genau zu dem Zeitpunkt, als ich von Ron die Auszeit beantragt hab …“

„Beantragt“, wiederholt Harry mit hochgezogener Augenbraue und grinst schließlich.

Hermine schüttelt lachend den Kopf und reibt sich den Nasenrücken. „Vielleicht arbeite ich doch ein bisschen zu viel … Jedenfalls, glaube ich, dass da ein alter Funke wieder aufgeflammt ist. Was okay wäre. Weißt du, das wäre perfekt, denke ich.“

Harry runzelt die Stirn. „Wenn Ron wieder was mit Lavender am Laufen hätte?“

Hermine sieht ihn unsicher an, ihre Hände fest um seine. „Ja … Vielleicht passt sie ja doch besser zu ihm?“

Harry denkt einen kurzen Moment darüber nach. Als Ron und Lavender ein Paar waren, waren sie gerade mal 16 gewesen. Daraus kann man nicht viel schließen, wenn er so über seine Beziehung zu Ginny nachdenkt.

Hermine schreckt plötzlich auf, löst ihre Hände sanft von Harrys und sieht auf ihre Armbanduhr. „Oh nein, ich komme zu spät zu einem Meeting!“

Harry seufzt gequält, er bedauert, dass es schon wieder vorbei ist und betrachtet seine einsame Hand. Der Wunsch wieder nach ihr zu greifen war unendlich groß. Er vermisst dieses Gefühl von Zweisamkeit und Verständnis jetzt schon. „Immerhin weißt du zu was du zu spät kommst. Ich komm garantiert auch zu spät, nur keine Ahnung zu was …“

Mit einem Scharren schiebt Hermine ihren Stuhl zurück und kommt hastig auf die Füße. „Harry, es war so schön dich wiederzusehen! Wir sollten wieder was außerhalb des Ministeriums machen!“

„Klar, auf jeden Fall!“, stimmt Harry ihr nachdrücklich zu, während er ebenfalls aufsteht.

„Bis ganz bald!“ Sie kommt um den Tisch herum und nimmt ihn in eine feste Umarmung. Er erwidert diese, merkt wie ihre buschigen Haare seine Nase kitzeln, und merkt, dass die Umarmung ein klein wenig zu lange dauert.

Verlegen lösen sie sich voneinander.

„Ich schreib dir ein Memo“, meint Hermine, in Gedanken geht sie bereits durch, wann sie das tun könnte.

Harry nickt. „Ich versuch auch dran zu denken. Ich geb zu, ich kann’s immer kaum erwarten, den Papierkram liegen zu lassen, wenn es zu einem Einsatz kommt.“

„Kann ich mir denken!“, gibt Hermine schmunzelnd zurück. „Also gut, ich muss wirklich, wirklich los! Bis bald! Ganz bald!“

„Super bald.“

Hermine schnappt sich beide Tablets, schiebt sie in eines der Rückgabewägen und hastet aus der Kantine. Harry folgt ihr etwas langsamer und geht zurück in sein Büro.
 

Seamus kommt ihm entgegen. „Verdammt, Harry! Wir haben einen Einsatz, hast du das Memo nicht bekommen?!“

„Nicht schon wieder diese blöde Hexe …!“

„Sie ist appariert! Keine Ahnung wie, aber sie ist weg! Wir müssen sie einfangen!“, berichtet Seamus aufgeregt.

Harry bläst die Wangen auf. „Meinst du, das dauert lange?“

„Hab schon Überstunden beantragt!“

„Dann geb ich Ginny lieber Bescheid, dass das mit dem Quidditch heute auch nichts wird …“

Weasleys Zauberhafte Zauberscherze

Wenn Harry sich bei einer Sache sicher sein kann, dann dass diese dämliche Hexe, die sie jetzt schon seit einer Woche suchen, nicht in der Winkelgasse ist. Da er sich dieser Tatsache so sicher ist, lenken ihn seine Schritte zu „Weasleys Zauberhafte Zauberscherze“. Es ist noch früh am Morgen, der Laden hat eigentlich noch nicht auf, aber Harry hat sich vor bestimmt einem Jahr von George sagen lassen, dass sich die Tür für ihn dennoch öffnen würde. Irgendein Erkennungs-Zauber. Hermine könnte Harry vermutlich einen ganzen Vortrag darüber halten.

Wie erwartet, hängt in der Tür des Ladens das „Geschlossen“-Schild. Harry legt seine Hand auf den Türknauf und versucht vorsichtig sie zu öffnen. Zu seiner Erleichterung schwingt sie sacht quietschend auf, die Klingel bimmelt leise, er schlüpft geschwind hinein und lässt die Tür mit einem sanften Klicken zurück ins Schloss fallen.

Für einen kurzen Moment steht Harry im Eingangsbereich und sieht sich gemächlich um. Er ist schon seit Monaten nicht mehr hier gewesen, bei George und Ron bedeutet das, das sich im Laden allerhand getan haben kann. Vor allem George räumt regelmäßig die Ware herum, um Platz für neue Artikel zu schaffen oder weil er findet, dass X sich doch besser auf Platz Y macht.

Vor allem aber hat Harry den Laden selten so ruhig gesehen, für gewöhnlich herrscht hier Jubel, Trubel, Heiterkeit. Das Geschäft brummt wie am ersten Tag, der Laden ist bis an die Decke mit Scherzartikeln vollgestopft, über die Harrys Augen mit einem freudigen Glitzern wandern.

Sein Blick bleibt beim Instant-Finsternispulver hängen und ihm fällt ein, dass seine Vorräte allmählich zur Neige gehen. Er sollte unbedingt etwas mitnehmen, wenn er schon hier ist …

Aus dem hinteren Bereich des Ladens taucht George auf, in den Armen eine große Kiste. „Wer kommt denn bitte um …?! Harry!“ Freudig lädt er die Kiste achtlos auf eine kleine freie Fläche ab und kommt mit ausgebreiteten Armen auf den Auroren zu. Beide schließen sich kurz in eine feste Umarmung.

„Harry, dich hab ich ja ewig nicht gesehen!“, sagt George breit grinsend und klopft ihm auf die Schulter. „Viel zu tun als Auror? Ron meinte immer, es gehe hektisch zu, schreckliche Work-Life-Balance.“

Harry lächelt ebenfalls von einem Ohr zum anderen und nickt. „Ist auch so, schreckliche Work-Life-Balance.“

„Und was machst du dann hier?“ George wirft einen Blick auf seine Armbanduhr. „Ist verdammt früh, da musst du doch garantiert schuften!“

„Muss ich auch, sind natürlich auf der Jagd. Aber ich weiß einfach, dass das vergebliche Liebesmüh ist. Dann kann ich auch bei euch vorbeischauen“, erklärt Harry, greift neugierig nach einem ihm unbekannten Scherzartikel und betrachtet ihn amüsiert. „Fleißig im Erfinden, wie ich sehe.“

George nickt eifrig. „Klar, was sonst! Ron hat auch ganz gute Ideen. Nicht so gute wie …“, er stockt kurz „aber gute Ideen, hätte ich ihm gar nicht zugetraut.“

Harry versteht und nickt, über Fred zu sprechen, wenn auch nur andeutungsweise, versetzt ihnen allen noch immer jedes Mal einen Stich.

Das Ding, das er sich genommen hat, sieht recht unscheinbar aus, wie eine kleine Spraydose. Auf ihr ist kein Schriftzug zu erkennen, die Dose ist einfach nur sehr bunt und schimmert sanft im Licht.

„Was ist das?“, fragt Harry neugierig, um das Thema zu wechseln.

George nimmt ihm die Dose aus der Hand, wirft sie in die Luft und fängt sie wieder auf. „Ist noch in Arbeit. Soll mal Bilder versprühen, so richtige Gemälde. Klappt aber noch nicht richtig.“

„Verstehe, klingt nach einer coolen Idee. Sag mal, ist Ron auch schon da?“

George stellt die Dose ab und nickt. „Ja, ja der ist schon da. Ich hol ihn.“ Er wendet sich wieder Richtung Lager und ruft, während er dorthin zurückschlendert. „Ron! Ron! Komm da raus, das musst du sehen! Du wirst es mir nicht glauben, wenn ich’s dir sage!“

Harry verdreht die Augen. „Übertreib halt …“

Ron trottet gähnend aus dem Lager und bleibt, die Arme halb in der Luft, im Laden stehen. „Harry!“

„Der einzig Wahre.“

„Der Auserwählte, der Erbe Slytherins“, neckt George schief grinsend.

Ron durchquert den Laden mit langen Schritten und zieht Harry in eine feste Umarmung. „Hab dich seit drei Wochen nicht mehr gesehen, Mann! Und dann tauchst du hier in aller Herrgottsfrüh auf! Einfach so! Du Verrückter!“

„Ja, hab George schon erzählt, eigentlich hab ich einen Einsatz, aber … Das wird eh nix, da kann ich auch ein bisschen bei euch rumhängen“, erzählt Harry, froh Ron nach so langer Zeit wiederzusehen, und George, den er noch viel seltener zu Gesicht bekommt.

Die drei verschwinden im Büro des Laden, das ebenfalls vollgestopft ist mit allerlei Scherzartikeln, Kisten, Schachteln und Prototypen, an denen George und Ron gerade basteln. Die zwei räumen den runden Tisch frei, kramen eine Kaffeekanne hervor und Knabbereien.

„Kanarienschnitte?“, bietet George schelmisch grinsend Harry an.

„Bin gespannt, wie du das meinem Chef erklärst, wenn er mich als Kanarienvogel einsammeln muss“, meint Harry und schiebt leise lachend die Schnitte weg.

„Wäre doch super lustig, wenn du dann monatelang beweisen musst, dass du kein Animagus bist.“

„Oh ja, zum Kringeln… Ich liebe Papierkram“, murmelt Harry, räumt einen Stuhl frei und lässt sich zufrieden darauf fallen.

George verschwindet nach draußen, spricht davon, dass das Kaffeepulver aus ist und er schnell neues holt.

Ron setzt sich Harry gegenüber und stellt ihnen beiden Tassen hin. „Bin wirklich froh dich zu sehen, Harry. Ehrlich. Im Moment geht’s ja drunter und drüber, und ich mein nicht die Arbeit“, beginnt der Rotschopf zu erzählen und sieht nun sehr müde und abgespannt aus.

Harry nickt verständnisvoll. „Ja, das mit Hermine und dir tut mir wirklich leid, weißt du ja.“

„Mmhhm … Hab Hermine Briefe geschrieben, weißt du. Fast jeden Tag. Sie hat auch immer geantwortet aber … hat sich immer so angefühlt, als würd sie das eher aus Pflichtgefühl machen“, erzählt Ron niedergeschlagen und räumt geistesabwesend weitere Scherzartikel und Schachteln vom Tisch.

„Sie hat viel zu tun. Hermine liebt dich, Ron. Ihre Memos an mich sind auch keine literarischen Meisterwerke“, versucht Harry seinen Freund zu trösten.

Ron lässt traurig sein Kinn auf seine Handfläche fallen. „Jaah, ich weiß schon … Ich vermisse sie, weißt du … Also, das bisschen Hermine, das ich hatte“, brummt er verbittert.

Harry seufzt tief. „Ich weiß, das ist euer größtes Problem …“

„Na ja, wie soll ich ne Beziehung mit jemanden führen, der nicht da ist!“, platzt es aus Ron heraus.

Harry hebt ruhig beide Hände. „Schon gut, ich verstehe dich, außerdem kriege ich genau denselben Satz auch oft genug gesagt.“

George kommt wieder rein, einen Beutel Kaffepulver unter dem Arm. „Welchen Satz kriegst du gesagt?“, fragt er, während er den Kaffee zubereitet.

Harry wiederholt missmutig. „Dass Ginny Schwierigkeiten hat, eine Beziehung mit jemanden zu führen, der so wenig zu Hause ist.“

„Hm, ist ja auch ein bisschen was Wahres dran, oder nicht?“, meint George, Kaffeepulver löffelnd.

Ron sieht Harry fest in die Augen. „Sie war wirklich super sauer, als du das letzte Spiel verpasst hast.“

Harry blickt verlegen zur Kaffeemaschine. „Ich ja auch! Wenn ich diese Hexe in die Finger bekomme, wegen der ich das Spiel verpasst habe, dann …!“

„Du hast doch genug Stunden. Nimm dir halt einfach frei“, schlägt Ron vor, nimmt sich einen der Kekse, die George auf den Tisch gestellt hat und knabbert daran.

Harry legt die Hände auf den Tisch. „Ron, du weißt doch, was mein Ziel ist, oder?“

„An Überarbeitung sterben?“

„Ja. Äh, nein! Ich möchte wirklich gerne Leiter der Auroren-Abteilung werden.“

Blubbernd geht die Kaffeemaschine an, George nimmt sich ebenfalls einen Stuhl und plumpst darauf. „Und das wird man nur, wenn man seine Seele an das Ministerium verkauft?“

Harry blickt zwischen den beiden Brüdern genervt hin und her. „Euch ist schon klar, dass ich den Posten nicht kriege, wenn ich regelmäßig zu einem Quidditch-Match verschwinde!“

Ron hebt die Schultern. „Muss ja nicht jedes Mal sein, aber ab und zu wäre schon drinnen, wenn du mich fragst. Besonders bei den Spielen, wo’s ums Ganze geht. Für Ginny ist das nicht einfach nur ein Spiel, Harry. Es ist ihr Beruf und ihre Berufung.“

„Ist mir bewusst, wirklich. Ich mach das nicht mit Absicht …“

„Ja, Ron hat sich einiges an Freizeit gegönnt, als er noch Auror war“, pflichtet George bei und sieht sehnsüchtig zur Kaffeemaschine.

Harry murrt. „Ja. Ist mir auch nicht entgangen.“ Er wendet sich Ron zu. „Hattest ein Talent dafür, Gleitzeit zu nehmen, wenn die Hölle los war …“

Er hebt verteidigend die Hände. „Wir hatten beide Wahrsagen und wir waren beide echt nicht gut in dem Fach!“

Harry lacht leise. „Jaah …“

George haut dem Auror plötzlich auf die Schulter. „Aber mach dir keine Sorgen um meinen Bruder, er hat ja eine Schulter zum Ausweinen gefunden.“

Rons Wangen färben sich plötzlich ein wenig pink. „Halt die Klappe, George!“

Harry zieht die Augenbraue hoch und nimmt sich ebenfalls einen Keks. „Willst du mir was erzählen, Ron?“

Der Rotschopf druckst, rutscht auf seinem Stuhl herum und scheint sich plötzlich in seiner Haut unwohl zu fühlen. „Hmm, nee …“

Harry schürzt die Lippen. „Gut. Dann erzähl mir eben nicht, dass du Lavender Brown triffst.“

Er sieht erstaunt auf, George pfeift leise. „Wer hat dir das denn gesteckt?“, will der einsame Zwilling wissen.

Harry zuckt ausweichend mit den Schultern. „Bin Auror. Ist mein Job.“

„Es ist dein Job zu wissen, mit wem ich mich in meiner Freizeit treffe?“, sagt Ron sarkastisch und sieht finster drein.

„Nicht direkt, aber Dinge zu wissen schon. Und das ist auch gar nichts Schlimmes, also was soll die Geheimniskrämerei? Hab gehört, Lavender ist vor einiger Zeit hier einfach so reingeschneit.“

George wendet sich wieder der Kaffeemaschine zu und antwortet: „Jop, ist sie auch. Der guten alten Zeiten willen, und ein Geschenk für einen Verwandten kaufen, irgendwie so. Na ja, ich hatte mit ihr ja nie viel zu tun, aber mit Ron gab’s wohl Nachholbedarf.“

Rons Wangen färben sich in der Zwischenzeit dunkelrot. „Wir reden nur! Wir verstehen uns halt gut!“ Er wendet sich hektisch Harry zu. „Erzähl das bloß nicht Hermine!“

„Muss ich nicht, weiß sie schon“, gibt Harry nonchalant zu.

„Was?!“

„Keine Ahnung, woher sie’s weiß, aber eigentlich weiß ich’s nur, weil sie’s mir erzählt hat.“

Ron schnaubt zornig. „Jaah, natürlich! Du siehst sie ja bestimmt auch öfter als ich!“

Harry schnalzt mit der Zunge, während er George seine Tasse reicht, damit dieser ihm Kaffee einschenken kann. „Pf, ich wünsch…“ Verlegen stoppt er, beginnt von neuem. „Ich meine … Tatsächlich sehen wir uns auch nicht besonders viel. Das letzte Mal ist schon wieder einige Wochen her. Ich komme kaum zu Mittagspausen und sie kann ihre auch nicht legen wie es ihr passt, wegen Meetings und Calls und hast du nicht gesehen.“

Ron sinkt in seinen Stuhl zurück und sieht ernüchtert drein. „Oh … Ich dachte immer … Dachte immer, ihr seht euch mehr, weil ihr im selben Gebäude seid und so …“

Harry schüttelt traurig den Kopf. „Nope, leider nicht.“ Er nippt an seinem heißen Kaffee und verbrennt sich leicht die Lippen. „Du verstehst dich wieder gut mit Lavender?“

„Tut er, trifft sie ja auch fast jeden Tag“, antwortet George kichernd für seinen Bruder, dieser verpasst ihm verärgert einen Stoß.

„Lavender arbeitet beim Tagespropheten und anders als Hermine, macht sie Pausen und achtet darauf nicht zu viel zu arbeiten.“

George nickt zu Ron. „Er übrigens auch.“

„Arbeit ist nur das halbe Leben …“

Harry lächelt seinem Freund aufmunternd zu. „Was gibt es mit Lavender denn alles so zu besprechen?“

Ron rührt in Gedanken versunken in seinem Kaffee und kippt etwas Milch hinein. „Na ja … alles Mögliche … Arbeit, die Vergangenheit, das mit Hermine …“

„Du redest mit ihr über Hermine?“

Grollend sieht der Rotschopf auf. „Du hast ja auch keine Zeit, um mit mir über unsere Beziehung zu sprechen.“

Harry blickt in seine Kaffeetasse und nickt verletzt. „Jaah, ich … tut mir leid, wirklich! Ich hab jede freie Minute freigeschaufelt, die ich erübrigen konnte, ich schwör’s!“

Ron winkt ab. „Schon gut, weiß ich ja. Aber Lavender ist halt da und ich finde, sie versteht mich da auch voll gut und …“ Er zögert, scheint nicht zu wissen, wie er das Thema am besten ansprechen soll.

Harry runzelt die Stirn, während er weiter Kaffee trinkt und Kekse knabbert.

George hilft seinem Bruder ungefragt auf die Sprünge. „Er kann mit Lavender ganz gut über du-weißt-schon-was sprechen.“

Ron wirft seinem Bruder einen Blick zu, der verärgert und dankbar zu gleich ist.

Harry sieht seinen Freund überrascht an. „Wirklich? Hartes Einstiegsthema, findest du nicht?“

„Sie versteht mich … Uns ging es da so ähnlich, bei einfach allem. Mit Hermine …“ Ron stockt und kratzt sich verlegen im Nacken. „Hermine … Sie geht anders damit um, mit dem Krieg, mit der Flucht, mit der Schlacht in Hogwarts. Anders als ich. Wir haben natürlich viel darüber geredet, aber mit Lavender fühl ich mich mehr verstanden.“

Harry fühlt Rons Worte sofort. Genauso geht es ihm mit Hermine und Ginny. Ginny versteht auf einem logischen Level wie es Harry mit der Vergangenheit geht, hat Verständnis, ist für ihn da, aber Hermine begreift es auf einer emotionalen Ebene. Harry fühlt sich von Hermine vollkommen verstanden, oft auch ohne Worte. Ob es Ron genauso mit Lavender geht und er deswegen so gerne Zeit mit ihr verbringt?

„Verstehe ich, wirklich“, sagt Harry schließlich und lächelt seinem Freund verständnisvoll zu.

Ron sieht ihn zögernd an. „Wirklich? Weil … Das klingt furchtbar, finde ich. Dass ich sage, dass Hermine mich da nicht so richtig versteht.“

Harry will nicht zugeben, dass er diese Erfahrung mit Ginny macht, beugt sich über den Tisch und klopft Ron stattdessen auf die Schulter. „Ihr geht’s ja auch so. Es ist eben so.“

„Und Ginny und du?“, fragt George nach einer kurzen Weile des Schweigens.

Harry windet sich unwohl auf seinem Stuhl. „Tja … Wir wurschteln uns so durch.“

„Sie ist wirklich unzufrieden, weißt du“, fährt George fort und mustert Harry streng.

„Weiß ich, weiß ich! Wir reden drüber, und so …“, antwortet Harry abweichend und schlürft hastig weiter seinen Kaffee.

„Und sie trifft diesen Typen“, murmelt Ron und verzieht das Gesicht.

„Weiß ich. Ist schon okay. Sie würde mich nicht betrügen, das weiß ich.“

George schüttelt entschieden den Kopf. „Würde sie nicht, auf keinen Fall. Aber wenn du dir nicht bald mal für eine Weile frei nimmst, wird’s haarig. Es geht ja nicht nur darum, dass du ihre Quidditch-Spiele sausen lässt. Sie hat wohl allgemein den Eindruck, dass ihr mehr auf dem Papier ein Paar seid.“

Harry macht ein gequältes Gesicht. Er weiß, dass er kurz davor ist im Rang aufzusteigen. Sein Chef selbst hat gesagt, dass er von Harrys Einsatz und Herzblut ganz begeistert ist. Sich jetzt freizunehmen könnte ihn bei seiner Karriere böse zurückwerfen. Wenn Harry Ginny das nur klar machen kann, dann wird sie das sicher verstehen. Nur noch diesen Monat, vielleicht auch den nächsten.

George wirft einen Blick auf seine Uhr. „Ich muss gleich den Laden aufschließen. Du kannst natürlich noch bleiben, wenn du willst, Harry. Bin dann aber beschäftigt, das Geschäft und so.“

Harry nickt und stellt die leere Kaffeetasse ab. „Alles klar, ich muss dann leider auch wieder los. Bevor mich die anderen noch vermissen.“

Die drei stehen auf und begeben sich zurück in den Laden. Unterwegs schnappt Harry sich einige Päckchen Instant-Finsternispulver, will dafür bezahlen, Ron und George verweigern sein Geld, das übliche Hin und Her beginnt.

Ron wirkt etwas nervös, als Harry schon an der Tür angekommen ist, hält er seinen Freund schließlich zurück.

„Ich weiß, dass du sauer bist, weil ich kein Auror mehr sein wollte …“

Harry sieht Ron verdutzt an über den plötzlichen Themenwechsel. „Nein! Nein, ich bin nicht sauer!“

„Doch …“

„Hör mal, sauer ist nicht das richtige Wort.“ Er wendet sich dem Rotschopf zu und legt ihm eine Hand auf die Schulter. „Ich bin ein bisschen traurig, das stimmt. Mit dir zusammen zu arbeiten, das ist halt wie in den alten Zeiten. Seamus ist auch ein großartiger Partner. Aber es ist eben nicht dasselbe.“

Ron blickt ihm müde ins Gesicht. „Es ist nur … Einen Teil der alten Zeiten will ich … Na ja, nicht vergessen, aber nicht ständig daran denken müssen. Die Hektik, das Leute-Jagen, schwarze Magier hochnehmen … Dabei kam immer alles zurück, von damals, vom Krieg. Ich konnte nicht mehr schlafen, ich war immer total aufgekratzt, und Hermine war nicht da, und du machst immer Überstunden, und dann war ich allein damit … Das ging einfach nicht mehr …“

Harry legt einen Arm um Ron und drückt ihn fest. Im Grunde hat er immer gespürt, dass die Arbeit Ron mitnahm, aber er hat einfach gehofft, dass es mit der Zeit schon besser werden würde. Harry tut es bis heute leid, dass er nicht für Ron da sein konnte, vielleicht auch nicht wollte. Arbeiten hält Harry beschäftigt, er hat keine Zeit zum Nachdenken, es gibt immer was zu tun. Und er weiß, dass Hermine es wohl genauso macht. Es stimmt, sie laufen ihrer Vergangenheit weg, wollen gerade biegen, was schief gelaufen ist, fühlen sich schuldig und haben das Gefühl, sich beweisen zu müssen. Harry will, nein, er muss beweisen, dass er ein fähiger Magier ist, der auch ohne Ron und Hermine funktioniert.

„Ron, ich bin froh, dass du mir das gesagt hast, ehrlich. Und wenn’s dir mit dem Laden hier so viel besser geht, dann ist das gut so. Das ist mir das Wichtigste, dass es meinen Freunden gut geht.“

Ron hat lächelt verlegen und gibt Harry einen leichten Stoß. „Red nicht so geschwollen, Mann! Wir sehen uns hoffentlich bald wieder und nicht erst in ein paar Wochen.“

Harry lächelt aufmunternd. „Das hoffe ich auch.“

„Ist das Seamus?“, fragt Ron und blickt an seinem Freund vorbei.

Er folgt Rons Blick. „Jap, hab ihm gesteckt, dass ich hier bin. Gut, bis bald, Kumpel.“

„Bis bald.“

Harry verlässt den Laden, die ersten Kunden strömen aufgeregt an ihm vorbei, manche erkennen ihn und sehen ihn mit großen Augen an. Harry sagt freundlich Hallo, schiebt sich nach draußen und geht auf Seamus zu.

„Hey, hab ich was verpasst?“

Seamus schüttelt den Kopf. „Nö, wie du schon sagtest, die blöde Hexe ist nicht hier. Wir sollen zurück ins Büro, Protokoll schreiben.“

„Tja, vielleicht kann ich Mittagspause machen …“

„Ja, vielleicht.“

Die beiden apparieren zurück ins Ministerium.

Ginny

Es ist schon zehn Uhr abends als Harry die Tür zu seinem und Ginnys Haus öffnet, die Schuhe von den Füßen tritt und seine Schlüssel auf die Kommode direkt am Eingang wirft. Wenn er Glück hat, hatte Ginny was für sie gekocht. Wenn nicht, dann würde er irgendwas zu Essen bestellen. Schnuppernd reckt er die Nase in die Luft, da er aber nichts riechen kann (außer den angebrannten Toast von heute Morgen), muss er von Essen-Bestellen ausgehen.

Auch gut, denkt er und zuckt gedanklich mit den Schultern, als er sich seinen Mantel von den Schultern streift und aufhängen will.

„Ginny, bist du zu Hause?“ Eigentlich weiß Harry die Antwort, als er diese Frage in den Gang ruft – immerhin brannte Licht im Wohnzimmer.

Aber es kommt keine Antwort.

Harry gefriert mitten in der Bewegung, den Mantel noch in den Händen, kurz davor, über den Kleiderhaken zu gleiten. Ganz langsam hängt er ihn auf, ganz langsam wandert seine Hand zu seinem Hosenbund, wo sich – in einem Holster – sein Zauberstab befindet. Harry zieht ihn möglichst geräuschlos hervor, wendet sich dem langen Flur Richtung Wohnzimmer zu, verpasst seinem Körper non-verbal einen Dämpf-Zauber und bewegt sich lautlos zur Lichtquelle. Anschließend wirkt er, ebenso stumm, „Homenum Revelio“. Aus der Spitze seines Zauberstabs bricht ein dünner, silbriger Faden, der sich in Windeseile ins Wohnzimmer bewegt.

Harry ist nicht allein.

In seinen Gedanken spielt sich ein Horrorszenario nach dem anderen ab, sein Puls schnellt in die Höhe, sein Herz fängt an zu rasen, das Blut rauscht ihm in den Ohren. Er kann hundert Festnahmen mitmachen, er kann hundert Verfolgungsjagden hinter sich haben, aber wenn es ums Ganze geht, dann schießt das Adrenalin nur so durch Harrys Adern. Immer und immer wieder.

Er ist nur noch wenige Schritte vom Wohnzimmer entfernt, den Zauberstab leicht erhoben, die Ohren gespitzt, die Nerven zum Zerreißen gespannt.

Im Wohnbereich brennt Licht. Es ist kein Geräusch zu hören.

Wo ist Ginny?

Vor Harrys innerem Auge liegt sie auf dem Wohnzimmerteppich, reglos, die Gliedmaßen von sich gestreckt, ihr Blick geht ins Leere.

Er schüttelt den Kopf, beißt die Zähne aufeinander. Reiß dich zusammen! Er betritt zitternd das Wohnzimmer. Zu seiner rechten befindet sich die Couch, dahinter ein kleiner Tisch aus hellem Holz und an der Wand hängt ein großer Fernseher. Zu Beginn war Ginny skeptisch, ob des Muggel-Dings, aber nun findet sie großen Gefallen daran und ist teils begeistert, teils entsetzt, was Muggel unter Unterhaltung verstehen.

Obwohl der Dämpf-Zauber tadellos wirkt, bewegt sich Harry ganz langsam und bedächtig auf die Couch zu, den Zauberstab erhoben. Als er endlich nahe genug ist, um einen Blick über die Rückenlehne werfen zu können, zuckt er unwillkürlich zusammen.

Ginny liegt seitlich auf der Couch, die Beine angezogen und schnarcht leise.

Harry atmet hörbar aus, er hat gar nicht gemerkt, dass er die ganze Zeit die Luft angehalten hat. Ganz langsam fällt die Anspannung von ihm ab.

„Ginny?“, sagt er leise, greift über die Couch und berührt sie sanft an der Schulter.

Sie brummt leise, greift nach seiner Hand, drückt sie sanft und öffnet schläfrig die Augen. „Ich hab auf dich gewartet … Lange …“

Harry lächelt müde. „Tut mir leid. War ein langer Tag.“

Sie richtet sich langsam auf, streckt sich, massiert sich den Nacken und nimmt Harry genauer in Augenschein. „Was willst du mit dem Zauberstab?“

Siedendheiß fällt Harry ein, dass er den nicht mehr weggesteckt hat und noch immer in der Hand hält. „Oh, äh … Na ja … Ich hab nach dir gerufen, als ich Heim gekommen bin, du hast nicht geantwortet, da …“ Er stockt, will ihr gegenüber nicht in Worte fassen müssen, dass er dachte, irgendein ehemaliger Todesser hätte sich Zugang zu ihrem Haus verschafft und Ginny den Todesfluch verpasst. Irgendwie klingt das jetzt albern, findet er.

Ginny seufzt, schüttelt den Kopf. „Aber mir nicht glauben wollen, dass du Urlaub brauchst …“

„Auroren stehen ganz oben auf der Liste, wenn’s um solche Sachen geht“, verteidigt sich Harry zerknirscht, steckt den Zauberstab weg und setzt sich neben ihr auf die Couch. Lächelnd greift er nach ihren Händen, nimmt sie sanft in seine und drückt sie. „Wie war dein Tag?“

Ginny blinzelt langsam und streicht mit ihrem Daumen über seinen Handrücken. „Gut. Es war ja heute nur Training. Es lief gut. Wir sind alle in Form, keine Drachenpocken, keine gebrochenen Gliedmaßen und keinen „Wir haben euren Teamkameraden gemopst“-Streich.“

Harry nickt. „Klingt gut. Klingt … erfolgreich.“

„Bei dir?“

„Bin von einem Teekessel gebissen worden.“

„Ist das gut?“

„Seamus meinte, es bringt Glück.“

Ginny zieht eine Augenbraue hoch und schmunzelt. „Davon hab ich noch nie gehört.“

Harry verdreht die Augen. „Ich hab nichts dazu gesagt. An manchen Tagen hab ich immer noch das Gefühl, erst gestern in die Zaubererwelt gestolpert zu sein.“

Ginny nickt, dann schweigen die beiden Hände haltend. Nach einiger Zeit kann Harry sehen, dass Ginnys Mund schmal wird, sie runzelt die Stirn – er kennt dieses Gesicht.

„Wir hatten beide einen langen Tag, meinst du nicht?“, beginnt er leise. Er kann sehen, dass Ginny reden will, aber Harry fühlt sich heute nicht danach. Aber wenn er ehrlich zu sich sein soll, dann fühlt er sich nie danach, und Ginny weiß das auch.

Ihre Gesichtszüge werden hart. „Ja. Aber ich warte schon seit Wochen. Insgesamt hatten wir heute zumindest einen guten langen Tag.“

Harry lässt ihre Hände los, lehnt sich zurück und fährt sich durch sein unbändiges Haar. „Also gut.“

Ginny lehnt sich ebenfalls zurück und verschränkt die Arme vor der Brust. „Wegen Quidditch will ich gar nicht reden.“

Harry bekommt ein klammes Gefühl. Quidditch war seit einigen Monaten Thema. Er schafft es zu selten, ihre wichtigen Spiele zu sehen, bringt nicht genug Interesse und oder Begeisterung auf und so weiter. Was Harry immer für sich behalten hat: Ginny bringt, seiner Ansicht nach, dafür ziemlich wenig Interesse für seine Arbeit auf. Wenn er so darüber nachdenkt, will wenigstens Hermine so ziemlich alles über seine abgedrehten Fälle wissen – und damit ist sie die Einzige. Denn Ron hat auch genug davon.

„Harry? Hörst du mir zu?!“

Er schreckt aus seinen Gedanken auf, sieht Ginny verlegen an und rutscht auf der Couch hin und her. „Doch, ja, tu ich.“

„Und was gedenkst du anders zu machen?“

Mist, Lügen haben kurze Beine. „Okay, ich bin müde und war kurz in Gedanken …“

Ginny seufzt genervt, Harry versteht das. Er ist ja auch von sich genervt. „Tut mir leid, wirklich.“

„Du arbeitest nur noch! Wir machen ja auch sonst fast nichts mehr miteinander. Dass wir zusammen essen ist schon viel und selbst das klappt nicht immer!“

„Ja, es ist nur …“ Harry fasst sich an den Nacken, das wird nicht gut gehen. „Mein Chef ist zufrieden mit meiner Arbeit. Ich weiß, dass meine Beförderung zum Greifen nahe ist.“

Ginny knirscht sichtbar mit den Zähnen. „Und das heißt?“, fragt sie angespannt, obwohl sie die Antwort bereits kennt.

Harry hebt abwehrend die Hände. „Nur einen Monat, vielleicht zwei. Dann hab ich das im Sack!“

„Und dann hast du wieder Zeit, ist das so?“ Dass Ginny das nicht glaubt könnte Harry selbst dann hören, wenn er taub wäre.

Er seufzt tief. „Dann hab ich wieder Zeit.“

„Hast du nicht. Wir sind jetzt seit zwei Jahren dabei …“

„Auror ist kein Job mit geregelten Arbeitszeiten …“

„Nein, aber es ist auch kein Job, bei dem man zwölf Stunden oder mehr am Tag arbeitet oder mitten in der Nacht plötzlich aus dem Bett apparieren muss!“

Harry macht den Mund auf, um ihr zu widersprechen, aber leider hat Ginny recht. Niemand hat ihn explizit dazu aufgefordert, auch wenn sein Chef seinen Einsatz sehr zu schätzen weiß, besonders, seit Ron und Dean den Job an den Nagel gehängt haben. Auror wird man nicht einfach so, die Menge an geeigneten Hexen und Zauberern hält sich im überschaubaren Rahmen. Es will schon wohl überlegt sein, wer im Ernstfall sogar unverzeihliche Flüche aussprechen darf, ohne mit rechtlichen Konsequenzen rechnen zu müssen.

Vielleicht sollte er ehrlich mit ihr sein, so wie er ehrlich mit Hermine ist. Vielleicht hilft das.

„Ich brauche das, irgendwie. Ich kann es nicht so richtig erklären, aber es fühlt sich richtig an.“

Ginny reibt sich das Gesicht. „Überarbeitung ist nicht richtig.“

Harry schüttelt nachdrücklich den Kopf. „Das meine ich nicht. Ich meine, ich brauche diese Arbeit einfach. Ich brauche das Gefühl, gebraucht zu werden …“

Sie beugt sich vor, legt Harry ihre Hände auf seine Schultern und sieht ihm direkt in die Augen. „Ich brauche dich. Ich hab dich immer gebraucht.“ Sie lässt ihn wieder los, bewegt sich von ihm fort, Trauer überschattet ihr Gesicht. „Zumindest war das sehr lange so.“

Harrys Herz zieht sich schmerzhaft zusammen. „Wie meinst du das …?“, flüstert er leise.

„Ich kann nicht mehr auf dich warten, Harry …“

Ohne darüber nachzudenken beugt nun er sich vor und will nach ihr greifen, aber Ginny zieht sich zurück.

„Harry. Ich verstehe mich mit ihm, weißt du.“

„Montague“, sagt Harry mit aufeinander gepressten Zähnen.

„Ja. Seit bestimmt einen Monat bin ich dabei, dass ihr euch mal trefft.“

„Ich will ihn nicht treffen“, faucht Harry und verschränkt bockig die Arme vor der Brust. Er weiß, dass er sich kindisch verhält, aber er will Montague einfach nicht sehen. Es ist ihm sowieso ein absolutes Rätsel, was Ginny plötzlich an dem ehemaligen Quidditch-Kapitän von Slytherin nur findet.

Ginny lehnt ihren Kopf erschöpft gegen die Rückenlehne des Sofas. „Sei nicht albern, ihr seid doch keine Schüler mehr! Er hat sich geändert, ich kenne keinen, der fairer spielt als er. Nur so als Beispiel. Graham beschäftigt sich mit der Muggelwelt, er beginnt zu verstehen, dass sie nicht unser Feind sind, und Muggelgeborene keine Gefahr für die Zaubererwelt darstellen. Er ist mit diesem Weltbild aufgewachsen, aber Graham beginnt zu begreifen, dass es falsch ist – voller Angst und Vorurteilen. Er möchte sich gerne mit dir unterhalten.“

Harry schnaubt. „Ich mich aber nicht mit ihm! Schön, er ändert sich, gute Sache, aber in gewisser Weise bleibt er sich ja offenbar trotzdem treu …“

Sie blinzelt und hebt den Kopf wieder. „Bitte?!“

„Du weißt schon, was ich meine …“, murmelt Harry. Er will es nicht aussprechen müssen.

Was meinen?!“, zischt Ginny und ihre Augen bekommen diesen Ausdruck, von dem Harry weiß, wäre sie eine Aurorin, würde sich ihr Gegenüber sofort kleinlaut ergeben.

„Das weißt du doch genau“, grummelt Harry schließlich trotzig und blickt genervt weg.

Sie steht auf – er holt tief Luft.

„Graham ist nicht mit mir befreundet, weil ich reinblütig bin!“

Harry springt nun ebenfalls auf die Füße. „Ach ja? Und woher willst du das so genau wissen?! Er macht einen auf Muggelfreund, aber am Ende bleibt der Fischer doch bei seinen Netzen!“

„So ein Schwachsinn! Jetzt hörst du dich an wie ein Reinblut-Fanatiker! Ich weiß das alles übrigens so genau, weil wir seit einiger Zeit in derselben Mannschaft spielen und ich ihn seit Monaten treffe. Ich unterhalte mich mit ihm am Tag mehr als wir zwei in einer Woche!“

„Wie toll für euch! Und, habt ihr auch schon entschieden, ob eure Kinder nach Slytherin oder nach Gryffindor kommen?!“

Ginnys Gesicht wird rot vor Wut. „Wie kannst du mir so was vorwerfen?! Als hätte ich dich jemals betrogen! Du hast kein recht, so was zu sagen! Du rennst mit deinen Problemen ja sowieso nicht zu mir, sondern …“ Ginny kommt ins Stolpern, geht einen Schritt zurück und sieht aus als wollte sie gerne den Wohnzimmertisch packen und durch den Raum werfen.

Harry muss sich zusammenreißen, ihr dabei nicht zuvor zu kommen. „Sondern?“, greift er außer Atem ihren letzten Satz mit zitternder Stimme auf.

Ginny richtet ihre glühenden Augen wieder auf ihn. „Sondern zu ihr.“

Harry gibt zu, nun ist er etwas verdutzt. Seine Wut verraucht ein wenig und er runzelt leicht die Stirn. „Ihr?“

„Hermine!“

„Was ist mit Hermine?“ Harry sieht Ginny nun dümmlich an.

Sie wiederum sieht aus als würde sie Harry gerne eine runterhauen. „Was soll das heißen, was ist mit Hermine?! Du schüttest deinen Kummer bei ihr aus, ich weiß das! Über deine Vergangenheit sprichst du mit ihr nicht mit mir! Du sagst mir, du hast okay geschlafen und ihr erzählst du von deinen Albträumen! Du sagst zu mir, dein Tag war okay und ihr erzählst du, dass dein letzter Einsatz dich an damals erinnert hat!“

„Ich erzähl dir das auch, oder … Ich hab es dir erzählt, aber Hermine versteht mich!“, bricht es aus Harry heraus.

Ginny brüllt zurück. „Und ich dich etwa nicht?!“

„Nein! Du verstehst es nicht! Nicht so wie sie! Weil du das gar nicht kannst!“

Genau in dem Moment, als diese Worte aus Harry raus sind, täte er alles, um sie wieder zurücknehmen zu können.

Die Wut verebbt in Ginny, das kann er sehen. Und die Wut wird ersetzt, durch Schmerz, tiefgehendem Schmerz und schwerer Enttäuschung.

„So hab ich das nicht gemeint …“, sagt er kleinlaut.

„Doch, das hast du“, hält Ginny mit heiserer Stimme dagegen. „Du hast es genau so gemeint.“

Für einen kurzen Moment stehen sie sich gegenüber. Harry sieht sie reuevoll an, Ginny ihn zutiefst verletzt. Schließlich dreht sie sich langsam um und geht Richtung Schlafzimmer. Als sie die Tür aufstößt, muss Harry entsetzt feststellen, dass ihr Koffer schon längst gepackt war. Ginny hat damit gerechnet. Sie hatte bereits geplant, ihn heute mit einem gepackten Koffer zu verlassen, und er hat ihr die perfekte Vorlage dafür geliefert.

Er ist ehrlich mit ihr gewesen, aber nicht so, wie er es eigentlich vorgehabt hatte.

„Wo … Wo gehst du hin?“, fragt Harry mit flehender Stimme und folgt ihr stolpernd.

Ihre Hand schließt sich um den Griff des Koffers. „Das weißt du.“

„Das … Das kannst du nicht machen …“

„Nun“, sagt Ginny mit bebender Stimme und wendet sich Harry mit zitternden Lippen zu, „er versteht mich.“

„Nicht zu ihm …“, fleht Harry, erreicht Ginny und legt ihr seine bebende Hand auf die Schulter.

„Wieso nicht? Ich will auch nur verstanden werden, genau wie du. Ich gehe zu ihm. Geh du doch zu ihr …“

Bevor Harry noch ein weiteres Wort sagen kann, ist Ginny disappariert und er steht allein im Schlafzimmer.

Omniglas

Die Befürchtung, Harry könnte Hermine aus dem Schlaf reißen, war offenkundig völlig unbegründet, als sie in Jogginghose und Schlabber-T-Shirt ihm die Tür öffnet – in der Hand ein Dokument, hinter ihr Ohr eine Feder geklemmt.

„Harry!“

„Ginny hat mich verlassen!“, sprudelt es aus Harry heraus, bevor er irgendetwas anderes sagen kann. „Sie ist gegangen. Mit einem Koffer! Zu … Zu …“

Hermine tritt zur Seite, öffnet die Tür ganz und zieht Harry herein. „Komm erstmal rein, du siehst völlig fertig aus.“

„Ich … Ich will zu Montague apparieren und ihm das Gesicht so verhexen, dass Ginny es nicht erträgt, ihn anzusehen!“

„Gut, und danach machen wir dasselbe mit Lav Lav …“

„Was?“

„Ach, nichts … Nicht so wichtig … Komm!“ Hermine nimmt Harry am Arm und führt ihn ins Wohnzimmer zur Couch. Dass ihr Harrys Wohlbefinden sehr am Herzen liegt merkt er daran, dass es ihr gerade egal ist, dass er noch seine Straßenschuhe anhat. Eigentlich ein absolutes No-Go in ihrer Wohnung. Harry weiß das so genau, weil Ron sich ständig darüber beschwert hat.

Er plumpst aufs Sitzkissen und blickt mit blutunterlaufenen Augen zu Hermine auf. „Ich hab Mist gebaut!“

„O Harry, was ist denn nur passiert?“, sagt sie leise, aber mitfühlend.

Und Harry erzählt es ihr, in allen Einzelheiten.

 
 

~~~

 

„Wie wäre es mit ein bisschen Rum?“, sagt Hermine, nachdem Harry mit seinem Bericht geendet hat.

Harry liegt ausgestreckt auf der ausgezogenen Schlafcouch und blickt träge zu Hermine hinüber. „Ganz viel Rum …“

„Mhhm …“

Als Hermine mit dem Rum und zwei Gläsern zurückkommt, fragt Harry: „Was mach ich denn jetzt?!“

Hermine setzt sich und schenkt ihnen beiden ordentlich ein. „Reden solltet ihr auf jeden Fall nochmal. Selbst dann, wenn ihr nicht mehr zueinander findet.“

Harry gibt einen gequälten Laut von sich. „Jetzt will sie garantiert nicht mit mir reden, und der Gedanke, dass sie sich bei diesem Montague ausheult, ist unerträglich!“

„Na ja, um fair zu sein, du bist ja auch bei mir, was Ginny offenbar nicht schmeckt“, meint Hermine und lächelt entschuldigend.

Harry macht eine wütende, wegwerfende Handbewegung. „Du bist meine beste Freundin! Was soll ihr daran bitte nicht gefallen?! Montague ist nicht Ginnys bester Freund! Er ist ihr Quidditch-Buddy! Der Typ, den ihre Brüder in ein Verschwinde-Kabinett gestopft haben, der ihr deswegen irgendwie leid tut und derjenige, der sich angeblich geändert hat!“

Hermine holt tief Luft und nimmt einen großen Schluck Rum. Hustend antwortet sie: „Ich denke, Montague ist wohl jetzt ihr bester Freund. Außerdem wäre es ja durchaus möglich, dass er sich geändert hat. Genau genommen, kannten wir Montague eigentlich nie …“

Harry schnappt sich ebenfalls sein Glas und nimmt ebenfalls einen großen Schluck. „Entschuldige, dass ich Probleme hab denen zu trauen, nachdem sie mich umbringen wollten! Und wie meinst du das, er ist jetzt ihr bester Freund?!“

Sie zuckt schwach mit den Schultern. „Nun, Ginny sagte doch selbst, sie treffen sich seit Monaten. Reden viel miteinander. Ich denke, er könnte in der Zwischenzeit ihr bester Freund geworden sein. In gewissen Bereichen.“

Er sieht Hermine an als würde er sich gleich auf ihrem Teppich übergeben.

Hermines Wangen färben sich rötlich und das hat nichts mit dem Alkohol zu tun. „So hab ich das nicht gemeint!“

„Tja, ich kann Ginny versichern, dass ich bei dir deswegen sicher nicht bin.“

Sie prustet. „Oh, na vielen Dank.“

Harry kann sich ein leichtes Grinsen, trotz der ganzen Wut und der Trauer um Ginnys Weggang, nicht verkneifen. „Nichts für ungut. Ron hat nichts erzählt, aber du äh … machst das bestimmt ganz toll …“

Hermine schüttelt lachend den Kopf und legt eine Hand an die Stirn. „Okay, bitte … einfach das Thema wechseln, ja?“

„Ja, unbedingt“, stimmt Harry hastig verlegen zu und trinkt weiter Rum. Da Hermine keinen billigen Fusel kauft, brennt er zumindest nicht wie Harry es von billigen Alkoholen kennt. Und Seamus hat aus irgendeinem Grund ein Faible für so manche Plörre.

Nach einigen Minuten der Stille und des Rum-Trinkens, fällt Harry wieder ein, was Hermine zu Beginn gesagt hat, als er davon sprach, Montague für immer entstellen zu wollen. „Was ist eigentlich mit Ron und Lavender?“

Hermine sieht auf, ihre Lippen werden schmal. „Ron hat mir gestern mitgeteilt, dass Lavender ihn gerne … nicht nur als Bekanntschaft treffen möchte.“

„Oh.“

„Ja. Oh.“

„Aber meintest du nicht, dass das vielleicht gut ist? Dass Lavender vielleicht besser zu Ron passt als du?“

„Ich weiß, was ich gesagt hab!“, faucht Hermine unvermittelt los und stellt ihr Glas klirrend ab.

Harry schreckt überrascht auf

Hermine beißt sich auf die Unterlippe und sieht weg. „Ich weiß, was ich gesagt hab …“, wiederholt sie leiser. „Aber … Ich … Jetzt, wo es offenbar so kommt …“ Sie blickt zurück zu Harry, er kann sehen, wie sie damit kämpft ihre Tränen zurückzuhalten. „Jetzt, wo es offenbar so kommt … Tut es einfach nur so schrecklich weh …“ Für einen Moment sitzt sie da, ihr Blick unverwandt auf das Glas Rum gerichtet, schließlich verliert Hermine den Kampf mit sich selbst, krümmt sich und vergräbt ihr Gesicht in ihren Händen.

Harry stellt sein Glas neben ihres, rutscht zu ihr hinüber und legt seine Arme fest um sie. Er muss nichts sagen, er ist einfach da – Hermine drückt sich dankbar an ihn. Harry überkommt ein merkwürdiges Gefühl der Geborgenheit, während er seiner Freundin Trost spendet, denn es tröstet auch ihn.

Von Schluchzern gebeutelt, murmelt sie leise: „Das macht … keinen Sinn. Weil … Ich selbst gesagt hab, dass es ganz gut so wäre … und jetzt überleg ich’s mir anders und eigentlich nicht …“

Harry nickt und antwortet ihr sanft: „Hast du denn mit Ron geredet? Wie du dich damit fühlst, meine ich.“

„Nein“, weint Hermine. „Nein … Er hat nur gefragt und ich hab Ja gesagt, und er ist gegangen und dann war ich allein …“

„Und dann hast du dir gedacht, das ist der richtige Moment, um sich mit Troll-Recht zu beschäftigen.“

„Ja … Nein … Ach … Ich hab was zu tun gebraucht …“, murmelt sie kaum verständlich in seinen Arm.

Harry streichelt ihren Rücken und seufzt. „Ich hätte jetzt auch nichts gegen einen nervenaufreibenden Einsatz und einen Seamus, der mir erzählt, welches Fast-Food-Menü er diese Spätschicht ausprobiert hat …“

„Wer isst so was nur freiwillig …“

„Derselbe Typ, der Guinness mag …“

„Auch wieder wahr.“

Nach einigen Minuten beruhigt Hermine sich wieder, lehnt ihren Kopf gegen seine Schulter und blickt gedankenverloren ins Leere.

Harry hat weiterhin seine Arme um sie gelegt und murmelt leise: „Immerhin wirft Ron dir nicht vor, dass du mit mir redest.“

„Nein, das nicht“, antwortet sie heiser. „Aber es ist ja auch Ron …“

„Hermine!“

„Ach, stimmt doch auch …“

Harry kneift sie leicht, Hermine löst sich von ihm und haut ihm spielerisch gegen die Schulter. „Lass das!“

„Ron war brav und hat sich die Erlaubnis geholt. Ginny hat mich nicht gefragt, ob sie sich mit Montague anfreunden darf!“

Hermine sieht Harry tadelnd an. „Weil sie deine Erlaubnis nicht braucht! Es ist schließlich ihre Entscheidung, mit wem sie befreundet sein möchte.“

Harry schnaubt. „Und Rons Entscheidung, mit wem er befreundet sein möchte.“

Hermine lässt schwermütig den Kopf hängen. „Ja. Ist es ja auch.“

Harry verpasst sich mental eine Ohrfeige und legt ihr wieder den Arm um die Schulter. „‘Tschuldige. Ich bin kindisch …“

„Der Rum hilft wahrscheinlich nicht.“

„Nicht damit, nein“, gibt Harry zu und lehnt seine Stirn gegen ihre. „Und jetzt?“

„Jetzt tun wir uns beide leid.“

„Wir müssen morgen früh raus.“

„Ist nicht die erste, schlaflose Nacht.“

„Wir könnten freinehmen …“

„Das muss ich eigentlich wenigstens ein paar Tage vorher ankündigen.“

„Hast du nicht um die 120 Überstunden und mehrere Verwarnungen?“

„Du doch auch!“

„Es sind nur 90. Ich musste einmal freinehmen. Dummerweise war genau da gar kein Qudditch-Match und Ginny konnte nicht freinehmen.“

Hermine sieht Harry an, verweint, mit geröteten Wangen vom Alkohol. „Sag nicht, wir nehmen jetzt frei.“

„Ginny würde mich umbringen …“

„Ron würde mich zumindest böse anschauen …“

Harry bläst die Wangen auf, greift nach dem Glas Rum und nimmt einen weiteren, großen Schluck. „Ganz ehrlich, in meinem Zustand will mein Chef mich nicht im Einsatz haben.“

„Ich hätte morgen eigentlich ein total wichtiges Meeting, aber ich kriege keinen Satz zu Papier, der sich nicht so liest, als hätte ich einen Confundus-Zauber abbekommen …“

Harry kichert leise. „Wir verkriechen uns in deiner Wohnung. Weder Ginny noch Ron arbeiten im Ministerium …“

„Die kriegen das raus.“

Harry schwenkt den Rum und blickt ins Glas, als säße er wieder in Wahrsagen und müsse seinen x-ten Tod vorhersagen, indem er die Lichtreflexionen im Getränk interpretiert, oder so etwas ähnlich Dämliches. „Vielleicht ist morgen ein Quidditch-Match. Ich könnte hingehen, als Wiedergutmachung.“

Hermine lächelt gequält. „Sie würde wollen, dass du dich mit Graham unterhältst.“

Harry nimmt einen weiteren großen Schluck. „Scheiß drauf, Plan A war prima. Und wenigstens will Ron nicht, dass du dich mit Lavender unterhältst.“

„Mit der Dummtorte gibt’s ja auch nichts zu besprechen“, grummelt Hermine schlecht gelaunt.

„Aber Hermine“, Harry sieht sie mit gespielt großen Augen an, „vielleicht hat sie sich geändert …“

Sie grunzt undamenhaft. „Man kann nicht intelligent werden! Montague hat ja nur an seinen Ansichten geschraubt, nicht an seinem IQ.“

„Aber vielleicht an Ginnys …“

Sie sieht Harry erneut tadelnd an, er bemerkt aber sehr wohl, dass sie sich ein Grinsen verdrücken muss. Hermine lehnt sich wieder zurück, ihre Schulter an Harrys gelehnt und blickt wieder gerade aus, ihr Blick geht ins Leere. „Ich weiß nicht, was ich will …“

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ron dich so schnell aufgibt“, überlegt Harry laut, sein Blick folgt ihrem ins Nichts.

„Ich will, dass er mich aufgibt. Ich will nicht, dass er mit Lavender zusammen ist, weil … Ich will es irgendwie einfach nicht. Aber wenn er mit ihr glücklich wird? Und überhaupt, was geht es mich dann noch an …“ Sie wendet sich wieder Harry zu, er blickt wieder zu ihr.

„Hm … Ich will auch, dass Ginny glücklich ist, aber warum muss es von allen ausgerechnet Montague sein?“

Hermine muss plötzlich schief grinsen. „Wieso, wäre dir Malfoy lieber?“

„Den hätte ich sofort eingebuchtet. Mir scheiß egal, weswegen“, sagt Harry kurz angebunden, in seiner Stimme keine Spur von Sarkasmus oder Ironie.

„Aua, das nennt man Machtmissbrauch …“

„Sei still, du hast in Lavenders Akten gewühlt!“

Hermine blickt finster aus dem Fenster. „Ja. Und leider nichts gefunden …“

Harry streckt die Beine und Arme aus und macht sich auf der Couch wieder lang. „Wie du schon sagtest: was geht es uns noch an, mit wem sie zusammen kommen.“

Hermine schleppt sich träge neben ihn und lässt sich auf das Polster fallen. „So sieht’s aus. Was machen wir morgen?“

Harry seufzt und starrt an die Decke. „Arbeiten …“

„Das wird kein guter Tag.“

„Wir könnten früher Schluss machen.“

„Du meinst, zur Abwechslung nur acht statt zwölf Stunden arbeiten?“, fragt Hermine ironisch nach.

„Eine gute Übung für unsere Disziplin, oder?“, murmelt Harry, er ist so schrecklich müde, und neben Hermine fühlt er sich einfach grundsätzlich wohl. Sie riecht so … tröstlich. Ein anderes Wort fällt ihm gerade nicht ein.

Hermine summt leise zustimmend, Harry fallen die Augen zu.

Nur mal kurz ausruhen … Nicht lange, nur eine Minute …

 
 

~~~

 

„Harry! Du musst aufwachen! Harry!“

„Nur noch fünf Minuten … Ist doch nur Kräuterkunde …“

„Was? Nein! Wir kommen zur spät zur Arbeit!“

Harry schlägt zerschlagen die Augen auf, Hermine hängt über ihm, die Haare ungekämmt und die Kleidung verrutscht.

„Oh Mist!“, murmelt er erschöpft.

„Ja, das fasst es ganz gut zusammen. Komm jetzt, wir müssen los!“ Hermine packt ihn an beiden Händen und zieht ihn hoch. „Wie gut, dass du dich gestern nicht ausgezogen hast.“

„Hä?“ Harry sieht sie verdutzt an. Ausgezogen? Warum um alles in der Welt hätte er sich hier ausziehen sollen …

Hermine rollt genervt mit den Augen. „Na, dass du deine Arbeitskleidung noch an hast!“

„Oh. Ja. Macht Sinn …“

„Los jetzt! Zum Kamin, ins Ministerium!“

„Warte!“ Schlaftrunken kommt Harry auf die Beine. „Ich muss mir noch die Zähne kämmen und die Haare putzen …“

„Keine Zeit!“

 
 

~~~

 

Stephen Cornfoot blickt von seinen Papieren auf, als Harry, mit einem Kaffeebecher, gerade rechtzeitig ins Büro gelaufen kommt – noch voller Ruß, ungekämmt und gerädert.

„Hey, Harry! Wo hast du …? Oh, du siehst … Ähm …“

„Ich sehe aus, als hätte mich jemand durch den Fleischwolf gedreht?“, beendet Harry Stephens Satz und lässt sich auf den Stuhl hinter seinen Schreibtisch fallen.

Stephen runzelt die Stirn. „Was ist ein Fleischwolf?“

„Muggelding, das Fleisch zerkleinert. Nicht so wichtig. Ich hatte einen schlechten Abend. Und eine schlechte Nacht. Und einen schlechten Morgen.“

Stephen sieht ihn mitleidig an. „Uff, war Ginny wieder böse auf dich?“

Harry wiegt seinen Kopf und nippt an seinem Kaffee. „Weißt du, ich schätze deine Anteilnahme, aber ich mag nicht darüber reden. Lass uns arbeiten. Wo steckt überhaupt Seamus?“

„Der ist gerade beim Boss, sein Informant war gerade da, hast ihn leider verpasst. Es gibt eine Spur. Du weißt schon, diese Hexe …“

„Wo, glaubt ihr, steckt sie?“

„Das wird dir gefallen!“

 
 

~~~

 

Das Stadion bebt und bricht in lauten Jubel aus, als der Quaffel in die Luft geworfen wird und die Jäger sich sofort auf den eigentümlichen Ball stürzen.

Harry reißt seinen Blick vom Spielgeschehen los. So gerne er Ginny beim Spielen zusehen würde, aber er ist beruflich hier. Diese nervtötende Hexe soll sich angeblich ausgerechnet hier herumtreiben. Was die Frau bei einem Quidditch-Match zu suchen hat ist zwar allen ein Rätsel, aber der Informant schwört, dass sie hier sei. So unwahrscheinlich es erscheinen mag, sie müssen der Spur nachgehen.

Harry trägt seinen Zauberstab verborgen in seinem Mantel, griffbereit. Er und seine Kollegen sind ausgeschwärmt und bewegen sich möglichst unauffällig zwischen den Rängen. Dass hier Auroren einem Einsatz nachgehen, soll möglichst unauffällig von statten gehen, am besten gar nicht bemerkt werden – man will ja keine Unruhe auslösen.

Nicht weit von Harry schiebt sich Seamus zwischen den Zuschauern hindurch und betrachtet seine Umgebung mit Argusaugen, Harry macht es ihm gleich. Mit halbem Ohr hört er der Stadionsprecherin zu.

„Und der Quaffel geht in Besitz von Weasley! Zurück zu Montague! Zurück zu Weasley! Jetzt zu Merryweather! Und wieder zu Montague!“

Auf der anderen Seite will Harry vielleicht doch nicht so genau zu hören.

„Potter?! Was treibst du denn hier? Du willst mir doch nicht erzählen, dass du dir tatsächlich ein Spiel von deiner Freundin ansiehst.“

Ihr wollt mich doch alle verarschen, denkt Harry, schließt kurz die Augen und wendet sich der schleppenden Stimme zu.

Auf einen der Ränge sitzt Draco Malfoy, so blass wie immer, dunkel gekleidet, das sonst glatte, weißblonde Haar vom Wind zerzaust und um den Hals hängt ihm ein Fernglas. Seine Arme hat er vor der Brust verschränkt, fragend zieht er eine Augenbraue hoch.

„Was machst du hier, Malfoy?“, fragt Harry etwas lauter, die Menge ist unerträglich laut.

„Nach was sieht es denn aus! Und du?“

„Arbeiten.“

Draco runzelt die Stirn. „Du meinst, hier treibt sich ein Schwarzmagier herum?“

„Eine Hexe … Egal, ich kann dir keine Details erzählen“, erklärt Harry, blickt nach vorn und stellt fest, dass Seamus schon ein gutes Stück vorgegangen ist und er ihm unbedingt auf den Fersen bleiben muss. „Vielleicht sehen wir uns ja wann anders, ich muss jetzt los …“

„Es ist aber nicht gefährlich, hier zu sein, oder?!“, hakt Draco nach,

sieht Harry misstrauisch an und spielt mit seinem Fernglas herum.

Der Auror setzt an, um seinem ehemaligen Feind zu sagen, dass die Frau nicht zu Kollateralschäden neigt, aber … „Kann ich dir nicht versprechen …“

Dracos unglücklicher Gesichtsausdruck muntert Harry ungemein auf. Mit sich zufrieden eilt er los und heftet sich wieder an Seamus‘ Fersen und hört, dass Montague ein Tor für sein Team geschossen hat.

 
 

~~~

 

„Sie ist also nicht hier, unsere gesuchte Person?“

„Nein, Sir.“

„Verstehe. Potter!“

„Ja, Sir?“

„Sie sehen aus, als wären Sie durch den Fleischwolf gedreht worden! Sie wissen hoffentlich, was ein Fleischwolf ist …“

„Das weiß ich, Sir.“

„Gut. Nehmen Sie sich den Rest des Tages frei. Wegtreten!“

„Ja, Sir.“

 
 

~~~

 

„Potter …“

Harry schließt die Augen. Er hat sich gerade gesetzt und gedacht, dass er zwar mit sich kämpfen muss, keinen Zauber gegen Montague zu wirken, aber zumindest kann er endlich ein Spiel von Ginny sehen. Aber sein Schicksal kann ihn offenbar nicht ausstehen und spuckt ihm Malfoy vor die Füße.

„Malfoy …?“, sagt Harry leise, die Augen immer noch geschlossen.

„Ich dachte, du musst arbeiten, Potter.“

„Hab frei bekommen.“

„Und diese Hexe?“

„Ist nicht hier.“

„Oh, gut. Kann ich mich neben dich setzen?“

Harry würde am liebsten „Nein, und jetzt verschwinde endlich, ich bin schon genug geplagt!“ schreien, aber der Anstand gebietet, dass er stattdessen mit „Ja, wieso nicht“ antwortet.

Draco setzt sich neben ihm, lehnt sich zurück und drückt sich das Fernglas gegen die Augen. Harry betrachtet es neidisch, er kann mit seinen schlechten Augen das Spiel nicht sonderlich gut verfolgen und muss sich auf die Stadionsprecherin verlassen. Genauer genommen ist es gar kein Fernglas, sondern sogar ein Omniglas, wie Harry beim genaueren Betrachten bemerkt. Omnigläser, mit ihnen kann man das Spielgeschehen nochmal verlangsamt betrachten, sich die Spielernamen einblenden lassen, die Namen der Manöver anzeigen und vieles mehr.

„Hätte meins auch mitnehmen sollen“, murmelt Harry genervt und richtet den Blick wieder aufs Spielfeld. Irgendwer hat den Quaffel und irgendwas passiert, aber außer, dass da in der Luft ein einziges Durcheinander herrscht, kann Harry nicht wirklich viel erkennen.

„Wie meinen?“, fragt Draco schleppend nach, das Omniglas weiterhin im Gesicht.

„Omniglas, hätte meins mitnehmen sollen. Gehört eigentlich zur Aurorenausrüstung. Sind sehr nützlich, um festzustellen, wer beim Zugriff Mist gebaut hat und wo der Verbrecher hin ist.“

„Ach so. Ginny wird sich sicher freuen, dass du heute hier bist, was?“

„Jaah … Ich denke schon …“

Draco wendet sich ihm zu und runzelt die Stirn. „Du denkst? Wo du’s doch sonst nie schaffst, ihre Spiele zu sehen … Ich bin ja hauptsächlich wegen Graham hier. Ich schau mir fast alle an, hab aber auch nix Besseres zu tun, vorerst.“

Harry gibt sich große Mühe, keine Miene zu verziehen. „Ginny meint, er macht sich ganz toll … Dass er Muggeklkram interessant findet, irgendwie so …“

Draco drückt sich wieder das Omniglas auf die Augen. „Es ist schon ein bisschen mehr als das. Weißt du, wir haben es gerade nicht sonderlich leicht.“

Harry betrachtet Draco fragend. „Wer ist „wir“?“

„Wir, die mit Riddle zu tun hatten. Wir, die da mehr oder weniger mit reingezogen wurden. Wir, denen jetzt keiner über den Weg traut. Wir, die auf der falschen Seite standen, als der großartige Harry Potter uns alle gerettet hat. Wir eben.“ Während Draco das erklärt, wendet er den Blick nicht vom Spiel ab, aber Harry fällt sehr wohl auf, dass er dem Spielgeschehen mit seinem Omniglas nicht folgt. Er entscheidet, Dracos Spitze über seine Großartigkeit zu überhören.

„Ihr seid also damit beschäftigt, euch als gesellschaftsfähig zu etablieren“, schlussfolgert Harry.

Draco seufzt leise. „Ja, kann man so sagen. Wir dachten, das achte Jahr in Hogwarts würde dabei helfen. Hat nicht geklappt. Graham hatte dann diese Idee, dass wir uns zusammensetzen, vor allem mit Muggelgeborenen.“

„Ist sicher hilfreich, dass meine … Freundin ihm dabei hilft“, murmelt Harry zerknirscht.

Draco setzt das Omniglas nun doch ab. „Ist es, sehr sogar. Und ich bin es leid, mich in meinen eigenen vier Wänden zu verschanzen. Wir brauchen Leute wie deine Freundin. Leute, die uns eine Chance geben. Leute, die was zu melden haben, die Helden eben.“

Ginny schafft es, ein Tor für ihr Team zu werfen und das Stadion bricht in Jubelrufe aus. Eigentlich müsste Harry jetzt mitjubeln, aber er ist völlig in Gedanken versunken. Ja, sie hat ständig davon gesprochen, dass Montague sich geändert habe, dass sie das so toll findet … Von all dem anderen hat Harry allerdings nichts mitbekommen. Wenn er ehrlich ist, denkt er über die ehemaligen Todesser und deren Kinder nicht viel nach, so lange sie ihm bei seiner Arbeit als Auror nicht in die Quere kommen.

Ein Klatscher trifft beinahe Ginny, sie kann gerade so ausweichen. Harry hofft, dass der nächste Montague trifft. Für einen Moment herrscht Unruhe, weil die Sucher sich in Bewegung setzen, aber dann scheint der Schnatz doch nicht aufgetaucht zu sein.

Harry muss dann doch noch eine Frage stelle: „Du schaust dir einfach das Spiel von Montague an?“

„Auch. Aber das ist nur ein Zusatz. Graham meinte, nach dem Spiel … Ginny hätte Zeit, wir könnten uns um eine Kampagne kümmern. Sie meinte, sie hätte jetzt viel mehr Freizeit dafür, hat sie zumindest heute Morgen geschrieben. Warum, hat sie nicht erwähnt.“

„Sie schreibt dir?“ Harry kann seine Überraschung nicht darüber verbergen, dass seine Ex-Freundin mit Draco Briefkontakt hat. Wenn er bedenkt, dass Draco damals in der Schule Ginnys Vornamen noch nicht mal auf die Kette bekam …

Draco wirkt genauso überrascht. „Hat sie dir nicht gesagt? Ja, wir schreiben. Blaise, Theodore und Pansy sind auch da. Ginny hat davon geredet, du könntest uns vielleicht helfen. Aber du bist natürlich nie gekommen.“

Harry fühlt sich unwohl in seiner Haut. Um fair zu sein, dass es um viel mehr ging als Graham kennenzulernen, das hat Harry nicht gewusst. Wäre er gekommen, wenn er gewusst hätte, dass es auch darum ging, Leuten wie Malfoy unter die Arme zu greifen? Er denkt einen kurzen Moment darüber nach und muss zugeben, vielleicht nicht. Oder, nicht allein. Vielleicht zusammen mit Hermine. Hermine wäre auf jeden Fall gekommen. Hermine redet selbst davon, dass man diesen Leuten eine Chance geben müsse, sonst würden sie sich nur dem nächsten, schwarzen Magier zuwenden, oder irgendwem, der sie Teil von etwas sein lässt. Harry findet, er versteht doch gar nichts von alle dem, von Kampagnen, von Öffentlichkeitsarbeit, wenn man es so nennen will. Er hat nicht eine Idee, wie er Malfoy und den anderen helfen könnte zu beweisen, dass sie nun zu den Guten gehörten. Und außerdem … Woher soll Harry wissen, dass das auch wirklich so ist?

„Ist schon gut“, sagt Draco und reißt Harry aus seinen Gedankengängen. „Ich hab nie daran geglaubt, dass du kommst. Nicht nur, weil du uns vielleicht nicht traust und so und mich auf den Tod nicht ausstehen kannst … Du schaffst es ja nicht mal zu Ginnys Spielen – zu den Spielen deiner eigenen Freundin.“

„Ich kann dich minimal besser ausstehen als zu Schulzeiten. Und als Auror hat man immer viel zu tun …“, murmelt Harry, den Blick aufs Spielfeld gerichtet.

„Ich kann dich auch minimal besser ausstehen. Oder das sind noch die Nachwirkungen, weil du mich nicht hast verbrennen lassen. Ginny hat auch immer gesagt, dass du viel zu tun hast.“

Das Stadion erbebt unter lauten Jubelrufen, die Zuschauer springen auf, klatschen, schreien und rufen. Harry blinzelt. Offenbar hat Ginnys Mannschaft es geschafft, sie haben den Schnatz gefangen.

Draco brummt genervt. „Jetzt hab ich das verpasst …“

„Hast doch ein Omniglas.“

„Ja, aber hab nicht drauf gehalten!“

„Trottel“, kichert Harry.

Draco schnaubt und grinst. „Ach halt’s Maul, Potter!“

Die Spieler reichen sich die Hände, man beglückwünscht einander, die Sieger fallen einander um den Hals. Harry muss sehr an sich halten, seinen Zauberstab nicht zu ziehe, als Montague Ginny umarmt und glücklich durch die Luft wirbelt.

Aus irgendeinem Grund bietet Draco ihm ausgerechnet jetzt sein Omniglas an, Harry knurrt, dass er es ihn sonst wohin steckt, wenn er es ihm nochmal anbietet. Verdutzt zieht Draco es Schulter zuckend zurück.

„Kommst du mit?“, fragt Draco und steht auf, streicht sich die Kleidung glatt und streckt sich.

Harry zögert. Ginny ist sicher nicht gut auf ihn zusprechen. Er befürchtet, dass das Draco und seiner Truppe aus reuevollen ehemaligen Todessern nicht entgehen wird. Aber er hat sich ihr Spiel angesehen, vielleicht stimmt sie das ja etwas milde …

Der Auror steht nervös auf, sein Magen rebelliert. Er zwingt sich ein Lächeln auf die Lippen und nickt Draco zu.

 
 

~~~

 

„Mehr Rum.“

„Wir sollten nicht so viel trinken …“

„Eher mehr.“

„Ach, Harry …“

„Es hat sie nicht besonders beeindruckt, dass ich beim Quidditch-Spiel gewesen bin …“

Hermine streichelt liebevoll Harrys Arm. „Na ja, sie war ja auch noch sehr aufgebracht. Das war zu erwarten …“

Harry nippt an seinem Rum. „Sie hat mit Malfoy geschrieben … Mit Malfoy. Und mir davon kein Wort gesagt!“

Hermine nickt, kaut auf ihrer Unterlippe und meint: „Nun, sie wusste, dass du es nicht gut aufnehmen würdest.“

„Du meinst, deswegen hat sie’s mir lieber verschwiegen?!“, murrt Harry aufgebracht und starrt finster vor sich hin.

Sie lehnt ihren Kopf gegen seine Schulter und legt ihren Arm um ihn. „Ich glaube, sie hat auf den richtigen Moment gewartet, um mit dir darüber zu reden.“

Harry seufzt leise und schmiegt sich an sie. Ihm wird wieder schmerzlich bewusst, dass er meistens nicht reden wollte. Er kam erschöpft nach Hause, er wollte nur noch eine schöne Zeit mit ihr verbringen und nicht über irgendwas Anstrengendes reden müssen. Es war Ginny wichtig gewesen und er hatte das nicht erkennen wollen.

„Ich hab ihr nicht zugehört …“, stellt er nüchtern fest und verpasst sich mental eine Ohrfeige.

Hermine summt zustimmend. „Ich Ron auch nicht …“

„Immerhin hören wir uns gegenseitig zu …“

„Da sollten wir von lernen, oder?“

„Was meinst du, wie lange sollte ich Ginny in Ruhe lassen?“

Hermine denkt eine Weile nach, das Glas Rum in der Hand schwenkend. „Ein paar Tage … Ron will mit mir reden, ich will aber gerade nicht.“

„Ich sag ihm, er soll’s in ein paar Tagen nochmal versuchen.“

Hermine lacht leise, unendlich müde. „Wenigstes ist morgen Wochenende …“

„Bei mir heißt das ja nicht viel.“

„Bei mir eigentlich auch nicht.“

„Vielleicht dieses eine Wochenende nicht arbeiten …“

„Vielleicht …“

Nach einigen Minuten des Schweigens entscheidet Hermine, das es so nicht weitergehen kann und sie beschließt, dass sie sich jetzt irgendeine hirnlose Muggel-Show im Fernsehen anschauen.

Nachdem etwas angemessen Hirnloses gefunden wird, lästern sie die halbe Nacht über das Fernsehen, holen sich Nachos und Popcorn und Cola. Und ein bisschen Rum – für die Cola natürlich.

Irgendwann fallen ihnen die Augen zu und sie schlafen aneinander gekuschelt vor dem Fernseher ein.

Harry träumt davon, dass er Dracos Omniglas doch annimmt. Wenn er hindurch blickt, sieht er immer und immer wieder, wie Montague Ginny umarmt, in die Luft hebt und herumwirbelt. Wie sie lachen und sich ausgelassen über ihren Sieg freuen. Aber aus irgendeinem Grund fühlt er sich nicht wütend, denn Ginny sieht endlich wieder glücklich aus.

Harry weiß, dass jemand neben ihm sitzt, nicht Draco – versteht sich, der ihn auch glücklich macht. Aber irgendwie kann er einfach nicht sagen, wer das ist …


Nachwort zu diesem Kapitel:
Bei den Schlagworten hab ich es schon angegeben: die Geschichte ist einfach sehr dialoglastig, das muss man wohl mögen. Mir macht es Spaß, die Charaktere sprechen zu lassen. ich hoffe, euch auch :) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Das Kapitel war ursprünglich länger. Mir wurde es zu lang, darum hab ich es geteilt. Das Folge-Kapitel wird Anfang nächster Woche erscheinen. Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (4)

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Von:  swetty-mausi
2024-02-29T12:25:37+00:00 29.02.2024 13:25
Tolle Geschichte
Antwort von:  Sas-_-
29.02.2024 16:11
Danke <3
Von:  York
2018-05-08T16:31:25+00:00 08.05.2018 18:31
Wow. Ein wunderschöner OS! Sehr tolle dialoge und ein unglaublich guter Schreibstil! Mein problem mit One shots ist dass sie einfach nicht weiter gehen.. Die Handlung macht nämlich unheimlich viel lust auf mehr! Auch dass du einige Referenzen aus den HP Teilen mit eingebunden und sie auf die Charaktere hast wirken lassen war nochmal ein Grund warum mich die kleine Geschichte so überzeugt hat.
Sehr gelungen, weiter so :)
Antwort von:  Sas-_-
31.05.2018 11:07
Ich bin mal wieder spät dran o.o

Hoi :D
Vielen lieben Dank für das dicke Lob ^-^ Mein Problem mit langen Geschichten ist, dass ich das einfach nicht kann >.> :DD Ich bin tatsächlich ein OS-Profi und ein Epic-Doofie -_-
Ich freu mich sehr, dass mein OS dir so gut gefallen hat :3 Vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren!

LG
Sas-_-
Von:  notalovegirl
2017-12-25T10:13:55+00:00 25.12.2017 11:13
Hallihallöchen!

Ich hab seit langem wieder in bisschen in der FF-Ecke gestöbert und bin auf deinen schönen OS gestoßen.
Deinen Schreibstil finde ich bemerkenswert. Die Wortwahl ist sehr vielfältig, aber schön passend, vor allem zur Thematik.
Über die Konversationen brauche ich, glaube ich, nichts sagen. Die sind nahezu perfekt. Ich habe jeden einzelnen Satz genossen, sehr passend getroffen!

Es wundert mich, dass hier so wenig Kommentare gibt! Dieser OS ist wunderschön. ♥

Liebe Grüße,
notalovegirl
Antwort von:  Sas-_-
21.01.2018 12:34
Hi Hi °^°/

Ich freue mich sehr, dass du über meinen OS gestolpert bist (entschuldige die späte Antwort ^-^"). Ich bin immer sehr glücklich, wenn den Leuten mein Schreibstil gefällt. Ich bin sehr kritisch und überarbeite auch veröffentlichte OS immer wieder mal :D Ich wunder mich nicht, dass hier so wenige Kommentare sind .__. Dafür freue ich mich über die wenigen, die mir welche hinterlassen :3
Vielen lieben Dank für das Lob, das Lesen und natürlich Kommentieren ^-^

LG
Sas-_-
Von: Swanlady
2017-01-06T13:45:38+00:00 06.01.2017 14:45
Hey!

Ich dachte mir, dass ich hier mal reinschnuppere, wo du mich doch so nett an meine Harry/Hermine-Liebe erinnert hast. Es war mein erstes HP-Ship, ich hab es schon im Stein der Weisen geliebt – und da war ich 11 und wusste noch gar nicht, was „shipping“ bedeutet!
Silvester ist noch gar nicht so lang her, weshalb die Thematik schön zur aktuellen Neujahrsstimmung gepasst hat. Ich mochte das Leitmotiv der Kommunikation/Seelenverwandtschaft, die das Pairing auch für mich auszeichnet. Sie verstehen sich eben in den meistens Situationen wirklich wortlos. Dass sie sich über ihre kriselnden Beziehungen unterhalten haben und gleichzeitig mehrfach Körperkontakt bestand, war wirklich bittersüß – man hat sich als Leser ständig gewünscht, dass sie Ron und Ginny für einen Moment vergessen und bemerken, was direkt vor ihren Augen ist.
Aber so funktioniert das im Leben nun mal nicht immer, weshalb das Ende der Geschichte durchaus realistisch war. Es ist sehr offen – vieles bleibt ungesagt, aber auch darin versteckt sich wieder das Leitmotiv. Harry und Hermine verstehen trotzdem, was zwischen den Zeilen gesagt wurde. Zumindest bin ich fest davon überzeugt und klammere mich an das kleine Fünkchen Hoffnung, dass sie zukünftig vielleicht doch noch zusammenfinden.
Ein sehr hübscher OS! :)

LG
Swanlady
Antwort von:  Sas-_-
06.01.2017 15:09

Heey :D Ich geb zu, dein OS hat mich auf die Idee gebracht, etwas auszuprobieren, ohne zu wissen, ob das dann auch was wird ... Aber dann hatte ich den Anfang und wollte es fertig machen und weil Silvester mit das Thema war, konnt ich mir auch nicht so viel Zeit lassen ...
Er existiert, damit ich vielleicht eine Fortsetzung oder ähnliches draus machen kann :] Ja, du sagtest es, Seelenverwandtschaft, das Verständnis füreinander, ohne, dass das groß erklärt werden muss. Hat auch mir bei HH immer so gut gefallen, weshalb es automatisch mit eingeflossen ist.
Die ständigen Berührungen sind mehrdeutig, wenn man so will. Unter engen Freunden ist es ja gar nicht so ungewöhnlich, das kenne ich von mir selbst :] Und da hat diese große Nähe z.B. gar keine sexuelle Komponente, nur als Beispiel. Hier bei HH hat es aber die Mehrdeutigkeit, dass es freundschaftlich gedacht war, aber auch anders empfunden werden kann :]
Im Bezug auf den Aufbau des Pairings hier, brauchen Harry und Hermine vermutlich sogar noch etwas, um zu sehen, dass sie als Partner funktionieren würden, auch wenn es, diffus, ihnen bewusst ist :D Wegen deines Fünkchen Hoffnung^^
Ich freu mich, dass du den OS gelesen und so ausführlich kommentiert hast!^^ Vielen Dank dafür :]

LG
Sas-_-


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