Zum Inhalt der Seite

Illuminated

Harry/Hermine
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Omniglas

Die Befürchtung, Harry könnte Hermine aus dem Schlaf reißen, war offenkundig völlig unbegründet, als sie in Jogginghose und Schlabber-T-Shirt ihm die Tür öffnet – in der Hand ein Dokument, hinter ihr Ohr eine Feder geklemmt.

„Harry!“

„Ginny hat mich verlassen!“, sprudelt es aus Harry heraus, bevor er irgendetwas anderes sagen kann. „Sie ist gegangen. Mit einem Koffer! Zu … Zu …“

Hermine tritt zur Seite, öffnet die Tür ganz und zieht Harry herein. „Komm erstmal rein, du siehst völlig fertig aus.“

„Ich … Ich will zu Montague apparieren und ihm das Gesicht so verhexen, dass Ginny es nicht erträgt, ihn anzusehen!“

„Gut, und danach machen wir dasselbe mit Lav Lav …“

„Was?“

„Ach, nichts … Nicht so wichtig … Komm!“ Hermine nimmt Harry am Arm und führt ihn ins Wohnzimmer zur Couch. Dass ihr Harrys Wohlbefinden sehr am Herzen liegt merkt er daran, dass es ihr gerade egal ist, dass er noch seine Straßenschuhe anhat. Eigentlich ein absolutes No-Go in ihrer Wohnung. Harry weiß das so genau, weil Ron sich ständig darüber beschwert hat.

Er plumpst aufs Sitzkissen und blickt mit blutunterlaufenen Augen zu Hermine auf. „Ich hab Mist gebaut!“

„O Harry, was ist denn nur passiert?“, sagt sie leise, aber mitfühlend.

Und Harry erzählt es ihr, in allen Einzelheiten.

 
 

~~~

 

„Wie wäre es mit ein bisschen Rum?“, sagt Hermine, nachdem Harry mit seinem Bericht geendet hat.

Harry liegt ausgestreckt auf der ausgezogenen Schlafcouch und blickt träge zu Hermine hinüber. „Ganz viel Rum …“

„Mhhm …“

Als Hermine mit dem Rum und zwei Gläsern zurückkommt, fragt Harry: „Was mach ich denn jetzt?!“

Hermine setzt sich und schenkt ihnen beiden ordentlich ein. „Reden solltet ihr auf jeden Fall nochmal. Selbst dann, wenn ihr nicht mehr zueinander findet.“

Harry gibt einen gequälten Laut von sich. „Jetzt will sie garantiert nicht mit mir reden, und der Gedanke, dass sie sich bei diesem Montague ausheult, ist unerträglich!“

„Na ja, um fair zu sein, du bist ja auch bei mir, was Ginny offenbar nicht schmeckt“, meint Hermine und lächelt entschuldigend.

Harry macht eine wütende, wegwerfende Handbewegung. „Du bist meine beste Freundin! Was soll ihr daran bitte nicht gefallen?! Montague ist nicht Ginnys bester Freund! Er ist ihr Quidditch-Buddy! Der Typ, den ihre Brüder in ein Verschwinde-Kabinett gestopft haben, der ihr deswegen irgendwie leid tut und derjenige, der sich angeblich geändert hat!“

Hermine holt tief Luft und nimmt einen großen Schluck Rum. Hustend antwortet sie: „Ich denke, Montague ist wohl jetzt ihr bester Freund. Außerdem wäre es ja durchaus möglich, dass er sich geändert hat. Genau genommen, kannten wir Montague eigentlich nie …“

Harry schnappt sich ebenfalls sein Glas und nimmt ebenfalls einen großen Schluck. „Entschuldige, dass ich Probleme hab denen zu trauen, nachdem sie mich umbringen wollten! Und wie meinst du das, er ist jetzt ihr bester Freund?!“

Sie zuckt schwach mit den Schultern. „Nun, Ginny sagte doch selbst, sie treffen sich seit Monaten. Reden viel miteinander. Ich denke, er könnte in der Zwischenzeit ihr bester Freund geworden sein. In gewissen Bereichen.“

Er sieht Hermine an als würde er sich gleich auf ihrem Teppich übergeben.

Hermines Wangen färben sich rötlich und das hat nichts mit dem Alkohol zu tun. „So hab ich das nicht gemeint!“

„Tja, ich kann Ginny versichern, dass ich bei dir deswegen sicher nicht bin.“

Sie prustet. „Oh, na vielen Dank.“

Harry kann sich ein leichtes Grinsen, trotz der ganzen Wut und der Trauer um Ginnys Weggang, nicht verkneifen. „Nichts für ungut. Ron hat nichts erzählt, aber du äh … machst das bestimmt ganz toll …“

Hermine schüttelt lachend den Kopf und legt eine Hand an die Stirn. „Okay, bitte … einfach das Thema wechseln, ja?“

„Ja, unbedingt“, stimmt Harry hastig verlegen zu und trinkt weiter Rum. Da Hermine keinen billigen Fusel kauft, brennt er zumindest nicht wie Harry es von billigen Alkoholen kennt. Und Seamus hat aus irgendeinem Grund ein Faible für so manche Plörre.

Nach einigen Minuten der Stille und des Rum-Trinkens, fällt Harry wieder ein, was Hermine zu Beginn gesagt hat, als er davon sprach, Montague für immer entstellen zu wollen. „Was ist eigentlich mit Ron und Lavender?“

Hermine sieht auf, ihre Lippen werden schmal. „Ron hat mir gestern mitgeteilt, dass Lavender ihn gerne … nicht nur als Bekanntschaft treffen möchte.“

„Oh.“

„Ja. Oh.“

„Aber meintest du nicht, dass das vielleicht gut ist? Dass Lavender vielleicht besser zu Ron passt als du?“

„Ich weiß, was ich gesagt hab!“, faucht Hermine unvermittelt los und stellt ihr Glas klirrend ab.

Harry schreckt überrascht auf

Hermine beißt sich auf die Unterlippe und sieht weg. „Ich weiß, was ich gesagt hab …“, wiederholt sie leiser. „Aber … Ich … Jetzt, wo es offenbar so kommt …“ Sie blickt zurück zu Harry, er kann sehen, wie sie damit kämpft ihre Tränen zurückzuhalten. „Jetzt, wo es offenbar so kommt … Tut es einfach nur so schrecklich weh …“ Für einen Moment sitzt sie da, ihr Blick unverwandt auf das Glas Rum gerichtet, schließlich verliert Hermine den Kampf mit sich selbst, krümmt sich und vergräbt ihr Gesicht in ihren Händen.

Harry stellt sein Glas neben ihres, rutscht zu ihr hinüber und legt seine Arme fest um sie. Er muss nichts sagen, er ist einfach da – Hermine drückt sich dankbar an ihn. Harry überkommt ein merkwürdiges Gefühl der Geborgenheit, während er seiner Freundin Trost spendet, denn es tröstet auch ihn.

Von Schluchzern gebeutelt, murmelt sie leise: „Das macht … keinen Sinn. Weil … Ich selbst gesagt hab, dass es ganz gut so wäre … und jetzt überleg ich’s mir anders und eigentlich nicht …“

Harry nickt und antwortet ihr sanft: „Hast du denn mit Ron geredet? Wie du dich damit fühlst, meine ich.“

„Nein“, weint Hermine. „Nein … Er hat nur gefragt und ich hab Ja gesagt, und er ist gegangen und dann war ich allein …“

„Und dann hast du dir gedacht, das ist der richtige Moment, um sich mit Troll-Recht zu beschäftigen.“

„Ja … Nein … Ach … Ich hab was zu tun gebraucht …“, murmelt sie kaum verständlich in seinen Arm.

Harry streichelt ihren Rücken und seufzt. „Ich hätte jetzt auch nichts gegen einen nervenaufreibenden Einsatz und einen Seamus, der mir erzählt, welches Fast-Food-Menü er diese Spätschicht ausprobiert hat …“

„Wer isst so was nur freiwillig …“

„Derselbe Typ, der Guinness mag …“

„Auch wieder wahr.“

Nach einigen Minuten beruhigt Hermine sich wieder, lehnt ihren Kopf gegen seine Schulter und blickt gedankenverloren ins Leere.

Harry hat weiterhin seine Arme um sie gelegt und murmelt leise: „Immerhin wirft Ron dir nicht vor, dass du mit mir redest.“

„Nein, das nicht“, antwortet sie heiser. „Aber es ist ja auch Ron …“

„Hermine!“

„Ach, stimmt doch auch …“

Harry kneift sie leicht, Hermine löst sich von ihm und haut ihm spielerisch gegen die Schulter. „Lass das!“

„Ron war brav und hat sich die Erlaubnis geholt. Ginny hat mich nicht gefragt, ob sie sich mit Montague anfreunden darf!“

Hermine sieht Harry tadelnd an. „Weil sie deine Erlaubnis nicht braucht! Es ist schließlich ihre Entscheidung, mit wem sie befreundet sein möchte.“

Harry schnaubt. „Und Rons Entscheidung, mit wem er befreundet sein möchte.“

Hermine lässt schwermütig den Kopf hängen. „Ja. Ist es ja auch.“

Harry verpasst sich mental eine Ohrfeige und legt ihr wieder den Arm um die Schulter. „‘Tschuldige. Ich bin kindisch …“

„Der Rum hilft wahrscheinlich nicht.“

„Nicht damit, nein“, gibt Harry zu und lehnt seine Stirn gegen ihre. „Und jetzt?“

„Jetzt tun wir uns beide leid.“

„Wir müssen morgen früh raus.“

„Ist nicht die erste, schlaflose Nacht.“

„Wir könnten freinehmen …“

„Das muss ich eigentlich wenigstens ein paar Tage vorher ankündigen.“

„Hast du nicht um die 120 Überstunden und mehrere Verwarnungen?“

„Du doch auch!“

„Es sind nur 90. Ich musste einmal freinehmen. Dummerweise war genau da gar kein Qudditch-Match und Ginny konnte nicht freinehmen.“

Hermine sieht Harry an, verweint, mit geröteten Wangen vom Alkohol. „Sag nicht, wir nehmen jetzt frei.“

„Ginny würde mich umbringen …“

„Ron würde mich zumindest böse anschauen …“

Harry bläst die Wangen auf, greift nach dem Glas Rum und nimmt einen weiteren, großen Schluck. „Ganz ehrlich, in meinem Zustand will mein Chef mich nicht im Einsatz haben.“

„Ich hätte morgen eigentlich ein total wichtiges Meeting, aber ich kriege keinen Satz zu Papier, der sich nicht so liest, als hätte ich einen Confundus-Zauber abbekommen …“

Harry kichert leise. „Wir verkriechen uns in deiner Wohnung. Weder Ginny noch Ron arbeiten im Ministerium …“

„Die kriegen das raus.“

Harry schwenkt den Rum und blickt ins Glas, als säße er wieder in Wahrsagen und müsse seinen x-ten Tod vorhersagen, indem er die Lichtreflexionen im Getränk interpretiert, oder so etwas ähnlich Dämliches. „Vielleicht ist morgen ein Quidditch-Match. Ich könnte hingehen, als Wiedergutmachung.“

Hermine lächelt gequält. „Sie würde wollen, dass du dich mit Graham unterhältst.“

Harry nimmt einen weiteren großen Schluck. „Scheiß drauf, Plan A war prima. Und wenigstens will Ron nicht, dass du dich mit Lavender unterhältst.“

„Mit der Dummtorte gibt’s ja auch nichts zu besprechen“, grummelt Hermine schlecht gelaunt.

„Aber Hermine“, Harry sieht sie mit gespielt großen Augen an, „vielleicht hat sie sich geändert …“

Sie grunzt undamenhaft. „Man kann nicht intelligent werden! Montague hat ja nur an seinen Ansichten geschraubt, nicht an seinem IQ.“

„Aber vielleicht an Ginnys …“

Sie sieht Harry erneut tadelnd an, er bemerkt aber sehr wohl, dass sie sich ein Grinsen verdrücken muss. Hermine lehnt sich wieder zurück, ihre Schulter an Harrys gelehnt und blickt wieder gerade aus, ihr Blick geht ins Leere. „Ich weiß nicht, was ich will …“

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ron dich so schnell aufgibt“, überlegt Harry laut, sein Blick folgt ihrem ins Nichts.

„Ich will, dass er mich aufgibt. Ich will nicht, dass er mit Lavender zusammen ist, weil … Ich will es irgendwie einfach nicht. Aber wenn er mit ihr glücklich wird? Und überhaupt, was geht es mich dann noch an …“ Sie wendet sich wieder Harry zu, er blickt wieder zu ihr.

„Hm … Ich will auch, dass Ginny glücklich ist, aber warum muss es von allen ausgerechnet Montague sein?“

Hermine muss plötzlich schief grinsen. „Wieso, wäre dir Malfoy lieber?“

„Den hätte ich sofort eingebuchtet. Mir scheiß egal, weswegen“, sagt Harry kurz angebunden, in seiner Stimme keine Spur von Sarkasmus oder Ironie.

„Aua, das nennt man Machtmissbrauch …“

„Sei still, du hast in Lavenders Akten gewühlt!“

Hermine blickt finster aus dem Fenster. „Ja. Und leider nichts gefunden …“

Harry streckt die Beine und Arme aus und macht sich auf der Couch wieder lang. „Wie du schon sagtest: was geht es uns noch an, mit wem sie zusammen kommen.“

Hermine schleppt sich träge neben ihn und lässt sich auf das Polster fallen. „So sieht’s aus. Was machen wir morgen?“

Harry seufzt und starrt an die Decke. „Arbeiten …“

„Das wird kein guter Tag.“

„Wir könnten früher Schluss machen.“

„Du meinst, zur Abwechslung nur acht statt zwölf Stunden arbeiten?“, fragt Hermine ironisch nach.

„Eine gute Übung für unsere Disziplin, oder?“, murmelt Harry, er ist so schrecklich müde, und neben Hermine fühlt er sich einfach grundsätzlich wohl. Sie riecht so … tröstlich. Ein anderes Wort fällt ihm gerade nicht ein.

Hermine summt leise zustimmend, Harry fallen die Augen zu.

Nur mal kurz ausruhen … Nicht lange, nur eine Minute …

 
 

~~~

 

„Harry! Du musst aufwachen! Harry!“

„Nur noch fünf Minuten … Ist doch nur Kräuterkunde …“

„Was? Nein! Wir kommen zur spät zur Arbeit!“

Harry schlägt zerschlagen die Augen auf, Hermine hängt über ihm, die Haare ungekämmt und die Kleidung verrutscht.

„Oh Mist!“, murmelt er erschöpft.

„Ja, das fasst es ganz gut zusammen. Komm jetzt, wir müssen los!“ Hermine packt ihn an beiden Händen und zieht ihn hoch. „Wie gut, dass du dich gestern nicht ausgezogen hast.“

„Hä?“ Harry sieht sie verdutzt an. Ausgezogen? Warum um alles in der Welt hätte er sich hier ausziehen sollen …

Hermine rollt genervt mit den Augen. „Na, dass du deine Arbeitskleidung noch an hast!“

„Oh. Ja. Macht Sinn …“

„Los jetzt! Zum Kamin, ins Ministerium!“

„Warte!“ Schlaftrunken kommt Harry auf die Beine. „Ich muss mir noch die Zähne kämmen und die Haare putzen …“

„Keine Zeit!“

 
 

~~~

 

Stephen Cornfoot blickt von seinen Papieren auf, als Harry, mit einem Kaffeebecher, gerade rechtzeitig ins Büro gelaufen kommt – noch voller Ruß, ungekämmt und gerädert.

„Hey, Harry! Wo hast du …? Oh, du siehst … Ähm …“

„Ich sehe aus, als hätte mich jemand durch den Fleischwolf gedreht?“, beendet Harry Stephens Satz und lässt sich auf den Stuhl hinter seinen Schreibtisch fallen.

Stephen runzelt die Stirn. „Was ist ein Fleischwolf?“

„Muggelding, das Fleisch zerkleinert. Nicht so wichtig. Ich hatte einen schlechten Abend. Und eine schlechte Nacht. Und einen schlechten Morgen.“

Stephen sieht ihn mitleidig an. „Uff, war Ginny wieder böse auf dich?“

Harry wiegt seinen Kopf und nippt an seinem Kaffee. „Weißt du, ich schätze deine Anteilnahme, aber ich mag nicht darüber reden. Lass uns arbeiten. Wo steckt überhaupt Seamus?“

„Der ist gerade beim Boss, sein Informant war gerade da, hast ihn leider verpasst. Es gibt eine Spur. Du weißt schon, diese Hexe …“

„Wo, glaubt ihr, steckt sie?“

„Das wird dir gefallen!“

 
 

~~~

 

Das Stadion bebt und bricht in lauten Jubel aus, als der Quaffel in die Luft geworfen wird und die Jäger sich sofort auf den eigentümlichen Ball stürzen.

Harry reißt seinen Blick vom Spielgeschehen los. So gerne er Ginny beim Spielen zusehen würde, aber er ist beruflich hier. Diese nervtötende Hexe soll sich angeblich ausgerechnet hier herumtreiben. Was die Frau bei einem Quidditch-Match zu suchen hat ist zwar allen ein Rätsel, aber der Informant schwört, dass sie hier sei. So unwahrscheinlich es erscheinen mag, sie müssen der Spur nachgehen.

Harry trägt seinen Zauberstab verborgen in seinem Mantel, griffbereit. Er und seine Kollegen sind ausgeschwärmt und bewegen sich möglichst unauffällig zwischen den Rängen. Dass hier Auroren einem Einsatz nachgehen, soll möglichst unauffällig von statten gehen, am besten gar nicht bemerkt werden – man will ja keine Unruhe auslösen.

Nicht weit von Harry schiebt sich Seamus zwischen den Zuschauern hindurch und betrachtet seine Umgebung mit Argusaugen, Harry macht es ihm gleich. Mit halbem Ohr hört er der Stadionsprecherin zu.

„Und der Quaffel geht in Besitz von Weasley! Zurück zu Montague! Zurück zu Weasley! Jetzt zu Merryweather! Und wieder zu Montague!“

Auf der anderen Seite will Harry vielleicht doch nicht so genau zu hören.

„Potter?! Was treibst du denn hier? Du willst mir doch nicht erzählen, dass du dir tatsächlich ein Spiel von deiner Freundin ansiehst.“

Ihr wollt mich doch alle verarschen, denkt Harry, schließt kurz die Augen und wendet sich der schleppenden Stimme zu.

Auf einen der Ränge sitzt Draco Malfoy, so blass wie immer, dunkel gekleidet, das sonst glatte, weißblonde Haar vom Wind zerzaust und um den Hals hängt ihm ein Fernglas. Seine Arme hat er vor der Brust verschränkt, fragend zieht er eine Augenbraue hoch.

„Was machst du hier, Malfoy?“, fragt Harry etwas lauter, die Menge ist unerträglich laut.

„Nach was sieht es denn aus! Und du?“

„Arbeiten.“

Draco runzelt die Stirn. „Du meinst, hier treibt sich ein Schwarzmagier herum?“

„Eine Hexe … Egal, ich kann dir keine Details erzählen“, erklärt Harry, blickt nach vorn und stellt fest, dass Seamus schon ein gutes Stück vorgegangen ist und er ihm unbedingt auf den Fersen bleiben muss. „Vielleicht sehen wir uns ja wann anders, ich muss jetzt los …“

„Es ist aber nicht gefährlich, hier zu sein, oder?!“, hakt Draco nach,

sieht Harry misstrauisch an und spielt mit seinem Fernglas herum.

Der Auror setzt an, um seinem ehemaligen Feind zu sagen, dass die Frau nicht zu Kollateralschäden neigt, aber … „Kann ich dir nicht versprechen …“

Dracos unglücklicher Gesichtsausdruck muntert Harry ungemein auf. Mit sich zufrieden eilt er los und heftet sich wieder an Seamus‘ Fersen und hört, dass Montague ein Tor für sein Team geschossen hat.

 
 

~~~

 

„Sie ist also nicht hier, unsere gesuchte Person?“

„Nein, Sir.“

„Verstehe. Potter!“

„Ja, Sir?“

„Sie sehen aus, als wären Sie durch den Fleischwolf gedreht worden! Sie wissen hoffentlich, was ein Fleischwolf ist …“

„Das weiß ich, Sir.“

„Gut. Nehmen Sie sich den Rest des Tages frei. Wegtreten!“

„Ja, Sir.“

 
 

~~~

 

„Potter …“

Harry schließt die Augen. Er hat sich gerade gesetzt und gedacht, dass er zwar mit sich kämpfen muss, keinen Zauber gegen Montague zu wirken, aber zumindest kann er endlich ein Spiel von Ginny sehen. Aber sein Schicksal kann ihn offenbar nicht ausstehen und spuckt ihm Malfoy vor die Füße.

„Malfoy …?“, sagt Harry leise, die Augen immer noch geschlossen.

„Ich dachte, du musst arbeiten, Potter.“

„Hab frei bekommen.“

„Und diese Hexe?“

„Ist nicht hier.“

„Oh, gut. Kann ich mich neben dich setzen?“

Harry würde am liebsten „Nein, und jetzt verschwinde endlich, ich bin schon genug geplagt!“ schreien, aber der Anstand gebietet, dass er stattdessen mit „Ja, wieso nicht“ antwortet.

Draco setzt sich neben ihm, lehnt sich zurück und drückt sich das Fernglas gegen die Augen. Harry betrachtet es neidisch, er kann mit seinen schlechten Augen das Spiel nicht sonderlich gut verfolgen und muss sich auf die Stadionsprecherin verlassen. Genauer genommen ist es gar kein Fernglas, sondern sogar ein Omniglas, wie Harry beim genaueren Betrachten bemerkt. Omnigläser, mit ihnen kann man das Spielgeschehen nochmal verlangsamt betrachten, sich die Spielernamen einblenden lassen, die Namen der Manöver anzeigen und vieles mehr.

„Hätte meins auch mitnehmen sollen“, murmelt Harry genervt und richtet den Blick wieder aufs Spielfeld. Irgendwer hat den Quaffel und irgendwas passiert, aber außer, dass da in der Luft ein einziges Durcheinander herrscht, kann Harry nicht wirklich viel erkennen.

„Wie meinen?“, fragt Draco schleppend nach, das Omniglas weiterhin im Gesicht.

„Omniglas, hätte meins mitnehmen sollen. Gehört eigentlich zur Aurorenausrüstung. Sind sehr nützlich, um festzustellen, wer beim Zugriff Mist gebaut hat und wo der Verbrecher hin ist.“

„Ach so. Ginny wird sich sicher freuen, dass du heute hier bist, was?“

„Jaah … Ich denke schon …“

Draco wendet sich ihm zu und runzelt die Stirn. „Du denkst? Wo du’s doch sonst nie schaffst, ihre Spiele zu sehen … Ich bin ja hauptsächlich wegen Graham hier. Ich schau mir fast alle an, hab aber auch nix Besseres zu tun, vorerst.“

Harry gibt sich große Mühe, keine Miene zu verziehen. „Ginny meint, er macht sich ganz toll … Dass er Muggeklkram interessant findet, irgendwie so …“

Draco drückt sich wieder das Omniglas auf die Augen. „Es ist schon ein bisschen mehr als das. Weißt du, wir haben es gerade nicht sonderlich leicht.“

Harry betrachtet Draco fragend. „Wer ist „wir“?“

„Wir, die mit Riddle zu tun hatten. Wir, die da mehr oder weniger mit reingezogen wurden. Wir, denen jetzt keiner über den Weg traut. Wir, die auf der falschen Seite standen, als der großartige Harry Potter uns alle gerettet hat. Wir eben.“ Während Draco das erklärt, wendet er den Blick nicht vom Spiel ab, aber Harry fällt sehr wohl auf, dass er dem Spielgeschehen mit seinem Omniglas nicht folgt. Er entscheidet, Dracos Spitze über seine Großartigkeit zu überhören.

„Ihr seid also damit beschäftigt, euch als gesellschaftsfähig zu etablieren“, schlussfolgert Harry.

Draco seufzt leise. „Ja, kann man so sagen. Wir dachten, das achte Jahr in Hogwarts würde dabei helfen. Hat nicht geklappt. Graham hatte dann diese Idee, dass wir uns zusammensetzen, vor allem mit Muggelgeborenen.“

„Ist sicher hilfreich, dass meine … Freundin ihm dabei hilft“, murmelt Harry zerknirscht.

Draco setzt das Omniglas nun doch ab. „Ist es, sehr sogar. Und ich bin es leid, mich in meinen eigenen vier Wänden zu verschanzen. Wir brauchen Leute wie deine Freundin. Leute, die uns eine Chance geben. Leute, die was zu melden haben, die Helden eben.“

Ginny schafft es, ein Tor für ihr Team zu werfen und das Stadion bricht in Jubelrufe aus. Eigentlich müsste Harry jetzt mitjubeln, aber er ist völlig in Gedanken versunken. Ja, sie hat ständig davon gesprochen, dass Montague sich geändert habe, dass sie das so toll findet … Von all dem anderen hat Harry allerdings nichts mitbekommen. Wenn er ehrlich ist, denkt er über die ehemaligen Todesser und deren Kinder nicht viel nach, so lange sie ihm bei seiner Arbeit als Auror nicht in die Quere kommen.

Ein Klatscher trifft beinahe Ginny, sie kann gerade so ausweichen. Harry hofft, dass der nächste Montague trifft. Für einen Moment herrscht Unruhe, weil die Sucher sich in Bewegung setzen, aber dann scheint der Schnatz doch nicht aufgetaucht zu sein.

Harry muss dann doch noch eine Frage stelle: „Du schaust dir einfach das Spiel von Montague an?“

„Auch. Aber das ist nur ein Zusatz. Graham meinte, nach dem Spiel … Ginny hätte Zeit, wir könnten uns um eine Kampagne kümmern. Sie meinte, sie hätte jetzt viel mehr Freizeit dafür, hat sie zumindest heute Morgen geschrieben. Warum, hat sie nicht erwähnt.“

„Sie schreibt dir?“ Harry kann seine Überraschung nicht darüber verbergen, dass seine Ex-Freundin mit Draco Briefkontakt hat. Wenn er bedenkt, dass Draco damals in der Schule Ginnys Vornamen noch nicht mal auf die Kette bekam …

Draco wirkt genauso überrascht. „Hat sie dir nicht gesagt? Ja, wir schreiben. Blaise, Theodore und Pansy sind auch da. Ginny hat davon geredet, du könntest uns vielleicht helfen. Aber du bist natürlich nie gekommen.“

Harry fühlt sich unwohl in seiner Haut. Um fair zu sein, dass es um viel mehr ging als Graham kennenzulernen, das hat Harry nicht gewusst. Wäre er gekommen, wenn er gewusst hätte, dass es auch darum ging, Leuten wie Malfoy unter die Arme zu greifen? Er denkt einen kurzen Moment darüber nach und muss zugeben, vielleicht nicht. Oder, nicht allein. Vielleicht zusammen mit Hermine. Hermine wäre auf jeden Fall gekommen. Hermine redet selbst davon, dass man diesen Leuten eine Chance geben müsse, sonst würden sie sich nur dem nächsten, schwarzen Magier zuwenden, oder irgendwem, der sie Teil von etwas sein lässt. Harry findet, er versteht doch gar nichts von alle dem, von Kampagnen, von Öffentlichkeitsarbeit, wenn man es so nennen will. Er hat nicht eine Idee, wie er Malfoy und den anderen helfen könnte zu beweisen, dass sie nun zu den Guten gehörten. Und außerdem … Woher soll Harry wissen, dass das auch wirklich so ist?

„Ist schon gut“, sagt Draco und reißt Harry aus seinen Gedankengängen. „Ich hab nie daran geglaubt, dass du kommst. Nicht nur, weil du uns vielleicht nicht traust und so und mich auf den Tod nicht ausstehen kannst … Du schaffst es ja nicht mal zu Ginnys Spielen – zu den Spielen deiner eigenen Freundin.“

„Ich kann dich minimal besser ausstehen als zu Schulzeiten. Und als Auror hat man immer viel zu tun …“, murmelt Harry, den Blick aufs Spielfeld gerichtet.

„Ich kann dich auch minimal besser ausstehen. Oder das sind noch die Nachwirkungen, weil du mich nicht hast verbrennen lassen. Ginny hat auch immer gesagt, dass du viel zu tun hast.“

Das Stadion erbebt unter lauten Jubelrufen, die Zuschauer springen auf, klatschen, schreien und rufen. Harry blinzelt. Offenbar hat Ginnys Mannschaft es geschafft, sie haben den Schnatz gefangen.

Draco brummt genervt. „Jetzt hab ich das verpasst …“

„Hast doch ein Omniglas.“

„Ja, aber hab nicht drauf gehalten!“

„Trottel“, kichert Harry.

Draco schnaubt und grinst. „Ach halt’s Maul, Potter!“

Die Spieler reichen sich die Hände, man beglückwünscht einander, die Sieger fallen einander um den Hals. Harry muss sehr an sich halten, seinen Zauberstab nicht zu ziehe, als Montague Ginny umarmt und glücklich durch die Luft wirbelt.

Aus irgendeinem Grund bietet Draco ihm ausgerechnet jetzt sein Omniglas an, Harry knurrt, dass er es ihn sonst wohin steckt, wenn er es ihm nochmal anbietet. Verdutzt zieht Draco es Schulter zuckend zurück.

„Kommst du mit?“, fragt Draco und steht auf, streicht sich die Kleidung glatt und streckt sich.

Harry zögert. Ginny ist sicher nicht gut auf ihn zusprechen. Er befürchtet, dass das Draco und seiner Truppe aus reuevollen ehemaligen Todessern nicht entgehen wird. Aber er hat sich ihr Spiel angesehen, vielleicht stimmt sie das ja etwas milde …

Der Auror steht nervös auf, sein Magen rebelliert. Er zwingt sich ein Lächeln auf die Lippen und nickt Draco zu.

 
 

~~~

 

„Mehr Rum.“

„Wir sollten nicht so viel trinken …“

„Eher mehr.“

„Ach, Harry …“

„Es hat sie nicht besonders beeindruckt, dass ich beim Quidditch-Spiel gewesen bin …“

Hermine streichelt liebevoll Harrys Arm. „Na ja, sie war ja auch noch sehr aufgebracht. Das war zu erwarten …“

Harry nippt an seinem Rum. „Sie hat mit Malfoy geschrieben … Mit Malfoy. Und mir davon kein Wort gesagt!“

Hermine nickt, kaut auf ihrer Unterlippe und meint: „Nun, sie wusste, dass du es nicht gut aufnehmen würdest.“

„Du meinst, deswegen hat sie’s mir lieber verschwiegen?!“, murrt Harry aufgebracht und starrt finster vor sich hin.

Sie lehnt ihren Kopf gegen seine Schulter und legt ihren Arm um ihn. „Ich glaube, sie hat auf den richtigen Moment gewartet, um mit dir darüber zu reden.“

Harry seufzt leise und schmiegt sich an sie. Ihm wird wieder schmerzlich bewusst, dass er meistens nicht reden wollte. Er kam erschöpft nach Hause, er wollte nur noch eine schöne Zeit mit ihr verbringen und nicht über irgendwas Anstrengendes reden müssen. Es war Ginny wichtig gewesen und er hatte das nicht erkennen wollen.

„Ich hab ihr nicht zugehört …“, stellt er nüchtern fest und verpasst sich mental eine Ohrfeige.

Hermine summt zustimmend. „Ich Ron auch nicht …“

„Immerhin hören wir uns gegenseitig zu …“

„Da sollten wir von lernen, oder?“

„Was meinst du, wie lange sollte ich Ginny in Ruhe lassen?“

Hermine denkt eine Weile nach, das Glas Rum in der Hand schwenkend. „Ein paar Tage … Ron will mit mir reden, ich will aber gerade nicht.“

„Ich sag ihm, er soll’s in ein paar Tagen nochmal versuchen.“

Hermine lacht leise, unendlich müde. „Wenigstes ist morgen Wochenende …“

„Bei mir heißt das ja nicht viel.“

„Bei mir eigentlich auch nicht.“

„Vielleicht dieses eine Wochenende nicht arbeiten …“

„Vielleicht …“

Nach einigen Minuten des Schweigens entscheidet Hermine, das es so nicht weitergehen kann und sie beschließt, dass sie sich jetzt irgendeine hirnlose Muggel-Show im Fernsehen anschauen.

Nachdem etwas angemessen Hirnloses gefunden wird, lästern sie die halbe Nacht über das Fernsehen, holen sich Nachos und Popcorn und Cola. Und ein bisschen Rum – für die Cola natürlich.

Irgendwann fallen ihnen die Augen zu und sie schlafen aneinander gekuschelt vor dem Fernseher ein.

Harry träumt davon, dass er Dracos Omniglas doch annimmt. Wenn er hindurch blickt, sieht er immer und immer wieder, wie Montague Ginny umarmt, in die Luft hebt und herumwirbelt. Wie sie lachen und sich ausgelassen über ihren Sieg freuen. Aber aus irgendeinem Grund fühlt er sich nicht wütend, denn Ginny sieht endlich wieder glücklich aus.

Harry weiß, dass jemand neben ihm sitzt, nicht Draco – versteht sich, der ihn auch glücklich macht. Aber irgendwie kann er einfach nicht sagen, wer das ist …



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  swetty-mausi
2024-02-29T12:25:37+00:00 29.02.2024 13:25
Tolle Geschichte
Antwort von:  Sas-_-
29.02.2024 16:11
Danke <3


Zurück